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Fristlose Kündigung – Erforderlichkeit einer Abmahnung

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein – Az.: 1 Sa 273/16 – Urteil vom 07.03.2017

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 23.09.2016 – 1 Ca 387/16 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit einer fristlosen Kündigung.

Der 1974 geborene, verheiratete und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist seit dem 03.10.2012 auf Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrags (Bl. 5 – 8 d. A.) bei der Beklagten, bei der regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer tätig sind, beschäftigt. Zum Beginn seiner Tätigkeit absolvierte der Kläger ein fünftägiges Sicherheitstraining, davon entfielen zwei Tage auf das Thema „Arbeiten in der Höhe“. Im März 2015 nahm er an einem vierstündigen Auffrischungskurs teil, der die Verhütung eines Falls aus der Höhe zum Gegenstand hatte. Der Kläger ist befasst mit der Montage und der Führung von sehr großen Kränen. Soweit dort keine Geländer vorhanden sind, hat er sich beim Begehen des Krans anzuleinen.

Am 14. und 15.04.2016 arbeitete der Kläger auf einer Großbaustelle in D.. Dort war die Beklagte als Subunternehmerin für die Firma R. tätig. Am 15.04.2016 wurde er von der Arbeit suspendiert. Mit Schreiben vom 21.04.2016, zugegangen am 23.04.2016, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos und hilfsweise ordentlich. Gegen diese Kündigung hat der Kläger fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben.

Er hat erstinstanzlich das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Anleinpflicht bestritten und auf das – unstreitige – Fehlen einer Abmahnung wegen dieses Vorwurfs hingewiesen. Auf dem vorgelegten Foto befinde sich neben ihm ein Geländer. An dieser Stelle müsse er nicht angeleint sein.

Der Kläger hat beantragt festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 21.04.2016, dem Kläger zugegangen am 23.04.2016, nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet: Der Kläger sei am 14. und 15.04.2016 durch den Sicherheitsbeauftragten W. der Firma R. insgesamt fünfmal eindringlich aufgefordert worden, die Sicherheitsbestimmungen einzuhalten und sich anzuleinen. Ein Foto (Bl. 23 d. A.) belege den Pflichtenverstoß. Im November 2013 sei einer ihrer Arbeitnehmer vom Kran gefallen, weil er sich nicht eingehakt habe. Er sei seit dem berufsunfähig. Neben dem Schutz der Sicherheit ihrer Mitarbeiter gehe es bei der Einhaltung der Sicherheitsvorschriften auch darum, ihr Ansehen nicht zu beschädigen. Das hartnäckige Nichtbeachten von Sicherheitsbestimmungen sei für sie eine Katastrophe und gefährde massiv Anschlussaufträge. Der Kläger habe trotz wiederholter Hinweise sein Verhalten nicht geändert. Bei diesem Sachverhalt habe sie ihn nicht abmahnen müssen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe einen konkreten Verstoß des Klägers gegen Sicherheitsvorschriften nicht ausreichend dargelegt. Im Übrigen fehle es auch an einer notwendigen Abmahnung. Wegen der weiteren Begründung des Arbeitsgerichts wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.

Gegen das ihr am 19.10.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 31.10.2016 Berufung eingelegt und sogleich begründet.

Sie führt aus: Ihr Vortrag zu den Pflichtenverstößen des Klägers sei ausreichend konkret und weder verspätet gewesen, noch hätte die Einnahme des von ihr zum Termin sistierten Zeugen W. beim Arbeitsgericht den Rechtsstreit verzögert oder zu einer Ausforschung des Sachverhalts geführt. Das Arbeitsgericht berücksichtige bei seiner Entscheidung auch nicht die extreme Gefährlichkeit der Arbeit und die außerordentliche Schwere des Schadens, der bei einem Unfall gedroht habe. Die vom Arbeitsgericht herangezogenen Entscheidungen aus der Rechtsprechung seien nicht vergleichbar. Unter Vorlage eines weiteren Bildes (Bl. 72 d. A.) beschreibt die Beklagte dann näher, auf welchen Teilen des Krans der Kläger unangeleint gearbeitet habe. Insoweit wird auf die Berufungsbegründung verwiesen. Bereits bei Arbeitsaufnahme am 14.04.2016 sei der Kläger erstmals von Herrn W. aufgefordert worden sich anzuleinen. Dies habe er auch zunächst getan. Er habe an das erneute Anleinen an diesem Tag noch fünfmal erinnert werden müssen. Dies sei am folgenden Morgen dem vor Ort verantwortlichen Projektleiter H. der Beklagten mitgeteilt worden. Nachdem der Kläger kurz nach diesem Treffen wieder unangeleint angetroffen worden sei, habe Herr W. Herrn H. mit einem umfassenden Baustellenverbot gedroht. Darauf sei der Kläger freigestellt worden. Einer Abmahnung bedürfe es bei diesem Sachverhalt vor Ausspruch der Kündigung nicht. Sie habe damit rechnen müssen, dass sich der Kläger auch über eine Abmahnung hinwegsetzen werde. Auch eine Interessenabwägung falle zu ihren Gunsten aus.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 23.09.2016 – 1 Ca 387/16 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er meint, der Vortrag der Beklagten in der Berufungsbegründung sei neu und nicht mehr zuzulassen. Er bestreite weiter, beim Nichtanleinen beobachtet und hierauf angesprochen worden zu sein. Im Übrigen fehle es auch an der erforderlichen Abmahnung.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands im Einzelnen wird auf den Inhalt der Akte verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 64 Abs. 2 lit. c ArbGG statthafte, form- und fristgemäß eingelegte und begründete und damit zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Sie ist unbegründet.

I.

Für die fristlose Kündigung der Beklagten vom 21.04.2016 fehlt es an einem wichtigen Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB.

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Das Gesetz kennt folglich keine „absoluten“ Kündigungsgründe. Vielmehr ist jeder Einzelfall gesondert zu beurteilen. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, d. h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht (BAG, Urt. v. 10.06.2010 – 2 AZR 541/09 – Juris, Rn 16).

2. Als wichtiger Grund an sich kommen auch Verstöße gegen Arbeitsschutzvorschriften in Betracht. Dies gilt erst recht, wenn es sich um Sicherheitsvorschriften handelt, die erkennbar zur Abwendung von Gefahren für die Gesundheit und das Leben der Beschäftigten aufgestellt worden sind und damit zum eigenen Schutz der Arbeitnehmer. Bei einer Außerachtlassung von elementaren Sicherheitsvorschriften, die zu erheblichen Gesundheitsrisiken führen können, handelt es sich regelmäßig auch um eine erhebliche Pflichtverletzung (LAG Schl.-Holst., Urt. v. 14.08.2007 – 5 Sa 150/07 -).

Insoweit ist zwischen den Parteien unstreitig, dass für den Kläger die Verpflichtung bestand, sich durch Anlegen einer Leine zu sichern, sofern er sich auf Bereichen des Krans bewegte, die nicht durch Geländer gesichert waren.

Von der Beklagten ist jedenfalls in der Berufungsinstanz ein Verstoß des Klägers gegen diese erkennbar zur Abwendung von Gefahren für seine Gesundheit und sein Leben aufgestellte Arbeitsschutzvorschrift für den 14. und 15.04.2016 dargelegt worden. Jedenfalls aus dem Vortrag auf S. 5 der Berufungsbegründung (Bl. 72 d. A.) einschließlich der dazugehörigen Abbildung wird deutlich, dass die Beklagte behauptet, der Kläger sei über einen (geschätzt) sicher mehr als 50 m langen Teil des Krans in einer Höhe von ca. 5 m gegangen, ohne sich zu sichern. Weiteren substantiierteren Vortrags bedurfte es nicht.

Der Vortrag der Beklagten ist entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht wegen Verspätung zurückzuweisen. Gemäß § 67 Abs. 2 S. 1 ArbGG sind neue Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszug entgegen einer hierfür nach § 61 a Abs. 3 oder 4 ArbGG gesetzten Frist nicht vorgebracht worden sind, nur zuzulassen, wenn nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde, oder wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt. Unabhängig von der Frage, ob das Arbeitsgericht der Beklagten hier eine wirksame Frist nach § 61 a Abs. 3 oder 4 ArbGG gesetzt hat, führt die Zulassung des Vortrags der Beklagten aus der Berufungsbegründung jedenfalls nicht zu einer Verzögerung des Rechtsstreits. Der Vorsitzende des Berufungsgerichts ist nämlich gehalten, falls es wegen eines in zweiter Instanz neuen Vortrags einer Beweisaufnahme bedarf, vorbereitend Zeugen zum Termin zu laden, so dass trotz etwaigen neuen Vortrags der Prozess in einem einzigen Termin abgeschlossen werden kann.

Einer Beweisaufnahme über das Vorliegen der von der Beklagten behaupteten, vom Kläger bestrittenen Pflichtverletzung bedarf es jedoch nicht.

3. Die Kündigung ist nämlich bereits deswegen unwirksam, weil der Beklagten das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende (§ 2 Ziff. 3 Arbeitsvertrag i. V. m. § 622 Abs. 2 Nr. 1 BGB) zumutbar ist. Eine verhältnismäßige Reaktion der Beklagten auf die behaupteten Pflichtverstöße des Klägers wäre nämlich eine Abmahnung gewesen.

a) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung – etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und ihre wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG, a. a. O., Rn 34).

Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Die ordentliche wie die außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Sie dient der Objektivierung der negativen Prognose. Ist der Arbeitnehmer ordnungsgemäß abgemahnt worden und verletzt er dennoch seine arbeitsvertraglichen Pflichten erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen (BAG, a. a. O.).

Der Zweck der Kündigung ist nicht die Sanktion einer Vertragspflichtverletzung, sondern diese dient der Vermeidung des Risikos weiterer Pflichtverletzungen. Die vergangene Pflichtverletzung muss sich deshalb noch in Zukunft belastend auswirken. Eine negative Prognose liegt vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag auch nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen. Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus (BAG, Urt. v. 19.04.2007 – 2 AZR 180/06 – Juris, Rn 47).

Einer Abmahnung bedarf es in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes deshalb nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG, Urt. v. 10.06.2010, a. a. O., Rn 37).

b) Nach diesen Grundsätzen ist die Kündigung der Beklagten nach Vornahme einer umfassenden Interessenabwägung und in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht gerechtfertigt. Eine objektive negative Prognose für die zukünftige Zusammenarbeit der Parteien lässt sich nicht anstellen. Es fehlt insoweit die erforderliche Abmahnung. Im Einzelnen gilt insoweit Folgendes:

aa) Im Rahmen der Interessenabwägung ist zunächst auf das Gewicht der vertraglichen Pflichtverletzung abzustellen. Dies ist hier durchaus erheblich, denn durch einen Absturz eines ihrer Mitarbeiter, dessen Verhinderung ja gerade die Sicherungspflicht dient, droht nicht nur dem betroffenen Mitarbeiter, sondern auch der Beklagten ein erheblicher Schaden. Das Nichteinhalten von Sicherheitsvorschriften und ein daraus resultierender Unfall veranlasst regelmäßig sowohl ein Einschreiten von Polizei und Staatsanwaltschaft als auch das Einschreiten der zuständigen Arbeitsschutzbehörden und begründet die Gefahr aufsichtsrechtlicher Anordnungen gegenüber der Beklagten. Hinzu kommt, wie hier im konkreten Fall von der Beklagten behauptet, der angedrohte Entzug des Auftrags.

bb) Auch trifft den Kläger – den Vortrag der Beklagten zum Anleinverstoß als zutreffend unterstellt – ein erhebliches Verschulden. Es ist höchst leichtsinnig in einer Höhe von ca. 5 m auf einem Kran ungesichert zu arbeiten. Der Kläger ist über die einschlägigen Sicherheitsvorschriften belehrt. Ihm war bekannt, dass er sich außerhalb des Bereichs von Geländern anzuleinen hatte.

cc) Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat auch erst dreieinhalb Jahre und damit noch nicht besonders lange bestanden. Es verlief allerdings in der Vergangenheit stets störungsfrei, jedenfalls hat die Beklagte nichts anderes dargelegt.

dd) Dennoch lässt sich aus Sicht des Berufungsgerichts eine belastbare Prognose für zukünftige Störungen des Arbeitsverhältnisses nicht aufstellen, gerade weil es an der einschlägigen Abmahnung fehlt. Wie bereits ausgeführt, ist die fristlose Kündigung nicht Reaktion auf einem Pflichtenverstoß des Arbeitnehmers in der Vergangenheit. Vielmehr ist dieser Pflichtenverstoß Ausgangspunkt für eine Prognose, ob auch zukünftige Pflichtenverstoße eintreten werden. Eine solche Prognose kann mit dem BAG regelmäßig erst nach Ausspruch einer einschlägigen Abmahnung erfolgen. Erst wenn die Beklagte dem Kläger verdeutlicht, dass der Verstoß gegen Sicherheitsvorschriften die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach sich zieht, kann nach einem erneuten Verstoß davon ausgegangen werden, dass der Kläger nicht in der Lage oder nicht willens ist, sich an diese Anweisung zu halten.

ee) Entgegen der Auffassung der Beklagten geht das Berufungsgericht mit dem Arbeitsgericht davon aus, dass im vorliegenden Fall eine Abmahnung auch nicht ausnahmsweise entbehrlich war. So ist der Kläger von einem Mitarbeiter der Beklagten selbst zu keinem Zeitpunkt auf die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften und weitergehende Konsequenzen hingewiesen worden. Verstöße sind stets durch einen Arbeitnehmer des Generalunternehmers moniert worden. Dieser mag als Sicherheitsbeauftragter für die Baustelle gegenüber dem Kläger weisungsbefugt sein, was das Anlegen von Sicherheitsgurten angeht. Der Kläger musste hieraus jedoch nicht schließen, dass die Beklagte im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger wegen einer Rüge über die Nichteinhaltung der Sicherheitsvorschriften sofort eine Kündigung aussprechen würde. Von einem Personalverantwortlichen der Beklagten ist der Kläger weder angewiesen noch ermahnt worden, auf der Baustelle in D. die Sicherheitsvorschriften einzuhalten. Die Beklagte hat auf den ihr zur Kenntnis gelangten Pflichtenverstoß vielmehr zunächst mit einer Suspendierung und dann sofort mit fristloser Kündigung reagiert. Dem Kläger ging es auch ersichtlich nicht um eine vorsätzliche Schädigung der Beklagten oder eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit seiner Arbeitskollegen. Das unterscheidet den vorliegenden Fall im Übrigen von dem des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein, auf den sich die Beklagte in ihrer Berufung bezogen hat. Zwar war das Verhalten des Klägers, wie bereits ausgeführt, leichtsinnig. Der größte Schaden durch einen Absturz drohte aber ihm selbst. Damit kann nicht davon ausgegangen werden, dass es dem Kläger um eine Schädigung der Beklagten ging. Es handelt sich vielmehr um eine typische Nachlässigkeit und Sorglosigkeit im Umgang mit Sicherheitsvorschriften, die im alltäglichen Arbeitsleben gelegentlich einreißt. So haben die Parteien im Termin übereinstimmend erläutert, dass die Arbeitnehmer sich ca. jeweils nach 10 m aus der Sicherheitsleine aushaken und hinter einer quer laufenden Sperre wieder einhaken müssen. Es entsteht dabei eine kurzfristige Unterbrechung bei der Durchführung der Arbeiten, die auf Dauer lästig erscheinen mag und dazu verleitet, die notwendige Sicherung zu unterlassen. Dass der Kläger sein sorgloses und nachlässiges Verhalten nicht geändert hätte, wenn ihm von einem Mitarbeiter der Beklagten hinreichend verdeutlicht worden wäre, dass er bei einem Verstoß gegen diese Sicherheitsvorschrift mit einer Kündigung rechnen muss, konnte das Berufungsgericht nicht feststellen.

II.

Auch die fristgemäße Kündigung der Beklagten vom 21.04.2016 ist rechtsunwirksam, da sie sozial nicht gerechtfertigt ist, § 1 Abs. 1 KSchG. Die Kündigung ist insbesondere nicht durch Gründe im Verhalten des Klägers i. S. d. § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG sozial gerechtfertigt. Auch insoweit fehlt es an einer einschlägigen Abmahnung vor Ausspruch der ordentlichen Kündigung. Zur näheren Begründung wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht erkennbar. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, die in ihren tragenden Rechtsgrundsätzen der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt.

 

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