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Fristlose Kündigung von tariflich unkündbaren Mitarbeitern

Landesarbeitsgericht Köln – Az.: 8 Sa 358/21 – Urteil vom 11.11.2021

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 15.04.2021 – 8 Ca 6719/20 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufung nur noch über die Wirksamkeit einer auf betriebliche Gründe gestützten außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist.

Die beklagte Partei ist die Konzernobergesellschaft der L -Gruppe. Sie betreibt ein Luftfahrtunternehmen mit operativem Sitz in F , Drehkreuzen in F und M (sogenannte HUBs) sowie acht dezentralen Stationen in B -T , Br , H , Ha , D , K , N und S . Sie unterhält neben dem Flugbetrieb die Bodenbetriebe an den HUBs sowie den dezentralen Stationen. An den Standorten B , Br , D , S und H bestehen neben den jeweiligen dezentralen Stationen auch so genannte Stadtbüros.

Die am 1963 geborene Klägerin ist seit dem 1.7.1985 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt in der dezentralen Station in K als Professional Service 1 zu einer Bruttomonatsvergütung von 1.580,- EUR.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden unter anderem der Manteltarifvertrag Nr. 14 vom 1.10.2005 (im Folgenden: MTV, Anlage B1), der Tarifvertrag Schutz Boden vom 18.4.1980 in der Fassung vom 1.10.1995 (im Folgenden: TV-S Boden, Anlage B2), die Konzernbetriebsvereinbarung Interessenausgleich und Sozialplan vom 20.11.1992 in der Fassung der Ergänzungsvereinbarung vom 1.1.2001 (im Folgenden: KBVB IA SP, Anlage B4), die Betriebsvereinbarung Konzern-Vermittlungsprozess (Clearingverfahren) vom 27.9.2012 (im Folgenden: KBVB Clearing, Anlage B5) und die Betriebsvereinbarung für Bodenmitarbeiter betreffend Soziale Auswahlrichtlinien vom 20.11.1992 (im Folgenden: BV Soziale Auswahlrichtlinien, Anlage B6) Anwendung. Gemäß § 41 Abs. 3 MTV ist das Arbeitsverhältnis der klagenden Partei aufgrund ihrer über 15-jährigen Betriebszugehörigkeit ordentlich unkündbar.

In der dezentralen Station K beschäftigte die beklagte Partei regelmäßig mehr als zehn Vollzeitarbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Es ist ein Betriebsrat gewählt.

Die beklagte Partei führte in der dezentralen Station in K bislang flugvorbereitende Abfertigungstätigkeiten aus. Das sind Aufgaben im Zusammenhang mit Check in, Gate, Lounge, Surveillance, Duty Management sowie PDI (Personaldisposition).

Die beklagte Partei traf im Jahr 2015 die unternehmerische Entscheidung, alle acht dezentralen Stationen und damit auch die Station in K zum 31.5.2021 zu schließen. Sie schloss deshalb mit dem in K gewählten Betriebsrat unter dem 19.10.2015 einen Interessenausgleich sowie einen Sozialplan.

Die klagende Partei ist bereit, an den HUB F zu wechseln, hospitierte dort bereits und wird dort – im Rahmen einer Prozessbeschäftigung nach obsiegendem erstinstanzlichen Urteil -zu ansonsten unveränderten Arbeitsbedingungen Professional Service 1 beschäftigt.

Die Beklagte leitete das Konsultationsverfahren nach § 17 KSchG bei dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat am 10.9.20 ein. Der Gesamtbetriebsrat gab dazu am 24.9.2020 seine abschließende Stellungnahme ab. Daraufhin erstattete die Beklagte Massenentlassungsanzeigen für die 8 davon betroffenen dezentralen Stationen bei den zuständigen Arbeitsagenturen. Auf die von der Beklagten vorgelegten Massenentlassungsanzeigen wird verwiesen.

Zum 1.6.2020 eröffnete die beklagte Partei das im Sozialplan vom 19.10.2015 vorgesehene so genannte Clearing-Verfahren. Dabei wurden freie Stellen vor Ausschreibung der Lokalen Vermittlungsstelle zur Verfügung gestellt. Sodann prüfte die Lokale Vermittlungsstelle die Stelle auf Besetzbarkeit mit einem Mitarbeiter im Clearing nach der KBVB Clearing. Sie prüfte die eingehenden Stellenangebote unter Abgleich des Profils des einzelnen Mitarbeiters mit dem Anforderungsprofil der Stellenbeschreibung. Der letzte Schritt des Clearing-Verfahrens, das sogenannte notarielle Clearing, wurde am 27.8.2020 eröffnet und am 10.9.2020 geschlossen. Die klagende Partei wurde im Rahmen des Clearing-Verfahrens für keine Position als geeignet eingestuft.

Mit Schreiben vom 16.9.2020 hörte die beklagte Partei den K Betriebsrat zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist gegenüber der Klägerin an. Der Betriebsrat beschloss in seiner Sitzung am 21.9.2020, der beabsichtigten Kündigung zu widersprechen.

Die beklagte Partei kündigte das mit der klagenden Partei bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 26.9.2020 aus betriebsbedingten Gründen außerordentlich unter Einhaltung der sozialen Auslauffrist zum 31.5.2021, höchst vorsorglich zum nächst möglichen Zeitpunkt.

Im Jahr 2020 nahm die beklagte Partei in mehreren Fällen Entfristungen von Arbeitsverhältnissen mit am HUB M bislang befristet beschäftigten Mitarbeitern vor. Die Entfristungen erfolgten teilweise vor und teilweise nach dem Zugang der streitgegenständlichen Kündigung. Dabei sind Anfang 2020 dort mindestens 19 Stellen im Jahr 2020 entfristet und besetzt worden sind. Es handelt sich dabei unstreitig um 9 Stellen für „Professional Service 1“, 5 Stellen für „Professional Service Ticketing“, 3 Stellen für „Professional Operation“, 1 Stelle für „Allrounder Planung“ und 1 Stelle für „Allrounder Officer“.

Zum 31.5.2021 erfolgte die Schließung der dezentralen Stationen. Die von der Beklagten als Stationsleiter bezeichneten Mitarbeiter wurden zunächst mit Abwicklungsarbeiten befasst und dann versetzt. Die Arbeitsverhältnisse aller übrigen bisher an den dezentralen Stationen beschäftigten Mitarbeiter, die nicht nach einem bis zum 31.5.2016 beantragten HUB-Wechsel auf einem anderen Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden, deren Arbeitsverhältnis nicht, etwa wegen Renteneintritts, zum 31.5.2021 endet und die sich nicht in Familienpflegezeit und insofern noch im behördlichen Zustimmungsverfahren befinden, wurden im Wege eines Aufhebungsvertrags aufgehoben oder gekündigt.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die außerordentliche Kündigung sei unwirksam. Es fehle bereits an einem wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB, da Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten, insbesondere an den HUBs, für sie beständen. Hiervon sei auch die beklagte Partei ausweislich ihrer Schreiben bis zum 22.5.2020 ausgegangen. Zudem verdeutlichten die in der Klageschrift aufgeführten, für den HUB F ausgeschriebenen Stellen, insbesondere die ausgeschriebene Stelle Allrounder Office, sowie die nach Ausspruch der Kündigung zu besetzenden Stellen, dass es die Möglichkeit ihrer Weiterbeschäftigung in den zurückliegenden Monaten gegeben habe und immer noch gebe. Auch sei zu berücksichtigen, dass die beklagte Partei im Stationsbereich des HUB M noch im Laufe des Jahres 2020 befristete Einstellungen sowie Entfristungen von Verträgen vorgenommen habe. Es habe demnach keine gesicherte Erkenntnis der beklagten Partei im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung gegeben, dass in den nächsten Jahren keine freien Stellen im Unternehmen oder Konzern entständen, auf welchen sie weiterbeschäftigt werden könne. Die im Jahr 2020 freigewordenen und besetzten Arbeitsplätze zeigten vielmehr deutlich, dass nach und nach immer wieder Arbeitsplätze frei würden und zu besetzen seien.

Entgegen der Annahme der beklagten Partei werde es nicht erst 2024, sondern bereits deutlich früher wieder „aufwärtsgehen“. Auch die beklagte Partei gehe davon aus, dass im Laufe des Jahres 2021, spätestens im Herbst 2021, eine positive Entwicklung eintrete, da eine gewisse „Durchimpfung“ der Bevölkerung stattfinde und dann auch wieder Flugreisen, insbesondere zur Wahrnehmung von Urlaub, durchgeführt würden. Die beklagte Partei gehe von einem vorübergehenden Arbeitsausfall aus und habe dementsprechend für die Bereiche der Bodenmitarbeiter, des Cockpits und der Kabine jeweils Kurzarbeit bis zum 31.12.2021 eingeführt. Die Annahme der beklagten Partei, mit einem Freiwerden vergleichbarer Arbeitsplätze sei – zumindest im operativen Bodenbereich – über Jahre hinweg nicht, jedenfalls nicht vor dem Jahr 2024 zu rechnen, sei reine Spekulation und keine mit nachvollziehbaren Zahlen untermauerte verlässliche Prognose.

Es sei zudem nicht nachzuvollziehen, ob und inwieweit Umorganisationsmaßnahmen durch die beklagte Partei vorgenommen worden seien, um den Erhalt ihres Arbeitsplatzes sicherzustellen. Der entsprechende Vortrag der beklagten Partei sei ebenso unsubstantiiert wie zu der Frage, ob und inwieweit Fortbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen in Betracht gezogen worden seien, um sie im Hinblick auf die freien und auch im Konzern zu besetzenden Positionen zu qualifizieren.

Die klagende Partei hat darüber hinaus das Fehlen der Voraussetzungen des § 626 BGB hinaus das Fehlen einer ordnungsgemäßen Kündigungserklärung gerügt. Zudem seien weder der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört noch das Verfahren nach § 17 KSchG und hierbei insbesondere auch das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG ordnungsgemäß durchgeführt worden.

Die klagende Partei hat u.a. gestützt auf den allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch ihre Weiterbeschäftigung bis zur rechtskräftigen Beendigung des Rechtsstreits begehrt.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung der beklagten Partei unter Einhalt der sozialen Auslauffrist vom 26.9.2020 zum 31.05.2021 sein Ende finden wird;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht;

3. die Beklagte zu verurteilen, sie bis zur rechtskräftigen Beendigung des vorliegenden Rechtsstreits zu den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen als Professional Service 1 weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die außerordentliche Kündigung sei wegen der Schließung der Station K wirksam. Sie sei insbesondere von einem wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB getragen, weil für Jahre keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten für die klagende Partei beständen.

Bei Zugang der Kündigung sei eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem anderen, vergleichbaren und freien Arbeitsplatz im Betrieb oder Unternehmen nicht gegeben gewesen. Die wenigen, im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bei ihr bestandenen freien Arbeitsplätze seien in das Clearing-Verfahren einbezogen und Mitarbeiter aller dezentralen Stationen bei entsprechender Eignung berücksichtigt worden. Die klagende Partei sei für diese Stellen jedoch ungeeignet gewesen. Soweit bei anderen Gesellschaften der L -Gruppe im Zeitpunkt der Kündigung Stellen ausgeschrieben gewesen seien, seien auch diese in das Clearing-Verfahren einbezogen worden, sofern es sich um Clearing-Gesellschaften oder Gesellschaften gehandelt habe, auf die § 6 TV-S Boden Anwendung finde. Hinsichtlich insoweit zu berücksichtigender Stellen sei die klagende Partei jedoch auch nicht geeignet gewesen. Die Abwicklungsarbeiten in der zu schließenden Station hätten keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für die klagende Partei begründet. Diese Arbeiten würden durch den beklagtenseits als Stationsleiter bezeichneten Mitarbeiter durchgeführt werden. Die klägerseits angeführten Stellenbesetzungen und Entfristungen am HUB M hätten – teilweise auch aus mehreren Gründen – ebenfalls keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für die klagende Partei dargestellt. Sie seien teilweise schon Anfang des Jahres 2020 bzw. vor Eröffnung des Clearing-Verfahrens entschieden worden, es habe sich teilweise um so genannte Förderstellen gehandelt, die klagende Partei sei teilweise für die Stellen nicht geeignet oder – die Eignung der gesamten Funktionsgruppe unterstellt – die klagende Partei bei einer fiktiven Sozialauswahl jedenfalls nicht zu berücksichtigen gewesen. Für die nach Kündigungszugang am HUB M entfristeten Stellen sei die klagende Partei nicht geeignet gewesen.

Die Beklagte hat weiter vorgetragen, sie habe umfassend geprüft, ob und inwieweit Umorganisationsmaßnahmen in Betracht gekommen seien, welche den Erhalt bzw. die Schaffung von Beschäftigungsbedarf für die betroffenen Arbeitnehmer hätten herbeiführen können. Insbesondere habe der Sozialplan eine Vielzahl von Maßnahmen enthalten, welche durch sie allesamt geprüft worden seien. Ein Erhalt der Arbeitsplätze habe sich hierdurch nicht erzielen lassen.

Mit einem Freiwerden vergleichbarer Arbeitsplätze sei auch über Jahre hinweg nicht zu rechnen gewesen. Vergleichbare Arbeitsplätze im operativen Bodenbereich beständen nach Schließung der dezentralen Stationen nur noch an den Drehkreuzen in F und M . Ein Beschäftigungsbedarf in Gestalt freier Arbeitsplätze für die klagende Partei wäre jedoch auch dort über Jahre hinweg nicht eingetreten.

Die beklagte Partei hat hierzu verwiesen auf den Rückgang des Flugverkehrsaufkommens seit Beginn der Corona-Pandemie Anfang des Jahres 2020 und die wirtschaftlichen Auswirkungen für ihre Gesellschaft. In den ersten neun Monaten des Jahres 2020 habe sie einen Umsatzrückgang gegenüber dem Vorjahreszeitraum von 72 % verzeichnet. Die International Air Transport Association (im Folgenden: IATA) als Dachverband der weltweiten Fluggesellschaften habe im Juli 2020 prognostiziert, dass eine Erholung infolge der Corona-Pandemie noch langsamer als ursprünglich erwartet erfolgen werde und das Vorkrisenniveau voraussichtlich nicht vor dem Jahr 2024 erreicht werde. Diese Einschätzung habe die beklagte Partei geteilt. Die Entwicklung der Pandemie mit weiterhin global steigenden Infektionszahlen, politischen Appellen, nicht zu reisen, sowie Reisewarnungen hätte im Zeitpunkt des Kündigungszugangs nicht auf eine zeitnahe Besserung der Lage für den Reiseverkehr hoffen lassen. Die tatsächliche Entwicklung bestätige diese Prognose. Frühestens im Jahr 2024 könne daher davon ausgegangen werden, dass der krisenbedingte Personalüberhang überwunden und ein entsprechender Beschäftigungsbedarf entstehen werde.

Die beklagte Partei hat weiter ausgeführt, verschiedene unternehmerische Maßnahmen in Reaktion auf die Corona-Pandemie mit Auswirkungen auf bestehende Arbeitsplätze getroffen zu haben. Sie hat u.a. auf Verhandlungen mit Tarif- und Betriebsparteien zur Senkung von Personalkosten verwiesen. Hinsichtlich des Ziels, eine Personalreduktion von 20 bis 30 % bis Ende 2021 herbeizuführen, habe sie ab November 2020 zu Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen aufgerufen. Auch seien Freiwilligenprogramme eingeführt worden, um einvernehmliche Beendigungen von Arbeitsverhältnissen zu eröffnen. Es bestehe ein Personalüberhang von mehr als 27.000 Vollzeitstellen in der L -Gruppe. Bei dem Personalabbau in Deutschland entfielen auf die beklagte Partei 8400 Vollzeitstellen, wobei rund 1000 im Cockpit (1100 Köpfe, 20 %), ca. 5000 in der Kabine (wobei ein tarifvertraglicher Kündigungsverzicht für Kabinenmitarbeiter während der Laufzeit des entsprechenden Tarifvertrags, bei Ende des Tarifvertrags erst zum 31.12.2023 bis zum 30.6.2024 bestehe) und ca. 1500 im operativen Bodenbereich und knapp 900 im administrativen Bodenbereich (gesamt Boden ca. 2400 Vollzeitstellen) betroffen seien. Stellenpläne könnten derzeit noch nicht vorgelegt werden, da diese mit den Mitbestimmungsgremien verhandelt würden. Im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung habe an den HUBs bereits ein Personalüberhang von knapp 1500 Vollzeitstellen bei den weit überwiegend operativen Stellenprofilen bestanden, die für die von den Stationsschließungen betroffenen Mitarbeiter einschlägig seien. Im September/Oktober 2020 sei die FTE-Planung für das Kalenderjahr 2022 vorgenommen worden. Es sei entschieden worden, wegen der an den HUBs bis zum 31.12.2021 in großem Maße geplanten Kurzarbeit abweichend vom Üblichen keine Personalmengenzielgröße für das kommende Jahr, sondern für das Jahr 2022 zu erstellen. Die basierend auf den zu erwartenden „Zusteigern“ für das Jahr 2022 berechnete Prognose habe verglichen mit der Budgetplanung für das Jahr 2020 einen Zusteigerrückgang für den HUB F von 31 % und den HUB M von 30 % ergeben. Unter Berücksichtigung von Produktivitätssteigerungen aufgrund Automatisierung, neuer Technologien und Prozessverbesserungen im Bodenbereich sei für den engeren operativen Bereich ein reduzierter Bedarf an Vollzeitstellen von 36 % am HUB F und 35 % am HUB M ermittelt worden. Dies bedeute exklusiv der 100 Vollzeitstellen, die am HUB F mit Leiharbeitnehmern besetzt seien, einen reduzierten Personalbedarf im engeren operativen Bereich im Jahr 2022 am HUB F von 607 Vollzeitstellen und am HUB M von 392 Vollzeitstellen. Im Hinblick auf den erheblichen Personalüberhang sei geplant, Stellen ausscheidender Mitarbeiter nicht bzw. nur im Ausnahmefall nachzubesetzen. Auch durch das Ausscheiden einzelner Mitarbeiter an den HUBs würden mithin keine freien Arbeitsplätze für die klagende Partei entstehen. Einzelne ausscheidende Arbeitnehmer hinterließen angesichts des massiven Personalüberhangs keine freien Arbeitsplätze, sondern reduzierten lediglich den Personalüberhang marginal.

Auch bei den TV-S Boden Gesellschaften sei gerechnet ab dem Zeitpunkt des Kündigungszugangs in mindestens den nächsten drei Jahren nicht mit freien Stellen zu rechnen gewesen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, mangels Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis über den 31.5.2021 sinnvoll fortzusetzen, sei ihr die Fortführung des Arbeitsverhältnisses mit der klagenden Partei über dieses Datum hinaus, für die Dauer von 36 Monaten und bis zum Renteneintritt der klagenden Partei nicht zumutbar. Das Arbeitsverhältnis mit der klagenden Partei sei sinnentleert. Ein derart langer Weiterbeschäftigungszeitraum unter Fortzahlung der Vergütung ohne Einsatzmöglichkeit könne ihr in der derzeitigen Krisensituation nicht zugemutet werden. Eine Weiterbeschäftigung der Mitarbeiter über den Schließungszeitpunkt der dezentralen Stationen hinaus werde für sie existenzgefährdende Kosten verursachen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage, dem allgemeinen Feststellungsantrag und der Klage auf Weiterbeschäftigung aufgrund des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs stattgegeben. Auf das Urteil wird verwiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten soweit dem Feststellungsantrag zu 1) und 2) stattgegeben worden ist. Die Beklagte ist weiter unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags der Auffassung, die außerordentliche betriebsbedingte Kündigung sei wirksam, der Arbeitsplatz der klagenden Partei durch Schließung der dezentralen Station weggefallen ist und für keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit über Jahre hinweg im Unternehmen bestehen würden.

Das Arbeitsgericht habe die Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers weit überspannt. Zudem habe es bei der Würdigung des Prozessstoffes gegen Denkgesetze verstoßen. Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass die Anforderungen an eine Sinnentleerung des Arbeitsverhältnisses das Ergebnis einer Abwägungsentscheidung sei. Eine solche Abwägungsentscheidung habe das Arbeitsgericht gar nicht vorgenommen. Das Arbeitsgericht hätte insoweit die massive wirtschaftliche Krise der beklagten Partei und die massiven – auch prognostischen – Personalüberhänge berücksichtigen müssen. Zum Zeitpunkt der Kündigung im September 2020 habe sich die Beklagte wegen der Pandemiefolgen in einer „Jahrhundertkrise“ befunden.

Eine Mindestdauer, für wie lange von fehlender Arbeitsleistung ausgegangen werden müsse, bevor eine Sinnentleerung eintritt, sei der Rechtsprechung des BAG an keiner Stelle zu entnehmen. Vielmehr seien vom BAG stets nur Einzelfallentscheidungen getroffen worden. Auch in seiner Entscheidung vom 10.05.2007 (2 AZR 626/05) sei das BAG nie in Absolutheit von einem 36monatigen Prognosezeitraum ausgegangen. Die Anforderungen seien stets Ergebnis einer Abwägungsentscheidung zwischen den Interessen des Arbeitgebers und denjenigen des Arbeitnehmers, die die Frage betreffen, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung zumutbar sei.

Das Arbeitsgericht habe zu Unrecht verlangt, dass im Kündigungszeitpunkt festgestanden habe, dass ein Beschäftigungsbedarf für die klagende Partei prognostisch nicht entstehen könne. Damit lasse das Arbeitsgericht eine sichere Prognose gerade nicht ausreichen und verlange Unmögliches vom Arbeitgeber. Gegen eine solche gesicherte Prognose sprächen auch nicht die zum Kündigungszeitpunkt noch nicht abgeschlossenen Freiwilligenprogramme, da es dabei um die Reduktion eines bestehenden Personalüberhangs und nicht den Abbau des Personalstamms unter das erforderliche Arbeitsvolumen gehe.

Die zentrale Prognose des weltweiten Dachverbandes der Fluggesellschaften (IATA-Prognose) vom 28.07.2020 zum Einbruch der Fluggast- und Transportzahlen wegen der Pandemie, wonach der globale Passagierverkehr das Vorkrisenniveau voraussichtlich nicht vor 2024 erreichen werde, beruhe auf einer belastbaren Tatsachengrundlage. Sie – die Beklagte – habe ihre Prognose hinsichtlich des Beschäftigungsbedarfs nicht allein auf IATA, sondern auch auf die regelmäßige OKP = operative Konzernplanung gestützt. Dabei sei von dem von der OKP im Juli 2020 für den Zeitraum 2021 – 2023 prognostizierten Personalüberhang sowie der Ergebnisse vom 31.8.20 zu den prognostizierten ASK (Anzahl der verfügbaren Sitzplätze multipliziert mit Anzahl der geflogenen Kilometer (Passagierbeförderung) auszugehen. Wegen der Einzelheiten dazu wird auf den Berufungsbegründungsschriftsatz (E.III 2., Seite 35 ff.) verwiesen.

Das Arbeitsgericht habe die Anforderungen an die Darlegung des Personalüberhangs überspannt. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass die Offenbarung detaillierter Informationen zu unternehmerischen Prognosen über die Entwicklung der eigenen Geschäftstätigkeit über mehrere Jahre hinweg die Offenbarung eines geschützten Geschäftsgeheimnisses bedeuten würde.

Das Arbeitsgericht habe zu Unrecht einen Beschäftigungsbedarf aufgrund freier Stellen zum Kündigungszeitpunkt angenommen. Dabei habe das Arbeitsgericht verkannt, dass es nicht auf einen generellen Beschäftigungsbedarf ankomme, sondern eine konkrete Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für die klagende Partei.

Das Arbeitsgericht habe dabei auch nicht berücksichtigt, dass an den HUBs F und M bei Zugang der Kündigung ein Personalüberhang von 1.500 Vollzeitstellen bestanden habe und in dem engeren operativen Bereich an beiden HUBs prognostisch bis 2022 ein Personalüberhang von gut 1.000 Vollzeitstellen bestanden habe.

Sie – die Beklagte – habe sich zur Überprüfung der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für die klagende Partei nicht allein auf die Durchführung des Clearingverfahrens verlassen, sondern neben und auch bereits vor Clearing Umorganisationsmaßnahmen geprüft. Dabei sei sie erst ab dem Zeitpunkt verpflichtet gewesen, Umorganisationsmaßnahmen zu prüfen, ab dem feststand, dass diese zur Vermeidung einer andernfalls unvermeidbaren Kündigung erforderlich waren. Die unternehmerische Entscheidung 2015 bedinge nicht den Bedarf für etwaige Umorganisationsmaßnahmen zur Vermeidung von Kündigungen ab diesem Zeitpunkt. Anders würde dies zu einer Sinnentleerung des Sozialplans führen. Sie – die Beklagte – habe selbst und durch eigene Mitarbeiter geprüft, ob die klagende Partei weiterbeschäftigt werden könnte. Dabei durfte sie sich auf die eigens aufgestellten Anforderungsprofile in mit den Tarifvertragspartnern abgestimmten Stellenbeschreibungen berufen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 18.10.2021 (B.I., Seite 3 ff. verwiesen.

Die klagende Partei habe auch keine generelle Eignung für die Anfang 2020 am HUB M entfristeten 19 Positionen (9 Professional Service 1; 5 Professional Service Ticketing; 3 Professional Operation; 1 Allrounder Planung und 1 Allrounder Officer) gehabt. Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Beklagten wird auf den Schriftsatz vom 08.11.2021 (C., Seite 9 ff.) verwiesen.

Die Beklagte ist weiter der Auffassung, die Massenentlassungsanzeige sei ordnungsgemäß erfolgt, insbesondere habe das Fehlen der „Soll-Angaben“ nach § 17 Abs.3 Satz 5 KSchG keine Rechtsfolgen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Beklagten wird auf die Berufungsbegründung sowie die Schriftsätze vom 22.10.21 und 8.11.21 verwiesen.

Die Beklagte beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil hinsichtlich des Tenors zu 1) (Feststellungsantrag zu 1) und 2) abzuändern und die Klage insoweit abzuweisen.

Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Berufung unter Rücknahme des Feststellungsantrags zu 2).

Die Beklagte stimmt der Rücknahme des Feststellungsantrags zu 2) zu.

Die Klägerin verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags die angefochtene Entscheidung. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung sowie den Schriftsatz vom 08.11.2021 verwiesen.

Wegen der Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage zu Recht stattgegeben. Die Klage ist zulässig und begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 26.09.2020 mit sozialer Auslauffrist zum 31.05.2021 aufgelöst worden. Dies hat das Arbeitsgericht zu Recht mit zutreffender Begründung festgestellt. Das Berufungsgericht, das über 27 parallelgelagerte Kündigungsrechtstreite zu entscheiden hat, schließt sich insbesondere den Ausführungen der 14. Kammer des Arbeitsgerichts Köln an, die als erste Kammer über eine Vielzahl parallel gelagerter Kündigungsschutzverfahren zu entscheiden sowie den Ausführungen der 18. Kammer des Arbeitsgerichts Köln. Die Berufung der Beklagten enthält im keine neuen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkte, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten.

1. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 26.09.2020 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst. Die Kündigung ist unwirksam, da es an einem wichtigen Grund iSv § 626 Abs. 1 BGB fehlt.

a. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

aa. Dabei ist mit dem Arbeitsgericht von folgenden Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung auszugehen:

Bei der Feststellung, ob ein wichtiger Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB vorliegt, ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der (fiktiven) Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht (vgl. etwa BAG 17.03.2016 – 2 AZR 110/15; 16.07.2015 – 2 AZR 85/15; 27.6.2019, 2 AZR 50/19 – jeweils mwN).

Eine außerordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen ist gegenüber einem ordentlich kündbaren Arbeitnehmer grundsätzlich unzulässig. Sie setzt voraus, dass dem Arbeitnehmer die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist. Das ist bei einer betriebsbedingten Kündigung regelmäßig nicht der Fall. Dem Arbeitgeber ist es, wenn eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen entfällt, selbst im Insolvenzfall zuzumuten, die Kündigungsfrist einzuhalten (vgl. BAG 20.6.2013 – 2 AZR 379/12; 23.11.2014, 2 AZR 372/13 – mwN).

Auch gegenüber einem tariflich unkündbaren Arbeitnehmer ist eine außerordentliche fristlose Kündigung aus betriebsbedingten Gründen in aller Regel nach § 626 Abs. 1 BGB unzulässig (vgl. BAG 10.5.2007 – 2 AZR 626/05 – mwN).

Eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung kommt – unter Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist – allenfalls in Betracht, wenn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist und dies dazu führt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer anderenfalls trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für Jahre vergüten müsste, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüberstünde (vgl. etwa BAG 27.6.2019 – 2 AZR 50/19; 26.3.2015, 2 AZR 783/13; 23.1.2014 – 2 AZR 372/13; 20.6.2013 – 2 AZR 379/12; 24.1.2013 – 2 AZR 453/11; 10.5.2007 – 2 AZR 626/05 – jeweils mwN). Es kann dem Arbeitgeber unzumutbar sein, ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis über solche Zeiträume hinweg allein durch Gehaltszahlungen ohne adäquate Gegenleistung aufrechtzuerhalten (vgl. etwa BAG 23.1.2014 – 2 AZR 372/13; 10.5.2007, 2 AZR 626/05 – jeweils mwN). Ist die ordentliche Kündigung tariflich ausgeschlossen, geht es im Wesentlichen darum, zu vermeiden, dem Arbeitgeber Unmögliches oder evident Unzumutbares aufzubürden. Eine außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist eines tariflich ordentlich nicht kündbaren Arbeitnehmers kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht, es ist ein strenger Prüfungsmaßstab anzulegen (vgl. etwa BAG 10.5.2007 – 2 AZR 626/05 – mwN). Wegen des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung ist der Arbeitgeber in besonderem Maße verpflichtet, zu versuchen, die Kündigung durch geeignete andere Maßnahmen zu vermeiden. Besteht irgendeine Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis sinnvoll fortzusetzen, wird er den Arbeitnehmer in der Regel entsprechend einzusetzen haben. Erst wenn alle denkbaren Alternativen ausscheiden, kann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vorliegen (vgl. etwa BAG 27.6.2019 – 2 AZR 50/19; 26.3.2015, 2 AZR 783/13; 23.1.2014 – 2 AZR 372/13; BAG 10.5.2007 – 2 AZR 626/05 – jeweils mwN). Die Anforderungen an die Bemühungen des Arbeitgebers zur Weiterbeschäftigung eines vom Wegfall seines bisherigen Arbeitsplatzes betroffenen ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers sind hoch. Es muss sichergestellt sein, dass eine Kündigung unumgänglich ist (vgl. etwa BAG 20.6.2013 – 2 AZR 379/12; 22.11.2012 – 2 AZR 673/11- jeweils mwN).

Im Falle einer außerordentlichen Kündigung aus betrieblichen Gründen hat der Arbeitgeber nicht nur darzutun, dass eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers am bisherigen Arbeitsplatz infolge seiner Organisationsentscheidung nicht mehr möglich ist. Er hat vielmehr außerdem und von sich aus darzulegen, dass überhaupt keine Möglichkeit besteht, das Arbeitsverhältnis – und sei es zu geänderten Bedingungen und nach entsprechender Umschulung – sinnvoll fortzusetzen. Anders als bei der ordentlichen Kündigung reicht es nicht aus, dass der Arbeitgeber zunächst vorträgt, eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers sei infolge des Wegfalls des Arbeitsplatzes nicht möglich, um sodann eine dem widersprechende Darlegung des Arbeitnehmers abzuwarten (vgl. etwa BAG 23.1.2014 – 2 AZR 372/13; 26.3.2015 – 2 AZR 783/13; 22.11.2012, 2 AZR 673/11 – jeweils mwN). Das Fehlen jeglicher Beschäftigungsmöglichkeiten zählt bei der außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung zum „wichtigen Grund“. Es ist deshalb vom Arbeitgeber darzulegen. Dessen Vorbringen muss deutlich machen, dass er alles Zumutbare unternommen hat, um die durch sein (neues) unternehmerisches Konzept notwendig werdenden Anpassungen der Vertragsbedingungen auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken (vgl. etwa BAG 23.1.2014 – 2 AZR 372/13 – mwN). Den hohen materiell-rechtlichen Anforderungen an das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB entsprechen die prozessualen Anforderungen an den Umfang der Darlegungen des Arbeitgebers (vgl. etwa BAG 27.6.2019 – 2 AZR 50/19; BAG 22.11.2012 – 2 AZR 673/11; 24.04.2021 – 2 AZR 357/20 bzgl. einer außerordentlichen Änderungskündigung – jeweils mwN).

bb. Aus den weit reichenden kollektivrechtlichen Verpflichtungen der Beklagten nach dem hier geltenden TV-S ergibt sich darüber hinaus, dass ein wichtiger Grund an sich zur betriebsbedingten außerordentlichen Kündigung mit notwendiger Auslauffrist ist nicht bereits dann anzunehmen ist, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer für eine verhältnismäßig kurze Übergangszeit von höchstens 36 Monaten weiter bezahlen müsste, ohne dass sich in dieser Zeit konzernweit für ihn Beschäftigungsmöglichkeiten ergeben hätten. Dazu hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 10.05.2007 (2 AZR 626/05) festgestellt, dass sich aus § 6 Abs. 5 Satz 2 TV-S die Verpflichtung der Arbeitgeberin ergibt, den tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer/innen die Weiterbeschäftigung auf einem anderweitigen freien Arbeitsplatz im Konzern zu verschaffen. Nach § 6 Abs. 1 TV-S ist die Kündigung von ordentlich kündbaren Mitarbeitern, deren bisherige Tätigkeit infolge einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG wie der vorliegenden für erhebliche Teile der Belegschaft (§ 3 TV-S) ganz oder teilweise entfällt, unzulässig, wenn ihre Weiterbeschäftigung unter geänderten angemessenen Vertragsbedingungen auf einem anderen zumutbaren Arbeitsplatz im Konzern möglich ist und der Mitarbeiter hierzu sein Einverständnis erklärt. Gleiches gilt nach § 6 Abs. 2 TV-S für Betriebsänderungen für nicht erhebliche Teile der Belegschaft (§ 4 TV-S). Wenn demgegenüber § 6 Abs. 5 Satz 2 TV-S im Hinblick auf ordentlich unkündbare Mitarbeiter die „D/C/L“ zur Übertragung anderer angemessener Aufgaben verpflichtet, ergibt sich aus dem systematischen Gesamtzusammenhang des § 6 TV-S, dass auch § 6 Abs. 5 Satz 2 TV-S damit eine konzernbezogene Weiterbeschäftigungspflicht normiert. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien ordentlich unkündbaren Mitarbeitern einen geringeren Schutz bei Betriebsänderungen einräumen wollten als ordentlich kündbaren Mitarbeiter. Daher kann § 6 Abs. 5 Satz 2 TV-S nur so ausgelegt werden, dass auch in den dort geregelten Fällen eine Beendigungskündigung ausgeschlossen sein soll, wenn die Weiterbeschäftigung des zu Kündigenden auf einem anderen zumutbaren Arbeitsplatz im Konzern möglich ist und dessen Einverständnis vorliegt. Hierfür spricht auch § 11 Abs. 1 TV-S, der bei – nachträglichen – Neueinstellungen im Konzern für immerhin 36 Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Wiedereinstellungsanspruch für ehemalige Mitarbeiter vorsieht. Gerade bei einer konzernweiten tariflichen Regelung, die bei ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern die betriebsbedingte Beendigungskündigung als den absoluten Ausnahmefall ansieht und im Regelfall die Unterbringung des Betreffenden im Konzern als Lösung vorsieht, ist dieser Wille der Tarifpartner bei der Abwägung nach § 626 Abs. 1 BGB ganz entscheidend mit zu berücksichtigen. Bei einem Konzern mit über 50.000 Arbeitnehmern und entsprechender Fluktuation sind bei einer derartigen Tarifsituation an die Voraussetzungen einer außerordentlichen Beendigungskündigung mit notwendiger Auslauffrist extrem hohe Anforderungen zu stellen. Der TV-S geht, indem er für 36 Monate einen Wiedereinstellungsanspruch vorsieht, offenbar davon aus, dass sich in einem entsprechenden Zeitraum regelmäßig für einen Arbeitnehmer konzernweit andere Beschäftigungsmöglichkeiten finden. Die Beklagte hat dazu mit dem Betriebsrat des Beschäftigungsbetriebs unter Bezugnahme auf die Regelungen der KBVB IA SP unter anderem Vereinbarungen getroffen, die ausdrücklich HUB-Wechsel, Boden-Bordwechsel, Qualifizierungsmaßnahmen sowie das Ausnutzen natürlicher Fluktuation vorgesehen haben [vgl. Ziff. 2, Ziff. 3a) des Sozialplans vom 19.10.2015 iVm. § 2 (1) des Interessenausgleichs 1992 und §§ 3 und 5 des Sozialplans 1992].

b. Nach diesen Grundsätzen ist hier kein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs.1 BGB gegeben. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Berufungsvorbringen der Beklagten.

aa. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat das Arbeitsgericht bei der Überprüfung der Wirksamkeit der streitgegenständlichen außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung nicht die Anforderungen an die Darlegungslast überspannt, sondern vielmehr die o.g. Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung zugrunde gelegt.

1) Im Streitfall gibt es keinerlei Veranlassung von diesen hohen Anforderungen an die Darlegungslast der Beklagten abzuweichen. Bei der Schließung der dezentralen Stationen handelt es sich um keine vollständige Betriebsschließung bzw. Einstellung jeglichen operativen Betriebes in Deutschland. Vielmehr werden an den Hubs F und M von der Beklagten sowie im Konzern von den Gesellschaften nach TV-S Boden auch künftig Flüge von Eigenpersonal abgefertigt. Hierfür benötigt die Beklagte auch zukünftig in erheblichem Umfang Bodenpersonal mit dem Tätigkeitsprofil der Klägerin als Allrounder 2 oder einem vergleichbaren Tätigkeitsprofil. Dass ein Einsatz der Klägerin entsprechend ihrem Tätigkeitsprofil zu ansonsten unveränderten Arbeitsbedingungen auch tatsächlich möglich ist, zeigt ihre Beschäftigung – im Rahmen einer Prozessbeschäftigung nach obsiegender erstinstanzlicher Entscheidung – unmittelbar nach Schließung der dezentralen Station zum 31.05.2021.

Auch die Corona-Pandemie, die im Jahr 2020 einen weltweit massiven Einbruch des Passagierflugverkehrs zur Folge hatte und bei der Beklagten zu einer schweren wirtschaftlichen Krise geführt hat, rechtfertigt es nicht, von diesen hohen Anforderungen an die Darlegungslast der Beklagten abzuweichen.

Die wirtschaftlichen Belastungen der Beklagten durch die Corona-Pandemie, die im Übrigen durch Kurzarbeit und erhebliche staatliche Unterstützung gemildert worden sind, sind grundsätzlich nicht geeignet eine Unzumutbarkeit i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB zu begründen. Denn ein wichtiger Grund liegt nicht bereits in einer schlechten wirtschaftlichen Lage oder (drohenden) Insolvenz des Arbeitgebers als solcher. Das wirtschaftliche Risiko trägt der Arbeitgeber. Dieser Grundsatz kommt unter anderem in § 113 S. 1, S. 2 InsO zum Ausdruck. Danach steht – selbst bei Ausschluss der ordentlichen Kündigung – auch dem Insolvenzverwalter bei betrieblichen Gründen nur das Recht zur ordentlichen Kündigung mit einer Frist von bis zu drei Monaten zu (vgl. BAG 24.1.2013, 2 AZR 453/11).

Außerdem hat die coronabedingte wirtschaftliche Krise bei der Beklagten im Jahr 2020 zu keinem massiven Personalabbau geführt. Vielmehr hat die Beklagte in einem Sanierungstarifvertrag mit dem Gesamtbetriebsrat vereinbart, dass bis zum 31.12.2021 keine betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen werden. Wenn es aber offenbar möglich ist, bis mindestens zum 31.12.2021 die Arbeitsverhältnisse aller dem Sanierungstarifvertrag unterfallenden Arbeitnehmer/innen, einschließlich der 1.400 tariflich ordentlich kündbaren Beschäftigten fortzusetzen – sei es auch mit Hilfe von Kurzarbeit – dann besteht keine Veranlassung im Fall der hier streitgegenständlichen außerordentlichen betriebsbedingten Kündigungen von den hohen Anforderungen an die Darlegungslast der Beklagten abzuweichen.

2) Das Arbeitsgericht hat nach den o.g. Grundsätzen der Rechtsprechung zu Recht festgestellt, dass es an einem wichtigen Kündigungsgrund iSv § 626 Abs.1 BGB fehlt. Denn die Beklagte hat nicht hinreichend dargetan, dass aufgrund des Wegfalls des Arbeitsplatzes der klagenden Partei durch Schließung der dezentralen Stationen zum 31.5.2021 ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis besteht, weil die klagende Partei – aufgrund einer gesicherten Prognose im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung am 26.09.2020 – nach dem 31.05.2021 noch über einen unzumutbar langen Zeitraum von mehr als 36 Monaten vergütet werden muss, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenübersteht. Fehlt es jedoch bereits an einem wichtigen Grund iS § 626 Abs. 1 BGB, ist die außerordentliche Kündigung ohne weiteres unwirksam. Einer darüber hinaus auf den konkreten Einzelfall bezogenen Interessenabwägung zur Zumutbarkeit der Kündigung bedarf es – anders als die Beklagte meint – nicht.

bb. Ein wichtiger Kündigungsgrund ist bereits deshalb nicht gegeben, weil es an der Darlegung einer auf Tatsachen gestützten sicheren Prognose fehlt, aufgrund der zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung feststand, dass nach Schließung der dezentralen Station zum 31.05.2021 ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis besteht, weil die klagende Partei noch über einen unzumutbar langen Zeitraum von mehr als 36 Monaten vergütet werden muss, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenübersteht.

1) Die Beklagte kann sich dabei nicht auf die zentrale Prognose des weltweiten Dachverbandes der Fluggesellschaften (IATA-Prognose) vom 28.07.2020 zum Einbruch der Fluggast- und Transportzahlen wegen der Pandemie berufen. Danach wird prognostiziert, dass der globale Passagierverkehr das Vorkrisenniveau voraussichtlich nicht vor 2024 erreichen wird. Denn diese Prognose enthält allenfalls eine grobe Schätzung für das Passagieraufkommen Flugverkehr und keine belastbaren Tatsachen zur Überprüfung der konkreten Beschäftigungsmöglichkeiten der Klägerin bei der Beklagten. Im Übrigen hat die 18.Kammer des Arbeitsgerichts Köln in den Entscheidungen vom 26.05.2021 (vgl. etwa Aktz. 18 Ca 7481/20) zu Recht festgestellt, dass unklar bleibt, wie die IATA in Juli 2020 die Auswirkungen der noch andauernden COVID-19-Pandemie auf den Flugverkehr für einen Zeitraum von über drei Jahren mit einer ausreichenden Richtigkeitsgewähr – auch nur im Sinne einer „best-case-Prognose“ – hätte bewerkstelligen können. Dem steht – auch aus Sicht des Berufungsgerichts – die in Juli 2020 herrschende Ungewissheit insbesondere auch der medizinischen Sachverständigen über den Verlauf der Pandemie und die fehlende Vorhersagbarkeit der von den Nationalstaaten zu erwartenden Gegenmaßnahmen und der daraus erwachsenden Kausalverläufe entgegen. Auch war zu diesem Zeitpunkt völlig offen, wann ein geeigneter Impfstoff oder Medikamente zur Behandlung entwickelt und zugelassen sein würden. Ebenso unklar war, wie schnell ein Impfstoff produziert sein würde und in welchem Umfang er in welchem Land angewendet werden würde.

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die IATA-Prognose nur das Passagieraufkommen im Flugverkehr betrifft, eine Weiterbeschäftigung der klagenden Partei entsprechend den Regelungen der KBVB Clearing auch bei der L C in Betracht kommt. Dass deren Beschäftigungsbedarf unabhängig davon einzuschätzen ist, zeigt sich darin, dass dieses Tochterunternehmen der Beklagten – trotz oder wegen der Corona-Pandemie – im Jahr 2021 erhebliche Gewinne gemacht hat und dieses Jahr als eines der besten Jahre der Firmengeschichte gewesen ist. Im Übrigen steht auch die Beklagte im Jahr 2021 – trotz andauernder Pandemie – viel besser da als erwartet, so erzielte sie – wie aus der Wirtschaftspresse zu erfahren war – im 3. Quartal schon wieder einen operativen Gewinn und konnte bereits einen Großteil der staatlichen Unterstützung zurückzahlen.

Selbst wenn man die IATA-Prognose ausreichen lassen würde und eine Weiterbeschäftigung der Klägerin erst ab 2024 in Betracht kommen könnte, wäre dies der Beklagten nach den o.g. Grundsätzen auch noch zuzumuten.

2) Die Beklagte kann sich auch nicht als belastbare Tatsachengrundlage einer sicheren Prognose der Beschäftigung der klagenden Partei auf die regelmäßige operative Konzernplanung (OKP) vor Zugang der Kündigung im September 2020 für den Zeitraum 2021 – 2023 berufen, wonach ein Rückgang des benötigten Arbeitsvolumens an den HUBs F und M und damit ein Personalüberhang prognostiziert wird. Dies gilt bereits deshalb, weil der prognostizierte Personalüberhang bis zum Jahr 2023, nicht besagt, dass nach Schließung der dezentralen Station zum 31.05.2021 ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis vorliegt, weil die klagende Partei noch über einen unzumutbar langen Zeitraum von mehr als 36 Monaten vergütet werden muss, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenübersteht.

3) Die Beschäftigungsbedarfsprognose der Beklagten, die – nach ihrem Vortrag – von einem Personalüberhang für die nächsten Jahre ausgeht, beruht darüber hinaus – wie bereits von der 14. und 18.Kammer des Arbeitsgerichts zutreffend festgestellt – auch aus den folgenden Gründen nicht auf belastbaren Tatsachen:

Unstreitig sollten nach Ausspruch der Kündigungen erst noch Interessenausgleichsverhandlungen mit den Arbeitnehmervertretungen zu einem beabsichtigten Stellenabbau geführt werden. Die Interessenausgleichsverhandlungen mit dem Gesamtbetriebsrat wurden erst am 2.11.2021 abgeschlossen. Außerdem war zum Zeitpunkt der Kündigung auch ein bestehendes sog. Freiwilligenprogramm noch nicht abgeschlossen. Damit konnte die Beklagte Ende September 2020 noch nicht verlässlich vorhersehen, inwieweit ein anderweitiger Personalabbau zu einer Reduzierung des festgestellten Personalüberhangs führen würde. Wie erfolgreich dieses Freiwilligenprogramm war, ergibt sich aus einem Newsletter des Gesamtbetriebsrats von September 2021. Darin heißt es u.a.:

„Im Rahmen der heutigen Gespräche mit dem Arbeitgeber zu dem Interessenausgleich zur Redimensionierung und Reorganisation der D haben wir die Ergebnisse des Freiwilligenprogramms vorgestellt bekommen. (…) Zusammenfassend können wir sagen, dass so viele Kolleginnen und Kollegen die Angebote des Freiwilligenprogramms in Anspruch genommen haben und damit das arbeitgeberseitig angestrebte Abbauziel weitgehend erreicht worden ist.

Daraufhin haben wir vom Arbeitgeber heute die Zusage erhalten, dass es im Rahmen der Verhandlungen zu dem Interessenausgleich zur Redimensionierung und Reorganisation der D keine betriebsbedingten Beendigungskündigungen geben wird.“

In dem am 2.11.2021 sodann abgeschlossenen Interessenausgleich wurde dementsprechend auf den Ausspruch betriebsbedingter Beendigungskündigungen verzichtet . Nach dem von der Beklagten nicht ausgeräumtem Vortrag der Klägerin haben sich derart viele Mitarbeiter/innen über das Freiwilligenprogramm für den Abschluss von Aufhebungsverträgen oder Altersteilzeitarbeitsverträgen entschieden, dass in vielen Bereichen sogar eine Unterdeckung und damit ein Nachbesetzungserfordernis entstanden ist.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass sich die Betriebsparteien bei Abschluss der entsprechenden Regelungen des Sozialplans 2015 zudem einig waren, dass die vor der Pandemie bereits bestehende schwierige wirtschaftliche Situation der D kein Abweichen von den zum sozialverträglichen Stellenabbau getroffenen Vorgaben rechtfertigen soll (vgl. Ziff. 5 des Sozialplans). Mit Blick auf die von der Beklagten vorgelegten Prognosen stellt sich somit zusätzlich die Frage, inwieweit pandemieunabhängige „Ohnehin-Effekte“ im Rahmen der hier anzustellenden Zumutbarkeitsprüfung überhaupt berücksichtigungsfähig wären und warum die Beklagte trotz solcher bedarfsmindernden Faktoren bis Mitte 2020 einen HUB-Wechsel für die von der Schließung der dezentralen Stationen betroffenen ordentlich unkündbaren Mitarbeiter – wenn auch nicht verbindlich zugesagt – so doch tatsächlich für möglich gehalten hat.

cc. Ein wichtiger Kündigungsgrund ist außerdem deshalb nicht gegeben, weil die Beklagte – wie insbesondere die 14. und 18.Kammer in ihren Entscheidungen vom 15.04.2021( etwa Aktz.14 Ca 6815/21) zutreffend ausgeführt haben – auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens – nicht dargetan hat, dass sie im Zeitpunkt der Kündigung sämtliche Möglichkeiten ausgeschöpft hat, eine Beendigungskündigung zu vermeiden. Nach den o.g. Grundsätzen musste die Beklagte die Klägerin, wenn im Zeitpunkt der Kündigung irgendeine Möglichkeit bestanden hat, das Arbeitsverhältnis sinnvoll fortzusetzen, weiter beschäftigen. Denn erst wenn alle denkbaren Alternativen ausscheiden, besteht ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung.

1) Eine Beschäftigungsmöglichkeit für die klagende Partei ergibt sich bereits daraus, wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, dass es im Zeitpunkt der Kündigung bei der beklagten Partei freie Arbeitsplätze gab. Auch wurden noch nach Ausspruch der Kündigung am HUB M Arbeitsverhältnisse entfristet. Dies macht deutlich, dass im Zeitpunkt der Kündigung zu erledigende Aufgaben vorhanden waren, also Beschäftigungsbedarf bei der beklagten Partei bestand.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Berufungsvorbringen der Beklagten, das im Wesentlichen den erstinstanzlichen Vortrag wiederholt und ergänzt. So trägt die Beklagte in der Berufung selbst vor, dass am HUB M mindestens 19 Stellen im Jahr 2020 entfristet und besetzt worden sind. Es handelt sich dabei unstreitig um 9 Stellen für „Professional Service 1“, 5 Stellen für „Professional Service Ticketing“, 3 Stellen für „Professional Operation“, 1 Stelle für „Allrounder Planung“ und 1Stelle für „Allrounder Officer“. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass sie einen Einsatz der ordentlich unkündbaren Klägerin auf einer dieser freiwerdenden Stellen vor Ausspruch der Kündigung geprüft, geschweige denn der klagenden Partei konkret angeboten hat. Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass die klagende Partei für diese Stellen nicht geeignet sei. Die Klägerin übt die Tätigkeit einer Professional Service 1 aus und ist somit für das Tätigkeitsprofil einer Professional Service 1 offensichtlich geeignet.

2) Die Beklagte hat sich im Wesentlichen bei ihrer Überprüfung der Beschäftigungsmöglichkeiten für die klagende Partei auf das Konzern-Clearingverfahren von Anfang Juni bis Anfang September 2020 beschränkt. Sie durfte sich jedoch – wie das Arbeitsgericht im Anschluss an die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 27.06.2019 (2 AZR 50/19), der – wie hier – eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung der Beklagten zugrunde gelegen hat, zutreffend festgestellt hat – nicht lediglich auf die im Rahmen des Clearing-Verfahrens getroffene Feststellung berufen, die klagende Partei sei für die freien und zu besetzenden Stellen nicht geeignet. In das Clearing-Verfahren entsprechend dem Sozialplan 2015 wurden ausschließlich freie und zu besetzende Arbeitsplätze einbezogen. Die in das Clearing-Verfahren einbezogene klagende Partei hatte danach lediglich die Position eines Stellenbewerbers inne, die sich auf die jeweils ausgeschriebenen Stellen bewerben konnte und anschließend ein Einstellungsangebot oder eine Ablehnung erhielt. Im Rahmen der Maßnahmen bzw. Angebote des Sozialplans 2015, insbesondere des vorgesehenen Clearing-Verfahrens, wurde durch die beklagte Partei hiernach nicht die erforderliche Prüfung vorgenommen, ob es möglich ist, beispielsweise durch Aufgabenumverteilungen, Versetzungen oder auch die Nichtverlängerung befristeter Arbeitsverträge sowie Umverteilung der Aufgabenvolumina und ggf. Fortbildungen, eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für die klagende Partei an den HUBs zu schaffen.

3) Die Beklagte hat auch in der Berufung nicht vorgetragen, dass sie über die im Sozialplan 2015 einschließlich des Clearingverfahrens für sämtliche von der Schließung der dezentralen Stationen hinaus betroffenen tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer/innen – einschließlich der Klägerin – entsprechend den o.g. Grundsätzen der Rechtsprechung unter Berücksichtigung ihrer kollektivrechtlichen Verpflichtungen eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit vor Ausspruch der Kündigung der Klägerin konkret überprüft und der Klägerin ggfs. angeboten hat.

Die von der Beklagten in der Berufung – unter im Wesentlichen Wiederholung des erstinstanzlichen Vortrags -im Einzelnen dargestellten Maßnahmen bzw. Angebote des Sozialplans aus 2015 – bei bis Mitte April 2016 signalisiertem Interesse, wie der Teilnahme am Programm COMPASS; bei bis Ende Mai 2016 angezeigtem, verbindlichen Wunsch, den Wechsel an HUB F oder M in vergleichbarer Funktion, den Abschluss eines incentivierten ATZ-Vertrags oder eines Aufhebungsvertrags – beinhalteten keine Prüfung von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten unmittelbar vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung.

Dabei wusste die Beklagte seit ihrer unternehmerischen Entscheidung im Jahr 2015, die dezentralen Stationen zu schließen, dass der Arbeitsplatz der klagenden Partei mit der Schließung am 31.05.2021 wegfallen wird. Die Beklagte hat jedoch die besondere Schutzbedürftigkeit der Klägerin nicht beachtet, sondern lediglich die Maßnahmen des für alle von der Schließung der Stationen betroffenen Arbeitnehmer/innen geltenden Sozialplans ergriffen. Danach sollte für diejenigen Mitarbeiter/innen, die – wie die klagende Partei – keine Auflösung des Arbeitsverhältnisses wollten, sondern sich für eine Weiterbeschäftigung entschieden hatten, ab Juni 2020 das Clearingverfahren durchgeführt werden. Nach der für die Klägerin erfolglosen Durchführung des Clearingverfahrens hätte die Beklagte vor Ausspruch einer außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung nochmals im Einzelnen nach den strengen Anforderungen der o.g. Rechtsprechung überprüfen müssen, ob eine Weiterbeschäftigung der tariflich ordentlich unkündbaren Klägerin möglich ist. Dies hat sie nicht getan, sondern der Klägerin zu Unrecht ohne eine weitere konkrete Überprüfung außerordentlich betriebsbedingt gekündigt.

4) Wegen der Begründung zu den weiteren Beschäftigungsmöglichkeiten der Beklagten für die klagende Partei im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung wird auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts verwiesen.

2. Da es bereits an einem wichtigen Grund iSv § 626 Abs. 1 BGB fehlt, können die weiteren, zwischen den Parteien streitigen Fragen, u.a. die Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige offen bleiben.

II. Die Beklagte hat die Kosten der erfolglosen Berufung zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

III. Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG nicht zuzulassen.

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