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Fristlose Kündigung – grob nachlässige Prüfung von Kreditbewilligungen

Landesarbeitsgericht Düsseldorf – Az.: 3 Sa 677/20 – Urteil vom 19.01.2021

I.Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 13.03.2020 – Az.: 1 Ca 1128/19 – wird zurückgewiesen.

II.Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III.Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses durch die außerordentliche, fristlose Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 26.09.2019 sowie über den Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers.

Der Kläger, geboren am 31.05.1965, verheiratet und zwei minderjährigen Kindern unterhaltsverpflichtet, ist seit Januar 1987 bei der Beklagten beschäftigt. Bis zum 30.06.2019 war er als Abteilungsleiter Immobilien und Versicherungscenter tätig, seit dem 01.07.2019 als stellvertretender Vertriebsdirektor Immobilien- und Verbundgeschäfte und Leiter der Immobilienberatung (Maklergeschäft). Sein Bruttojahresverdienst belief sich zuletzt im Jahr 2018 auf 101.070,61 EUR. Nach den aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Vorschriften des TVÖD-S ist der Kläger ordentlich unkündbar.

Ausweislich der seitens der Beklagten eingereichten Stellenbeschreibung (Anlage H 12 Blatt 196 der Akte), auf die ergänzend Bezug genommen wird, oblagen dem Kläger nachfolgende Arbeitsvorgänge:

  • Personalführung 30%
  • Teilnahme an internen Besprechungen (Führungskreis etc) 5 %
  • Teilnahme an externen Besprechungen (Facharbeitskreise etc.) 5 %
  • Koordination der Verbundarbeit 5 %
  • Leitung Bereich Private Wohnungsbaufinanzierung 10%
  • Agenturleitung N. 10%
  • Agenturleitung O.. 10%
  • Agenturleitung O.. Immobilien 1 %
  • Seminartätigkeiten 5 %
  • Diverse Verwaltungstätigkeiten 5 %

In der Abteilung des Klägers arbeiteten zuletzt 23 Mitarbeiter. Neben dem Wohnungsbaubereich mit 12 Mitarbeitern war der Kläger zuständig für das gesamte Immobilienmaklergeschäft (vier Mitarbeiter) und das Versicherungs-/Bauspargeschäft (7 Mitarbeiter). Im Wohnungsbaubereich betrug das Beschlussvolumen zuletzt ca. 180 Mio EUR, bearbeitet wurden ca. 1.000 Fälle pro Jahr. Dem Kläger oblagen eine Vielzahl von Aufgaben in den verschiedenen Bereichen, er hatte Berührung zu einer Vielzahl von Kundenfällen, im Wohnungsbaubereich beispielhaft durch Genehmigung von Sonderkonditionen, Fallbesprechungen etc.

Zur Abteilung des Klägers gehörte als Teamleiter der Mitarbeiter X. sowie als Sachbearbeiter (Wohnungsbauspezialist) der Mitarbeiter T..

Der Prozess der Kreditvergabe bei der Beklagten lief wie folgt ab. Der Sachbearbeiter, d.h. im hier interessierenden Zusammenhang der Mitarbeiter T.

  • ermittelte die Vortaxe (ca. 70 % des Verkehrs- oder Veräußerungswertes) als Indikator für den Beleihungswert. Der Sachbearbeiter erfuhr dabei bei vermieteten Objekten Unterstützung durch die Gutachterstelle, insoweit als diese ihm den Vervielfältigungsfaktor der Jahresmieterträge und den Abschlagfaktor für die Vortaxeermittlung mitteilte. Der Beleihungsauslauf (d.h. der Quotient aus Darlehensvolumen : Vortaxewert) sollte dabei den Faktor von 143 % des Vortaxewertes nicht überschreiten. Mindestens die Kaufnebenkosten sollten zudem grundsätzlich aus Eigenkapital aufgebracht werden.
  • erfasste die Eigenmittel der Darlehensnehmer im System.
  • erfasste die Ziele des Kunden.
  • erfasste die Finanzierungsbausteine aus der EDV.
  • stellte die Kapitaldienstberechnung unter Erfassung aller Einnahmen und Ausgaben des Kunden an.
  • bewertete die Kapitaldienstermittlung und schätzte die Kapitaldienstfähigkeit ein. Letztere war regelmäßig dann gegeben, wenn die Einnahmen die Zins- und Tilgungsraten deutlich überstiegen.
  • verfasste eine Stellungnahme, in der er die Chancen und Risiken gegeneinander abwog und ein Fazit zog.
  • gab eine Risikoeinschätzung ab und wertete final, ob eine Finanzierung möglich war. Er gab ein Kreditvotum ab.
  • ermittelte und wählte die Kompetenzstufe (Sachbearbeiter / Teamleiter / Abteilungsleiter / Vorstand), insbesondere nach Darlehenssumme.

Soweit nach Auswahl der Kompetenzstufe der Sachbearbeiter selbst Kompetenzträger war, genehmigte er den Kreditantrag selbst. Überstieg die Obligogröße die Kompetenzstufe des Sachbearbeiters, wurde der Vorgang dem zuständigen Kompetenzträger (Teamleiter / Abteilungsleiter / Vorstand) zur Entscheidung vorgelegt.

Wurden Kredite nicht durch den Sachbearbeiter T. selbst bewilligt, erfolgte die Bewilligung nach Prüfung durch den jeweiligen Kompetenzträger. Herr T. hatte eine Bewilligungskompetenz in den besten drei Bonitätsklassen bis maximal 450.000,- EUR. Der Teamleiter X. hatte in diesem Bereich eine Bewilligungskompetenz oberhalb von 450.000,- EUR bis 600.000,- EUR und der Kläger hatte dort eine Bewilligungskompetenz für Darlehenssummen oberhalb von 600.000,- EUR bis 750.000,- EUR. In den Bonitätsklassen 4-9 verringerte sich die Kompetenz des Klägers auf Darlehensvolumen in Höhe von 600.000,- EUR und in den Klassen 10 – 15 auf maximal 300.000,- EUR. Bei noch schlechterer Bonität stand ihm keine Bewilligungskompetenz mehr zu. Außerhalb der Kompetenzen der Wohnungsbauspezialisten, des Teamleiters und des Abteilungsleiters bestanden ausschließlich Bewilligungskompetenzen des Vorstandes und des Risikoausschusses. Bei Vorstandsbewilligungen hatte zunächst jedoch neben dem Kreditbeschluss des Wohnungsbauspezialisten eine Befürwortung durch den Teamleiter X. zu erfolgen.

Im Anschluss an die Kreditbewilligung wurden die Unterlagen durch den Sachbearbeiter an die sogenannte Marktfolge weitergeleitet, die die endgültigen Kredit- und Sicherheitsverträge auf Basis des Kreditbeschlusses erstellte und diese anschließend wieder dem Sachbearbeiter zuleitete, der den Vertrag dann final mit dem Kunden abschloss. Da der Kreditbeschluss durch die Entscheidung des jeweiligen Kompetenzträgers vor Weiterleitung an die Marktfolge bereits endgültig gefasst worden war und die Beklagte mit einem „Ein-Voten-System“ arbeitete, fand in der Marktfolge keine weitere umfassende materielle Kontrolle des eigentlichen Kreditbeschlusses mehr statt.

Kunden wurden der Beklagten unter anderem von Darlehensvermittlern und Tippgebern vermittelt. Darlehensvermittler standen anders als Tippgeber in einer festen Vertragsbeziehung zur Beklagten und mussten einen Nachweis nach § 34i GewO erbringen. Die Tippgeber erhielten für einen Tipp, der zu einem Vertragsabschluss führte, eine Provision. Einer dieser Tippgeber war Herr B., der dem Wohnungsbauspezialisten T. Immobiliendarlehen zugunsten der Beklagten vermittelte und die hieraus erzielten Provisionen über seine Ehefrau abrechnete. Insgesamt vermittelte Herr B. in der Zeit von Juni 2017 bis Juli 2019 sechzig Kreditvorgänge mit einem Gesamtvolumen von ca. 27,6 Millionen EUR. 12 dieser Kredite bewilligte der Wohnungsbauspezialist T. selbst, jeweils einen Kredit bewilligten zwei andere Wohnungsbauspezialisten, 20 Kredite bewilligte der Teamleiter X. auf der Grundlage der von Herrn T. vorbereiteten Kreditbeschlüsse, 10 weitere Kredite wurden in gleicher Weise von dem Kläger bewilligt und 16 Kredite wurden auf der Grundlage der von Herrn T. vorbereiteten Kreditbeschlüsse und mit schriftlicher Befürwortung des Teamleiters X. durch den Vorstand bewilligt.

Aufgrund eines in der zweiten Jahreshälfte 2019 aufgekommenen Verdachts, dass die vorstehend genannten, positiven Kreditbeschlüsse auf einem kollusiven Zusammenwirken in betrügerischer Absicht zwischen dem Sachbearbeiter T. und Herrn B. beruhten, erstattete die Beklagte gegen beide Personen mit Schreiben vom 26.08.2019 Strafanzeige wegen des Verdachts des bandenmäßigen Betruges, der Untreue, der Urkundenfälschung, des Kapitalanlagenbetruges und wegen Verstößen gegen das Kreditwesengesetz. Die Beklagte stützte dies auf den Vorwurf, dass sämtliche der 60 Kredite nicht hätten bewilligt werden dürfen, da in diversen Fällen die Bonität der Kreditnehmer unzureichend gewesen sei, zum Teil Eigenkapital nur vorgetäuscht worden sei, oftmals extrem überhöhte Kaufpreise vereinbart worden seien bzw. Teile des Kaufpreises an Dritte geflossen seien; zudem sei der Beleihungswert zahlreicher Immobilien deutlich zu hoch angesetzt worden. Die Darlehnsnehmer hätten eine Provision an Herrn B. gezahlt, die dieser sich mit dem Sachbearbeiter T. geteilt habe. In diesem Zusammenhang habe Herr T. Bestechungsgelder in Höhe von mindestens 187.000,- EUR erhalten.

Das Arbeitsverhältnis des Sachbearbeiters und Wohnungsbauspezialisten T. wurde von der Beklagten Anfang September 2019 fristlos gekündigt. Ferner kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Teamleiters X. mit Schreiben vom 23.09.2019 fristlos. Dieser hat gegen die Kündigung Kündigungsschutzklage erhoben, die sowohl vor dem Arbeitsgericht Solingen (Az.: 2 Ca 1091/19) als auch im Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urteil vom 11.12.2020 – 6 Sa 420/20) erfolgreich war.

Dem Kläger warf die Beklagte vor, bei sämtlichen durch ihn bewilligten Kreditvorgängen kumuliert Fehler begangen zu haben, die sie im Einzelnen aufschlüsselte. Im Durchschnitt ergaben sich dabei nach dem Vortrag der Beklagten 7,2 Fehler pro Bewilligungsvorgang. Nach der Aufstellung der Beklagten litten auch die seitens des Vorstandes in eigener Kompetenzträgerschaft bewilligten Kredite an denselben Beanstandungen. Ausweislich der seitens der Beklagten eingereichten Anlage H 14 (Blatt 203 ff. der Akte) litten die in Kompetenzträgerschaft des Vorstands erfolgten 16 Bewilligungen an durchschnittlich 7,38 Fehlern und enthielten Beleihungsausläufe bis zu 260 %. Im Durchschnitt belief sich der Beleihungsauslauf bei den seitens des Vorstands durchgeführten Bewilligungen auf 175 %, beim Kläger auf ca. 181 %.

Die Beklagte hörte den Kläger mit Schreiben vom 10.09.2019 (Blatt 123 ff. der Akte) unter Fristsetzung bis zum 18.09.2019 zu den streitgegenständlichen Vorwürfen an. Mit Schreiben vom 18.09.2019 (Blatt 133 ff. der Akte) nahm der Kläger zu den Vorwürfen Stellung.

Mit Schreiben vom 26.09.2019 (Blatt 4 der Akte) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos.

Hiergegen hat der Kläger mit am 01.10.2019 bei dem Arbeitsgericht Solingen eingegangener und der Beklagten am 08.10.2019 zugestellter Klageschrift Kündigungsschutzklage erhoben.

Der Kläger hat behauptet, ihm sei es nicht möglich gewesen, etwaig gefälschte Unterlagen zu identifizieren. Er habe die vorgelegten Kreditbeschlüsse lediglich auf Schlüssigkeit zu prüfen gehabt. Insoweit hat der Kläger unter anderem auf das auch hinsichtlich der 60 angeführten Fälle vorgegebene, sogenannte Ein-Voten-System verwiesen. Der Kreditvorgang sei zudem nicht mit der Bewilligung durch den Kompetenzträger abgeschlossen, sondern ihr folge die Überprüfung durch den Bereich Marktfolge. Da die Beklagte vortrage, der Mitarbeiter T. hätte diverse Unterlagen gefälscht, sei nicht auszuschließen, dass Unterlagen auch nach Bewilligung durch den Kläger ausgetauscht worden seien. Die Überschreitung des BW-Auslaufs sei der Beklagten bekannt und vom Vorstand gebilligt gewesen. Die verzerrten Darstellungen im Kreditbeschluss könnten dem Kläger nicht zum Vorwurf gemacht werden, da dieser durch den Mitarbeiter T. erstellt worden sei. Die Überprüfung der Eigenkapitalnachweise sei nicht Aufgabe des Klägers gewesen. Zu beachten sei, dass der Kläger auch keinen Überblick über die „B.-Fälle“ gehabt habe, so dass er nicht habe erkennen können, das in nahezu allen Fällen die Kunden einen plötzlichen Geldsegen erfahren hätten. Nicht dargelegt sei, warum der Kläger in einigen von der Beklagten ihm vorgeworfenen Fällen nicht in eigener Kompetenz hätte entscheiden dürfen, sondern eine Genehmigung durch den Vorstand hätte einholen müssen. Es liege auch keine Aufsichtspflichtverletzung gegenüber den Mitarbeitern T. und X. vor. Die Koordinierung und Überwachung der Vermittlerbetreuer sei nicht Aufgabe des Klägers gewesen. Dies ergebe sich auch nicht aus der Stellenbeschreibung. Die Beklagte trage nicht vor, welche Aufsichtspflichten den Kläger konkret getroffen hätten. Es sei zu beachten, dass auch anderen Abteilungen (interne Revis ion, Betrugsprävention, Marktfolge etc) über zwei Jahre keine Ungereimtheiten aufgefallen seien. Der Mitarbeiter T. sei bis zum Bekanntwerden der Vorgänge ein hochangesehener, vom Vorstand ausgezeichneter Mitarbeiter gewesen. Eine Anweisung des Vorstands H. habe der Kläger nicht missachet. Ein Gespräch am 02.08.2019 habe es mit dem dargestellten Inhalt nicht gegeben. Zudem seien am 02.08.2019 ohnehin alle streitgegenständlichen Kreditvorgänge bereits abgeschlossen gewesen. Auch in den Monaten zuvor habe es entsprechende Hinweise nicht gegeben. Dies sei auch kaum nachzuvollziehen, habe der Vorstand doch den Mitarbeiter T. weiter gewähren lassen und selbst noch am 01.07.2019 eine seiner Vorlagen bewilligt. Die Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB hat der Kläger ebenso bestritten wie die ordnungsgemäße Anhörung des Personalrats. Die für eine Verdachtskündigung erforderliche Anhörung hat er zudem für unzureichend erachtet, da die Beklagte ihm lediglich exemplarisch zwei Kreditgenehmigungen vorgehalten habe, ohne die zugehörigen Kreditbeschlüsse bzw. die Kreditakten beizufügen. Der Kläger habe nicht aus dem Gedächtnis die Vorgänge erinnern können, worauf er in der Stellungnahme vom 18.09.2019 – unstreitig – auch ausdrücklich hingewiesen habe.

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

1.festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 26.09.2019 aufgelöst worden ist;

2.hilfsweise, für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu den bisherigen Bedingungen als stellvertretenden Vertriebsdirektor Immobilien- und Verbundgeschäfte und Leitung der Immobilienberatung (Maklergeschäft) zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, der Personalrat sei mit Schreiben vom 24.09.2019, wegen dessen Inhalts auf Blatt 137 ff. der Akte Bezug genommen wird, ordnungsgemäß zur Kündigung angehört worden und habe am 26.09.2019 vor Ausspruch der Kündigung hierzu abschließend Stellung genommen. Der Kläger habe seine Aufsichtspflichten gegenüber dem Mitarbeiter T. verletzt. Ihm habe auch die Koordinierung und Überwachung der Vermittlerbetreuung oblegen. Nach den bei der Beklagten geltenden Arbeitsanweisungen habe ihm die Überwachung und Funktion des innerbetrieblichen Kontrollsystems, die ordnungsgemäße Durchführung der delegierten Aufgaben sowie die Kontrolldurchführung und Aufstellung von Qualitätsgrundsätzen und deren Umsetzung oblegen. Der bei der Beklagten – unstreitig – geltende Verhaltenskodex verpflichte ihn, bei Transaktionen auf Verdachtsmomente zu achten. Zwar sehe die reine Kompetenzordnung eine Überprüfung der Bewilligungen durch den Mitarbeiter T. nicht vor, doch seien die Hinweise dergestalt gewesen, dass sich eine gesonderte Überprüfung aus den Umständen aufgedrängt habe. Insbesondere sei dabei die 300-prozentige Zielerreichung zum Halbjahr zu nennen. Hinzu komme, dass der Kläger besonders hätte sensibilisiert sein müssen, da er die Arbeitsanweisung OHB #133 selbst mitentwickelt habe. Im Rahmen der eigenen Kompetenzträgerschaft habe der Kläger weitergehende eigene Pflichten bei der Kreditbewilligung gröblich verletzt. Nachdem die Beklagte insoweit zunächst behauptet hatte, der zuständige Kompetenzträger überprüfe den vorgefertigten und votierten Beschluss des Sachbearbeiters lediglich auf Schlüssigkeit, hat sie zuletzt behauptet, dass der Kompetenzträger in eigener Kreditkompetenz die Kreditbeschlüsse des Mitarbeiters T. sowie den Kreditvorgang an sich zu überprüfen habe. Die Pflichtverletzungen seien besonders schwerwiegend, da der Kläger noch am 02.08.2019 in einem Gespräch mit dem Vorstand H. auf die Vorgänge B. / T. angesprochen worden sei. In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt worden, dass der Vorstand den Kläger in den letzten Monaten mehrfach und häufig auf die Tippgeberfälle angesprochen habe. Er habe ihn insbesondere angewiesen, dass er sich diese Kreditvorgänge sehr intensiv anschauen und prüfen solle, ob sich die Beklagte damit ein Risiko einkaufe. Der Kläger sei bei dem Gespräch am 02.08.2019 betroffen gewesen und habe bestätigt, dass der Vorstand ihn mehrfach angesprochen habe. Im Einzelnen seien dem Kläger bei den Kreditbewilligungen in eigener Kompetenzträgerschaft kumulativ jeweils mehrere der folgenden Arbeitsfehler unterlaufen, wobei nicht in jedem Kreditbewilligungsvorgang sämtliche Fehler aufgetreten seien:

(1)er habe die gemäß OHB #1392 erteilte Kreditbewilligungskompetenz überschritten;

(2)er habe die in OHB #949 festgelegte Geschäfts- und Risikostrategie nicht eingehalten;

(3)er habe Kredite trotz eines ungewöhnlich hohen Beleihungsauslaufes gewährt. Dies widerspreche der Arbeitsanweisung OHB #950, wonach ein angemessener Eigenkapitaleinsatz des Kunden erforderlich sei. Danach sollten mindestens die Kaufnebenkosten aus Eigenkapital erbracht werden. Es komme zwar vor, dass der Beleihungsauslauf überschritten werde. Allerdings sei im Fall des Klägers die Höhe der Überschreitung, die bei 180 %, manchmal bei über 200 % liege, besonders hoch. Dies sei zudem noch in der Gesamtschau mit der schlechten Bonität der Kunden zu sehen;

(4)er habe kritische Expertenhinweise missachtet. So seien Hinweise der Gutachterstelle ignoriert bzw. nicht beachtet worden. Die Beklagte hat jedoch eingeräumt, dass derartiges dem Kläger nicht erkennbar gewesen wäre, wenn der Mitarbeiter T. die entsprechenden Expertenhinweise nicht weitergegeben hätte. Jedoch werde der gesamte Vorgang vorgelegt. Soweit es dort Vorkorrespondenz zwischen der Gutachterstelle und dem Sachbearbeiter T. gegeben habe, müsse dieser in der Akte enthalten sein. Allerdings sei der Beklagten nicht bekannt, wie die Akte ausgesehen habe, als sie dem Kläger vorgelegt worden sei;

(5)es habe eine verzerrte Darstellung der Beschlussstellungnahme gegeben. In den vorgelegten Stellungnahmen sei durch die gewählte Formulierung suggeriert worden, dass eine intensive Einbindung der Gutachterstelle bzw. bereits eine konkrete Bewertung der jeweiligen Immobilien seitens der Gutachterstelle erfolgt sei. In Einzelfällen sei sogar die kritische Rückmeldung der Gutachterstelle in eine positive Interpretation umgedreht und somit im Ergebnis falsch dargestellt worden. Die Beklagte hat auch insoweit eingeräumt, dass dies vom Kläger nicht zu erkennen gewesen wäre, wenn der Mitarbeiter T. dies bereits falsch dargestellt hätte;

(6)er habe die Unterlagen mangelhaft ausgewertet. So seien in einigen Fällen gefälschte Unterlagen vorgelegt worden, die einem erfahrenen Mitarbeiter im Kreditgeschäft hätten auffallen müssen, was sie näher ausgeführt hat. Da es sich insgesamt um kritische Fälle gehandelt habe, habe eine besonders kritische Würdigung erfolgen müssen;

(7)er habe Unterlagen unsorgfältig ausgewertet. So lägen in den beanstandeten Fällen Auffälligkeiten dergestalt vor, dass einerseits fortlaufende Girokontoauszüge eingereicht worden seien und zum Nachweis des Eigenkapitals ein separater Einzelkontoauszug. Insbesondere die Häufung dieser Art der Fälle bei diesem einen Vermittler habe zwingend dazu führen müssen, dass der Kläger kritisch nachfasse. Dies gelte insbesondere dann, wenn der Eigenkapitalnachweis von einem anderen Institut stamme, da die Arbeitsanweisung OHB #3417 festlege, dass bei nennenswerten Vermögenspositionen außerhalb der Beklagten verschärfte Regelungen für die Analyse der eingereichten Unterlagen gelten;

(8)es sei eine unzureichende Kreditwürdigkeitsprüfung erfolgt. Es liege insoweit ein Verstoß gegen Arbeitsanweisung OHB #25587 vor, wonach das Finanzierungsvorhaben zur Einkommens- und Vermögenssituation des Kunden passen müsse. In den vorliegenden Fällen sei das Jahresnettoeinkommen untypisch niedrig, als dass damit eine derart hohe Verschuldung aufgenommen werden könne. Es sei entsprechend unwahrscheinlich, dass der Kreditnehmer seiner Rückzahlungsverpflichtung vertragsgemäß nachkommen könne. Die im Beschluss ausgewiesenen Mieten deckten zwar den Kapitaldienst, der Kunde werde jedoch eindeutig nie in der Lage sein, einen längeren Mietleerstand oder einen parallelen Leerstand mehrerer Wohneinheiten zu verkraften bzw. Rücklagen für erforderliche Reparaturarbeiten anzusparen. Da nicht davon auszugehen sei, dass über die gesamte Darlehenslaufzeit hinweg keine Reparaturnotwendigkeiten entstünden, noch temporäre Mietleerstände einträten, sei bei einer solch geringen Kapitaldienstfähigkeit davon auszugehen, dass es nicht zu einer vertragskonformen Rückzahlung der Kredite komme;

(9)er habe eine mangelnde Sorgfalt bei der Kreditwürdigkeitsprüfung an den Tag gelegt und damit gegen die Arbeitsanweisung OHB #25587 verstoßen. So sei in vielen Fällen das vorgetäuschte bzw. scheinbar eingesetzte Eigenkapital nicht stimmig zu den allgemeinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Kunden gewesen. In einigen Fällen liege ein plötzlicher Geldsegen vor, oder die eingereichten Unterlagen zeigten, dass das Eigenkapital nur durch eine außergewöhnlich hohe Einmalzahlung bzw. Gutschrift nachgewiesen worden sei. Bei einer Häufung derartiger Fälle gerade bei einem einzigen Vermittler hätte genauer geprüft und tiefer recherchiert werden müssen. Die Bonität der Darlehenskonten sei häufig sehr schlecht, was sich unter anderem aus den Kreditbeschlüssen des Mitarbeiters T. selbst ergeben habe. So hätten diese vielfach Kleinstkreditaufnahmen vorgenommen, verfügten über geringe Einkommens- und Vermögensverhältnisse, Girokonten die nicht im Guthabenbereich geführt worden seien bzw. bei denen Guthaben meist über Einzelkontoauszüge belegt worden seien;

(10) er habe bei der Genehmigung von Darlehensauszahlungen diese fehlerhaft getätigt. So sei eine Darlehnsvalutierung angewiesen worden, bevor Eigenmittel eingesetzt worden seien;

(11) ihm seien fehlende oder unzureichend plausibilisierte Mieterträge nicht aufgefallen. Die Arbeitsanweisung OHB fordere eine entsprechende Plausibilisierung der angegebenen Mieteinnahmen. Eine derartige Plausibilisierung sei weder im Kreditbeschluss noch in den Kreditunterlagen ersichtlich vorgenommen worden;

(12) er sei unsorgfältig bei der Kreditwürdigkeitsprüfung vorgegangen. Es sei auffällig, dass zwischen dem Wohnort des Kreditnehmers und der finanzierten Immobilie eine erhebliche räumliche Distanz bestehe. Dies sei für eine Privatperson ungewöhnlich, da jede Mietinteressentenbesichtigung oder jede Inaugenscheinnahme von Reparaturerfordernissen am Objekt mit entsprechenden Wegstrecken verbunden sei;

(13) schließlich seien noch sonstige Feststellungen getroffen worden, die Arbeitsfehler des Klägers nachwiesen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass die streitgegenständlichen Fehler eine außerordentliche Kündigung des Klägers rechtfertigten. Auch die Zweiwochenfrist des §§ 626 Abs. 2 BGB sei eingehalten.

Mit Urteil vom 13.03.2020 hat das Arbeitsgericht Solingen der Klage vollumfänglich stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die fristlose Kündigung sei sowohl als außerordentliche Tat- wie auch als entsprechende Verdachtskündigung unwirksam, da sie den Anforderungen des § 626 Abs. 1 BGB nicht genüge. Die Beklagte habe bereits einen „an-sich“ die Kündigung rechtfertigenden wichtigen Grund nicht hinreichend dargelegt. Weder mit Blick auf die Überwachungspflichten des Klägers gegenüber den Mitarbeitern T. und X. noch mit Blick auf die Pflichten des Klägers im Rahmen der eigenen Kreditbewilligungen seien schwerwiegende Pflichtverletzungen festzustellen. Vielmehr bewerte die Beklagte sämtliche dem Kläger vorgehaltenen Pflichtverletzungen aus einer ex-post Perspektive, indem sie ihrer Bewertung Erkenntnisse aus wochenlangen Recherchen zugrunde lege, die dem Kläger zum Zeitpunkt der behaupteten Pflichtverletzungen nicht bekannt gewesen seien bzw. nicht hätten bekannt sein können. Auf Nachfrage der Kammer habe die Beklagte eine erhöhte Überwachungsverpflichtung des Klägers hergeleitet aus der 300 % Zielerreichung des Sachbearbeiters T. zum Halbjahr, einer Sensibilisierung des Klägers durch den Vorstand und einer Vielzahl gleichlaufender Fälle, beispielsweise mit Blick auf BW-Auslauf, „plötzlicher Geldsegen“, schlechte Vermögenslage etc. Sämtliche dieser Punkte habe die Beklagte zur Beurteilung des Pflichtenmaßstabs des Klägers nicht heranziehen dürfen. Das Indiz einer 300%igen Zielerreichung zum Halbjahr sei zwar ein nachvollziehbares Kriterium, um eine gesteigerte Aufmerksamkeit bei den Vorgesetzten hervorzurufen. Es sei allerdings zu beachten, dass die Beklagte hier einen Zeitraum von mehreren Jahren rückwirkend bewerte. Die Zielerreichung im ersten Halbjahr 2019 könne jedoch erst zum 01.07.2019 eine gesteigerte Aufmerksamkeitsverpflichtung auslösen. Nach diesem Zeitpunkt seien Kreditbewilligungen durch den Kläger nicht mehr erfolgt. Selbst unterstellt, die hohe Zielerreichung hätte sich bereits im Laufe des Jahres 2019 abgezeichnet, so hätte dies einer konkreten Darlegung seitens der Beklagten bedurft, ab welchem Moment welcher Grad der Zielerreichung derart ungewöhnlich gewesen sei, dass er erhöhte Prüfpflichten auslöse. Zudem wären auch dann nicht alle 60 Fälle in die Bewertung der Pflichtverletzung aufzunehmen gewesen, sondern nur diejenigen, die erst nach dem Auslösen der erhöhten Prüfpflichten aufgetreten seien. Aus den gleichen Erwägungen könne sich die Beklagte sich auch nicht auf eine etwaige Sensibilisierung durch den Vorstand berufen. Soweit das Gespräch vom 02.08.2019 betroffen sei, sei dies – unabhängig vom Bestreiten des Klägers – deutlich nach der letzten Bewilligung einer „T.-Vorlage“ erfolgt. Der weitergehende Vortrag der Beklagten, es habe schon in den Monaten davor entsprechende Sensibilisierungen durch den Vorstand gegeben, sei sowohl in zeitlicher als auch in inhaltlicher Hinsicht derart unsubstantiiert, dass er unabhängig von einem Bestreiten seitens des Klägers bereits als unschlüssig nicht berücksichtigungsfähig sei. Dies nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund, dass nicht nachvollziehbar sei, dass der Vorstand den Kläger über Monate sensibilisiert haben wolle, zugleich aber noch selbst im Juli 2019 bzw. Mai 2019 Vorlagen des Sachbearbeiters T. bewilligt habe. Schließlich könne sich die Beklagte auch nicht auf eine gesteigerte Prüfpflicht aufgrund der Vielzahl gleichgelagerter Fälle berufen. Insoweit handele es sich um einen unzulässigen Zirkelschluss. Denn zum einen trage die Beklagte vor, dass der Kläger sich grundsätzlich – nämlich nach der geltenden Kompetenzordnung – die in Eigenkompetenz durch den Mitarbeiter T. bewilligten Vorgänge, ebenso wie die des Mitarbeiters X. bzw. des Vorstands nicht anschauen müsse. Zum anderen versuche sie aber aus der Gesamtübersicht des Klägers über alle Kreditvorfälle – die er sich nach der Kompetenzordnung gerade nicht verschaffen müsse – eine gesteigerte Prüfpflicht abzuleiten. Im Übrigen sei nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger auch die Vorgänge, die in die Kompetenz des Vorstandes gefallen seien, einer nochmaligen Prüfung zu unterziehen gehabt hätte. Allein aus den 10 in Eigenkompetenz entschiedenen Fällen könne eine Gesamtübersicht des Klägers schon deshalb nicht abgeleitet werden, da diese sich über einen Zeitraum von zwei Jahren erstreckten und nach der Stellenbeschreibung des Klägers nur einen kleinen Teil seines Aufgabenspektrums beträfen. Auch mit Blick auf die in Eigenkompetenz entschiedenen Fälle des Klägers sei ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung nicht schlüssig dargelegt. Insoweit wird auf die gesonderten Ausführungen in dem erstinstanzlichen Urteil Bezug genommen. Soweit Pflichtverletzungen – so das Arbeitsgericht – anzunehmen seien, indem zugunsten der Beklagten unterstellt werde, die Kreditakte sei dem Kläger so vorgelegt worden, wie sie sich der Beklagten heute darstelle, gehe jedenfalls die Interessenabwägung zu Lasten der Beklagten aus. Insoweit wäre eine Abmahnung vorrangig gewesen. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass die in Rede stehenden Tätigkeiten, in deren Rahmen sich die Pflichtverletzungen durch den Kläger ereignet haben sollen, nur einen geringfügigen Anteil an den gesamten Arbeitsvorgängen des Klägers gehabt hätten. Stelle man dies in das Verhältnis zur Betriebszugehörigkeit des Klägers und seiner weitergehenden sozialen Schutzwürdigkeit mit Blick auf die Unterhaltspflichten, so könne diese Gewichtung nur zugunsten des Klägers ausgehen. Selbst den Vortrag der Beklagten unterstellt, dürfte der Kläger eher Opfer eines aus Sicht der Beklagten betrügerischen Vorgehens insbesondere des Mitarbeiters T. sein. Da auch eine Umdeutung in eine ordentliche Kündigung nicht möglich sei, beende die ausgesprochene Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht und sei die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers verpflichtet.

Das Urteil des Arbeitsgerichts ist der Beklagten über ihre Prozessbevollmächtigten am 17.04.2020 zugestellt worden. Sie hat mit am 23.04.2020 bei dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf eingegangenem Anwaltsschriftsatz Berufung eingelegt und diese – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist durch Beschluss vom 03.06.2020 bis zum 17.07.2020 – mit am 16.07.2020 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenem Anwaltsschriftsatz begründet.

Die Beklagte verfolgt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens das Begehren auf vollständige Klageabweisung weiter. Sie rügt eine unvollständige sowie fehlerhafte Würdigung ihres Vorbringens durch das Arbeitsgericht. Insbesondere hinsichtlich der 10 von dem Kläger bewilligten Kreditvorgänge behauptet sie, die Mängel der von Herrn T. vorbereiteten Kreditbeschlüsse seien derart offenkundig und gravierend gewesen, dass sie dem Kläger nicht zuletzt aufgrund seiner Fachkenntnisse im Zuge der Bearbeitung zwingend hätten auffallen müssen. Sie hätten den Kläger zumindest zu kritischen Rückfragen bzw. weitergehenden Recherchen veranlassen müssen. Im Einzelnen wird insoweit Bezug genommen auf die gesonderten Ausführungen der Beklagten zu allen 10 Vorgängen unter I. 4. a. – j. der Berufungsbegründung. Danach seien in acht der 10 Fälle mindestens drei gravierende Auffälligkeiten pro Vorgang zu konstatieren, so dass jedenfalls die Kombination zwingend zu weitergehenden Recherchen hätte führen müssen. In zwei Vorgängen habe der Kläger seine unzureichenden Prüfungshandlungen selbst durch falsche Einwertungen bei der Kommentierung dokumentiert. Auch die 32 in die Bewilligungskompetenz von Herrn T. und Herrn X. fallenden Kreditvorgänge hätten durchweg an gravierenden Mängeln gelitten. Insoweit sei dem Kläger eine Verletzung seiner Überwachungs- und Kontrollpflichten als vorgesetzter Abteilungsleiter vorzuwerfen. Der seit Januar 2017 für die Abteilung des Klägers zuständige Vorstand Herr H. habe gegenüber dem Kläger bereits 2018 immer wieder das risikobehaftete Tippgeber-/Vermittlergeschäft thematisiert und den Kläger explizit angewiesen, Herrn B. genau im Auge zu behalten. Dieser sei erstmals deutlich in dem am 31.08.2018 versandten Vermittlerreport 07/2018 sichtbar geworden, weil er in diesem Monat mit 1,2 Mio EUR viertstärkster Vermittler gewesen sei. In dem auf den Report folgenden Jour Fixe am 04.09.2018 habe Herr H. den Kläger erstmals auf Herrn B. angesprochen. Der Kläger habe berichtet, dass es sich bei Herrn B. um einen Vermittler von Herrn T. handele. Er habe betont, Herrn B. sehr gut zu kennen, dieser sei langjähriger Kunde der Beklagten, wohne in R. und er, der Kläger, habe dessen Eltern schon vor 20 Jahren betreut. Nachdem Herr B. auch im Vermittlerreport 08/2018 erneut zu den größten Zuträgern gehört habe, habe der Vorstand Herr H. dies zum Anlass genommen, den Kläger im folgenden Jour Fixe am 01.10.2018 anzuweisen, die von Herrn B. vermittelten Vorgänge in Zukunft eng zu begleiten. Das habe der Kläger zugesichert, jedoch erneut darauf verwiesen, Herrn B. zu kennen und dass Herr H. sich keine Sorgen machen müsse. Es habe alles seine Richtigkeit, auch mit Blick auf die hohen Beleihungsausläufe bestehe kein Grund zur Sorge. In den folgenden Monaten sei das Vermittlungsvolumen von Herrn B. weiter angestiegen, so dass es zum Jahresende 2018 ein Gesamtvolumen von 11 Mio EUR erreicht habe. Ab Januar 2019 habe Herr B. sein Volumen noch einmal steigern können, so dass sich auch in den Monaten Januar bis April äußerst auffällige Ergebnisse aus dem jeweiligen Vermittlerreport ergeben hätten. Diese Zahlen habe Herr H. zum Anlass genommen, den Kläger in den Jour Fixes am 26.03., 02.05. und 15.07.2019 auf Herrn B. anzusprechen und darauf hinzuweisen, dass bei einem derart schnell wachsenden Vermittler besondere Vorsicht geboten sei. Der Kläger habe stets wiederholt, dass kein Grund zur Sorge bestehe und er Herrn B. im Auge habe. Nachdem sich parallel zu dem anwachsenden Vermittlungsvolumen des Herrn B. auch die Zielerreichung von Herrn T. immer weiter gesteigert habe, habe Herr H. auch dies gegenüber dem Kläger in den Jour Fixes ab dem 04.09.2018 immer wieder angesprochen. Der Kläger habe auch hierzu immer wieder versichert, dass kein Anlass zur Sorge bestehe, da Herr T. nun einmal zahlreiche Kunden kenne, die mit ihm sehr zufrieden seien und somit regelmäßig zu ihm zurückkommen würden. In einem Gesprächstermin am 02.08.2019 habe der Kläger gegenüber sämtlichen anwesenden Personen noch einmal ausdrücklich bestätigt, dass er mit Herrn H. mehrfach über Herrn B. gesprochen habe und angewiesen worden sei, sich die Vorgänge genauer anzuschauen. In diesem Gespräch habe der Kläger unter anderem darauf hingewiesen, dass er sich die gesamten Vorgänge „nicht vorstellen“ könne. Der Vorstand Herr H. jedenfalls sei durch die wiederholten Beschwichtigungen des Klägers, denen er vertraut habe, in falscher Sicherheit gewogen worden, was dazu geführt habe, dass auch dieser noch im Mai und Juli 2019 Kreditbewilligungen im Vertrauen auf die Richtigkeit der ihm vorgelegten Kreditbeschlüsse vorgenommen habe. Des Weiteren sei dem Kläger, wie die weiteren Ermittlungen der Beklagten ergeben hätten, bekannt gewesen, dass die Provisionen des Herrn B. stets über dessen Ehefrau abgerechnet worden seien. Die Abteilung des Klägers sei auch unmittelbar für diese Provisionsauszahlung zuständig gewesen. Dem Vorstand Herrn H. hingegen sei dies nicht bekannt gewesen. Diese Abrechnungsmethode hätte den Kläger ebenfalls zwingend zu Rückfragen veranlassen müssen und er hätte sie auch dem Vorstand berichten müssen. Eine weitere schwere Pflichtverletzung liege darin begründet, dass Herr B. anweisungswidrig lediglich als Tippgeber und nicht als Vermittler behandelt worden sei. Da Herr B. nicht nur lediglich Kontakte hergestellt habe, sondern die Kunden auch zu Gesprächen begleitet und Unterlagen eingereicht habe, hätte er nach der bei der Beklagten geltenden OHB-Regelung zu „Grundlagen der Zusammenarbeit mit freien Vermittlern“ (#133) als Vermittler eingeordnet werden müssen. Es hätte ein Vermittlervertrag abgeschlossen und eine Gewerbeerlaubnis nach § 34i GewO von Herrn B. eingeholt werden müssen. Diese hätte Herr B., wie sich der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte entnehmen lasse, mangels Zuverlässigkeit nicht erhalten, da er in ungeordneten Vermögensverhältnissen lebe. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb der Kläger die Einholung einer Gewerbeerlaubnis des Herrn B. zu keinem Zeitpunkt verfolgt habe. Auch insoweit habe er seine Aufsichtspflicht über das Vermittlergeschäft gravierend verletzt. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts seien die Umstände, die den Kläger zur Beachtung seiner Pflichten hätten anhalten müssen, auch nicht nur ex post, sondern schon ex ante derart offenkundig gewesen, dass schwerwiegende und ihm vorwerfbare Pflichtverletzungen vorlägen. Diese seien derart gravierend, dass eine Abmahnung vor Ausspruch entbehrlich gewesen sei. Sie rechtfertigten auch vor dem Hintergrund der langjährigen Betriebszugehörigkeit des Klägers die außerordentliche, fristlose Kündigung.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 13.03.2020 – 1 Ca 1128/19 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Erneut verweist er darauf, dass ihm Fälschungen von Unterlagen durch Kreditnehmer, ggfs. in kollusivem Zusammenwirken mit Herrn T., nicht hätten auffallen können. In allen streitgegenständlichen 60 Fällen, von denen der Kläger selbst ohnehin nur in 10 Fällen die Kreditbewilligung vorgenommen habe, sei Herr T. unstreitig dafür zuständig gewesen, die Unterlagen für die Finanzierungsentscheidung umfassend zu prüfen und den Beschluss und alle relevanten Informationen für den jeweiligen Kompetenzträger vorzubereiten. Diesen Beschluss habe der jeweilige Kompetenzträger und damit auch der Kläger in den ihn betreffenden Fällen selbst nach dem Vorbringen der Beklagten lediglich auf Schlüssigkeit prüfen müssen. Die Beklagte habe bewusst auf ein „Zwei-Voten-System“ verzichtet. Die von der Beklagten im Nachhinein zusammengestellten Ungereimtheiten der streitgegenständlichen Kreditbewilligungen hätten dem Kläger mit den ihm seinerzeit vorliegenden Unterlagen nicht auffallen müssen, eine Offenkundigkeit derselben bestreitet der Kläger. Zu den Vermittlerreports trägt er vor, diese seien explizit an den Vorstand gerichtet gewesen. Aus ihnen habe sich im Übrigen ergeben, dass zwischen Mai und Dezember 2018 der Anteil der Finanzierungen mit einem Beleihungsauslauf von über 140% stets bei mindestens 64,57% gelegen habe. Diese Überschreitung sei dem Vorstand also bekannt gewesen und sei nicht nur gebilligt worden, sondern auch im Rahmen eigener Bewilligungsentscheidungen umgesetzt worden. Die Beklagte habe ihr Vermittlergeschäft gerade durch den Vorstand Herrn H. massiv gesteigert, von 2,4 Mio EUR im Januar 2016 auf 15,2 Mio EUR im Dezember 2018. Herr H. habe für den Vertrieb die Leitlinie formuliert und geprägt „Für Platz 2 stehen wir nicht auf!“. Die Beklagte habe im Vertriebsranking des T. Sparkassen- und H. Platz 1 angestrebt. Ziel sei es gewesen, den Vertrieb zu maximieren. In diesem Zusammenhang seien Risikominderungsmechanismen hintenangestellt worden, ein Zwei-Voten-System wäre kontraproduktiv gewesen und sei daher nicht eingerichtet worden. Zu dem Vorwurf der Verletzung von Aufsichtspflichten bestreitet der Kläger weiterhin, dass ihm eine allgemeine Aufsichts- oder Überwachungspflicht oblegen hätte. Weder aus der Stellenbeschreibung noch aus den OHB folge dies. Selbst eine Stichprobenkontrolle habe ihm nicht oblegen, zumal Stichproben den Schaden bei der Beklagten ohnehin nicht hätten verhindern können. Für Herrn T. sei zudem der Teamleiter Herr X. der unmittelbare Vorgesetzte gewesen und nicht der Kläger als Abteilungsleiter. Falls es also eine Aufsichtspflicht gegeben hätte, hätte diese nicht dem Kläger, sondern Herrn X. oblegen. Bezüglich des Klägers wiederum von einer – bestrittenen – Aufsichtspflicht gegenüber Herrn X. im Hinblick auf die Kreditprüfungen des Herrn T. zu sprechen, würde letztlich auf ein Sechs-Augen-Prinzip hinaus laufen, das die Beklagte gerade nicht gewünscht habe. Das Vorbringen der Beklagten zu angeblichen konkreten Weisungen des Vorstandes H. im Zusammenhang mit Herrn B. und Herrn T. sowie zu behaupteten Beschwichtigungen des Klägers gegenüber dem Vorstand oder seine von der Beklagten behauptete Bestätigung von Gesprächsinhalten, die es – so der Kläger – nicht gegeben habe, am 02.08.2019 bestreitet der Kläger. Er ist der Ansicht, es sei auch widersprüchlich, einerseits angeblich seit Jahren vor einem Tippgeber gewarnt und auf Risiken hingewiesen haben zu wollen, wie die Beklagte dies für Herrn H. vortrage, dann aber nicht vorzutragen, warum fortlaufend weiter und noch bis 01.07.2019 durch diesen Vorstand selbst die Kreditvorgänge genau dieses Tippgebers – offensichtlich ohne tiefergehende Prüfung – genehmigt worden seien. Dass schließlich die Provisionen des Herrn B. über dessen Ehefrau abgerechnet worden seien, sei bei der Beklagten allgemein bekannt gewesen. Das habe sich den Rechnungen und auch den Vermittlerreports entnehmen lassen. Es sei zudem nicht ungewöhnlich, wenn Zuträger/Tippgeber nicht identisch mit den Rechnungsempfängern seien. Ob und wo Frau B. als Vermittler oder Tippgeber eingestuft worden sei, sei rechtlich irrelevant, denn in den monatlichen Vermittlerreports, die an den Vorstand adressiert seien, sei B. als einer der TOP Vermittler gelistet. Die Entwicklung des gesamten Vermittlergeschäfts und die Entwicklung von I. B., der Ehefrau des Herrn B., sei monatlich absolut transparent gewesen, ebenso der Status als Tippgeber. Da bei Tippgebergeschäften in der Regel nur 50% der Provisionen im Vergleich zu Vermittlern an den Tippgeber gezahlt würden, sei dieser Status für die Beklagte sehr positiv gewesen. Hätte sie es unterbinden wollen, stelle sich die Frage, warum im Fall B. kein Vorstand tätig geworden sei. Es seien auch üblicherweise in allen Bereichen der Beklagten Revisionsprüfungen durchgeführt worden, so auch in der Abteilung des Klägers in der Zeit von 2017 und 2018 im Bereich der Wohnungsbaufinanzierung und auch zum Vermittlergeschäft. Die Beklagte führe aber keinen einzigen Revisionsbericht aus dem Bereich des Klägers an, aus dem Mängel in der hier streitgegenständlichen Art erkennbar seien. Schließlich ist der Kläger der Ansicht, selbst bei unterstellt pflichtwidrigem Verhalten erweise sich die Kündigung jedenfalls im Rahmen der Interessenabwägung als unverhältnismäßig. Insoweit verweist er auf seine erhebliche Betriebszugehörigkeitszeit ohne jegliche Beanstandungen, seine Unterhaltspflichten gegenüber zwei minderjährigen Kindern und darauf, mit der Beklagten einen Altersteilzeitvertrag abgeschlossen und seine Lebensplanung hierauf ausgerich tet zu haben.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze beider Parteien nebst Anlagen in erster und zweiter Instanz sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist statthaft gemäß § 64 Abs. 1, Abs. 2 lit. c) ArbGG. Ferner ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die form- und fristgerecht im Sinne der §§ 13, 4, 7 KSchG erhobene Kündigungsschutzklage ist ebenso wie der Weiterbeschäftigungsantrag begründet. Die aufgrund des besonderen tariflichen Kündigungsschutzes des Klägers nach § 34 Abs. 2 TVöD-S allein außerordentlich mögliche und dementsprechend auch allein so ausgesprochene Kündigung der Beklagten vom 26.09.2019 genügt jedenfalls im Bereich der Interessenabwägung deutlich nicht den Anforderungen des § 626 Abs. 1 BGB und erweist sich daher als unwirksam. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt und dem Kläger dementsprechend auch in nicht zu beanstandender Weise die beantragte Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zugesprochen.

1. Eine außerordentliche, fristlose Kündigung kommt nach § 626 Abs. 1 BGB nur in Betracht, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, das heißt typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist (1. Stufe). Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung (2. Stufe), ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der, im Falle ordentlicher Unkündbarkeit insoweit fiktiv zugrunde zu legenden (vgl. BAG vom 07.05.2020 – 2 AZR 678/19, juris, Rz. 16) Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht (BAG vom 13.12.2018 – 2 AZR 370/18, juris, Rz. 15; BAG vom 25.01.2018 – 2 AZR 382/17, juris, Rz. 26; BAG vom 14.12.2017 – 2 AZR 86/17, juris, Rz. 27).

Die Darlegungs- und Beweislast für alle Umstände des wichtigen Grundes gemäß § 626 BGB trifft den Arbeitgeber. Dies umfasst auch die Darlegungs- und Beweislast für diejenigen Tatsachen, die einen vom Gekündigten behaupteten Rechtfertigungsgrund ausschließen (BAG vom 22.10.2015 – 2 AZR 569/14, juris, Rz. 23; BAG vom 17.06.2003 – 2 AZR 123/02, juris, Rz. 25).

2. Schlechtleistungen als Vertragspflichtverletzungen rechtfertigen in der Regel nicht die außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses. Hier werden die Interessen des Arbeitgebers im Allgemeinen durch den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung nach vorausgegangener Abmahnung genügend gewahrt, und zwar auch dann, wenn der Arbeitnehmer fahrlässig großen Schaden verursacht. Denn das Risiko der richtigen Auswahl des Arbeitnehmers liegt grundsätzlich beim Arbeitgeber (BAG vom 04.07.1991 – 2 AZR 79/91, juris, Rz. 30; KR/Fischermeier, 12. Auflage, § 626 BGB Rn. 458; Staudinger/Preis (2019), BGB, § 626 Rn. 157; Preis in: Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 11. Auflage, Rn. 596 ff., 600, jeweils m.w.N.; vgl. auch BAG vom 17.1.2008 – 2 AZR 536/06, juris, Rz. 14; BAG vom 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, juris, Rz. 89).

Schlechtleistungen können mithin lediglich ausnahmsweise eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Insoweit sind anerkannt die Fälle, dass ein Arbeitnehmer bewusst (vorsätzlich) seine Arbeitskraft zurückhält und nicht unter angemessener Anspannung seiner Kräfte und Fähigkeiten arbeitet (BAG vom 20.03.1969 – 2 AZR 283/68, juris, Rz. 14; LAG Niedersachsen vom 16.09.2011 – 16 Sa 1827/10, juris, Rz. 53) oder wenn es sich um einen besonders schweren Fehler handelt (BAG vom 15.11.2001 – 2 AZR 380/00, juris, Rz. 18 [der Krankenpfleger auf einer Intensivstation schaltet aus Versehen das Beatmungsgerät für einen Patienten ab]) oder infolge der Fehlleistungen ein nicht wiedergutzumachender Schaden entsteht und bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ähnliche Fehlleistungen des Arbeitnehmers zu befürchten sind (LAG Düsseldorf vom 11.12.2020 – 6 Sa 420/20, juris, Rz. 54; KR/Fischermeier, 12. Auflage, § 626 BGB Rn. 458 m.w.N.). Ebenfalls kommt ausnahmsweise schon bei einmaligem fahrlässigem Versagen ohne vorausgegangene Abmahnung eine außerordentliche Kündigung in Betracht, wenn das Versehen eines gehobenen Angestellten, der eine besondere Verantwortung übernommen hat, geeignet war, einen besonders schweren Schaden herbeizuführen und der Arbeitgeber das Seine getan hat, die Möglichkeiten für ein solches Versehen und seine Folgen einzuschränken (BAG vom 04.07.1991 – 2 AZR 79/91, juris, Rz. 31).

3. Unter Berücksichtigung und in Anwendung dieser Grundsätze, kann mit dem Vorbringen der Beklagten ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung an sich unterstellt werden, soweit dem Kläger bei den 10 Eigenprüfungen schwerwiegende Pflichtverletzungen im Sinne einer grob nachlässigen Prüfung vorgeworfen werden. Denn bei dem Kläger handelt es sich in der Tat um einen gehobenen Angestellten mit besonders für den Bereich seiner Kompetenzstufe übertragener Verantwortung und die – zugunsten der Beklagten hier unterstellten – Fehler in der Prüftätigkeit bei der Kreditbewilligung waren schwerwiegend und geeignet, schwere wirtschaftliche Schäden bei der Beklagten zu verursachen.

Nicht zu folgen ist der Beklagten hingegen in weiten Teilen, soweit sie dem Kläger auch eine schwerwiegende Pflichtverletzung bei der Aufsicht und Überwachung der Tätigkeit des Sachbearbeiters T. und des Teamleiters X. vorwirft. Wie bereits das Arbeitsgericht überzeugend festgestellt hat, ist eine konkrete Aufsichtspflichtverletzung weder schlüssig aus dem Arbeitsvertrag, der Stellenbeschreibung noch aus den allgemeinen Organisationsanweisungen der Beklagten ableitbar. Insbesondere ist unstreitig, dass – ungeachtet des Umstandes, dass ohnehin bzgl. des Sachbearbeiters T. unmittelbarer Vorgesetzter gerade nicht der Kläger, sondern der Teamleiter X. war – die Beklagte im Rahmen der hier streitgegenständlichen Kreditbewilligungsverfahren bewusst auf eine „Zwei-Voten-Prüfung“ verzichtet hat. Das entlastet zwar den eine Kreditbewilligung vornehmenden Kompetenzträger nicht von zumindest einer sachgerechten Schlüssigkeitsprüfung des ihm vorgelegten Vorgangs. Es macht aber deutlich, dass organisatorisch bereits keine doppelte Prüfung des Gesamtvorgangs trotz der sehr hohen Darlehnssummen vorgesehen und gewollt war. Die Vorkehrungen in organisatorischer Hinsicht beschränkten sich insoweit im Wesentlichen auf die Verlagerung der Bewilligungskompetenz auf eine höhere Hierarchieebene, allerdings bei unverändert beibehaltener vollständiger Sachbearbeitung, Votierung und Vorbereitung des Kreditbeschlusses durch den Wohnungsbauspezialisten, hier Herrn T.. Dass dies selbst bei gewissenhafter Prüfung auf der höheren Kompetenzstufe dann fehleranfällig ist, wenn der vorbereitende Sachbearbeiter wie hier Herr T. betrügerisch handelt, zeigt der vorliegende Fall anschaulich bis hinauf zum Vorstand H., der angesichts der höchsten Kompetenzstufe mit höchsten Darlehnssummen und/oder schlechtester Bonität der Kunden auch höchste Sorgfalt walten zu lassen hatte und gleichwohl nicht verhinderte, dass von den streitgegenständlichen 60 immerhin 16 und damit deutlich mehr und finanziell schwerwiegendere Kreditbewilligungen als beim Kläger objektiv fehlerhaft erteilt wurden. Die insoweit risikobehaftete Organisation geht aber nicht zu Lasten des Klägers, sondern der Beklagten. Und auch für Kreditbewilligungen des Vorstandes trägt nicht der Kläger eine Verantwortung, sondern der Vorstand, in dessen unmittelbare Zuständigkeit diese fallen.

Wenn die Beklagte nun einerseits vorträgt, die Marktfolge nehme keine weitere umfassende materielle Kontrolle des Kreditbeschlusses vor, wenn sie ferner trotz mehrfacher Rüge des Klägers im Berufungsverfahren, dass die Revisionsberichte zu seiner Abteilung und dem Bereich der Wohnungsbaufinanzierung für den Zeitraum 2017/2018 vorgelegt werden mögen, hierzu nicht einmal Stellung nimmt, geschweige denn die Berichte vorlegt, so dass nicht erkennbar ist, ob sie zumindest durch die Revision die Kreditbewilligungen insbesondere des – nach ihrem eigenen Vorbringen – auffälligen Sachbearbeiters T. geprüft hat und mit welchem Ergebnis, stellen sich so einige Fragen im Hinblick auf die Organisation der Beklagten und ihre Sorgfaltspflichten. Diese müssen hier nicht abschließend geklärt werden. Festzuhalten bleibt aber durchaus, dass es nicht angeht, dem Kläger als Abteilungsleiter nun allgemeine Aufsichtspflichtverletzungen vorzuwerfen, ohne eine Aufsichtspflicht konkret zu benennen und schlüssig zu begründen, die er hier verletzt haben soll.

So trägt die Beklagte – abgesehen von den nachfolgend noch gesondert zu behandelnden, behaupteten Anweisungen des Vorstands H. – auch nicht vor, dass und auf welcher Grundlage der Kläger zu welchen Stichproben verpflichtet gewesen wäre. Erst recht wird nicht schlüssig begründet, inwiefern der Kläger bei einem seiner Sachbearbeiter eine regelmäßige anderweitige Arbeitskontrolle wahrzunehmen gehabt hätte – das wäre dann wohl eher Aufgabe des Teamleiters gewesen – oder weshalb ihn diese Pflicht bei seinem Teamleiter X. getroffen hätte und inwiefern er diese bei ihm verletzt hätte. Die Annahme einer Aufsicht über die Kreditbewilligungen der Wohnungsbauspezialisten ist ohne gesonderte, konkrete Anweisung hierzu – wie bereits die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts überzeugend im Fall des Teamleiters X. ausgeführt hat – widersinnig, da es dem nach Bonität und Darlehnshöhe gestaffelten System von Kompetenzen zuwiderliefe (LAG Düsseldorf vom 11.12.2020 – 6 Sa 420/20, juris, Rz. 57).

Soweit die Beklagte eine solche Pflicht aus den Umständen herleitet, wirft sie dem Kläger weitgehend dieselben Pflichtverletzungen vor wie im Parallelverfahren schon dem Teamleiter X.. Daher kann insoweit erneut auf die überzeugenden Ausführungen der 6. Kammer Bezug genommen werden, die dazu auszugsweise wie folgt Stellung genommen hat (LAG Düsseldorf vom 11.12.2020 – 6 Sa 420/20, juris, Rz. 57 f.):

Es gab auch keine konkreten Verdachtsmomente, die den Kläger dazu hätten bewegen müssen, die Kreditbewilligungen des Herrn T. zu überprüfen. Allein die Tatsache, dass dieser zu den erfolgreichsten Wohnungsbauspezialisten gehörte, reicht hierfür nicht aus. Es liegt in der Natur der Sache, dass innerhalb von Vergleichsgruppen einzelne am besten und andere Mitarbeiter am schlechtesten abschneiden. Ob die Auffassung der Beklagten zutreffend ist, es sei aus vertrieblichen Gründen geboten gewesen, zu überprüfen, worauf die Vertriebserfolge des Mitarbeiters T. beruhten, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls lässt sich hieraus nicht ableiten, dass es hierfür einer Überprüfung der Kreditbewilligungen bedurft hätte. Diese sind das Ergebnis erfolgreicher Vertriebsbemühungen, nicht deren Grundlage.

Auch bezogen auf Herrn B. liegt keine Vertragspflichtverletzung des Klägers vor. […] Auf den Vorwurf, der Kläger hätte veranlassen müssen, dass für B. ein Gewerbeschein als Vermittler beantragt werde, kann die Kündigung schon deshalb nicht gestützt werden, weil dies nicht Gegenstand der Personalratsanhörung war. Zudem vermag die Kammer nicht zu erkennen, dass diese Verpflichtung zu den Aufgaben des Klägers gehörte. Im Übrigen scheint selbst das Vorstandsmitglied H. eine solche Beantragung nicht für erforderlich gehalten zu haben, denn – die Richtigkeit des Vortrages der Beklagten unterstellt – will er den Kläger zwar angewiesen haben, auf die vom Tippgeber B. vermittelten Vorgänge zu achten, nicht aber dafür zu sorgen, dass dieser als Vermittler geführt werde. Herr H. mag zwar keine Kenntnis davon gehabt haben, dass B. weitergehende Tätigkeiten wie die Beibringung von Unterlagen erbrachte, ihm waren aber die für einen Tippgeber offensichtlich atypischen erheblichen Vermittlungszahlen des B. aus den monatlichen Reports bekannt.

Diesen Ausführungen schließt sich die erkennende Berufungskammer auch für den vorliegenden Fall an und macht sie sich zu eigen. Sie treffen auf den vorliegenden Fall gleichermaßen zu.

Soweit die Beklagte eine besondere Aufsichtspflichtverletzung des Klägers aufgrund der von ihr behaupteten konkreten Anweisungen des Vorstands H. in mehreren Gesprächen 2018 und 2019 annimmt und zusätzlich eine Pflichtverletzung dadurch behauptet, dass der Kläger den Vorstand wiederholt mit beschwichtigenden Äußerungen in trügerischer Sicherheit gewogen habe, kann ihr streitiger Sachvortrag hier gleichfalls zu ihren Gunsten als zutreffend unterstellt werden. Gleichwohl wird dadurch keine schwerwiegende Pflichtverletzung begründet, die auch nur an sich geeignet wäre, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung zu begründen. Denn auch mit ihrem in der Berufungsinstanz weiter substantiierten Vorbringen trägt die Beklagte noch immer keinen konkreten Prüfauftrag des Vorstands an den Kläger vor, sondern lediglich immer wieder erfolgte Ansprachen zu Herrn T. und Herrn B. und die eher allgemein gehaltene Weisung vom 01.10.2018, „die von Herrn B. vermittelten Vorgänge in Zukunft eng zu begleiten“, was der Kläger zugesichert habe. Es werden dann mehrere weitere Gespräche behauptet, in denen der Vorstand besondere Vorsicht anmahnte. Mehr behauptet selbst die Beklagte nicht. Sollte also dementsprechend unterstellt der Kläger hierauf keine „enge Begleitung“ der Vorgänge vorgenommen haben – was immer sich der Vorstand darunter vorgestellt hat – und sich stattdessen wiederholt beschwichtigend geäußert haben, kann dies eine schwerwiegende Pflichtverletzung nicht begründen. Denn immerhin ist zum einen zu konstatieren, dass der Vorstand Herr H. trotz des Umstandes, dass er offenbar aufgrund der herausstechenden Entwicklungen in den Vermittlerreports bei Herrn B. und der parallel nach den Zahlen exponentiell positiven Entwicklung von Herrn T. alarmiert war und nicht nur den Kläger, sondern auch den Teamleiter X. ausweislich des aus dem Urteil der 6. Kammer zu entnehmenden Sachverhalts hierauf angespro chen haben will, keine konkrete ausdrückliche Überprüfung angewiesen hat, sondern lediglich allgemein eine „enge Begleitung“. Zum anderen ist fortlaufend zu keinem Zeitpunkt eine konkrete Ergebniskontrolle erfolgt, indem konkrete Prüfergebnisse abgefragt worden wären. Ferner ist keinerlei Prüf- und Überwachungsmanagement erkennbar, obwohl es hier um durchweg hohe Summen und damit finanzielle Gefahren für das Unternehmen ging. Mindestens wäre in einem Unternehmen wie dem der Beklagten insoweit zu erwarten gewesen, dass erkannte Gefahren und entsprechende Prüfaufträge – wenn es sie denn gab – schriftlich dokumentiert werden. All das ist nicht geschehen und all das begründet gerade dann, wenn die Aufmerksamkeit des Vorstands doch wie hier durch Auffälligkeiten bei Tippgebern ebenso wie bei Wohnungsbauspezialisten geweckt worden ist, zunächst einmal schwerwiegende Organisationsmängel und Handlungsfehler im Vorstandsbereich. Dem Kläger Pflichtverletzungen vorzuwerfen, ohne einmal eine konkrete Prüfung veranlasst und die Ergebniskontrolle hierzu vorgenommen zu haben, greift insoweit zu kurz.

4. Selbst wenn man insoweit neben der zugunsten der Beklagten unterstellten Pflichtverletzung des Klägers bei den Kreditbewilligungen in Eigenkompetenz entgegen der Ansicht der Berufungskammer auch eine schwerwiegende Pflichtverletzung aufgrund angewiesener, aber unterlassener Überprüfung der Herren B. und T. und aufgrund Vorspiegelung einwandfreier Verhältnisse dem Vorstand gegenüber annehmen wollte, scheitert die Kündigung jedenfalls an der vorzunehmenden Interessenabwägung.

a. Im Rahmen der Interessenabwägung hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für die ordentliche Kündigung bzw. auch darüber hinaus zumutbar war oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Sie scheidet aus, wenn es ein „schonenderes“ Gestaltungsmittel – etwa Abmahnung, Versetzung, ordentliche Kündigung – gibt, das ebenfalls geeignet ist, den mit einer außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck – nicht die Sanktion des pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses – zu erreichen (BAG vom 13.12.2018 – 2 AZR 370/18, juris, Rz. 29; BAG vom 23.08.2018 – 2 AZR 235/18, juris, Rz. 40; BAG vom 29.06.2017 – 2 AZR 302/16, juris, Rz. 27). Der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers ist im Rahmen der Interessenabwägung insbesondere hinsichtlich einer möglichen Wiederholungsgefahr von Bedeutung. Je höher er ist, desto größer ist diese (BAG vom 13.12.2018 – 2 AZR 370/18, juris, Rz. 29).

Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG vom 13.12.2018 – 2 AZR 370/18, juris, Rz. 30; BAG vom 29.06.2017 – 2 AZR 302/16, juris, Rn. 28; BAG vom 20.11.2014 – 2 AZR 651/13, juris, Rz. 22).

b. In Anwendung dieser Grundsätze erweist sich die außerordentliche Kündigung vom 26.09.2019 als unverhältnismäßig.

Auf Seiten der Beklagten spricht zwar für das Beendigungsinteresse der – hier unterstellte, dann aber auch – schwerwiegende Pflichtverstoß des Klägers, der als Abteilungsleiter in gehobener Position mit besonderer Verantwortung bei der Beklagten tätig ist. Die – unterstellten – Pflichtverletzungen sind geeignet, erheblichen finanziellen Schaden bei der Beklagten zu verursachen. Das dem Kläger vorgeworfene Verhalten wäre zudem bei den in Eigenkompetenz vorgenommenen Kreditbewilligungen mit dem Sachvortrag der Beklagten als in gesteigertem Maße fahrlässig, möglicherweise – und damit gleichfalls zu ihren Gunsten unterstellt – sogar als grob fahrlässig zu qualifizieren. Bei den ihm vorgeworfenen Pflichtverletzungen durch unterlassene „enge Begleitung“ und Prüfung der Vorgänge um die Herren B. und T. kann – wenn man darin denn konkrete Anweisungen sehen wollte – gleichermaßen ein hohes Maß an Fahrlässigkeit unterstellt werden und im Hinblick auf die beschwichtigenden Äußerungen gegenüber dem Vorstand hätte der Kläger – ebenfalls unterstellt – zumindest leichtfertig gehandelt.

Gleichwohl setzt sich demgegenüber das Bestandsschutzinteresse des Klägers aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalls zur Überzeugung der Berufungskammer als deutlich schwerwiegender durch. Zum einen ist hierbei zu berücksichtigen, dass es selbst bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen keine „absoluten Kündigungsgründe“ gibt, sondern eben immer im jeweiligen Einzelfall eine umfassende Interessenabwägung erforderlich ist (BAG vom 10.06.2010 – 2 AZR 541/09, juris, Rz. 16).

Insoweit kann schon nicht nachvollzogen werden, weshalb hier vor Ausspruch einer Kündigung gegenüber dem immerhin seit mehr als 32 Jahren und damit praktisch sein gesamtes Berufsleben unbeanstandet bei der Beklagten tätigen Kläger nicht eine Abmahnung für das ihm vorgeworfene Fehlverhalten ausgesprochen wurde. Diese wäre vorrangig gewesen und es ist auch keine Ausnahme von der grundsätzlichen Verpflichtung, vorrangig vor einer Kündigung abzumahnen, gegeben. Der Kläger hat die Beklagte unstreitig nicht vorsätzlich geschädigt, sondern wenn, dann fahrlässige bis grob fahrlässige Pflichtverletzungen begangen. Dass er sich durch eine Abmahnung nicht lenken lassen würde und entsprechend konkret benannte Fehler künftig wiederholen würde, ist nicht einmal im Ansatz erkennbar und kann auch angesichts seines unstreitig bislang tadellosen Werdegangs im Unternehmen der Beklagten nicht angenommen werden. Die – unterstellten – Pflichtverletzungen sind zwar schwerwiegend, sie sind aber nicht so schwerwiegend, dass selbst deren erstmalige Hinnahme der Beklagten hier nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Kläger erkennbar – ausgeschlossen war. Insoweit ist zwar der erhebliche drohende finanzielle Schaden sowie das hohe Maß an – unterstellter – Sorgfaltswidrigkeit zu berücksichtigen. Jedoch ist ebenso zu berücksichtigen, dass nicht nur die Beklagte, sondern auch der Kläger Opfer von Betrügern geworden ist (vgl. hierzu auch LAG Düsseldorf vom 11.12.2020 – 6 Sa 420/20, juris, Rz. 84). Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte dem Kläger im Bereich der Bewilligungen in Eigenkompetenz im Wesentlichen Fehler vorwirft, die in vergleichbarer Weise auch ihrem auf höherer Kompetenzstufe und mithin mit noch mehr Verantwortung für noch höhere Darlehnssummen bzw. bei noch schlechteren Bonitätsbeurteilungen tätigen Vorstand Herrn H. vorzuwerfen sind. Meint die Beklagte aber, dem Vorstandsmitglied H. zukünftig Kreditbewilligungen anvertrauen zu können, obwohl auch dieser Warnzeichen verkannt und gefakte Eigenkapitalnachweise übersehen hat, ist kein Grund ersichtlich, warum ihr dies beim Kläger nicht möglich sein sollte (so explizit und zutreffend im Parallelfall bereits LAG Düsseldorf vom 11.12.2020 – 6 Sa 420/20, juris, Rz. 84). Zudem ist – auch dies hat die 6. Kammer bereits zutreffend ausgeführt – der Beklagten entgegenzuhalten, dass sie bewusst höhere Risiken eingegangen ist, indem sie sich gegen ein „Zwei-Voten-System“ entschieden hat (LAG Düsseldorf vom 11.12.2020 – 6 Sa 420/20, juris, Rz. 87).

Hinzu kommen im Hinblick auf die – unterstellten – Anweisungen in den Gesprächen mit dem Vorstand Herrn H. und die entsprechend unterstellten Pflichtverletzungen durch unterlassene genauere Prüfungen des Klägers und seine beschwichtigenden Äußerungen gegenüber dem Vorstand die erheblichen, hier der Beklagten vorzuhaltenden Organisations- und Handlungsfehler auf Vorstandsebene, die zuvor bereits dargelegt worden sind. Hätte die Beklagte ein stringentes Prüf- und Überwachungsmanagement für Fälle vorgehalten, in denen wie hier Auffälligkeiten beim Vorstand bekannt werden, die ihn ja nach eigenem Vorbringen der Beklagten zur Vorsicht gemahnten und zu entsprechenden, wenn auch sehr allgemein gehaltenen Anweisungen gegenüber dem Kläger veranlassten, wäre möglicherweise vieles, wenn nicht alles, was hier unter anderem nun dem Kläger angelastet wird, vermieden worden. Gäbe es, was angesichts der Summen und damit potentiellen Schadenshöhen mehr als naheliegend wäre, ein klares Dokumentations- und Handlungssystem für Prüffälle, wäre damit auch dem Kläger eine strukturierte, konkrete und zu dokumentierende Prüfung auferlegt worden. Es ist nicht erkennbar, dass er dann in gleicher Weise versagt hätte. Damit liegt eine wesentliche Mitverantwortung im Bereich der Beklagten und ihres Vorstandes. Auch das führt dazu, dass in einem solchen Fall die angemessene Antwort auf Fehlverhalten nicht darin bestehen kann, dass die Beklagte ihre eigene Verantwortung bzw. die ihres Vorstands ausblendet und auf allen Ebenen unterhalb des Vorstands unterschiedslos fristlos kündigt.

Das führt abschließend zu der Feststellung, dass selbst für den Fall, dass man entgegen der vorstehenden Ausführungen eine Abmahnung für entbehrlich hielte, es der Beklagten jedenfalls im Rahmen der Interessenabwägung zuzumuten gewesen wäre, zumindest die (fiktive) ordentliche Kündigungsfrist gegenüber dem Kläger einzuhalten. Dass die ordentliche Kündigung im Falle des Klägers aufgrund seines tariflichen besonderen Kündigungsschutzes ausgeschlossen ist, ändert nichts daran, dass die ordentliche Kündigungsfrist (fiktiv) im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen ist (BAG vom 07.05.2020 – 2 AZR 678/19, juris, Rz. 16). Wäre der Beklagten jedenfalls eine Weiterbeschäftigung bis zu deren Ablauf zumutbar, erweist sich die außerordentliche Kündigung auch gegenüber dem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer als unwirksam.

Der Beklagten wäre es selbst vor dem Hintergrund – unterstellt – schwerwiegender Pflichtverletzungen des als Führungskraft beschäftigten Klägers, die zwar nicht vorsätzlich, aber teilweise grob fahrlässig erfolgt wären und hohes Schadenspotential begründeten, zumutbar gewesen, ihn zumindest bis zum Ablauf der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen. Denn für eine Wiederholungsgefahr ist im Falle des seit mehr als 32 Jahren unbeanstandet für die Beklagte tätigen Klägers nichts ersichtlich. Zudem sind die Haupttäter, die vorsätzlich und in kollusivem Zusammenwirken handelnden Herren T. und B. nicht mehr mit der Beklagten verbunden. Selbst wenn die Beklagte dann gleichwohl noch weitere Risiken vermeiden wollte, wäre es ihr zumutbar gewesen, während der Dauer der Kündigungsfrist jedenfalls bezüglich der dem Kläger obliegenden Kreditentscheidungen ein zweites Votum einzuholen. Angesichts des nicht vorsätzlichen Handelns des Klägers und damit fernliegender Gefahr der Wiederholung von gleichartigem Fehlverhalten, vor dem Hintergrund von mehr als drei Jahrzehnten Betriebszugehörigkeit mit tadelloser Führung, des Alters des Klägers und seiner Unterhaltspflichten, die dazu führen, dass von einer fristlosen Kündigung mit ihrem zusätzlichen negativen Stigmatisierungseffekt nicht nur er allein, sondern eine Familie mit zwei minderjährigen Kindern betroffen wäre und schließlich unter Berücksichtigung einer nicht geringen Mitverantwortung der Beklagten und ihrer Organvertreter für Zustandekommen und Auswirkungen der hier eingetretenen Störungen im Arbeitsverhältnis erweist sich das schärfste im Arbeitsrecht zur Verfügung stehende Reaktionsmittel der außerordentlichen Kündigung aus Sicht der Berufungskammer als überzogen und deutlich unverhältnismäßig. Folge dessen ist die Unwirksamkeit de r Kündigung.

5. Aufgrund der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung ist die Beklagte verpflichtet, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits weiterzubeschäftigen. Auch das hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Auf die diesbezüglichen Entscheidungsgründe unter IV. des angefochtenen Urteils, die sich die Berufungskammer zu eigen macht, wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 525, 97 Abs. 1 ZPO. Danach hat die Beklagte die Kosten des von ihr ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen.

IV.

Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 1 ArbGG. Ein Zulassungsgrund nach § 72 Abs. 2 ArbGG liegt nicht vor, insbesondere betrifft die Entscheidung weder entscheidungsrelevante Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG noch liegt eine Divergenz im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG vor. Es handelt sich vielmehr um eine Einzelfallentscheidung, die keinerlei grundsätzliche Rechtsfragen aufwirft.

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