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Fristlose Kündigung wegen Arbeitsverweigerung – keine AU-Bescheinigung vorgelegt

LAG Berlin-Brandenburg, Az.: 11 Sa 2288/14, Urteil vom 14.04.2015

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 13.11.2014 – 38 Ca 10407/14 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

Der Kläger ist bei der Beklagten, einem Kleinbetrieb mit weniger als zehn Arbeitnehmern, seit dem 02. Oktober 2013 zunächst mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 16,5 Stunden und ab dem 05. Mai 2014 mit einer Wochenarbeitszeit von 35 Stunden gegen ein Gehalt in Höhe 1.100,- Euro als Fahrer mit Möbelträger-Tätigkeiten beschäftigt. Grundlage der Vertragsbeziehungen ist zuletzt der die Parteien verbindende Arbeitsvertrag vom 03. Mai 2014 (Anlage K 1, Bl. 5 – 10 d. A.), auf den wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird.

In der Zeit vom 30. Juni bis 04. Juli 2014 erschien der Kläger jeweils morgens zur Arbeit und erklärte, er könne aus gesundheitlichen Gründen nicht arbeiten. Nach diesen Erklärungen verließ er sodann den Betriebssitz; einen Arzt suchte der Kläger nicht auf und legte für diese Tage auch keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor.

Am 05. Juli 2014 montierte der Kläger bei einer Kundin eine Küche. Den dafür vereinbarten Betrag kassierte der Kläger nicht. Die Gründe dafür sind zwischen den Parteien streitig. Am 07. Juli 2014 erschien der Kläger nicht zur Arbeit. Ob er sich an diesem Tag telefonisch krank meldete ist zwischen den Parteien streitig.

In der Zeit vom 07. bis 18. Juli 2014 war der Kläger – ärztlich attestiert – arbeitsunfähig erkrankt, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ging der Beklagten später zu einem nicht näher bezeichneten Zeitpunkt zu.

Mit Schreiben vom 07. Juli 2014, dem Kläger zugegangen am 10. Juli 2014, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum Kläger außerordentlich fristlos.

Dagegen hat sich der Kläger mit dem am 23. Juli 2014 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 22. Juli 2014 gewandt und die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung und den Bestand des Arbeitsverhältnisses bis zum 15. August 2014 geltend gemacht.

Er hat die Auffassung vertreten, ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung läge nicht vor, so dass die Beklagte die Kündigungsfrist einzuhalten habe. Er sei ab dem 30. Juni 2014 krank gewesen und habe sich kaum bewegen können. Gleichwohl sei er zur Arbeit erschienen. Am 05. Juli 2014 habe er gearbeitet und eine Küche montiert. Das Kassieren des dafür vereinbarten Entgelts sei daran gescheitert, dass die Kundin auf einer Rechnung bestanden habe und nicht ohne Rechnung habe zahlen wollen. Im Anschluss sei er vom 07. bis zum 18. Juli 2014 krank geschrieben gewesen. Hierüber habe er die Beklagte telefonisch unterrichtet und die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung postalisch übersandt. Vor diesem Hintergrund könne ihm der Vorwurf der Arbeitsverweigerung nicht gemacht werden. Im Übrigen habe er nie eine Abmahnung erhalten. Vorwürfe, Leistungsrügen oder andere Unstimmigkeiten habe es ebenfalls nie gegeben.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die Kündigung der Beklagten vom 07. Juli 2014 nicht mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden ist, sondern bis zum 15. August 2014 fortbestanden hat.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags vorgetragen, der Kläger lege erklärtermaßen keinen Wert auf eine Beschäftigung bei der Beklagten. Er sei im Juni auf sie zugekommen, habe eine Krankheit behauptet und um einen Aufhebungsvertrag gebeten. Dieses Ansinnen habe sie abgelehnt und auf die Möglichkeit der Eigenkündigung verwiesen. Selbst zu kündigen, habe der Kläger nicht gewollt. Er sei dann in der Folge jeden Tag um 07:00 Uhr erschienen, habe behauptet krank zu sein und sei dann wieder gegangen. Einen Arzt habe der Kläger jedoch nicht aufgesucht, so dass das Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit gegeben sei. Durch dieses Verhalten habe er die Firma gefährdet, weil so keine Personalplanung möglich sei und Aufträge nicht hätten ausgeführt werden können. Am 04. Juli 2014 sei der Kläger ohne Krankmeldung nicht zur Arbeit erschienen. Hinzu kämen weitere Pflichtverletzungen. Der Kläger habe am 05. Juli 2014 entgegen einer generellen Anweisung zum Barkassieren die Kundin nicht abkassiert. Eine Aufforderung, zur Kundin zurückzufahren und das Geld zu holen habe er verweigert und sei einfach gegangen. Von einer Rechnung sei in diesem Zusammenhang nicht die Rede gewesen. Insgesamt ergäben sich aus dem Verhalten des Klägers zwei erhebliche Pflichtverletzungen, nämlich das unentschuldigte Fehlen und die Verweigerung von arbeitgeberseitigen Weisungen. Deshalb sei die fristlose Kündigung erfolgt und auch berechtigt.

Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 13. November 2014 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 07. Juli 2014 nicht mit ihrem Zugang aufgelöst worden ist, sondern erst mit Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist am 15. August 2014 sein Ende gefunden hat. Zur Begründung, auf die ergänzend zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat es im Wesentlichen ausgeführt, ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB sei von der Beklagten weder substantiiert vorgetragen, noch sonst ersichtlich. Für eine – von der Beklagten angenommene – beharrliche Arbeitsverweigerung sei nichts ersichtlich. Jedenfalls für die Zeit vom 07. Bis 18. Juli 2014 lägen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor. Hinsichtlich des Vorwurfs der nicht vorgenommenen Kassierung der Kundin am 05. Juli 2014 sei schon zweifelhaft, ob dies zu den Aufgaben des Klägers gehörte und darin eine Pflichtverletzung zu sehen sei. Dieser Vorwurf sei aber ohne vorherige, einschlägige Abmahnung nicht kündigungsrelevant und könne erst Recht keine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Da auf das Arbeitsverhältnis der Parteien das Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar sei, sei es nach Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB erst mit Ablauf des 15. August 2014 beendet worden. Die Beklagte könne sich nicht auf eine kürzere Kündigungsfrist innerhalb einer vereinbarten Probezeit berufen. Denn eine solche Vereinbarung sei längstens für die Dauer von sechs Monaten zulässig und habe mit dem Beginn des geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses am 01. Oktober 2013 begonnen. Im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung sei sie daher bereits abgelaufen gewesen.

Gegen dieses, der Beklagten am 17. November 2014 zugestellte Urteil richtet sich die am 16. Dezember 2014 beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung der Beklagten, die sie nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 17. Februar 2015 mit dem am 16. Februar 2015 eingegangenen Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom selben Tag begründet hat.

Sie meint, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts Berlin liege ein wichtiger Grund vor, der es ihr unzumutbar mache, am Arbeitsverhältnis zum Kläger auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist festzuhalten. Insoweit läge entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts eine beharrliche Arbeitsverweigerung vor. Der Kläger habe nachhaltig über mehrere Tage nicht gearbeitet. Er habe zwar behauptet krank zu sein, dafür aber kein Attest vorgelegt. Allein dies sei in einem Kleinbetrieb eine unzumutbare Situation. Auch hinsichtlich der nicht erfolgten Barkassierung liege ein schwerer Verstoß vor. Diesbezüglich habe es eine entsprechende Dienstanweisung gegeben. Am 07. Juli 2014 sei der Kläger erneut nicht zur Arbeit erschienen. Die entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei ihr erst im Nachhinein postalisch zugegangen. Arbeitsunfähig sei der Kläger wohl schon vorher seit dem 30. Juni 2014 gewesen, sei aber seiner Pflicht zur Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen trotz Aufforderung nicht nachgekommen. Dies sei als Selbstbeurlaubung bzw. Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit, die als wichtige Gründe für eine außerordentliche Kündigung anerkannt seien, zu werten und stelle einen schweren Vertrauensbruch dar. Sie habe seinerzeit jeden Mann gebraucht. Eine formale Abmahnung sei entbehrlich gewesen, weil es jeden Tag so gegangen sei und der Kläger letztlich seine Kündigung habe provozieren wollen. Nachdem der Kläger auch mehrere Aufforderungen zur Vorlage ärztlicher Atteste ignoriert habe, habe sie das Vertrauen zum Kläger verloren. Der Kläger habe durch sein gezeigtes Verhalten mehrere schwere Verfehlungen begangen und sei uneinsichtig. Die Kündigung sei daher berechtigt.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 13. November 2014 – 38 Ca 10407/14 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil als rechtlich zutreffend erhebt formelle Rügen. Die Beklagte habe im Berufungsschriftsatz die Parteirollen nicht angegeben. Zudem erreiche die Berufungsbegründung nicht die nach § 520 ZPO erforderliche Begründungstiefe. Der Vortrag sei noch immer unkonkret. Schließlich liege ein wichtiger Grund, der die Beklagte zum Ausspruch einer außerordentlichen, fristlosen Kündigung berechtige, nicht vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet und war daher zurückzuweisen.

I.

Die Berufung der Beklagten ist nach §§ 8Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2 Buchstabe c ArbGG statthaft sowie form- und fristgerecht i. S. v. §§ 64Abs. 6, 66 Abs. 1 Satz 1,2 und 5 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO eingelegt und begründet worden.

1.

Die Berufung wahrt noch die Anforderungen an die formellen Anforderungen der Berufungsschrift. Der Berufungsschriftsatz enthält zwar die Bezeichnung des Urteils gegen das Berufung eingelegt worden ist, sie enthält jedoch keine Angaben zu den jeweiligen Parteirollen. Dies ist vorliegend jedoch unschädlich.

Die in § 519 Abs. 2 Nr. 2 ZPO vorgeschriebene Erklärung, das gegen ein bestimmtes Urteil Berufung eingelegt werde, muss auch die Angabe enthalten, für wen und gegen wen das Rechtsmittel eingelegt werden soll. Hiernach muss aus der Berufungsschrift entweder schon für sich allein oder jedenfalls mit Hilfe weiterer Unterlagen, wie etwa des ihr beigefügten erstinstanzlichen Urteils, bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eindeutig zu erkennen sein, wer Berufungskläger ist und wer Berufungsbeklagter sein soll. Dabei sind insbesondere an die eindeutige Bezeichnung des Rechtsmittelführers strenge Anforderungen zu stellen. Bei verständiger Würdigung des gesamten Vorgangs der Rechtsmitteleinlegung muss jeder Zweifel an der Person des Rechtsmittelklägers ausgeschlossen sein (BGH, Urteil vom 04. Juni 1997 – VIII ZB 9/97 – NJW 1997, 1967). Diesen Anforderungen genügt die im vorliegenden Fall eingereichte Berufungsschrift noch. Sie enthält zwar keine Parteibezeichnungen, diese waren jedoch der dem Schriftsatz beigefügten Urteilsabschrift unschwer zu entnehmen. Zweifel an der Person des Rechtsmittelklägers waren so ausgeschlossen.

2.

Die Begründung genügt noch den Anforderungen des § 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO. Die Zulässigkeit der Berufung setzt weiter voraus, dass die Umstände, aus denen sich die angebliche Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben, ausreichend bezeichnet sind. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die Regelung soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Deshalb hat der Berufungsführer die Beurteilung des Streitfalles durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchem Grund er das angefochtene Urteil für unrichtig hält (BAG, Urteil vom 15. März 2011 – 9 AZR 813/09 – NZA 2011, 767). Allerdings dürfen im Hinblick auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Rechtsschutzgarantie keine unzumutbaren Anforderungen an den Inhalt von Berufungsbegründungen gestellt werden.

Im vorliegenden Fall genügt es daher für die Zulässigkeit der Berufung, dass sie sich in ihrer Begründung mit dem Ergebnis der wertenden Beurteilung des Arbeitsgerichts auseinandersetzt. Das kann dadurch erfolgen, dass sich die Berufung mit den einzelnen von Arbeitsgericht in die Wertung einbezogenen Gesichtspunkten auseinandersetzt und diese in ihrer Richtigkeit an sich oder aber auch in ihrer Gewichtung durch das Arbeitsgericht auseinandersetzt. Dabei muss nicht jedes Argument des Arbeitsgerichts aufgegriffen werden, sondern die Berufung muss erkennen lassen, dass sie – und mit welchen Erwägungen – sie eine andere Bewertung mit einem anderen Ergebnis vornimmt. In diesem Sinne hat sich die Berufung mit der Wertung des Arbeitsgerichts, es habe an der Darlegung eines wichtigen Grundes gefehlt bzw. ein solcher habe nicht vorgelegen, auseinander gesetzt. Die Berufung hat die aus ihrer Sicht als beharrliche Arbeitsverweigerung zu wertenden Pflichtverstöße dargestellt und die aus ihrer Sicht entscheidungserheblichen Gesichtspunkte vorgetragen. Sie hat sich weiter mit der aus Sicht des Arbeitsgerichts nicht ausreichenden Substanz ihres erstinstanzlichen Vortrags auseinandergesetzt und vertieft sowie zur fehlenden Abmahnung bzw. ihrer Entbehrlichkeit Ausführungen gemacht. Auf die Schlüssigkeit dieser Ausführungen kommt es für die Beurteilung der Zulässigkeit der Berufung nicht an.

Damit hat die Beklagte eine zwar knappe, aber den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO noch genügende Begründung verfasst. Die Berufung ist zulässig.

II.

Die Berufung der Beklagten hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts ist zutreffend. Zu Recht hat es auf die Unwirksamkeit der außerordentlichen fristlosen Kündigung vom 07. Juli 2014 erkannt und den Fortbestand des die Parteien verbindenden Arbeitsverhältnisses bis zum 15. August 2014 festgestellt. Das Berufungsvorbringen der Beklagten rechtfertigt keine Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

Die Kündigung vom 07. Juli 2014 ist als außerordentliche Kündigung unwirksam und vermochte das Arbeitsverhältnis der Parteien unter Berücksichtigung der maßgeblichen Kündigungsfrist erst mit Ablauf des 15. August 2014 zu beenden. Die Unwirksamkeit der Kündigung ist auch innerhalb der materiellen Ausschlussfrist von drei Wochen nach §§ 13, 4,7 KSchG i. V. m. § 46 Abs. 2 ArbGG und § 167 ZPO rechtzeitig geltend gemacht worden.

1.

Die fristlose Kündigung der Beklagten vom 07. Juli 2014 ist mangels eines wichtigen Grundes i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB rechtsunwirksam. Sie ist nicht wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung oder sonstiger schwerwiegender Pflichtverletzungen gerechtfertigt.

 

Nach § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Nach dieser Bestimmung ist bei allen Kündigungsgründen eine Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und eine Abwägung der jeweiligen Interessen beider Vertragsteile erforderlich. Dieses Erfordernis schließt es aus, bestimmte Tatsachen ohne Rücksicht auf die Besonderheit des Einzelfalls stets als wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung anzuerkennen; es gibt demnach im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB keine absoluten Kündigungsgründe (so schon: BAG, Urteil vom 23. Januar 1963 – 2 AZR 278/62 – BAGE 14, 42 = BArbBl. 1963, 693 = AP Nr. 8 zu § 124 a GewO; BAG, Urteil vom 15. November 1984 – 2 AZR 613/83 – AP Nr. 87 zu § 626 BGB = NZA 1985, 661). Im Rahmen der Prüfung einer außerordentlichen Kündigung ist nach der Spruchpraxis des Bundesarbeitsgerichts zunächst zu prüfen, ob ein arbeitsvertraglicher Pflichtenverstoß bzw. der Kündigungssachverhalt unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalles an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen fristlosen Kündigung abzugeben. In einer zweiten Prüfungsstufe ist sodann zu klären, ob es dem Arbeitgeber im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände des Einzelfalles und der beiderseitigen Interessen zumutbar ist, den Arbeitnehmer auch nur für die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen (BAG, Urteil vom 27. April 2006 – 2 AZR 386/05 – BAGE 118, 104 = NZA 2006, 977; BAG, Urteil vom 07. Juli 2005 – 2 AZR 581/04 – BAGE 115, 195 = AP Nr. 192 zu § 626 BGB = NZA 2006, 98; BAG, Urteil vom 15. November 1995 – 2 AZR 974/94 – AP Nr. 73 zu § 102 BetrVG 1972 = NZA 1996, 419).

a)

Daran gemessen liegt für die streitige Kündigung kein wichtiger Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB und insbesondere keine hartnäckige Arbeitsverweigerung vor.

Zutreffend geht der Beklagte davon aus, dass eine nachhaltige rechtswidrige und schuldhafte Arbeitsverweigerung eine erhebliche Pflichtverletzung darstellt und grundsätzlich an sich als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung geeignet ist (BAG, Urteil vom 24. Februar 2011 – 2 AZR 636/09 – BAGE 137, 164 = NZA 2011, 1987; BAG, Urteil vom 05. April 2001 – 2 AZR 580/99 – BAGE 97, 276 = AP Nr. 32 zu § 99 BetrVG 1972 Einstellung = NZA 2001, 893; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 09. Dezember 2011 – 9 Sa 427/11 – AuA 2012, 675). Aufgrund seines Weisungsrechts kann der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer einseitig bestimmte Arbeiten unter Beachtung billigen Ermessens im Sinne von § 106 Satz 1 GewO zuweisen, soweit das Weisungsrecht nicht durch Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Einzelarbeitsvertrag eingeschränkt ist. Weigert sich der Arbeitnehmer, die ihm im Rahmen des Weisungsrechts zugewiesene Tätigkeit auszuführen, so kann dies, wie das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, im Falle der sog. beharrlichen Arbeitsverweigerung den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung rechtfertigen (BAG, Urteil vom 31. Januar 1985 – 2 AZR 486/83 – AP Nr. 6 zu § 8a MuSchG 1968 = EzA Nr. 5 zu § 8a MuSchG; BAG, Urteil vom 21. November 1996 – 2 AZR 357/95 – AP Nr. 130 zu § 626 BGB = EzA Nr. 50 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; BAG, Urteil vom 05. April 2001 – 2 AZR 580/99 – BAGE 97, 276 = AP Nr. 32 zu § 99 BetrVG 1972 Einstellung = NZA 2001, 893; KR-Fischermeier, 9. Auflage 2009, § 626 BGB Rn. 412 m. w. N.). Die beharrliche Arbeitsverweigerung setzt aber in der Person des Arbeitnehmers Nachhaltigkeit im Willen voraus; der Arbeitnehmer muss die ihm übertragene Arbeit bewusst und nachhaltig nicht leisten wollen, wobei es nicht genügt, dass er eine Weisung des Arbeitgebers nicht befolgt, vielmehr muss eine intensive Weigerung vorliegen. Insoweit ist eine Negativprognose erforderlich, aus der sich ergibt, dass der Arbeitnehmer auch zukünftig seiner Arbeitspflicht nicht nachkommen wird (BAG, Urteil vom 21. November 1996 – 2 AZR 357/95 – a. a. O.). Es muss also die Willensrichtung erkennbar werden, Arbeitsanweisungen auch zukünftig nicht befolgen zu wollen. Das Moment der Beharrlichkeit ergibt sich aus einer wiederholten Weigerung nach ein- bzw. mehrmaliger Abmahnung und der daraus abzuleitenden Schlussfolgerung, der Arbeitnehmer werde Anweisungen auch zukünftig nicht mehr erfüllen (Preis in Staudinger, BGB, Bearbeitung 2002, § 626 BGB Rn. 143).

In Anwendung dieser Grundsätze ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass die fristlose Kündigung nicht wegen einer beharrlichen Arbeitsverweigerung gerechtfertigt ist.

Selbst wenn der Sachvortrag der Beklagten als zutreffend unterstellt wird, ist vorliegend nicht vom Vorliegen eines die außerordentliche Kündigung rechtfertigenden wichtigen Grundes auszugehen.

Es liegt keine beharrliche Arbeitsverweigerung im Sinne der Rechtsprechung vor. Eine Verletzung der Arbeitspflicht kommt grundsätzlich nach vorheriger Abmahnung zunächst nur als Grund für eine ordentliche Kündigung in Betracht (BAG, Urteil vom 07. Dezember 2006 – 2 AZR 182/06 – BAGE 120, 293 = AP Nr. 56 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung = NZA 2007, 617; KR- Griebeling, 10. Auflage 2014, § 1 KSchG Rn. 433, 434). Ein Grund für eine außerordentliche Kündigung kann nur bestehen, wenn die Voraussetzungen einer sog. beharrlichen Arbeitsverweigerung vorliegen, die allerdings in der Person des Arbeitnehmers im Willen eine Nachhaltigkeit voraussetzt. Umstände, die mit ausreichender Sicherheit den Schluss zulassen, der Kläger wolle seine Arbeitsaufgaben zukünftig nachhaltig und bewusst nicht wahrnehmen, bestehen jedoch nicht.

aa)

Soweit die Beklagte in dem Verhalten des Klägers in der Woche vom 30. Juni – 04. Juli 2014 eine Arbeitsverweigerung oder eine Selbstbeurlaubung sieht, teilt die Kammer diese Einschätzung nicht. Insoweit ist unstreitig, dass der Kläger jeweils am Morgen zur Arbeit erschien und erklärte, krank zu sein. Eine ärztliche Bescheinigung über eine etwaig bestehende Arbeitsunfähigkeit liegt für diesen Zeitraum nicht vor. Gleichwohl kann nach dem Vorbringen der Beklagten nicht angenommen werden, der Kläger habe eine Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht. Die Beklagte selbst hat dies so auch nicht behauptet und im Schriftsatz vom 16. Februar 2015, Seite 2, Bl. 72 d. A.) diesbezüglich formuliert: „Arbeitsunfähig war er wohl schon vorher“. Im Übrigen ist die Beklagte für das Vorliegen von Kündigungsgründen darlegungs- und beweisbelastet (BAG, Urteil vom 06. August 1987 – 2 AZR 226/87 – AP Nr. 97 zu § 626 BGB; BAG, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 2 AZR 644/13 – NZA 2015, 429). Weder die Darlegung von Tatsachen, die Zweifel an einer Arbeitsunfähigkeit begründen könnten, noch ein Beweisantritt dazu sind in den Schriftsätzen der Beklagten enthalten. Einzig die Tatsache, dass der Kläger kein ärztliches Attest über seine Arbeitsunfähigkeit für die Zeit vom 30. Juni bis 04. Juli 2014 vorgelegt hat, rechtfertigt noch nicht den Schluss, eine Arbeitsunfähigkeit habe nicht bestanden und sei nur vorgetäuscht. Ist aber mangels gegenteiliger Anhaltspunkte von einer Krankheit des Klägers vom 30. Juni bis 04. Juli 2014 auszugehen, bestand für den Kläger keine Arbeitspflicht, § 275 Abs. 1 BGB.

bb)

Auch wenn man mit der Beklagten annehmen wollte, der Kläger sei vom 30. Juni bis 04. Juli 2014 tatsächlich nicht arbeitsunfähig erkrankt gewesen, rechtfertigt dies keine außerordentliche Kündigung. Dann läge zwar eine Verletzung der Arbeitspflicht vor; sie wäre gleichwohl noch nicht als beharrlich einzustufen. Es liegt keine beharrliche Arbeitsverweigerung im Sinne der Rechtsprechung vor. Eine Verletzung der Arbeitspflicht durch Nicht-Wahrnehmung von Aufgaben kommt grundsätzlich nach vorheriger Abmahnung zunächst nur als Grund für eine ordentliche Kündigung in Betracht (BAG, Urteil vom 07. Dezember 2006 – 2 AZR 182/06 – BAGE 120, 293 = AP Nr. 56 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung = NZA 2007, 617; KR- Griebeling, 10. Auflage 2014, § 1 KSchG Rn. 433, 434). Ein Grund für eine außerordentliche Kündigung kann nur bestehen, wenn die Voraussetzungen einer sog. beharrlichen Arbeitsverweigerung vorliegen, die allerdings in der Person des Arbeitnehmers im Willen eine Nachhaltigkeit voraussetzt. Umstände, die mit ausreichender Sicherheit den Schluss zulassen, der Kläger wolle seine Arbeitsaufgaben nachhaltig und bewusst nicht wahrnehmen, bestehen nicht. Hierauf kann nicht allein aus der mehrmaligen Krankmeldung geschlossen werden. Der Kläger hat – den Vortrag der Beklagten zu ihren Gunsten als wahr und erwiesen unterstellt – eine schwere Pflichtverletzung begangen, wenn er jeweils einen ganzen Arbeitstag seine Arbeitsleistung zurückgehalten und keine Arbeitsleistungen erbracht hat. Dabei kann die Kammer zunächst unberücksichtigt lassen, dass die Beklagte den Beweis für das Nichtbestehen einer Arbeitsunfähigkeit nicht erbracht hat. Gleichwohl wäre dieses – zu Gunsten der Beklagten unterstellte – Fehlverhalten des Klägers nach Lage aller Dinge nicht so gravierend, dass es einen an sich wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung abgeben könnte. Denn es fehlte trotz einer dann anzunehmenden intensiven Arbeitsverweigerung am Merkmal der Beharrlichkeit. Der Kläger hat jedenfalls am 05. Juli 2014 seine Arbeitsleistungen erbracht. Es kann deshalb aufgrund des Verhaltens in der Zeit vom 30. Juni bis 04. Juli 2014 nicht geschlossen werden, der Kläger werde auch in Zukunft grundlos seine Arbeit verweigern. Eine solche Prognose ist vorliegend erst gerechtfertigt, wenn der Kläger ein solches Verhalten nach einschlägiger Abmahnung erneut wiederholen würde. Aufgrund des im Kündigungsschutzrecht allgemein geltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des für verhaltensbedingte Kündigungen geltenden Prognoseprinzips wird vor jeder Kündigung, die wegen eines steuerbaren Fehlverhaltens des Arbeitsnehmers ausgesprochen wird, grundsätzlich eine Abmahnung gefordert. Dies gilt jedenfalls dann, wenn damit gerechnet werden kann, dass die Abmahnung zu vertragsgemäßem Verhalten in der Zukunft führen wird und eine Wiederherstellung des Vertrauens zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer erwartet werden kann (BAG, Urteil vom 23. Juni 2009 – 2 AZR 103/08 – AP Nr. 59 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung = NZA 2009, 1198 m. w. N.). Dies gilt auch hier. Zwar kann das Moment der Beharrlichkeit auch darin zu sehen sein, dass in einem einmaligen Fall der Arbeitnehmer eine Anweisung nicht befolgt. Das muss dann aber z. B. durch eine vorhergehende, erfolglose Abmahnung verdeutlicht werden. Wie dem Hinweis auf eine vorhergehende erfolglose Abmahnung zu entnehmen ist, geht damit die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon aus, dass zu besorgen ist, der Arbeitnehmer werde in Zukunft seiner Arbeitspflicht nicht nachkommen; insbesondere ist dieser Rechtsprechung nicht zu entnehmen, die Kündigung werde allein deshalb als gerechtfertigt angesehen, weil es sich um eine zulässige Sanktion des Arbeitgebers handelt. Das Gegenteil ist der Fall. Das Bundesarbeitsgericht hat zumindest seit 1988 (vgl. u. a. Urteil vom 10. November 1988 – 2 AZR 215/88 – AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 Abmahnung; BAG, Urteil vom 10. Juni 2010 – 2 AZR 541/09 – DB 2010, 2395 = NZA 2010, 1227)) deutlich herausgestellt, auch im Bereich der verhaltensbedingten Kündigung gelte das Prognoseprinzip (ebenso BVerfG Beschluss vom 21. Februar 1995 – 1 BvR 1397/93 – AP Nr. 44 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX); der Kündigungszweck sei zukunftsbezogen ausgerichtet, weil mit der verhaltensbedingten Kündigung das Risiko weiterer Vertragsverletzungen ausgeschlossen werden solle; entscheidend sei, ob eine Wiederholungsgefahr bestehe oder ob das vergangene Ereignis sich auch künftig weiter belastend auswirke. Die Kündigung ist somit gerade keine Sanktion für begangenes Unrecht, sondern soll ein Vertragsverhältnis beenden, mit dessen vertragsgerechter Durchführung in Zukunft nicht mehr gerechnet werden kann (BAG, Urteil vom 23. Juni 2009 – 2 AZR 103/08 – AP Nr. 59 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung = NZA 2009, 1198). Dies kann vorliegend nicht angenommen werden. Die – unterstellte – Verletzung der Arbeitspflicht rechtfertigt ohne erfolglose vorherige noch nicht die Annahme, der Kläger wolle seine Arbeitspflicht nachhaltig auch zukünftig nicht erfüllen. Danach war vorliegend eine Abmahnung vor Ausspruch einer außerordentlichen, fristlosen Kündigung nicht entbehrlich. Eine Abmahnung hat der Kläger nach dem insoweit unstreitigen Vortrag der Parteien aber zu keiner Zeit erhalten.

b)

Auch für den Zeitraum danach ist für die erkennende Kammer eine Arbeitsverweigerung des Klägers nicht ersichtlich. Auch nach dem Vortrag des Beklagten lagen für diesen Zeitraum ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor. Der Kläger fehlte deshalb nicht unentschuldigt. Wegen der Erkrankung war der Kläger auch nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet. Er konnte daher seine Arbeit nicht verweigern.

Dem steht nicht entgegen, dass diese Krankschreibungen dem Beklagten zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung noch nicht bekannt waren. Es kommt vielmehr auf die objektive Lage zu diesem Zeitpunkt an. Maßgebend für die Beurteilung der Wirksamkeit einer Kündigung sind grundsätzlich die objektiven Umstände im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung, nicht dagegen der subjektive Wissensstand des Arbeitgebers zu diesem Zeitpunkt (BAG, Urteil vom 20. Februar 1986 – 2 AZR 201/85 – NZA 1988, 94; Fischermeier in KR, 9. Auflage, § 626 BGB Rn. 105 m. w. N.). Die Kammer hatte deshalb der Entscheidung die ärztlich attestierte Arbeitsunfähigkeit des Klägers ab dem 07. Juli 2014 zu Grunde zu legen. Legt der Arbeitnehmer insoweit ein ärztliches Attest vor, so begründet dieses in der Regel den Beweis für die Tatsache der Arbeitsunfähigkeit. Ein solches Attest hat einen hohen Beweiswert, denn es ist der gesetzlich vorgesehene und wichtigste Beweis für die Tatsache der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Bezweifelt der Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit, dann muss er die Umstände, die gegen die Arbeitsunfähigkeit sprechen, näher darlegen und notfalls beweisen, um dadurch die Beweiskraft des Attests zu erschüttern (BAG, Urteil vom 11. Oktober 2006 – 5 AZR 755/05 – AP Nr. 9 zu § 5 EntgeltFG). Die Beklagte hat keinerlei Tatsachen vorgetragen, die den Schluss auf eine nur vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit zulassen. Dadurch ist der einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zukommende Beweiswert nicht erschüttert oder widerlegt. Ein Betrug durch Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit, der grundsätzlich als wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung geeignet sein kann (vgl. Müller-Glöge in Erfurter Kommentar, 14. Auflage 2014, § 626 BGB Rn. 156 m. w. N.), ist deshalb ebenfalls nicht anzunehmen.

c)

Auch die unterbliebene Abkassierung der Kundin am 05. Juli 2014 stellt keinen wichtigen Grund dar, der eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen könnte. Selbst wenn zu Gunsten der Beklagten in diesem Zusammenhang eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung unterstellt wird, wäre vor Ausspruch einer Kündigung zunächst eine vorherige, erfolglose einschlägige Abmahnung erforderlich gewesen (s. o.). Auch hier gilt, dass die Verletzung der Arbeitspflicht durch Nicht-Wahrnehmung von Teilaufgaben grundsätzlich erst nach vorheriger Abmahnung und zunächst nur als Grund für eine ordentliche Kündigung in Betracht kommt (BAG, Urteil vom 07. Dezember 2006 – 2 AZR 182/06 – BAGE 120, 293 = AP Nr. 56 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung = NZA 2007, 617; KR- Griebeling, 10. Auflage 2014, § 1 KSchG Rn. 433, 434). Eine solche hat der Kläger auch nach dem Vortrag der Beklagten aber zu keiner Zeit erhalten. Eine einmalige Verletzung der Arbeitspflicht durch Unterlassen des Abkassierens einer Kundin rechtfertigt nicht die Annahme, der Kläger wolle seine Arbeitspflicht nachhaltig auch zukünftig nicht erfüllen. Es kam daher auch nicht mehr darauf an, warum der Kassiervorgang unterblieben ist. Gleiches gilt für den bestrittenen Vortrag zu Weigerung am 05. Juli 2014, zur Kundin zurückzufahren und das Geld zu holen.

d)

Soweit die Beklagte meint, der Kläger habe kein Interesse mehr an seinem Arbeitsverhältnis gehabt und die Kündigung provoziert, ergibt sich daraus ebenfalls kein wichtiger Grund für den Ausspruch einer fristlosen Kündigung. Ein solcher Abkehrwille stellt keinen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar (KR-Fischermeier, 10. Auflage 2014, § 626 Rn. 405 m. w. N.). Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass der Kläger gerade eine außerordentliche, fristlose Kündigung provozieren wollte.

e)

Letztlich verbleibt als Pflichtverletzung des Klägers nur die Verletzung seiner Nachweispflicht gemäß § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz. Erfüllt der Arbeitnehmer die ihm aus Anlass seiner Krankheit obliegenden Nebenpflichten nicht oder nicht ordnungsgemäß, begeht er eine Vertragsverletzung. Eine solche Pflichtverletzung kann den Arbeitgeber je nach den konkreten Umständen des Einzelfalles aber zum Ausspruch einer fristgerechten verhaltensbedingten Kündigung berechtigen. Eine Kündigung kommt aber regelmäßig – und so auch hier – erst in Betracht, wenn es sich nicht mehr um eine einmalige, zuvor bereits erfolglos abgemahnte Pflichtverletzung handelt. Vielmehr muss sich der Arbeitnehmer trotz entsprechender Abmahnung wiederholt pflichtwidrig verhalten oder unmissverständlich zu erkennen gegeben haben, seine diesbezüglichen Pflichten nicht erfüllen zu wollen. Aber selbst wenn der Kläger die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für die Zeit vom 30. Juni bis 04. Juli 2014 gar nicht und für die Zeit ab dem 07. Juli 2014 verspätet übersandt hat, rechtfertigt dies nicht den Ausspruch einer fristlosen Kündigung. Denn hierbei handelt es sich um die Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht, die erst nach einschlägiger Abmahnung Grund für eine – regelmäßig ordentliche – Kündigung sein kann (BAG; Urteil vom 15. Januar 1986 – 7 AZR 128/83 – AP Nr. 93 zu § 626 BGB = NZA 1987, 93). Eine solche Abmahnung hat der Kläger nicht erhalten. Ohne Abmahnung ist angesichts des regelmäßig geringeren Gewichts dieser Pflichtverletzung die Feststellung erschwerender Umstände des Einzelfalles erforderlich, die ausnahmsweise die Würdigung rechtfertigen, dem Arbeitgeber sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist bzw. bis zum vereinbarten Beendigungszeitpunkt nicht zumutbar gewesen. Hierfür bietet der Vortrag des Beklagten keinerlei Anhaltspunkte.

2.

Eine nach § 626 Abs. 1 BGB unwirksame außerordentliche Kündigung kann in eine ordentliche Kündigung nach § 140 BGB umgedeutet werden, wenn dies dem mutmaßlichen Willen des Kündigenden entspricht und dieser Wille dem Kündigungsempfänger im Zeitpunkt des Kündigungszugangs erkennbar ist. Dies ist vorliegend der Fall.

Die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 Nr. 1 BGB hat das Arbeitsgericht ausgehend vom bestand des Arbeitsverhältnisses seit dem 22. Oktober 2013 und dem Zugang der Kündigung am 10. Juli 2014 zutreffend auf den 15. August 2014 bestimmt. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger noch nicht zwei Jahre bei der Beklagten beschäftigt, so dass die Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 1 BGB vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats betrug.

Insgesamt erweist sich damit die Klage als begründet, sodass das Arbeitsgericht der Klage zu Recht entsprochen hat. Die Berufung der Beklagten war daher als unbegründet zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 97 Abs. 1 ZPO. Danach waren die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels der Beklagten aufzuerlegen.

IV.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 72 ArbGG liegen nicht vor.

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