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Fristlose Kündigung bei Vortäuschen von Arbeitsunfähigkeit – genesungswidriges Verhalten

Eine Krankmeldung mit dem gelben Schein ist für viele Arbeitnehmer Routine. Doch für einen Bauhelfer aus Rheinland-Pfalz nahm sie eine unerwartete Wendung, als anonyme Anrufe beim Chef behaupteten, der angeblich bettlägerige Mann halte sich in Albanien auf. Was folgte, war eine sofortige Kündigung, die vor Gericht die Frage aufwarf: Durfte das Unternehmen so reagieren?

Zum vorliegenden Urteil Az.: 8 Sa 194/20 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
  • Datum: 09.02.2022
  • Aktenzeichen: 8 Sa 194/20
  • Verfahrensart: Berufungsverfahren
  • Rechtsbereiche: Arbeitsrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Ein Verputzer- und Maurerhelfer, der sich krankmeldete.
  • Beklagte: Ein Kleinbetrieb, der das Arbeitsverhältnis des Klägers fristlos kündigte.

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Der Kläger reichte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein. Der Arbeitgeber erhielt anonyme Anrufe, die behaupteten, der Kläger sei während der Krankschreibung im Ausland. Daraufhin kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos.
  • Kern des Rechtsstreits: Es ging um die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung wegen des angeblichen Aufenthalts des Arbeitnehmers im Ausland während seiner Krankschreibung. Zentral war die Frage, ob der Arbeitgeber diesen Vorwurf beweisen konnte.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Das Landesarbeitsgericht gab der Berufung des Klägers statt und hob das erstinstanzliche Urteil auf. Es stellte fest, dass die Fristlose Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat und dieses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortbestand.
  • Begründung: Dem Arbeitgeber gelang es nach Durchführung der Beweisaufnahme nicht, einen wichtigen Grund für die fristlose Kündigung nachzuweisen. Das Gericht konnte nicht mit der erforderlichen Überzeugung feststellen, dass der Arbeitnehmer während seiner Krankschreibung tatsächlich im Ausland war.
  • Folgen: Die fristlose Kündigung wurde als unwirksam angesehen, das Arbeitsverhältnis endete erst mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist. Die Kosten des Rechtsstreits wurden dem Arbeitgeber auferlegt, und eine Revision wurde nicht zugelassen.

Der Fall vor Gericht


Krankmeldung und ein mysteriöser Anruf: Streit um eine Kündigung

Jeder kennt das: Man wacht morgens auf, fühlt sich krank und meldet sich bei der Arbeit ab. Man geht zum Arzt, bekommt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – oft einfach „gelber Schein“ oder „AU“ genannt – und reicht diese beim Arbeitgeber ein. Doch was passiert, wenn der Arbeitgeber Zweifel an der Krankheit hat? Genau um einen solchen Fall ging es vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz.

Mann liest nachdenklich eine WhatsApp-Nachricht vor einer Wohnungstür
Krankmeldung, anonyme Anrufe und WhatsApp-Kontakt: Arbeitgeber zweifelt an Genesung und kündigt im Konflikt vor Haustür. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Ein Mann, nennen wir ihn Herrn S., arbeitete seit September 2018 als Verputzer- und Maurerhelfer in einem kleinen Baubetrieb. Am 6. Februar 2020 meldete er sich per WhatsApp bei seinem Arbeitgeber, einem Unternehmen, krank. Er reichte auch eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit vom 6. bis zum 12. Februar 2020 ein. Soweit ein ganz normaler Vorgang.

Der Verdacht: Anonyme Hinweise und eine abgelehnte Begegnung

Doch dann wurde es kompliziert. Am 10. Februar 2020 erhielt der Geschäftsführer des Unternehmens gleich zwei anonyme Anrufe auf sein Handy. Eine weibliche Stimme behauptete beim ersten Anruf, Herr S. sei gar nicht krank, sondern würde sich in Albanien aufhalten. Kurz darauf kontaktierte der Geschäftsführer Herrn S. per WhatsApp und bat um ein kurzes Treffen an dessen Haustür. Herr S. lehnte ab. Er schrieb, er sei bei seiner Freundin, noch sehr krank und könne nicht zur Tür kommen. Daraufhin schrieb der Geschäftsführer, er wisse, dass Herr S. in Albanien sei und er „könne gleich dort bleiben“. Etwa 30 Minuten später kam der zweite anonyme Anruf. Wieder eine weibliche Stimme, die sich als Freundin von Herrn S. ausgab. Sie sagte, Herr S. sei tatsächlich nicht krank, sondern in Albanien, bat aber um eine zweite Chance für ihn.

Für das Unternehmen war die Sache damit klar. Es kündigte Herrn S. mit einem Schreiben vom 12. Februar 2020 fristlos. Das bedeutet, das Arbeitsverhältnis sollte sofort beendet werden, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist. Für den Fall, dass diese fristlose Kündigung nicht gültig sein sollte, sprach das Unternehmen hilfsweise eine ordentliche Kündigung aus. Das ist eine Kündigung unter Einhaltung der normalen Kündigungsfrist. Dieses Kündigungsschreiben erhielt Herr S. am 14. Februar 2020.

Der Weg durch die Instanzen: Vom Arbeitsgericht zum Landesarbeitsgericht

Herr S. wollte das nicht auf sich sitzen lassen und erhob am 17. Februar 2020 Klage beim Arbeitsgericht Mainz. Eine Klage ist der formelle Schritt, um eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen. Er bestritt, in Albanien gewesen zu sein und gab an, krank gewesen zu sein. Das Arbeitsgericht setzte zunächst einen sogenannten Gütetermin an. Das ist ein Versuch, eine gütliche Einigung zwischen den Streitenden zu finden. Dieser Termin wurde aber wegen der Corona-Pandemie abgesagt. Stattdessen wurde ein Kammertermin bestimmt, eine Verhandlung vor den Richtern. Das Gericht forderte Herrn S. auf, zu den Vorwürfen des Unternehmens Stellung zu nehmen. Das tat Herr S. aber nicht schriftlich. Erst im Kammertermin erklärte er, vom 6. Februar bis zum 14. März 2020 durchgehend krankgeschrieben gewesen zu sein.

Das Arbeitsgericht Mainz wies die Klage von Herrn S. ab. Es meinte, Herr S. habe zu spät und nicht ausreichend dargelegt, dass er krank und nicht in Albanien gewesen sei. Das Gericht ging daher davon aus, dass Herr S. sich während seiner Krankschreibung nicht so verhalten habe, dass er schnell wieder gesund werden konnte – ein sogenanntes Genesungswidriges Verhalten.

Gegen dieses Urteil legte Herr S. Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz ein. Berufung bedeutet, dass eine höhere gerichtliche Instanz das Urteil der vorherigen Instanz überprüft. Herr S. argumentierte, das Arbeitsgericht sei von falschen Tatsachen ausgegangen. Er sei tatsächlich die ganze Zeit arbeitsunfähig gewesen, habe an einer Infektion mit starkem Husten gelitten und sei bettlägerig gewesen. Er habe sich in der Wohnung seiner Freundin aufgehalten. Das Treffen an der Haustür habe er abgelehnt, weil er krank war und ja ein Attest vorgelegt hatte.

Das Unternehmen forderte, die Berufung zurückzuweisen. Es blieb bei seiner Version und ergänzte, dass die Freundin von Herrn S., Frau E., auch am 17. Februar 2020, als sie Arbeitskleidung von Herrn S. zurückbrachte, erneut gesagt habe, Herr S. sei trotz Krankschreibung in Albanien gewesen und es tue ihm leid.

Die entscheidende Frage: Durfte das Unternehmen fristlos kündigen?

Vor dem Landesarbeitsgericht ging es also im Kern um die Frage: War die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses wirksam? Und ganz wichtig: Wer muss eigentlich was beweisen? Das Gericht hörte Zeugen an: die Freundin von Herrn S. (Frau E.) und die Ehefrau des Geschäftsführers des Unternehmens (Frau F.). Außerdem ordnete das Gericht an, dass Herr S. seinen albanischen Reisepass vorlegen müsse. Herr S. teilte daraufhin mit, sein Reisepass sei ihm abhandengekommen und legte eine polizeiliche Verlustanzeige vor.

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts: Kündigung war nicht sofort wirksam

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz änderte das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz ab. Es stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 12. Februar 2020 nicht sofort am 14. Februar 2020 aufgelöst worden war, sondern bis zum 15. März 2020 fortbestanden hatte. Das bedeutet, die fristlose Kündigung war unwirksam. Die Kosten des gesamten Rechtsstreits musste das Unternehmen tragen.

Die Begründung: Warum entschied das Gericht so?

Aber warum kam das Landesarbeitsgericht zu diesem Ergebnis? Das Gericht prüfte zunächst, ob die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung nach § 626 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) – das ist das zentrale Gesetzbuch für zivile Rechtsstreitigkeiten in Deutschland – vorlagen.

Was braucht es für eine fristlose Kündigung?

Eine fristlose Kündigung ist nur aus einem „wichtigen Grund“ möglich. Das bedeutet, es müssen Tatsachen vorliegen, die es dem Kündigenden unzumutbar machen, das Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ablauf der normalen Kündigungsfrist fortzusetzen. Die Gerichte prüfen das immer in zwei Schritten:

  1. Ist der Sachverhalt an sich überhaupt geeignet, ein wichtiger Grund zu sein? Gibt es also typischerweise einen Grund, der so schwer wiegt?
  2. Wenn ja, ist es auch im konkreten Einzelfall unter Abwägung aller Interessen unzumutbar, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen?

Das Gericht stellte fest: Das Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit kann ein wichtiger Grund sein. Denn wer eine Krankheit nur vortäuscht, will ja Lohn bekommen, ohne dafür zu arbeiten, und begeht damit oft einen Betrug. Auch ein grob genesungswidriges Verhalten kann eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Das bedeutet, ein kranker Arbeitnehmer muss alles tun, um wieder gesund zu werden, und darf nichts tun, was seine Genesung behindert. Wäre Herr S. also tatsächlich trotz attestierter Arbeitsunfähigkeit und starkem Husten nach Albanien gereist, ohne dass es dafür gute Gründe gab (z.B. eine spezielle Behandlung dort), dann wäre das ein an sich geeigneter Kündigungsgrund gewesen.

Die Beweislast: Wer muss was beweisen?

Der entscheidende Punkt war aber: Dem Unternehmen ist es nicht gelungen, zu beweisen, dass Herr S. tatsächlich in Albanien war. Grundsätzlich gilt: Wer kündigt, muss auch die Gründe für die Kündigung beweisen. Das nennt man Darlegungs- und Beweislast.

Legt ein Arbeitnehmer eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor, hat diese einen hohen Beweiswert. Das bedeutet, das Gericht geht erstmal davon aus, dass der Arbeitnehmer wirklich krank ist. Wenn der Arbeitgeber das bezweifelt, muss er konkrete Tatsachen vortragen und beweisen, die ernsthafte Zweifel an der Erkrankung wecken und so den Beweiswert des Attestes „erschüttern“. Die Anforderungen an den Arbeitgeber dürfen dabei nicht zu hoch sein, da er ja meist nicht genau weiß, was dem Arbeitnehmer fehlt.

Im Fall von Herrn S. sah das Gericht den Beweiswert der AU-Bescheinigung durch die anonymen Anrufe und die Reaktion von Herrn S. auf die WhatsApp-Nachricht (er reagierte, öffnete aber nicht die Tür) als erschüttert an. Das Unternehmen durfte das als konkreten Hinweis auf eine vorgetäuschte Krankheit oder genesungswidriges Verhalten werten. Die Aussage der Ehefrau des Geschäftsführers zu den Anrufen war glaubhaft, auch wenn sie natürlich dem Unternehmen nahestand.

Die Reaktion des Arbeitnehmers und die erneute Beweislast des Arbeitgebers

Wenn der Beweiswert des Attestes erschüttert ist, ist der Arbeitnehmer wieder am Zug. Er muss dann genauer erklären, welche Krankheit er hatte, welche Beschwerden und welche ärztlichen Maßnahmen es gab. Das nennt man sekundäre Darlegungslast. Dieser Pflicht kam Herr S. nach, indem er seine Infektion mit Bronchitis und die Symptome schilderte und angab, bettlägerig in der Wohnung seiner Freundin gewesen zu sein. Entgegen der Meinung des Arbeitsgerichts war dieser Vortrag auch nicht verspätet.

Nun lag es wieder am Unternehmen, den konkreten Vortrag von Herrn S. zu widerlegen. Und genau das gelang dem Unternehmen nicht.
Die Freundin von Herrn S., Frau E., bestätigte als Zeugin nicht, dass er in Albanien war. Im Gegenteil, sie sagte aus, er sei bei ihr gewesen, sie habe ihn gepflegt und nannte Details zur Krankheit. Ihre Aussage war in sich stimmig und glaubhaft, auch wenn sie natürlich ein Interesse am Ausgang des Verfahrens für Herrn S. hatte. Das Gericht betonte, dass eine Nähebeziehung allein nicht dazu führt, dass eine Aussage unglaubwürdig ist.

Die Aussage der Ehefrau des Geschäftsführers, Frau F., half dem Unternehmen auch nicht entscheidend weiter. Sie konnte ja nur berichten, was ihr am Telefon gesagt wurde (dass Herr S. in Albanien sei). Sie hatte Herrn S. nicht selbst in Albanien gesehen. Eine solche Aussage nennt man Zeugnis vom Hörensagen. Das hat vor Gericht meist einen geringen Beweiswert und reicht allein nicht für einen Beweis, es sei denn, es gibt weitere überzeugende Anhaltspunkte. Solche gab es hier nicht. Es blieb die Möglichkeit, dass die Anruferin nicht die Wahrheit gesagt oder Herrn S. schaden wollte.

Auch dass Herr S. seinen Reisepass nicht vorlegen konnte und eine Verlustanzeige einreichte, änderte nichts. Obwohl das Gericht den Verlust als „ausgesprochen zweifelhaft“ ansah, konnte daraus nicht sicher geschlossen werden, dass Herr S. den Beweis absichtlich vereitelt hatte.

Das Ergebnis der Beweisaufnahme: „Non liquet“ – Es ist nicht klar

Am Ende stand für das Gericht nicht mit der erforderlichen Sicherheit fest, dass Herr S. tatsächlich während seiner Krankschreibung in Albanien war. Es war nicht ausgeschlossen, aber die Zweifel waren nicht beseitigt. Juristen nennen das eine „Non Liquet„-Situation: Es ist nicht klar. Da das Unternehmen die Beweislast für den Kündigungsgrund trug und diesen Beweis nicht erbringen konnte, ging diese Unsicherheit zu Lasten des Unternehmens.

Daher war die fristlose Kündigung unwirksam. Das Arbeitsverhältnis endete somit erst durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung zum 15. März 2020. Einen besonderen Kündigungsschutz, wie ihn das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) vorsieht, genoss Herr S. nicht, da das Unternehmen ein Kleinbetrieb mit weniger als zehn Mitarbeitern war. In solchen Betrieben ist eine ordentliche Kündigung einfacher möglich.



Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil zeigt, dass Arbeitgeber bei Zweifeln an einer Krankmeldung konkrete Beweise vorlegen müssen, um eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen – anonyme Anrufe und Verdächtigungen reichen dafür nicht aus. Ein ärztliches Attest hat vor Gericht einen hohen Stellenwert und kann nur durch eindeutige Gegenbeweise widerlegt werden, wobei die Beweislast beim kündigenden Arbeitgeber liegt. Selbst wenn ein Arbeitnehmer sich verdächtig verhält oder seinen Reisepass nicht vorlegen kann, führt dies nicht automatisch zu einer wirksamen Kündigung, solange der Arbeitgeber nicht zweifelsfrei beweisen kann, dass die Krankheit vorgetäuscht wurde. Das Urteil stärkt damit die Position von Arbeitnehmern bei Krankmeldungen und macht deutlich, dass Arbeitgeber sehr sorgfältig prüfen müssen, bevor sie wegen angeblich vorgetäuschter Krankheit kündigen.

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Häufig gestellte Fragen zum Thema

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wann darf ein Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeit anzweifeln und wie muss ich darauf reagieren?

Eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-Bescheinigung), oft als „gelber Schein“ bekannt, hat im Arbeitsrecht einen sehr hohen Beweiswert. Sie dient als Nachweis dafür, dass Sie tatsächlich aufgrund einer Krankheit arbeitsunfähig sind. Grundsätzlich muss der Arbeitgeber dieser Bescheinigung vertrauen.

Wann darf der Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit anzweifeln?

Der Arbeitgeber darf die Arbeitsunfähigkeit nur dann anzweifeln, wenn konkrete und erhebliche Anhaltspunkte vorliegen, die den Beweiswert der AU-Bescheinigung erschüttern. Das bedeutet, es müssen Tatsachen vorliegen, die ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der Bescheinigung aufkommen lassen. Solche Anhaltspunkte können sein:

  • Widersprüchliches Verhalten: Wenn Sie trotz angeblicher Arbeitsunfähigkeit Tätigkeiten ausführen, die offensichtlich Ihrer Genesung entgegenstehen oder die eine Arbeitsfähigkeit nahelegen. Beispielsweise, wenn jemand wegen eines Bandscheibenvorfalls krankgeschrieben ist, aber beim Umzug von schweren Möbeln beobachtet wird.
  • Auffällige Umstände bei der Ausstellung der AU: Dies kann der Fall sein, wenn die Bescheinigung rückwirkend für einen ungewöhnlich langen Zeitraum ausgestellt wird, oder wenn der Arzt bekannt dafür ist, AU-Bescheinigungen ohne gründliche Untersuchung auszustellen.
  • Hinweise Dritter: Anonyme Hinweise oder Beobachtungen von Kollegen können Zweifel wecken, sofern sie konkret und nachvollziehbar sind. Ein bloßes Gerücht reicht hierfür nicht aus.
  • Veröffentlichungen in sozialen Medien: Wenn Sie während Ihrer Arbeitsunfähigkeit Fotos oder Beiträge veröffentlichen, die Aktivitäten zeigen, die mit Ihrer angegebenen Krankheit unvereinbar sind (z.B. Urlaub am Strand bei einer schweren Grippe).

Wenn solche Anhaltspunkte vorliegen, ist der Arbeitgeber nicht mehr an die AU-Bescheinigung gebunden und kann die Fortzahlung des Gehalts verweigern oder andere arbeitsrechtliche Schritte in Betracht ziehen. Die Beweislast dafür, dass die Arbeitsunfähigkeit doch besteht, verschiebt sich dann auf den Arbeitnehmer.

Wie muss ich darauf reagieren?

Wird der Beweiswert Ihrer AU-Bescheinigung erschüttert, sind Sie als Arbeitnehmer gefordert, die Zweifel des Arbeitgebers zu entkräften. Dies wird im Juristenjargon als sekundäre Darlegungslast bezeichnet. Für Sie bedeutet das:

Sie müssen detailliert darlegen, welche konkrete Erkrankung vorlag und welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen daraus resultierten, die Sie an der Arbeitsleistung hinderten. Dazu gehören typischerweise:

  • Genaue Beschreibung der Symptome: Schildern Sie, welche Beschwerden Sie hatten und wie diese Ihre Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt haben.
  • Angaben zum Krankheitsverlauf: Beschreiben Sie, wie sich die Krankheit entwickelt hat.
  • Informationen über die Behandlung: Erläutern Sie, welche medizinischen Maßnahmen ergriffen wurden (z.B. Arztbesuche, Medikamente, Therapien).

Dabei geht es nicht darum, Ihr Arzt-Patienten-Geheimnis vollständig preiszugeben. Vielmehr sollen Sie dem Arbeitgeber so viele Informationen geben, dass er nachvollziehen kann, dass die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich bestanden hat. Es ist ratsam, hierbei auch ärztliche Unterlagen wie Atteste oder Behandlungsberichte (ohne detaillierte Diagnosen, falls dies die Privatsphäre zu sehr verletzt) zur Unterstützung vorzulegen, soweit dies zur Klärung notwendig ist.

Ein Schweigen oder eine Weigerung, die Umstände der Arbeitsunfähigkeit näher zu erläutern, kann dazu führen, dass der Arbeitgeber die Lohnfortzahlung einstellt oder sogar eine Kündigung in Betracht zieht. Die sekundäre Darlegungslast verlangt von Ihnen eine aktive und plausible Erklärung, um die aufgeworfenen Zweifel zu beseitigen.


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Was genau ist genesungswidriges Verhalten und welche Folgen kann es haben?

Genesungswidriges Verhalten liegt vor, wenn eine arbeitsunfähige Person durch ihr Handeln die eigene Genesung verzögert oder behindert. Als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer sind Sie während einer Krankschreibung verpflichtet, alles zu unterlassen, was der Genesung schadet und die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt. Es geht hierbei nicht darum, ob Sie tatsächlich krank sind – dies wird durch die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung belegt –, sondern darum, ob Ihre Handlungen während der Krankheit den Heilungsprozess negativ beeinflussen.

Was zählt zu genesungswidrigem Verhalten?

Was genau genesungswidrig ist, hängt stark von der Art der Erkrankung und den Umständen des Einzelfalls ab. Ein Verhalten, das bei einer Erkältung unproblematisch ist, kann bei einem Bandscheibenvorfall gravierende Folgen haben. Grundsätzlich sind alle Tätigkeiten problematisch, die der Genesung entgegenwirken oder diese verzögern.

Typische Beispiele für genesungswidriges Verhalten können sein:

  • Ausübung von Hobbys oder Sportarten, die der Genesung entgegenstehen: Wenn Sie beispielsweise wegen eines gebrochenen Beines krankgeschrieben sind und am Fußballtraining teilnehmen oder einen Marathon laufen.
  • Schwere körperliche Arbeit oder Belastung: Wenn Sie wegen Rückenschmerzen arbeitsunfähig sind und stattdessen schwere Umzugskartons tragen oder Renovierungsarbeiten durchführen.
  • Reisen: Eine Urlaubsreise kann genesungswidrig sein, wenn sie aufgrund der Erkrankung und der damit verbundenen Strapazen (lange Fahrt, Klimawechsel) die Genesung behindert oder verzögert. Eine kurze, entspannende Reise zur Erholung kann jedoch unter Umständen unproblematisch sein, wenn sie der Genesung dienlich ist und ärztlich nicht ausgeschlossen wird.
  • Zweiter Job oder Schwarzarbeit: Die Aufnahme einer Nebentätigkeit, die Ihre Genesung gefährdet oder gar unmöglich macht.

Wichtig ist zu verstehen, dass alltägliche Verrichtungen wie Einkaufen, ein kurzer Spaziergang oder der Besuch beim Arzt in der Regel nicht als genesungswidrig gelten, solange sie den Heilungsprozess nicht behindern.

Welche Folgen kann genesungswidriges Verhalten haben?

Verstößt eine arbeitsunfähige Person gegen ihre Pflicht, die Genesung nicht zu gefährden, kann dies ernsthafte Konsequenzen haben. Die möglichen Folgen reichen von finanziellen Einbußen bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

  • Verlust des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung: Der Arbeitgeber kann die Zahlung des Lohns oder Gehalts für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit verweigern, wenn er nachweisen kann, dass das genesungswidrige Verhalten die Genesung verzögert hat und die Arbeitsunfähigkeit dadurch länger andauerte.
  • Abmahnung: Bei einem erstmaligen oder weniger gravierenden Verstoß kann der Arbeitgeber eine Abmahnung aussprechen. Dies ist eine förmliche Rüge und eine Warnung, dass bei erneuten Verstößen mit weiteren arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu rechnen ist.
  • Kündigung: Je nach Schwere und Häufigkeit des genesungswidrigen Verhaltens kann dies sogar zu einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen. Eine fristlose Kündigung ist in besonders schwerwiegenden Fällen denkbar, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch das Verhalten so stark zerstört ist, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar wird. Dies ist oft der Fall, wenn das Verhalten eindeutig der Genesung entgegensteht und die Arbeitsunfähigkeit vorsätzlich verlängert wird.

Die Abgrenzung zur reinen Vortäuschung einer Krankheit ist hierbei entscheidend: Bei der Vortäuschung der Krankheit täuscht die Person die Arbeitsunfähigkeit überhaupt vor, sie ist gar nicht krank. Bei genesungswidrigem Verhalten ist die Person zwar tatsächlich krank, aber ihre Handlungen widersprechen dem Zweck der Krankschreibung, nämlich der schnellen Genesung.


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Welchen Beweiswert hat eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und wann verliert sie diesen?

Die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, oft als „gelber Schein“ bekannt, ist für Sie als Arbeitnehmer das zentrale Dokument, um eine Erkrankung nachzuweisen, die Sie an der Arbeitsleistung hindert. Sie hat zunächst einen sehr hohen Beweiswert. Das bedeutet: Legen Sie Ihrem Arbeitgeber eine solche Bescheinigung vor, muss dieser grundsätzlich davon ausgehen, dass Sie tatsächlich krank und arbeitsunfähig sind. Dieses Dokument dient als sogenannter Anscheinsbeweis. Es erzeugt den „Anschein“, also den starken Eindruck, dass die darin bescheinigte Krankheit vorliegt.

Wann der Beweiswert erschüttert werden kann

Der hohe Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist jedoch nicht absolut. Er kann unter bestimmten Umständen „erschüttert“ werden, das heißt, der Arbeitgeber kann berechtigte und begründete Zweifel an der Echtheit oder dem Inhalt der Bescheinigung anmelden. Dies geschieht, wenn konkrete und substantielle Indizien vorliegen, die stark darauf hindeuten, dass der Arbeitnehmer doch nicht arbeitsunfähig war. Es reicht nicht aus, dass der Arbeitgeber einfach nur „misstrauisch“ ist; er benötigt handfeste Anhaltspunkte.

Gelingt es dem Arbeitgeber, den Beweiswert zu erschüttern, kehrt sich die Beweislast um. Das bedeutet, der Arbeitnehmer müsste dann zusätzlich beweisen, dass er tatsächlich arbeitsunfähig war, zum Beispiel durch die Entbindung des Arztes von der Schweigepflicht oder eine detailliertere ärztliche Stellungnahme.

Konkrete Indizien, die den Beweiswert erschüttern können

Die Rechtsprechung hat verschiedene Arten von Indizien anerkannt, die den Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Frage stellen können:

  • Zeitliche Nähe zu wichtigen Ereignissen:
    • Die Krankschreibung erfolgt unmittelbar nach einer Kündigung durch den Arbeitgeber oder nach der eigenen Kündigung.
    • Die Arbeitsunfähigkeit beginnt direkt nach einer Meinungsverschiedenheit oder einer Arbeitsanweisung, die der Arbeitnehmer nicht befolgen wollte.
    • Sie liegt unmittelbar vor oder nach einem Urlaub oder erstreckt sich über einen langen Zeitraum, der geplante freie Tage einschließt.
  • Widersprüchliches Verhalten des Arbeitnehmers:
    • Sie werden bei Aktivitäten beobachtet, die mit der angeblichen Krankheit unvereinbar sind. Stellen Sie sich vor, Sie sind wegen einer schweren Grippe arbeitsunfähig und werden bei anstrengenden Sportaktivitäten gesehen, oder bei Rückenschmerzen tragen Sie schwere Gegenstände.
    • Sie drohen dem Arbeitgeber vor der Krankschreibung an, sich krankzumelden, falls bestimmte Forderungen nicht erfüllt werden.
    • Es gibt Widersprüche in Ihren eigenen Angaben oder in den Informationen, die Sie verschiedenen Personen geben.
  • Zweifel an der Ausstellung durch den Arzt:
    • In seltenen Fällen kann der Arbeitgeber Zweifel an der ordnungsgemäßen Ausstellung der Bescheinigung haben, zum Beispiel wenn der Arzt Sie offensichtlich nicht untersucht hat oder eine Krankschreibung nur auf bloße Bitte hin ausgestellt wurde. Auch die Ergebnisse einer Untersuchung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK), die zu dem Schluss kommt, dass keine Arbeitsunfähigkeit vorlag, können den Beweiswert erschüttern.

Diese Beispiele zeigen, dass es auf die Gesamtheit der Umstände ankommt. Ein einzelnes Indiz mag nicht ausreichen, aber eine Kombination von mehreren kann den Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung stark mindern.


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Wer muss im Streitfall beweisen, dass eine Krankheit nur vorgetäuscht wurde oder genesungswidriges Verhalten vorlag?

Wenn ein Arbeitgeber eine Kündigung ausspricht, weil er vermutet, dass eine Krankheit nur vorgetäuscht wurde oder der Arbeitnehmer sich genesungswidrig verhalten hat, trägt der Arbeitgeber in der Regel die volle Beweislast dafür. Das bedeutet, der Arbeitgeber muss vor Gericht schlüssig darlegen und beweisen, dass der Kündigungsgrund tatsächlich vorliegt. Für Sie als Arbeitnehmer bedeutet das, dass der Arbeitgeber die Fakten liefern muss, die seine Behauptung untermauern.

Der Beweiswert einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU)

Liegt eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU), oft als „gelber Schein“ bekannt, vor, hat diese einen hohen Beweiswert. Das Gericht geht dann zunächst davon aus, dass die bescheinigte Krankheit tatsächlich besteht und Sie arbeitsunfähig sind. Man spricht hier von einer Art „Beweis des ersten Anscheins“. Es ist, als würde ein Richter sagen: „Aufgrund dieses Dokuments gehe ich erstmal davon aus, dass Sie krank waren.“

Wenn der Arbeitgeber die AU anzweifelt: Ihre sekundäre Darlegungslast

Der Arbeitgeber kann diesen Beweiswert jedoch erschüttern. Das geschieht, wenn er konkrete Tatsachen vorbringt, die ernsthafte Zweifel an Ihrer Arbeitsunfähigkeit aufkommen lassen. Beispiele hierfür könnten sein:

  • Sie wurden bei genesungswidrigem Verhalten beobachtet (z.B. schwere körperliche Arbeit, obwohl Sie wegen Rückenproblemen krankgeschrieben sind).
  • Die AU wurde rückdatiert.
  • Die Bescheinigung stammt von einem Arzt, der bereits für fragwürdige Krankschreibungen bekannt ist.

In einem solchen Fall wechselt die sogenannte Darlegungslast zu Ihnen als Arbeitnehmer. Das bedeutet nicht, dass Sie die Krankheit beweisen müssen, sondern dass Sie konkrete Angaben zu Ihrer Erkrankung machen müssen. Sie müssen darlegen, welche Beschwerden Sie hatten und welche Behandlungen erfolgt sind, um die Zweifel des Arbeitgebers auszuräumen. Dies kann bedeuten, dass Sie Ihren Arzt von der Schweigepflicht entbinden müssen, damit dieser dem Gericht Einzelheiten zu Ihrer Diagnose und dem Krankheitsverlauf mitteilen kann. Hier geht es darum, die Gerichtsverhandlung zu klären, nicht darum, Ihre Privatsphäre vollständig offenzulegen.

Erneute Beweislast des Arbeitgebers und das Prinzip „non liquet“

Wenn Sie diese Angaben gemacht haben, liegt die Beweislast wieder vollständig beim Arbeitgeber. Er muss dann die von Ihnen geschilderten Fakten widerlegen oder beweisen, dass Ihre Angaben falsch sind.

Gelingt es dem Arbeitgeber nicht, seine Behauptungen zu beweisen – auch nicht, nachdem Sie Ihre sekundäre Darlegungslast erfüllt haben – dann entscheidet das Gericht nach dem Prinzip des „non liquet“. „Non liquet“ bedeutet „es ist nicht klar“. Das Prinzip besagt: Wenn eine Tatsache nicht bewiesen werden kann, geht die Unsicherheit zulasten der Partei, die die Beweislast für diese Tatsache trägt. Im Kündigungsschutzprozess bedeutet das: Kann der Arbeitgeber nicht beweisen, dass die Krankheit nur vorgetäuscht war oder genesungswidriges Verhalten vorlag, wird das Gericht zugunsten des Arbeitnehmers entscheiden, da der Arbeitgeber seine Beweislast nicht erfüllt hat. Die Kündigung wäre dann unwirksam.


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Welche ersten Schritte sollte ich einleiten, wenn ich eine fristlose Kündigung wegen vorgetäuschter Krankheit erhalte?

Wenn Sie eine fristlose Kündigung erhalten, ist schnelles Handeln von großer Bedeutung, insbesondere aufgrund einer wichtigen Frist im deutschen Arbeitsrecht.

Die entscheidende Drei-Wochen-Frist für die Kündigungsschutzklage

Der wichtigste erste Schritt ist, die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage genau zu beachten. Nach deutschem Recht haben Sie ab Zugang der schriftlichen Kündigung nur drei Wochen Zeit, um eine solche Klage beim Arbeitsgericht einzureichen. Diese Klage dient dazu, gerichtlich feststellen zu lassen, dass die Kündigung unwirksam ist.

Für Sie bedeutet das: Lässt man diese drei Wochen verstreichen, ohne Klage einzureichen, wird die Kündigung – selbst wenn sie eigentlich ungerechtfertigt war – automatisch als wirksam angesehen. Dies ist eine sehr strenge Frist, die nicht verlängert werden kann.

Zusammenstellung wichtiger Unterlagen und Informationen

Um die eigene rechtliche Position beurteilen und die nächsten Schritte planen zu können, ist es entscheidend, alle relevanten Dokumente und Informationen zu sammeln. Diese Unterlagen sind die Grundlage für eine umfassende Bewertung der Sachlage.

Folgende Dokumente sollten Sie umgehend zusammentragen:

  • Das Kündigungsschreiben: Achten Sie auf das genaue Datum des Zugangs.
  • Ihr Arbeitsvertrag: Dieser enthält wichtige Vereinbarungen über Ihr Arbeitsverhältnis.
  • Alle Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (AU-Bescheinigungen): Diese sind der zentrale Punkt bei einer Kündigung wegen vorgetäuschter Krankheit.
  • Jegliche ärztliche Unterlagen: Wenn es weitere medizinische Dokumente gibt, die Ihre Arbeitsunfähigkeit untermauern oder den Gesundheitszustand beleuchten, sollten diese ebenfalls bereitliegen.
  • Relevante Korrespondenz: Das umfasst E-Mails, Briefe oder Notizen von Gesprächen mit Ihrem Arbeitgeber, die im Zusammenhang mit Ihrer Krankheit, Ihrer Kündigung oder möglichen Abmahnungen stehen.
  • Ihre Lohnabrechnungen: Diese geben Aufschluss über Ihr Einkommen und relevante Arbeitszeiten.

Ziel einer Kündigungsschutzklage

Das Hauptziel einer Kündigungsschutzklage ist die gerichtliche Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung. Das bedeutet, dass das Arbeitsgericht prüft, ob die fristlose Kündigung rechtlich zulässig war. Im Falle einer fristlosen Kündigung wegen vorgetäuschter Krankheit muss der Arbeitgeber beweisen, dass der Vorwurf stimmt und die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ende der regulären Kündigungsfrist unzumutbar wäre. Wenn das Gericht die Kündigung für unwirksam erklärt, besteht Ihr Arbeitsverhältnis grundsätzlich weiter, als wäre die Kündigung nie erfolgt.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Glossar - Fachbegriffe aus dem Arbeitsrecht

Glossar


Juristische Fachbegriffe kurz erklärt

Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-Bescheinigung)

Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, oft „gelber Schein“ genannt, ist ein ärztliches Attest, das bestätigt, dass eine Person aufgrund einer Krankheit nicht arbeitsfähig ist. Im Arbeitsrecht besitzt dieses Dokument einen hohen Beweiswert: Legt ein Arbeitnehmer eine AU-Bescheinigung vor, muss der Arbeitgeber grundsätzlich davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich krank ist. Der Beweiswert kann jedoch erschüttert werden, wenn konkrete und erhebliche Gründe vorliegen, die Zweifel an der Richtigkeit begründen – beispielsweise widersprüchliches Verhalten des Arbeitnehmers oder glaubhafte Hinweise Dritter.

Beispiel: Wenn jemand wegen Grippe krankgeschrieben ist, aber gleichzeitig auf Fotos beim Sport gezeigt wird, kann der Arbeitgeber den Beweiswert der AU-Bescheinigung anzweifeln.


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Fristlose Kündigung

Eine fristlose Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis sofort, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist. Sie ist nur unter besonderen Voraussetzungen zulässig, nämlich wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der es dem Arbeitgeber unzumutbar macht, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen (§ 626 BGB). Dieses Vorgehen wird streng geprüft: Es muss ein schwerwiegender Vertragsverstoß oder ein erhebliches Fehlverhalten vorliegen, das eine sofortige Beendigung rechtfertigt. Liegt dieser wichtige Grund nicht vor oder kann er nicht ausreichend bewiesen werden, ist die fristlose Kündigung unwirksam.

Beispiel: Jemand, der während der Krankheit ohne wichtigen Grund heimlich Urlaub macht und dem Arbeitgeber dadurch das Vertrauen entzieht, könnte fristlos gekündigt werden.


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Genesungswidriges Verhalten

Genesungswidriges Verhalten bezeichnet Handlungen eines krankgeschriebenen Arbeitnehmers, die die Heilung verzögern oder behindern. Während einer Krankschreibung ist der Arbeitnehmer verpflichtet, alles zu unterlassen, was der Genesung schadet, wie z. B. schwere körperliche Arbeit oder unvernünftige Ausflüge. Ein solches Verhalten kann negative Folgen haben, etwa den Verlust des Anspruchs auf Lohnfortzahlung oder sogar eine Kündigung, weil dadurch die Arbeitsunfähigkeit verlängert wird.

Beispiel: Ein Arbeitnehmer mit Rückenschmerzen, der trotz Krankschreibung Möbel umträgt, verhält sich genesungswidrig.


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Darlegungs- und Beweislast im Kündigungsschutzprozess

Die Darlegungs- und Beweislast regelt, wer die Verantwortung trägt, bestimmte Tatsachen vor Gericht nachzuweisen. Im Falle einer Kündigung wegen vorgetäuschter Krankheit hat grundsätzlich der Arbeitgeber die Beweislast: Er muss den Kündigungsgrund, also z. B. die Vortäuschung der Krankheit, beweisen. Liegt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor, hat diese zunächst einen hohen Beweiswert zugunsten des Arbeitnehmers. Wird dieser Beweiswert erschüttert, muss der Arbeitnehmer detailliertere Angaben zu seiner Erkrankung machen (sekundäre Darlegungslast). Kann der Arbeitgeber anschließend nicht endgültig widerlegen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich krank war, gilt die Unsicherheit zu seinen Lasten.

Beispiel: Wenn der Arbeitgeber behauptet, der Arbeitnehmer sei trotz Krankschreibung verreist, muss er diese Behauptung beweisen. Reicht der Beweis nicht aus, verliert der Arbeitgeber.


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Non Liquet

„Non liquet“ ist ein lateinischer Rechtsbegriff, der bedeutet „es ist nicht klar“ oder „die Sache ist unentschieden“. Im Prozess bedeutet das, dass eine bestimmte Tatsache nicht mit der erforderlichen Sicherheit bewiesen werden kann. Im Arbeitsrecht gilt: Trägt eine Partei die Beweislast für eine Tatsache und es bleibt trotz aller Bemühungen unklar, ob die Behauptung wahr oder falsch ist, geht die Unsicherheit zulasten der beweispflichtigen Partei. Dieses Prinzip schützt Arbeitnehmer vor ungerechtfertigten Kündigungen, wenn der Arbeitgeber seine Beweislast nicht erfüllen kann.

Beispiel: Kann der Arbeitgeber nicht sicher nachweisen, dass der Arbeitnehmer während der Krankschreibung im Ausland war, bleibt die Behauptung unbewiesen, und die Kündigung ist unwirksam.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 626 Absatz 1 BGB (fristlose Kündigung aus wichtigem Grund): Regelt die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist; ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht prüfte, ob der Verdacht der vorgetäuschten Krankheit als wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung ausreicht, was das Unternehmen behauptete.
  • Beweislastregeln bei Kündigung: Grundsätzlich trägt der Kündigende die Darlegungs- und Beweislast für die Kündigungsgründe; bei Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hat der Arbeitnehmer einen Beweiswert bewirkt, der durch konkrete Tatsachen erschüttert sein muss. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Unternehmen musste beweisen, dass Herr S. tatsächlich nicht krank, sondern in Albanien war; anonym vorgebrachte Hinweise und das Verhalten des Arbeitnehmers führten zunächst zu Zweifeln am Attest, doch ein endgültiger Beweis gelang nicht.
  • Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und ihr Beweiswert: Die AU-Bescheinigung gilt als prima facie Nachweis der Arbeitsunfähigkeit, sofern keine konkreten Beweise vorliegen, die ihre Echtheit oder Richtigkeit in Zweifel ziehen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Herr S. legte eine solche Bescheinigung vor, deren Beweiswert durch anonyme Hinweise erschüttert wurde, aber nicht ausreichend widerlegt werden konnte.
  • Grundsatz „non liquet“ (Ungewissheit in der Beweisführung): Wenn die Faktenlage unklar ist, muss die Unsicherheit zu Lasten des beweisbelasteten Teils gehen, hier also des kündigenden Arbeitgebers. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Da das Unternehmen den Kündigungsgrund nicht zweifelsfrei beweisen konnte, war die fristlose Kündigung unwirksam.
  • § 1 KSchG (Kündigungsschutzgesetz) und Ausnahmen bei Kleinbetrieben: Das Kündigungsschutzgesetz findet keine Anwendung auf Betriebe mit weniger als zehn Mitarbeitern, wodurch dort leichter ordentliche Kündigungen ausgesprochen werden können. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Herr S. hatte keinen besonderen Kündigungsschutz, da der Arbeitgeber ein Kleinbetrieb war, weshalb die ordentliche Kündigung wirksam zum 15. März 2020 wurde.
  • Sekundäre Darlegungslast des Arbeitnehmers: Wenn der Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit bezweifelt und konkrete Zweifel erhebt, muss der Arbeitnehmer unmittelbar nachweisen, dass er tatsächlich krank war und sich genesungsgemäß verhalten hat. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Herr S. erklärte detailliert seine Krankheit und sein Verhalten, wodurch der Beweiswert der AU trotz der Zweifel wieder gestärkt wurde und das Unternehmen keine ausreichenden Gegenbeweise erbringen konnte.

Das vorliegende Urteil


Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 8 Sa 194/20 – Urteil vom 09.02.2022


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