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Fristlose Kündigung wegen Beschädigung des Dienstwagens

Fristlose Kündigung wegen Beschädigung des Dienstwagens abgewiesen

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat in seinem Urteil vom 01.02.2022 (Az.: 8 Sa 160/21) die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern zurückgewiesen. Die Parteien stritten um die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen fristlosen Kündigung, Urlaubsabgeltung, Lohnabrechnungen und Schadensersatzansprüche der Beklagten gegenüber der Klägerin.

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Hintergrund des Rechtsstreits

Die Klägerin, eine Altenpflegerin, war bei der Beklagten beschäftigt und nutzte einen Dienstwagen. Am 21.05.2020 erlitt das Fahrzeug einen Motorschaden. Die Beklagte machte die Klägerin für den Schaden verantwortlich und kündigte ihr daraufhin fristlos am 18.08.2020. Die Klägerin bestritt, den Schaden verschuldet zu haben, und erhob Klage gegen die Kündigung. Die Beklagte forderte widerklagend Schadensersatz in Höhe von 4.823,79 EUR.

Urteil des Gerichts

Das Landesarbeitsgericht wies die Berufung der Beklagten zurück und stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin zur Beklagten nicht durch die fristlose Kündigung aufgelöst wurde. Die Beklagte wurde dazu verurteilt, der Klägerin die Lohnabrechnungen für die Monate Mai 2020, Juni 2020 und Juli 2020 herauszugeben sowie 2.500,- EUR brutto und weitere 2.307,60 EUR brutto Urlaubsabgeltung zu zahlen. Die Widerklage der Beklagten wurde abgewiesen.

Unklare Beweislage und Fehlverhalten der Klägerin

Die Versicherung der Beklagten lehnte die Deckung des Schadens ab, da nicht nachvollziehbar war, wie der Schaden an der Ölwanne entstanden ist und ob die Klägerin dafür verantwortlich war. Zudem wurde der Schaden erst knapp sieben Monate später gemeldet. Die Beklagte warf der Klägerin zudem mehrere Verfehlungen im Arbeitsverhältnis vor, wie beispielsweise verspätete/fehlende Krankmeldungen, Minusstunden und private Nutzung des Firmenfahrzeugs. Allerdings stritten die Parteien darüber, ob die schriftlichen Abmahnungen der Klägerin vor der Kündigung zugegangen waren.

Kündigung unwirksam und Schadensersatzanspruch abgewiesen

Das Gericht entschied, dass die fristlose Kündigung unwirksam ist, da die Beweislage unklar war und die Beklagte die Schuld der Klägerin am Motorschaden nicht nachweisen konnte. Darüber hinaus wurden die Schadensersatzansprüche der Beklagten abgewiesen, da die Klägerin nicht für den Schaden verantwortlich gemacht werden konnte.

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Das vorliegende Urteil

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 8 Sa 160/21 – Urteil vom 01.02.2022

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern – Auswärtige Kammern Pirmasens – vom 16.03.2021, Az. 4 Ca 367/20, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen fristlosen Kündigung, um Urlaubsabgeltung, um die Erteilung von Lohnabrechnungen und – im Wege der Widerklage- um Schadensersatzansprüche der Beklagten gegenüber der Klägerin.

Die Klägerin war seit dem 01.03.2020 als Altenpflegerin zu einem Bruttomonatsgehalt von 2.500,- EUR bei der Beklagten beschäftigt. Bei der Beklagten sind weniger als zehn Mitarbeiter tätig. Der Klägerin wurde zur dienstlichen Nutzung ein Fahrzeug zur Verfügung gestellt.

Am 18.08.2020 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie bis zum 25.02.2020 arbeitsunfähig erkrankt sei. Eine auf diesen Zeitraum bezogene Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hat die Klägerin zur Akte gereicht.

Die Beklagte sprach am 18.08.2020 eine außerordentliche Kündigung aus, forderte die Klägerin zur Rückgabe des Dienstwagens auf und stellte sie von der Arbeitsleistung frei.

Die Beklagte erstellte insgesamt sechs schriftliche Abmahnungen (wegen verspäteter/ fehlender Krankmeldung, Minusstunden, privater Nutzung des Firmenfahrzeugs). Ob diese der Klägerin vor der streitgegenständlichen Kündigung zugegangen sind, steht zwischen den Parteien im Streit.

Am 21.05.2020 erlitt das von der Klägerin geführte Dienstfahrzeug mit dem Kennzeichen XX-XX-000 einen Motorschaden. Aufgrund einer Beschädigung der Ölwanne des Fahrzeugs hatte das Fahrzeug zuvor Öl verloren, was nach Ansicht der Beklagten zu dem Motorschaden führte. Die Beklagte beauftragte eine Kfz-Reparaturwerkstatt mit der Behebung des Schadens. Wie es zu dem Schaden kam, insbesondere, ob dieser von der Klägerin verschuldet wurde, ist zwischen den Parteien streitig. Der Beklagten wurde für die Reparatur durch die Firma E. ein Betrag von 4.323,79 EUR in Rechnung gestellt.

Mit Schreiben vom 16.02.2021 teilte die Versicherung der Beklagten dieser mit:

„Kasko- Schaden-Nr. (…)

Schadenstag: 21.05.2020

(…) Wir haben den Sachverhalt geprüft. Es ist unklar, wie der Schaden an der Ölwanne entstanden ist. Das Fahrzeug wurde trotz austretendem Öl weitergefahren, wodurch das Fahrzeug einen Motorschaden erlitten hat. Der Schaden wurde uns erst knapp sieben Monate später gemeldet. Für uns ist nicht nachvollziehbar, wie der Schaden entstanden ist und (wir) haben auch keine Möglichkeiten, den Schaden zu begutachten. Daher besteht keine Deckung aus der Kaskoversicherung. Auch bei rechtzeitiger Meldung wäre der Motorschaden nicht erstattungsfähig gewesen. Wir lehnen daher diesen Schaden ab.“

Der Klägerin wurde nach dem Schadensereignis vom 21.05.2020 ein anderes Fahrzeug zur Verfügung gestellt (amtliches Kennzeichen XX-YY 000), bei dessen Rückgabe die Beklagte einen Defekt am Stoßfänger feststellte. Diesen Defekt ließ die Beklagte bei dem Autohaus E. reparieren. Die Versicherung der Beklagten übernahm die Kosten bis auf eine von der Beklagten getragene Selbstbeteiligung in Höhe von 500,- EUR.

Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen, ihr sei im Arbeitsverhältnis kein Fehlverhalten unterlaufen. Sie habe die Patienten zügig und ordnungsgemäß versorgt und den Dienst nie eigenmächtig vorzeitig beendet. Die von der Beklagten im Prozess vorgelegten Abmahnungen seien ihr erstmals mit Zustellung der Klageerwiderungen bekannt geworden. Seit dem 17.08.2020 sei sie arbeitsunfähig erkrankt gewesen.

Der Schaden an Fahrzeug mit dem Kennzeichen XX-XX 000 sei während einer dienstlich veranlassten Fahrt und ohne ihr Verschulden entstanden. An einer Ampel sei das Fahrzeug ausgegangen, zuvor habe es geruckelt. Weder habe sie durch „Aufsetzen“ das Fahrzeug beschädigt, noch habe die Ölwarnlampe aufgeleuchtet. Einen Schaden an einem Stoßfänger habe sie nicht verursacht.

Erstinstanzlich hat die Klägerin zuletzt beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin zur Beklagten nicht durch die fristlose Kündigung vom 18.08.2020 zum 18.08.2020 aufgelöst worden ist,

2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die Lohnabrechnungen für die Monate Mai 2020, Juni 2020 und Juli 2020 herauszugeben,

3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.500,- EUR brutto nebst Zinsen hieraus seit 16.09.2020 zu zahlen,

4. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 2.307,60 EUR brutto Urlaubsabgeltung zu zahlen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt, die Klage abzuweisen.

Widerklagend hat die Beklagte zudem beantragt, die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte einen Betrag in Höhe von 4.823,79 EUR zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz aus 4.323,79 EUR seit dem 21.05.2019 und aus 500,- EUR seit dem 18.08.2020.

Die Klägerin hat erstinstanzlich weiter beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich vorgetragen, die Klägerin sei mehrfach zu spät zur Arbeit erschienen und habe hierbei unwahre Entschuldigungsgründe genannt. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen habe sie nicht rechtzeitig vorgelegt. Sie habe den Dienstwagen in unzulässiger Weise privat genutzt.

Am 13.08.2020 habe die Klägerin den Dienst eigenmächtig zwei Stunden vorzeitig beendet. Am 15.08.2020 habe sie der Beklagten mitgeteilt, sie könne den Dienst an diesem Tag wegen eines privaten Termins nicht antreten, habe jedoch an diesem Tag eine Fußpflege bei einem Patienten durchgeführt. Vor Ausspruch der Kündigung habe die Klägerin sechs schriftliche Abmahnungen erhalten.

Die Klägerin habe an zwei Fahrzeugen der Beklagten schuldhaft Schäden verursacht, für die sie haften müsse. Den Ölverlust hätte sie anhand der Warnlampe des Fahrzeugs feststellen können und müssen. Hätte sie die Fahrt daraufhin beendet, wäre es zu dem Motorschaden nicht gekommen. Auch für den Schaden am Stoßfänger könne nur die Klägerin verantwortlich sein, da sonst niemand das Fahrzeug genutzt habe.

Im Kammertermin vom 16.03.2021 hat das Arbeitsgericht Beweis erhoben über die Behauptung der Beklagten, es sei am 21.05.2020 zu einem Motorschaden am Fahrzeug mit dem Kennzeichen XX-XX 000 gekommen, da dieses Öl verloren habe, deswegen die Ölwarnleuchte geleuchtet habe und die Klägerin dennoch weiterfuhr, durch Vernehmung des Zeugen F., dem Servicemitarbeiter der Reparaturwerkstatt E..

Mit Urteil vom 16.03.2020 hat das Arbeitsgericht Kaiserslautern die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 18.08.2020 festgestellt, die Beklagte zur Herausgabe von Lohnabrechnungen für die Monate Mai 2020, Juni 2020 und Juli 2020, zur Zahlung von 2.500,- EUR Vergütung für August 2020 sowie von Urlaubsabgeltung in Höhe von 2.019,23 EUR verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen, die Widerklage hat das Gericht ebenfalls abgewiesen.

Das Arbeitsgericht hat zur Begründung – zusammengefasst- ausgeführt, das Arbeitsverhältnis sei nicht fristlos am 18.08.2020, sondern durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung zum 15.09.2020 beendet worden. Da das Arbeitsverhältnis erst weniger als sechs Monate bestanden habe, habe die Beklagte es ohne Grund ordentlich kündigen können. Die Einhaltung dieser Frist sei ihr auch zumutbar gewesen. Es sei nicht ersichtlich, weswegen die aus ihrer Sicht erfolgten Verhaltensmängel während des Bestands des Arbeitsverhältnisses nicht zum Anlass einer ordentlichen Kündigung, sodann aber zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung gemacht worden seien. Die Vorwürfe seien zudem unsubstantiiert.

Die Klägerin könne wegen des weiteren Bestands des Arbeitsverhältnisses für den Monat August 2020 das volle Bruttogehalt beanspruchen. Urlaubsabgeltung sei für 21 noch offene Urlaubstage zu zahlen. Von dem Jahresurlaub von 24 Tagen seien drei Tage genommen worden. Der volle Urlaubsanspruch sei entstanden, da die Wartezeit des § 4 BUrlG erfüllt sei.

Die Widerklage sei unbegründet. Es sei nicht ersichtlich, dass die Klägerin überhaupt fahrlässig gehandelt habe. Aus der Aussage des Zeugen F. folge, dass man mit einem derartigen Schaden an der Ölwanne wie dem vorliegenden höchstens ein bis zwei Kilometer habe fahren können. Der Schaden müsse daher bereits entstanden sein, bevor die Ölwarnlampe aufgeleuchtet habe. Es sei unklar geblieben, was den Schaden verursacht habe. Auch bezüglich der Beschädigung des Stoßfängers sei die Schadensentstehung völlig unklar geblieben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags erster Instanz sowie des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der arbeitsgerichtlichen Begründung wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.

Das Urteil wurde der Beklagten am 21.04.2021 zugestellt. Mit am 11.05.2021 bei dem LAG Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz hat sie hiergegen Berufung eingelegt und diese gelichzeitig begründet.

Zur Begründung der Berufung trägt die Beklagte vor, das Arbeitsgericht hätte die außerordentliche Kündigung als wirksam ansehen müssen, da das Arbeitsverhältnis von Beginn an belastet gewesen sei. Die Klägerin sei mehrfach zu spät gekommen, am 18.08.2020 habe sie im Zuge der Krankmeldung keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt. Auch habe sie innerhalb der Arbeitszeit vier Fußpflegetermine durchgeführt und privat abgerechnet.

Für den Schaden am Auto hätte die Klägerin eine plausible Erklärung abgeben müssen. Auch habe sie zahlreiche Privatfahrten durchgeführt. Die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung seien entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht anwendbar. Aus dem Fahrtenbuch lasse sich ableiten, dass die Klägerin zahlreiche Privatfahrten mit dem Dienstwagen durchgeführt habe. Am 23.05.2020 seien 23 km zu privaten Zwecken zurückgelegt worden, da von den im Fahrtenbuch eingetragenen 93 km nur 70 km dienstlich veranlasst gewesen seien.

Das Arbeitsgericht habe auch nicht berücksichtigt, dass der Schaden an der Ölwanne und dadurch der Motorschaden nur durch einen massiven Aufprall auf ein Hindernis verursacht worden sein könne. Aus diesem Grund habe auch die Vollkaskoversicherung den Schaden nicht ausgeglichen. Dieses Beschädigen müsse sich auf einer Privatfahrt ereignet haben, da die Klägerin auf ihren Fahrten zu den Patienten nur asphaltierte Straßen befahren müsse, auf denen solche Hindernisse nicht vorlägen. Auf der Straße, an der das Fahrzeug liegengeblieben sei, sei kein Ölfleck feststellbar gewesen. Aufgrund des Ruckelns des Fahrzeugs, wie die Klägerin es beschreibt, hätte sie nicht mehr weiterfahren dürfen.

Die Beklagte hat zweitinstanzlich beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern, Auswärtige Kammern Pirmasens, vom 16.03.2021, Az. 4 Ca 367/20, zugestellt am 21.04.2021, aufzuheben,

2. bezüglich der am 24.09.2020 erhobenen Widerklage die Klägerin, Berufungsbeklagte und Widerbeklagte zu verurteilen, an die die Beklagte, und Widerklägerin einen Betrag in Höhe von 4.923,79 EUR zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 4.323,79 EUR seit dem 21.05.2019 und aus 500,- EUR seit dem 18.08.2020.

Die Klägerin hat zweitinstanzlich beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin trägt dazu vor, das Arbeitsgericht habe zutreffend die Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung angenommen, zumal es der Beklagten nicht gelungen sei, einen Zugang der Abmahnungen darzulegen und nachzuweisen. Weder seien Pflichtverletzungen im Arbeitsverhältnis erfolgt noch habe am 18.08.2020 ein Kündigungsgrund vorgelegen. Die Widerklage habe das Arbeitsgericht zu Recht abgewiesen. Einen vermeintlichen Schaden am Stoßfänger habe die Klägerin nicht einmal bemerkt. Die Öl-Warnleuchte habe vor dem Motorschaden nicht aufgeleuchtet. Durch die Schilderung des Geschehens am 21.05.2021 sei die Klägerin ihrer sekundären Darlegungslast vollumfänglich nachgekommen. Der Schaden sei auch nicht anlässlich einer Privatfahrt entstanden, die Klägerin habe eine solche nicht unternommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist nach §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und Abs. 2 lit. c ArbGG statthaft sowie form- und fristgerecht im Sinne von §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO eingelegt und begründet worden.

II. Die Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht entschieden, dass die fristlose Kündigung unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis erst mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist endete. Dementsprechend war die Beklagte auch verpflichtet, das Gehalt für den vollen Monat August 2020 und Urlaubsabgeltungsansprüche in der vom Arbeitsgericht angenommenen Höhe zu zahlen. Die Widerklage war, wie das Arbeitsgericht ebenfalls zutreffend entschieden hat, abzuweisen.

1. Entgegen der Auffassung der Beklagten endete das Arbeitsverhältnis nicht bereits am 18.08.2020 auf Grund der an diesem Tag ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung, da diese nicht rechtswirksam ist. Es endete erst mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist.

a. Ein Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann, § 626 Abs. 1 BGB.

Die Überprüfung, ob ein gegebener Lebenssachverhalt einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darstellt, vollzieht sich zweistufig. Zunächst ist zu prüfen, ob ein wichtiger Grund vorliegt, der unter Berücksichtigung der oben skizzierten Kriterien – aber ohne Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles „an sich“ geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.

Im Anschluss daran ist zu prüfen, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls, unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile, jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist bzw. bis zum vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht (BAG, Urteil vom 13. Dezember 2018 – 2 AZR 370/18, Rn. 15, zitiert nach juris, ebenso im Folgenden; Urteil vom 25. Januar 2018 – 2 AZR 382/17, Rn. 26; Ascheid/Preis/Schmidt/Vossen, 6. Aufl. 2021, BGB § 626 Rn. 28, 29).

b. Gemessen an diesen Grundsätzen lag ein wichtiger Grund zur sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 18.08.2020 nicht vor. Dies hat das Arbeitsgericht zu Recht entschieden. Die Ausführungen des Gerichts macht sich die Berufungskammer gem. § 69 Abs. 2 ArbGG zu eigen. Bezogen auf das Vorbringen der Beklagten in ihrer Berufungsbegründung erfolgen lediglich die nachfolgenden Ergänzungen.

Es fehlt bereits an einem an sich geeigneten Grund zur fristlosen Kündigung.

aa. Hierbei können nur die von der Beklagten vorgetragenen Gründe betrachtet waren, die den Zeitraum der vor dem 18.08.2020 liegenden 14 Tage betreffen. Nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann die fristlose Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt gem. § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt (BAG, Urteil vom 01. Oktober 2020 – 2 AZR 238/20 –, Rn. 13). Dass die Beklagte erst verspätet von den vor diesem Stichtag liegenden Ereignissen erfahren hätte, hat sie nicht vorgetragen. Dies stünde auch nicht in Einklang mit den Daten der von ihr zur Akte gereichten Abmahnungen.

bb. Die Beklagte hat bezogen auf diesen Zeitraum ohne Nennung konkreter Umstände vorgetragen, die Klägerin habe im August viermal eine Fußpflege angeboten, ohne diese über die Beklagte abzurechnen. Nach dem Bestreiten durch die Klägerin hat die Beklagte dies nicht näher substantiiert. Daher konnte die Kammer nicht feststellen, ob und in welchem Umfang etwa ein Arbeitszeitbetrug oder eine unzulässige Nebentätigkeit vorgelegen hat.

Auch das Fehlen am 18.08.2020 ist nicht geeignet, einen an sich zur außerordentlichen Kündigung geeigneten Grund darzustellen. Die Klägerin war an diesem Tag arbeitsunfähig erkrankt, was sie der Beklagten über ihren Lebenspartner mitteilen ließ und was die im Nachgang vorgelegte ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bestätigt.

Nicht zur Begründung geeignet ist auch die nach Auffassung der Beklagten verspätete Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Zeitraum 09.-12.08.2020, denn unabhängig davon, ob man hierin einen an sich geeigneten Grund im obigen Sinne sehen will, hat die Beklagte diesen Vorwurf bereits zum Gegenstand einer Abmahnung gemacht. Regelmäßig liegt im Ausspruch einer Abmahnung der konkludente Verzicht auf das Recht zur Kündigung aus den in ihr gerügten Gründen. Der Arbeitgeber gibt mit einer Abmahnung zu erkennen, er sehe das Arbeitsverhältnis noch nicht als so gestört an, dass er es nicht mehr fortsetzen könne (BAG, Urteil vom 12. Mai 2011 – 2 AZR 479/09 –, Rn. 53; Urteil vom 26. November 2009 – 2 AZR 751/08 – Rn. 12).

Auch bezüglich einer unzulässigen Privatnutzung des Dienstfahrzeugs durch die Klägerin fehlt es angesichts des Bestreitens durch die Klägerin an einem substantiiert dargelegten Kündigungsgrund. Die Klägerin hat sich hierzu im Berufungsverfahren ergänzend auf Einträge im Fahrtenbuch im April und Mai 2020 vorgetragen, aufgrund derer sie von der Durchführung von Privatfahrten ausgehe. Bereits im Hinblick auf die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB kann sich hieraus kein außerordentlicher Kündigungsgrund ergeben.

Das Arbeitsgericht hat somit zu Recht entschieden, dass die Kündigung vom 18.08.2020 das Arbeitsverhältnis nicht fristlos beendet hat.

2. Aufgrund der Beendigung erst mit dem Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist bestehen die Ansprüche auf Vergütung für den vollen Monat August 2020 sowie der Urlaubsabgeltungsanspruch in der durch das Arbeitsgericht festgestellten Höhe, die den August 2020 als vollen Monat in die Urlaubsberechnung mit einbezieht. Hierbei macht sich die Berufungskammer ebenfalls die Ausführungen des Arbeitsgerichts gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG zu eigen. Mit der Berufung hat die Beklagen keine weiteren Gründe genannt, aus denen heraus der Klägerin diese Ansprüche nicht zustehen würden.

3. Auch die Widerklage hat das Arbeitsgericht zu Recht abgewiesen. Ein Anspruch der Beklagten gegenüber der Klägerin auf Zahlung von Schadensersatz wegen einer Beschädigung des Stoßfängers und wegen des Motorschadens besteht nicht.

Der Beklagten ist es nicht gelungen, darzulegen, dass die Klägerin eine Pflichtverletzung begangen und hierdurch schuldhaft die Schäden verursacht hätte.

a. Der Arbeitgeber trägt die Darlegungs- und Beweislast im Rahmen von ihm geltend gemachter vertraglicher Schadensersatzansprüche, wobei sich der Arbeitgeber gemäß § 619 a BGB nicht auf die Beweislastregelung des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB berufen kann. Damit hat der Arbeitgeber das Verschulden des Arbeitnehmers und die den Grad des Verschuldens ausmachenden Tatsachen darzulegen und ggf. zu beweisen; die Darlegungs- und Beweislast erstreckt sich mithin nicht nur auf die Pflicht- bzw. Rechtsgutverletzung, sondern auch auf die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität sowie auf den Schaden (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. April 2020 – 19 Sa 46/19 – Rn. 79; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12. März 2020 – 2 Sa 292/19 – Rn. 55, Urteil vom 12. April 2016 – 6 Sa 299/15, Rn. 41).

Allerdings dürfen keine zu hohen Anforderungen gestellt werden, wenn das schädigende Ereignis näher am Arbeitnehmer als am Arbeitgeber lag. Der Arbeitnehmer hat sich im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast substantiiert zu äußern, sofern der Arbeitgeber Indizien vorträgt, die auf ein haftungsbegründendes Verschulden des Arbeitnehmers hinweisen (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 20. Oktober 2020 – 5 Sa 48/20 –, Rn. 36; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. November 2016 – 7 Sa 96/16 – Rn. 35).

b. Die Beklagte konnte bezüglich beider Schäden auch unter Zugrundelegung einer Abstufung der Darlegungs- und Beweislast nicht aufzeigen, dass die Schäden durch eine Pflichtverletzung der Klägerin entstanden wären.

Der Klägerin oblag die Pflicht, mit dem ihr zur Verfügung gestellten Fahrzeug sorgsam umzugehen (§ 241 Abs. 2 BGB). Aus dem Vortrag der Parteien folgt nicht, dass die Klägerin unvorsichtig gefahren wäre oder einen sonstigen Sorgfaltsverstoß begangen hätte. So blieb hinsichtlich der Stoßstange völlig unklar, wie die Beschädigung zustande gekommen sein könnte. Die Klägerin erklärte, sie habe eine solche nicht bemerkt. Dies ist durchaus möglich, da beispielsweise auch ein anderer Verkehrsteilnehmer, sogar in Abwesenheit der Klägerin, gegen das parkende Fahrzeug gefahren sein könnte. Wie das Arbeitsgericht zu Recht ausgeführt hat, kann auch die sekundäre Darlegungslast nur so weit reichen, wie die Klägerin selbst Informationen hat. Die Beklagte hat keine Anhaltspunkte genannt, die die Schilderung der Klägerin widerlegen könnten oder auf eine Pflichtverletzung durch die Klägerin hindeuten würden.

Das gleiche Ergebnis gilt bezüglich der Beschädigung der Ölwanne und dem Motorschaden. Eine Pflichtverletzung konnte nicht festgestellt werden. Die Beklagte hat hier zwar Indizien genannt, die auf eine Sorgfaltspflichtverletzung durch die Klägerin hindeuten könnten. Es ist nicht fernliegend, dass ein Aufreißen der Ölwanne tatsächlich durch ein Aufsetzen auf einem scharfen Gegenstand verursacht werden kann, auch ist denkbar, dass ein drohender Motorschaden im Vorfeld bemerkbar und damit der endgültige Schaden vermeidbar gewesen wäre.

Auf diese Indizien hin hat die Klägerin prozessual reagiert. Sie hat den Geschehensverlauf aus ihrer Sicht geschildert, ohne dass sich aus diesem eine Pflichtverletzung ableiten ließe. Der von der Beklagten vorgetragene Sachverhalt fußt, was sie selbst nicht in Abrede stellt, auf Mutmaßungen. Selbst wenn die Klägerin über einen Stein oder etwas Ähnliches gefahren wäre, würde dies nicht zwangsläufig eine Pflichtverletzung bedeuten, da der Gegenstand auch unauffällig platziert gewesen sein konnte.

Dass die Klägerin unzulässig über einen Feldweg gefahren wäre, ist ebenfalls spekulativ. Das Fahrtenbuch lässt dies nicht zwingend zu und legt es auch nicht nahe. Die Klägerin konnte die Kilometerdifferenz plausibel und mit dienstlichen Notwendigkeiten erklären. Aus den zweitinstanzlich mit Schriftsatz vom 22.10.2021 vorgetragenen Fahrtenbucheinträgen ergibt sich nichts Gegenteiliges.

Auch ist es völlig ungewiss, wie sich das Aufleuchten der Öllampe vor dem Defekt verhalten hat. Laut Klägerin leuchtete die Lampe nicht auf. Dass sie so frühzeitig aufgeleuchtet hätte, dass die Klägerin hierauf hätte reagieren und die Weiterfahrt beenden müsste, hat auch die Beklagte nicht näher darlegen können.

Der Beklagten ist es somit nicht gelungen, eine Pflichtverletzung der Klägerin darzulegen, die zur Schadensverursachung geführt hätte. Daher haftet die Klägerin nicht für die an den beiden Fahrzeugen entstandenen Schäden. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt und damit die Widerklage zu Recht abgewiesen.

Die Berufung der Beklagten war zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 ArbGG lagen nicht vor.

 

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