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Fristlose Kündigung – Beweisverwertungsverbot bei personenbezogenen Daten

ArbG Cottbus, Az.: 3 Ca 359/14, Urteil vom 25.11.2014

1. Das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Cottbus vom 09.09.2014 – 3 Ca 359/14 – wird aufrechterhalten.

2. Die Beklagte hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 8.700,00 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung und über einen Auflösungsantrag.

Die Beklagte war ein mittelständisches, produzierendes Unternehmen in K., das sich mit der Projektierung, Herstellung und dem Vertrieb von Plattenwärmeübertrager befasste. Die Beklagte beschäftigte mehr als zehn Arbeitnehmer, ausschließlich den Auszubildenden.

Fristlose Kündigung - Beweisverwertungsverbot bei personenbezogenen Daten
Symbolfoto: Von Photobank gallery /Shutterstock.com

Der 1977 geborene, ledige Kläger war bei der Beklagten zunächst in der Zeit vom 01.09.2009 bis zum 29.01.2010 im Rahmen eines praktischen Studiensemesters, und in der Zeit vom 11.02.2010 bis zum 30.09.2011 als Werksstudent tätig. Seit dem 01.10.2011 beschäftigte die Beklagte den Kläger als Projektingenieur, zuletzt mit einem monatlichen Bruttogehalt in Höhe von 2.900,00 Euro auf Grundlage des Arbeitsvertrages vom 15.09.2011.

Am 23. März 2013 installierte die Beklagte zum Zwecke der Kontrolle ihrer Datensicherheit eine Software namens „E.“. Mit Hilfe der vorgenannten Software war es der Beklagten möglich, jeglichen Datenverkehr über die USB Schnittstellen, CD- und Diskettenlaufwerke an einem PC-Arbeitsplatz nach dem User, dem Datum, der Uhrzeit, den verwendeten Speichermedien, der einzelnen inhaltlichen Anweisungen, des Inhaltes, der Art sowie des Umfangs der gelöschten, kopierten und transferierten Daten nachzuvollziehen.

Am 25.03.2013 unterschrieb der Kläger ein Belehrungsprotokoll über die Computernutzung.

Am 16.12.2013 erteilte die Beklagte auf Wusch des Klägers ein Zwischenzeugnis.

Nach Auswertung der Datensicherheitssoftware kam die Beklagte zu dem Ergebnis, dass der Kläger am 10.12.2013 in der Zeit von 7.19 Uhr bis 7.52 Uhr Kopien von betrieblichen Daten auf ein privates Speichermedium gezogen habe. Im Anschluss an ein Personalgespräch am 12.03.2014 händigte die Beklagte dem Kläger eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung aus und verwies ihn vom Firmengelände. In einer extra einberufenen Belegschaftsversammlung gab die Beklagte gegenüber den anderen Mitarbeitern als Kündigungsgrund Datendiebstahl an. Am 23.03.2014 erstattete die Beklage Strafanzeige gegen den Kläger (1700 Js 16545/14). Der Vorgang ist bisher nicht abgeschlossen.

Am 20.03.2014 erhob der Kläger gegen die Kündigung vom 12.03.2014 Klage vor dem Arbeitsgericht Frankfurt (Oder). Mit Beschluss vom 04.04.2014 hat das Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) die Klage an das Arbeitsgericht Cottbus verwiesen. Mit Schriftsatz vom 25.08.2014 stellte der Kläger klageerweiternd einen Auflösungsantrag.

Im Kammertermin vom 09.09.2014 war die Beklagte säumig. Es erging daraufhin ein Versäumnisurteil mit folgendem Tenor:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 12.03.2014 nicht aufgelöst worden ist.

2. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wird gemäß §§ 9, 10 KSchG zum 30.06.2014 aufgelöst und die Beklagte verurteilt, an den Kläger eine Abfindung in Höhe von 4.350,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Festsetzung der Abfindung zu zahlen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Der Streitwert wird auf 8.700,00 € festgesetzt.

Gegen das am 17.09.2014 zugestellte Versäumnisurteil hat die Beklagte am 23.09.2014 vor dem Arbeitsgericht Cottbus Einspruch eingelegt.

Nach Auffassung des Klägers liegen keine Kündigungsgründe vor, die eine außerordentliche oder ordentliche Kündigung rechtfertigen könnten. Der Kläger habe keine betrieblichen Daten der Beklagten auf einen USB-Stick kopiert und entwendet. Bei den von der Beklagten angegebenen Daten handele es sich zudem nicht um geheime Daten, sondern um veraltete Daten, die teils aus der Diplomarbeit des Klägers stammen. In dem Personalgespräch am 12.03.2014 sei dem Kläger lediglich pauschal vorgeworfen worden, Firmendaten kopiert und in seinen Besitz gebracht zu haben. Der Kläger habe nicht gewusst, was ihm konkret vorgeworfen werde. Die von der Beklagten erhobenen Daten unterlägen zudem einem Beweisverwertungsverbot. Auch sei die Zwei-Wochen-Frist zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung nicht eingehalten worden, da die Beklagte über die Kündigungsgründe seit Dezember 2013 Bescheid wisse. Der Auflösungsantrag sei begründet, da dem Kläger eine weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der leichtfertigen Verdächtigung mit einer Straftat und des ungerechtfertigten Ausspionierens mit einer Software nicht weiter zumutbar sei.

Der Kläger beantragt, das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Cottbus vom 09.09.2014 – 3 Ca 359/14 – aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil des Arbeitsgericht Cottbus vom 09.09.2014 – 3 Ca 359/14 – aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung sei wirksam. Der Kläger habe am 10.12.2013 in der Zeit von 7.19 Uhr bis 7.52 Uhr heimlich in unberechtigter Weise sensible Firmendaten auf einen privaten USB-Stick gezogen und in seinen Besitz gebracht. Bei diesen Daten handele es sich um geheime Zeichnungen, Preiskalkulationen, technische Auslegungen, Werbebilanzrechnungen, Strömungsraumgeometrien, Berechnungen Druckhalteprüfstand, Fachliteratur und Ähnliches. Dies sei in der Absicht geschehen, diese Daten bei Mitbewerbern nach Verlassen des Unternehmens zu verwenden. Der Kläger sei am 12.03.2014 zu diesen Vorwürfen und dringenden Verdachtsmomenten konkret angehört worden und habe diese nicht entkräften können. Zudem habe die Beklagte festgestellt, dass der Kläger in der Zeit von September 2013 bis März 2014 den Internetanschluss der Beklagten während der vergüteten Arbeitszeit für private Angelegenheiten genutzt habe. Im September 2013 habe sich die ermittelte Gesamtzeit auf 1 Stunde 58 Minuten 32 Sekunden belaufen. Im Januar 2014 habe die Dauer der Arbeitsunterbrechung zu privaten Zwecken schon bei 4 Stunden 33 Minuten 37 Sekunden gelegen und in den Folgemonaten noch erhöht. Die Zwei-Wochen-Frist sei gewahrt, da die Beklagte von den Vorgängen erst am 28.02.2014 nach Auswertung der Datensicherheitssoftware erfahren habe.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Das Versäumnisurteil vom 09.09.2014 war aufrechtzuerhalten. Der hiergegen form- und fristgerecht eingelegte Einspruch hat in der Sache keinen Erfolg. Die Kündigung vom 12.03.2014 ist unwirksam und hat das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst. Das Arbeitsverhältnis war jedoch auf Antrag des Klägers gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 4.350,00 Euro zum 30.06.2014 aufzulösen.

I.

Die verhaltensbedingte Kündigung vom 12.03.2014 ist sowohl als außerordentliche wie auch als ordentliche Kündigung unwirksam und hat das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst. Sie ist auch nicht als Verdachtskündigung gerechtfertigt.

1. Die Kammer konnte keine verhaltensbedingten Gründe feststellen, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen würden.

a) Gemäß § 626 Absatz 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, d.h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht (BAG vom 21.11.2013 – 2 AZR 797/11 – juris Rn. 15; BAG vom 19.04.2012 – 2 AZR 258/11 – juris Rn. 13).

Als wichtiger Grund „an sich“ geeignet sind nicht nur erhebliche Pflichtverletzungen im Sinne von nachgewiesenen Taten. Auch der dringende, auf objektive Tatsachen gestützte Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar (BAG vom 21.11.2013 – 2 AZR 797/11 – juris Rn. 16).

Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung oder eines dahingehenden dringenden Verdachts, jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen der in Rede stehenden Pflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Ein gegenüber der fristlosen Kündigung in diesem Sinne milderes Mittel ist unter anderem die ordentliche Kündigung (BAG vom 21.11.2013 – 2 AZR 797/11 – juris Rn. 17).

b) Bei Anwendung dieser Grundsätze konnte die Kammer keine Gründe feststellen, die eine außerordentliche Kündigung hätten rechtfertigen können. Dabei geht die Kammer zwar davon aus, dass die vom Beklagten vorgebrachten Kündigungsgründe „Datendiebstahl“ und „unberechtigte private Internetnutzung während der Arbeitszeit“ grundsätzlich geeignet sein können, auch eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Der diesbezügliche Tatsachenvortrag der Beklagten ist in diesem Verfahren jedoch nicht verwertbar, da die Beklagte diese Tatsachen durch eine unberechtigte Erhebung und Auswertung personenbezogener Daten erlangt hat. Es kann insoweit dahinstehen, ob sich aus dem Tatsachenvortrag der Beklagten zwingend ein „Datenklau“ und eine „unberechtigte private Internetnutzung während der Arbeitszeit“ ergibt.

(1) Im arbeitsgerichtlichen Prozess ist die Verwertung von Tatsachen unzulässig, wenn es sich hierbei um die Verwertung von personenbezogenen Daten handelt und durch die Verwertung rechtswidrig in das Grundrecht des Arbeitsnehmers auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen wird (BAG vom 21.11.2013 – 2 AZR 797/11, juris Rn. 42 ff.). Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung garantiert die Befugnis, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden (BVerfG vom 11.03.2008 – 1 BvR 2074/05, juris; BAG vom 21.11.2013 – 2 AZR 797/11, juris Rn. 44). Die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) konkretisieren und aktualisieren den Schutz des Rechts auf Information und Selbstbestimmung. Sie regeln, in welchem Umfang im Anwendungsbereich des Gesetzes Eingriffe in diese Rechtsposition zulässig sind. Dies stellt § 1 BDSG ausdrücklich klar.

Liegt keine Einwilligung des Betroffenen vor, ist die Datenverarbeitung nach dem Gesamtkonzept des BDSG nur zulässig, wenn eine verfassungsgemäße Rechtsvorschrift sie erlaubt. Fehlt es an der erforderlichen Ermächtigungsgrundlage oder liegen deren Voraussetzungen nicht vor, ist die Erhebung, Verarbeitung und/oder Nutzung personenbezogener Daten verboten. Dieser Grundsatz des § 4 Absatz 1 BDSG prägt das deutsche Datenschutzrecht (BAG vom 21.11.2013 – 2 AZR 797/11, juris Rn. 45).

Nach § 32 Absatz 1 Satz 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach dessen Begründung für seine Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Nach Absatz 1 Satz 2 BDSG dieser Vorschrift dürfen zur Aufdeckung von Straftaten personenbezogene Daten eines Beschäftigten nur dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung zu deren Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten am Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind (BAG vom 21.11.2013 – 2 AZR 797/11, juris Rn. 52).

Eingriffe in die Grundrechte der Arbeitnehmer sind nur dann zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ergebnislos ausgeschöpft sind, die angedachte Maßnahme damit praktisch das einzig verbleibende Mittel darstellt und die Maßnahme insgesamt nicht unverhältnismäßig ist BAG vom 21.11.2013 – 2 AZR 797/11, juris Rn. 50; Franzen in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15 Auflage 2015, § 32 BDSG Rn 31, 32). Der Verdacht muss sich in Bezug auf eine konkrete strafbare Handlung oder andere schwere Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers gegen einen zumindest räumlich und funktional abgrenzbaren Kreis von Arbeitnehmern richten. Er darf sich einerseits nicht auf die allgemeine Mutmaßung beschränken, es könnten Straftaten begangen werden. Er muss sich andererseits nicht notwendig nur gegen einen einzelnen, bestimmten Arbeitnehmer richten (BAG vom 21.11.2013 – 2 AZR 797/11, juris Rn. 50).

(2) Bei Anwendung dieser Grundsätze kommt die Kammer zum Ergebnis, dass die von der Beklagten durch die Auswertung des Datenverkehrs des Klägers gewonnenen Erkenntnisse im vorliegenden Verfahren nicht verwertbar sind. Die Erhebung, Speicherung und Auswertung der Computernutzung des Klägers ist nicht durch die Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes gedeckt.

(2.1) Die Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes finden auf die Beklagte nach § 1 Absatz 2 Nummer 3 BDSG Anwendung. Bei der Beklagten handelt es sich um eine nicht öffentliche Stelle, die im Rahmen ihrer Tätigkeit Daten für nicht ausschließlich persönliche und familiäre Tätigkeiten verarbeitet.

(2.2) Die Kammer konnte nicht feststellen, dass der Kläger in einer Erhebung, Speicherung und Auswertung seiner Computernutzung eingewilligt hätte. Die Beklagte hat insoweit keine Einwilligung des Klägers im Sinne von § 4 Absatz 1 BDSG vorgetragen. Insbesondere liegt im Unterschreiben eines Belehrungsprotokoll über die Computernutzung keine Einwilligung in eine ansonsten durch die Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetz oder andere Rechtsvorschriften nicht gedeckte Datenerhebung, -speicherung oder –verwertung.

(2.3) Die Erhebung, Speicherung und Auswertung der Computernutzung des Klägers ist auch nicht durch eine Rechtsvorschrift des Bundesdatenschutzgesetzes oder eine andere Rechtsvorschrift gedeckt. Insbesondere liegen die in § 32 Bundesdatenschutzgesetz geregelten Voraussetzungen für eine Erhebung, Speicherung und Auswertung der personenbezogenen Daten des Klägers im Hinblick auf seine Computernutzung nicht vor. Die Beklagte hat insoweit nicht vorgetragen, dass konkrete Verdachtsmomente gegen den Kläger oder andere Beschäftigte zum Zeitpunkt der Erhebung, Speicherung und Auswertung des Datenverkehrs des Klägers vorgelegen haben. Alleine die abstrakte Möglichkeit, dass es zu „Datendiebstählen“ oder einer „unberechtigten privaten Nutzung des Internets während der Arbeitszeit“ kommen könnte, rechtfertigt nicht den Datenverkehr der Arbeitnehmer anlasslos zu überwachen, zu speichern und auszuwerten. Die anlasslose Datenverarbeitung greift in unverhältnismäßiger Weise in das Grundrecht der Arbeitnehmer auf informationelle Selbstbestimmung ein und ist durch die Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes oder anderer Gesetze nicht gedeckt.

(2.4) Der Verstoß der Beklagten gegen die Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes und der rechtwidrige Eingriff in das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung hat zur Folge, dass das Gericht die Erkenntnisse aus der rechtswidrigen Auswertung der rechtswidrig erhobenen Daten nicht verwerten kann.

2. Die Kündigung vom 12.03.2014 ist auch nicht als Verdachtskündigung oder als ordentliche Kündigung gerechtfertigt. Auch im Rahmen der Verdachtskündigung und bei der Prüfung der Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung ist es dem Gericht verwehrt, die Erkenntnisse aus der rechtswidrigen Computerauswertung zu verwerten.

II.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien war gemäß §§ 9, 10 Kündigungsschutzgesetz zum 30.06.2014 aufzulösen und die Beklagte war zur Zahlung einer Abfindung in Höhe von 4.350,00 Euro brutto zu verurteilen.

1. Nach § 9 Absatz 1 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz hat des Gericht, wenn es feststellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann, auf seinen Antrag das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, bei dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte, § 9 Absatz 2 Kündigungsschutzgesetz. Bei einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung hat der Arbeitnehmer ein Wahlrecht, ob er einen Auflösungsantrag nach § 13 Absatz 1 Satz 3 Kündigungsschutzgesetz oder nach § 9 Absatz 1 Kündigungsschutzgesetz stellt.

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze kommt die Kammer zum Ergebnis, dass dem Kläger die weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar war. Die Unzumutbarkeit einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ergibt sich, da die Beklagte den Kläger leichtfertig einer Straftat verdächtigt hat, obwohl die Beklagte aus den oben genannten Gründen keine verwertbaren Tatsachen hatte, die eine entsprechende Verdächtigung hätten rechtfertigen können. Zudem belastet die anlasslose, rechtswidrige Überwachung des Datenverkehrs des Klägers, der damit verbundene leichtfertige Umgang des Beklagten mit den Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und der tatsächlich bei der Beklagten bestehende Verdacht das Arbeitsverhältnis in unzumutbarer Weise.

3. Aufgrund des Antrages des Klägers zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses und der Unzumutbarkeit der Fortführung des Arbeitsverhältnisses war das Arbeitsverhältnis nach § 9 Absatz 2 Kündigungsschutzgesetz zu dem Zeitpunkt aufzulösen, zu dem es bei einer sozial gerechtfertigten Kündigung geendet hätte. Dies war der 30.06.2014. Nach § 16 des Arbeitsvertrages der Parteien betrug die Kündigungsfrist drei Monate zum Monatsende.

4. Der Kläger hat gegen die Beklagte aufgrund der Auflösung des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung in Höhe von 4.350,00 Euro brutto.

a) Nach § 9 Absatz 1 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz hat das Gericht den Arbeitgeber bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses zur Zahlung einer angemessen Abfindung zu verurteilen. Bei der Abfindung handelt es sich um eine vom Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen festzusetzender Entschädigung für den Verlust des sozialen Besitzstandes. Sie soll dem Arbeitnehmer einen pauschalen Ausgleich für die Vermögens- und nicht Vermögensschäden gewähren, die sich aus dem Verlust des Arbeitsplatzes ergeben (BAG vom 12.06.2003 – 8 AZR 341/02 – juris Rn. 15; Eisemann in: Küttner, Personalhandbuch 2014, 21. Auflage, Nr. 1 Stichwort Abfindung Rn. 33).

Dabei ist das Gericht bei der Festlegung der Höhe einer Abfindung nicht an die Anträge der Parteien gebunden. Es entscheidet im Rahmen der gesetzlichen Höchstgrenzen nach pflichtgemäßem Ermessen. Es hat dabei alle Umstände zu berücksichtigen, die eine Erhöhung oder Ermäßigung der Abfindung als billig erscheinen lassen (BAG vom 12.06.2003 – 8 AZR 341/02, juris Rn. 15; Eisemann in: Küttner Personalhandbuch 2014, 21. Auflage, Nr. 1 Stichwort Abfindung Rn. 36). Dazu gehören vor allem der Grad der Rechtswidrigkeit einer Kündigung (BAG vom 20.11.1997 – 2 AZR 803/96, juris Rn. 53) und die Folgen der Entlassung für den Arbeitnehmer (BAG vom 15.02.1973 – 2 AZR 16/72, juris Rn. 9). Zu berücksichtigen sind ebenso die Dauer der Betriebszugehörigkeit, Alter, Familienstand und wirtschaftliche Lage des Arbeitnehmers (BAG vom 25.11.1982 – 2 AZR 21/81, juris Rn. 80). Als erster Anhaltspunkt für die zu bemessende Abfindung kann für die Berechnungsformel je Beschäftigungsjahr ein halbes Bruttomonatsgehalt angesetzt werden. Bei der Bestimmung der Abfindungshöhe sind die Grenzen des § 10 Absatz 1 und 2 Kündigungsschutzgesetz zu beachten.

b) Bei der Anwendung dieser Grundsätze kommt die Kammer zum Ergebnis, dass die ausgeurteilte Abfindung in Höhe von 4.350,00 Euro brutto angemessen ist. Bei diesem Betrag handelt es sich um die Regelabfindung nach der Berechnungsformel Jahre der Betriebszugehörigkeit mal ein halbes Bruttomonatseinkommen. Auch der Kläger hat bei der Berechnung seiner Abfindungsvorstellung auf diese Berechnungsformel zurückgegriffen. Die Beklagte hat hiergegen keine Einwände erhoben. Drei Jahre Betriebszugehörigkeit multipliziert mit einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von 2.900,00 Euro geteilt durch zwei ergeben den ausgeurteilten Betrag. Es gab keine Anhaltspunkte dafür, diesen Betrag herauf- oder herabzusetzen. Die Parteien haben hierzu keine konkreten Tatsachen vorgetragen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Absatz 2 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG), 91 Absatz 1 ZPO, 95 ZPO. Die Beklagte hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV.

Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 61 Absatz 1 ArbGG. Die Kündigung wurde mit drei Bruttomonatseinkommen berücksichtigt. Dem Auflösungsantrag wurde kein eigener Streitwert zuerkannt.

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