Skip to content

Fristlose Kündigung eines Betriebsratsmitglieds – Beleidigung – Schmähkritik

Ein vermeintlich privater Facebook-Post nach einer Betriebsratswahl löste in einem Unternehmen einen handfesten Konflikt aus. Drastische Worte über Management und neu gewählte Kollegen gipfelten in der fristlosen Kündigung eines langjährigen Mitarbeiters und Betriebsratsmitglieds. Doch das Arbeitsgericht Mannheim kippte diese Entlassung nun überraschend.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 14 Ca 114/22 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Arbeitsgericht Mannheim
  • Datum: 01.12.2022
  • Aktenzeichen: 14 Ca 114/22
  • Verfahrensart: Kündigungsschutzverfahren
  • Rechtsbereiche: Arbeitsrecht, Betriebsverfassungsrecht, Schwerbehindertenrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Ein schwerbehinderter Arbeitnehmer, Mitglied des Betriebsrats und ehemaliger Betriebsratsvorsitzender. Er wendet sich gegen seine fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber.
  • Beklagte: Das Unternehmen, das den Kläger beschäftigt und ihm die außerordentliche Kündigung ausgesprochen hat.

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Der Kläger, ein Betriebsratsmitglied, wurde von seinem Arbeitgeber fristlos gekündigt, weil er angeblich beleidigende und unterstellende Beiträge auf Facebook veröffentlicht hatte. Die Kündigung erfolgte nach Spannungen zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung sowie einer Betriebsratswahl.
  • Kern des Rechtsstreits: Es ging darum, ob die außerordentliche Kündigung des schwerbehinderten Betriebsratsmitglieds durch den Arbeitgeber wegen mutmaßlicher Facebook-Posts wirksam war. Dabei waren das Vorliegen eines wichtigen Kündigungsgrundes, die Einhaltung von Fristen sowie die ordnungsgemäße Einholung notwendiger Zustimmungen und Anhörungen zu klären.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Das Gericht stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die Kündigung nicht beendet wurde. Die Beklagte wurde außerdem dazu verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits zu den bisherigen Bedingungen weiter zu beschäftigen.
  • Folgen: Das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten bleibt vorerst bestehen. Die Beklagte muss die Kosten des Rechtsstreits tragen.

Der Fall vor Gericht


Streit um Facebook-Post: Fristlose Kündigung eines Betriebsratsmitglieds für unwirksam erklärt

Wie schnell kann ein unbedachter Kommentar in den sozialen Medien zu ernsthaften Problemen am Arbeitsplatz führen? Viele Menschen posten privat ihre Meinungen, doch was passiert, wenn diese Posts den eigenen Arbeitgeber oder Kollegen betreffen? Ein Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim zeigt, wie kompliziert die Situation wird, wenn der betroffene Arbeitnehmer durch besondere Ämter, wie das eines Betriebsrats, zusätzlich geschützt ist. Das Gericht musste klären, ob beleidigende Äußerungen auf Facebook eine fristlose Kündigung rechtfertigen können, selbst wenn der Arbeitnehmer Mitglied des Betriebsrats und zudem schwerbehindert ist.

Die Eskalation nach der Betriebsratswahl

Mitarbeiter tippt auf Smartphone, verfassen eines beleidigenden Facebook-Posts am Arbeitsplatz
Langjähriger Mitarbeiter beleidigt im Facebook-Post die Firma, Geschäftsleitung und Betriebsrat. Konflikt am Arbeitsplatz. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Fall spielte sich in einem Unternehmen mit rund 520 Mitarbeitern ab. Ein langjähriger Mitarbeiter, der seit vielen Jahren im Unternehmen tätig war, geriet ins Visier seines Arbeitgebers. Dieser Mitarbeiter war nicht nur Angestellter, sondern auch Mitglied im Betriebsrat (die gewählte Vertretung der Arbeitnehmer im Unternehmen) und in der vorherigen Amtszeit sogar dessen Vorsitzender. Zudem war er als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Das Verhältnis zwischen der Geschäftsleitung und dem Betriebsrat war bereits seit einiger Zeit angespannt, was sich in öffentlichen Aushängen und Briefen zeigte.

Der Konflikt spitzte sich nach einer Betriebsratswahl zu. Bei dieser Wahl trat die Liste, für die der Mitarbeiter kandidierte, gegen eine andere Liste an und verlor knapp. Unmittelbar nach der Wahl tauchten auf dem privaten Facebook-Profil des Mitarbeiters zwei Posts auf. In einem Post war die Rede von Geschäftsleitungen, die Belegschaften spalten, indem sie „willige Schergen“ finden. Weiter hieß es: „Glückwunsch an die Schergen, die das im Namen der GL umsetzten, stimmts Mr. Ke, verachtenswert die Kreaturen, die dieses Spiel für sich und gegen die Kolleg*innen mitgehen.“ Ein zweiter Post bezog sich auf eine „prominente h Firma“, die dank ihrer „neuen Schergen im BR“ nicht mehr auf die Interessen der Belegschaft achte.

Die Reaktion des Unternehmens: Der Vorwurf der schweren Beleidigung

Die Arbeitgeberin erfuhr von diesen Posts und sah darin einen massiven Angriff. Sie interpretierte die Begriffe „Schergen“ und „verachtenswerte Kreaturen“ als grobe Beleidigung der Geschäftsführung und der neu gewählten Betriebsratsmitglieder der gegnerischen Liste. Zudem warf sie dem Mitarbeiter vor, er unterstelle der Geschäftsleitung eine strafbare Wahlbeeinflussung. Der im Post genannte „Mr. Ke“ wurde von der Arbeitgeberin als ein bestimmter leitender Angestellter identifiziert.

Aufgrund dieser Vorwürfe entschied sich das Unternehmen zu einem drastischen Schritt: der außerordentlichen, fristlosen Kündigung. Eine solche Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis sofort und ohne Einhaltung einer Frist. Sie ist nur bei einem sogenannten „wichtigen Grund“ (§ 626 Bürgerliches Gesetzbuch) zulässig. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn das Fehlverhalten so schwerwiegend ist, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der normalen Kündigungsfrist nicht mehr zugemutet werden kann. Man kann das mit einer roten Karte im Fußball vergleichen: Das Foul ist so schlimm, dass der Spieler sofort vom Platz muss. Aus Sicht der Arbeitgeberin war die rote Karte hier durch die schweren Beleidigungen und Unterstellungen gerechtfertigt.

Ein Netz aus Schutzrechten: Warum die Kündigung so kompliziert war

Die Kündigung dieses Mitarbeiters war jedoch rechtlich extrem anspruchsvoll, denn er genoss gleich mehrfachen besonderen Kündigungsschutz. Was bedeutet das konkret?

Erstens war er Mitglied des Betriebsrats. Solche Mitglieder können gemäß dem Betriebsverfassungsgesetz (§ 103 BetrVG) nicht einfach so gekündigt werden. Der Arbeitgeber braucht für eine außerordentliche Kündigung die ausdrückliche Zustimmung des gesamten Betriebsratsgremiums. Diese Regelung soll verhindern, dass Arbeitgeber unbequeme Arbeitnehmervertreter einfach loswerden. Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, kann der Arbeitgeber nur noch bei einem Gericht beantragen, diese Zustimmung zu ersetzen.

Zweitens war der Mitarbeiter schwerbehindert. Nach dem Sozialgesetzbuch (§ 174 SGB IX) muss bei der Kündigung eines schwerbehinderten Menschen zusätzlich das Integrationsamt zustimmen. Das Integrationsamt ist eine staatliche Behörde, die die Inklusion von Menschen mit Behinderungen im Arbeitsleben fördert und schützt. Ohne dessen Zustimmung ist die Kündigung ebenfalls unwirksam.

Der betroffene Mitarbeiter verteidigte sich gegen die Vorwürfe. Er argumentierte, seine Posts seien privat und nur für seinen Freundeskreis sichtbar gewesen. Sie seien daher durch das Fernmeldegeheimnis (dem im Grundgesetz verankerten Recht auf vertrauliche Kommunikation, ähnlich dem Briefgeheimnis) geschützt. Die Arbeitgeberin habe die Informationen von einem anonymen Informanten erhalten und dürfe sie daher gar nicht im Prozess verwenden – Juristen sprechen hier von einem „Sachvortragsverwertungsverbot“. Inhaltlich bestritt er, dass seine Firma gemeint war. „Mr. Ke“ sei eine Figur aus der Serie „Spongebob“ und der Spitzname eines Freundes. Er löschte die Posts und entschuldigte sich für mögliche Missverständnisse.

Der lange Weg zur Kündigung: Zwei Versuche und ein plötzlicher Meinungsumschwung

Die Arbeitgeberin leitete das Kündigungsverfahren ein. Zunächst beantragte sie beim Betriebsrat die Zustimmung zur Kündigung wegen der nachweislich getätigten Äußerungen (eine sogenannte Tatkündigung). Der Betriebsrat lehnte die Zustimmung ab. Da die Erklärung des Mitarbeiters aus Sicht des Unternehmens unglaubwürdig war, leitete es ein zweites Verfahren ein: Diesmal für eine Kündigung wegen des dringenden Verdachts, die Äußerungen so gemeint zu haben, wie die Firma es verstand (eine sogenannte Verdachtskündigung). Das ist so, als würde man jemanden nicht dafür bestrafen, dass er etwas bewiesenermaßen gestohlen hat, sondern für den durch starke Indizien untermauerten Verdacht, dass er es getan hat. Auch hier verweigerte der Betriebsrat die Zustimmung.

Doch dann kam es zu einer überraschenden Wende. Nach dem Rücktritt mehrerer Mitglieder änderte sich die Zusammensetzung des Betriebsrats. Plötzlich hatte die Liste, die die Wahl gewonnen hatte, eine Mehrheit im Gremium. Dieses neu zusammengesetzte Gremium fasste nun einen Beschluss und erteilte der Arbeitgeberin die Zustimmung zu beiden Kündigungsanträgen – sowohl zur Tat- als auch zur Verdachtskündigung. Mit dieser Zustimmung in der Hand sprach die Arbeitgeberin die fristlose Kündigung aus, gegen die der Mitarbeiter vor dem Arbeitsgericht klagte.

Die Entscheidung des Gerichts: Die Kündigung ist unwirksam

Das Arbeitsgericht Mannheim gab dem gekündigten Mitarbeiter vollständig recht. Es stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung nicht beendet wurde. Das Unternehmen wurde dazu verurteilt, den Mitarbeiter bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiterzubeschäftigen und die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Aber warum kam das Gericht zu diesem Ergebnis, obwohl der Betriebsrat am Ende doch zugestimmt hatte?

Die Begründung: Ein entscheidender Formfehler im Verfahren

Die Entscheidung des Gerichts hing an einem entscheidenden formalen Fehler im Verfahren zur Einholung der Betriebsratszustimmung. Damit die Zustimmung des Betriebsrats zu einer Kündigung wirksam ist, muss der Arbeitgeber dem Gremium den Kündigungsgrund detailliert und nachvollziehbar mitteilen. Der Betriebsrat muss genau wissen, worüber er abstimmt, um eine fundierte Entscheidung treffen zu können.

Genau das war hier offenbar nicht korrekt geschehen. In den entscheidenden Anträgen, die zur Sitzung führten, in der die Zustimmung erteilt wurde, fehlten laut den Gerichtsunterlagen jegliche Ausführungen zum konkreten Kündigungssachverhalt. Der Betriebsrat stimmte also quasi „blind“ zu. Man kann sich das so vorstellen: Es ist nicht möglich, jemanden wirksam zu bitten, einen wichtigen Vertrag zu unterschreiben, ohne ihm den Vertragstext selbst zur Lektüre vorzulegen. Eine Unterschrift unter ein leeres Blatt Papier wäre wertlos.

Da die Arbeitgeberin dem Betriebsrat in ihrem finalen Antrag keine formell korrekte Begründung geliefert hatte, war die daraufhin erteilte Zustimmung des Betriebsrats rechtlich unwirksam. Ohne eine wirksame Zustimmung des Betriebsrats kann einem Betriebsratsmitglied jedoch nicht außerordentlich gekündigt werden. Der besondere Kündigungsschutz griff daher voll durch. Aus diesem Grund erklärte das Gericht die Kündigung für nichtig, ohne überhaupt abschließend klären zu müssen, ob die Facebook-Posts tatsächlich eine schwere Beleidigung darstellten oder wie sie zu interpretieren waren. Der Verfahrensfehler allein reichte aus, um die Kündigung zu kippen.



Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil zeigt, dass Facebook-Posts von Arbeitnehmern zwar zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen können, aber besondere Schutzrechte wie der Kündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder greifen oft stark durch. Selbst wenn ein Arbeitgeber berechtigt erscheinende Gründe für eine fristlose Kündigung hat, können bereits kleine Verfahrensfehler – wie eine unvollständige Begründung gegenüber dem Betriebsrat – die gesamte Kündigung unwirksam machen. Die Entscheidung verdeutlicht, dass Arbeitgeber bei Kündigungen von besonders geschützten Personen extrem sorgfältig vorgehen müssen und formale Vorschriften penibel einhalten müssen. Für Arbeitnehmer mit besonderen Schutzrechten bedeutet dies, dass ihre Position deutlich stärker ist als die normaler Angestellter, selbst wenn ihr Verhalten problematisch erscheint.

Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.

Symbolbild zum Arbeitsrecht-FAQ: Schriftzug 'FAQ' vor einer dynamischen Büroszene mit Bewegungsunschärfe in Blau- und Rottönen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was sind die Voraussetzungen für eine wirksame fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber?

Eine fristlose Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis sofort, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist. Sie ist ein drastischer Schritt und nur unter sehr engen Bedingungen möglich, da sie für den Arbeitnehmer oft schwerwiegende Folgen hat. Das Gesetz legt diese Voraussetzungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in § 626 fest.

Ein „wichtiger Grund“ muss vorliegen

Der Arbeitgeber kann das Arbeitsverhältnis fristlos kündigen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ein solcher wichtiger Grund liegt vor, wenn Tatsachen gegeben sind, aufgrund derer dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist oder bis zu einer vereinbarten Beendigung unzumutbar ist.

  • Was ist ein „wichtiger Grund“?
    • Es muss ein schwerwiegendes Fehlverhalten oder ein erheblicher Vertrauensbruch vorliegen. Stellen Sie sich vor, das Verhalten des Arbeitnehmers ist so gravierend, dass der Arbeitgeber nicht erwarten kann, mit ihm noch bis zum Ende der normalen Kündigungsfrist zusammenzuarbeiten.
    • Beispiele für solche schwerwiegenden Gründe sind: Diebstahl oder Betrug im Betrieb, schwere Beleidigungen oder Tätlichkeiten gegenüber Kollegen oder dem Arbeitgeber, Spesenbetrug, Verrat von Geschäftsgeheimnissen oder auch beharrliche Arbeitsverweigerung. Auch bestimmte Straftaten außerhalb des Betriebs können einen wichtigen Grund darstellen, wenn sie sich auf das Arbeitsverhältnis auswirken.
    • Wichtig ist, dass nicht jedes Fehlverhalten ausreicht. Kleinere Vergehen oder einmalige Unachtsamkeiten rechtfertigen in der Regel keine sofortige Kündigung.

Die Rolle der Abmahnung

Bevor ein Arbeitgeber wegen eines Fehlverhaltens fristlos kündigen kann, ist in den meisten Fällen eine vorherige Abmahnung erforderlich.

  • Die Abmahnung hat die Funktion einer Warnung. Der Arbeitgeber weist den Arbeitnehmer darauf hin, dass er ein bestimmtes Fehlverhalten nicht duldet und dass im Wiederholungsfall Konsequenzen, bis hin zur Kündigung, drohen.
  • Eine Abmahnung ist nicht erforderlich, wenn das Fehlverhalten so schwerwiegend ist, dass dem Arbeitnehmer von vornherein klar sein musste, dass sein Verhalten nicht geduldet wird und das Vertrauensverhältnis nachhaltig zerstört ist. Dies ist beispielsweise bei Straftaten wie Diebstahl oder schwerer Körperverletzung im Betrieb der Fall.
  • Auch wenn eine Wiederherstellung des Vertrauens von vornherein ausgeschlossen erscheint, kann auf eine Abmahnung verzichtet werden.

Fristen und Interessenabwägung

Neben dem wichtigen Grund und der gegebenenfalls erforderlichen Abmahnung müssen weitere Punkte beachtet werden:

  • Zwei-Wochen-Frist: Der Arbeitgeber muss die fristlose Kündigung innerhalb von zwei Wochen aussprechen, nachdem er von dem wichtigen Grund Kenntnis erlangt hat. Verstreicht diese Frist, ist eine Kündigung wegen dieses konkreten Vorfalls nicht mehr fristlos möglich.
  • Interessenabwägung: Bei der Entscheidung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist, müssen alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt und die Interessen beider Parteien sorgfältig gegeneinander abgewogen werden. Dabei spielen zum Beispiel eine Rolle:
    • Die Dauer der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers.
    • Das Alter des Arbeitnehmers und seine familiäre Situation.
    • Die Schwere des Fehlverhaltens und der entstandene Schaden.
    • Ob der Arbeitnehmer bereits abgemahnt wurde.
    • Ob es sich um einen einmaligen Ausrutscher oder wiederholtes Fehlverhalten handelt.
    • Die mögliche negative Auswirkung des Verhaltens auf den Betriebsfrieden oder das Unternehmensimage.

Für eine wirksame fristlose Kündigung ist zudem zwingend die schriftliche Form vorgeschrieben. Eine mündliche Kündigung ist unwirksam.


zurück zur FAQ Übersicht

Kann mein Verhalten in sozialen Medien zu einer Kündigung führen, auch wenn es privat war?

Ja, Ihr Verhalten in sozialen Medien kann unter bestimmten Umständen zu einer Kündigung führen, selbst wenn es in Ihrer Freizeit und auf Ihren privaten Kanälen stattfand. Entscheidend ist, ob Ihr privates Verhalten einen direkten und erheblichen Bezug zu Ihrem Arbeitsverhältnis hat und dieses negativ beeinflusst.

Wenn Privates beruflich wird: Die Treuepflicht

Als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer sind Sie Ihrem Arbeitgeber gegenüber einer Treuepflicht verbunden. Das bedeutet, Sie haben die Pflicht, die Interessen Ihres Arbeitgebers zu wahren und keine Handlungen vorzunehmen, die dem Unternehmen schaden könnten. Diese Pflicht endet nicht automatisch, sobald Sie die Bürotür verlassen. Wenn private Äußerungen oder Handlungen in sozialen Medien öffentlich sichtbar werden und Sie als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter identifizierbar sind, können sie Auswirkungen auf Ihr Arbeitsverhältnis haben. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Inhalt Ihrer Beiträge das Vertrauen zwischen Ihnen und Ihrem Arbeitgeber stark beeinträchtigt oder dem Ruf des Unternehmens schadet.

Wann private Äußerungen problematisch sein können

Ihr privates Verhalten in sozialen Medien kann für Ihr Arbeitsverhältnis relevant werden, wenn es beispielsweise:

  • Den Ruf des Arbeitgebers schädigt: Stellen Sie sich vor, Sie beleidigen Ihren Arbeitgeber, Vorgesetzte, Kolleginnen und Kollegen oder Kunden öffentlich. Solche Äußerungen können das Ansehen des Unternehmens erheblich beschädigen.
  • Geschäftsgeheimnisse verrät: Die Preisgabe vertraulicher Informationen über das Unternehmen oder seine Projekte, auch wenn dies scheinbar im privaten Kreis geschieht, kann schwerwiegende Folgen haben.
  • Diskriminierende oder beleidigende Inhalte teilt: Beiträge, die rassistische, sexistische, homophobe oder andere diskriminierende Ansichten verbreiten, können das Arbeitsklima stören und im schlimmsten Fall sogar zu strafrechtlichen Konsequenzen führen, was sich wiederum auf das Arbeitsverhältnis auswirken kann.
  • Eine vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit offenbart: Wenn Sie beispielsweise während einer Krankschreibung Fotos von sich im Urlaub posten, kann dies den Verdacht des Arbeitszeitbetrugs begründen und eine Kündigung rechtfertigen.
  • Eine Straftat darstellt: Handlungen, die eine Straftat sind (z.B. Bedrohungen oder Nötigung), können auch im privaten Kontext Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis haben, wenn sie das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber unzumutbar belasten.

Nicht jede private Äußerung führt sofort zur Kündigung. Die Gerichte prüfen stets den Einzelfall. Dabei spielen Faktoren eine Rolle wie die Schwere des Verstoßes, die Sichtbarkeit der Äußerung (z.B. öffentliches Profil versus eingeschränkter Freundeskreis), die Identifizierbarkeit als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter des Unternehmens und der direkte Bezug zum Arbeitsverhältnis.

Die Rolle der Verhältnismäßigkeit

Eine Kündigung ist immer eine letzte Maßnahme. Bevor eine Kündigung ausgesprochen wird, muss der Arbeitgeber den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten. Das bedeutet, es muss geprüft werden, ob es keine milderen Mittel gibt, um auf das Verhalten zu reagieren, wie zum Beispiel eine Abmahnung. Eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung ist nur in sehr schwerwiegenden Fällen zulässig, in denen das Vertrauen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer grundlegend und unwiederbringlich zerstört ist.


zurück zur FAQ Übersicht

Welchen besonderen Schutz genieße ich als Betriebsratsmitglied vor einer Kündigung?

Als Betriebsratsmitglied genießen Sie einen besonderen Kündigungsschutz. Dieser ist gesetzlich verankert, um sicherzustellen, dass Sie Ihre Aufgaben als Arbeitnehmervertretung frei und unabhängig ausüben können, ohne Angst vor einer möglichen Entlassung haben zu müssen. Das Ziel ist es, die Betriebsratstätigkeit zu schützen und zu verhindern, dass Arbeitgeber Mitglieder leicht kündigen können. Dieser Schutz macht eine Kündigung deutlich schwieriger als bei einem normalen Arbeitnehmer.

Schutz vor ordentlicher Kündigung

Der wichtigste Aspekt des besonderen Kündigungsschutzes ist, dass eine ordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitglieds während seiner Amtszeit und auch noch ein Jahr danach grundsätzlich ausgeschlossen ist. Das bedeutet, der Arbeitgeber kann Ihnen nicht einfach aus betrieblichen Gründen (z.B. Arbeitsplatzabbau) oder wegen Ihrer Person kündigen, wie er es bei anderen Mitarbeitern könnte.

Eine solche ordentliche Kündigung ist nur in sehr seltenen Ausnahmefällen denkbar. Dies betrifft vor allem Situationen, in denen der Betrieb oder die jeweilige Abteilung vollständig stillgelegt wird und Sie nicht auf einem anderen Arbeitsplatz im Unternehmen weiterbeschäftigt werden können. Selbst in diesem Fall ist die Kündigung nur wirksam, wenn der Betriebsrat der Kündigung zustimmt oder diese Zustimmung durch ein Arbeitsgericht ersetzt wird. Diese Hürde ist sehr hoch.

Schutz vor außerordentlicher Kündigung

Eine außerordentliche (fristlose) Kündigung eines Betriebsratsmitglieds ist zwar möglich, aber ebenfalls nur unter sehr strengen Voraussetzungen. Es muss ein wichtiger Grund vorliegen, der so schwerwiegend ist, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf einer ordentlichen Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Solche Gründe können zum Beispiel schwere Pflichtverletzungen wie Diebstahl, Betrug oder grobe Arbeitsverweigerung sein.

Auch wenn ein solcher wichtiger Grund vorliegt, ist die Kündigung nur wirksam, wenn der Betriebsrat der Kündigung zuvor zugestimmt hat. Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, muss der Arbeitgeber die Zustimmung durch ein Arbeitsgericht ersetzen lassen. Das Gericht prüft dann genau, ob der wichtige Grund tatsächlich vorhanden ist und ob die Kündigung verhältnismäßig ist.

Schutz für Wahlbewerber und Ersatzmitglieder

Der besondere Kündigungsschutz beginnt nicht erst mit der Wahl zum Betriebsratsmitglied:

  • Wahlschutz: Arbeitnehmer, die sich für eine Wahl zum Betriebsrat aufstellen lassen, genießen bereits einen besonderen Kündigungsschutz. Dieser Schutz beginnt mit der Aufstellung der Wahlvorschlagsliste und endet sechs Monate nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Das soll verhindern, dass potenzielle Betriebsratsmitglieder durch eine drohende Kündigung von einer Kandidatur abgehalten werden.
  • Ersatzmitglieder: Ein Ersatzmitglied des Betriebsrats genießt den besonderen Kündigungsschutz, solange es ein ordentliches Betriebsratsmitglied tatsächlich vertritt. Nach Beendigung dieser Vertretung dauert der Schutz, ähnlich wie beim ordentlichen Mitglied, noch ein Jahr an, sofern das Ersatzmitglied insgesamt mindestens sechs Monate lang als Vertreter tätig war.

zurück zur FAQ Übersicht

Warum sind formelle Fehler bei einer Kündigung, insbesondere bei Betriebsräten, so entscheidend für deren Wirksamkeit?

Formelle Fehler bei einer Kündigung sind von größter Bedeutung, weil das Arbeitsrecht in Deutschland strenge Regeln für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen vorschreibt. Eine Kündigung muss nicht nur inhaltlich begründet sein, sondern auch ganz bestimmte formelle Anforderungen erfüllen. Werden diese Formvorschriften nicht eingehalten, ist die Kündigung rechtlich unwirksam. Das bedeutet, sie hat keine Wirkung, als wäre sie nie ausgesprochen worden.

Der Grundsatz der Wirksamkeit und Formfreiheit

Im deutschen Recht gilt der Grundsatz, dass die meisten Verträge formfrei geschlossen werden können. Für die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses macht das Gesetz jedoch eine wichtige Ausnahme. Gemäß § 623 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) muss jede Kündigung zwingend schriftlich erfolgen. Das bedeutet, sie muss auf Papier verfasst, eigenhändig unterschrieben und dem Empfänger im Original zugehen. Eine Kündigung per E-Mail, SMS oder mündlich ist daher grundsätzlich ungültig, selbst wenn der Kündigungsgrund noch so berechtigt wäre. Diese Schriftform dient dazu, Klarheit für beide Seiten zu schaffen und den Arbeitnehmer vor übereilten Entscheidungen zu schützen.

Die besondere Rolle des Betriebsrats

Die Beteiligung des Betriebsrats ist ein weiterer, ganz entscheidender formeller Schritt im Kündigungsprozess, wenn im Unternehmen ein Betriebsrat existiert. Hier spielt § 102 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) eine zentrale Rolle.

  • Zwingende Anhörung: Bevor ein Arbeitgeber eine Kündigung aussprechen kann, muss er den Betriebsrat vollständig über die geplante Kündigung informieren und ihn anhören. Das bedeutet, der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat den Kündigungsgrund, die Person des zu Kündigenden und alle relevanten Umstände mitteilen.
  • Prüfungsrecht des Betriebsrats: Der Betriebsrat hat dann eine bestimmte Frist (meist drei Tage bei ordentlicher Kündigung), um dazu Stellung zu nehmen. Er kann der Kündigung widersprechen, Bedenken äußern oder ihr zustimmen. Seine Aufgabe ist es, die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten und zu prüfen, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt ist oder ob andere mildere Mittel denkbar wären.
  • Folge einer fehlerhaften Anhörung: Wird der Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung nicht oder nicht ordnungsgemäß angehört, ist die Kündigung allein deshalb unwirksam. Es spielt dann keine Rolle, ob der Kündigungsgrund an sich berechtigt wäre. Dieses Verfahren zur Anhörung des Betriebsrats ist ein fundamentaler Schutzmechanismus für Arbeitnehmer.

Warum diese Formalien so wichtig sind

Diese strengen Formvorschriften und Beteiligungsrechte sind nicht nur „Kleinigkeiten“, sondern zentrale Säulen des deutschen Kündigungsschutzes. Sie gewährleisten, dass Kündigungen nicht willkürlich oder übereilt erfolgen, sondern einem klaren und nachvollziehbaren Prozess folgen. Für Sie als Arbeitnehmer bedeutet das, dass nicht nur der Kündigungsgrund an sich entscheidend ist, sondern auch, wie die Kündigung erfolgt und ob alle vorgeschriebenen Schritte korrekt eingehalten wurden. Die Nichteinhaltung dieser Formalien kann die Kündigung von Anfang an ungültig machen.


zurück zur FAQ Übersicht

Was sollte ich tun, wenn ich eine fristlose Kündigung erhalte und sie für ungerechtfertigt halte?

Wenn Sie eine fristlose Kündigung erhalten, ist die Zeit Ihr wichtigster Faktor. Eine fristlose Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis sofort, also ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist. Sie ist nur dann wirksam, wenn ein sogenannter „wichtiger Grund“ vorliegt, der es dem Arbeitgeber unzumutbar macht, das Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ablauf einer ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen. Beispiele für solche Gründe können schwere Pflichtverletzungen sein, wie Diebstahl oder Arbeitsverweigerung.

Absolute Frist für die Kündigungsschutzklage

Der entscheidende Punkt ist eine sehr kurze Frist: Wenn Sie die fristlose Kündigung für ungerechtfertigt halten, müssen Sie innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung eine sogenannte Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einreichen. Diese Frist ist absolut. Versäumen Sie diese Frist, wird die Kündigung – selbst wenn sie eigentlich unwirksam gewesen wäre – als wirksam angesehen. Das Arbeitsverhältnis gilt dann als beendet, und Sie können sich nicht mehr dagegen wehren.

Wichtige Verhaltensweisen nach Erhalt der Kündigung

  • Kündigung nicht verharmlosen: Nehmen Sie den Erhalt der Kündigung ernst, auch wenn Sie sie für unbegründet halten.
  • Nichts unterschreiben: Unterschreiben Sie keine Dokumente, die Ihnen neben der Kündigung vorgelegt werden, insbesondere keine „Aufhebungsvereinbarung“ oder eine „Empfangsbestätigung“, die zugleich den Inhalt der Kündigung anerkennt oder einen Abfindungsverzicht enthält. Bestätigen Sie lediglich den Erhalt der Kündigung, wenn dies verlangt wird, aber unterschreiben Sie nicht, dass Sie mit der Kündigung einverstanden sind oder auf Rechte verzichten.
  • Gründe erfragen: Eine fristlose Kündigung muss dem Arbeitgeber bei Nachfrage unverzüglich schriftlich begründet werden. Sie können also schriftlich nachfragen, aus welchen genauen Gründen die fristlose Kündigung ausgesprochen wurde. Dies hilft Ihnen, die Situation besser einzuschätzen.
  • Arbeitslosmeldung: Melden Sie sich umgehend – spätestens aber drei Tage nach Kenntnis der Kündigung – bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend. Dies ist wichtig, um keine Nachteile beim Bezug von Arbeitslosengeld zu erleiden, auch wenn Sie gegen die Kündigung vorgehen wollen. Eine spätere Meldung kann zu Sperrfristen führen.
  • Dokumente sichern: Sammeln und bewahren Sie alle relevanten Unterlagen auf, die Ihr Arbeitsverhältnis betreffen: den Arbeitsvertrag, Lohnabrechnungen, vergangene Abmahnungen (falls vorhanden), die Kündigung selbst sowie jegliche Kommunikation mit Ihrem Arbeitgeber, die im Zusammenhang mit der Kündigung stehen könnte. Dies kann später für eine mögliche gerichtliche Auseinandersetzung sehr wichtig sein.

Auch wenn die Situation belastend ist, ist es wichtig, schnell und überlegt zu handeln. Die Einhaltung der Drei-Wochen-Frist für die Kündigungsschutzklage ist dabei der absolut wichtigste Schritt, um Ihre Rechte zu wahren und die Kündigung überprüfen zu lassen.


zurück zur FAQ Übersicht

Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Glossar für Fachbegriffe aus dem Arbeitsrecht: Der Schriftzug 'Glossar' vor dem Foto einer belebten Baustelle

Glossar


Juristische Fachbegriffe kurz erklärt

Außerordentliche (fristlose) Kündigung

Eine außerordentliche Kündigung, oft auch fristlose Kündigung genannt, beendet das Arbeitsverhältnis sofort und ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist. Sie ist nur zulässig, wenn ein sogenannter „wichtiger Grund“ (§ 626 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB) vorliegt, der es dem Arbeitgeber unzumutbar macht, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen. Solche Gründe sind beispielsweise schwere Pflichtverletzungen wie Diebstahl, Betrug oder grobe Beleidigungen. Im Alltag kann man sich das wie eine rote Karte beim Fußball vorstellen: Das Vertrauensverhältnis ist so schwer beschädigt, dass es kein Weiterspielen geben kann.

Zurück zur Glossar Übersicht

Besonderer Kündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder

Mitglieder des Betriebsrats genießen nach dem Betriebsverfassungsgesetz (§ 103 BetrVG) einen besonderen Schutz vor Kündigungen. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung nur aus sehr strengen Gründen und nur unter der Voraussetzung aussprechen darf, dass der Betriebsrat der Kündigung vorher zustimmt. Diese Regelung soll verhindern, dass Arbeitnehmervertreter wegen ihrer Tätigkeit benachteiligt oder entlassen werden. Ein Beispiel wäre, dass ein Betriebsratsmitglied nicht einfach wegen seiner kritischen Haltung gegenüber der Geschäftsleitung gekündigt werden kann, ohne dass der Betriebsrat seine Zustimmung gibt.

Zurück zur Glossar Übersicht

Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung

Bevor ein Arbeitgeber einem Betriebsratsmitglied kündigen darf, muss er gemäß § 102 Absatz 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) die Zustimmung des gesamten Betriebsrats einholen. Der Arbeitgeber hat dem Gremium alle Kündigungsgründe detailliert mitzuteilen, damit der Betriebsrat die Entscheidung fundiert treffen kann. Fehlt diese umfassende Information oder die Zustimmung des Betriebsrats, ist die Kündigung unwirksam. Man kann sich das vorstellen wie das Sammeln einer Unterschrift auf einem vollständig ausgefüllten Formular – eine Unterschrift auf leerem oder unklarem Inhalt ist rechtlich wertlos.

Zurück zur Glossar Übersicht

Integrationsamt und Zustimmung bei Kündigung von Schwerbehinderten

Beschäftigte mit einer anerkannten Schwerbehinderung sind nach § 174 Sozialgesetzbuch (SGB IX) besonders geschützt. Will der Arbeitgeber einem solchen Mitarbeiter kündigen, benötigt er zusätzlich die ausdrückliche Zustimmung des Integrationsamts. Diese Behörde soll sicherstellen, dass Kündigungen gegenüber schwerbehinderten Menschen nur aus gewichtigen Gründen erfolgen und ihre berufliche Integration gefördert wird. Im Alltag verhindert diese Regelung, dass schwerbehinderte Arbeitnehmer ohne Prüfung der Situation abrupt ihren Arbeitsplatz verlieren.

Zurück zur Glossar Übersicht

Tatkündigung und Verdachtskündigung

Die Tatkündigung erfolgt dann, wenn der Arbeitgeber sicher nachweisen kann, dass der Arbeitnehmer ein Fehlverhalten begangen hat. Im Gegensatz dazu spricht man von Verdachtskündigung, wenn der Arbeitgeber nur einen dringenden Verdacht hat, dass ein Fehlverhalten vorliegt, diesen aber noch nicht definitiv beweisen kann. Beide Kündigungsarten sind grundsätzlich möglich, jedoch stellt die Verdachtskündigung eine Abwägung dar, bei der die Vermutung schwerwiegender Verfehlungen ausreicht, um das Arbeitsverhältnis zu beenden. Beispiel: Ein Arbeitgeber kündigt einem Mitarbeiter, weil er sicher weiß, dass dieser gestohlen hat (Tatkündigung), oder weil er starke Indizien hat, dass der Mitarbeiter gestohlen hat, es aber keinen klaren Beweis gibt (Verdachtskündigung).

Zurück zur Glossar Übersicht


Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 626 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) – Außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund: Diese Vorschrift erlaubt die fristlose Kündigung, wenn ein Verhalten des Arbeitnehmers so gravierend ist, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Der wichtige Grund muss entweder Tatsachen darstellen oder einen dringenden Verdacht rechtfertigen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Arbeitgeberin stützte ihre fristlose Kündigung auf die Facebook-Posts, die sie als schwere Beleidigungen wertete, und war der Ansicht, dass dadurch ein wichtiger Grund gemäß § 626 BGB vorlag.
  • § 103 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) – Besondere Kündigungsschutzvorschriften für Betriebsratsmitglieder: Diese Norm schützt Mitglieder des Betriebsrats vor Kündigungen, indem der Arbeitgeber für eine außerordentliche Kündigung die Zustimmung des Betriebsrats benötigt; ohne diese Zustimmung ist die Kündigung unwirksam. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Da der gekündigte Mitarbeiter Betriebsratsmitglied war, konnte die Arbeitgeberin nur mit Zustimmung des Betriebsrats wirksam kündigen, welche zunächst verweigert wurde.
  • § 174 SGB IX (Sozialgesetzbuch IX) – Mitbestimmung des Integrationsamts bei Kündigung schwerbehinderter Menschen: Bei der Kündigung eines schwerbehinderten Mitarbeiters muss das Integrationsamt zustimmen, um den besonderen Schutz schwerbehinderter Menschen zu gewährleisten. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Mitarbeiter war schwerbehindert, weshalb die Kündigung zusätzlich der Zustimmung des Integrationsamts bedurfte.
  • § 102 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) – Verfahrensvorschriften zur Betriebsratszustimmung: Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat den Kündigungsgrund vollständig und nachvollziehbar darlegen, damit dieser eine informierte Entscheidung treffen kann. Eine Zustimmung ohne ausreichende Information ist unwirksam. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht stellte fest, dass die Arbeitgeberin dem Betriebsrat keine ausreichenden Informationen zum Kündigungssachverhalt vorgelegt hatte, wodurch die Zustimmung formell unwirksam wurde und die Kündigung nicht greifen konnte.
  • Schutz der Meinungs- und Kommunikationsfreiheit nach Art. 5 GG und Fernmeldegeheimnis: Das Grundgesetz schützt private Meinungsäußerungen und die Vertraulichkeit der Kommunikation, auch im Internet, soweit diese nicht die Rechte Dritter verletzen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Mitarbeiter berief sich auf seinen privaten Charakter der Facebook-Posts und das Fernmeldegeheimnis, was die Nutzung der Informationen durch die Arbeitgeberin erschweren sollte.
  • Grundsatz des besonderen Kündigungsschutzes von Betriebsratsmitgliedern und schwerbehinderten Menschen: Zusammengenommen schützen diese rechtlichen Regelungen besonders exponierte Arbeitnehmer vor willkürlicher Kündigung, indem sie komplizierte Zustimmungsverfahren und besondere Anforderungen an die Rechtmäßigkeit der Kündigung vorsehen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Mehrfachschutzrechte des Mitarbeiters führten dazu, dass die Kündigung trotz der behaupteten Beleidigungen nur mit allen erforderlichen Zustimmungen wirksam hätte werden können, was im vorliegenden Fall aufgrund formeller Fehler scheiterte.

Das vorliegende Urteil


ArbG Mannheim – Az.: 14 Ca 114/22 – Urteil vom 01.12.2022


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Arbeitsrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Arbeitsrecht. Vom Arbeitsvertrag bis zur Kündigung. Nehmen Sie noch heute Kontakt zu uns auf.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Arbeitsrecht einfach erklärt

Weitere interessante arbeitsrechtliche Urteile

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!