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Fristlose Kündigung per E-mail wegen Drogenkonsum

LAG Berlin-Brandenburg – Az.: 2 Sa 992/18 – Urteil vom 24.08.2018

1) Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 14.02.2018 – 4 Ca 1586/17 – wird auf seine Kosten bei einem Streitwert von 822,36 EUR in der 2. Instanz zurückgewiesen.

2) Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung wegen behaupteten Drogenkonsums eines Malerhelfers während der Arbeitszeit sowie um Restlohnzahlung für den Zeitraum September bis Anfang November 2017. Das Arbeitsverhältnis ist während der Wartezeit des § 1 KSchG zum 04.11.2017 rechtskräftig beendet worden.

Das Arbeitsgericht Potsdam hat mit Urteil vom 14.02.2018 den Beklagten, Inhaber eines Malereibetriebes, zu einer Zahlung von 812,70 EUR brutto sowie 4,66 EUR nebst Zinsen verurteilt sowie festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 19.10.2017 nicht aufgelöst worden ist, sondern erst durch die ordentliche Kündigung fristgemäß zum 04.11.2017 sein Ende gefunden hat. Die Widerklage des Beklagten auf Zahlung von 450,00 EUR brutto (Zahlung auf einen nach Meinung des Beklagten bestandskräftigen Vergleich im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens) hat es abgewiesen.

Dies hat es im Wesentlichen damit begründet, dass die Kündigung per E-Mail vom 19.10.2017 nicht wirksam sei, da die E-Mail-Kündigung keine schriftliche Kündigung sei. Aber auch die schriftliche Kündigung vom 20.10.2017 per Einschreiben, die dem Kläger am 21.10.2017 zuging, habe das Arbeitsverhältnis nicht fristlos beenden können. Zwar sei der vom Arbeitgeber behauptete Drogenkonsum an sich geeignet, eine verhaltensbedingte Kündigung zu rechtfertigen. Eine außerordentliche Kündigung wegen Drogenkonsums komme nach allgemeiner Ansicht nur dann in Betracht, wenn durch zusätzliche Umstände eine alsbaldige Beendigung des Arbeitsverhältnisses unverzichtbar erscheine. Im Kündigungsrechtsstreit muss der Arbeitgeber darlegen und beweisen, dass der Arbeitnehmer aufgrund des Drogenkonsums nicht mehr in der Lage gewesen sei, seinen vertraglichen Verpflichtungen ordnungsgemäß nachzukommen bzw. durch den Drogenkonsum für ihn oder andere Arbeitnehmer ein erhöhtes Unfallrisiko bestanden habe.

Dieser Darlegungs- und Beweislast sei der Arbeitgeber vorliegend nicht nachgekommen. Der vom Beklagten angebotene Zeuge T. A. hätte nur den Beweis erbringen können, dass der Kläger ein weißes Pulver zu sich genommen hätte, ob dies Drogen gewesen seien, sei nicht weiter dargelegt. Im Übrigen seien auch nicht die weiteren Umstände dargelegt und unter Beweis gestellt worden, die es für den Arbeitgeber unzumutbar gemacht hätten, den Kläger bis zum Ende der ordentlichen Kündigungsfrist von zwei Wochen weiterzubeschäftigen. Es gebe Drogen, die sich eher leistungssteigernd und aufmerksamkeitssteigernd auswirkten.

Der Beklagte habe das Arbeitsverhältnis auch nicht wegen des Verdachts eines Drogenkonsums kündigen dürfen, da er den Kläger zu dem Vorwurf nicht einmal selbst befragt habe.

Der Entgeltanspruch aus September rühre daher, dass die Parteien im Arbeitsvertrag vereinbart hätten, dass der Kläger arbeitsvertraglich von 07:00 Uhr bis 16:00 Uhr zu arbeiten hätte. Der Beklagte habe statt 21 Tagen im September 2017 nur 20 Tage abgerechnet, so dass ein Betrag von 8 Stunden a 10,35 EUR = 82,80 EUR brutto zu zahlen seien. Der Beklagte habe den Oktoberlohn abzüglich bereits gezahlter 890,10 EUR brutto und der 450,00 EUR brutto auf den vermeintlichen Vergleich ebenfalls aus Annahmeverzug zu zahlen sowie den Restnovemberlohn und schließlich festgestellte Zinsen in Höhe von 4,66 EUR.

Wegen der weiteren konkreten Begründung des Arbeitsgerichts und des Vortrags der Parteien in der ersten Instanz wird auf das Urteil vom 14.02.2018 Bl. 67 – 76 d. A. verwiesen.

Gegen dieses ihm am 26.02.2018 zugestellte Urteil richtet sich die beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg am 23.03.2018 eingegangene und am 11.04.2018 begründete Berufung des Klägers.

Er greift das Urteil zwar insgesamt an, begründet die Berufung jedoch nur hinsichtlich der Kündigung und nicht hinsichtlich der Zahlungsansprüche. Er meint nach wie vor, dass der Kläger Drogen konsumiert hätte und beruft sich auf den Zeugen A., der gesehen hätte, wie sich der Kläger in einer Toilettenkabine weißes Pulver in die Nase appliziert hätte, welches er vorher zu einer Linie geformt hätte. Dass der Kläger Drogen konsumiere, sei im Nachhinein aus anderen Strafverfahren ersichtlich geworden, da der Kläger den Zeugen A. wegen dessen behaupteten Drogenkonsums angezeigt hätte. Im Rahmen der Befragung der Verlobten des Klägers habe dieser angegeben, dass der Kläger nur selten Betäubungsmittel konsumiere, vielleicht einmal im Monat etwas Gras. Früher – vor dem 31.08.2015 – habe er wohl mehr konsumiert, seit dem 31.08.2015, dem Tag ihrer Verlobung, nicht mehr. Die Wohnung des Klägers sei im Übrigen wegen der strafrechtlichen Verfolgung eines anderen Zeugen durchsucht worden, der Kläger handele mit Cannabis und Ecstasy. Das Ergebnis der Durchsuchung sei unbekannt.

Das Arbeitsgericht habe zu Unrecht den Drogenkonsum des Klägers heruntergespielt. Üblicherweise werde der Drogenkonsum als negative Eigenschaft gesehen. Gerade bei Kokain- oder Ecstasymissbrauch liege es auf der Hand, dass sich der Berauschte übermenschlich stark fühle und dann jegliche Vorsicht fahren lasse und sich aus verschiedenen Gründen überschätze und Fehler mache, die unter Umständen zu schweren Schäden führen können. Es sei bereits in erster Instanz vorgetragen worden, dass der Kläger auf Gerüsten arbeite, auf Leitern und in Treppenhäusern Malerarbeiten durchführe. Dazu müsse er nüchtern und vollkonzentriert sein, da er anderenfalls unter Umständen körperliche Schäden davontrage, wenn er z. B. von der Leiter falle. Deswegen sei der Beklagte gehalten gewesen, das Arbeitsverhältnis sofort zu beenden, um Schäden von dem Kläger selbst und anderen abzuwehren.

Der Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Potsdam vom 14.02.2018 – 4 Ca 1586/17 – die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Er bestreitet nach wie vor, dass er Drogen am besagten Tag zu sich genommen hätte. Der Zeuge A. hätte vielmehr gesagt, er hätte gehört, dass der Kläger Drogen zu sich nehme.

Es entspreche nicht der Richtigkeit, dass der Kläger fahrig und unkonzentriert gearbeitet hätte, einzig richtig sei, dass der Kläger bei seiner Arbeit des öfteren stark schwitze, was auf dessen Schweißdrüsenüberfunktion zurückzuführen sei und keineswegs auf einen Drogenkonsum des Klägers.

Der Beklagte verkenne die Tatsachen, wenn er die Ansicht vertrete, dass es am Kläger läge, Nachweise dafür zu erbringen, dass er während seiner Arbeitszeit bei der Beklagten keine Drogen konsumiere und dass das starke Schwitzen auf seine Schweißdrüsenüberfunktion zurückzuführen sei. Eine solche Verpflichtung des Klägers bestehe nicht.

Vielmehr obliege es dem Beklagten, das Vorliegen eines von ihm lediglich behaupteten und böswillig unterstellten wichtigen Grundes darzulegen und zu beweisen, zumal vorliegend auch eine Verdachtskündigung, wie das Arbeitsgericht richtig ausgeführt habe, nicht gerechtfertigt sei.

Wegen des weiteren konkreten Vortrags der Parteien in der zweiten Instanz wird auf den Schriftsatz des Beklagten vom 09.04.2018 Bl. 85 ff. d. A. und den Schriftsatz des Klägers vom 16.05.2018 Bl. 95 f. d. A. verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

1. Die gemäß §§ 8 Abs. 2; 64 Abs. 1, Abs. 2 Buchstabe b) und c), Abs. 6; 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG; 519; 520 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO hinsichtlich der Kündigungsschutzklage zulässige Berufung ist formgerecht und fristgemäß eingelegt und begründet worden.

2. Hinsichtlich der Zahlungsansprüche hingegen fehlt es an einer auch nur ansatzweisen Auseinandersetzung mit der erstinstanzlichen Entscheidung, die Berufung ist insoweit bereits unzulässig gemäß § 520 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO. Die Abweisung der Widerklage wird nicht angegriffen, sie ist ohnehin rechtskräftig.

II.

Das Arbeitsgericht Potsdam hat der Kündigungsschutzklage des Klägers zu Recht stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg folgt dem Arbeitsgericht Potsdam sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung, sieht von einer nur wiederholenden Begründung gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG ab und verweist wegen des Vortrags in der Berufungsinstanz nur auf folgendes:

1. Zu Recht hat das Arbeitsgericht Potsdam ausgeführt, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die E-Mail-Kündigung vom 19.10.2017 beendet wurde, da die Kündigung nicht schriftlich gemäß § 623 BGB ausgesprochen wurde. Eine E-Mail-Kündigung erfüllt nicht das Schriftlichkeitsgebot des § 623 BGB, sie ist gemäß § 623 letzter Halbsatz BGB ausdrücklich ausgeschlossen.

2. Die schriftliche außerordentliche Kündigung, die dem Gericht nicht vorliegt, hat das Arbeitsverhältnis ebenfalls nicht außerordentlich beendet.

a) Nach der Rechtsprechung des BAG (vgl. nur BAG 20.10.2016 – 6 AZR 471/15 – EzA § 626 BGB 2002 Nr. 55) kann der Drogenkonsum eines Arbeitnehmers grundsätzlich die außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses rechtfertigen (entschieden im Fall eines Berufskraftfahrers). Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Drogenkonsum im privaten Bereich oder während der Arbeitszeit erfolgt.

b) Diesen Drogenkonsum des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen. Daran fehlt es vorliegend: Selbst wenn das Gericht zugunsten des Beklagten unterstellt, dass der Zeuge A. gesehen hätte, wie der Kläger ein weißes Pulver zu sich genommen hätte, hat der Beklagte damit keine Tatmomente, sondern Verdachtsmomente geschildert. Anders als im oben zitierten Fall des Berufskraftfahrers steht gerade vorliegend nicht fest, dass der Kläger (welche?) Drogen zu sich genommen hat. Dies kann auch nicht gemäß § 286 ZPO aus den vom Beklagten geschilderten Indizien geschlossen werden. Dass der Kläger mit Drogen möglicherweise handelte, ist kein Indiz für einen Eigenkonsum des Klägers. Ein behaupteter früherer Cannabiskonsum in geringem Ausmaß ist mit der Behauptung, der Kläger habe ein weißes Pulver in die Nase appliziert, nicht in Übereinstimmung zu bringen. Vermutungen, dass dies Kokain gewesen sein könnte („weiße Linie“ in die Nase appliziert“) stimmen ebenfalls nicht mit dem übrigen indiziellen Vortrag des Beklagten zu Cannabis und Ecstasy überein.

c) Eine mögliche Verdachtskündigung gegenüber dem Kläger ist während des gesamten Rechtsstreits nicht vom Beklagten dargelegt worden. Er hat sich immer darauf berufen, der Kläger habe Drogen zu sich genommen, hat also die Tatkündigung zu begründen versucht.

d) Selbst wenn man die außerordentliche Kündigung des Beklagten als Verdachtskündigung ansähe, wäre diese wegen der fehlenden Anhörung des Klägers unwirksam (vgl. dazu nur BAG 02.03.2017 – 2 AZR 698/15 – EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlungen Nr. 16, Rdziff. 22 m.w.N.).

III.

Die Berufung des Beklagten war daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

IV.

Für eine Zulassung der Revision bestand kein Anlass.

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