Skip to content

Fristlose Kündigung bei Selbstbeurlaubung und Arbeitszeitbetrug

Ein Bürojob, der in einem handfesten Streit um die fristlose Kündigung eskalierte: Eine Büromitarbeiterin sah sich mit schweren Vorwürfen konfrontiert, darunter eigenmächtiger Urlaub, Arbeitszeitbetrug und angebliche Racheakte. Ihr Chef warf ihr vor, damit die sofortige Entlassung provoziert zu haben. Doch vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz blieben die Beweise für solch drastische Anschuldigungen erstaunlich dünn.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 7 Sa 431/21 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
  • Datum: 08.06.2022
  • Aktenzeichen: 7 Sa 431/21
  • Verfahrensart: Berufungsverfahren
  • Rechtsbereiche: Arbeitsrecht, Kündigungsrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Eine Büromitarbeiterin, die sich gegen die fristlose Kündigung durch ihre Arbeitgeberin wehrte und die erhobenen Vorwürfe bestritt.
  • Beklagte: Die ehemalige Arbeitgeberin der Klägerin, die eine fristlose Kündigung ausgesprochen hatte und diese mit mehreren Vorwürfen begründete.

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Die Klägerin, eine Büromitarbeiterin, wurde von ihrer Arbeitgeberin am 21. Juni 2021 fristlos gekündigt, nachdem ihr zuvor mangelnde Arbeitsleistung vorgeworfen worden war und sie ab dem 9. Juni 2021 keine Arbeitsleistung mehr erbrachte. Die Klägerin erhob Kündigungsschutzklage gegen diese Kündigung.
  • Kern des Rechtsstreits: Der zentrale Streitpunkt war die Wirksamkeit einer von der Arbeitgeberin ausgesprochenen außerordentlichen, fristlosen Kündigung. Diese Kündigung wurde mit Vorwürfen wie eigenmächtigem Urlaub, Arbeitszeitbetrug, „Racheakten“ und Schlechtleistung begründet.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz wies die Berufung der Arbeitgeberin zurück. Es bestätigte damit die erstinstanzliche Entscheidung, dass die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses unwirksam ist.
  • Begründung: Das Gericht befand, dass keiner der von der Arbeitgeberin vorgebrachten Gründe, wie eigenmächtiger Urlaub oder Arbeitszeitbetrug, einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darstellt. Die Arbeitgeberin konnte die Vorwürfe nicht hinreichend beweisen, sodass auch eine Gesamtschau keine Kündigung rechtfertigte.
  • Folgen: Die fristlose Kündigung ist unwirksam, was bedeutet, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch diese Kündigung nicht beendet wurde.

Der Fall vor Gericht


Fristlose Kündigung im Büro: Streit um Urlaub, Arbeitszeit und angebliche Racheakte

Eine fristlose Kündigung – das ist für jeden Arbeitnehmer ein Schock. Plötzlich steht man ohne Job da und fragt sich: Darf der Chef das einfach so? Genau diese Frage musste das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz klären. Eine Büromitarbeiterin hatte von ihrer Arbeitgeberin eine solche außerordentliche, also fristlose, Kündigung erhalten. Die Vorwürfe waren massiv: eigenmächtiger Urlaubsantritt, Arbeitszeitbetrug, „Racheakte“ gegen Kollegen und erhebliche Schlechtleistung. Aber waren diese Vorwürfe haltbar?

Die Vorgeschichte: Eskalation im Büroalltag

Verärgerter Chef arbeitet an Laptop im modernen Büro, leere Schreibtisch im Hintergrund
Chef kündigt fristlos wegen Abwesenheit und angeblicher Verfehlungen im Büro. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Die Klägerin (eine Büromitarbeiterin) war seit April 2019 bei der beklagten Arbeitgeberin (einem Unternehmen) beschäftigt. Sie arbeitete 30 Stunden pro Woche und verdiente 1.575,00 € brutto im Monat. Neben ihr gab es noch einen weiteren Mitarbeiter, Herrn S., und den Gesellschafter der Arbeitgeberin, Herrn P. (den Chef des Unternehmens).

Die Situation spitzte sich im Frühjahr 2021 zu. Am 31. Mai 2021 erhielt die Büromitarbeiterin eine Abmahnung. Eine Abmahnung ist eine formelle Rüge des Arbeitgebers, mit der er ein bestimmtes Fehlverhalten des Arbeitnehmers beanstandet und ihn auffordert, dieses künftig zu unterlassen, oft verbunden mit der Drohung, im Wiederholungsfall das Arbeitsverhältnis zu kündigen. Ab dem 9. Juni 2021 arbeitete die Büromitarbeiterin dann tatsächlich nicht mehr im Betrieb.

Am 18. Juni 2021 erhielt sie eine E-Mail von Herrn P. Darin warf er ihr schwere Versäumnisse vor: Kundenlisten seien nicht aktuell, wichtige Einträge fehlten, Bestellungen nicht korrekt abgelegt und die Ablage des Vorjahres immer noch nicht bearbeitet. Er unterstellte ihr, sie habe stattdessen private Dinge am Arbeitsplatz erledigt. Herr P. schlug ihr einen Aufhebungsvertrag vor. Das ist eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, das Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Zeitpunkt einvernehmlich zu beenden. Als Alternative drohte er mit einer fristlosen oder einer ordentlichen Kündigung (das ist eine Kündigung unter Einhaltung der gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfrist) zum 30. Juli 2021.

Nur drei Tage später, am Morgen des 21. Juni 2021, folgte die nächste E-Mail von Herrn P. mit dem Betreff „Leider warte ich umsonst“. Darin sprach er die fristlose Kündigung aus, weil die Büromitarbeiterin nicht zu einer angeblich anberaumten Besprechung erschienen sei und sich auch nicht gemeldet habe. Die schriftliche Kündigung, die das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos und hilfsweise ordentlich zum 31. Juli 2021 beenden sollte, erhielt die Büromitarbeiterin am 23. Juni 2021. Für die Zeit ab dem 21. Juni 2021 legte sie eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor (umgangssprachlich Krankmeldung).

Die Sicht der Büromitarbeiterin: Alles ganz anders?

Die Büromitarbeiterin wehrte sich und reichte am 28. Juni 2021 eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht ein. Das ist eine Klage, mit der ein Arbeitnehmer die Unwirksamkeit einer Kündigung feststellen lassen will. Sie bestritt die Vorwürfe vehement.

Sie erklärte, dass sie sich vom 9. bis 18. Juni 2021 im Urlaub befunden habe. Ihre kirchliche Trauung am 11. Juni und die anschließenden Flitterwochen seien Herrn P. bekannt gewesen. Der Urlaub sei mündlich abgesprochen gewesen, und Herr P. habe zugesagt, diesen als Kurzarbeit zu verbuchen. Kurzarbeit ist eine vorübergehende Verringerung der regelmäßigen Arbeitszeit in einem Betrieb, oft verbunden mit staatlichen Zuschüssen zum Lohn, um Entlassungen zu vermeiden. Eine Besprechung für den 21. Juni sei nie vereinbart worden. Auch die Vorwürfe in der Abmahnung seien falsch. Der wahre Grund für die Kündigung sei ihre Krankmeldung.

Den Vorwurf des Arbeitszeitbetrugs wies sie ebenfalls zurück. Ihre Arbeitszeiten seien fest gewesen, und es habe kein Zeiterfassungssystem gegeben. Im Gegenteil, die Arbeitgeberin habe sie angewiesen, weniger Stunden in Excel-Listen einzutragen, damit das Unternehmen Kurzarbeitergeld beantragen konnte. Sie bestritt auch, aus Rache falsche Außendiensttermine für ihren Kollegen S. eingetragen zu haben; zu einigen der beanstandeten Zeitpunkte sei sie bereits im Urlaub oder gekündigt gewesen. Die Verantwortung für Kunden- und Werkzeuglisten lehnte sie ab; für Werkzeuge sei sie nicht zuständig gewesen. Firmenlaptop, Handy und Schlüssel habe sie zunächst einbehalten, weil ihr noch Gehalt für Juni 2021 zustand.

Die Vorwürfe der Arbeitgeberin: Eine Kette von Verfehlungen?

Die Arbeitgeberin hingegen sah mehrere gewichtige Gründe für die fristlose Kündigung.

Erstens sei die Büromitarbeiterin vom 9. bis 18. Juni 2021 eigenmächtig in den Urlaub gefahren. In einem Kleinbetrieb (ein Betrieb mit nur wenigen Mitarbeitern) wie ihrem müsse aber immer jemand im Büro sein. Sie habe das Büro am 9. Juni einfach unbesetzt gelassen.

Zweitens warf die Arbeitgeberin ihr Arbeitszeitbetrug vor. Die Büromitarbeiterin habe montags bis donnerstags ihre halbstündige Mittagspause nicht durchgearbeitet und sei vor 15:00 Uhr gegangen, obwohl sie 30 Stunden pro Woche hätte arbeiten müssen. Dies habe der Kollege S. bemerkt.

Drittens habe die Büromitarbeiterin als „Racheakt“ falsche Außendiensttermine für Herrn S. bei Kunden wie der Firma S. in T., der Firma T. in S. und der Bundeswehr in X. eingetragen, die nie vereinbart waren.

Viertens habe sie durch schlecht geführte Kunden- und Werkzeuglisten einen erheblichen Schaden verursacht. Ein anfänglicher Fehlbestand an Werkzeugen im Wert von ca. 60.000 € habe sich erst durch aufwendige Recherche auf ca. 30.000 € reduziert. Es sei ihr, der Arbeitgeberin, nicht zuzumuten gewesen, das Arbeitsverhältnis auch nur einen Tag länger fortzusetzen. Schließlich habe die Büromitarbeiterin Firmeneigentum erst nach anwaltlicher Aufforderung zurückgegeben.

Der Weg durch die Instanzen: Vom Arbeitsgericht zum Landesarbeitsgericht

Die Büromitarbeiterin zog, wie erwähnt, vor das Arbeitsgericht Kaiserslautern. Dieses Gericht prüfte die fristlose Kündigung und kam zu dem Schluss, dass sie unwirksam ist. Das Arbeitsverhältnis wurde also nicht durch diese Kündigung beendet.

Gegen dieses Urteil legte die Arbeitgeberin Berufung ein. Eine Berufung ist ein Rechtsmittel, mit dem eine Partei eines Rechtsstreits die Überprüfung eines Urteils durch eine höhere gerichtliche Instanz beantragt. Zuständig war nun das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz. Es musste den Fall also erneut prüfen. Eine Revision, also eine weitere Überprüfung durch das höchste deutsche Arbeitsgericht (das Bundesarbeitsgericht), wurde vom Landesarbeitsgericht nicht zugelassen.

Die Kernfrage: Durfte die Arbeitgeberin fristlos kündigen?

Das Landesarbeitsgericht musste nun also entscheiden: Lag ein sogenannter wichtiger Grund im Sinne des § 626 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vor, der eine außerordentliche, fristlose Kündigung rechtfertigt?

Doch was genau bedeutet das, eine „außerordentliche, fristlose Kündigung“? Hier kommt ein wichtiger Paragraph ins Spiel: § 626 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Dieses Gesetz besagt, dass ein Arbeitsverhältnis von beiden Seiten – Arbeitnehmer oder Arbeitgeber – ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden kann, wenn sogenannte „wichtige Gründe“ vorliegen. Man kann sich das vorstellen wie eine Art Notbremse im Arbeitsrecht. Aber wann ist ein Grund „wichtig“ genug? Das Gesetz sagt weiter, dass die Umstände so gravierend sein müssen, dass es dem Kündigenden nicht zugemutet werden kann, das Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ablauf der normalen Kündigungsfrist fortzusetzen. Dabei müssen alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt und die Interessen beider Seiten – Arbeitnehmer und Arbeitgeber – gegeneinander abgewogen werden.

Gerichte prüfen das in zwei Schritten: Erstens, ist der behauptete Sachverhalt an sich überhaupt geeignet, ein wichtiger Grund zu sein? Zweitens, ist die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses im konkreten Fall unter Abwägung aller Interessen unzumutbar? Eine entscheidende Rolle spielt hierbei die sogenannte Darlegungs- und Beweislast. Das bedeutet, die Arbeitgeberin, die gekündigt hat, muss nicht nur die Tatsachen genau darlegen, die ihrer Meinung nach die Kündigung rechtfertigen, sondern sie muss diese Tatsachen im Streitfall auch beweisen können. Kann sie das nicht, gilt der Vorwurf als nicht erwiesen.

Warum das Gericht so entschied: Die Vorwürfe auf dem Prüfstand

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz kam, genau wie das Arbeitsgericht zuvor, zu dem Ergebnis: Die fristlose Kündigung war nicht wirksam. Die von der Arbeitgeberin vorgebrachten Gründe reichten weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit aus. Schauen wir uns die Begründung genauer an:

Fehlte die Büromitarbeiterin wirklich unentschuldigt?

Den Vorwurf der eigenmächtigen Beurlaubung sah das Gericht als nicht stichhaltig an. Es blieb schon unklar, ob sich der Vorwurf auf einen einzelnen Tag oder den gesamten Zeitraum vom 9. bis 18. Juni bezog. Die Arbeitgeberin konnte auch nicht klar darlegen, wie Urlaub in ihrem Betrieb üblicherweise beantragt und genehmigt wird. Das Gericht meinte: Wenn es keine festen Regeln gibt und eine Mitarbeiterin einen einzelnen Tag ohne klare Absprache fehlt, rechtfertigt das vielleicht eine Abmahnung, aber keine fristlose Kündigung.

Besonders interessant: In der E-Mail des Gesellschafters P. vom 18. Juni war von der „Urlaubszeit“ der Klägerin die Rede, ohne dass er die angebliche Selbstbeurlaubung kritisierte. Das deutete für das Gericht darauf hin, dass die Arbeitgeberin selbst darin zu diesem Zeitpunkt kein schwerwiegendes Fehlverhalten sah. Auch die Kündigungs-E-Mail vom 21. Juni nannte als Grund das Nichterscheinen zu einer Besprechung, nicht den Urlaub. Die Büromitarbeiterin hatte zudem glaubhaft erklärt, der Urlaub sei mündlich abgesprochen und ihre kirchliche Trauung bekannt gewesen.

Hat die Büromitarbeiterin bei der Arbeitszeit betrogen?

Auch einen Arbeitszeitbetrug konnte die Arbeitgeberin nicht ausreichend beweisen. Sie legte nicht dar, dass die Büromitarbeiterin tatsächlich weniger als die vereinbarten 30 Stunden pro Woche gearbeitet hatte oder dass sie dies bewusst tat, um sich unberechtigt Lohn zu erschleichen. Die Büromitarbeiterin hatte angegeben, teilweise in den Pausen gearbeitet zu haben; das konnte die Arbeitgeberin nicht überzeugend widerlegen. Auch der Vorwurf, sie habe den Arbeitsplatz vorzeitig verlassen, war nicht konkret genug. Die Erklärung der Büromitarbeiterin, die Excel-Dateien zur Zeiterfassung seien auf Anweisung des Gesellschafters P. zugunsten von Kurzarbeitergeldanträgen manipuliert worden, konnte die Arbeitgeberin ebenfalls nicht entkräften.

Stellen Sie sich vor, Ihr Chef beschuldigt Sie, zu wenig gearbeitet zu haben, aber es gibt keine Stempeluhr und die Aufzeichnungen sind unklar oder widersprüchlich. Genau so eine Situation lag hier vor.

Racheakte oder Missverständnisse bei den Terminen?

Der Vorwurf, die Büromitarbeiterin habe aus „Rache“ falsche Außendiensttermine für den Kollegen S. eingetragen, wurde vom Gericht ebenfalls als nicht ausreichend bewiesen angesehen. Obwohl die Arbeitgeberin Beispiele nannte, konnte sie nicht belegen, dass die Büromitarbeiterin diese Termine absichtlich falsch geplant hatte, um dem Unternehmen zu schaden. Die Büromitarbeiterin bestritt dies und verwies auf ihre übliche, kundenorientierte Terminplanung. Außerdem war sie zu einigen der fraglichen Zeitpunkte bereits im Urlaub oder sogar schon gekündigt.

Waren die Listen wirklich so schlecht geführt und wer war verantwortlich?

Auch den Vorwurf der massiven Schlechtleistung, die angeblich zu hohen Schäden geführt haben soll (z.B. bei den Werkzeuglisten), konnte die Arbeitgeberin nicht ausreichend untermauern. Es ist eine Sache, wenn Werkzeuge fehlen. Eine andere ist es, konkret nachzuweisen, dass genau diese Büromitarbeiterin durch ihre fehlerhafte Arbeit dafür verantwortlich ist. Die Büromitarbeiterin hatte bestritten, für die Werkzeuge zuständig gewesen zu sein, und angegeben, diese nur nach Anweisung versandt zu haben. Die Arbeitgeberin konnte das Gegenteil nicht beweisen.

Das Zurückhalten von Firmeneigentum: Ein Kündigungsgrund?

Dass die Büromitarbeiterin Laptop, Handy und Schlüssel erst nach einem Anwaltsschreiben herausgab, wertete das Gericht nicht als eigenständigen Kündigungsgrund oder als maßgeblichen Punkt für eine Gesamtabwägung. Die Büromitarbeiterin hatte ein sogenanntes Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht. Das bedeutet, sie wollte die Sachen erst herausgeben, wenn sie ihr noch zustehendes Gehalt bekommt. Ob dieses Recht hier tatsächlich bestand, musste das Gericht für die Kündigungsfrage nicht abschließend klären, da der Vorwurf ohnehin nicht schwer genug wog.

Das Gesamtbild: Reichten die Vorwürfe zusammengenommen?

Das Gericht prüfte abschließend, ob alle Vorwürfe zusammen vielleicht doch eine fristlose Kündigung rechtfertigen könnten – eine sogenannte Gesamtschau. Doch auch hier kam es zu einem klaren Ergebnis: Nein. Wenn die einzelnen Vorwürfe schon für sich genommen nicht ausreichend sind oder nicht bewiesen werden können, dann kann auch ihre Anhäufung die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht begründen. Die Arbeitgeberin hatte die Beweise für ihre schweren Anschuldigungen schlicht nicht erbringen können.

Das Landesarbeitsgericht bestätigte daher die Entscheidung der Vorinstanz: Das Arbeitsverhältnis wurde durch die fristlose Kündigung vom 21. Juni 2021 nicht beendet.



Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil zeigt deutlich, dass Arbeitgeber bei einer fristlosen Kündigung alle Vorwürfe konkret beweisen müssen – vage Anschuldigungen reichen nicht aus. Selbst schwerwiegende Vorwürfe wie Arbeitszeitbetrug oder Sabotage führen nur dann zu einer wirksamen Kündigung, wenn der Chef diese Tatsachen auch tatsächlich belegen kann. Die Arbeitgeberin scheiterte hier, weil sie weder klare Arbeitsregeln hatte noch ihre Behauptungen mit Belegen untermauern konnte. Für Arbeitnehmer bedeutet das: Eine fristlose Kündigung ist oft anfechtbar, wenn der Arbeitgeber seine Vorwürfe nicht wasserdicht beweisen kann.

Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.

Häufig gestellte Fragen zum Thema

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wann kann eine fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber ausgesprochen werden?

Eine fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber ist in Deutschland eine Ausnahme und nur unter sehr strengen Voraussetzungen zulässig. Sie beendet das Arbeitsverhältnis sofort und ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist. Der Gesetzgeber sieht dies nur vor, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber bis zum Ablauf der regulären Kündigungsfrist unerträglich oder unzumutbar wäre.

Der „wichtige Grund“: Die gesetzliche Grundlage

Die rechtliche Grundlage für eine fristlose Kündigung ist § 626 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Dieser Paragraph besagt, dass ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund fristlos gekündigt werden kann. Ein wichtiger Grund liegt dann vor, wenn Tatsachen vorliegen, die dem kündigenden Teil – hier dem Arbeitgeber – die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Stellen Sie sich vor, ein Vorfall ist so gravierend, dass eine weitere Zusammenarbeit, auch nur für die verbleibende Kündigungsfrist, nicht mehr tragbar ist.

Es handelt sich dabei typischerweise um schwerwiegende Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers oder andere Umstände, die das Vertrauensverhältnis nachhaltig zerstören. Beispiele hierfür können sein:

  • Straftaten im oder zum Nachteil des Arbeitsgebers (z.B. Diebstahl, Betrug, Unterschlagung).
  • Schwere Verletzung von Arbeitspflichten (z.B. beharrliche Arbeitsverweigerung, eigenmächtiger Urlaubsantritt, massive Spesenbetrug).
  • Tätliche Angriffe oder grobe Beleidigungen gegenüber Kollegen oder Vorgesetzten.
  • Verrat von Betriebsgeheimnissen.
  • Vortäuschen von Arbeitsunfähigkeit (Blaumachen).

Oftmals ist vor einer fristlosen Kündigung, besonders bei weniger schwerwiegenden Pflichtverletzungen, eine Abmahnung erforderlich. Sie dient dazu, den Arbeitnehmer auf sein Fehlverhalten hinzuweisen und ihm die Chance zu geben, dieses zu ändern. Nur wenn das Verhalten trotz Abmahnung wiederholt auftritt oder wenn der Verstoß so schwerwiegend ist, dass eine Abmahnung sinnlos erscheint, kann eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung gerechtfertigt sein.

Die zweistufige Prüfung vor Gericht

Erhebt ein Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage gegen eine fristlose Kündigung, prüfen die Arbeitsgerichte, ob ein wichtiger Grund vorliegt, in zwei Schritten:

  1. Eignung des Vorwurfs an sich: Zuerst wird geprüft, ob der dem Arbeitnehmer vorgeworfene Sachverhalt oder die Pflichtverletzung generell geeignet ist, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Hier geht es um die Art und Schwere des Verstoßes. Ist das Verhalten grundsätzlich so gravierend, dass es eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen könnte? Zum Beispiel: Ist der Diebstahl von Firmeneigentum prinzipiell ein Grund für eine fristlose Kündigung? Ja, in der Regel schon.
  2. Interessenabwägung im Einzelfall: Im zweiten Schritt erfolgt eine umfassende Abwägung aller Umstände des Einzelfalls. Hierbei wird beurteilt, ob es dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller relevanten Faktoren tatsächlich unzumutbar ist, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der regulären Kündigungsfrist fortzusetzen. In diese Abwägung fließen zahlreiche Punkte ein, die für den Arbeitnehmer relevant sein können, wie zum Beispiel:
    • Die Dauer des Arbeitsverhältnisses (langjährige, unbeanstandete Beschäftigung kann mildernd wirken).
    • Das Alter und die sozialen Verhältnisse des Arbeitnehmers.
    • Die Schwere der Pflichtverletzung und das Ausmaß eines entstandenen Schadens.
    • Ob der Arbeitnehmer wiederholt auffällig geworden ist oder ob es sich um ein einmaliges Vergehen handelt.
    • Ob der Arbeitnehmer Vorsatz hatte oder grob fahrlässig handelte.
    • Das Verhalten des Arbeitgebers (z.B. Reaktion auf frühere Vorfälle).
    • Die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung in einem anderen Bereich oder die Erteilung einer Abmahnung.

Nur wenn beide Prüfungsstufen positiv ausfallen, also der Vorwurf generell schwerwiegend genug ist und die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses im konkreten Einzelfall unzumutbar ist, hält eine fristlose Kündigung vor Gericht stand.

Wichtig ist zudem: Der Arbeitgeber muss die fristlose Kündigung innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis des wichtigen Grundes aussprechen. Versäumt er diese Frist, ist die fristlose Kündigung wegen dieses Grundes nicht mehr möglich.


zurück

Ist eine eigenmächtige Selbstbeurlaubung immer ein Grund für eine fristlose Kündigung?

Nein, eine eigenmächtige Selbstbeurlaubung ist nicht immer ein Grund für eine fristlose Kündigung, auch wenn sie eine sehr ernste Pflichtverletzung darstellt. Eine solche eigenmächtige Handlung kann das Vertrauen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer erheblich beschädigen und ist daher grundsätzlich geeignet, eine Kündigung zu rechtfertigen. Ob es tatsächlich zu einer fristlosen Kündigung kommt, hängt jedoch stark von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab.

Was ist eine eigenmächtige Selbstbeurlaubung?

Von einer eigenmächtigen Selbstbeurlaubung spricht man, wenn Sie dem Arbeitsplatz fernbleiben, ohne dass der Arbeitgeber dies genehmigt hat. Dies ist ein schwerwiegender Verstoß gegen Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten. Der Arbeitgeber muss nämlich stets wissen, wo sich seine Mitarbeiter befinden und ob sie ihrer Arbeit nachgehen. Ein unerlaubtes Fernbleiben, selbst wenn es vermeintlich um Urlaub geht, untergräbt dieses grundlegende Vertrauensverhältnis.

Wann ist eine fristlose Kündigung möglich?

Eine fristlose Kündigung ist nur dann zulässig, wenn ein sogenannter „wichtiger Grund“ vorliegt. Dieser wichtige Grund muss so schwerwiegend sein, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf einer ordentlichen Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Bei der eigenmächtigen Selbstbeurlaubung muss der Arbeitgeber im Rahmen einer Interessenabwägung prüfen, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses wirklich unzumutbar ist. Dabei werden die Interessen beider Seiten sorgfältig abgewogen.

Welche Umstände sind für die Beurteilung entscheidend?

Die Arbeitsgerichte prüfen bei einer eigenmächtigen Selbstbeurlaubung sehr genau, ob eine fristlose Kündigung gerechtfertigt ist. Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle:

  • Dauer des Fernbleibens: War es nur eine kurze Abwesenheit von wenigen Stunden oder ein tagelanges, unerlaubtes Fernbleiben? Je länger die Dauer, desto schwerwiegender die Pflichtverletzung.
  • Gründe für das Fernbleiben: Gab es einen absoluten Notfall, der das sofortige Fernbleiben notwendig machte (z.B. ein schwerer familiärer Notfall)? Entscheidend ist hier auch, ob Sie den Arbeitgeber sofort informiert haben oder dies versucht haben.
  • Kommunikation mit dem Arbeitgeber: Haben Sie versucht, den Arbeitgeber vorab oder unverzüglich über Ihr Fernbleiben und dessen Gründe zu informieren? Eine fehlende oder verspätete Information kann die Situation erheblich verschärfen.
  • Bestehende Abmahnungen: Wurden Sie bereits wegen ähnlichen Verhaltens oder anderer Pflichtverletzungen abgemahnt? Eine vorherige Abmahnung kann im Wiederholungsfall eine fristlose Kündigung eher rechtfertigen.
  • Betriebliche Auswirkungen: Welche Nachteile oder Schäden sind dem Arbeitgeber durch Ihr Fernbleiben entstanden? (z.B. Produktionsausfall, gestörte Abläufe, Notbesetzung).
  • Bisheriges Verhalten und Dauer des Arbeitsverhältnisses: Hatten Sie zuvor ein tadelloses Arbeitsverhältnis und eine lange Betriebszugehörigkeit, kann dies mildernd wirken.

Die Gerichte legen bei der Bewertung einer eigenmächtigen Selbstbeurlaubung strenge Maßstäbe an und prüfen, ob nicht auch eine Abmahnung oder eine ordentliche Kündigung als milderes Mittel ausreichend gewesen wäre. Es ist also nicht die Tatsache der Selbstbeurlaubung an sich, die automatisch zur fristlosen Kündigung führt, sondern die Gesamtschau aller Umstände, die den Einzelfall prägen.


zurück

Welche Beweisanforderungen gibt es bei Vorwürfen des Arbeitszeitbetrugs für eine fristlose Kündigung?

Wenn ein Arbeitgeber Ihnen Arbeitszeitbetrug vorwirft und deshalb eine fristlose Kündigung ausspricht, trägt er eine besonders hohe Darlegungs- und Beweislast. Das bedeutet, der Arbeitgeber muss nicht nur den Vorwurf präzise formulieren, sondern auch umfassend und überzeugend beweisen, dass die vorgeworfenen Handlungen tatsächlich stattgefunden haben und eine fristlose Kündigung rechtfertigen.

Hohe Beweislast beim Arbeitgeber

Eine fristlose Kündigung wegen Arbeitszeitbetrugs ist eine der schwerwiegendsten Maßnahmen im Arbeitsrecht. Sie setzt voraus, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer unwiederbringlich zerstört ist. Weil eine solche Kündigung für den Arbeitnehmer existenzbedrohend sein kann, verlangt die Rechtsprechung vom Arbeitgeber sehr konkrete und belastbare Beweise. Es reicht nicht aus, nur Vermutungen oder vage Verdachtsmomente zu haben.

Was genau bewiesen werden muss

Der Arbeitgeber muss bei einem Vorwurf des Arbeitszeitbetrugs im Einzelnen beweisen:

  • Eine Täuschungshandlung: Der Arbeitgeber muss nachweisen, dass Sie durch Ihr Verhalten bewusst falsche Angaben über Ihre Arbeitszeit gemacht oder eine unrechtmäßige Verkürzung der Arbeitszeit herbeigeführt haben. Beispiele hierfür sind das Vortäuschen von Arbeitszeit, die tatsächlich nicht geleistet wurde (z.B. durch Manipulation von Stempeluhren), oder das Verlassen des Arbeitsplatzes, ohne dies zu vermerken.
  • Betrügerische Absicht: Dies ist der entscheidende Punkt. Es muss dem Arbeitgeber gelingen, zu beweisen, dass die Täuschungshandlung bewusst und in der Absicht erfolgte, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen oder dem Arbeitgeber einen Schaden zuzufügen. Es geht also nicht nur um eine objektive Falschbuchung, sondern um die subjektive, betrügerische Absicht dahinter. Ein versehentliches Fehlstempeln oder ein Versehen im Zeiterfassungssystem reicht für den Vorwurf des Arbeitszeitbetrugs in der Regel nicht aus.
  • Erheblichkeit des Verstoßes: Der vorgeworfene Betrug muss zudem so schwerwiegend sein, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der regulären Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

Bedeutung der Zeiterfassungssysteme

Moderne Zeiterfassungssysteme wie digitale Stechuhren, Apps oder elektronische Protokolle spielen eine große Rolle. Sie dienen dem Arbeitgeber als Nachweisgrundlage.

  • Beweismittel für den Arbeitgeber: Die Daten aus diesen Systemen sind oft die primären Beweismittel des Arbeitgebers.
  • Fehleranfälligkeit: Allerdings sind auch solche Systeme nicht unfehlbar. Es kann zu technischen Fehlern, Übertragungsfehlern oder Missverständnissen bei der Bedienung kommen. Für Sie als Arbeitnehmer bedeutet das, dass Sie die Richtigkeit der erfassten Daten in Frage stellen oder Umstände darlegen können, die die angeblichen Abweichungen erklären.

Verteidigungsmöglichkeiten für Arbeitnehmer

Wenn Ihnen Arbeitszeitbetrug vorgeworfen wird, können Sie sich auf verschiedene Weisen verteidigen, indem Sie die Beweise des Arbeitgebers entkräften oder eigene Tatsachen vortragen:

  • Bestreiten der Täuschungshandlung: Sie können bestreiten, dass die vorgeworfenen Handlungen überhaupt stattgefunden haben oder dass sie in der vom Arbeitgeber behaupteten Weise erfolgt sind.
  • Fehlende betrügerische Absicht: Sie können argumentieren, dass Sie keine betrügerische Absicht hatten. Zum Beispiel könnten Sie erklären, dass es sich um ein Versehen, einen Fehler im System, eine Fehlinterpretation der Regeln oder eine unklare Anweisung handelte. Auch könnten Sie darlegen, dass Sie in Notfällen den Arbeitsplatz verlassen mussten, dies aber nicht sofort korrekt buchen konnten.
  • Unrichtigkeit der Zeiterfassung: Sie können die Genauigkeit oder Funktionalität des Zeiterfassungssystems anzweifeln oder eigene Aufzeichnungen und Belege (z.B. E-Mails, Anrufprotokolle, Zeugenaussagen) vorlegen, die Ihre tatsächliche Arbeitszeit belegen.
  • Bagatellcharakter: Wenn es sich um geringfügige Abweichungen handelt, können Sie argumentieren, dass der Vorwurf nicht schwerwiegend genug ist, um eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Arbeitgeber bei einem Vorwurf des Arbeitszeitbetrugs eine detaillierte und unwiderlegbare Argumentation sowie handfeste Beweise vorlegen muss, insbesondere hinsichtlich der betrügerischen Absicht. Für den Arbeitnehmer ist es wichtig, die Vorwürfe genau zu prüfen und alle Umstände darzulegen, die den Vorwurf entkräften können.


zurück

Was sollte ich tun, wenn ich eine fristlose Kündigung erhalte?

Der Erhalt einer fristlosen Kündigung beendet Ihr Arbeitsverhältnis in der Regel mit sofortiger Wirkung. Eine solche Kündigung ist nur wirksam, wenn ein sogenannter „wichtiger Grund“ vorliegt. Das Gesetz sieht vor, dass ein solcher Grund es der kündigenden Partei unzumutbar machen muss, das Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ablauf einer ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen.

Die Bedeutung der Kündigungsschutzklage

Wenn Sie sich gegen eine fristlose Kündigung wehren möchten, ist die Kündigungsschutzklage das zentrale Mittel. Mit dieser Klage wird vor dem Arbeitsgericht überprüft, ob die Kündigung rechtlich wirksam ist, insbesondere ob tatsächlich ein wichtiger Grund vorliegt.

Die zwingende Dreiwochenfrist

Der wohl wichtigste Aspekt nach Erhalt einer fristlosen Kündigung ist die einzuhaltende Frist für eine Kündigungsschutzklage. Diese Klage muss innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung beim Arbeitsgericht eingereicht werden.

Folgen bei Fristversäumnis

Die Einhaltung dieser Dreiwochenfrist ist entscheidend. Wenn die Klage nicht fristgerecht erhoben wird, gilt die Kündigung gesetzlich als von Anfang an wirksam. Dies ist die sogenannte „Fiktionswirkung“. Das bedeutet, dass die Kündigung auch dann als rechtswirksam angesehen wird, wenn sie eigentlich unwirksam gewesen wäre, etwa weil kein wichtiger Grund vorlag oder formelle Fehler gemacht wurden. Das Verstreichen dieser Frist hat somit schwerwiegende Folgen für die Möglichkeit, sich gegen die Kündigung zu wehren.

Für die Berechnung dieser Frist ist der genaue Tag des Zugangs der Kündigung ausschlaggebend. Es ist daher wichtig, das Datum, an dem Sie das Kündigungsschreiben erhalten haben, festzuhalten.


zurück

Wie wirken sich weitere Vorwürfe wie Schlechtleistung oder die Zurückhaltung von Firmeneigentum auf eine fristlose Kündigung aus?

Wenn ein Arbeitgeber eine fristlose Kündigung ausspricht, muss dafür immer ein sogenannter „wichtiger Grund“ vorliegen. Das bedeutet, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber bis zum Ablauf einer ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar sein muss. Oft werden dabei mehrere Vorwürfe gleichzeitig erhoben, wie zum Beispiel Schlechtleistung oder die Zurückhaltung von Firmeneigentum.

Die Bedeutung einzelner Vorwürfe

Nicht jeder einzelne Vorwurf rechtfertigt sofort eine fristlose Kündigung:

  • Schlechtleistung: Darunter versteht man, wenn ein Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht so erbringt, wie es vertraglich vereinbart oder üblich ist – sei es in Bezug auf Qualität oder Quantität. Eine einmalige oder geringfügige Schlechtleistung führt in der Regel nicht direkt zu einer fristlosen Kündigung. Üblicherweise muss der Arbeitgeber den Mitarbeiter zuerst abmahnen. Eine Abmahnung ist wie eine formelle Verwarnung, die dem Arbeitnehmer die Chance gibt, sein Verhalten zu ändern. Nur wenn der Arbeitnehmer trotz Abmahnung weiterhin die Leistung schlecht erbringt, kann eine fristlose Kündigung in Betracht kommen. Bei besonders schwerwiegender oder vorsätzlicher Schlechtleistung kann eine Abmahnung ausnahmsweise entbehrlich sein.
  • Zurückhaltung von Firmeneigentum: Dies liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer Gegenstände, Dokumente oder Daten, die dem Arbeitgeber gehören, nicht zurückgibt oder sogar unerlaubt für sich behält oder nutzt. Auch hier kommt es auf die Schwere des Verstoßes an. Das versehentliche Einbehalten eines Firmenstifts wird anders bewertet als das bewusste Zurückhalten eines Laptops mit wichtigen Geschäftsdaten. Eine absichtliche oder schuldhafte Zurückhaltung kann durchaus ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung sein, da sie das Vertrauensverhältnis stark beeinträchtigen kann.

Die Gesamtschau durch das Gericht

Wenn mehrere Vorwürfe im Raum stehen, nimmt das Gericht eine sogenannte „Gesamtschau“ vor. Das bedeutet, es wird nicht nur jeder Vorwurf einzeln betrachtet, sondern alle erhobenen Vorwürfe werden in ihrer Summe und in ihrem Zusammenhang bewertet. Es geht darum zu prüfen, ob die Gesamtheit der Pflichtverletzungen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht.

Dabei gilt jedoch:

  • Anhäufung von Bagatellen: Eine bloße Aneinanderreihung vieler kleiner, für sich genommen unwichtiger Pflichtverletzungen (sogenannte Bagatellen) reicht in der Regel nicht aus, um einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung zu bilden. Wenn beispielsweise viele kleine, unbedeutende Mängel in der Arbeitsleistung zusammenkommen, die einzeln keine Kündigung rechtfertigen würden, summieren sie sich meist auch nicht zu einem schwerwiegenden Kündigungsgrund. Hier ist der Arbeitgeber meist auf eine ordentliche Kündigung oder eine Abmahnung angewiesen.
  • Beweislast: Der Arbeitgeber muss jeden Vorwurf beweisen, den er einer Kündigung zugrunde legen möchte. Vorwürfe, die nicht bewiesen werden können, bleiben bei der gerichtlichen Bewertung außer Acht. Das bedeutet, dass nicht bewiesene Vorwürfe die „Gesamtschau“ nicht stärker machen können.
  • Abwägung der Interessen: Bei der Gesamtschau berücksichtigt das Gericht auch die Interessen des Arbeitnehmers, wie seine Betriebszugehörigkeit, sein Alter, etwaige Unterhaltspflichten und ob die Kündigung seine berufliche Zukunft erheblich erschwert. Dies wird mit den Interessen des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgewogen.

Kurz gesagt: Es ist nicht die schiere Anzahl der Vorwürfe entscheidend, sondern deren Schwere, ihr Zusammenhang und ihre Nachweisbarkeit. Ein Gericht prüft sorgfältig, ob die gesamten Umstände es dem Arbeitgeber unzumutbar machen, das Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ablauf der regulären Kündigungsfrist fortzuführen.


zurück

Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Glossar - Fachbegriffe aus dem Arbeitsrecht

Glossar


Juristische Fachbegriffe kurz erklärt

Abmahnung

Eine Abmahnung ist eine formelle Warnung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer wegen eines Fehlverhaltens. Sie dokumentiert das Fehlverhalten und fordert den Arbeitnehmer auf, dieses künftig zu unterlassen. Oft enthält sie den Hinweis, dass im Wiederholungsfall eine Kündigung droht. Zweck der Abmahnung ist es, dem Arbeitnehmer eine Chance zur Verhaltensänderung zu geben, bevor eine Kündigung ausgesprochen wird. Ohne vorherige Abmahnung ist eine fristlose Kündigung bei weniger gravierenden Pflichtverletzungen meist unwirksam.


Zurück

Aufhebungsvertrag

Ein Aufhebungsvertrag ist eine einvernehmliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, mit der das Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Zeitpunkt beendet wird. Beide Seiten müssen zustimmen; keiner kann einseitig dazu gezwungen werden. Ein solcher Vertrag kann eine Kündigung ersetzen und ermöglicht oft eine schnelle, einvernehmliche Lösung ohne gerichtliche Auseinandersetzung. Im Alltag kann der Arbeitgeber beispielsweise einen Aufhebungsvertrag anbieten, um eine Kündigung zu vermeiden, wenn das Arbeitsverhältnis beendet werden soll.


Zurück

Kurzarbeit

Kurzarbeit ist eine vorübergehende Verringerung der regulären Arbeitszeit in einem Betrieb, meist mit dem Ziel, Entlassungen in Krisenzeiten zu vermeiden. Arbeitnehmer arbeiten dabei weniger Stunden, erhalten aber in der Regel einen Teil des entfallenden Lohns als Kurzarbeitergeld von der Arbeitsagentur. Kurzarbeit muss meist mit dem Betriebsrat abgestimmt und bei der Arbeitsagentur angemeldet werden. In diesem Fall wurde der angebliche Urlaub der Mitarbeiterin als Kurzarbeit „verbucht“, was Konflikte über die richtige Arbeitszeitdokumentation verursachte.


Zurück

Darlegungs- und Beweislast

Die Darlegungs- und Beweislast bestimmt, wer im Gerichtsverfahren bestimmte Behauptungen vortragen und belegen muss. Im Kündigungsprozess trägt der Arbeitgeber die Beweislast für die Gründe der fristlosen Kündigung. Das bedeutet, er muss die Tatsachen, die die Kündigung rechtfertigen sollen, klar darstellen und mit Beweisen untermauern. Gelingt ihm das nicht, gilt die Kündigung als unwirksam. Für Arbeitnehmer ist es deshalb wichtig, die vom Arbeitgeber vorgebrachten Vorwürfe genau anzufechten und eigene Beweise vorzulegen.


Zurück

Gesamtschau

Die Gesamtschau ist eine juristische Methode, bei der mehrere Pflichtverletzungen oder Vorwürfe nicht nur separat, sondern gemeinsam berücksichtigt werden. Auch wenn einzelne Vorwürfe für sich genommen nicht schwerwiegend genug sind, können sie in der Gesamtschau zusammengenommen eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Dabei bewertet das Gericht die Summe und den Zusammenhang aller Pflichtverletzungen im Einzelfall. Allerdings genügt die bloße Ansammlung kleiner Fehlverhalten (Bagatellen) oft nicht; die Gesamtumstände müssen eine unzumutbare Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber bewirken.

Zurück


Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 626 Absatz 1 BGB (außerordentliche fristlose Kündigung): Regelt die Möglichkeit, ein Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist aus wichtigem Grund zu beenden. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn es dem Kündigenden nicht zuzumuten ist, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Entscheidet maßgeblich darüber, ob die vom Arbeitgeber ausgesprochene fristlose Kündigung wegen der diversen Vorwürfe gerechtfertigt ist.
  • § 102 BetrVG (Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung, sofern ein Betriebsrat besteht): Kündigungen bedürfen grundsätzlich der Zustimmung des Betriebsrats, um wirksam zu sein, es sei denn, es handelt sich um außerordentliche Kündigungen in Eilfällen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Relevant, falls ein Betriebsrat existiert und ob die formalen Voraussetzungen für die Kündigung eingehalten wurden, insbesondere bei der außerordentlichen Kündigung.
  • § 288 BGB (Verzug des Schuldners): Regelt, dass bei Zahlungsverzug Schadensersatz oder Zurückbehaltungsrechte geltend gemacht werden können. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Arbeitnehmerin machte ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich der Rückgabe von Firmeneigentum aufgrund ausstehender Gehaltszahlungen geltend.
  • Kündigungsschutzgesetz (KSchG): Schützt Arbeitnehmer in Betrieben mit mehr als zehn Mitarbeitern vor ungerechtfertigten Kündigungen; bestimmt, dass Kündigungen sozial gerechtfertigt sein müssen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Relevant für die Kündigungsschutzklage der Arbeitnehmerin, vor allem hinsichtlich der Prüfung der sozialrechtlichen Rechtfertigung der Kündigung.
  • Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast im Arbeitsrecht: Legen fest, dass der Kündigende die Tatsachen darlegen und beweisen muss, die die Kündigung rechtfertigen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Arbeitgeberin musste die behaupteten Fehlverhalten beweisen, was ihr nicht hinreichend gelang, was zur Unwirksamkeit der Kündigung führte.
  • Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) – Regelungen zu Urlaub und Arbeitszeit: Enthält Vorschriften zur Urlaubsgewährung und Arbeitszeitregelungen, insbesondere Mitbestimmungsrechte und ordnungsgemäße Dokumentation. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Spielt eine Rolle bei der Bewertung, ob der Urlaub ordnungsgemäß beantragt und genehmigt wurde und ob die Arbeitszeiten korrekt erfasst beziehungsweise manipuliert wurden.

Das vorliegende Urteil


Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 7 Sa 431/21 – Urteil vom 08.06.2022


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Arbeitsrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Arbeitsrecht. Vom Arbeitsvertrag bis zur Kündigung. Nehmen Sie noch heute Kontakt zu uns auf.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Arbeitsrecht einfach erklärt

Weitere interessante arbeitsrechtliche Urteile

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!