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Fristlose Kündigung bei Unterschlagung – Anforderungen an Tatnachweis

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein – Az.: 1 Sa 132/16 – Urteil vom 17.01.2017

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 06.04.2016 – 4 Ca 1740 c/15 – teilweise, nämlich in Ziff. 3 und 4 des Tenors geändert. Ziff. 3 des Tenors wird zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 922,13 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf

  • 40,41 € seit 02.09.2015, auf weitere
  • 35,30 € seit 02.10.2015, auf weitere
  • 34,92 € seit 02.11.2015 und auf weitere
  • 811,50 € seit 02.12.2015 zu zahlen;

im Übrigen wird der Zahlungsantrag der Klägerin abgewiesen.

Der Antrag zu 5. auf Erteilung eines Zeugnisses wird abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit einer fristlosen Kündigung sowie Vergütungsansprüche und die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.

Die 1968 geborene, geschiedene und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Klägerin ist seit dem 15.05.2009 auf Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrags (Anlage K1, Bl. 5 f. d. A.) als ungelernte Servicekraft im Umfang von 120 Monatsstunden im Restaurant der Beklagten, bei der regelmäßig mehr als 10 Mitarbeiter tätig sind, beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft vertraglicher Vereinbarung der jeweils geltende Lohn- und Gehaltstarifvertrag für das Gaststättengewerbe des Landes Schleswig-Holstein (LGTV) sowie aufgrund Allgemeinverbindlichkeitserklärung der Manteltarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe des Landes Schleswig-Holstein (MTV) Anwendung.

Der tarifliche Lohnanspruch der Klägerin beträgt nach dem LGTV in Gehaltsgruppe 5, der die Klägerin seit dem 16.05.2015 angehört, € 9,55 brutto/Stunde. Die Beklagte zahlte an die Klägerin zuletzt bis August 2015 € 8,54 brutto/Stunde, danach € 9,19 brutto/Stunde.

Die Beklagte bietet in ihrem Restaurant in zwei Gasträumen montags bis donnerstags von 12:00 bis 14:00 Uhr ein Business-Buffet zum Preis von € 10,– an. Bei Kunden, die dieses Buffet bestellen, nimmt der Servicemitarbeiter die entsprechende Bestellung entgegen und gibt diese in ein tragbares, von ihm mitgeführtes Mobilgerät ein. Der Bon zu dieser Bestellung wird dann in der Küche am Küchenbondrucker ausgedruckt. Der Gast bedient sich in der Folgezeit selbst am Buffet, die Mitarbeiter in der Küche sorgen dafür, dass ausreichend Speisen vorhanden sind. Die Servicekraft nimmt noch eventuelle Getränkewünsche entgegen und erfüllt diese. Bei Dienstende druckt der Servicemitarbeiter aus der Kasse mit Hilfe seines Kellnerschlüssels einen Bedienerbericht aus, aus dem sich seine Tageseinnahmen ergeben. Das bei Beginn des Dienstes vorhandene Wechselgeld verbleibt in seinem Portemonnaie, das Trinkgeld teilt die Servicekraft mit der Küche, die Einnahmen übergibt sie an die Mitarbeiterin des nachfolgenden Dienstes.

Am 02.11.2015 war die Klägerin als einzige Servicekraft mit der Annahme der Bestellungen zum Business-Buffet befasst. Der Artikelbericht für diesen Tag (Anlage B6, Bl. 134 f. d. A.) weist 18 Bestellungen des Business-Buffets aus; eine weitere von der Klägerin entgegengenommene Bestellung ist von einer Kollegin der Spätschicht versehentlich storniert worden, so dass nach den schriftlichen Unterlagen von 19 Bestellungen auszugehen ist. Tatsächlich legt die Beklagte auch Kopien von Bons für 19 Bestellungen vor (Anlage B5, Bl. 133 d. A.). Zwei Bestellungen wurden telefonisch aufgegeben und kurz vor 14:00 Uhr abgeholt und außer Haus verzehrt. Am Tisch 14 saßen zweimal zwei Gäste. Die Mitarbeiterin O. der Beklagten wies die Klägerin darauf hin, dass sie bei der Entgegennahme der zweiten Bestellung nur ein Servicebuffet auf dem Bon erfasst habe. Die Klägerin erklärte, die vergessene Bestellung nachzubongen. Am Ende ihres Dienstes erstellte die Klägerin über die Kasse einen Bedienerbericht (Anlage B9, Bl. 138 d. A.) und gab den sich daraus als Bareinnahme ergebenden Betrag von € 198,20 an die nächste Servicekraft weiter.

Am 09.11.2015 hielt die Geschäftsführerin der Beklagten der Klägerin in einem Gespräch vor, sie habe Essen, insbesondere die beiden außer Haus-Bestellungen, nicht gebucht. Die Klägerin erklärte sich bereit, für etwaige Differenzen aufzukommen. Darauf überreichte ihr die Geschäftsführerin der Beklagten eine auf denselben Tage datierte fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung des Arbeitsverhältnisses (Anlage K3, Bl. 8 d. A.).

Für das Jahr 2015 stehen der Klägerin noch 15 Urlaubstage zu.

Mit ihrer fristgemäß erhobenen Kündigungsschutzklage hat sich die Klägerin zunächst nur gegen die Kündigung vom 09.11.2015 gewehrt.

Sie hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen:

Sie habe am 02.11.2015 keine Einnahmen unterschlagen. Das zweite Essen am Tisch 14 habe sie nach dem Hinweis von Frau O. direkt an der Hauptkasse nachgebucht. Die beiden außer Haus-Bestellungen habe sie ebenfalls an der Hauptkasse mit der gesonderten Taste „außer Haus“ erfasst. Am 09.11.2015 habe sie sich die ihr vorgehaltenen Fehler nicht erklären können und gesagt, falls ihr bei der Bonierung unbewusst ein Fehler passiert sei, werde sie die Essen aus eigener Tasche bezahlen.

Mit einem am 30.11.2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat sie ihre Klage um Vergütungsansprüche zunächst in Form einer Eingruppierungsfeststellungsklage erweitert. Sie begehrt nunmehr auch beziffert Nachzahlung für Vergütung ab August bis November 2015 unter Zugrundelegung des tariflichen Stundenlohns sowohl für den Grundlohn, als auch die Zuschläge. Wegen der Einzelheiten der Berechnungen wird auf die Abrechnungen der Klägerin (Bl. 26 – 29 d. A.) und die Anlage K7 (Bl. 42 d. A.) Bezug genommen. Ferner hat die Klägerin die Vergütung von 22,75 Überstunden, die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses und hilfsweise die Abgeltung von 15 Urlaubstagen einschließlich des tariflichen Urlaubsgelds verlangt.

Die Klägerin hat beantragt,

1. es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 09.11.2015 nicht aufgelöst worden ist.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 09.11. 2015 nicht aufgelöst worden ist.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab dem 01.08.2015 Vergütung nach der Lohn- und Gehaltsgruppe 5 für das Hotel- und Gaststättengewerbe Land Schleswig-Holstein vom 11.03.2015 zu zahlen und etwaige Brutto-Nachzahlungsbeträge seit dem 01. des jeweiligen Folgemonats mit fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.281,39 € brutto nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 75,91 € seit dem 01.09.2015, auf 70,80 € seit dem 01.10.2015, auf 70,42 € seit dem 01.11.2015 und auf weitere 1.064,26 € seit dem 01.12.2015 zu zahlen.

5. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ein Zeugnis zu erteilen, das sich auf Art und Dauer sowie Führung und Leistung in dem Arbeitsverhältnis erstreckt.

Hilfsweise:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin als Urlaubsabgeltung und Urlaubsgeld 1.003,49 € brutto nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2015 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat erwidert: Sie habe durch ihre Mitarbeiter am 02.11.2015 die Kunden zählen lassen. Die Klägerin habe nicht alle Essen eingebucht und € 30,– einbehalten. Am 09.11.2015 habe die Klägerin auf den entsprechenden Vorhalt erklärt, sie (Klägerin) könne das Geld ja jetzt übergeben. Zahlungsansprüche stünden der Klägerin nicht zu.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil die Unwirksamkeit der Kündigung vom 09.11.2015 festgestellt und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin restliche Vergütung für die Zeit von August bis November 2015 in Höhe von € 1.064,13 brutto zuzüglich Zinsen zu zahlen sowie ein qualifiziertes Zeugnis zu erteilen. Wegen eines Teils des Zinsanspruchs sowie der Überstundenvergütung ist die Klage abgewiesen worden. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.

Gegen das am 11.04.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 27.04.2016 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 13.07.2016 am 13.07.2016 begründet.

Sie trägt vor: Da ihre Küchenleitung festgestellt habe, dass der Wareneinsatz bezogen auf den Umsatz zu hoch sei, habe diese die Küchenmitarbeiterin O. gebeten, in der Woche vom 02. – 05.11.2015 die Zahl der abgerechneten Buffets mit der Zahl der Gäste abzugleichen. Da die Küche – unstreitig – mit einem der Gasträume durch ein großes Fenster verbunden sei, sei das ohne weiteres möglich gewesen. Frau O. habe für den 02.11.2015 eine Strichliste der Gäste für die einzelnen Tische erstellt (Anlage B4, Bl. 173 d. A.). Danach hätten 20 Gäste das Business-Buffet im Restaurant verzehrt, davon zwei in dem weiteren – von der Küche nicht einsehbaren – Gastraum. Diese weiteren Gäste habe Frau O. gesehen, als diese sich das Essen vom Buffet abgeholt hätten. Dies werde – unstreitig – nur in dem von der Küche einsehbaren Gastraum bereitgestellt. Zusätzlich seien zwei Essen außer Haus verzehrt worden, so dass die Klägerin 22 Essen hätte erfassen müssen. Tatsächlich habe die Klägerin nur 19 Essen erfasst und damit € 30,– der Einnahmen unterschlagen. Dies rechtfertige die fristlose Kündigung.

Für die Zeit vom 01.08. – 09.11.2015 könne die Klägerin nur die Nachzahlung von

€ 96,88 verlangen. Wegen der Einzelheiten der Berechnung der Beklagten wird auf S. 15 der Berufungsbegründung (Bl. 120 d. A.) Bezug genommen. Urlaubsabgeltung steht der Klägerin nach den tariflichen Berechnungsvorgaben nur in Höhe von

€ 781,36 zu. Ein zusätzliches Urlaubsgeld werde zur Urlaubsabgeltung nicht geschuldet. Das Zeugnis habe sie zwischenzeitlich erteilt.

Die Beklagte beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 06.04.2016 – Az. 4 Ca 1740 c/15 – teilweise zu ändern,

2. die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert: Nach dem Hinweis von Frau O., dass sie bei Tisch 14 nur eine Bestellung erfasst habe, habe sie ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Unterlagen – um 13:35 Uhr – die Bestellung über Tisch 2 in der Gaststube nachgebucht. In diesem Raum sei an jenem Tag nicht bedient worden; die Buffetgäste hätten alle in dem anderen – von der Küche einsehbaren Raum – gesessen. Die beiden außer Haus-Essen habe sie dann um 13:58 Uhr über Tisch 1 in der Gaststube erfasst. Es sei ihr nicht erklärlich, weshalb der Bondrucker nur ein Business-Buffet ausweise, obwohl zwei Bestellungen an den Kunden ausgeliefert worden seien.

Die geltend gemachten Vergütungsansprüche stünden ihr zu. Richtig sei, dass ihr ein Zeugnis erteilt worden sei. Hierbei handele es sich aber – unstreitig – nur um ein Zwischenzeugnis.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin O.. Wegen des Inhalts des Beweisbeschlusses und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 17.01.2017 verwiesen. Wegen des weiteren Sach- und Streitstands im Einzelnen wird auf den Inhalt der Akte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 64 Abs. 2 lit. b und c ArbGG statthafte, form- und fristgemäß eingelegte und begründete und damit zulässige Berufung der Beklagten ist nur zu einem ganz geringen Umfang begründet und im Wesentlichen unbegründet. Im Einzelnen gilt Folgendes:

A.

Die Berufung ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Feststellung des Arbeitsgerichts wendet, nach der die fristlose Kündigung vom 09.11.2015 unwirksam ist. Die Beklagte hat auch im Berufungsverfahren nicht nachweisen können, dass ihr ein wichtiger Grund zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zusteht.

I.

Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos kündigen, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer ihm unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsvertrags bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Als wichtiger Grund im Sinne dieser Vorschrift kommt nach ständiger Rechtsprechung auch ein Vermögensdelikt des Arbeitnehmers zum Nachteil seines Arbeitgebers in Betracht, also grundsätzlich auch die hier von der Beklagten behauptete Unterschlagung.

II.

Die Beklagte hat jedoch nicht zur Überzeugung des Gerichts nachweisen können, dass die Klägerin die von der Beklagten behauptete Aneignung von € 30,– Tageseinnahmen tatsächlich begangen hat.

1. Gemäß § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. Für ein Bewiesensein reicht nach dieser Vorschrift weniger als die Überzeugung des Gerichts von der Wahrheit nicht aus. Ein bloßes Glauben, Wähnen, Fürwahrscheinlichhalten berechtigt den Richter nicht zur Bejahung des streitigen Tatbestandsmerkmals. Andererseits wird mehr als die subjektive Überzeugung auch nicht gefordert. Absolute Gewissheit zu verlangen, hieße die Grenze menschlicher Erkenntnisfähigkeit zu ignorieren. Dass die Sachverhaltsfeststellung durch das Abstellen auf das persönliche Überzeugtsein mit subjektiven Einflüssen belastet wird, ist im Bereich menschlichen Richtens unvermeidbar. Ein Beweis darf nicht deswegen als nicht erbracht angesehen werden, weil keine absolute, über jeden denkbaren Zweifel erhabene Gewissheit gewonnen werden konnte. Der Richter muss sich vielmehr mit einer „persönlichen Gewissheit“ begnügen, welche den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (Zöller, 30. Aufl., § 286, Rn 18 f.).

2. Nach dem gesamten Ergebnis der mündlichen Verhandlung und der durchgeführten Beweisaufnahme hat die Kammer nicht die persönliche Gewissheit erlangt, dass die Klägerin die ihr vorgeworfenen Unterschlagungen tatsächlich begangen hat. Zwar steht objektiv fest, dass die Klägerin ein (Außer Haus-) Business-Buffet nicht erfasst hat. Die Kammer ist jedoch nicht zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin diese Falscheingabe vorsätzlich und in der Absicht sich das eingenommene Geld zuzueignen, vorgenommen hat. Auch ist die Kammer nicht mit der nötigen Gewissheit davon überzeugt, dass am 02.11.2015 tatsächlich 22 Gäste das Business-Buffet bestellt haben und nicht wie die Klägerin vorgetragen hat 20. Insoweit ist der Beklagten also auch nicht der Nachweis gelungen, dass noch zwei weitere Einnahmen in Höhe von jeweils € 10,– von der Klägerin unterschlagen worden sind.

a) Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt im Wesentlichen von zwei Fragen ab: Haben am 02.11.2015 in dem weiteren Gastraum der Beklagten zwei Gäste gesessen und dort je ein Business-Buffet verzehrt? Hat die Klägerin die beiden Außer Haus Business-Buffets vorsätzlich nicht erfasst?

b) Die Klägerin hat hierzu angegeben, das zunächst nicht eingebongte Buffet an Tisch 14 habe sie später an Tisch 2 – ihren anderslautenden Vortrag aus der Berufungserwiderung hat sie als offensichtlichen Schreibfehler, auf den bereits die Gegenseite hingewiesen hatte, korrigiert, ohne dass dies der Glaubwürdigkeit ihre Aussage in Abrede stellt – nachgebucht. Die beiden Außer Haus Bestellungen habe sie um 13:58 Uhr über Tisch 1 gebucht. Keine substantielle Erklärung hat die Klägerin dazu abgegeben, warum sie dieses Business-Buffet nicht als Außer Haus-Buffet ausgewiesen hat. Ebenfalls nicht erklären konnte die Klägerin, warum dort nur ein Business-Buffet aufgeführt ist und nicht zwei.

c) Die Glaubwürdigkeit der Einlassungen der Klägerin hängen aus Sicht des Gerichts entscheidend von der Frage ab, ob an Tisch 1 und Tisch 2 im anderen Gastraum am 02.11.2015 tatsächlich Gäste gesessen haben, denen die von der Klägerin erstellten Bons zuzurechnen sind. Diese Behauptung der Beklagten ist aus Sicht des Gerichts durch die Zeugenaussage von Frau O. nicht mit der notwendigen Gewissheit bestätigt worden.

aa) Die Zeugin hat nach Einsichtnahme in ihre Aufzeichnungen vom 02.11.2015 (Anlage B4) zunächst Zweifel daran gehabt, ob die auf Tisch 1 und Tisch 2 bezogenen Aufzeichnungen überhaupt von ihr gefertigt worden seien und dies nachvollziehbar mit einer abweichenden Schriftweise bei der „2“ begründet. Sie hat sich dann später auf Vorhalt daran erinnert, dass die sich ebenfalls auf der oberen Hälfte befindenden, nachträglich gestrichenen Aufzeichnungen zu Tisch 14 von ihr stammen. Die Zweifel an den Eintragungen zu Tisch 1 und Tisch 2 bleiben damit aber bestehen.

Vielmehr hat die Zeugin ausgeführt, sie könne nichts sicher dazu sagen, ob am 02.11.2015 im weiteren Gastraum an Tisch 1 oder Tisch 2 Gäste gesessen hätten. Hier stand ersichtlich eine Verwechslung des 02.11. mit den weiteren Tagen 03. – 06.11., an denen die Zeugin ebenfalls die Gäste erfasst hat, im Raum. Sie konnte insbesondere auch nicht ausschließen, dass die von ihr gefertigten Aufzeichnungen über die Gäste am 02.11.2015 (Anlage B4) in der Weise gefertigt worden sind, dass sie aufgrund der ihr vorliegenden Bons für den Tag nachträglich für Tisch 1 und Tisch 2 jeweils einen Gast erfasst hat. Bei dieser Vorgehensweise liegt es durchaus nahe, dass die Klägerin vermutet hat, die Gäste übersehen zu haben, um sie dann wegen der vorliegenden Bons nachträglich zu erfassen. Auf die Idee, dass die Klägerin möglicherweise andere Essen über diese Tische erfasst hat, musste die Zeugin damals nicht kommen.

bb) An anderer Stelle war der Vortrag der Zeugin eher geeignet, den Vortrag der Klägerin zu bestätigen. Die Zeugin hat nämlich angegeben, die außer Haus-Essen seien gegen zehn vor zwei abgeholt worden und gegen zwei Uhr sei die Klägerin über den Arbeitskollegen noch einmal aufgefordert worden die Essen zu erfassen. Das passt dazu, dass die Klägerin um 13:58 Uhr tatsächlich noch ein Service-Buffet erfasst hat. Es erscheint dem Gericht ausgesprochen unwahrscheinlich, dass zu jenem Zeitpunkt an Tisch 2 noch ein Gast eine Bestellung aufgegeben hat, da doch die Beklagte selbst angibt das Service-Buffet nur bis 14:00 Uhr vorzuhalten.

Insgesamt waren die Ausführungen der Zeugin in den entscheidungserheblichen Punkten so zurückhaltend, dass das Gericht die Überzeugung, dass an Tisch 1 und Tisch 2 am 02.11.2015 tatsächlich Gäste Essen verzehrt haben, nicht gewinnen konnte.

cc) Nach den Angaben der Parteien zum Erfassen der Essen, nämlich über einen Touchscreen auf dem Mobilteil, erscheint es der Kammer auch nicht völlig unwahrscheinlich, dass die Klägerin um 13:58 Uhr zwei Essen erfassen wollte, tatsächlich aber nur ein Essen von dem Mobilteil aufgenommen wurde. Es ist bei einem Touchscreen generell nicht ungewöhnlich, dass nicht jedes Antippen sofort als funktionsauslösend durch die Software erkannt wird. Hier ist es also durchaus denkbar, dass die Klägerin zwar zweimal getippt hat, das Mobilteil aber nur eine Bestellung entsprechend verarbeitet hat.

dd) Auch nach der Einlassung der Klägerin hätte diese allerdings € 10,– „zu viel“ bei der Abrechnung im Portmonee gehabt haben müssen. Dieser Betrag kann aber ohne weiteres in den € 23,– Trinkgeld enthalten gewesen sein, die von der Klägerin entsprechend den üblichen Regeln mit der Küche geteilt worden sind. Der Klägerin musste sich in diesem Zusammenhang nicht aufdrängen, dass sie ein Essen nicht erfasst hatte.

ee) Bereits vor der Beweisaufnahme hat die Geschäftsführerin der Beklagten im Berufungstermin klargestellt, dass nicht behauptet werde, die Klägerin habe in der Anhörung am 09.11.2015 eine Unterschlagung gestanden.

ff) Nach allem besteht aus Sicht der Kammer trotz bleibender Verdachtsmomente durchaus die Möglichkeit, dass sich der Sachverhalt am 02.11.2015 so abgespielt hat, wie es die Klägerin behauptet hat. Der Beweis der Unterschlagung durch die Klägerin wäre aber seitens der Beklagten nur geführt, wenn das Gericht von der Darstellung der Beklagten überzeugt gewesen wäre. Diese Überzeugung hat sich aus den angegebenen Gründen nicht eingestellt.

B.

Damit ist auch die hilfsweise von der Beklagten ausgesprochene fristgemäße Kündigung vom 09.11.2015 unwirksam und die gegen diese Feststellung des Arbeitsgerichts eingelegte Berufung unbegründet. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist das Kündigungsschutzgesetz anwendbar. Eine soziale Rechtfertigung durch Gründe im Verhalten der Klägerin nach § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG liegt nach den oben dargestellten Ausführungen nicht vor.

C.

Die Berufung ist ebenfalls unbegründet, soweit sie sich gegen die Feststellung der zutreffenden Eingruppierung durch das Arbeitsgericht wendet. Dieser Antrag ist zulässig und begründet.

Es besteht das erforderliche Feststellungsinteresse, da die Klägerin zwar auch nach dem Vortrag der Beklagten zutreffender Weise in die Entgeltgruppe 5 einzugruppieren ist, jedoch nicht nach dieser Vergütungsgruppe von der Beklagten entlohnt wird.

Der Antrag ist auch begründet.

In die Lohn- und Gehaltsgruppe 5 sind Mitarbeiter mit Fachtätigkeiten ohne Berufsausbildung im sechsten Jahr der berufsbezogenen Tätigkeit eingruppiert. Hierzu gehört nach den Regelbeispielen der Lohn- und Gehaltsgruppe 5 auch der Restaurantfachmann/frau. Die Klägerin ist länger als sechs Jahre ohne Berufsausbildung als Servicekraft und damit in der Tätigkeit einer Restaurantfachfrau bei der Beklagten beschäftigt. Tatsächliche Einwendungen sind hiergegen auch von der Beklagten in der Berufung nicht erhoben worden.

D.

Die Vergütungsansprüche der Klägerin, soweit sie in die Berufungsinstanz gelangt sind, sind dagegen nur zu einem Teil begründet. Im Hinblick auf ihre Ausführungen in der Berufungserwiderung wird die Klägerin darauf hingewiesen, dass bereits das Arbeitsgericht den Anspruch auf Überstundenvergütung abgewiesen und die Klägerin keine Berufung eingelegt hat, so dass die Abweisung dieses Teils der Klage rechtskräftig geworden ist. Die von der Klägerin in der Berufungserwiderung angesprochene tarifliche Sonderzahlung ist ebenfalls nicht streitgegenständlich.

I.

Für August 2015 stehen der Klägerin noch restliche Vergütungsansprüche in Höhe von € 40,41 brutto zu. Dies errechnet sich wie Folgt:

1. Der Klägerin steht für 120 Monatsstunden der Tariflohn von € 9,55 brutto zu. Das ergibt einen Betrag von € 1.146,– und nicht, wie die Klägerin unter Zugrundelegung des fehlerhaften Stundenlohns von € 9,85 brutto in ihrer Berechnung (Anlage K7, Bl. 42 d. A.) meint, € 1.181,50.

2. Zu dem Anspruch auf den Grundlohn kommen Differenzvergütungsansprüche der Klägerin hinsichtlich der von der Beklagten in den Abrechnungen ausgewiesenen Zuschläge. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist auch bei der Berechnung der Zuschläge auf den Stundenlohn der tarifliche Satz von € 9,55 brutto zugrunde zu legen. Ihre abweichende Auffassung begründet die Beklagte auch nicht weiter. Im August 2015 sind ausweislich der Abrechnung (Bl. 26 d. A.) 11 Stunden mit einem Zuschlag von 25 % und 13,15 Stunden mit einem Zuschlag von 50 % angefallen. Das ergibt weitere € 26,26 und € 62,79, so dass sich der gesamte Vergütungsanspruch der Klägerin für August 2015 auf € 1.235,05 beläuft. Gezahlt hat die Beklagte € 1.194,64, so dass ein restlicher Vergütungsanspruch in Höhe von € 40,41 brutto verbleibt.

3. Die Ausschlussfrist aus § 14 Nr. 1 S. 1 MTV von drei Monaten nach Fälligkeit hat die Klägerin mit der am 30.11.2015 eingereichten Eingruppierungsfeststellungsklage gewahrt. Sie hat in der Klage ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie Nachzahlung ab August 2015 unter Berücksichtigung der tariflichen Vergütung verlangt. Das genügt als hinreichend bestimmte Geltendmachung des Anspruchs. Da der Lohn der Klägerin erst nach Ablauf der Dienste und damit mit Ablauf des 31.08.2015 fällig war, wahrt die noch am 30.11.2015 eingereichte Klage die Ausschlussfrist. Das gilt auch für die weiteren Monate September bis November 2015.

II.

Für November 2015 stehen der Klägerin neben ihrem tariflichen Grundlohn von € 1.146,– brutto ein Zuschlag für 21,25 Stunden in Höhe von 25 % des Tariflohns und auf weitere 13,25 Stunden in Höhe von 50 % des Tariflohns zu. Das ergibt weitere € 50,73 und € 63,27, so dass sich für September ein Gesamtanspruch von € 1.260,– ergibt.

Gezahlt hat die Beklagte auf diesen Betrag € 1.224,70, so dass ein Restanspruch von € 35,30 bleibt.

III.

Für Oktober 2015 schuldet die Beklagte neben dem Grundlohn von € 1.146,– einen Zuschlag von 25 % auf 24 Stunden (= € 57,30) und einen weiteren Zuschlag von 50 % auf 9,75 Stunden (= € 46,56), also insgesamt € 1.249,86.

Gezahlt hat die Beklagte auf diesen Betrag € 1.214,94, so dass eine Restforderung von € 34,92 verbleibt.

IV.

Für November beträgt der Anspruch der Klägerin restliche € 811,50, nämlich € 1.146,– abzüglich gezahlter € 334,50. Der Anspruch der Klägerin folgt dabei für die Zeit ab dem 09.11.2015 aus § 615 BGB. Mit Ausspruch der unwirksamen Kündigung befand sich die Beklagte im Annahmeverzug.

V.

Die Gesamtsumme der Zahlungsbeträge für die einzelnen Monate beläuft sich, wie ausgeurteilt, auf (40,41 + 35,30 + 34,92 + 811,50 =) € 922,13.

VI.

Zinsen schuldet die Beklagte jedenfalls ab dem vom Arbeitsgericht ausgeurteilten Zweiten des Monats gemäß den §§ 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 S. 1, 291 BGB.

Der Hilfsanspruch auf Urlaubsabgeltung ist auch im Berufungsverfahren nicht angefallen.

E.

Begründet ist die Berufung, soweit sich die Beklagte gegen die Erteilung eines Zeugnisses wendet. Insoweit hat die Klägerin im Berufungstermin klargestellt, sie begehre außer dem erteilten Zwischenzeugnis ein Endzeugnis.

Dieser Anspruch ist unbegründet, da nach den obigen Feststellungen das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet ist.

F.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

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