Übersicht:
- Der Fall vor Gericht
- Fristlose Kündigungsschutz für tariflich unkündbare Arbeitnehmer – LAG Rheinland-Pfalz stärkt Arbeitnehmerrechte
- Der Fall: Langjährige Beschäftigung und zunehmende Fehlzeiten
- Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) mit Hindernissen
- Präventionsverfahren und Gutachten vor der Kündigung
- Das Urteil des Landesarbeitsgerichts: Keine Rechtfertigung für fristlose Kündigung
- Fehlendes Verschulden der Arbeitnehmerin und mangelnde Alternativen
- Bedeutung des Urteils für Betroffene
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Hinweise und Tipps
- Benötigen Sie Hilfe?
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was bedeutet tarifliche Unkündbarkeit und welche Personengruppen profitieren davon?
- Unter welchen Umständen kann eine lang andauernde Krankheit einen „wichtigen Grund“ für eine fristlose Kündigung darstellen, trotz tariflicher Unkündbarkeit?
- Welche Rolle spielt das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) im Zusammenhang mit einer Kündigung wegen Krankheit?
- Was können Arbeitnehmer tun, wenn sie den Eindruck haben, dass ihre Gesundheitsdaten im Unternehmen nicht ausreichend geschützt werden?
- Welche Rechte habe ich, wenn mir aufgrund von Krankheit gekündigt wurde und ich der Meinung bin, dass die Kündigung ungerechtfertigt ist?
- Glossar
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 1 Sa 72/23 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
- Datum: 27.10.2023
- Aktenzeichen: 1 Sa 72/23
- Verfahrensart: Berufung
- Rechtsbereiche: Arbeitsrecht
- Beteiligte Parteien:
- Klägerin: Eine seit dem 01.08.2005 bei der Beklagten beschäftigte Arbeitsvermittlerin in der Geschäftsstelle E., geboren am 22.01.1962. Sie ist ledig und hat keine Unterhaltspflichten.
- Beklagte: Der Arbeitgeber der Klägerin.
- Um was ging es?
- Sachverhalt: Die Klägerin ist seit 2005 bei der Beklagten beschäftigt. Ihr Arbeitsverhältnis basiert auf einem Arbeitsvertrag vom 01.05.2008, der den TV-BA (Tarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der C.) als Grundlage hat. Nach § 37 Abs. 2 TV-BA können Arbeitsverhältnisse von Beschäftigten über 40 Jahre mit mehr als 15 Jahren Beschäftigungszeit nur aus wichtigem Grund gekündigt werden. Die Klägerin ist in Tätigkeitsebene IV eingruppiert und erhielt zuletzt eine Bruttomonatsvergütung von 4.673,71 EUR.
- Kern des Rechtsstreits: Der Kern des Rechtsstreits wird im Urteilstext nicht explizit genannt.
- Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 23.02.2023 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Fall vor Gericht
Fristlose Kündigungsschutz für tariflich unkündbare Arbeitnehmer – LAG Rheinland-Pfalz stärkt Arbeitnehmerrechte

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz hat in einem Urteil vom 27. Oktober 2023 (Az.: 1 Sa 72/23) die Rechte von tariflich unkündbaren Arbeitnehmern gestärkt. Im Zentrum des Falls stand die Fristlose Kündigung einer langjährig beschäftigten Arbeitsvermittlerin, die aufgrund lang anhaltender krankheitsbedingter Fehlzeiten ausgesprochen wurde. Das Gericht wies die Berufung des Arbeitgebers gegen ein vorheriges Urteil des Arbeitsgerichts Trier zurück und bestätigte damit die Unwirksamkeit der Kündigung.
Der Fall: Langjährige Beschäftigung und zunehmende Fehlzeiten
Die Klägerin, eine 1962 geborene Arbeitsvermittlerin, war seit August 2005 bei der Beklagten beschäftigt. Ihr Arbeitsverhältnis basierte auf dem Tarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit (TV-BA). Dieser Tarifvertrag sieht einen besonderen Kündigungsschutz für ältere und langjährig Beschäftigte vor: Nach § 37 Abs. 2 TV-BA sind Arbeitnehmer über 40 Jahre mit mehr als 15 Jahren Betriebszugehörigkeit tariflich unkündbar, es sei denn, es liegt ein Wichtiger Grund für eine Kündigung vor.
Die Beschäftigungsjahre der Klägerin waren von erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten geprägt. Diese Fehlzeiten eskalierten über die Jahre: von 138 Tagen im Jahr 2014 auf 222 Tage in den Jahren 2020 und 2021. Seit Oktober 2019 war die Mitarbeiterin durchgehend arbeitsunfähig krankgeschrieben. Der Arbeitgeber sah in diesen Fehlzeiten einen „wichtigen Grund“ für eine fristlose Kündigung.
Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) mit Hindernissen
Bereits 2016 leitete der Arbeitgeber ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) ein, um die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin zu überwinden und ihren Arbeitsplatz zu erhalten. Dieses Verfahren verlief jedoch holprig. Es gab zwar Gespräche, aber auch zahlreiche Absagen durch die Klägerin. Eine geplante betriebsärztliche Untersuchung im Rahmen des BEM wurde von der Klägerin abgesagt.
Ein weiterer belastender Faktor war eine „Datenpanne“ im Rahmen des BEM-Verfahrens. Gesundheitsdaten der Klägerin waren im internen Netzwerk des Arbeitgebers abrufbar, was das Vertrauensverhältnis zusätzlich belastete. Ein Antrag der Klägerin auf Versetzung oder mobiles Arbeiten wurde zwar aufgenommen, aber weitere Gespräche dazu scheiterten an der mangelnden Mitwirkung der Klägerin. Der Arbeitgeber beendete das BEM schließlich formell, nachdem die Klägerin einen vereinbarten Abschlusstermin nicht wahrgenommen hatte.
Präventionsverfahren und Gutachten vor der Kündigung
Nachdem eine zuvor geplante Außerordentliche Kündigung vom Integrationsamt abgelehnt worden war, leitete der Arbeitgeber ein Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX beim Integrationsamt ein. Im Zuge dieses Verfahrens wurde ein arbeitsmedizinisches Gutachten in Auftrag gegeben. Das Gutachten, erstellt von einem Facharzt für Gynäkologie und Sozialmedizin, lag im März 2021 vor.
Im August und September 2021 erfolgte die formelle Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten, der Schwerbehindertenvertretung und des Personalrats an der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist. Dies sind notwendige Schritte, um die Rechtmäßigkeit einer Kündigung gegenüber einer gleichgestellten behinderten Person sicherzustellen.
Das Urteil des Landesarbeitsgerichts: Keine Rechtfertigung für fristlose Kündigung
Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und wies die Berufung des Arbeitgebers zurück. Das Gericht stellte fest, dass die fristlose Kündigung unwirksam ist, da kein wichtiger Grund im Sinne des § 37 Abs. 2 TV-BA vorliegt, der die tarifliche Unkündbarkeit der Klägerin aufheben würde.
Das Gericht würdigte die erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten der Klägerin, betonte jedoch, dass diese alleine nicht automatisch einen wichtigen Grund für eine Kündigung darstellen. Vielmehr sei eine Gesamtabwägung der Umstände des Einzelfalls erforderlich. Dabei müsse insbesondere berücksichtigt werden, ob dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist.
Fehlendes Verschulden der Arbeitnehmerin und mangelnde Alternativen
Das LAG hob hervor, dass die krankheitsbedingten Fehlzeiten der Klägerin nicht von ihr verschuldet waren. Es handelte sich um krankheitsbedingte Ausfälle, für die die Arbeitnehmerin keine Verantwortung trug. Zudem bemängelte das Gericht, dass der Arbeitgeber nicht ausreichend geprüft habe, ob es mildere Mittel als eine fristlose Kündigung gegeben hätte. Insbesondere wurde die Möglichkeit einer Änderungskündigung oder die Anpassung des Arbeitsplatzes nicht hinreichend in Betracht gezogen.
Das Gericht kritisierte auch das durchgeführte BEM-Verfahren als nicht ausreichend zielführend. Obwohl die Klägerin die Mitwirkung am BEM erschwert habe, hätte der Arbeitgeber intensiver versuchen müssen, eine Lösung zur Wiedereingliederung zu finden. Die Datenpanne im BEM-Verfahren wurde vom Gericht ebenfalls als negativ für das Vertrauensverhältnis gewertet und dem Arbeitgeber angelastet.
Bedeutung des Urteils für Betroffene
Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz hat erhebliche Bedeutung für Arbeitnehmer, die unter den besonderen Kündigungsschutz von Tarifverträgen fallen, insbesondere für ältere und langjährig beschäftigte Arbeitnehmer. Es unterstreicht, dass Krankheitsbedingte Fehlzeiten allein nicht ausreichen, um eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen, wenn ein tariflicher Kündigungsschutz besteht.
Arbeitgeber müssen in solchen Fällen genau prüfen, ob ein „wichtiger Grund“ vorliegt, der die tarifliche Unkündbarkeit aufhebt. Dies erfordert eine umfassende Interessenabwägung und die Prüfung milderer Mittel als eine Kündigung. Das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) spielt dabei eine zentrale Rolle. Ein fehlerhaft oder unzureichend durchgeführtes BEM kann die Rechtmäßigkeit einer Kündigung in Frage stellen.
Für Arbeitnehmer bedeutet das Urteil, dass sie sich auf ihren tariflichen Kündigungsschutz verlassen können. Sie sind nicht schutzlos ausgeliefert, wenn sie aufgrund von Krankheit längere Zeit ausfallen. Es stärkt ihre Position im Kündigungsschutzprozess und fordert von Arbeitgebern eine sorgfältige und umfassende Prüfung der Kündigungsvoraussetzungen, insbesondere bei tariflich unkündbaren Mitarbeitern. Das Urteil mahnt Arbeitgeber zu einem verantwortungsvollen Umgang mit erkrankten Mitarbeitern und zur Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Wiedereingliederung vor dem Ausspruch einer Kündigung.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil zeigt, dass bei tariflich unkündbaren Arbeitnehmern ein verschärfter Prüfungsmaßstab für krankheitsbedingte Kündigungen gilt und eine außerordentliche Kündigung nur in engen Ausnahmefällen möglich ist. Selbst bei langjährigen erheblichen Fehlzeiten (hier: jahrelange Ausfälle von bis zu 222 Tagen pro Jahr) kann eine Kündigung unwirksam sein, wenn alternative Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen. Für Arbeitgeber bedeutet dies, dass sie umfassend prüfen müssen, ob eine Weiterbeschäftigung unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist, bevor sie eine außerordentliche Kündigung aussprechen.
Hinweise und Tipps
Praxistipps für Arbeitnehmer bei krankheitsbedingter Kündigung
Langjährige Krankheitstage können zu einer Kündigung führen. Allerdings gibt es strenge Regeln, wann eine solche Kündigung rechtens ist. Diese Tipps helfen Ihnen, Ihre Rechte zu kennen und sich richtig zu verhalten.
⚖️ DISCLAIMER: Diese Praxistipps stellen keine Rechtsberatung dar und ersetzen nicht die individuelle juristische Beratung. Jeder Fall ist anders und kann besondere Umstände aufweisen, die einer speziellen Einschätzung bedürfen.
Tipp 1: Dokumentieren Sie Ihre Erkrankungen
Führen Sie ein detailliertes Protokoll über Ihre Krankheitstage, Arztbesuche und Diagnosen. Dies kann im Falle einer Kündigung ein wichtiger Nachweis sein. Bewahren Sie alle ärztlichen Atteste und Bescheinigungen sorgfältig auf.
Beispiel: Notieren Sie jedes Datum Ihrer Krankschreibung, den behandelnden Arzt und die Diagnose. Eine lückenlose Dokumentation kann später als Beweismittel dienen.
⚠️ ACHTUNG: Fehlende oder unvollständige Dokumentation kann Ihre Position im Streitfall schwächen.
Tipp 2: Kündigungsschutz prüfen
Prüfen Sie, ob Sie unter den Kündigungsschutz fallen. Dies ist in der Regel der Fall, wenn Sie länger als sechs Monate im Betrieb beschäftigt sind und der Betrieb mehr als zehn Mitarbeiter hat. Der Kündigungsschutz erschwert eine Kündigung erheblich.
Tipp 3: Sofortige Reaktion auf die Kündigung
Erheben Sie innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht. Versäumen Sie diese Frist, gilt die Kündigung als wirksam, auch wenn sie unrechtmäßig ist.
⚠️ ACHTUNG: Die Drei-Wochen-Frist ist unbedingt einzuhalten, da sie eine Ausschlussfrist ist.
Tipp 4: Gründe für die Kündigung hinterfragen
Fordern Sie Ihren Arbeitgeber auf, Ihnen die genauen Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine krankheitsbedingte Kündigung ist nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig, beispielsweise wenn eine negative Gesundheitsprognose vorliegt und der Arbeitgeber dadurch erhebliche wirtschaftliche Belastungen hat.
Tipp 5: Anwaltliche Beratung einholen
Suchen Sie umgehend einen auf Arbeitsrecht spezialisierten Anwalt auf. Dieser kann die Kündigung prüfen, Ihre Rechte einschätzen und Sie im Kündigungsschutzverfahren vertreten.
⚠️ ACHTUNG: Zögern Sie nicht, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ein Anwalt kann Ihre Chancen auf eine Abfindung oder Weiterbeschäftigung deutlich erhöhen.
Weitere Fallstricke oder Besonderheiten?
Eine krankheitsbedingte Kündigung ist nur in Ausnahmefällen zulässig. Der Arbeitgeber muss nachweisen, dass keine zumutbaren milderen Mittel (z.B. eine Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz) zur Verfügung stehen. Zudem muss eine Interessenabwägung zugunsten des Arbeitgebers ausfallen.
✅ Checkliste: Krankheitsbedingte Kündigung
- [ ] Habe ich alle Krankschreibungen und ärztlichen Atteste dokumentiert?
- [ ] Falle ich unter den Kündigungsschutz?
- [ ] Habe ich die Drei-Wochen-Frist für die Kündigungsschutzklage beachtet?
- [ ] Habe ich die Gründe für die Kündigung hinterfragt?
- [ ] Habe ich anwaltliche Beratung in Anspruch genommen?
Benötigen Sie Hilfe?
Verlässlicher Schutz bei arbeitsrechtlichen Konflikten
Wenn Sie als langjährig beschäftigter Arbeitnehmer mit krankheitsbedingten Fehlzeiten konfrontiert sind und eine fristlose Kündigung erhalten haben, können sich komplexe Fragen zum Kündigungsschutz ergeben. Besonders in Fällen, in denen tarifliche Regelungen einen besonderen Schutz vorsehen, ist eine differenzierte Betrachtung der Umstände unerlässlich. Der thematische Kontext solcher Fälle erfordert eine sorgfältige Prüfung, um zu beurteilen, ob alle rechtlichen Voraussetzungen eingehalten wurden.
Unsere Beratung unterstützt Sie dabei, Ihren individuellen Sachverhalt präzise zu analysieren und die relevanten Aspekte Ihres Kündigungsschutzes transparent darzulegen. Vertrauen Sie auf unsere Erfahrung im arbeitsrechtlichen Umfeld, um in strittigen Situationen den Überblick zu behalten und strategisch vorzugehen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet tarifliche Unkündbarkeit und welche Personengruppen profitieren davon?
Tarifliche Unkündbarkeit bedeutet, dass ein Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis nicht ordentlich kündigen kann, also nicht unter Einhaltung der üblichen Kündigungsfrist. Dieser besondere Kündigungsschutz wird oft durch Tarifverträge im öffentlichen Dienst gewährt.
Voraussetzungen für tarifliche Unkündbarkeit
Um von der tariflichen Unkündbarkeit zu profitieren, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Im öffentlichen Dienst, insbesondere nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD), sind Beschäftigte, die das 40. Lebensjahr vollendet haben und mehr als 15 Jahre bei demselben Arbeitgeber beschäftigt sind, ordentlich unkündbar. Dies bedeutet, dass sie nur aus einem wichtigen Grund gekündigt werden können, wie z.B. bei schweren Pflichtverletzungen oder Straftaten.
Personengruppen, die profitieren
Die tarifliche Unkündbarkeit profitiert in erster Linie Beschäftigte im öffentlichen Dienst, die unter den genannten Voraussetzungen stehen. Dazu gehören sowohl Arbeiter als auch Angestellte, da die Unterscheidung zwischen diesen Gruppen im öffentlichen Dienst abgeschafft wurde und sie nun einheitlich als Beschäftigte bezeichnet werden.
Ausnahmen
Obwohl die tarifliche Unkündbarkeit einen starken Kündigungsschutz bietet, ist sie nicht absolut. Eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund bleibt weiterhin möglich. Solche Gründe können beispielsweise strafrechtliche Verurteilungen, schwere Pflichtverletzungen oder andere erhebliche Verstöße gegen die Arbeitspflichten sein.
Für Sie bedeutet dies, dass Sie, wenn Sie die Voraussetzungen erfüllen, einen erheblichen Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen haben, aber nicht vor personen- oder verhaltensbedingten Kündigungen.
Unter welchen Umständen kann eine lang andauernde Krankheit einen „wichtigen Grund“ für eine fristlose Kündigung darstellen, trotz tariflicher Unkündbarkeit?
Eine lang andauernde Krankheit kann grundsätzlich keinen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darstellen, da eine Krankheit in der Regel nicht als Grund für eine außerordentliche Kündigung gilt. Allerdings gibt es Ausnahmen, insbesondere wenn es um ordentlich unkündbare Arbeitnehmer geht. In solchen Fällen kann eine fristlose Kündigung unter strengen Voraussetzungen möglich sein, jedoch muss der Arbeitgeber oft eine soziale Auslauffrist gewähren, was faktisch zu keiner fristlosen Kündigung führt.
Für eine krankheitsbedingte Kündigung mit Frist müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:
- Negative Gesundheitsprognose: Es muss eine Prognose geben, dass der Arbeitnehmer zukünftig erheblich fehlen wird.
- Beeinträchtigung betrieblicher Interessen: Die Fehlzeiten müssen die betrieblichen Abläufe erheblich stören oder zu hohen Lohnfortzahlungskosten führen.
- Interessenabwägung: Der Arbeitgeber muss seine Interessen gegenüber denen des Arbeitnehmers abwägen und dabei berücksichtigen, ob mildere Maßnahmen wie eine Versetzung möglich sind.
Eine fristlose Kündigung während einer Krankheit kann jedoch aus anderen Gründen erfolgen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, wie z.B. schwere Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers. In solchen Fällen ist die Krankheit nicht der Grund für die Kündigung.
Für Tariflich unkündbare Arbeitnehmer ist eine fristlose Kündigung in der Regel nicht möglich, da sie besonderen Schutz genießen. Eine Kündigung, die als „fristlos“ bezeichnet wird, erfordert oft eine soziale Auslauffrist, was faktisch einer ordentlichen Kündigung entspricht.
Welche Rolle spielt das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) im Zusammenhang mit einer Kündigung wegen Krankheit?
Das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) spielt eine zentrale Rolle im Zusammenhang mit krankheitsbedingten Kündigungen. Es ist ein gesetzlich vorgeschriebener Prozess, der darauf abzielt, langzeiterkrankte Mitarbeiter wieder in den Arbeitsprozess zu integrieren. Gemäß § 167 SGB IX muss ein BEM durchgeführt werden, wenn ein Beschäftigter innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig ist.
Pflichten des Arbeitgebers im BEM
Der Arbeitgeber hat die Pflicht, das BEM ordnungsgemäß durchzuführen. Dazu gehört, den betroffenen Mitarbeiter über die Ziele und den Umfang des Verfahrens zu informieren, einschließlich der erhobenen und verwendeten Daten. Der Arbeitgeber muss auch den Betriebsrat und gegebenenfalls die Schwerbehindertenvertretung einbeziehen.
Auswirkungen einer fehlerhaften Durchführung
Wenn das BEM nicht ordnungsgemäß durchgeführt wird, kann eine krankheitsbedingte Kündigung unwirksam sein. Gerichte prüfen, ob der Arbeitgeber alle milderen Mittel zur Vermeidung der Kündigung ausgeschöpft hat. Ohne ein korrektes BEM wird angenommen, dass es andere Einsatzmöglichkeiten für den Mitarbeiter gegeben hätte.
Mitwirkung des Arbeitnehmers
Der Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, am BEM teilzunehmen, kann dies jedoch ablehnen. Eine Ablehnung des BEM ist grundsätzlich kündigungsneutral, bedeutet aber, dass der Arbeitgeber möglicherweise leichter eine Kündigung begründen kann, wenn keine leidensgerechte Beschäftigungsmöglichkeit gefunden wird.
Konsequenzen einer Verweigerung
Wenn ein Mitarbeiter das BEM ablehnt, kann dies im Einzelfall zu einer höheren Wahrscheinlichkeit einer Kündigung führen, insbesondere wenn keine positive Gesundheitsprognose vorliegt. Allerdings ist die Ablehnung des BEM nicht automatisch ein Kündigungsgrund.
Insgesamt dient das BEM dazu, krankheitsbedingte Kündigungen zu vermeiden, indem es alternative Beschäftigungsmöglichkeiten auslotet und den Mitarbeiter wieder in den Arbeitsprozess integriert.
Was können Arbeitnehmer tun, wenn sie den Eindruck haben, dass ihre Gesundheitsdaten im Unternehmen nicht ausreichend geschützt werden?
Wenn Arbeitnehmer den Eindruck haben, dass ihre Gesundheitsdaten nicht ausreichend geschützt werden, gibt es mehrere Schritte, die sie unternehmen können:
Rechte und Schutzmaßnahmen:
- Gesundheitsdaten sind besonders schützenswerte Informationen und dürfen nur unter strengen Bedingungen verarbeitet werden.
- Arbeitnehmer haben das Recht auf Auskunft über die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten, einschließlich Gesundheitsdaten.
- Sie können auch das Recht auf Berichtigung oder Löschung falscher oder unvollständiger Daten geltend machen.
Interne Beschwerdemöglichkeiten:
- Arbeitnehmer können sich an den Datenschutzbeauftragten des Unternehmens wenden, um Bedenken zu äußern.
- In vielen Unternehmen gibt es auch einen Betriebsrat oder eine Personalvertretung, die bei Datenschutzfragen unterstützen kann.
Externe Aufsichtsbehörden:
- Wenn interne Beschwerden nicht erfolgreich sind, können Arbeitnehmer sich an die zuständige Datenschutzbehörde wenden, um eine Verletzung des Datenschutzes zu melden.
- Diese Behörden können Bußgelder verhängen oder andere Maßnahmen ergreifen, um den Datenschutz zu gewährleisten.
Wichtige Gesetze:
- Der Datenschutz wird durch die DSGVO und das BDSG geregelt.
- Diese Gesetze legen fest, dass personenbezogene Daten nur mit Rechtsgrundlage oder Einwilligung verarbeitet werden dürfen.
Welche Rechte habe ich, wenn mir aufgrund von Krankheit gekündigt wurde und ich der Meinung bin, dass die Kündigung ungerechtfertigt ist?
Wenn Ihnen aufgrund von Krankheit gekündigt wurde und Sie der Meinung sind, dass die Kündigung ungerechtfertigt ist, haben Sie mehrere Rechtsmittel und Handlungsoptionen:
Kündigungsschutzverfahren: Eine krankheitsbedingte Kündigung ist nur unter strengen Voraussetzungen zulässig. Der Arbeitgeber muss eine negative Gesundheitsprognose nachweisen, die erhebliche betriebliche Beeinträchtigungen zur Folge hat, und eine Interessenabwägung durchführen, die zugunsten des Arbeitgebers ausfällt. Wenn Sie glauben, dass diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, können Sie eine Kündigungsschutzklage einreichen.
Klagefrist: Eine Kündigungsschutzklage muss innerhalb von drei Wochen nach Erhalt der Kündigung beim zuständigen Arbeitsgericht eingereicht werden. Es ist wichtig, alle relevanten Unterlagen und Dokumente zu sammeln, um Ihre Position zu stärken.
Abfindung: Es gibt keinen gesetzlichen Anspruch auf eine Abfindung bei einer krankheitsbedingten Kündigung. Dennoch kann es in Einzelfällen zu einer Abfindung kommen, wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf einen Vergleich einigen.
Weitere Schritte: Für eine erfolgreiche Geltendmachung Ihrer Rechte ist es hilfreich, sich über die rechtlichen Grundlagen zu informieren und alle relevanten Informationen zu sammeln. Dies kann Ihre Position im Falle einer Klage stärken.
⚖️ DISCLAIMER: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Tariflich unkündbare Arbeitnehmer
Tariflich unkündbare Arbeitnehmer genießen einen besonderen Kündigungsschutz aufgrund von Bestimmungen in einem Tarifvertrag. Laut § 37 Abs. 2 TV-BA können Beschäftigte, die älter als 40 Jahre sind und mehr als 15 Jahre Betriebszugehörigkeit haben, nur aus wichtigem Grund gekündigt werden. Dies geht über den gesetzlichen Kündigungsschutz hinaus und schafft eine fast beamtenähnliche Stellung. Die tarifliche Unkündbarkeit bezieht sich auf die ordentliche Kündigung, nicht jedoch auf außerordentliche Kündigungen.
Beispiel: Eine 55-jährige Angestellte, die seit 20 Jahren im Unternehmen arbeitet, kann aufgrund einer Tarifbestimmung nicht ordentlich, sondern nur außerordentlich aus wichtigem Grund gekündigt werden, selbst wenn betriebliche Gründe für einen Stellenabbau sprechen würden.
Fristlose Kündigung
Eine fristlose Kündigung (auch außerordentliche Kündigung genannt) beendet das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist. Sie ist gemäß § 626 BGB nur zulässig, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der es dem Kündigenden unzumutbar macht, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen. Bei der Prüfung muss eine umfassende Interessenabwägung stattfinden und die Kündigung muss innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis der maßgeblichen Tatsachen ausgesprochen werden.
Beispiel: Ein Mitarbeiter, der wiederholt Firmeneigentum entwendet, kann fristlos gekündigt werden, da das erforderliche Vertrauensverhältnis vollständig zerstört wurde.
Krankheitsbedingte Fehlzeiten
Krankheitsbedingte Fehlzeiten sind arbeitsrechtlich relevante Zeiträume, in denen ein Arbeitnehmer aufgrund von Krankheit nicht arbeiten kann. Sie können unter bestimmten Umständen einen Kündigungsgrund darstellen. Für eine krankheitsbedingte Kündigung muss eine negative Gesundheitsprognose vorliegen, erhebliche betriebliche Beeinträchtigungen nachgewiesen werden und eine Interessenabwägung zugunsten des Arbeitgebers ausfallen. Bei tariflich unkündbaren Arbeitnehmern gelten strengere Maßstäbe.
Beispiel: Eine Mitarbeiterin, die in mehreren aufeinanderfolgenden Jahren jeweils mehr als 200 Krankheitstage aufweist, könnte grundsätzlich gekündigt werden, wenn betriebliche Abläufe erheblich gestört werden und keine Besserung zu erwarten ist.
Wichtiger Grund
Ein wichtiger Grund im arbeitsrechtlichen Kontext ist eine rechtliche Voraussetzung, die vorliegen muss, um ein Arbeitsverhältnis außerordentlich kündigen zu können. Nach § 626 BGB liegt ein wichtiger Grund vor, wenn Tatsachen gegeben sind, die es dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar machen, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Bei tariflich unkündbaren Arbeitnehmern ist ein besonders schwerwiegender wichtiger Grund erforderlich.
Beispiel: Schwere Pflichtverletzungen wie Diebstahl, Betrug oder anhaltende Arbeitsverweigerung können wichtige Gründe darstellen, die eine fristlose Kündigung rechtfertigen können.
Tarifvertrag
Ein Tarifvertrag ist eine schriftliche Vereinbarung zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden oder einzelnen Arbeitgebern, die verbindliche Mindestarbeitsbedingungen festlegt. Sie regeln insbesondere Entgelte, Arbeitszeiten und Kündigungsschutz. Die Rechtgrundlage bildet das Tarifvertragsgesetz (TVG). Tarifverträge können überbetrieblich (Flächentarifverträge) oder betrieblich (Haustarifverträge) gelten und entfalten unmittelbare und zwingende Wirkung für alle tarifgebundenen Arbeitsverhältnisse.
Beispiel: Der im Text genannte TV-BA (Tarifvertrag für die Bundesagentur für Arbeit) legt in § 37 Abs. 2 fest, dass Beschäftigte über 40 Jahre mit mehr als 15 Jahren Betriebszugehörigkeit einen besonderen Kündigungsschutz genießen.
Außerordentliche Kündigung
Eine außerordentliche Kündigung (synonym: fristlose Kündigung) beendet das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist mit sofortiger Wirkung. Sie ist nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes gemäß § 626 BGB zulässig. Bei tariflich unkündbaren Arbeitnehmern stellt sie oft die einzige Kündigungsmöglichkeit dar, unterliegt jedoch besonders strengen Anforderungen. Das Bundesarbeitsgericht hat hierfür einen zweistufigen Prüfungsmaßstab entwickelt: Zunächst muss ein an sich wichtiger Grund vorliegen, dann muss eine umfassende Interessenabwägung stattfinden.
Beispiel: Selbst bei jahrelangen krankheitsbedingten Fehlzeiten von über 200 Tagen pro Jahr kann eine außerordentliche Kündigung unwirksam sein, wenn alternative Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) i.V.m. § 37 Abs. 2 TV-BA: § 1 KSchG regelt den allgemeinen Kündigungsschutz und bestimmt, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt ist, wenn sie nicht durch Gründe, die im Verhalten oder in der Person des Arbeitnehmers liegen oder durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist. § 37 Abs. 2 TV-BA erweitert diesen Schutz für ältere und länger beschäftigte Arbeitnehmer, indem er eine Kündigung nach 15 Jahren Betriebszugehörigkeit nur noch aus wichtigem Grund zulässt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Klägerin fällt aufgrund ihres Alters und ihrer langen Betriebszugehörigkeit unter den erweiterten Kündigungsschutz des § 37 Abs. 2 TV-BA, was die Anforderungen an eine rechtmäßige Kündigung in ihrem Fall erhöht.
- § 1 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) – Personenbedingte Kündigung, hier krankheitsbedingt: Eine personenbedingte Kündigung ist durch in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe gerechtfertigt, wenn diese Gründe so beschaffen sind, dass der Arbeitnehmer dauerhaft nicht mehr in der Lage ist, seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen. Bei krankheitsbedingten Kündigungen sind dies insbesondere langandauernde oder häufige Kurzerkrankungen, die zu einer negativen Gesundheitsprognose und erheblichen Beeinträchtigungen der betrieblichen Interessen führen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Beklagte stützt die Kündigung auf die langjährigen und erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten der Klägerin. Das Gericht muss prüfen, ob diese Fehlzeiten eine personenbedingte Kündigung rechtfertigen können und ob eine negative Gesundheitsprognose vorliegt.
- § 167 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) – Betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM): Der Arbeitgeber ist verpflichtet, ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) durchzuführen,
Das vorliegende Urteil
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 1 Sa 72/23 – Urteil vom 27.10.2023
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