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Fristlose Kündigung – Verdachtskündigung – Diebstahl – Arbeitszeitbetrug

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 5 Sa 74/19 – Urteil vom 06.02.2020

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 23. Januar 2019, Az. 2 Ca 1662/18, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten – zweitinstanzlich noch – über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung des Beklagten vom 30.05.2018. Die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung zum 31.07.2018 greift die Klägerin nicht an.

Die 1981 geborene Klägerin war seit dem 23.08.2012 in der Spielhalle des Beklagten als Aufsichtsperson zu einer durchschnittlichen Bruttomonatsvergütung von zuletzt € 1.287,00 angestellt. Der Beklagte beschäftigt in seinem Betrieb nicht mehr als zehn Arbeitnehmer. Die Klägerin war vom 16.05. bis zum 31.07.2018 ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt. Die gesetzliche Krankenkasse zahlte ihr laut Mitteilung vom 02.07.2018 ab einem nicht angegebenen Zeitpunkt Krankengeld.

Mit Anwaltsschreiben vom 18.05.2018 teilte der Beklagte der Klägerin mit, er hege den dringenden Verdacht, dass sie in der Zeit vom 01.10.2017 bis zum 31.03.2018 in seiner Spielhalle Bargeld im fünfstelligen Bereich gestohlen bzw. veruntreut habe. Außerdem bestehe der Verdacht, dass sie über Monate hinweg zu viele Arbeitsstunden abgerechnet habe. Ebenfalls am 18.05.2018 erstattete der Beklagte gegen die Klägerin eine Strafanzeige wegen Unterschlagung von Bargeld. Den Gesamtschaden gab er bei der Polizeiinspektion mit ca. € 40.000,00 an; eine Aufstellung wollte er nachreichen. Die Strafanzeige ergänzte er am 11.06.2018 wegen des Verdachts des Arbeitszeitbetrugs.

Das Anwaltsschreiben vom 18.05.2018 lautet auszugsweise:

„… Gegenstand meiner Beauftragung ist der dringende Tatverdacht einer schwerwiegenden Straftat zu Lasten meines Mandanten in 5-stelliger Höhe, sowie der dringende Tatverdacht eines Abrechnungsbetrugs.

Diesem dringenden Tatverdacht liegen seit dem 17.05.2018 folgende Erkenntnisse zu Grunde die eine fristlose Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses mit meinem Mandanten begründen:

1. Untreue/Diebstahl

Nach Auswertung des betriebswirtschaftlichen Ergebnisses der Spielhalle zunächst vom 01.10.2017 bis 31.03.2018 meines Mandanten durch den Steuerberater fiel ein 5-stelliger Fehlbetrag auf, dessen Verbleib nunmehr seit dem 17.05.2018 als aufgeklärt gilt. Die davor liegenden Monate werden derzeit noch separat aufgearbeitet.

Für Entnahmen aus dem Tresor lassen sich zum Zwecke der Auffüllung der verschiedenen Automaten keine relevanten korrespondierenden Einzahlungen in den Automaten finden.

Alle in Frage kommenden Differenzen sind Ihrer Dienstzeit zuzuordnen. Sämtliche Beweise liegen in digital gesicherter Form vor. So kann nachgewiesen werden, welcher Betrag mit Ihrer Karte aus dem Tresor entnommen wurde und welcher Betrag – wenn überhaupt eingezahlt wurde – tatsächlich in die Automaten zwecks Auffüllung nach Gewinnausschüttung eingezahlt wurde. Insofern besteht ein dringender Tatverdacht der Untreue/Diebstahl.

2. Abrechnungsbetrug

Fristlose Kündigung - Verdachtskündigung - Diebstahl - Arbeitszeitbetrug
(Symbolfoto: Von Andrey_Popov/Shutterstock.com)

Nach eingehen der Kontrolle der eingereichten Stundenzettel wurde festgestellt, dass Sie mehrfach über Monate hinweg zu viele Stunden bewusst falsch abgerechnet haben. So haben Sie nachweislich die Spielhalle z.B. um 23:04 Uhr geschlossen (Aktivierung Sicherheitssystem) allerdings eine Arbeitszeit bis um 24:00 Uhr – wie vertraglich eigentlich vorgesehen – abgerechnet. Auch dadurch ist meinem Mandanten ein Schaden entstanden.

Bevor wir nunmehr eine fristlose außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung aussprechen, soll Ihnen die Gelegenheit gegeben werden diese Verdachtsmomente zu entkräften. Wir bitten daher um einen gemeinsamen in der Kanzlei des Unterzeichners und dem Mandanten an folgenden Tagen: [ …]

Es wird um kurzfristige Mitteilung gebeten, welcher Termin Ihnen passt. Der Mandant wird anwesend sein. Sämtliche Unterlagen zu dem Tatvorwurf werden ebenfalls vorgelegt werden. Gerne können Sie auch einen Kollegen Rechtsanwalt zu dieser Besprechung mitbringen, um Ihre Rechte zu wahren.“

Die Klägerin ließ die Vorwürfe mit Anwaltsschreiben vom 23.05.2018 zurückweisen. Die angebotenen Gesprächstermine nahm sie nicht wahr. In dem Schreiben heißt es u.a.:

„Der Vorwurf einer Untreue oder eines Diebstahls wird zurückgewiesen. Es ist nicht richtig, dass unsere Mandantin Gelder gestohlen oder veruntreut hätte.

Eine weitergehende Stellungnahme zu den Vorwürfen ist nicht möglich, weil nur in allgemeiner Form behauptet wird, dass irgendwelche Differenzen vorlägen, die der Dienstzeit [der Klägerin] zuzuordnen wären.

Bestritten wird auch ein Abrechnungsbetrug. Bei dem einzigen von Ihnen geschilderten Fall war es so, dass unsere Mandantin in der Tat etwas früher Ihre Arbeit beendet hat, dies geschah jedoch im Einverständnis mit [dem Beklagten].“

Mit Schreiben vom 30.05.2018, der Klägerin am selben Tag zugegangen, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 31.07.2018. Die Klägerin erhob am 11.06.2018 vor dem Arbeitsgericht Koblenz Kündigungsschutzklage, die sie im Verlauf des Rechtsstreits auf die außerordentliche Kündigung beschränkte. Außerdem verlangte sie – soweit noch von Interesse – für die Zeit vom 01.06. bis zum 27.06.2018 Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und (wegen Ausscheidens im zweiten Halbjahr) Urlaubsabgeltung für 16 Tage.

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestands, des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der erstinstanzlich zuletzt gestellten Klageanträge wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 23.01.2019 Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat mit dem vorbezeichneten Urteil festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 30.05.2018 aufgelöst worden ist (Ziff. 1 des Tenors). Darüber hinaus hat es den Beklagten – unter Abweisung der Klage im Übrigen – verurteilt, an die Klägerin Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Zeit vom 01. bis zum 27.06.2018 iHv. € 1.158,30 brutto (Ziff. 2a des Tenors) und Urlaubsabgeltung für 16 Tage iHv. € 950,40 brutto (Ziff. 2b des Tenors), jeweils nebst Zinsen, zu zahlen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht – zusammengefasst – ausgeführt, die außerordentliche Verdachtskündigung sei nicht aus wichtigem Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt. Der Beklagte habe schon dem Anhörungserfordernis nicht genügt. Im Anwaltsschreiben vom 18.05.2018 habe er der Klägerin im Kern vorgeworfen, mit ihrer Karte Geldbeträge zum Auffüllen der Spielautomaten dem Tresor entnommen, dieses Bargeld jedoch nicht in die Automaten gefüllt zu haben. Auf diesen Vorwurf sei der Beklagte im Rechtsstreit nicht zurückgekommen. Stattdessen berufe er sich darauf, dass handschriftliche Eintragungen in sog. Auffülllisten nicht mit den digital protokollierten Nachfüllungen in den Spielautomaten übereinstimmten. Jedenfalls seien die vom Beklagten vorgetragenen Verdachtsmomente nicht geeignet, den dringenden Verdacht eines vorsätzlich vermögensschädigenden Verhaltens der Klägerin hochgradig wahrscheinlich erscheinen zu lassen. Die Kündigung sei auch nicht – unter dem Gesichtspunkt des Verdachts oder der Tat – wegen Arbeitszeitbetrugs gerechtfertigt. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils vom 23.01.2019 Bezug genommen.

Gegen das am 05.02.2019 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit einem am 04.03.2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz teilweise Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 06.05.2019 verlängerten Frist mit einem am 06.05.2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet. Gegen die erstinstanzliche Verurteilung zur Entgeltfortzahlung und zur Urlaubsabgeltung wendet sich die Berufung nicht.

Der Beklagte macht geltend, das Arbeitsgericht habe der Klage gegen die außerordentliche Kündigung vom 30.05.2018 zu Unrecht stattgegeben. Er habe die Klägerin vor Ausspruch der Verdachtskündigung ordnungsgemäß angehört. Er habe ihr im Schreiben vom 18.05.2018 ua. den Verdacht einer Unterschlagung in fünfstelliger Höhe eröffnet. Die Fehlbeträge seien ausschließlich während der Arbeitszeit der Klägerin durch nicht vorgenommene Nachfüllungen in die jeweiligen Spielautomaten entstanden. Er habe im Anwaltsschreiben vom 18.05.2018 konkret aufgeführt, welche Straftat er ihr durch welche strafrechtlich relevante Handlung über welchen Zeitraum und in welcher Höhe zur Last lege. Dieser Vorwurf sei so konkret gewesen, dass ihn die Klägerin durch Anwaltsschreiben vom 23.05.2018 zurückgewiesen habe. Mit diesem Schreiben habe sie eindeutig dokumentiert, dass sie kein Interesse an einer Anhörung habe. Auf eine angeblich bestehende oder länger andauernde Arbeitsunfähigkeit habe sich die Klägerin nicht berufen. In einem weiteren Schreiben vom 24.05.2018 habe er stellvertretend den Monat Januar 2018 herangezogen, um einen Teilbetrag iHv. € 3.400,00 mit Belegen weiter untermauert. Die Klägerin habe von ihrem Äußerungsrecht keinen Gebrauch gemacht, so dass er innerhalb der Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB die Kündigung ausgesprochen habe. Für die Beurteilung der Wirksamkeit der Anhörung und der Darlegung des strafrechtlich relevanten Sachverhalts sei unschädlich, wenn er im Schreiben vom 18.05.2018 zunächst nur eine „Geldquelle“ – nämlich den Tresor – als eine mögliche „Entnahmestelle“ für Bargeld zum Zwecke der Nachfüllung der Spielautomaten benannt habe. Der Klägerin sei hinreichend bekannt gewesen, dass mehrere „Geldquellen“ zur Entnahme von Bargeld außerhalb des Tresors vorhanden gewesen seien, um die Spielautomaten zu befüllen. Entscheidend sei, dass die Klägerin Entnahmen aus den jeweiligen „Geldquellen“ getätigt und in der Auffüllliste dokumentiert, dann aber keine entsprechenden Einzahlungen in die Spielautomaten vorgenommen habe. Dies sei Kern der Vorwürfe gewesen. Die Klägerin habe dies auch so verstanden und eingeordnet, weil sie den Kernvorwurf im Schriftsatz vom 23.05.2018 bestritten habe. Auch den Vorwurf des Arbeitszeitbetrugs habe er im Anhörungsschreiben konkret dargelegt.

Für die außerordentliche Kündigung liege ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB vor. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts bestehe der dringende Verdacht, dass die Klägerin im Zeitraum von Oktober 2017 bis März 2018 insgesamt 75 strafbare Handlungen begangen und so einen Vermögensschaden iHv. mindestens € 12.260,00 verursacht habe. Er habe erstinstanzlich substantiiert und schlüssig jede der insgesamt 75 strafbaren Handlungen der Klägerin vorgetragen und unter Beweis gestellt. Er habe ausführlich dargelegt, an welchen Arbeitstagen die Klägerin in der Spielhalle gearbeitet habe. Für diese Tage habe er die handschriftlich geführten Auffülllisten vorgelegt, die er mit den digitalen und nicht veränderbaren Aufzeichnungen der jeweiligen Spielautomaten abgeglichen habe. Bei diesem Abgleich habe sich gezeigt, dass die Klägerin handschriftlich das Auffüllen eines bestimmten Spielautomaten mit einem bestimmten Geldbetrag in der Liste dokumentiert, diesen Geldbetrag jedoch nicht in voller Höhe in den Automaten gefüllt habe. Diese Differenzen seien ausschließlich der Klägerin zuzuordnen, was sich nicht zuletzt aus dem Vergleich der Handschriften ergebe. Soweit die Klägerin auf einen angeblich fragwürdigen „Bargeldkreislauf“ in seiner Spielhalle verweise, um sich für die 75 Taten zu exkulpieren, habe das Arbeitsgericht dies zu Unrecht aufgegriffen. Es komme nicht darauf an, welche „Soll“- und „Ist“-Bestände es in den jeweiligen Tatzeiträumen an den jeweiligen Tagen in den verschiedenen „Geldquellen“ gegeben habe. Es sei irrelevant, wie viel Geld sich im Tresor, in der Barkasse oder in einem Eimer befunden habe. Denn es sei Fakt, dass Geld überhaupt vorhanden gewesen sei und die Klägerin mit ihrer eigenen Unterschrift dokumentiert habe, dass sie Geldbeträge – aus welcher „Geldquelle“ auch immer – entnommen habe, um diese dann in die jeweiligen Spielautomaten angeblich einzuzahlen. Diese Einzahlungen habe es aber durch den Abgleich der handschriftlichen Dokumente mit den digitalen Ausdrucken der jeweiligen Spielautomaten entweder in der jeweiligen Höhe oder absolut nicht gegeben. Diese Differenzen habe er erstinstanzlich tagesgenau und detailliert vorgetragen und unter Beweis gestellt. Zur Beurteilung eines Vermögensschadens komme es nicht darauf an, ob er „Soll“- und „Ist“-Bestände der einzelnen „Geldquellen“ vorgetragen habe. Fest stehe, dass Gelder, welcher „Quelle“ auch immer entnommen und nicht eingezahlt worden seien. Dass die Eintragungen in den handschriftlichen Listen von der Klägerin stammten, habe er in erster Instanz unter Beweis gestellt. Seinen Beweisangeboten sei das Arbeitsgericht nicht nachgegangen. Das Arbeitsgericht habe außerdem das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Tatkündigung zu Unrecht verneint. Er habe einen Vermögensschaden erlitten. Die Klägerin habe Geld in die Spielautomaten einzahlen sollen, dass sie vorher seinem Vermögen entnommen habe. Dass dieses Geld vorhanden gewesen sei, habe die Klägerin durch die Eintragungen in der Auffüllliste hinreichend dokumentiert. Es sei gleichgültig, wo das Geld welcher „Quelle“ entnommen worden sei.

Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei auch der nachgewiesene Arbeitszeitbetrug der Klägerin als wichtiger Kündigungsgrund geeignet. Die Klägerin habe in 13 Fällen ihre Arbeit bereits vor 24:00 Uhr beendet und insgesamt 410 Minuten Arbeitszeit zu Unrecht abgerechnet. Es liege ein bewusst vorsätzliches Fehlverhalten vor. Eine Abweichung von wenigen Minuten hätte er sicherlich geduldet, aber keine Abweichungen von 56 Minuten wie bspw. am 22.03.2018.

Der Beklagte beantragt zweitinstanzlich, das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 23.01.2019, Az. 2 Ca 1662/18, teilweise abzuändern und die Kündigungsschutzklage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen. Außerdem wird Bezug genommen auf die zur Information der Berufungskammer beigezogene Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Koblenz (2010 Js 50325/18). Die Staatsanwaltschaft hat das Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin am 27.12.2019 wegen des Vorwurfs des Diebstahls gem. § 170 Abs. 2 StPO und wegen des Vorwurfs des Betrugs bei der Abrechnung der Arbeitszeit gem. § 153 StPO eingestellt.

Entscheidungsgründe

I.

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Beklagten ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden.

II.

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage zu Recht stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche fristlose Kündigung des Beklagten vom 30.05.2018 nicht aufgelöst worden, sondern hat bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 31.07.2018 fortbestanden.

Der Beklagte stützt die außerordentliche Kündigung auf zwei Kündigungsgründe: Zum einen auf den dringenden Verdacht, die Klägerin habe im Zeitraum vom 01.10.2017 bis zum 31.03.2018 in 75 Fällen in seiner Spielhalle Bargeld gestohlen bzw. veruntreut. Zum anderen soll die Klägerin im Zeitraum vom 09.01. bis zum 09.05.2018 ihre Arbeitszeit in 13 Fällen um insgesamt 410 Minuten falsch abgerechnet haben. Das Arbeitsgericht hat angenommen, dass beide Kündigungsvorwürfe den Beklagten nicht zur fristlosen Kündigung berechtigen. Die Berufungskammer schließt sich dem an.

1. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht (vgl. BAG 13.12.2018 – 2 AZR 370/18 – Rn. 15 mwN).

Die Rechtfertigung einer „Tatkündigung“ hängt allein davon ab, ob im Kündigungszeitpunkt objektiv Tatsachen vorlagen, die zu der Annahme berechtigen, dem Kündigenden sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses – im Fall der außerordentlichen Kündigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – unzumutbar gewesen (vgl. BAG 16.07.2015 – 2 AZR 85/15 – Rn. 38 mwN).

Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Eine sog. Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn starke, auf objektive Tatsachen gründende Verdachtsmomente vorliegen, die geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Der Verdacht muss auf konkrete, vom Kündigenden darzulegende und ggf. zu beweisende Tatsachen gestützt sein. Er muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen nicht aus (vgl. BAG 02.03.2017 – 2 AZR 698/15 – Rn. 22 mwN).

2. Der Beklagte stützt den Kündigungsgrund, die Klägerin habe in 75 Fällen im Zeitraum vom 01.10.2017 bis 31.03.2018 in seiner Spielhalle Bargeld in einer Gesamthöhe von € 12.260,00 gestohlen bzw. veruntreut, auf einen dringenden Tatverdacht. Das Arbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die vom Beklagten vorgetragenen Umstände nicht geeignet sind, einen dringenden Tatverdacht zu rechtfertigen.

a) Es kann offenbleiben, ob das Arbeitsgericht die Rechtswirksamkeit der auf den Verdacht einer Straftat gestützten Kündigung bereits mit der Begründung verneinen konnte, der Beklagte habe die Klägerin nicht ausreichend angehört. Gegen die Annahme des Arbeitsgerichts spricht, dass der Beklagte die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 18.05.2018 nicht anhören, sondern zu einem Anhörungstermin einladen wollte. Die Auslegung ergibt, dass das Schreiben lediglich der Vorbereitung der beabsichtigten mündlichen Anhörung diente. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist unschädlich, dass der Beklagte im Einladungsschreiben vom 18.05.2018 seine Verdachtsmomente nicht detailliert aufgeführt hat. Die Einladung zur Anhörung ist an keine formalen Voraussetzungen geknüpft, insbesondere besteht keine Pflicht zur vorherigen Mitteilung des „Themenkreises“ oder der verdachtsbegründenden Tatsachen (vgl. ErfK/Niemann 20. Aufl. § 626 BGB Rn. 178 mwN). Eine Mitteilung des beabsichtigten Gesprächsthemas ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich nicht erforderlich (vgl. zur Anhörung eines Auszubildenden BAG 12.02.2015 – 6 AZR 845/13 – Rn. 56). Die Einladung des Beklagten zu einem Anhörungstermin vermittelte auch nicht den Eindruck, die Klägerin könne die Kündigung durch etwaige Erklärungen ohnehin nicht mehr abwenden (vgl. zu diesem Aspekt BAG 23.08.2018 – 2 AZR 133/18 – Rn. 48). Der Klägerin wurde ausdrücklich mitgeteilt, dass ihr im Gespräch Gelegenheit gegeben werden soll, die Verdachtsmomente zu entkräften. Zwar war die Klägerin zu den drei vom Beklagten vorgeschlagenen Anhörungsterminen arbeitsunfähig krankgeschrieben, der Beklagte war aber nicht verpflichtet, ihre Gesundung abzuwarten (vgl. BAG 20.03.2014 – 2 AZR 1037/12 – Rn. 26 ff mwN), zumal ihm die Klägerin nicht mitgeteilt hat, sie sei aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, an einem Gespräch teilzunehmen. Die Hinzuziehung ihres Rechtsanwalts war ihr ausdrücklich angeboten worden (vgl. zu diesem Aspekt Eylert/ Friedrichs DB 2007, 2203, 2204).

b) Wie vom Arbeitsgericht zutreffend angenommen, sind die vom Beklagten vorgetragenen Umstände nicht geeignet, eine Verdachtskündigung zu rechtfertigen. Die Berufungskammer schließt sich dem nach eigener Prüfung an.

aa) Das Arbeitsgericht hat angenommen, dass die vom Beklagten vorgetragenen Differenzen zwischen den handschriftlich geführten „Auffülllisten“ und den digitalen Aufzeichnungen der einzelnen Spielautomaten keinen Rückschluss auf konkrete Fehlbeträge im betriebswirtschaftlichen Ergebnis zuließen. Die Relation von Auffülllisten und digital erfassten Nachfüllungen in den Automaten sei nicht mit dem eigentlichen Bargeldkreislauf im Betrieb zu verwechseln, der durch eine eigenartige Handhabung von Gutscheinen und Bardepots, Eigenentnahmen des Beklagten und/oder Bestückungen von „Schwarzgeräten“ geprägt gewesen sei. Bspw. habe der Beklagte in einer von ihm vorgelegten Auffüllliste (Bl. 118 d.A.) „*Tresor leer“ vermerkt, gleichwohl seien Automatennachfüllungen erfolgt, denn die Auffüllliste sei mit € „124,-“ fortgeschrieben worden. Unstreitig seien die Arbeitnehmer angewiesen worden, Bargeld zurückzulegen, um den Kunden noch offene Spielgewinne auszahlen zu können, wofür ihnen bei Geldmangel Gutscheine ausgestellt worden seien. Welches Barvermögen der Beklagte zu welcher (vermeintlichen) Tatzeit gehabt habe, ergebe sich nicht aus der Gegenüberstellung von Auffülllisten und Automatenaufzeichnungen. So seien digital aufgezeichnete Nachfüllungen (etwa für Automat 301312908 ein Betrag von € 3,00 am 18.10.2017; für Automat 295812859, Spielstelle 4/4, ein Betrag von € 34,00 am 22.11.2017; für Automat 295812859, Spielstelle 1/4, ein Betrag von € 8,00 am 11.12.2017; für Automat 301312906 Beträge von € 64,00 und € 84,00 am 16.10 2017 bzw. € 98,00 am 28.10.2017) nicht in den Auffülllisten vermerkt worden.

Die Klägerin habe auch auf andere Unstimmigkeiten hingewiesen, die der Beklagte nicht in Abrede gestellt habe. So weise die handschriftliche Auffüllliste für die Zeit vom 02.12.2017 bis 01.01.2018 für das Gerät mit der Endziffer 859, Spielstelle1/4, eine Summe von € 3.540,00 auf, während der Spielautomat Nachfüllungen iHv. € 3.198,00 digital aufgezeichnet habe. Der Fehlbetrag (€ 342,00) sei daher höher, als der Klägerin angelastet (€ 200,00) werde. Ähnlich sei die Unstimmigkeit der (zusammen) € 1.480,00 nach Spalte 9 der Auffüllliste für die Zeit vom 20. bis 23.12.2017, denn die Klägerin sei erkrankt gewesen. In keiner der digital aufgezeichneten Nachfüllungen für Automat 295812859 finde sich dieser Betrag. Gleiches gelte für einen Eintrag in Spalte 14 am 08.12.2017 mit € 350,00 oder in Spalte 11 am 23.12.2017 mit € 300,00. Außerdem könne nicht angenommen werden, dass die in den Auffülllisten notierten Geldbeträge zeilengenau zum Kalendertag und spaltengenau zum Spielautomaten in der Chronologie untereinanderstehender Folgen (und damit bestimmten Schichten zuordenbar) dem Tresor zum Zweck der Automatennachfüllung von bestimmten Personen entnommen worden seien. Die Klägerin habe zutreffend daraufhin gewiesen, dass es hierfür an Authentizitätszusätzen fehle (Unterschrift, Paraphe oä). Entgegen der Ansicht des Beklagten ließen die Schriftzüge nicht durchgehend zweifelsfreie Rückschlüsse auf Urheber und Zeitpunkt der Einträge zu. Insb. die häufigsten Ziffernfolgen „100,-„, „50,-“ und „200,-“ seien vom Schriftbild nicht auffällig. Die Vernehmung der pauschal benannten Zeugen wäre auf eine Ausforschung hinausgelaufen. Hinzu komme, dass die Führung der Auffülllisten in hohem Maße fehleranfällig gewesen sei. Die verwendete Tabelle habe 14 Spalten für die Automaten, die mit Nummern von 1 bis 14 bezeichnet seien. In den Zeilen sei zum Datum der Auffüllbetrag einzutragen. Regelmäßig seien drei Listenblätter pro Monat verwendet worden, wobei bestimmte Ziffern, die anscheinend verschiedene Spielautomaten kennzeichnen sollen, in den vier Spalten 11 bis 14 alle gleich mit „859“ bezeichnet worden seien. Im Übrigen habe der Beklagte nicht erklärt, weshalb er aus den Eintragungen in den Auffülllisten seinen Verdacht gerade und allein gegen die Klägerin geschöpft habe. Selbsterklärend seien die Listen jedenfalls nicht.

bb) Die Staatsanwaltschaft Koblenz hat in ihrer Einstellungsverfügung vom 27.12.2019 (2010 Js 50325/18) ausgeführt, dass die vom Beklagten vorgelegten „Auffülllisten“ und Ausdrucke der einzelnen Spielautomaten nicht ausreichten, um einen hinreichenden Tatverdacht gegen die Klägerin zu begründen. Aus den Auffülllisten gehe schon mangels Unterschrift oder Paraphe nicht hervor, welche Person den jeweiligen Eintrag verfasst habe. Auch die Annahme des Beklagten, die handschriftlichen Eintragungen in den Auffülllisten müssten Eins-zu-eins mit den Entnahmen der Arbeitnehmer aus dem Tresor übereinstimmen, sei nicht richtig. Aufgrund der diversen Zu- und Abflussmöglichkeiten im Geldkreislauf des Betriebs könne nicht von einer vollständigen Übereinstimmung zwischen Auffülllisten und Entnahmen ausgegangen werden. So sei bspw. Geld aus dem Tresor entnommen worden, um den Kunden Gewinne in bar oder (zumindest in der Vergangenheit) den Arbeitnehmern Löhne auszuzahlen. Von einer lückenlosen Dokumentation des Geldflusses könne daher nicht ausgegangen werden. In diesem Zusammenhang sei zu beachten, dass auch die handschriftlich ausgefüllten Listen einen Spielraum für Manipulationen offenließen.

cc) Das Berufungsvorbringen des Beklagten rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Die von ihm vorgetragenen Umstände reichen für einen dringenden Tatverdacht, die Klägerin habe von Oktober 2017 bis März 2018 in 75 Fällen aus der Spielhalle eine Summe von mindestens € 12.260,00 an Bargeld gestohlen, nicht aus. Entgegen der Berufung hat der Beklagte erstinstanzlich nicht substantiiert und schlüssig 75 Diebstahlsfälle vorgetragen und unter Beweis gestellt. Wie bereits das Arbeitsgericht im Einzelnen ausgeführt hat, genügt es nicht eine Differenz vorzutragen, die sich bei einem Abgleich zwischen den Auffülllisten und den digitalen Aufzeichnungen der jeweiligen Spielautomaten ergeben soll. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt die Berufungskammer Bezug auf die umfassenden Ausführungen des Arbeitsgerichts. Entgegen der Ansicht der Berufung zeigt der Abgleich nicht auf, dass die Klägerin handschriftlich das Nachfüllen eines bestimmten Spielautomaten mit einem bestimmten Geldbetrag in der Liste dokumentiert, diesen Geldbetrag jedoch nicht in voller Höhe in den Automaten gefüllt habe. Verschiedene Handschriften sind in der Tabelle nicht deutlich zu unterscheiden. Die Eintragungen sind weder mit einer Unterschrift versehen noch mit einem Namenskürzel abgezeichnet worden. Entgegen der Berufung ist nicht irrelevant, wie viel Bargeld sich im Tresor oder in der Barkasse der Spielhalle oder in einem Eimer befunden hat. Eine geordnete Kassenführung, die eine lückenlose Überprüfung jedes Geschäftsvorfalls ermöglicht, wird nicht durch „Auffülllisten“ ersetzt. Bargeldgeschäfte sind in Kassenbüchern aufzuführen, in die auch Nebenkassen oder Sonderkassen („Eimer“) einfließen müssen, die Kasseneinnahmen- und -ausgaben sollen täglich aufgezeichnet, offene Kassen täglich gezählt werden. Der Beklagte hat im arbeitsgerichtlichen Verfahren weder Buchhaltungsunterlagen noch eine Übersicht seines Steuerberaters vorgelegt. Im Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin bezog sich der Beklagte bei seiner Nachvernehmung am 11.06.2018 auf eine „Excel-Liste Kassenbestände“ (Bl. 14 der Ermittlungsakte 2010 Js 50325/18) und eine Bestätigung seines Steuerberaters vom 28.05.2018. Danach sollen in der Zeit vom 01.10. bis 31.12.2017 Fehlbeträge in einer Gesamthöhe von € 20.505,67 aufgetreten sein, die „durch eine Buchung zum Monatsende an den gezählgen Bestand angepasst“ worden seien. Die Summe der Fehlbeträge in der Zeit vom 01.01.2018 bis 31.03.2018 bezifferte der Beklagte bei seiner polizeilichen Vernehmung mit € 23.984,04. Seinen Gesamtschaden gab er mit € 44.489,71 an, der Klägerin könne er einen Diebstahl von € 14.480,00 nachweisen. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren ist der Beklagte zur Begründung der am 30.05.2018 erklärten Kündigung auf diese Liste seines Steuerberaters nicht mehr eingegangen. Einen hinreichenden Diebstahlsverdacht geben die vom Beklagten vorgelegten Zahlenwerke auch deshalb nicht her.

3. Das Arbeitsgericht hat ebenfalls zutreffend erkannt, dass die außerordentliche Kündigung des Beklagten nicht wegen Arbeitszeitbetrugs gerechtfertigt ist.

a) Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Dies gilt für den vorsätzlichen Missbrauch einer Stempeluhr ebenso wie für das wissentliche und vorsätzlich falsche Ausstellen entsprechender Formulare (vgl. BAG 13.12.2018 – 2 AZR 370/18 – Rn. 17 mwN).

b) Im Streitfall verglich der Beklagte die Auslösungsprotokolle über die „Scharf“-Stellung der Alarmanlage bei Schließung der Spielhalle (Druckdatum 14.05.2018) aus dem Zeitraum vom 01.01. bis zum 14.05.2018 mit den handschriftlichen Stundenaufschrieben der Klägerin über das Arbeitsende und stellte dabei fest, dass die Klägerin an 13 Tagen ihre Arbeit nicht erst – wie von ihr auf den jeweiligen Stundenzetteln handschriftlich notiert – um 24:00 Uhr beendet hat, sondern insgesamt 410 Minuten früher. Im Einzelnen beendete die Klägerin ihre Arbeitszeit am 09.01.2018 bereits um 23:10 Uhr (50 Minuten früher), am 17.01.2018 um 23:41 Uhr (19 Minuten früher), am 20.01.2018 um 23:47 Uhr (13 Minuten früher), am 23.01.2018 um 23:21 Uhr (39 Minuten früher), am 04.02.2018 um 23:48 Uhr (12 Minuten früher), am 05.02.2018 um 23:24 Uhr (36 Minuten früher), am 06.02.2018 um 23:20 Uhr (40 Minuten früher), am 22.02.2018 um 23:50 Uhr (10 Minuten früher), am 27.02.2018 um 23:09 Uhr (51 Minuten früher), am 01.03.2018 um 23:48 Uhr (12 Minuten früher), am 14.03.2018 um 23:12 Uhr (48 Minuten früher), am 22.03.2018 um 23:04 Uhr (56 Minuten früher) und am 09.05.2018 um 23:36 Uhr (24 Minuten früher).

Die Klägerin rechtfertigt ihre Stundenaufschriebe mit einem angegebenen Arbeitsende um 24:00 Uhr im Wesentlichen damit, dass die Spätschicht (ab 16:00 Uhr) nur nominell um 24:00 Uhr geendet habe. Größtenteils habe pro Schicht nur eine Spielhallenaufsicht gearbeitet. Wenn in der Spielhalle „nichts los“ gewesen sei, sei die Aufsichtsperson bereits vor 24:00 Uhr gegangen. Wesentlich häufiger seien Kunden jedoch länger als 24:00 Uhr, zeitweise bis 2:00 Uhr morgens, in der Spielhalle geblieben. Diese längeren Arbeitszeiten seien auf Anweisung des Beklagten nicht dokumentiert worden. Allgemein sei die tatsächlich geleistete Arbeitszeit auf den Stundenzetteln jahrelang nur „pauschal“ und nicht minutengenau wiedergegeben worden. Eine ordnungsgemäße Arbeitszeiterfassung sei nicht erfolgt. Beispielsweise sei die Alarmanlage ausweislich der vom Beklagten vorgelegten Auslösungsprotokolle am 05.04.2018 erst um 0:27 Uhr „Scharf“ gestellt worden, gleichwohl habe sie auf dem Stundenzettel ihr Arbeitsende mit 24:00 Uhr angegeben.

Hierauf replizierte der Beklagte, dass er sowohl der Klägerin als auch den anderen Arbeitnehmern bei den Stundenaufschrieben eine „gewisse Karenz von +/- 15 Minuten“ eingeräumt habe. Er habe darauf vertraut, dass die Klägerin die Spielhalle frühestens um 23:45 Uhr, spätestens um 0:15 Uhr geschlossen habe, wenn sie als Arbeitsende 24:00 Uhr eingetragen habe. Keinesfalls habe er geduldet, dass die Klägerin bereits vor 23:45 Uhr Feierabend mache, aber bis 24:00 Uhr abrechne.

c) Angesichts aller Umstände des Streitfalls erweist sich aufgrund der gem. § 626 Abs. 1 BGB stets vorzunehmenden Interessenabwägung die fristlose Kündigung vom 30.05.2018 als unverhältnismäßig. Es liegt zwar eine erhebliche Pflichtverletzung vor, weil die Klägerin auf den Stundenzetteln das Ende ihrer Arbeitszeit falsch angegeben und den Beklagten damit aktiv darüber getäuscht hat, ihre Arbeitspflichten wahrgenommen zu haben. Die Abweichungen zwischen dem angegebenen Ende der Arbeitszeit und dem „Scharfstellen“ der Alarmanlage, der letzten Arbeitsaufgabe beim Verlassen der Spielhalle, waren teilweise erheblich (bspw. 56 Minuten am 22.03.2018). Andererseits fällt auf, dass die Klägerin nicht nur zu ihren Gunsten, sondern auch zu ihren Ungunsten falsche Arbeitszeiten (bspw. 27 Minuten am 05.04.2018) angegeben hat. Außerdem tolerierte der Beklagte nach seinem eigenen letzten Vorbringen Abweichungen zwischen den Stundenaufschrieben und den Aufzeichnungen der Alarmanlage von „+/- 15 Minuten“, so dass mehrere Vorwürfe bereits objektiv als Kündigungsgrund ausfallen (am 20.01., 04.02., 22.02. und 01.03.2018). Bei der gebotenen Abwägung der Interessen beider Vertragsteile war dem Beklagten für die Dauer der gesetzlichen Kündigungsfrist zuzumuten, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin fortzusetzen.

4. Gegen die vom Beklagten am 30.05.2018 hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung zum 31.07.2018 wehrt sich die Klägerin nicht mehr. Der betriebliche Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes gem. § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG war im Streitfall ohnehin nicht eröffnet, weil der Beklagte im Zeitpunkt der Kündigung in seinem Betrieb unstreitig nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigte.

III.

Der Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen.

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

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