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Fristlose Kündigung eines Geschäftsführeranstellungsvertrages durch eine GmbH

OLG Stuttgart – Az.: 20 U 5/13 – Beschluss vom 25.03.2014

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Rottweil vom 10.05.2013 – 5 O 46/12 KfH – wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das mit der Berufung angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Streitwert des Berufungsverfahrens: Bis zu 290.000,00 €.

Streitwert des Verfahrens in erster Instanz: Bis zu 200.000,00 €.

Gründe

A.

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung des Geschäftsführeranstellungsvertrags des Klägers mit der Beklagten, die diese mit dem Kläger am 13.04.2012 zugegangenem Schreiben vom 12.04.2012 ausgesprochen hat. Der Kläger verlangt mit seiner Klage die Zahlung restlichen Entgelts für den Monat April 2012 sowie die Feststellung, dass der Anstellungsvertrag durch die Kündigung nicht beendet worden ist. Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte gegen das Urteil des Landgerichts. Dieses hat der erhobenen Zahlungsklage nahezu in vollem Umfang – bis auf einen Teil der geltend gemachten Zinsen – stattgegeben und den Fortbestand des Anstellungsvertrags des Klägers mit der Beklagten ungeachtet der Kündigung vom 12.04.2012 festgestellt, weil die Beklagte jedenfalls die nach § 626 Abs. 2 BGB maßgebende Frist nicht eingehalten habe und die Kündigung schon deshalb unwirksam sei. Hilfsweise für den Fall, dass der Senat die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung durch das Landgericht ganz oder teilweise bestätigen sollte, rechnet die Beklagte – erstmals in der Berufungsinstanz – mit einem angeblichen Schadensersatzanspruch gegen den Kläger in Höhe von 74.993,75 € auf, im Übrigen macht die Beklagte diese Forderung – ebenfalls erstmals in der Berufungsinstanz – im Wege der Widerklage geltend.

Der Senat hat mit Beschluss vom 11.12.2013 (Bl. 450 ff. d. A.) die Parteien nach § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung sowie auf die dadurch eintretende Wirkungslosigkeit der von der Beklagten erhobenen Widerklage (§ 524 Abs. 4 ZPO entsprechend) sowie die Gründe hierfür hingewiesen und der Beklagten Gelegenheit zur Stellungnahme bis 08.01.2014 gegeben. Diese Frist ist mit Verfügung vom 20.12.2013 (Bl. 485 d. A.) bis 29.01.2014 verlängert worden. Die Beklagte hat innerhalb dieser Frist mit Schriftsatz vom 29.01.2014 (Bl. 486 ff. d. A.) zu dem Hinweisbeschluss des Senats Stellung genommen.

Der Senat verweist zur Sachdarstellung, insbesondere zu den im Berufungsverfahren gestellten Anträgen, in vollem Umfang auf den erwähnten Hinweisbeschluss vom 11.12.2013.

B.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Der Senat weist die Berufung – wie im Hinweisbeschluss vom 11.12.2013 mit eingehender Begründung angekündigt – nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurück.

I.

Der Senat verweist zur Begründung seiner Entscheidung in vollem Umfang auf die Darlegungen in dem genannten Hinweisbeschluss. Ergänzend ist zu dem Vorbringen der Beklagten in dem Schriftsatz vom 29.01.2014, aufgrund dessen der Senat seine Auffassung nochmals überprüft hat, auszuführen:

1. Der Senat hat im Hinweisbeschluss vom 11.12.2013 dargelegt, dass die im Ausgangspunkt entscheidende Kenntnis im Sinne von § 626 Abs. 2 BGB bei dem Vorstandsmitglied S. A. spätestens am 17.02.2012 vorlag, und zwar sowohl hinsichtlich der Nichtzahlung der Darlehensrate sowie des Schreibens des Klägers vom 22.12.2011 als auch hinsichtlich des Vergleichsschlusses im Dezember 2011. Ob Herr A. die einschlägige Kenntnis bereits im Dezember 2011 erlangt hatte, hat der Senat jeweils ausdrücklich offen gelassen. Dabei verbleibt es. Auf die Ausführungen im Schriftsatz der Beklagten vom 29.01.2014 unter Tz. 1 bis 19 kommt es demnach nicht an.

2. Der Senat hat im Hinweisbeschluss vom 11.12.2013 dargelegt, dass die im Ausgangspunkt entscheidende Kenntnis im Sinne von § 626 Abs. 2 BGB bei dem Vorstandsmitglied S. A. jedenfalls am 17.02.2012 vorlag, weil zu diesem Zeitpunkt bekannt war, dass der Kläger die Darlehensrate nicht bedient und das Schreiben vom 22.12.2011 verfasst sowie dass er den Vergleich abgeschlossen hatte, um den die Parteien streiten. Der Senat hat ferner im Einzelnen dargelegt, dass und warum weder ersichtlich ist noch von der Beklagten – auch nicht in ihrer Berufungsbegründung – dazu vorgetragen worden ist, dass nach dem 17.02.2012 noch weitere Umstände aufzuklären gewesen wären. Hieran hält der Senat auch in Kenntnis des Vorbringens in dem Schriftsatz vom 29.01.2014 fest.

a) Auch die Darlegung zur Kenntniserlangung von der Nichtbedienung der Darlehensrate sowie der Versendung des Schreibens vom 22.12.2011 in Tz. 21 ff. des Schriftsatzes vom 29.01.2014 zeigt keine konkreten Umstände auf, die Herrn A. am 17.02.2012 noch unbekannt waren. Die Beklagte führt nicht konkret und greifbar aus, was genau Herrn A. am 17.02.2012 noch unbekannt gewesen sein soll. Insbesondere die pauschalen Verweise auf angeblich unbekannte „Beweggründe“ des Klägers (Tz. 24) bzw. möglicherweise den Kläger rechtfertigende oder entlastende Umstände (Tz. 22) genügen insoweit nicht.

b) Die Darlegung zur Erlangung der maßgebenden Kenntnis von dem Vergleichsabschluss des Klägers in Tz. 25 f. des Schriftsatzes vom 29.01.2014 verliert sich von vornherein im Unbestimmten, was die seinerzeit angeblich noch unbekannten Umstände angeht.

c) Insbesondere führt das – im Übrigen schon in der Berufungsbegründung vom 16.08.2013 (Bl. 379 ff. d. A.) enthaltene (s. dort Tz. 29) – Vorbringen (Tz. 21, 29, 39), es sei nicht auszuschließen gewesen, dass der Kläger in der am 02.04.2012 nach dem Vorbringen der Beklagten stattgefundenen Anhörung entlastende Umstände hätte vorbringen können, nicht zu einer veränderten, der Berufung günstigeren Beurteilung. Dass abstrakt die Möglichkeit besteht, dass der ggf. zu Kündigende eine Rechtfertigung für sein Verhalten, das der ggf. Kündigungsberechtigte ihm vorhält, vorbringen kann, ist bei jeder denkbaren Pflichtverletzung der Fall, die möglicherweise § 626 Abs. 1 BGB erfüllt. Wäre ein bloßer Hinweis des ggf. zur Kündigung Berechtigten auf diese abstrakte Möglichkeit dafür genügend, um anzunehmen, allein im Hinblick darauf habe die nach § 626 Abs. 2 BGB maßgebende Kenntnis noch nicht bestanden, könnte jeder Kündigende die Voraussetzungen von § 626 Abs. 2 BGB faktisch außer Kraft setzen. Zu verlangen ist insofern schon deshalb wenigstens die konkrete Darlegung, welche tatsächlichen Umstände für eine Rechtfertigung bzw. Entlastung im konkreten Fall nachvollziehbar in Betracht gekommen seien und inwiefern über derartige konkreten Umstände wie lange noch Unklarheit bestanden habe, die den Eintritt der nach § 626 Abs. 2 BGB maßgebenden Kenntnis verzögert habe. Zu solchen konkreten Aspekten, die im Streitfall möglicherweise die geschilderte Bedeutung erlangen hätten können, fehlt es jedoch unverändert an Vorbringen der Beklagten (vgl. auch schon unter B I 2 a bb 2 c und B I 2 c aa der Gründe des Hinweisbeschlusses).

3. Der Senat hält auch in Kenntnis der Ausführungen in Tz. 32 ff. des Schriftsatzes vom 29.01.2014 an seiner Beurteilung fest, dass die Einholung der Zustimmung des Aufsichtsrats der M. X AG hier unangemessen verzögert worden ist (s. unter I 1 d und 2 b der Gründe des Hinweisbeschlusses).

a) Der Verweis der Berufung (Tz. 34 des Schriftsatzes vom 29.01.2014) auf Goette, DStR 1998, 1103, 1105 trägt nicht.

aa) Die von der Berufung angeführte Passage bezieht sich auf die Frist für die Einberufung der Gesellschafterversammlung einer GmbH nach § 50 Abs. 3 GmbHG (vgl. etwa Jaeger, in: Münchener Kommentar zum GmbHG, 1. Aufl., § 35 Rn. 435). Die in einem solchen Fall einzuhaltende Frist bestimmt sich von vornherein nach der Bedeutung und der Dringlichkeit des Verlangens (vgl. etwa Liebscher, in: MüKo-GmbHG, 1. Aufl., § 50 Rn. 33; Hillmann, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 1. Aufl., § 50 GmbHG Rn. 10); selbst wenn das Einberufungsorgan nach §§ 49 Abs. 1, 50 Abs. 1 GmbHG im Regelfall lediglich verpflichtet sein sollte, die Versammlung innerhalb eines Monats nach dem Einberufungsverlangen einzuberufen (vgl. dazu etwa Römermann, in: Michalski, GmbHG, 2. Aufl., § 50 Rn. 72 m. w. N. in Fn. 82 f.; dagegen im Übrigen etwa Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl., § 50 Rn. 16), kann im Einzelfall durchaus auch eine ggf. deutlich kürzere Frist gelten (vgl. etwa OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.01.2013 – 14 W 17/12 – Tz. 32).

bb) Letztlich kommt es darauf nicht an. Es geht hier nicht um eine Situation, die mit einer solchen Einberufung einer Gesellschafterversammlung einer GmbH vergleichbar wäre. Die insoweit geltenden Maßstäbe sind auf den zur Entscheidung stehenden Fall nicht übertragbar. Für die entscheidende Frage der unangemessenen Verzögerung ist nicht zuletzt die Situation von Bedeutung, in der sich der Kündigungsberechtigte befindet. Diese ist bei der Einberufung einer Gesellschafterversammlung nach § 50 Abs. 3 GmbHG ganz anders als sie hier in Bezug auf die in Rede stehende Aufsichtsratssitzung der M. X AG gewesen ist. Hinzu kommt, dass es in dem Streitfall, auf den sich die Anmerkung von Goette, DStR 1998, 1103, 1105 bezieht und den der BGH mit Urteil vom 15.06.1998 – II ZR 318/96 entschieden hat, um die Kündigung des Anstellungsvertrags des Alleingeschäftsführers einer GmbH ging, der zugleich Minderheitsgesellschafter war und der selbst die von der die Kündigung betreibenden Mehrheitsgesellschafterin umgehend verlangte Einberufung verzögerte. Dass sich unter solchen Umständen der zu kündigende Geschäftsführer, der die Gesellschafterversammlung nicht fristgerecht einberief, im Zusammenhang mit § 626 Abs. 2 BGB nicht ohne weiteres auf eine dadurch bewirkte Verzögerung berufen kann, versteht sich, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil in einem solchen Fall – gerade anders als hier – bei dem zu Kündigenden keine Ungewissheit darüber bestehen kann, ob er mit einer fristlosen Kündigung zu rechnen hat (vgl. BGH, Urt. v. 15.06.1998 – II ZR 318/96 – Tz. 11; OLG München, Urt. v. 25.03.2009 – 7 U 4835/08 – Tz. 35). All das lässt aber keine Rückschlüsse auf den hier zur Entscheidung stehenden Fall zu.

b) Für die im Streitfall maßgebende Frist für die Einberufung des Aufsichtsrats mit zumutbarer Beschleunigung (s. den Hinweisbeschluss des Senats unter B I 1 d sowie etwa BGH, Urt. v. 15.06.1998 – II ZR 318/96 – Tz. 7 und BGH, Urt. v. 09.04.2013 – II ZR 273/11 – Tz. 14) ist vielmehr auch und gerade das durch die kurze Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB gesetzlich vorgesehene Beschleunigungsgebot leitend, Anknüpfungspunkt für die Beurteilung ist die dort geregelte Zweiwochenfrist (vgl. OLG München, Urt. v. 25.03.2009 – 7 U 4835/08 – Tz. 40). § 626 Abs. 2 BGB zeigt, dass die Angelegenheit hier grundsätzlich dringlich und mit Vorrang zu behandeln (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 28.04.2004 – 7 U 62/03 – Tz. 8), der Aufsichtsrat unverzüglich einzuberufen war, nachdem die nach § 626 Abs. 2 BGB erforderliche Kenntnis vorlag. Insbesondere besteht auch nach Auffassung des Senats ein gewichtiges Indiz für die Annahme einer unangemessenen Verzögerung, geraten die vom Dienstberechtigten durchgeführten oder angeordneten Ermittlungen mehr als zwei Wochen in Stillstand (OLG München, Urt. v. 25.03.2009 – 7 U 4835/08 – Tz. 40). Vor diesem Hintergrund ist der Senat der Auffassung, dass unter den Umständen des Streitfalls die Abhaltung der Aufsichtsratssitzung am 02.04.2012, auf deren Basis die Kündigung schließlich am 13.04.2012 erfolgt ist, den hier bestehenden Anforderungen nicht mehr genügt.

aa) Es ist nicht ersichtlich, warum es nicht zumutbar gewesen sein sollte, den Aufsichtsrat mit vierzehntägiger Frist seit dem 17.02.2012 einzuberufen (vgl. hierzu auch OLG München, Urt. v. 25.03.2009 – 7 U 4835/08 – Tz. 40; Jaeger, in: Münchener Kommentar zum GmbHG, 1. Aufl., § 35 Rn. 433). Dass der einberufungsberechtigte (vgl. Hüffer, AktG, 10. Aufl., § 107 Rn. 5, § 110 Rn. 2) Vorsitzende des Aufsichtsrats der M. X AG zeitgleich mit dem Vorstandsmitglied A. und damit zumindest am 17.02.2012 die notwendige Kenntnis erhielt (vgl. BGH, Urt. v. 15.06.1998 – II ZR 318/96 – Tz. 7), stellt die Beklagte nicht in Abrede und ergibt sich allein schon aus dem Schreiben vom 17.02.2012 (Anlage B 25 [Bl. 401 ff.]); zumindest fehlt es an jedem abweichenden Vortrag der auch insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten zu der Kenntnis des Aufsichtsratsvorsitzenden. Ob der Beklagten bzw. der M. X AG hier zuzugestehen ist, auch die Sitzung, in der über die außerordentliche Kündigung entschieden worden ist, mit der in § 11 Ziff. 2 Satz 1 der Satzung der M. X AG (Anlage B 7 [Bl. 104 ff.]) erwähnten Regelfrist von drei Wochen einzuberufen, erscheint zweifelhaft, und zwar auch dann, wenn man eine Verlängerung der Einberufungsfrist über zwei Wochen hinaus für zulässig hält, was bereits nicht unumstritten ist (vgl. Hüffer, AktG, 10. Aufl., § 110 Rn. 2). Denn angesichts der Eilbedürftigkeit der Entscheidung über die Kündigung spricht Manches dafür, hier zu verlangen, die Dreiwochenfrist zumindest nicht voll auszuschöpfen, gerade angesichts der in § 11 Ziff. 2 Satz 5 der Satzung geregelten Möglichkeit der Verkürzung einer Einberufungsfrist sogar auf drei Tage in dringenden Fällen. Im Übrigen ergibt sich aus § 110 Abs. 1 AktG, dass eine unverzügliche Einberufung einer Aufsichtsratssitzung regelmäßig nur vorliegt, wenn sie innerhalb von zwei Wochen erfolgt; ist die Vorschrift hier auch nicht unmittelbar einschlägig, gibt sie doch einen deutlichen Anhalt. Unabhängig davon ergibt sich aber bereits aus den eben angestellten Erwägungen, dass hier die der Beklagten bzw. der M. X AG zuzugestehende Einberufungsfrist jedenfalls nicht länger zu bemessen ist als drei Wochen. Selbst wenn man eine solche Frist für maßgebend hält, war hier indes die Einberufung am 02.04.2012 nicht mehr rechtzeitig.

bb) Der Senat verkennt nicht, dass es Gründe geben kann, unter bestimmten Umständen auch von längeren Fristen auszugehen, jedenfalls für die Frage, innerhalb welchen Zeitraums die Aufsichtsratssitzung einzuberufen ist. Umstände, die dies im Streitfall rechtfertigten, sind jedoch nicht ersichtlich oder von der Beklagten aufgezeigt.

(1) Insbesondere mag eine geringfügige Verzögerung der Einberufung der Versammlung unschädlich sein, wenn das Vorstandsmitglied schon vorläufig seines Amtes enthoben worden ist und daher nicht darüber im Zweifel sein kann, dass es mit einer endgültigen Abberufung und einer – im Zweifel fristlosen – Kündigung seines Anstellungsvertrages rechnen muss (s. BGH, Urt. v. 12.02.2007 – II ZR 308/05 – Tz. 7; OLG München, Urt. v. 25.03.2009 – 7 U 4835/08 – Tz. 35). Hier lag es aber gerade anders. Die Beklagte trägt selbst vor, die Entscheidung über die Abberufung und Kündigung des Klägers sei erst am 02.04.2012 getroffen worden, zuvor habe eine solche Entscheidung u.a. aufgrund der damit verbundenen „Außenwirkung“ nicht getroffen werden können, vielmehr habe sogar ein „Durchsickern von Gerüchten“ darüber verhindert werden müssen (s. Tz. 42 ff., 48 des Schriftsatzes vom 29.01.2014).

(2) Der Umstand, dass fünf der sechs Aufsichtsratsmitglieder im Ausland ansässig sind, rechtfertigt es unter dem Aspekt des § 626 Abs. 2 BGB ebenso wenig wie der Umstand, dass etwa erforderliche Dokumente ggf. in englischer Sprache vorzubereiten waren, eine Aufsichtsratssitzung über einen Zeitraum von etwa eineinhalb Monaten aufzuschieben, selbst wenn erforderlich gewesen sein sollte, dass alle Aufsichtsratsmitglieder zusammenkamen. Der Senat verweist auf die Darlegungen in seinem Hinweisbeschluss unter B I 2 a bb 1.

(3) Weitere Umstände, die die vom Senat angelegten Maßstäbe als zu streng erschienen ließen, bringt die Beklagte nicht vor. Soweit sie nun erstmals darauf verweist, es sei angesichts der gesundheitlichen Verfassung des weiteren Vorstandsmitglieds A. eine lange Überlegungsfrist erforderlich gewesen, ist dem Senat nicht ersichtlich, dass die von ihm angelegten Erfordernisse dem nicht ausreichend Rechnung trügen. Abgesehen davon trägt die Beklagte zu dem Gesundheitszustand nach dem 17.02.2012 auch nicht konkret vor.

(4) Tatsächlich ist offenbar – wie sich nun aus Tz. 33 des Schriftsatzes vom 29.01.2014 ergibt – über die Abberufung und Kündigung des Klägers erst in der Aufsichtsratssitzung vom 02.04.2012 entschieden worden, weil diese für diesen Tag am 17.02.2012 ohnehin und aus anderen Gründen bereits terminiert war. Der Beklagten bzw. der M. X AG ist zuzugestehen, dass es praktisch einfacher gewesen sein mag, die Angelegenheit im Rahmen einer bereits terminierten Sitzung mitzubehandeln anstatt in kürzerer Frist eine Sitzung neu zu terminieren. Unter Berufung darauf die nach § 626 Abs. 2 BGB maßgebende Frist zugunsten der Beklagten zu verlängern, geht aber nach Auffassung des Senats nicht an. Es war angesichts der in § 626 Abs. 2 BGB enthaltenen Vorgaben unter den hier vorliegenden Umständen nicht ausreichend, Abberufung und Kündigung des Klägers erst zu dem Zeitpunkt zu behandeln, in dem der Aufsichtsrat ohnehin zusammentrat.

(5) Die Darlegungen der Beklagten in Tz. 32 bis 37 des Schriftsatzes vom 29.01.2014 erschöpfen sich weithin in Wiederholung des bereits Vorgetragenen. Dass, wie die Beklagte vorbringt, der Aufsichtsrat hier nicht ständig auf Abruf bereitstehen konnte, mag sein. Das bedeutet aber nicht, dass die Beklagte die Möglichkeit gehabt hätte, die Kündigung des Klägers ohne Rücksicht auf § 626 Abs. 2 BGB erst in einer Aufsichtsratssitzung zu behandeln, die aus anderen Gründen ohnehin bereits terminiert war, und zwar erst für einen Zeitpunkt etwa eineinhalb Monate nach Erlangung der nach § 626 Abs. 2 BGB im Ausgangspunkt entscheidenden Kenntnis. Die Beklagte selbst trägt im Übrigen vor, es habe sich bei der Abberufung und Kündigung des Klägers um eine Angelegenheit gehandelt, die für den gesamten Konzern von sehr gewichtiger Bedeutung gewesen sei (s. Tz. 38 ff. des Schriftsatzes vom 29.01.2014). War das aber der Fall, kann schon deshalb nicht die Rede davon sein, die vom Senat aufgestellten Anforderungen hätten die Notwendigkeit zur Folge, dass der Aufsichtsrat der M. X AG ständig auf Abruf bereitstehen müsse.

4. Der Senat hat es in seinem Hinweisbeschluss unter B I 2 c aa der Gründe für zweifelhaft gehalten, ob eine Anhörung hier erforderlich und deshalb der Lauf der in § 626 Abs. 2 BGB bestimmten Frist mit Blick darauf aufgeschoben war, weil konkrete Umstände, die von Relevanz für die Entscheidung über die im Streit stehende Kündigung waren und erst durch eine Anhörung des Klägers durch den Aufsichtsrat am 02.04.2012 aufgeklärt werden konnten, sollten oder tatsächlich wurden, nicht ersichtlich sind und der Vortrag der Beklagten solche konkreten Umstände auch nicht aufzeigt. Der Senat hat diese Frage aber letztlich offen gelassen. Dabei bleibt es. Die Darlegungen in Tz. 38 ff. des Schriftsatzes vom 29.01.2014 zeigen die vermissten konkreten Umstände unverändert nicht auf. Sie bleiben im Übrigen auch sonst undeutlich, etwa wenn die Beklagte auf das Erfordernis einer „Abwägung einer Vielzahl von Aspekten und Interessenslagen“ verweist (Tz. 38), ohne indes zu konkretisieren, was damit gemeint sein könnte und – entscheidend – inwiefern die Anhörung des Klägers durch den Aufsichtsrat am 02.04.2012 diese Abwägung befördert habe. In diesem Zusammenhang ist im Übrigen zu sehen, dass sich das Vorstandsmitglied A. bereits am 17.02.2012 über die später zum Gegenstand der Kündigung gemachten Umstände mit dem Kläger ausgetauscht haben muss, wie sich bereits an dem Schreiben vom 17.02.2012 (Anlage B 25 [Bl. 401 ff.]) zeigt, das die beiden Personen unterzeichneten und in dem u.a. über die betreffenden Umstände berichtet wird. Schon von hier aus ist nicht ersichtlich, inwiefern die nochmalige Anhörung durch den Aufsichtsrat am 02.04.2012 unter dem Aspekt der Ermittlung der für die nach § 626 Abs. 2 BGB maßgebende Kenntnis entscheidenden Tatsachen förderlich gewesen sein soll. Es trifft im Übrigen zwar zu (s. Tz. 40 des Schriftsatzes vom 29.01.2014), dass es unbeachtlich ist, ob die Ermittlungsmaßnahmen und damit ggf. auch die Anhörung tatsächlich zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen haben oder überflüssig waren (s. etwa BAG, Urt. v. 25.11.2010 – 2 AZR 171/09 – Tz. 15). Es ist aber eine andere Frage, ob hier von vornherein überhaupt noch Aufklärungsbedarf in tatsächlicher Hinsicht bestanden hat, der durch die am 02.04.2012 ggf. durch den Aufsichtsrat durchgeführte Anhörung auch nur befriedigt werden konnte.

5. Wie soeben erwähnt und auch im Hinweisbeschluss bereits dargelegt (s. insbesondere unter B I 2 c der Gründe), kommt es auf die Frage, ob eine Anhörung hier erforderlich und deshalb der Lauf der in § 626 Abs. 2 BGB bestimmten Frist mit Blick darauf aufgeschoben war, ohnehin nicht an. Denn jedenfalls ging es unter den hier gegebenen Umständen mit Blick auf § 626 Abs. 2 BGB nicht an, mit der Anhörung des Klägers und der Durchführung der Aufsichtsratssitzung nach Kenntniserlangung spätestens am 17.02.2012 bis zum 02.04.2012 zuzuwarten. Die Ausführungen der Berufung in Tz. 49 ff. ihres Schriftsatzes vom 29.01.2014 geben dem Senat keine Veranlassung, seine Sicht zu ändern.

a) Auf die Frage, ob eine Anhörung durch ein Vorstandsmitglied bzw. den Aufsichtsratsvorsitzenden ausreichend bzw. ob die Beschlussfassung auf anderem Wege als durch unmittelbares Zusammentreffen der Aufsichtsratsmitglieder hätte bewirkt werden können, kommt es von vornherein nicht entscheidend an, weil die Aufsichtsratssitzung als solche für einen früheren Zeitpunkt hätte terminiert werden müssen, um die nach § 626 Abs. 2 BGB maßgebende Frist einzuhalten (s. unter B I 2 b bb 1 sowie c bb 2 c der Gründe des Hinweisbeschlusses).

b) Abgesehen davon ist dem Senat unverändert nicht nachvollziehbar, dass alle Aufsichtsratsmitglieder einen persönlichen Eindruck von dem Verhalten des Klägers während seiner Anhörung gewinnen mussten, um über die Kündigung entscheiden zu können (s. unter B I 2 c bb 2 a der Gründe des Hinweisbeschlusses). Es ist nicht ersichtlich, warum eine Übermittlung etwaiger von dem Kläger vorgebrachter rechtfertigender oder entlastender Umstände, um die es der Beklagten nach ihrem eigenen Vorbringen entscheidend ging, ohne dass sie konkret aufzeigen könnte, was genau sie insofern in Erwägung zog, an weitere Vorstandsmitglieder nicht tunlich gewesen sein soll. Soweit die Beklagte anführt, es sei hier entscheidend um den persönlichen Eindruck gegangen, den der Kläger gemacht habe, ist auch das dem Senat nicht hinreichend nachvollziehbar, und zwar schon deshalb, weil weder ersichtlich noch von der Beklagten aufgezeigt worden ist, dass und in welcher Form genau die Aufsichtsratsmitglieder am 02.04.2012 überhaupt mit dem Kläger ein Gespräch von einer Art führten, das es erlaubt hätte, das von der Beklagten nun angeführte Bedürfnis nach Gewinnung eines persönlichen Eindrucks vom Kläger zu befriedigen. Abgesehen davon ist aber auch schon die entscheidende Bedeutung dieses persönlichen Eindrucks vom Kläger für die von dem Aufsichtsrat zu treffende Entscheidung nicht ausreichend ersichtlich (s. unter B I 2 c bb 2 b der Gründe des Hinweisbeschlusses).

c) Weiter nicht nachvollziehbar ist dem Senat, warum der persönliche Eindruck, sollte er erforderlich gewesen sein, nicht zumindest in einer Videokonferenz hätte gewonnen werden können (s. unter B I 2 c bb 2 b der Gründe des Hinweisbeschlusses). Der Verweis der Berufung auf § 108 Abs. 4 AktG (Tz. 52 ff. des Schriftsatzes vom 29.01.2014) ergibt nichts anderes. Die in dieser Vorschrift erwähnte nähere Regelung durch die Satzung lag hier vor. Es mag sein, dass die Präsenzsitzung – bei abstrakter Betrachtung – gewisse Vorteile gegenüber den in § 108 Abs. 4 AktG geregelten alternativen Formen aufweist. Die einschlägigen Ausführungen der Berufung sind aber ohne Fallbezug, sie lassen nicht erkennen, dass eine Videokonferenz hier untunlich gewesen sei, zumal es an jedem Vortrag der Beklagten dazu fehlt, wie denn die Befassung mit dem Kläger in der Aufsichtsratssitzung vom 02.04.2012 überhaupt vonstattengegangen ist. Dass die „technischen Voraussetzungen für die Abhaltung von echten Videokonferenzen bei den Aufsichtsratsmitgliedern der M. X AG“ nicht vorhanden gewesen seien (Tz. 54 des Schriftsatzes vom 29.01.2014), ist zum einen unsubstantiiert, zum anderen unerheblich. Auf die Frage, ob in der Vergangenheit bereits Videokonferenzen stattfanden (Tz. 55 des Schriftsatzes vom 29.01.2014), kommt es ebenso wenig an.

6. Dass es auf die von der Berufung erneut aufgegriffene (Tz. 58 f. des Schriftsatzes vom 29.01.2014) Frage, ob sich ein Prokurist der M. X AG hier in einem unzumutbaren Interessenkonflikt befunden hätte, nicht ankommt, hat der Senat bereits dargelegt (s. unter B I 2 d der Gründe des Hinweisbeschlusses). Abgesehen davon ist nach wie vor weder ersichtlich noch zeigt die Beklagte dafür Ausreichendes auf, dass eine etwaige Weisung des Klägers an den Prokuristen, die Kündigung nicht zu unterzeichnen, den Prokuristen rechtlich gebunden hätte. Die Beklagte beschränkt sich im neuen Vorbringen auf die bloße Behauptung, der Kläger sei „direkter Vorgesetzter sämtlicher Prokuristen“ gewesen (Tz. 59 des Schriftsatzes vom 29.01.2014). Das ist schon angesichts des Umstands, dass der Kläger im Innenverhältnis an der Entscheidung nicht zu beteiligen war (vgl. unter B I 2 d aa 1 der Gründe des Hinweisbeschlusses), kein ausreichender Vortrag.

7. Die gegen die Beurteilung des Senats, es liege im Hinblick darauf Nachlässigkeit im Sinne von § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO vor, dass die Abtretung der nun im Wege der Hilfsaufrechnung bzw. der Widerklage geltend gemachten Ansprüche von der M. X AG an die Beklagte erst nach Abschluss des Verfahrens in erster Instanz erfolgte bzw. vorgetragen worden ist, gerichteten Einwände der Berufung (Tz. 76 ff. des Schriftsatzes vom 29.01.2014) geben dem Senat ebenfalls keinen Anlass, seine Sicht zu ändern. Die Ausführungen blenden aus, dass es sich bei der M. X AG um die Alleingesellschafterin der Beklagten handelt.

8. Zur Frage der Sachdienlichkeit im Sinne von § 533 Nr. 1 ZPO zeigt die Berufung (Tz. 81 ff. ihres Schriftsatzes vom 29.01.2014) keine Aspekte auf, die der Senat in seinem Hinweisbeschluss nicht bereits gesehen und gewürdigt hätte. Es verbleibt bei der dort dargelegten Einschätzung.

a) Der Senat hat schon – das zu Tz. 84 f. des Vorbringens der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 29.01.2014 – unter B III 2 b cc 2 a aa der Gründe des Hinweisbeschlusses ausgeführt, dass die Schadensersatzforderung, die die Beklagte zum Gegenstand der Hilfsaufrechnung macht, sich zwar dem Grunde nach aus demjenigen Geschehen ableite, in dem die Beklagte von Anbeginn des Rechtsstreits an einen Grund zur Kündigung des hier im Streit stehenden Anstellungsvertrags nach § 626 Abs. 1 BGB sah, worum die Parteien in erster Instanz auch stritten. Der Senat hat aber auch darauf hingewiesen, dass es darauf für die Entscheidung über die klageweise geltend gemachten Ansprüche weder in erster Instanz entscheidend ankam, noch dass dies in der Berufungsinstanz der Fall ist, weil die Kündigung bereits nach § 626 Abs. 2 BGB verfristet war, was ohne weiteres zur Begründetheit der Klage führt.

b) Dass die Frage, ob die in Rede stehende Abtretung der angeblichen Schadensersatzansprüche erst nach Schluss der Verhandlung in erster Instanz erfolgt ist, näherer Aufklärung bedürfte (s. unter B III 2 b cc 2 a bb der Gründe des Hinweisbeschlusses), gilt ungeachtet des von der Beklagten nun als Anlage B 29 vorgelegten Dokuments und ihres Vorbringens in Tz. 86, 90 ihres Schriftsatzes vom 29.01.2014.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.

 

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