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Fristlose Kündigung – Kündigungserklärungsfrist nicht eingehalten

ArbG Potsdam, Az.: 3 Ca 1277/16, Urteil vom 29.11.2016

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 24.06.2016, zugegangen am 29.06.2016, aufgelöst worden ist.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat das beklagte Land zu tragen.

3. Der Streitwert wird festgesetzt auf 13.999,98 Euro.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer vom beklagten Land ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses.

Fristlose Kündigung - Kündigungserklärungsfrist nicht eingehalten
Symbolfoto: Elnur/Bigstock

Der 57-jährige, verheiratete und einem Kind unterhaltsverpflichtete Kläger ist bei dem beklagten Land bzw. dessen Rechtsvorgänger seit 37 Jahren in Bereichen der … tätig, zuletzt in der … als Leiter der …. Er erhält Vergütung nach der Entgeltgruppe 11 TV-L; das sind jährlich ca. 56.000,- Euro brutto. Beim … besteht ein Gesamtpersonalrat nach Landespersonalvertretungsgesetz Brandenburg vom 15.09.1993 in der am 12.02.2014 verkündeten Fassung (GVBl. I Nr. 9) (im Weiteren: LPersVG). Vom 03.11.2000 stammt ein „Hauserlass Nr. 16/2000“ des zuständigen Staatssekretärs, der die Ausübung von Nebentätigkeiten durch Beschäftigte regelt und dafür eine vorherige und auf vier Jahre begrenzte Genehmigung der Dienststelle voraussetzt.

Seit dem Jahr 2001 unterhält der Kläger unstrittig einen forstwirtschaftlichen Betrieb; strittig ist, ob das beklagte Land davon Kenntnis hatte.

Mit einem dem Kläger am 29.06.2016 zugegangenen Schreiben vom 24.06.2016 kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis außerordentlich; auf das Kündigungsschreiben wird verwiesen (vgl.: Bl. 3 d.A.).

Dem ging Folgendes voraus:

 

Nachdem am 12.04.2016 durch die Revierleiterin des Forstreviers H. in der Landeswaldoberförsterei K. gegenüber dem Direktor der Beschäftigungsbehörde des Klägers der Verdacht mitgeteilt worden war, wonach der Kläger Anfang 2016 auf einem fremden Flurstück einen Holzeinschlag durchführen lassen und das Holz zu seinem Vorteil verkauft haben soll, fand am 18.04.2016 eine Anhörung des Klägers statt, in der er mit den Verdachtsvorwürfen ungenehmigter Nebentätigkeit und Durchforsten einer Fläche auf dem Flurstück xx, Flur x der Gemeinde M. konfrontiert wurde. Der Kläger gab an, der von ihm mit einer polnischen Firma A. geschlossene Durchforstungsvertrag bezöge sich nicht auf die ihm genannte, aber unbekannte Fläche, sondern auf ein anderes Grundstück. Nach einer weiteren Befragung der Revierleiterin H. am 20.04.2016, aus der das beklagte Land den Schluss zog, der Kläger habe die Eigentumsverhältnisse des benannten Grundstücks der Gemeinde M. gekannt sowie nach Kenntnisnahme des Vertrages vom 20.01.2016 zwischen dem Kläger und der polnischen Firma A. (vgl.: Vertragskopie Bl. 49 bis 51 d.A.) befragte das Land den polnischen Auftraggeber telefonisch zu einem Holzeinschlag auf dem Grundstück der Gemeinde M. und erhielt von dem Befragten am 23.04.2016 noch ein handschriftliches Holzaufmaßprotokoll (vgl: Bl. 52 d.A.) sowie eine Rechnungskopie des …betriebes des Klägers an die Firma A. vom 18.02.2016 über 4.374,44 Euro (vgl.: Bl. 53 d.A.). Am 22.04.2016 wurde die Waldfläche der Gemeinde M. durch Landesmitarbeiter in Augenschein genommen und mit einem Abschlussbericht vom 26.04.2016 die Ermittlungen beendet. Vom selben Tag stammt das an den Gesamtpersonalrat des Landesbetriebes … gerichtete Schreiben des Behördenleiters zur Beteiligung des Gremiums vor Ausspruch der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger; auf das Schreiben vom 26.04.2016 wird verwiesen (vgl.: Bl. 54 bis 61 d.A.). Nach Mitteilung des Gremiums im späteren Schreiben vom 08.06.2016 ging das Schreiben vom 26.04.2016 dem Gesamtpersonalrat am 28.04.2016 zu (vgl.: Bl. 67 unten d.A.). Am 04.05.2016 hörte der Gesamtpersonalrat den Kläger an, lehnte mit einem dem beklagten Land am 09.05.2016 zugegangenen „Beschluss 1162-2016 … den Mitwirkungsantrag … ab“ und erhob zugleich Einwendungen, wegen der auf den Beschlusstext verwiesen wird (vgl.: Bl. 62, 63 d.A.). Mit Schreiben vom 03.06.2016 – an den Gesamtpersonalrat am selben Tag vorab per Fax gesandt – widersprach die Dienststelle den Einwendungen des Gesamtpersonalrates (vgl.: Bl. 64 bis 66 d.A.), der daraufhin mit Schreiben vom 08.06.2016 das Stufenverfahren gem. § 67 Abs. 3 LPersVG einleitete (vgl.: Bl. 67 d.A.). Das Stufenverfahren wurde nach Erörterung mit dem Hauptpersonalrat am 21.06.2016 mit der abschließenden Entscheidung des Ministeriums für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft vom 22.06.2016 beendet (vgl.: Bl. 69, 70 d.A.), die beim Landesbetreib … am 23.06.2016 (vorab per Fax) einging. Bereits mit Schreiben vom 18.05.2016 hatte das beklagten Land den Kläger von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt.

Mit der am 07.07.2016 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage macht der Kläger die Unwirksamkeit der ihm am 29.06.2016 zugegangenen Kündigung geltend und rügt, dass weder ein wichtiger Grund gem. § 626 Abs. 1 BGB vorläge noch die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten worden und die Personalratsanhörung ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Die Führung des …betriebes habe er gegenüber dem damaligen Leiter der Oberförsterei W. angezeigt. Einen Holzeinschlag auf dem fraglichen Grundstück der Gemeinde M. habe er weder veranlasst noch entsprechende Einweisungen vorgenommen und auch kein dort geschlagenes Holt verkauft. Die Kündigung sei zu spät ausgesprochen worden; das ergäbe sich bereits aus dem knapp einmonatigen Zuwarten des Landes nach Erhalt der Einwendungen des Gesamtpersonalrates vom 04.05.2016 am 09.05.2016.

 

Der Kläger beantragt festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 24.06.2016, zugegangen am 29.0.2016, aufgelöst worden ist.

Das beklagte Land beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Land verteidigt sich gegen die Klage im Wesentlichen wie folgt: Die Kündigung sei als außerordentliche Verdachtskündigung wirksam, da zum Zeitpunkt ihres Ausspruchs der dringende Verdacht bestanden habe, dass der Kläger nicht nur mit dem ungenehmigten …betrieb gegen seine Vertragspflichten schwer verstoßen habe, sondern darüber hinaus unter Ausnutzung seiner Stellung als Landesmitarbeiter und Leiter der … zum eigenen Vorteil ein in unbekannten Eigentumsverhältnissen stehendes Grundstück habe durchforsten lassen und den Holzertrag zu seinen Gunsten verkauft habe. Dieser Verdacht habe sich im Laufe des Verfahrens durch eine Vor-Ort-Begehung mit dem zuständigen Mitarbeiter der polnischen Firma bestätigt. Die Beteiligung des Gesamtpersonalrats sei nicht zu beanstanden, insbesondere auch hinsichtlich der Frist des § 626 Abs. 2 BGB. Die Auseinandersetzung mit den im Beschluss 1162-2016 vorgebrachten Einwendungen des Gremiums habe eine Begehung des Arbeitsplatzes des Klägers erfordert; es seien Unterlagen gesichtet worden und am 27.05.2016 durch den Kläger die im Beklagteneigentum stehenden Arbeitsmittel (Diensthandy mit SIM-Karte) übergeben worden, die auszuwerten gewesen seien. Eine zügigere Vorgehensweise sei nicht zu verlangen gewesen.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und ihrer Anlagen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, sowie die Sitzungsprotokolle vom 22.07.2016 und 11.10.2016 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

I.

Die außerordentliche Kündigung vom 24.06.2016 hat das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht zum 29.06.2016, dem Zeitpunkt ihres Zugangs, aufgelöst. Die Kündigung ist bereits wegen Nichteinhaltung der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB unwirksam.

1.

Der Kläger hat die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 24.06.2016 fristgerecht innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung am 29.06.0216 durch Klage geltend gemacht (§§ 13 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 4 KSchG).

2.

a.

Die maßgeblichen Vorschriften des LPersVG lauten:

„§ 68 Fälle der Mitwirkung

 

(1) Der Personalrat wirkt bei folgenden personellen Angelegenheiten mit:

1. …

2. außerordentliche Kündigung, Entlassung ohne Einhaltung einer Frist und Kündigung eines Arbeitsverhältnisses während der Probezeit

…“

㤠67 Mitwirkungsverfahren

(1) Soweit der Personalrat an Entscheidungen mitwirkt, ist die beabsichtigte Maßnahme vor Durchführung mit dem Ziel einer Verständigung rechtzeitig und umgehend mit ihm zu erörtern. Der Personalrat kann sich innerhalb von zehn Arbeitstagen äußern; andernfalls gilt die Maßnahme als gebilligt. Erhebt der Personalrat Einwendungen, so hat er dem Leiter der Dienststelle die Gründe mitzuteilen. Soweit der Personalrat dabei Beschwerden oder Behauptungen tatsächlicher Art vorträgt, die für Beschäftigte ungünstig sind oder ihnen nachteilig werden können, hat die Dienststelle den Beschäftigten Gelegenheit zur Äußerung zugeben. Die Äußerungen sind aktenkundig zu machen.

(2) Entspricht die Dienststelle den Einwendungen des Personalrates nicht oder nicht in vollem Umfang, so teilt sie dies unter Angabe der Gründe mit.

(3) Der Personalrat einer nachgeordneten Dienststelle kann die Angelegenheit innerhalb von fünf Arbeitstagen nach Zugang der Mitteilung der Dienststelle auf dem Dienstwege der übergeordneten Dienststelle, bei der eine Stufenvertretung besteht, zur Entscheidung vorlegen. Diese entscheidet innerhalb von drei Arbeitstagen nach Abschluss der Erörterung mit der bei ihr bestehenden Stufenvertretung. Eine Abschrift des Antrages leitet der Personalrat seiner Dienststelle zu.

(4) Ist ein Antrag gemäß Absatz 3 gestellt, so ist die beabsichtigte Maßnahme bis zur Entscheidung der angerufenen Dienststelle auszusetzen.

(5) § 61 Abs. 9 gilt entsprechend.“

3.

Die vorstehend wiedergegebenen gesetzlichen Bestimmungen beziehen sich nach der enumerativen Aufzählung der Mitwirkungstatbestände u.a. auf den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB – vorliegend im Bereich des TV-L gem. der inhaltlich entsprechenden Vorschrift des § 34 TVL – , die nach § 626 Abs. 2 BGB nur innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Wochen zulässig ist. Die zeitliche Begrenzung der Ausübung dieses Kündigungsrechts dient der Rechtssicherheit und konkretisiert den Grundsatz der Verwirkung des Kündigungsgrundes (vgl.: BAG vom 21.03.1996 – 2 AZR 455/95 – AP BGB § 626 Krankheit Nr. 8). Insbesondere soll mit dieser gesetzlichen Anordnung kein länger dauernder Schwebezustand entstehen, ob ein Sachverhalt für eine außerordentliche Beendigung des Vertragsverhältnisses herangezogen wird und verhindert werden, dass Kündigungsgründe „aufgespart“ werden können (BAG vom 25.902.1983 – 2 AZR 298/81 – AP § 626 BGB Ausschlussfristen Nr. 14). Zur Sicherung einer genügenden Aufklärung des Kündigungssachverhaltes beginnt die Ausschlussfrist, sobald der Berechtigte von den maßgeblichen Tatsachen eine zuverlässige und möglichst positive Kenntnis erlangt hat; deshalb kann der Kündigungsberechtigte Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Ausschlussfrist zu laufen beginnt (so: BAG vom 17.03.2005 – 2 ZR 245/04 AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr.46). So darf er auch Ermittlungs- und Strafverfahren abwarten, jedoch nicht zu einem beliebigen, willkürlich gewählten Zeitpunkt kündigen (so: BAG vom 18.11.1999 – 2 AZR 852/98 – ZTR 2000, S. 275). Ist jedoch der Sachverhalt geklärt, so können weitere Ermittlungen den Beginn der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht aufhalten.

Diese (bundes-)gesetzlichen Vorgaben bilden den Rahmen, in den die landesgesetzlichen Vorschriften für die Beteiligung – hier die sog. Mitwirkung – des Personalrates vor dem Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung einzuordnen sind. Die Verfahrensabschnitte des in § 67 LPersVG geregelten Mitwirkungsverfahrens können bei ihrer Ausschöpfung eine Nichteinhaltung der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB zur Folge haben. Die zehntägige Äußerungsfrist für das beteiligte Gremium nach § 67 Abs. 1 Satz 2 LPersVG und dessen ggf. erhobenen Einwendungen, deren Nichtberücksichtigung durch die Dienstelle gegenüber dem Gremium entsprechend begründet mitzuteilen ist (§ 67 Abs. 2 LPersVG), hat bei weiterer Inanspruchnahme des in § 67 Abs. 3 LPersVG vorgesehenen Stufenverfahrens durch das Gremium zur Folge, dass das Beteiligungsverfahren nicht innerhalb der zweiwöchigen Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB beendet werden kann. Denn der Personalrat hat die Möglichkeit, innerhalb von fünf Arbeitstagen nach Zugang der Mitteilung der Dienststellenleitung gem. 67 Abs. 2 LPersVG die Angelegenheit der übergeordneten Dienststellen zur Entscheidung vorzulegen.

Die von der Rechtsprechung für Zustimmungs- oder Beteiligungsverfahren von anderen Stellen gefundene Lösung des Spannungsverhältnisses zwischen bundes- und landesgesetzlicher Regelung (vgl. z.B.: BAG vom 21.10.1983 – 7 AZR 281/82 – AO BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 16 BAG vom 22.01.1987 – 2 ABR 6/86 – EzA § 103 BetrVG Nr. 32) ist auf die Regelung des § 67 LPersVG zu übertragen (so: Klapproth, Eylert, Förster u.a., Das Landespersonalvertretungsrecht in Brandenburg, Praktikerkommentar, Rehm, Band II, § 68 Rdz. 69 bis 75 mit Rechtsprechungshinweisen). Das bedeutet im Kern, dass zum Einen an die Stelle des Ausspruchs der außerordentlichen Kündigung die fristgerechte Einreichung des Antrages auf Mitwirkung tritt, zum Zweiten die Dienststellenleitung im Falle von Einwendungen bei Bestehen einer übergeordneten Dienststelle ihre Mitteilung an das Gremium gem. § 67 Abs. 2 LPersVG unverzüglich zu veranlassen hat und zum Dritten die beabsichtigte außerordentliche Kündigung nach Abschluss des Mitwirkungsverfahrens ebenso unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB), auszusprechen ist (ebenda, Rdz. 72 bis 75 mit Rechtsprechungshinweisen). Die Pflicht des Arbeitgebers, alles Erforderliche zu unternehmen, um den Schwebezustand, ob ein Sachverhalt zu einer außerordentlichen Kündigung führt, zu minimieren, bezieht sich damit nicht erst auf das Gebot des unverzüglichen Ausspruchs der außerordentlichen Kündigung nach Abschluss des Mitwirkungsverfahrens, sondern bereits auf die Erfüllung seiner gesetzlichen Pflichten gegenüber dem Gremium innerhalb des (noch nicht abgeschlossenen) Mitwirkungsverfahrens. Es kann nicht im Belieben des Arbeitgebers stehen, wann er die Mitteilung nach § 67 Abs. 2 LPersVG dem Gremium zuleitet, um damit den Fristlauf des § 67 Abs. 3 LPersVG in Gang zu setzen. Zwar sieht das Gesetz keine Frist für die Mitteilung der Gründe für die Nichtberücksichtigung der Einwände des Personalrates vor. Da aber der Arbeitgeber vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung auch die Entscheidung des Personalrates darüber abzuwarten hat, ob das Gremium von seinem „Vorlagerecht“ gem. § 67 Abs. 3 LPersVG Gebrauch macht (vgl. dazu: LAG Berlin-Brandenburg vom 08.11.2007 – 26 Sa 1226/07 -, juris), muss für die dem Arbeitgeber obliegende Mitteilung nach § 67 Abs. 2 LPersVG der Grundsatz der Unverzüglichkeit (§ 121 BGB) gelten (siehe dazu auch selbst für die nicht außerordentliche Kündigungen erfassende, aber vergleichbar ausgestaltete Regelung des § 72 Abs. 3 BPersVG Etzel, Rink in Etzel, Bader u.a., KR, 11. A., §§ 72, 79, 108 Abs. 2 BPersVG, Rdz. 72, wonach die Mitteilung des Dienststellenleiters nach § 72 Abs. 3 LPersVG „alsbald“ zu erfolgen habe). Die Zubilligung eines „nur durch den Gedanken des Rechtsmissbrauchs begrenzten Ermessenspielraums bei der Frage, ob und ggf. wann er das Beteiligungsverfahren durch die schriftliche Mitteilung … fördert“ (so: Koch in Ascheid/ Preis/ Schmidt, Kündigungsrecht, 4. A., BPersVG § 79 Rdz. 33 für die mit § 67 Abs. 2 LPersVG vergleichbare Regelung des § 72 Abs. 3 BPersVG) würde den über die (bundesgesetzliche) Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB hinausreichenden Schwebezustand – auch ohne Erreichen der Missbrauchsgrenze – nahezu beliebig verlängern können. Ein Rückgriff auf diese Auffassung scheidet auch deshalb aus, da sie sich wegen der nach § 79 Abs. 3 BPersVG lediglich bestehenden Anhörungspflicht vor fristlosen Entlassungen und außerordentlichen Kündigungen im Geltungsbereich des Bundespersonalvertretungsgesetzes gerade nicht auf die Problematik der Überschreitung der Ausschlussfrist nach § 626 Abs. 2 BGB durch Verlängerung des Mitwirkungsverfahrens infolge eines Stufenverfahrens beziehen kann. Verzögert die Dienststelle die Mitteilung an die Personalvertretung gem. § 67 Abs. 2 LPersVG, so fallen die ihr daraus entstehenden nachteiligen Folgen zur Last (so selbst für die nicht außerordentliche Kündigungen betreffende Regelung in 72 Abs. 3 BPersVG: Gerhold in Lorenzen/ Etzel/ Gerhold u.a., BPersVG, 59. Update 10/ 2016, § 72 /Verfahren bei Mitwirkung/, Rdz 27).

4.

Gemessen an den vorstehend zusammengefassten Maßstäben kann die außerordentliche Kündigung des beklagten Landes vom 24.06.2016 der gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten, da es nach dem zu Grunde liegenden Sachverhalt jedenfalls an einer unverzüglichen Wahrnahme der dem Land nach § 67 Abs. 2 LPersVG obliegenden Pflicht zur begründeten Mitteilung der Nichtberücksichtigung von Einwendungen des Personalrates fehlt:

Es ist unstrittig, dass das beklagte Land den zuständigen Gesamtpersonalrat mit einem am 28.04.2016 zugegangenen Schreiben vom 26.04.2016 über die beabsichtigte außerordentliche Kündigung informiert, damit das Mitwirkungsverfahren eingeleitet und das Gremium mit einem dem Land am 09.05.2016 zugegangenen Beschluss den Antrag unter Mitteilung von Einwendungen „abgelehnt“ hatte. Die Einwendungen betrafen eine vom Gremium nicht nachvollziehbare „Vorverurteilung in Form einer Kündigung“; darüber hinaus sei das Strafverfahren abzuwarten und bedenklich, dass Schriftverkehr aus dem Jahre 1993 herangezogen worden sei (vgl.: Bl. 62, 63 d.A.). Erst mit einem dem Gesamtpersonalrat vorab per Fax übersandten Schreiben vom 03.06.2016 erfolgte die Mitteilung des Dienststellenleiters gem. § 67 Abs. 2 LPersVG, mit dem erklärt wurde, den Einwendungen nicht Rechnung zu tragen und an der Kündigungsabsicht festhalten zu wollen. Die zwischen dem Zugang des Beschlusses des Gesamtpersonalrates am 09.05.2016 und der Mitteilung des Dienststellenleiters vom 03.06.2016 liegenden knapp vier Wochen überschreiten in unzulässiger Weise die geforderte Unverzüglichkeit der Reaktion der Dienststellenleitung auf Einwendungen der Personalvertretung gem. § 67 Abs. 2 LPersVG und haben den Schwebezustand, ob die herangezogenen Sachverhalte einer außerordentlichen Kündigung zu Grunde gelegt werden, ungerechtfertigt verlängert. Die Beurteilung, ob die Mitteilung der Dienststellenleitung nach Eingang des Gremiumsbeschlusses am 09.05.23016 unverzüglich erfolgte oder nicht, richtet sich nach der für das gesamte Privatrecht geltenden Legaldefinition in § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB: Danach ist kein sofortiges Handeln geboten, aber eines ohne schuldhaftes Zögern, das nur dann bejaht werden kann, wenn die Erklärung (Mitteilung) innerhalb einer nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessenden Prüfungs- und Überlegungsfrist erklärt wird (vgl. dazu nur z.B.: Palandt, BGB, 73. A. § 121 Rdz. 3 mit Rechtsprechungshinweisen). Der vorliegende Einzelfall wird im Wesentlichen bestimmt durch die konkreten Einwendungen, deren Prüfung und ggf. Berücksichtigung dem Dienststellenleiter oblag. Die Einwendungen des Gremiums betrafen lediglich Wertungen und Auffassungen zum Abwarten eines Strafverfahrens bzw. der Berücksichtigung länger zurückliegenden Schriftverkehrs als ‚Beweismittel‘. Es ist für die Kammer nicht erkennbar und im Übrigen auch vom beklagten Land nicht vorgetragen worden, dass diese – überschaubaren – Einwendungen eine (zeit)intensivere Befassung mit Sachverhalten erfordert haben oder erneute Überlegungen und Abwägungen zu Folge gehabt haben könnten, die erklären würden, weshalb die Antwort auf die Einwendungen des Gremiums erst nach fast vier Wochen erfolgte. Die Dienststellenleitung musste wissen, dass mit ihrer Mitteilung gem. § 67 Abs. 2 LPersVG die Frist für die Personalvertretung gem. § 67 Abs. 3 LPersVG zu laufen beginnen würde, also ein weiterer Verfahrensabschnitt durch die geforderte Mitteilung und mögliche Wahrnahme des „Vorlagerechts“ des Gremiums beschritten werden könnte, also über eine weitere Zeit mit dem Kündigungsausspruch gewartet werden müsste. Dieser Umstand bekräftigt, dass die Dienststellenleitung alles ihr Mögliche für eine zeitnahe und rasche Bearbeitung der Einwendungen des Gesamtpersonalrates unternehmen musste. Es kommt hinzu, dass die Dienststellenleitung ihre Kündigungsabsicht im Wesentlichen bereits vor Einleitung des Beteiligungsverfahrens gebildet und nunmehr nur noch die Einwendungen des Gesamtpersonalrats zu verarbeiten hatte (zu diesem Gesichtspunkt: Klapproth u.a., a.a.O., Rdz. 75 m.w.N. aus der Rechtsprechung). Die gebotene Stellungnahme nach § 67 Abs. 2 LPersVG soll nach Abschluss der der Personalvertretung mitgeteilten Feststellungen zum Kündigungsgrund grundsätzlich keine neuen Ermittlungen ermöglichen, sondern (nur) das Ergebnis der Auseinandersetzung mit den konkreten Einwendungen des Gremiums mitteilen. Auch der letzte Vortrag des beklagten Landes im Schriftsatz vom 21.11.2016, wonach das Land wegen der Erkrankung des Klägers nach Zugang des Gremiumsbeschlusses am 09.05.2016 eine geplante Arbeitsplatzbegehung nicht habe durchführen können und eine hausinterne Abstimmung vor Stellungnahme zum Beschluss des Gesamtpersonalrates erforderlich gewesen sei, erhellt weder mögliche besondere Verhältnisse des Arbeitgebers, die mit der Rechtsprechung berücksichtigt werden können (ebenda) noch erschließt sich, weshalb auf die Einwendungen des Gesamtpersonalrats eine Arbeitsplatzbegehung mit welchem Erkenntnisziel bzw. Auswertung einer SIM-Karte geboten gewesen sein soll. Welche Unterlagen während der dann doch durchgeführten Arbeitsplatzbegehung gesichtet worden sein sollen und inwiefern dies mit den Einwendungen des Gesamtpersonalrates zusammenhing, ist ebenso nicht erklärt worden.

Nach alledem war der Klage stattzugeben ohne dass es entscheidungserheblich auf die vom beklagten Land zu Grunde gelegten Kündigungssachverhalte ankam. Die fehlerhafte Durchführung des Mitwirkungsverfahrens nach § 67 LPersVG hat die Unwirksamkeit der streitgegenständlichen außerordentlichen Kündigung zur Folge.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZOPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG.

Die Streitwertbestimmung basiert auf § 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG.

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