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Fristlose Kündigung Gemeindearbeiter wegen falscher Arbeitszeitaufzeichnung

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 7 Sa 35/19 – Urteil vom 04.12.2019

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 20. Dezember 2018 – 2 Ca 1770/18 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen ihnen durch außerordentliche Kündigungen der Beklagten vom 8. Juni 2018 und 12. Juli 2018.

Der 1960 geborene, verheiratete Kläger hat vier erwachsene Kinder. Er ist seit dem 1. November 1989 als Gemeindearbeiter bei der Beklagten beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis liegt der Arbeitsvertrag vom 12. Oktober 1989 zugrunde. Nach dessen § 3 richtet sich das Arbeitsverhältnis „nach den Bestimmungen des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) vom 31. Januar 1962 und den zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung“. Nachdem der BMT-G II zum 1. Oktober 2005 durch den Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst ersetzt wurde, wurde der Kläger nach dem Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Kommunalen Arbeitgeberverbände in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts TVÜ-VKA vom BMT-G II in den TVöD übergeleitet. Die monatliche Bruttovergütung des Klägers betrug zuletzt etwa 3.000,00 €.

Die Mitarbeiter der Beklagten erfassen ihre Arbeitszeiten selbst eigenständig und handschriftlich in „Arbeitsberichten“. Hierbei tragen die Mitarbeiter für jeden Arbeitstag die verrichteten Tätigkeiten nebst zeitlichem Aufwand und einen etwaigen Überstundenabbau ein. Diese Arbeitsberichte werden dann monatlich der Beklagten vorgelegt und sind Grundlage der Lohnabrechnung.

Am 7. Mai 2016 fand ein Personalgespräch zwischen dem Kläger und dem Ortsbürgermeister R. statt. Sein Inhalt ist zwischen den Parteien streitig.

Eine schriftliche „Mitarbeiterweisung“ (Bl. 68 ff. d. A.) wurde am 5. Dezember 2016 an alle Gemeindemitarbeiter, auch an den Kläger verteilt. In dieser heißt es auszugsweise:

„Für die Zukunft gelten uneingeschränkt einige Regeln.

– Vorarbeiter (K.)

– Anweisungsbefugnis des Vorarbeiters für Aufgabenverteilung und entsprechende Kontolle

– (…)

– Einhaltung von Arbeits- und Pausenzeiten

– Arbeitsleistung gerecht verteilen

– Mehr Eigeninitiative!

(Wenn z.B. ein Schild über Wochen krumm steht, nicht auf Anweisung des Vorgesetzten warten)

– (…)

– Das Jugend- und Kulturzentrum steht ebenfalls im Eigentum der Ortsgemeinde. Arbeiten und auch Kontrollen der Räumlichkeiten werden grundsätzlich in der normalen Arbeitszeit durchgeführt. Bei besonderen Veranstaltungen gelten Ausnahmen.

– (…)“.

Tarifvertrag Öffentlicher Dienst – Gemeindearbeiter

Tariflich festgelegte Arbeitszeit: 38,5 Stunden

Ausgestaltung bei der OG R.:

Arbeitszeiten:

Mo. bis Do

07.00 – 16.00 =

9 Stunden abzüglich einer halben Stunde Pause = 8,5 Stunden täglich

4 Tage =

34 Stunden

Fr.

07.00 – 12.00 =

5 Stunden abzüglich einer halben Stunde Pause

Insgesamt

38,5 Std. Woche

(…)

 

Wie sollte ein Arbeitstag aussehen:

1. Arbeitsbeginn 07.00 Uhr – Anwesenheit am Bauhof

2. Besprechung und Einweisung durch Vorarbeiter (Tagesprogramm)

3. Maschinenvorbereitung (falls nötig)

4. Arbeitsbeginn ca. 07.30 – 07.45 Uhr

5. Frühstückspause ca. 09.00 – 09.15 Uhr oder von 09.30 – 09.45 Uhr

(toleriert – nicht von der Arbeitszeitverordnung gedeckt)

6. Arbeitsaufnahme ca. 9.20 Uhr oder 9.50 Uhr

7. Mittagspause von 12.00 – 12.30 Uhr

8. Arbeitsaufnahme 12.40

9. Bauhof 15.30 – Nachbereitung, Maschinenpflege, Stundenzettel ausfüllen

10. 16.00 Uhr Feierabend

So sollte der Arbeitstag nicht aussehen:

1. Ankommen am Bauhof um 07.05 Uhr und später

2. Kaffee trinken und nicht miteinander sprechen oder lästern bis 08.00 Uhr

3. 08.15 Uhr raus fahren und mal schauen

4. 08.45 Uhr Rewe-Markt Frühstück einkaufen

5. 09.00 Uhr Kaffeepause

6. 09.30 Uhr raus fahren und mal bei der Post vorbeischauen

7. 10.00 Uhr Laub entfernen (1 Person arbeitet, die andere Person schaut zu)

8. 11.30 Uhr auf den Bauhof fahren und Mittagspause vorbereiten

9. 13.00 Uhr raus fahren und mal schauen was es sonst noch so zu machen gibt

10. 14.00 Uhr – 15.30 Uhr Erledigung div. Arbeiten

11. 15.30 Uhr Bauhof – Vorbereitung auf den Feierabend

12. 16.00 Uhr endlich geschafft

(…).“

Der Kläger erfasste am 25. Mai 2018 3 Stunden Straßenreinigung und 2 Stunden Überstundenabbau (Bl. 119), ohne dass er an diesem Tag tatsächlich arbeitete. Er befand sich vielmehr von 7:40 Uhr bis 8:00 Uhr morgens bei der Physiotherapie (Behandlungsbestätigung Bl. 72), an seinem Arbeitsplatz erschien er an diesem Tag nicht.

In seinem Arbeitsbericht für den 30. Mai 2018 vermerkte der Kläger:

„Beete W-str.

5,5

Turnhalle Gemeinde

1

Abbau Überstunden

2

gesamt:

8,5″.

Der Kläger wurde am 8. Juni 2018 zum 25. Mai 2018 angehört.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 8. Juni 2018 „aufgrund eines Pflichtverstoßes am Arbeitsplatz und wegen des Verdachts des Versuchs zur Erschleichung von Arbeitsentgelt (Arbeitszeitbetrug)“ fristlos (Bl. 12 f.).

Wegen der Eintragung in seinem Arbeitsbericht für den 30. Mai 2018 wurde der Kläger von der Beklagten mit Schreiben vom 5. Juli 2018 (Bl. 74 d. A.) angehört. Der Kläger nahm mit Schreiben vom 9. Juli 2018 (Bl. 76 f. d. A.) Stellung.

Mit Schreiben vom 12. Juli 2018 (Bl. 26 f. d. A.), dem Kläger übergeben am gleichen Tag, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis abermals hilfsweise außerordentlich wegen gravierender Pflichtverletzungen (Arbeitszeitbetrug bzw. Verdacht eines Arbeitszeitbetrugs im Hinblick auf den 30. Mai 2018).

Der Kläger wendet sich mit seiner am 20. Juni 2017 beim Arbeitsgericht eingegangenen, am 27. Juni 2018 der Beklagten zugestellten Klage gegen die Kündigung vom 8. Juni 2018 und mit am 19. Juli 2018 beim Arbeitsgericht eingegangener und am 25. Juli 2018 zugestellter Klageerweiterung gegen die Kündigung vom 12. Juli 2018.

Der Kläger hat vorgetragen, hinsichtlich des Vorfalls am 27. April 2016 habe der Ortsbürgermeister R. ihm am 7. Mai 2016 eine völlig andere Uhrzeit mitgeteilt, nämlich dass er ihn kurz nach 16.00 Uhr mit dem Hund spazieren gehen gesehen habe. Er brauche üblicherweise nur circa 2 Minuten um von der Arbeitsstelle nach Hause zu kommen. In der Güteverhandlung habe der Ortsbürgermeister auf diesen Vorfall bezogen 15.45 Uhr genannt. Er habe Herrn R. hierzu nur mitgeteilt, er habe sich verschrieben. Eine mündliche Abmahnung sei vom Ortsbürgermeister nicht ausgesprochen worden.

Er habe sich am 25. Mai 2018 gegen 7.00 Uhr nach vorheriger Mittelung an die Kollegen K. A. und Ka. zur Physiotherapie auf den Weg gemacht, die Praxis um 8.15 Uhr verlassen und sich nach Hause begeben, um dort Arbeitskleidung anzulegen. In seiner betrieblichen Frühstückspause habe er ein Gespräch in der Bank wahrgenommen, das länger als erwartet gegangen sei. Um 10.42 Uhr habe er sodann seinen Kollegen K. angerufen und diesem mitgeteilt, dass er „frei mache“. Unter den Kollegen sei klar, was mit der Aussage „ich mache frei“ gemeint sei, dies unabhängig von der Frage, ob das Wort „überstundenfrei“ gefallen sei oder nicht. Bei der Beklagten sei es üblich, dass die Arbeitszeiteinteilung, aber auch ein etwaiger Überstundenabbau eigenverantwortlich in Absprache mit den dort beschäftigten Kollegen durchgeführt werde. Die Wahrnehmung von medizinischen Terminen werde bei der Beklagten als bezahlte Arbeitszeit behandelt. Der fehlerhafte Eintrag im Stundenzettel „Straßenreinigung“ sei – anders könne er es sich nicht erklären – aus Gedankenlosigkeit und Routine erfolgt. Er habe freitags ganz überwiegend und regelmäßig Straßenreinigung durchgeführt.

In dem Gespräch mit Herrn R. am 8. Juni 2018 habe er zunächst aus Nervosität überhaupt nichts zum Sachverhalt erklären können, da er sich in dieser Drucksituation nicht an den Tag habe erinnern können. Erst nach diesem Gespräch habe er sich auf Hinweis seines Kollegen K. an die Angelegenheit erinnern können. Er habe sich sofort nach seinem Gespräch mit Herrn K. noch am 8. Juni 2018 wieder zu Herrn R. begeben und ihm den Sachverhalt vom 25. Mai 2018 mitgeteilt. Er habe sich dahingehend geäußert, dass er sich bei der Eintragung „vertan habe“. Die Beigeordneten der Gemeinde seien beim Anhörungsgespräch nicht zugegen gewesen.

Hinsichtlich des 30. Mai 2018 sei die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten. An diesem Tag sei in seiner Gemeindewohnung das Schloss ausgetauscht worden durch die Fachfirma G.. Da es sich um eine Gemeindewohnung handele, habe er nach Hause gemusst, als Herr G. ihn kurz vor der Reparatur angerufen habe, um dort die Arbeiten zu beaufsichtigen. Da er nach Ende seiner Mittagspause um 12.30 Uhr weiter auf die Firma G. habe warten müssen, habe er sich entschlossen, die anliegende Turnhalle zu inspizieren. Dabei sei ihm eine verschmutzte Toilette aufgefallen, die er in der Zeit nach seiner Mittagspause gereinigt habe. Ein Arbeitsauftrag „Turnhalle“ sei nicht gegeben worden, allerdings seien er und seine Kollegen gehalten, ihre Arbeitsaufgaben eigenverantwortlich wahrzunehmen. Das ergebe sich auch aus der Mitarbeiteranweisung vom 5. Dezember 2016. Dort sei ausdrücklich mehr Eigeninitiative gefordert.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 8. Juni 2018 nicht aufgelöst wurde, sondern darüber hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbesteht,

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 12. Juli 2008 beendet worden ist,

3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände beendet wird, sondern zu unveränderten Konditionen hinaus fortbesteht,

4. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über seine Kündigungsschutzanträge zu den bisherigen Arbeitsbeziehungen weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, am 6. Oktober 2015 habe der Kläger in seinem Arbeitszeitnachweis angegeben, 8,5 Stunden mit Heckenschneiden sowie Arbeiten an der Bismarcksäule beschäftigt gewesen zu sein. Der Ortsbürgermeister R. habe ihn an diesem Tag um 14.45 Uhr, 15.00 Uhr und 15.15 Uhr dabei beobachtet, dass er an einem Anhänger gelehnt gestanden und nicht gearbeitet habe. Gleichwohl habe er diese Zeit als Arbeitszeit notiert.

Am 27. April 2016 habe der Kläger in seiner Arbeitszeiterfassung handschriftlich 8,5 Stunden Arbeitszeit eingetragen. An diesem Tag habe der Ortsbürgermeister den Kläger dabei beobachtet, wie er gegen 15.40 Uhr mit seinem Hund im Bereich der B256 spazieren gegangen sei. Der Ortsbürgermeister R. habe diesen Vorfall mit dem Vorarbeiter des Klägers, Herrn Ka. besprochen, der sodann mit dem Kläger über den Vorfall gesprochen habe. Nach einem Gespräch mit dem Vorarbeiter Ka. habe der Kläger seine handschriftliche Eintragung in die Arbeitszeiterfassung dahingehend korrigiert, dass er nur 7,5 Stunden gearbeitet habe. Im daraufhin anberaumten Personalgespräch am 7. Mai 2016 habe der Ortsbürgermeister dem Kläger mitgeteilt, er habe ihm gegen 15.40 Uhr, als kurz vor 16 Uhr mit seinem Hund spazieren gehen gesehen. Er habe sich beim Kläger erkundigt, warum er am 27. April 2016 die Eintragung in seinem Stundenzettel korrigiert habe. Der Kläger habe erklärt, er habe zunächst 8,5 Stunden Mäharbeiten eingetragen. Er habe sich aber verschrieben, ihm sei erst später eingefallen, dass er eine Stunde freigemacht habe. Im selben Gespräch habe Herr R. auch den Vorfall vom Oktober 2015 angesprochen. Sodann habe Herr R. wegen des Verhaltens des Klägers eine mündliche Abmahnung ausgesprochen. Er habe den Kläger darauf hingewiesen, dass er mit der fehlerhaften Arbeitszeiteintragung für den 27. April 2016 seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt habe. Der Ortsbürgermeister habe den Kläger aufgefordert, zukünftig die Arbeitszeiten genau und wahrheitsgemäß im Stundenblatt zu dokumentieren. Für den Fall, dass der Kläger erneut Falscheintragungen seiner Arbeitszeit vornehmen solle, habe Herr R. dem Kläger mitgeteilt, dass er dann mit einer Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zu rechnen habe (vgl. Gesprächsvermerk Bl. 67 d. A.). Im Rahmen dieses Gesprächs habe Herr R. den Kläger auch angewiesen, zukünftig Eintragungen zu den Arbeitszeiten, der Art der Tätigkeit und der benutzten Fahrzeuge täglich vorzunehmen.

Am 25. Mai 2018 habe sich der Kläger unmittelbar nach der Behandlung zur Arbeit begeben müssen; der Fußweg von der Praxis zur Arbeitsstätte betrage nur fünf bis zehn Minuten. In dem Telefonat mit dem Kollegen K. habe der Kläger lediglich mitgeteilt, er komme nicht mehr, das lohne sich jetzt nicht mehr. Davon, dass er überstundenfrei nehme, habe er in dem Telefonat nicht gesprochen. Kurz vor 11.00 Uhr hätten die Arbeitskollegen beobachten können, dass der Kläger mit seiner Frau gemeinsam in seinem Auto aus R. in Richtung N.gefahren sei.

In der Anhörung durch den Ortsbürgermeister am 8. Juni 2018 habe der Kläger keinerlei Unrechtsbewusstsein gezeigt und sinngemäß geäußert: „Ach hätte ich nur drei Stunden krank eingetragen, dann würde ich wegen dem Scheiß hier nicht sitzen“. Mit Herrn K. habe der Kläger kurz gesprochen, es sei aber nicht richtig, dass Herr K. den Kläger in diesem Gespräch daran erinnert habe, dass der Kläger zunächst bei der Physiotherapie gewesen sei und dann überstundenfrei genommen habe.

Sie gehe davon aus, dass der Kläger mit der fehlerhaften Eintragung am 25. Mai 2018 einen versuchten Arbeitszeitbetrug begangen habe, hilfsweise bestehe zumindest der dringende Tatverdacht hierfür. Hilfsweise sei das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 12. Juli 2018 beendet worden.

In einem Gespräch vom 29. Juni 2018, das der Ortsbürgermeister R. mit Herrn Ka. Herrn K. und Herrn A. geführt habe, hätten die Mitarbeiter Ka. und K. den Kläger als Menschen geschildert, der sich nichts sagen lasse und tue, was er wolle. Er sei schon durch den zwischenzeitlich berenteten Vorarbeiter Ru. immer wieder ermahnt worden, die zugewiesenen Arbeiten zu erledigen. Wenn ihm etwas nicht gepasst habe, sei er einfach heimgegangen. So habe sich der Kläger beispielsweise früher stundenlang mit einem Betriebsfahrzeug der Ortgemeinde in den Wald zurückgezogen, um dort konsequent nichts zu tun. Von einer Mitteilung an den Ortsbürgermeister habe man abgesehen, da man den Arbeitskollegen nicht habe „anschwärzen“ wollen. Das innerbetriebliche Klima sei aber wegen des Verhaltens des Klägers stets sehr schlecht gewesen. Herr Ka. und Herr K. hätten weiter berichtet, dass der Kläger am 30. Mai 2018 seine Arbeit um 12.00 Uhr beendet habe. Der Kläger habe in seinem handschriftlichen Arbeitsbericht für diesen Tag angegeben: „Beete W.-straße 5,5 Stunden – Turnhalle Gemeinde 1 Stunde – Abbau Überstunden 2 Stunden“, obwohl an diesem Tag kein Arbeitsauftrag für die Turnhalle vorgelegen habe und die Turnhalle nicht verschmutzt gewesen sei. Der Kläger habe sich nach den angegebenen 5,5 Arbeitsstunden, damit um 12.00 Uhr, nach Hause begeben. Auch diese Eintragungen belegten einen weiteren versuchten Arbeitszeitbetrug, hilfsweise zumindest den dringenden Verdacht hierfür. Zwar habe Herr G. dem Kläger telefonisch mitgeteilt, dass er das Schloss an der Gemeindewohnung des Klägers in der Mittagspause austauschen werde, es zähle aber nicht zu den Aufgaben des Klägers von der Beklagten beauftragte Unternehmen während der Ausübung ihrer Tätigkeiten zu beaufsichtigen.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 20. Dezember 2018 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die Kündigung der Beklagten vom 8. Juni 2018 noch durch die Kündigung der Beklagten vom 12. Juli 2018 aufgelöst worden ist. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Kündigungsschutzklagen hätten Erfolg. In Abwägung der langen und wesentlich ungestörten Betriebszugehörigkeitszeit sei aufgrund des nur punktuell als Vertragswidrigkeit auszumachenden Klägerverhaltens eine außerordentlich fristlose Kündigung noch nicht gerechtfertigt. Ein wichtiger Grund habe für keine der Kündigungen vorgelegen. § 626 Abs. 1 BGB sei für die Kündigung vom 8. Juni 2018 nicht erfüllt gewesen. Das Vorliegen eines „an sich“ wichtigen Kündigungsgrundes habe angesichts des Geschehens vom 25. Mai 2018 nahgelegen. Die Beklagte überlasse ihren Gemeindearbeitern die Arbeitszeit selbst zu dokumentieren. Der Eintrag des Klägers zum 25. Mai 2018 für anfänglich 3,0 Arbeitsstunden Straßenreinigung sei objektiv falsch gewesen. Der Kläger sei auch nicht anderweitig für drei Stunden entgeltberechtigt gewesen. § 29 Abs. 1 Buchst. f TVöD (VKA) eröffne – niederschriftserklärungsgemäß – bezahlte Arbeitsbefreiung auch bei „ärztlich verordneter Behandlung“ einschließlich der erforderlichen Wegezeit. Typischer Anwendungsfall seien physiotherapeutische Behandlungen. Die reine Behandlungszeit des Klägers sei aber nur 20 Minuten gewesen. Die Wegezeitangaben des Klägers seien zu unspezifisch gewesen um als erforderlich gelten zu können. Auch ließen sie noch rund eine Stunde unerklärt, zumal unerfindlich sei, woher der Kläger ein Anrecht auf 30 Minuten bezahlte Frühstückspause nehmen wolle. Umgekehrt ließen sich auch die Beklagtenangaben zur Wegezeit nicht abschließend belasten. Jedoch falle die Interessenabwägung nicht zu Lasten des Klägers aus. Das Arbeitsverhältnis sei bis zum Kündigungszugang wesentlich unbelastet. Entgegen dem Beklagtenvorbringen sei der Kläger nicht schon im Personalgespräch des 7. Mai 2016 einschlägig abgemahnt. Für das Geschehen vom 27. April 2016 sei unklar, was das konkret abmahnungserhebliche Verhalten gewesen sein solle und inwiefern es fehlerhaft erscheine. Für den 6. Oktober 2015 möge der Kläger in den Augenblickseindrücken gegen 14.45 Uhr, 15.00 Uhr und 15.15 Uhr physisch unbewegt erschienen sein. Auch die Beklagte gebe jedoch nicht zu erkennen, dass fortlaufend unablässiger physischer Einsatz geboten wäre. Der eigentliche Arbeitsauftrag sei ungenannt geblieben; ebenso, dass der Kläger ihn an jenem Tag nicht ordnungsgemäß erfüllt habe. Auch hierfür habe keine wirksame Abmahnung ergehen können. Unter Abwägung der wechselseitigen Interessen sei der Beklagten im gegebenen Fall eine vorherige Abmahnung abzuverlangen. Buchstäbliche Schäden seien aus der Falscheintragung der Arbeitszeit vom 25. Mai 2018 nicht entstanden. Das Schadensrisiko habe für eine bis zwei nicht erbrachte Arbeitsstunden 31,00 bis 62,00 € umfasst und sei damit mehr als die strafrechtliche Geringfügigkeitsgrenze. Allerdings sei der Kläger zurückliegend zugunsten der Beklagten mit Mehrarbeiten in Vorleistung getreten, die ein Vielfaches der Risikosumme ausgemacht hätten (zuletzt noch 160 – 170 Stunden Guthaben). Von generellem Arbeitsunwillen des Klägers lasse sich schon angesichts dessen nicht ausgehen. Auch fehle es an Anhaltspunkten für buchstäbliche Belehrungsresistenz. Für den 27. April 2016 habe der Kläger seinen Aufzeichnungsfehler selbst korrigiert. Für den 25. Mai 2018 lasse er die Fehlerhaftigkeit der Aufzeichnung gegen sich gelten. Für den zuletzt vorgehaltenen Aufzeichnungsfall vom 30. Mai 2018 habe die Beklagte die Stellungnahme vom 9. Juli 2018 selbst erbeten gehabt. Die Fehlaufzeichnung vom 25. Mai 2018 sei schließlich zwar wissentlich und willentlich geschehen; bei der Beklagten habe jedoch durchgehend Transparenz geherrscht, wo der Kläger sich im Laufe des Vormittags jeweils aufgehalten habe. Damit liege fern anzunehmen, er habe es geradezu darauf angelegt gehabt, die Beklagte zu hintergehen, und werde sich auch mittels förmlicher Abmahnung nicht mäßigen; seine spontane Erklärung des Geschehens als „gedankenlos“ sei stattdessen nicht unplausibel gewesen. Bei Zugang der Kündigung habe das Dienstverhältnis bereits annähernd 29 Jahre bestanden. Der Kläger sei fast 60 Jahre alt und wenigstens seiner Ehefrau gegenüber noch unterhaltspflichtig. Ihn träfen bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses existenzielle und kaum auszugleichende Belastungen. Auch angesichts dessen lasse sich nicht ausschließen, dass mit einer förmlichen Abmahnung dauerhaft habe Sorge getragen werden können, dass zukünftig keinerlei Arbeitszeiten aufgezeichnet würden, die nicht tatsächlich auch erbracht worden seien. Auch für die Folgekündigung vom 12. Juli 2018 habe es keinen wichtigen Grund gegeben. Eine Tatkündigung wegen falscher Arbeitszeitaufzeichnung zum 30. Mai 2018 sei hier schon „an sich“ nicht in Betracht gekommen. Eine Verdachtskündigung sei ebenfalls ausgeschieden. Verdachtskündigungen kämen nur in Betracht, wo alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen und mögliche Fehlerquellen abgearbeitet worden seien, sodass bis zuletzt ein schwerwiegender, dringender Verdacht verblieben sei, der auch bei kritischer Prüfung ausreichende Beweisanzeichen für eine große Wahrscheinlichkeit erheblicher Pflichtverletzungen aufgewiesen habe. Dem sei hier nicht genügt. Die Beklagte habe den Kläger zwar angehört, sei dessen Erklärungen aber ohne erkennbaren Grund nicht weiter nachgegangen. Der hilfsweise angebrachte Weiterbeschäftigungsantrag sei zu unbestimmt, der allgemeine Feststellungsantrag sei nicht zur Entscheidung angefallen. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts (Bl. 160 ff. d. A.) Bezug genommen.

Das genannte Urteil ist der Beklagten am 15. Januar 2019 zugestellt worden. Sie hat hiergegen mit einem am 31. Januar 2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt. Die Beklagte hat die Berufung mit einem – innerhalb der durch Beschluss vom 13. März 2019 bis einschließlich 15. April 2019 verlängerten Berufungsbegründungsfrist – am 12. April 2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag begründet.

Zur Begründung der Berufung macht die Beklagte nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 199 ff. d. A.), unter ergänzender Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen zusammengefasst geltend,

das Arbeitsverhältnis der Parteien sei durch ihre Kündigung vom 8. Juni 2018 aufgelöst worden, hilfsweise durch ihre Kündigung vom 12. Juli 2018.

Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei das Arbeitsverhältnis der Parteien bis zum Kündigungszugang nicht wesentlich unbelastet gewesen. Es habe damit auch keine wesentlich ungestörte lange Betriebszugehörigkeit vorgelegen. Bereits der Vorfall vom 6. Oktober 2015 belege, dass das Arbeitsverhältnis wegen vertragswidrigen Verhaltens des Klägers belastet gewesen sei. Am 27. April 2016 habe der Ortsbürgermeister Herr R. den Kläger gegen 15.40 Uhr – also noch während der üblichen Arbeitszeit – beobachtet, wie dieser mit seinem Hund im Bereich der B 256 spazieren gegangen sei. Erst nachdem Herr Ka., der dem Ortsbürgermeister auf Anfrage mitgeteilt hatte, dass er nicht darüber wisse, ob der Kläger an diesem Tag wegen geleisteter Überstunden freigemacht habe, den Kläger auf den Vorfall angesprochen habe, habe der Kläger seine handschriftliche Eintragung in der Arbeitszeiterfassung korrigiert. In dem für den 7. Mai 2016 vereinbarten Besprechungstermin habe Herr R. den Kläger darauf hingewiesen, dass er mit der zunächst fehlerhaften Arbeitszeiteintragung von 8,5 Stunden für den 27. April 2016 seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt habe. Er habe ihn aufgefordert, zukünftig die Arbeitszeiten genau und wahrheitsgemäß im Stundenblatt zu dokumentieren. Für den Fall, dass der Kläger erneut Falscheintragungen seiner Arbeitszeit vornehmen sollte, habe der Ortsbürgermeister dem Kläger angedroht, dass er dann mit einer Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zu rechnen habe. Es habe insoweit keiner ausdrücklichen Klarstellung bedurft, was mit dem genauen und wahrheitsgemäßen Eintragen der Arbeitszeiten gemeint sei bzw. was „richtig“ und was „falsch“. Die Arbeitszeiterfassung sei wahrheitsgemäß zu führen.

Auch ohne vorherige Abmahnung sei sie berechtigt gewesen, das Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen. Sowohl das der Kündigung vom 8. Juni 2018 zugrundeliegende Verhalten des Klägers als auch das Verhalten, welches zum Gegenstand der hilfsweisen Kündigung vom 12. Juli 2018 gemacht worden sei, berechtigten zum sofortigen Ausspruch einer fristlosen Kündigung.

Der wirtschaftliche Schaden der Falscheintragung der Arbeitszeit vom 25. Mai 2018 liege bei zwei bis zweieinhalb Stunden. Auch wenn ein Mitarbeiter – möglicherweise auch erhebliche – Überstunden geleistet habe, berechtige ihn dies noch lange nicht, sich durch fehlerhafte Arbeitszeitdokumentation weitere ungerechtfertigte bezahlte Stunden zu verschaffen. Die Fehlaufzeichnung sei wissentlich und willentlich erfolgt. Unerheblich sei, dass die Arbeitskollegen des Klägers durchgehend gewusst hätten, wo der Kläger sich jeweils aufgehalten habe. Den zur Abrechnung des Arbeitsverhältnisses berechtigten Personen, insbesondere dem Ortsbürgermeister R. sowie den Mitarbeitern der Buchhaltung sei nicht bekannt und bewusst gewesen, dass der Kläger zu der Zeit, die er am 25. Mai 2018 als Straßenreinigung im Umfang von drei Stunden eingetragen gehabt habe, nicht gearbeitet habe. Die Aufsplittung des Eintrags in drei angeblich geleistete Arbeitsstunden und dann zwei Stunden Überstundenabbau belege eindrücklich, dass der Kläger es darauf angelegt gehabt habe, die Zeit von 7.00 bis 10.00 Uhr, in der er nicht gearbeitet habe, dem Arbeitgeber gegenüber als Arbeitszeit zu deklarieren, um für diesen Zeitraum, für den ihm weitgehend kein Vergütungsanspruch zugestanden habe, Vergütung zu erhalten. Angesichts des Verhaltens des Klägers auch im Zusammenhang mit den Vorfällen vom 6. Oktober 2015 sowie 27. April 2016 sowie der von seinen Arbeitskollegen beschriebenen grundsätzlichen Arbeitseinstellung habe nicht davon ausgegangen werden können, dass er im Falle des Erhalts einer Abmahnung sein Verhalten geändert hätte.

Zu den Aufgaben des Klägers habe es bis August 2016 auch gehört, sich als Hausmeister um das örtliche Kinder-, Jugend- und Kulturzentrum sowie die zugehörige Turnhalle zu kümmern und ggf. im Objekt Reinigungsarbeiten durchzuführen. Für diese zusätzliche Aufgabe seien dem Kläger pauschal pro Woche zehn Arbeitsstunden gutgeschrieben worden. Dies sei in der Weise erfolgt, dass der Kläger freitags die sonst üblichen fünf Arbeitsstunden nicht habe leisten müssen, zudem seien weitere fünf Stunden seinem Stundenkonto pauschal gutgeschrieben worden. Am 13. Juli 2016 habe der Gemeinderat beschlossen, dass die zuvor vom Kläger verrichteten Reinigungsarbeiten an dem Kinder-, Jugend- und Kulturzentrum sowie der zugehörigen Turnhalle zukünftig durch eine neu einzustellende Reinigungskraft hätten durchgeführt werden sollen. Die Einstellung dieser Reinigungskraft sei ab dem 1. September 2016 erfolgt. Aus diesem Grund habe Herr R. dem Kläger Anfang August 2016 mitgeteilt, dass er ab 1. September 2016 nicht mehr mit Hausmeister- und Reinigungsaufgaben im Hinblick auf das Kinder-, Jugend- und Kulturzentrum sowie die Turnhalle beauftragt sei. Insbesondere sei der Kläger durch Herrn R. darauf hingewiesen worden, dass es ab 1. September 2016 nicht mehr zu seinen Aufgaben zähle, die vorgenannten Objekte zu kontrollieren und zu reinigen. Gegenüber seinem Arbeitskollegen Ka. habe der Kläger in diesem Zusammenhang geäußert, dass er sich die Stunden, die man ihm wegen der Entziehung der Hausmeister- und Reinigungstätigkeiten genommen habe, schon wieder holen werde.

Die physiotherapeutische Behandlung des Klägers am 25. Mai 2018 habe nicht während der Arbeitszeit erfolgen müssen. Die Behandlung habe problemlos am Freitagnachmittag erfolgen können. Selbst wenn man einen Vergütungsanspruch für diesen Zeitraum in Ansatz bringe, ergäbe sich ein Anspruch für 30 bis 40 Minuten. Die Entfernung zwischen dem Wohnort des Klägers und der Physiotherapiepraxis betrage 330 m, die Gehzeit 5 Minuten. Die Entfernung vom Wohnort zum Arbeitsort „XY“ betrage 500 m, die Gehzeit acht Minuten, ebenso die Entfernung von der Physiotherapiepraxis zum Arbeitsort.

Da Hausmeister- und Reinigungsaufgaben hinsichtlich der Turnhalle seit September 2016 nicht mehr zu den Aufgaben des Klägers gezählt hätten, hätten diese nicht als Arbeitszeit erfasst werden dürfen. Nachdem sie bestritten habe, dass der Kläger am 30. Mai 2018 überhaupt die Turnhalle inspiziert und dort Reinigungsarbeiten durchgeführt habe, wäre es Aufgabe des Klägers gewesen, im Rahmen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast vorzutragen, wann konkret er genau welche Arbeiten im Bereich der Turnhalle vorgenommen habe und insbesondere welche Toilette er auf welche Weise und mit welchem Zeitaufwand angeblich gereinigt habe. Sie habe keinerlei Möglichkeiten gehabt, das behauptete Verhalten des Klägers zu kontrollieren.

Die Kündigung vom 12. Juli 2018 sei jedenfalls als Verdachtskündigung wirksam. Sie habe alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere den Kläger angehört und Kontakt mit der Firma G. aufgenommen um herauszufinden, wann der Mitarbeiter der Schreinerei in der Wohnung des Klägers gearbeitet habe. Dies habe Herr G. jedoch im Nachhinein nicht mehr sicher beurteilen können. Er habe gemeint, es sei nach seiner Mittagspause gewesen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 20. Dezember 2018, Az. 2 Ca 1770/18, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe seines Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 8. Mai 2019, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 238 ff. d. A.), als rechtlich zutreffend.

Er hege bereits erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit der Berufung.

Am 6. Oktober 2015 habe er gearbeitet. Bei stetig wiederkehrenden Arbeiten werde ein genauer Arbeitsauftrag gerade nicht erteilt. Solche Arbeiten würden durch die Gemeindearbeiter in Eigeninitiative in einer morgentlichen Dienstbesprechung geplant, durchgeführt und dann „mit eigenen Worten“ in die Arbeitszeitnachweise eingetragen. Jedenfalls ein fortlaufender physischer Einsatz sei zu keinem Zeitpunkt durch die Beklagte gefordert worden. Eine Abmahnung sei nicht erteilt worden und habe nicht erteilt werden können. Er führe die beauftragten Arbeiten stets zur Zufriedenheit aller Beteiligter aus. Er sei nicht mit seinem Hund während der Arbeitszeit spazieren gegangen. Die Änderung im Stundenzettel sei aufgrund einer Fehleintragung erfolgt. Dieser Fehler sei ihm direkt nach dem Aufschreiben aufgefallen. Daraufhin habe er die 8,5 Stunden durchgestrichen und 7,5 Stunden eingetragen. Die Stundenzettel würden im Laufe des Monats zu Hause ausgefüllt und erst in der Mitte des Folgemonats bei der Beklagten eingereicht. Zu keinem Zeitpunkt sei durch Herrn R. angedeutet worden, dass es sich um ein Gespräch zu einer Abmahnung oder zumindest einer Ermahnung gehandelt haben könne. Schon gar nicht sei zu irgendeinem Zeitpunkt darauf hingewiesen worden, dass arbeitsvertragliche Konsequenzen (im Wiederholungsfall) zu besorgen seien.

Nach dem Entzug der Hausmeister- und Reinigungstätigkeiten sei ihm die Mitarbeiteranweisung vom 5. Dezember 2016 ausgehändigt worden, in der explizit die Arbeiten und auch die Kontrolle des Kinder-, Jugend- und Kulturzentrums in der normalen Arbeitszeit angeordnet worden seien. Eigeninitiative sei ausdrücklich gefordert worden.

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 4. Dezember 2019 (Bl. 265 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Berufungsbegründung genügt auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen. Nach § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Nach § 520 Abs. 1 Nr. 3 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG sind konkrete Anhaltspunkte zu bezeichnen, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Eine Berufungsbegründung genügt diesen Anforderungen nur dann, wenn sie erkennen lässt, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht. Dies bedingt eine argumentative Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung. Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung gerecht. Sie setzt sich insbesondere mit der vom Arbeitsgericht vorgenommenen Interessenabwägung hinsichtlich der Kündigung vom 8. Juni 2018 auseinander, insbesondere mit den Fragen, ob das Arbeitsverhältnis bei Kündigungszugang im Wesentlichen unbelastet war, ob der Kläger abgemahnt wurde, sowie mit der Höhe des durch die Falscheintragung des Klägers verursachten Schadens. Hinsichtlich der Kündigung vom 12. Juli 2018 setzt sich die Beklagte im Wesentlichen mit der Frage der Darlegungs- und Beweislast sowie der Frage auseinander, ob sie alles Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts getan habe.

Die Berufung erweist sich auch sonst als zulässig.

B.

In der Sache hatte die Berufung der Beklagten keinen Erfolg. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist weder durch die arbeitgeberseitige außerordentliche Kündigung vom 8. Juni 2018 noch die außerordentliche Tatkündigung der Beklagten vom 12. Juli 2018 noch die außerordentliche Verdachtskündigung der Beklagten vom 12. Juli 2018 beendet worden.

I.

Die außerordentliche Kündigung vom 8. Juni 2018 hat das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht mit sofortiger Wirkung beendet.

Auf das Arbeitsverhältnis findet der TVöD Anwendung, der den BMTG- II mit Wirkung vom 1. Oktober 2005 abgelöst hat, § 2 Abs. 1 TVÜ-VKA.

Das Verhalten des Klägers ist an sich als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung geeignet. Jedoch ist bei Beachtung aller Umstände des vorliegenden Falles und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen der Ausspruch einer außerordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung nach Ansicht der Kammer (noch) nicht gerechtfertigt.

1.

Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist gemäß § 34 Abs. 2 TVöD vom Arbeitgeber nur noch aus wichtigem Grund kündbar, da der Kläger das 40. Lebensjahr vollendet hat und eine Beschäftigungszeit im Sinn von §§ 34 Abs. 3 TVöD, 14 Abs. 2 TVÜ-VKA von mehr als 15 Jahren zurückgelegt hat.

2.

Mit dem Begriff „wichtiger Grund“ knüpft die tarifvertragliche Bestimmung an die gesetzliche Regelung des § 626 Abs. 1 BGB an, deren Verständnis deshalb auch für die Auslegung der Tarifnorm maßgebend ist (BAG 13. Dezember 2018 – 2 AZR 370/18 – Rn. 14 mwN.).

Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, d. h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht (BAG 19. April 2012 – 2 AZR 258/11 – Rn. 13 mwN.).

Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, kommt als wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung im Sinn von § 626 Abs. 1 BGB in Frage. Dies gilt für den vorsätzlichen Missbrauch eines Zeiterfassungsgeräts ebenso wie für das vorsätzlich falsche Ausstellen entsprechender Formulare. Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung an, sondern auf den mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruch. Der Arbeitgeber muss auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit seiner Mitarbeiter vertrauen können. Dies gilt erst recht, wenn diese nicht an feste Arbeitszeiten gebunden sind. Überträgt er den Nachweis der geleisteten Arbeitszeit den Arbeitnehmern selbst und füllt ein Arbeitnehmer entsprechende Formulare wissentlich und vorsätzlich falsch aus, liegt darin in aller Regel ein schwerer Vertrauensmissbrauch (BAG 13. Dezember 2018 – 2 AZR 370/18 – Rn. 17 mwN.; 26. September 2013 – 2 AZR 682/12- Rn. 54). Der Arbeitnehmer verletzt, verhält er sich in diesem Zusammenhang nicht korrekt, damit in erheblicher Weise seine Pflicht zur Rücksichtnahme, § 241 Abs. 2 BGB (BAG 13. Dezember 2018 – 2 AZR 370/18 – Rn. 17 mwN.). Darauf, ob dem Arbeitgeber durch das Verhalten ein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist oder das Verhalten des Arbeitnehmers auf andere – nicht wirtschaftliche – Vorteile ausgerichtet war, kommt es grundsätzlich nicht an (BAG 26. September 2013 – 2 AZR 682/12 – Rn. 54).

3.

Nach diesen Maßstäben hat der Kläger seine Pflichten erheblich verletzt. Er wäre verpflichtet gewesen, seine Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren. Dem ist er am 25. Mai 2018 nicht nachgekommen. Die von ihm vorgenommene Eintragung „3,0 Arbeitsstunden Straßenreinigung“ in seinem Arbeitsbericht war objektiv falsch. Der Kläger hat an diesem Tag keine Straßenreinigung vorgenommen, sondern befand sich an diesem Tag von 7:40 Uhr bis 8:00 Uhr bei der Physiotherapie und erschien nicht an seinem Arbeitsplatz.

Die Eintragung des Klägers hatte zur Folge, dass für diesen Tag 3 Stunden als Arbeitszeit des Klägers anzusehen waren, die sein Gleitzeitguthaben aufbauten, das ihm jedenfalls nicht in diesem Umfang zustand.

Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass die von ihm aufgeschriebene Arbeitszeit zwar nicht als erbrachte Arbeitszeit, aber nach § 29 Abs. 1 Buchst f. TVöD ohnedies zu vergüten gewesen wäre.

Nach § 29 Abs. 1 Buchst. f TVöD gilt als Fall nach § 616 BGB, in dem Beschäftigte unter Fortzahlung des Entgelts nach § 21 TVöD von der Arbeit freigestellt werden, die „ärztliche Behandlung von Beschäftigten, wenn diese während der Arbeitszeit erfolgen muss“ im Ausmaß der erforderlichen nachgewiesenen „Abwesenheitszeit einschließlich erforderlicher Wegezeiten“. Dabei erfasst nach der Niederschriftserklärung zu § 29 Abs. 1 Buchst. f TVöD die „ärztliche Behandlung (…) auch die ärztliche Untersuchung und die ärztlich verordnete Behandlung.“ Zur „ärztlich verordneten Behandlung“ zählen auch Maßnahmen wie bspw. Massagen (Bredemeier/Neffke, TVöD/TV-L, 5. Aufl. 2017, § 29 Rn. 25) oder Physiotherapie. Weitere Voraussetzung ist, dass die ärztliche Behandlung während der Arbeitszeit erfolgen muss. Der Beschäftigte muss sich darum bemühen, eine ärztliche Behandlung möglichst außerhalb der für ihn geltenden Arbeitszeit durchführen zu lassen. In Fällen der Gleitzeit muss er sich um einen Termin außerhalb der Kernarbeitszeit kümmern. Soweit der Beschäftigte eine ärztliche Behandlung während der Gleitzeit ausübt, geschieht dies tarifrechtlich außerhalb der Arbeitszeit. Eine Freistellung von der Arbeit ist daher in diesem Fall nicht möglich (Bredemeier/Neffke, TVöD/TV-L, 5. Aufl. 2017, § 29 Rn. 25).

Aber auch dann, wenn die Physiotherapie des Klägers nur innerhalb seiner Arbeitszeit stattfinden konnte, waren dem Kläger nicht wie von ihm angegeben 3 Stunden Arbeitszeit gutzuschreiben, sondern allenfalls die Zeit von 7.40 Uhr bis 8.00 Uhr zuzüglich Wegezeiten.

Darüber hinaus hat der Kläger der abrechnenden Stelle durch die Angabe von „3,0 Arbeitsstunden Straßenreinigung“ statt Physiotherapie zuzüglich Wegezeiten die Überprüfung erschwert, ob vergütungspflichtige Zeiten vorlag.

4.

Die fristlose Kündigung vom 8. Juni 2018 ist aber bei Beachtung aller Umstände des vorliegenden Falls und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen der Parteien gleichwohl (noch) nicht gerechtfertigt. Als Reaktion der Beklagten auf das Fehlverhalten des Klägers vom 25. Mai 2018 hätte nach Auffassung der Kammer eine (weitere) Abmahnung ausgereicht.

a) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG 13. Dezember 2018 – 2 AZR 370/18 – Rn. 29; 19. April 2012 – 2 AZR 258/11 – Rn. 14; 10. Juni 2010 – 2 AZR 541/09 – Rn. 34, jeweils mwN.). Sie scheidet aus, wenn es ein „schonenderes“ Gestaltungsmittel – etwa Abmahnung, Versetzung, ordentliche Kündigung – gibt, das ebenfalls geeignet ist, den mit einer außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck – nicht die Sanktion des pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses – zu erreichen (BAG 13. Dezember 2018 – 2 AZR 370/18 – Rn. 29 mwN.). Der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers ist im Rahmen der Interessenabwägung insbesondere hinsichtlich einer möglichen Wiederholungsgefahr von Bedeutung. Je höher er ist, desto größer ist diese (BAG 13. Dezember 2018 – 2 AZR 370/18 – Rn. 29 mwN.). Verschulden im zivilrechtlichen Sinn ist anhand des § 276 Abs. 2 BGB gesetzten Maßstabs zu beurteilen. Es umfasst demnach jede Form von Vorsatz und Fahrlässigkeit (BAG 13. Dezember 2018 – 2 AZR 370/18 – Rn. 37 mwN.).

Abzustellen ist im vorliegenden Fall eines ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers darauf, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der bei einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer „fiktiven” Kündigungsfrist dem Arbeitgeber noch zugemutet werden kann. Bei dieser Prüfung besteht kein hinreichender Anlass, neben dem Alter und der Beschäftigungsdauer die ordentliche Unkündbarkeit des Arbeitnehmers erneut zu dessen Gunsten zu berücksichtigen und damit den ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer besser zu stellen als einen Arbeitnehmer ohne diesen Sonderkündigungsschutz bei entsprechenden Einzelfallumständen und beiderseitigen Interessen (BAG 27. April 2006 – 2 AZR 386/05 – Rn. 34; vgl. auch BAG 22. Oktober 2015 – 2 AZR 569/14 – Rn. 20 mwN.). Die Tarifregelung des § 34 TVöD enthält keinen Anhaltspunkt für einen Willen der Tarifpartner, selbst beim Vorliegen eines verhaltensbedingten wichtigen Grundes zur außerordentlichen fristlosen Kündigung den unkündbaren Arbeitnehmer besser zu behandeln als jeden anderen Arbeitnehmer (vgl. BAG 18. September 2008 – 2 AZR 827/06 – Rn. 37; 27. April 2006 – 2 AZR 386/05 – Rn. 35, jeweils mwN., jeweils zu § 53 Abs. 3 BAT).

Die Notwendigkeit der Prüfung, ob eine fristgerechte Kündigung als Reaktion ausgereicht hätte, folgt schon aus dem Wortlaut des § 626 Abs. 1 BGB. Das Erfordernis weitergehend zu prüfen, ob nicht schon eine Abmahnung ausreichend gewesen wäre, folgt aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und trägt zugleich dem Prognoseprinzip bei der verhaltensbedingten Kündigung Rechnung. Das Erfordernis gilt auch bei Störungen im Vertrauensbereich. Es ist nicht stets und von vornherein ausgeschlossen, verlorenes Vertrauen durch künftige Vertragstreue zurückzugewinnen (BAG 19. April 2012 – 2 AZR 258/11 – Rn. 15; 10. Juni 2010 – 2 AZR 541/09 – Rn. 35, jeweils mwN.).

Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus (BAG 13. Dezember 2018 – 2 AZR 370/18 – Rn. 30). Sie dient der Objektivierung der negativen Prognose. Ist der Arbeitnehmer ordnungsgemäß abgemahnt worden und verletzt er dennoch seine arbeitsvertraglichen Pflichten erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen (BAG 10. Juni 2010 – 2 AZR 541/09 – Rn. 36 mwN.).

Einer Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme durch den Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG 13. Dezember 2018 – 2 AZR 370/18 – Rn. 30 mwN.).

Danach war eine (weitere) Abmahnung hier nicht entbehrlich, auch wenn der Ortsbürgermeister gegenüber dem Kläger am 7. Mai 2016 bereits eine mündliche Abmahnung ausgesprochen haben sollte. Nach Auffassung der Kammer lag aber überdies keine wirksame Abmahnung vor.

b) Die Beklagte hat den Kläger nicht bereits am 7. Mai 2016 wirksam mündlich abgemahnt.

Eine Abmahnung muss nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein genau zu bezeichnendes Fehlverhalten rügen und auf die Bestands- oder Inhaltsgefährdung des Arbeitsverhältnisses für den Wiederholungsfall hinweisen. Für die Erfüllung der Warnfunktion einer Abmahnung ist es nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber die zu unterlassende Pflichtverletzung losgelöst vom konkreten Verstoß generalisierend beschreibt. Der mit einer Abmahnung verbundene Hinweis auf eine Bestandsgefährdung des Arbeitsverhältnisses im Wiederholungsfall erstreckt sich grundsätzlich auch auf vergleichbare Pflichtverletzungen. Es reicht aus, dass die jeweiligen Pflichtwidrigkeiten aus demselben Bereich stammen und somit gegebene Abmahnungs- und potenzielle Kündigungsgründe in einem inneren Zusammenhang stehen. Der Arbeitgeber muss in einer für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise seine Beanstandungen vorbringen und damit deutlich – wenn auch nicht expressis verbis – den Hinweis verbinden, im Wiederholungsfall sei der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet (BAG 19. April 2012 – 2 AZR 258/11 – Rn. 21 mwN.).

Eine Abmahnung setzt einen objektiv gegebenen Pflichtverstoß, nicht aber vorwerfbares Verhalten des Empfängers voraus. Sie muss ein konkret als Pflichtverletzung abgrenzbares Geschehen bezeichnen. Dabei müssen sich die Anforderungen an die Konkretisierung der in einer Abmahnung enthaltenen Rüge an dem orientieren, was der Arbeitgeber wissen kann (BAG 27. November 2008 – 2 AZR 675/07 – Rn. 21; ErfK-Niemann, 20. Aufl. 2020, § 626 BGB Rn. 31). Eine Verdachtsabmahnung gibt es nicht, denn der Verdacht einer Pflichtverletzung kann nicht unter Kündigungsandrohung gerügt werden.

Für die in der Abmahnung aufgestellten Tatsachenbehauptungen trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast (ErfK-Niemann, 20. Aufl. 2020, § 626 BGB Rn. 35a; Schaub/Linck, Arbeitsrechts-Handbuch, 18. Aufl. 2019, § 132 Rn. 38). Macht der Arbeitnehmer Rechtfertigungsgründe geltend, muss er substantiiert die Tatsachen vortragen, aus denen eine Rechtfertigung, zum Beispiel eine Genehmigung des Verhaltens folgen soll.

Die Beklagte hat vorgetragen, im Gespräch vom 7. Mai 2016, in dem durch den Ortsbürgermeister die mündliche Abmahnung ausgesprochen worden sei, sei auch der Vorfall vom Oktober 2015 angesprochen worden. Sie hat weiter vorgetragen, dass vom Ortsbürgermeister sodann wegen des Verhaltens des Klägers eine mündliche Abmahnung ausgesprochen habe. Er habe den Kläger darauf hingewiesen, dass er mit der fehlerhaften Arbeitszeiteintragung für den 27. April 2016 seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt habe. Demgegenüber hat die Beklagte nicht vorgetragen, dass der Ortsbürgermeister – nachdem er den Vorfall vom Oktober 2015 auch angesprochen hatte – diesen ebenfalls zum Gegenstand der Abmahnung gemacht hat. Die von der Beklagten geschilderten und unter Beweis gestellten Beobachtungen ihres Ortsbürgermeisters am 6. Oktober 2015 – als zutreffend unterstellt – begründen außerdem nicht einen Arbeitszeitbetrug des Klägers an diesem Tag. Die Beobachtungen des Ortsbürgermeisters sind Momentaufnahmen von 14.45 Uhr, 15.00 Uhr und 15.15 Uhr. Ob der Kläger zu den späteren Zeiten durchgehend an einen Anhänger gelehnt gestanden und nicht gearbeitet hat oder wiederholt, können die punktuellen Beobachtungen des Ortsbürgermeisters nicht belegen, auch wenn dieser subjektiv davon ausging der Kläger habe „unverändert“ dort gestanden. Weiter aufgeklärt – etwa durch Befragung des an diesem Tag mit dem Kläger zusammenarbeitenden Kollegen K. – hat die Beklagte den Sachverhalt nicht. Der bloße Verdacht einer Pflichtverletzung kann nicht abgemahnt werden. Die Beklagte hat außerdem auch selbst nicht behauptet und kann insbesondere angesichts des Lebensalters des Klägers und der zu verrichtenden körperlichen Arbeiten nicht erwarten, dass der Kläger unablässig körperlichen Einsatz erbringt. Ob der Kläger am genannten Tag den ihm übertragenen Arbeitsauftrag als solchen nicht fertigstellte, hat die Beklagte im vorliegenden Verfahren nicht dargelegt.

Den Vorfall vom 27. April 2016 hat der Ortsbürgermeister – den Vortrag der Beklagten als zutreffend unterstellt – hingegen ausdrücklich zum Gegenstand der Abmahnung gemacht. Bei der Schilderung der Korrektur im Stundenzettel durch den Kläger bleibt jedoch unklar, ob der Kläger eine Korrektur des Stundenzettels vor der Abgabe vorgenommen hat oder ob er diesen bereits abgegeben hatte. Nur in dem letzten Fall läge eine Pflichtverletzung vor, die hätte abgemahnt werden können. Eine ordnungsgemäße Abmahnung liegt damit nicht vor.

c) Im Zeitpunkt des Ausspruchs der außerordentlichen Kündigung lag der von der Beklagten behauptete Ausspruch einer Abmahnung bereits mehr als zwei Jahre zurück. Die Warnfunktion einer von dem Ortsbürgermeister ausgesprochenen Abmahnung wäre nach diesem Zeitablauf bereits abgeschwächt. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass sie nicht schriftlich niedergelegt wurde, nicht erneut nachgelesen werden kann und damit leichter in Vergessenheit gerät.

d) Das Verhalten des Klägers stellt eine objektiv schwerwiegende, das Vertrauensverhältnis der Parteien erheblich belastende Pflichtverletzung dar. Der Kläger wusste, dass mit der Angabe „3,0 Stunden Straßenreinigung“ diese drei Stunden als Arbeitszeit erfasst würden, obwohl er in dieser Zeit keine Straßenreinigung durchgeführt hat.

Die Beklagte muss sich auch bei der Zeiterfassung auf die Zuverlässigkeit und Korrektheit ihrer Mitarbeiter verlassen können. Jeder Mitarbeiter hat die Pflicht, sich so zu verhalten, dass es um seinetwillen einer Kontrolle nicht bedürfte. Gerade, wenn die Beklagte ihren Arbeitnehmern viele Freiheiten hinsichtlich der Einteilung ihrer Arbeitszeiten lässt, so beispielsweise das Abfeiern von Überstunden „auf Zuruf“, hat ein Fehlverhalten der Arbeitnehmer bei der Dokumentation der Arbeitszeiten einen erheblichen Vertrauensverlust zur Folge.

Aber auch wenn das Verhalten des Klägers das Vertrauensverhältnis erheblich belastet hat, so sind auch die weiteren Besonderheiten des Streitfalls angemessen zu würdigen. Unter Berücksichtigung dieser weiteren Umstände überwiegt, auch in dem Fall, dass der Kläger am 7. Mai 2016 bereits einmal wirksam mündlich abgemahnt worden wäre, das Interesse des Klägers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gegenüber demjenigen der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Dem Kläger musste bekannt sein, dass er Zeiten der Physiotherapie und Wegezeiten als solche und nicht als „Straßenreinigung“ anzugeben hatte. Unklarheiten bestanden jedoch im Hinblick auf die dahinterstehende, für die Beurteilung der Schwere der Pflichtverletzung maßgebliche Frage, welche Zeiten von der Beklagten zu vergüten sind bzw. vergütet werden und vom Kläger als Arbeitszeit angegeben werden können. Eine (weitere) Abmahnung vermochte hier zweifelsfrei klarzustellen, unter welchen Voraussetzungen Zeiten der Physiotherapie als Arbeitszeit vergütet werden, welche Wegezeiten für erforderlich erachtet werden, insbesondere ob auch die für das häusliche Anlegen der Arbeitskleidung nach der Physiotherapie erforderliche Zeit im Rahmen der Wegezeiten berücksichtigt wird, wie Zeiten nach § 29 Abs. 1 Buchst. f TVöD als solche zu kennzeichnen sind und wann sowie in welcher Art und Weise die (unstreitig nicht von der Arbeitszeitverordnung abgedeckte, vgl. hierzu S. 3 der Mitarbeiteranweisung vom 5. Dezember 2016) Frühstückspause als Arbeitszeit notiert werden kann. Zwar hat die Beklagte im Berufungsverfahren zutreffend darauf hingewiesen, dass nach § 29 Abs. 1 Buchst. f TVöD der Beschäftigte nur dann unter Fortzahlung des Entgelts freigestellt werden muss, wenn die Wahrnehmung dieses Termins nicht außerhalb der Arbeitszeit stattfinden kann, der Kläger hat aber behauptet, die Wahrnehmung von medizinischen Terminen werde bei der Beklagten als bezahlte Arbeitszeit behandelt. Diesem Vortrag ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass eine Klarstellung seitens der Beklagten, dass dies – entsprechend der Regelung des TVöD – nur für solche medizinischen Termine gilt, die nicht außerhalb der Arbeitszeit stattfinden können, dazu führen würde, dass der Kläger solche Termine außerhalb der Arbeitszeit wahrnimmt oder solche nebst Wegezeiten nicht als Arbeitszeit angibt. Auch die Mitarbeiteranweisung vom 5. Dezember 2016 ist hinsichtlich der von den Arbeitnehmern einzuhaltenden und zu dokumentierenden Arbeitszeiten in vielfacher Hinsicht nicht stringent und gestattet die Erfassung diverser Zeiten der Nichtarbeit, so die Erfassung einer halbstündigen Frühstückspause und von Zeiten zwischen Pause und Arbeitsaufnahme (Ende Frühstückspause um 9:15 Uhr oder 9:45 Uhr und Arbeitsaufnahme ca. 9:20 Uhr oder 9:50 Uhr; Ende der Mittagspause um 12:30 Uhr und Arbeitsaufnahme um 9:50 Uhr). Auch insoweit ist davon auszugehen, dass der Kläger sich bei entsprechend klaren Regelungen in Zukunft vertragsgemäß verhalten wird.

Der Kläger hat außerdem seinem Kollegen K. am 25. Mai 2018 jedenfalls telefonisch mitgeteilt, dass er nicht mehr kommen werde, weil sich dies nicht mehr lohne. Sein Verhalten war nicht auf Heimlichkeit angelegt, wenn auch die abrechnende Stelle die falsche Angabe des Klägers in dem Arbeitsbericht nicht erkennen konnte. Für den Grad des Verschuldens und die Möglichkeit einer Wiederherstellung des Vertrauens macht es objektiv einen Unterschied, ob es sich bei einer Pflichtverletzung um ein Verhalten handelt, das insgesamt auf Heimlichkeit angelegt ist oder nicht.

Zu berücksichtigen ist weiter, dass der Kläger durch seine langjährige im Wesentlichen beanstandungsfreie Tätigkeit seit 1989 Loyalität zur Beklagten gezeigt. Die Beklagte hat hinsichtlich von Störungen des Arbeitsverhältnisses auf die Vorkommnisse im Oktober 2015 und April 2016 hingewiesen. Auch bis zu diesen Vorfällen bestand das Arbeitsverhältnis jedoch seit mehr als 26 Jahren bestandungsfrei. Soweit die Beklagte weiter ausgeführt hat, die Mitarbeiter Ka. und K. hätten den Kläger in einem Gespräch vom 29. Juni 2018 als Menschen geschildert, der sich nichts sagen lasse und tue was er wolle, er sei schon durch den zwischenzeitlich berenteten Vorarbeiter Ru. immer wieder ermahnt worden, die zugewiesenen Arbeiten zu erledigen, er sei einfach heimgegangen, wenn ihm etwas nicht gepasst habe und habe sich früher stundenlang mit einem Betriebsfahrzeug der Ortsgemeinde in den Wald zurückgezogen um dort konsequent nichts zu tun, hat die Beklagte keine konkreten, nachprüfbaren Tatsachen vorgetragen, die ein solches Verhalten des Klägers belegen könnten.

Eine für lange Jahre ungestörte Vertrauensbeziehung zweier Vertragspartner wird nicht notwendig schon durch eine erstmalige Vertrauensenttäuschung vollständig und unwiederbringlich zerstört. Je länger eine Vertragsbeziehung ungestört bestanden hat, desto eher kann die Prognose berechtigt sein, dass der dadurch erarbeitete Vorrat an Vertrauen durch einen erstmaligen Vorfall nicht vollständig aufgezehrt wird. Dabei kommt es nicht auf die subjektive Befindlichkeit und Einschätzung des Arbeitgebers oder bestimmter für ihn handelnder Personen an. Entscheidend ist ein objektiver Maßstab. Maßgeblich ist nicht, ob der Arbeitgeber hinreichendes Vertrauen in den Arbeitnehmer tatsächlich noch hat. Maßgeblich ist, ob er es aus der Sicht eines objektiven Betrachters haben müsste. Im Arbeitsverhältnis geht es nicht um ein umfassendes wechselseitiges Vertrauen in die moralischen Qualitäten der je anderen Vertragspartei. Es geht allein um die von einem objektiven Standpunkt aus zu beantwortende Fragte, ob mit einer korrekten Erfüllung der Vertragspflichten zu rechnen ist (BAG 10. Juni 2010 – 2 AZR 541/09 – Rn. 47). Das in der mehr als 28,5-jährigen, davon jedenfalls mehr als 26-jährigen unbeanstandeten Beschäftigungszeit vom Kläger erworbene Maß an Vertrauen in die Korrektheit seiner Aufgabenerfüllung und in die Achtung der Interessen der Beklagten schlägt hoch zu Buche. Angesichts des auf maximal 3 Stunden begrenzten Schadens, der der Beklagten durch den vom Kläger an einem Tag unkorrekt ausgefüllten Arbeitsbericht drohten, ist das Interesse des 1960 geborenen Klägers an seiner Weiterbeschäftigung höher zu bewerten als der Wunsch der Beklagten, nur einen Mitarbeiter weiter zu beschäftigen, der in jeder Hinsicht und ausnahmslos ohne Fehl und Tadel ist. Objektiv ist das Vertrauen in die Zuverlässigkeit des Klägers nicht derart erschüttert, dass dessen vollständige Wiederherstellung und ein künftig erneut störungsfreies Miteinander der Parteien nicht in Frage käme. Zu Gunsten des Klägers waren weiter sein Lebensalter, die damit verbundene Schwierigkeit, einen anderen Arbeitsplatz zu finden und seine Unterhaltspflicht zumindest gegenüber seiner Ehefrau zu berücksichtigen.

5.

Soweit die Beklagte sich zur Rechtfertigung der Kündigung auch auf den Verdacht des Versuchs zur Erschleichung von Arbeitsentgelt (Arbeitszeitbetrug) berufen hat, bedarf es keiner gesonderten Prüfung, da zur Überzeugung des Gerichts die Pflichtwidrigkeit tatsächlich feststeht. Maßgebend ist allein der objektive Sachverhalt, wie er sich dem Gericht nach dem Parteivorbringen und gegebenenfalls nach einer Beweisaufnahme darstellt (BAG 10. Juni 2010 – 2 AZR 541/09 – Rn. 23).

II.

Auch durch die außerordentliche Kündigung vom 12. Juli 2018 ist das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht beendet worden. Sie ist weder als Tat- noch als Verdachtskündigung wirksam.

1.

Wie oben unter B.I.2 dargelegt, ist der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung im Sinn von § 626 Abs. 1 BGB darzustellen.

Für das Vorliegen eines wichtigen Grundes ist der Arbeitgeber darlegungs- und beweispflichtig. Die Beklagte hat nicht substantiiert Umstände dargelegt, aus denen sich ergibt, dass der Kläger am 30. Mai 2018 – entgegen seinen Angaben im Arbeitsbericht in diesem Tag – keine Toilettenreinigung in der Turnhallt vorgenommen hat.

Der Kläger hat die Beklagte ebenfalls nicht darüber getäuscht, dass er Arbeiten in der Turnhalle fälschlich als Arbeitszeit deklarierte. Der Kläger hat die Zeit der – von ihm behaupteten – Arbeit in der Turnhalle als solche angegeben und der Beklagten damit unter anderem die Möglichkeit eröffnet, zu überprüfen, ob diese als Arbeitszeit zu vergüten ist.

2.

Die außerordentliche Kündigung vom 12. Juli 2018 ist auch nicht als Verdachtskündigung wirksam.

Auch der Verdacht, der Arbeitnehmer könne eine strafbare Handlung oder eine schwerwiegende Pflichtverletzung begangen haben, kann einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (st. Rspr., vgl. BAG 25. November 2010 – 2 AZR 801/09 – Rn. 16 mwN.). Der Verdacht muss auf konkrete Tatsachen gestützt sein. Er muss sich aus Umständen ergeben, die so beschaffen sind, dass sie einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zum Ausspruch der Kündigung veranlassen können. Der Verdacht muss dringend sei. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft (BAG 25. November 2010 – 2 AZR 801/09 – Rn. 16 nwN.). Dabei ist für die kündigungsrechtliche Beurteilung der Pflichtverletzung, auf die sich der Verdacht bezieht, ihre strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend. Entscheidend ist der Verstoß gegen vertragliche Haupt.- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch.

Den Arbeitgeber trifft im Kündigungsschutzprozess die Darlegungs- und Beweislast sowohl für die Pflichtverletzung als auch für diejenigen Tatsachen, die einen vom Gekündigten behaupteten Rechtfertigungsgrund ausschließen. Allerdings kann den Arbeitnehmer eine sekundäre Darlegungslast treffen. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber als primär darlegungsbelastete Partei außerhalb des fraglichen Geschehensablaufs steht, während der Arbeitnehmer aufgrund seiner Sachnähe die wesentlichen Tatsachen kennt. In einer solchen Situation kann der Arbeitnehmer gehalten sein, dem Arbeitgeber durch nähere Angaben weiteren Sachvortrag zu ermöglichen. Kommt er in einer solchen Prozesslage seiner sekundären Darlegungslast – an die keine überzogenen Anforderungen gestellt werden dürfen – nicht nach, gilt das tatsächliche Vorbringen des Arbeitgebers – soweit es nicht völlig „aus der Luft gegriffen“ ist – im Sinn von § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden.

Ein dringender Verdacht, dass der Kläger in seinem Arbeitsbericht vom 30. Mai 2018 1,0 Stunde Putzen in der Turnhalle notiert hat, obwohl er dort keine Arbeitsleistung erbracht hat, besteht nach der Überzeugung der Kammer unter Zugrundelegung dieser Grundsätze nicht.

Die Beklagte begründet ihren Verdacht eines Arbeitszeitbetrugs damit, dass es nicht zu den Aufgaben des Klägers gehört habe, sich um die zum örtlichen Kinder-, Jugend- und Kulturzentrum gehörende Turnhalle zu kümmern. Hieraus ergibt sich jedoch nicht, dass er tatsächlich keine Arbeiten dort ausgeführt hat, zumal er sich wegen des unstreitig angekündigten Besuchs der Firma G. in diesem Gebäude aufhielt und die Arbeitsanweisung vom 5. Dezember 2016 ausdrücklich „mehr Eigeninitiative“ forderte sowie ausdrücklich Kontrollen der Räumlichkeiten im Jugend- und Kulturzentrum innerhalb der normalen Arbeitszeit ansprach.

Soweit die Beklagte darauf hingewiesen hat, dass der Kläger gegenüber seinem Kollegen Ka. geäußert haben soll, er hole sich die Stunden, die man ihm wegen der Entziehung der Hausmeister- und Reinigungsarbeiten genommen habe, schon wieder, enthält dieser Vortrag keine Tatsachen, die den Verdacht stützen, der Kläger habe gerade am 30. Mai 2018 Arbeiten in der Turnhalle angegeben, obwohl er dort gar nicht tätig geworden sei. Dies gilt ebenso für den Hinweis darauf, dass es ins Bild passe, dass es sich bei dem 30. Mai 2018 um den Tag vor dem Brückentag gehandelt habe.

Der Kläger musste auch nicht im Rahmen einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast detaillierter dazu vortragen, wann konkret er genau welche Aufgaben er im Bereich der Turnhalle vorgenommen habe und insbesondere welche Toilette er auf welche Weise und mit welchem Zeitaufwand angeblich gereinigt habe. Der Kläger hat insoweit die Zeit mit „nach seiner Mittagspause“ und der Dauer von einer Stunde angegeben, den Ort mit „Turnhalle“ und die Art der Arbeit mit der Reinigung einer verschmutzten Toilette. Weiteren Vortrag muss der Kläger nicht erbringen, um der für den Kündigungsgrund darlegungsbelasteten Beklagten einen sachdienlichen Vortrag zu ermöglichen.

Die Berufung der Beklagten hatte daher keinen Erfolg.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.

 

 

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