I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 13.03.2023 – Az.: 6 Ca 37/23 – wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses durch die mit Schreiben der Beklagten vom 03.01.2023 ausgesprochene fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung mit Wirkung zum 30.06.2023 sowie über den allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers.
Der am 05.07.1992 geborene, verheiratete und zwei Kindern gegenüber unterhaltspflichtige Kläger ist bei der Beklagten, einem kommunalen Entsorgungsunternehmen mit mehr als 1.000 Arbeitnehmern, seit dem 01.09.2016 als Müllabfuhr-Springer auf der Grundlage zuletzt des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 31.08.2018 (Blatt 6 f. der erstinstanzlichen Akte) gegen ein durchschnittliches Bruttomonatsentgelt in Höhe von 3.525,- EUR beschäftigt. Im Betrieb der Beklagten besteht ein Betriebsrat.
Die Arbeitsleistungen des Klägers waren bislang beanstandungsfrei. In dem Arbeitsverhältnis gibt es keine Abmahnungen.
Am Dienstag, 20.12.2022 parkte der Kläger seinen privaten Pkw auf einem Betriebsparkplatz, der nicht ihm, sondern dem Arbeitskollegen Herrn C. dauerhaft zugewiesen war. Am 21.12.2022 stellte Herr C. den Kläger deswegen zur Rede und es kam zu einem Streitgespräch, dessen Einzelheiten zwischen den Parteien streitig sind. Herr C. bat um ein Personalgespräch, das am Vormittag des Donnerstags, 22.12.2022 unter Beteiligung des Vorgesetzten E. sowie der Betriebsratsmitglieder L. und U. stattfand. Der Kläger wurde zu der Beschwerde des Herrn C. angehört, er habe diesen als „Bastard“ bezeichnet und im Verlaufe des 21.12.2022 auf dessen Auto gespuckt. Der Kläger wies die Vorwürfe zurück.
Am selben Tag zwischen 12 und 13 Uhr begab sich der Kläger in den Besprechungsraum des Betriebsrats, in dem sich die Betriebsratsmitglieder Herr L., Herr U. und Herr V. befanden, legte drei kleine schwarze, in durchsichtiger Folie eingeschweißte Pakete auf den Tisch und erklärte, es handele sich um ein Geschenk. Weitere Einzelheiten zu den Äußerungen des Klägers sind zwischen den Parteien streitig. Der Kläger verließ dann direkt wieder den Besprechungsraum.
In den drei Paketen befanden sich – was von außen jedoch nicht zu erkennen war – jeweils Vibratoren. Diese hatte der Kläger zuvor im Rahmen seiner zusammen mit weiteren Arbeitskollegen durchgeführten Müllabfuhrtätigkeit bei dem zur Entsorgung abgestellten Müll vorgefunden, wobei es sich insgesamt um 10 originalverschweißte Pakete mit Vibratoren handelte. Die Einzelheiten zum Auffinden aller und zur Weiterverwendung der übrigen 7 Pakete sind streitig, unstreitig ist aber keines der 10 Pakete von dem Kläger oder den anderen Mitarbeitern des Entsorgungsfahrzeugs unmittelbar der Müllentsorgung zugeführt worden.
Nach den Weihnachtsfeiertagen fand am 28.12.2022 zu den Vorfällen ein Personalgespräch unter Beteiligung der Personalleiterin Frau N. Herrn E., Herrn L., Herrn U. und des Personalreferenten Herrn A. statt. Über das Gespräch wurde ein Protokoll gefertigt, das unter anderem auch der Kläger unterzeichnete und wegen dessen Inhalts auf Blatt 45 f. der erstinstanzlichen Akte Bezug genommen wird.
Mit Schreiben vom 02.01.2023, wegen dessen Inhalts auf Blatt 48 ff. der erstinstanzlichen Akte Bezug genommen wird, hörte die Beklagte den Betriebsrat zu der beabsichtigten außerordentlichen, fristlosen sowie hilfsweise ordentlichen Tat- und Verdachtskündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger an. Der Betriebsrat erteilte unter dem 03.01.2023 „abschließend“ seine Zustimmung (Blatt 54 der erstinstanzlichen Akte).
Daraufhin sprach die Beklagte mit Schreiben vom 03.01.2023 (Blatt 8 der erstinstanzlichen Akte), dem Kläger am 04.01.2023 zugegangen, die fristlose sowie hilfsweise die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2023 aus.
Mit seiner am 06.01.2023 bei dem Arbeitsgericht Essen eingegangenen und der Beklagten am 13.01.2023 zugestellten Klageschrift hat der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben. Er hat das Vorliegen eines hinreichenden Kündigungsgrundes sowie die ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrats bestritten und behauptet, Herr C. sei ihn am 21.12.2022 in ungeboten aggressiver Form angegangen. Herr C. habe gesagt: „Hör mal Schwatten, das ist das letzte Mal, dass Du auf meinem Parkplatz parkst, jetzt marschier!“ Der Kläger habe sich bei Herrn C. für das versehentliche Falschparken entschuldigt, ihm aber auch erklärt, dass er die Bezeichnung als „Schwatter“ nicht akzeptiere und dass dies ein Nachspiel haben werde. Dass er auf dem Parkplatz von Herrn C. geparkt habe, habe auf einem Versehen beruht, da der ebenfalls bei der Beklagten beschäftigte Vater des Klägers zwei Plätze weiter links einen dauerhaft zugewiesenen Parkplatz habe und der Kläger dort – mit Erlaubnis seines Vaters – habe parken wollen. Mit dem „Nachspiel“ habe der Kläger gemeint, dass er sich nicht von Herrn C. diskriminieren lasse und dies bei der Beklagten aktenkundig machen werde. Danach sei er direkt auf Tour gefahren. Das Auto von Herrn C. habe er nicht bespuckt. Mit der diesbezüglichen, unbegründeten Beschwerde habe dann wohl Herr C. dem Kläger und dessen Beschwerde zuvorkommen wollen. Nach dem Personalgespräch am 22.12.2022 sei er zunächst erneut mit seiner Mannschaft auf Müllabfuhr-Tour gewesen. In der Pause habe er dann die drei Pakete mit den Vibratoren den Betriebsratsmitgliedern V., U. und L. übergeben. Diese habe seine Kolonne am 07.12.2022 originalverpackt neben einer Mülltonne gefunden. Sie seien herrenlos gewesen. Die Mannschaft habe diese an sich genommen. Er habe vier Packungen an sich genommen. Herr L. habe ihn im Nachgang angerufen, seine Verärgerung zum Ausdruck gebracht und ihn aufgefordert, die Geschenke unverzüglich abzuholen. Nachdem er realisiert habe, dass er eine Verärgerung ausgelöst habe, habe er sich unverzüglich beim Betriebsrat entschuldigt. Am 23.12.2022 sei er gegen zehn Uhr persönlich in das Betriebsratsbüro gegangen, um sich zu entschuldigen. Herr U. und Herr V. hätten ihm dann mitgeteilt, dass die Geschenke bereits in der Personalabteilung lägen und es für eine Abholung zu spät sei. Er habe die Geschichte nicht publik gemacht. Es habe sich um einen Scherz handeln sollen, der aber offensichtlich nicht gelungen sei. Der Tragweite seines Handelns sei er sich nicht bewusst gewesen.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung vom 03.01.2023, hilfsweise fristgerechte Kündigung zum 30.06.2023, zugegangen am 04.01.2023, aufgelöst ist;
2. falls er mit dem Feststellungsantrag obsiegt, die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Müllabfuhr-Springer weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat behauptet, der Kläger habe Herrn C. am 21.12.2022 beleidigt. Herr C. habe ihn angesprochen, weil der Kläger am Tag zuvor auf dem für Herrn C. reservierten Parkplatz geparkt hatte. Herr C. habe den Kläger aufgefordert, dort nicht mehr zu parken. Darauf habe der Kläger sehr aggressiv reagiert. Herr C. habe den Eindruck gehabt, der Kläger habe ihn „mit den Augen auffressen“ wollen. Er habe ihn als „Bastard“ bezeichnet und erklärt, der Vorfall werde noch ein Nachspiel für ihn haben. Darin liege sowohl eine Beleidigung als auch eine Bedrohung des Herrn C.. Herr C. habe den Kläger zuvor selbst nicht beleidigt. Herr C. habe aber am Abend dieses Tages auf seinem Auto einen großen Speichelfleck entdeckt. Er sei davon ausgegangen, dass der Kläger das Auto bespuckt habe, was dann Anlass zu der Beschwerde gewesen sei. In dem Gespräch am Folgetag, dem 22.12.2022 habe sich der Kläger uneinsichtig gezeigt und habe dieses mehrfach verlassen wollen. Herr E. habe ihm erklärt, dass ein derartiges Verhalten nicht toleriert werde. Die Mitglieder des Betriebsrats hätten ebenfalls ihr Unverständnis geäußert. Dies wiederum habe den Kläger erkennbar verärgert. Im Personalgespräch am 28.12.2022 habe er diesbezüglich erklärt, er habe sich allein gelassen gefühlt und als Kurzschlussreaktion dem Betriebsrat ein doofes Geschenk gemacht und seiner Wagenbesatzung dann davon erzählt. Die Beklagte glaube dem Kläger aber nicht, dass es sich um eine Kurzschlussreaktion gehandelt habe. Er habe am 22.12.2022 schließlich über eine Stunde Zeit gehabt, das Gespräch zu reflektieren. Er habe den Betriebsrat vielmehr vor der Belegschaft bewusst lächerlich machen wollen. Es handele sich um eine nicht zu akzeptierende Störung des Betriebsfriedens und eine sexuelle Belästigung. Der Betriebsrat habe die Pakete des Klägers zunächst ungeöffnet gelassen. Am 23.12.2022 habe sich gegen 9 Uhr der im Urlaub befindliche Betriebsratsvorsitzende Herr X. gemeldet und mitgeteilt, er habe von einem Bekannten, der nicht bei der Beklagten tätig sei, erfahren, dass der Betriebsrat ein „tolles Geschenk“ erhalten habe, „das er sich in den Arsch stecken solle, damit er auch mal wieder etwas zu lachen habe.“ Sodann hätten die Betriebsratsmitglieder eines der Pakete geöffnet und einen Vibrator gefunden. Mit der Äußerung gegenüber dem Bekannten des Betriebsratsvorsitzenden, die von dem Kläger stammen müsse, habe dieser seine Intention deutlich gemacht. Im Übrigen habe der Kläger die Vibratoren gestohlen. Diese hätten sich an der Ecke M.-straße befunden, einem Bereich, in dem die Tonnen oft sehr voll seien und sich noch Tüten neben ihnen befänden, die auch entsorgt würden. Daher könne es dahinstehen, ob sich die Vibratoren neben oder in den Tonnen befunden hätten. Der Kläger habe die Tüte in das Müllabfuhrfahrzeug gebracht und eine Packung geöffnet. Dann habe er den Kollegen A. gefragt, ob er auch eines haben wolle, was dieser abgelehnt habe. Die Kollegen der Tour hätten übereinstimmend angegeben, dass der Kläger die Vibratoren allein an sich genommen habe.
Das Arbeitsgericht Essen hat der Klage mit Urteil vom 13.03.2023 in vollem Umfang stattgegeben.
Das Urteil ist der Beklagten über ihre Prozessbevollmächtigten am 22.03.2023 zugestellt worden. Sie hat mit am 28.03.2023 bei dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf eingegangenem Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten Berufung eingelegt, die sie – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 16.06.2023 – mit am 14.06.2023 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten begründet hat.
Die Beklagte verfolgt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ihr Ziel der Klageabweisung weiter. Sie rügt, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass jeder der drei Kündigungsvorwürfe an sich bereits die außerordentliche Kündigung rechtfertige und der dritte Kündigungsgrund zudem nicht an einer unzureichenden Betriebsratsanhörung scheitere, jedenfalls aber die Kündigungsvorwürfe in der Gesamtschau zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen müssten. Die Bezeichnung von Herrn C. als „Bastard“ begründe eine gravierende Ehrkränkung. Insoweit berufe sie sich auf die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 20.01.2022 – 18 Sa 645/21. Die Beklage lege auch großen Wert auf einen respektvollen, wertschätzenden Umgang der Mitarbeiter untereinander, und zwar in sämtlichen Arbeitsbereichen. Derartige Entgleisungen würden daher nicht akzeptiert oder toleriert. Als städtischer Betrieb stehe die Beklagte im Fokus der Öffentlichkeit und sei daher um eine positive Außenwirkung bemüht. So hätten auch die Betriebsratsmitglieder, die gleichfalls aus dem gewerblichen Bereich kämen, die Übergabe der Pakete mit den Vibratoren keinesfalls lustig gefunden, sondern hätten sich empört an die Personalabteilung gewandt. Auch die Äußerung gegenüber Herrn C., die Sache werde ein „Nachspiel“ haben, lasse im Kontext des sehr aggressiven Auftretens des Klägers keinen Zweifel offen, dass dieser auch zu körperlicher Gewalt gegenüber Herrn C. bereit gewesen sei. Diesbezüglich habe das Arbeitsgericht auch zu Unrecht ungewürdigt gelassen, dass der Kläger das Auto von Herrn C. bespuckt habe. Jedenfalls sei ein außerordentlicher Kündigungsgrund durch die Übergabe der Pakete mit den Vibratoren an die Betriebsratsmitglieder gegeben. Darin liege eine schwerwiegende Beleidigung und auch eine sexuelle Belästigung der Betroffenen, die weite Kreise gezogen habe. Die Betriebsratsmitglieder seien sowohl innerhalb als auch außerhalb der Betriebsöffentlichkeit lächerlich gemacht worden. So habe ein Dritter gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden X. erklärt, der Kläger habe ihm gegenüber geäußert, der Betriebsrat habe von ihm ein tolles Geschenk erhalten, das er sich „in den Arsch stecken solle, damit er auch mal wieder etwas zu lachen habe“. Eine derart derbe und primitive Äußerung gegenüber Dritten könne keinen Zweifel offenlassen, dass der Kläger die Betriebsräte in ihrer Personenwürde habe beeinträchtigen wollen. Bedauerlicherweise sei der (inzwischen ehemalige) Betriebsratsvorsitzende nicht bereit, den Namen des Dritten preiszugeben. Nichtsdestotrotz wäre er als „Ohrenzeuge“ hinsichtlich der Äußerung des Dritten ihm gegenüber zu vernehmen gewesen. Zudem, so behauptet die Beklagte, habe der Kläger die Kollegen seiner Kolonne über die Paketübergabe informiert und damit für eine Verbreitung der Aktion in der Betriebsöffentlichkeit gesorgt. Die Aktion der Übergabe der Pakete mit den Vibratoren an die Betriebsräte sei von ihm mit den Worten „Ich habe hier ein Weihnachtsgeschenk für Euch, das habt Ihr Euch verdient“ begleitet worden. Schon der Umstand, dass der Kläger sich unmittelbar nach der Übergabe schnell wieder entfernt und auf den ihm nacheilenden Herrn L. nicht mehr reagiert habe, der ihm – noch in Unkenntnis des Paketinhalts – zugerufen habe, er solle die Pakete wieder mitnehmen, da der Betriebsrat keine Geschenke annehmen dürfe, zeige, dass es ihm nicht um einen lustig gemeinten Scherz gegangen sei. Denn dann hätte er ja die Reaktion der Beschenkten abgewartet. Die Betriebsratsmitglieder seien angewidert und verärgert gewesen, als sie am nächsten Morgen nach dem Anruf von Herrn X. eines der Pakete geöffnet und seinen Inhalt wahrgenommen hätten. Der Kontext sei klar: Der Kläger habe es den Betriebsratsmitgliedern – aus seiner Sicht – heimzahlen wollen. Er habe sie mit der Übergabe eines Sexspielzeugs beschämen, demütigen und lächerlich machen wollen. Der Kläger sei auch früher bereits wegen emotionalen, impulsiven Verhaltens auffällig geworden. Eine Entschuldigung seinerseits sei erstmals am 23.12.2022 gegenüber Herrn L. erfolgt, als er aber schon gewusst habe, dass die Vibratoren inzwischen bei der Personalabteilung gelegen hätten und die Sache Konsequenzen für ihn bzw. sein Arbeitsverhältnis haben würde. Schließlich sei die Kündigung auch wegen des Diebstahlsvorwurfs gerechtfertigt. Zu diesem sei der Betriebsrat ebenfalls und ordnungsgemäß angehört worden, wie sich aus dem Anhörungsschreiben ergebe. Die in oder neben der Mülltonne befindlichen Vibratoren seien nicht herrenlos gewesen. Vielmehr sei das Bereitstellen von Abfällen ein Angebot an den Müllentsorger zur Eigentumsübertragung. Diesem stehe mithin das Eigentum zu und dieses wiederum habe der Kläger verletzt, als er die Pakete mit den Vibratoren an sich genommen habe. Dass der Beklagten kein materieller Schaden entstanden sei, sei dabei nicht maßgeblich. Auch der Diebstahl geringwertiger Sachen könne die Kündigung begründen. Dem Kläger müsse auch bewusst gewesen sein, dass er nicht befugt gewesen sei, die Vibratoren an sich zu nehmen. Die durch die Beklagte zu entsorgenden Gegenstände befänden sich ohne jegliche Ausnahmegenehmigung in ihrem Eigentum und seien ausnahmslos zur Entsorgung bestimmt.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 13.03.2023 – Az.: 6 Ca 37/23 -abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Weiterhin bestreitet er eine Beleidigung oder Bedrohung des Herrn C. und auch, dass er dessen Auto bespuckt hätte. Die Angaben zu Letzterem entbehrten jeder Grundlage und stellten reine Mutmaßungen dar. Hinsichtlich dieser ihm gegenüber geäußerten Vorwürfe sei er im Personalgespräch am 22.12.2022 außer sich gewesen, das sei richtig. Er habe sich zu Unrecht beschuldigt gefühlt. Herr L. habe auf den Tisch gehauen, er habe dem Kläger nicht geglaubt. Er habe ihn auch aufgefordert, sitzen zu bleiben, als der Kläger angesichts der unterschiedlichen Sachverhaltsschilderungen von Herrn C. und ihm und da es ein Ergebnis dabei nicht gegeben habe, habe aufstehen und gehen wollen. Obwohl der Betriebsrat ihm erklärt habe, ihn unterstützen zu wollen, habe er dies aus der Sicht des Klägers nicht getan. Gleichwohl habe er die Betriebsratsmitglieder mit den nachfolgend überreichten Vibratoren-Paketen nicht sexuell belästigen und auch nicht beleidigen wollen, vielmehr habe es sich um einen – sicherlich schlechten, wie auch dem Kläger nun klar sei – Scherz gehandelt. Ebenso habe er auch noch nach dem Verlassen des Betriebsratsbüros ein Paket an einen Arbeitskollegen mit Vornamen O. (im Betrieb auch „O. der Q.“ genannt, der Nachname sei dem Kläger nicht bekannt) überreicht. Der Kläger habe sich sofort bei den Betriebsräten entschuldigt, als ihm klar geworden sei, dass seine Geschenke nicht als Scherz aufgefasst worden seien. Noch am 22.12.2022 habe er sich bei Herrn L. entschuldigt, als dieser ihn verärgert angerufen habe und ihn gefragt habe, was er mit diesem Geschenk anfangen solle. Der Kläger sei über diese Reaktion schockiert und überrascht gewesen und habe sich bereits am Telefon entschuldigt und erklärt, er habe Herrn L. nicht verärgern wollen. Herr L. habe dem Kläger dann Gelegenheit gegeben, die Geschenke bis zum Vormittag des Folgetages abzuholen. Das habe er getan. Als er gegen 10:30 Uhr in seiner Pause im Betriebsratsbüro vorstellig geworden sei, um die Geschenke abzuholen und sich nochmals zu entschuldigen, sei ihm aber mitgeteilt worden, dass sie bereits bei der Personalabteilung seien und es für die Abholung nunmehr zu spät sei. Auch bei dem Personalgespräch am 28.12.2023 habe er nochmals betont, dass er niemanden habe verärgern wollen und sich entschuldigt. Da der Kläger sich hier also sofort sehr einsichtig gezeigt habe, sei die Kündigung als Reaktion unverhältnismäßig. Der Kläger habe die Aktion auch nicht im Betrieb verbreitet oder unbeteiligten Dritten gegenüber publik gemacht. Das Protokoll vom 28.12.2023 habe er unterschrieben, ohne es vorher nochmal gelesen zu haben. Die Pakete mit den Vibratoren hätten sich zu keiner Zeit im Eigentum der Beklagten befunden, so dass auch der Kündigungsvorwurf eines Eigentumsdelikts unbegründet sei. Es seien herrenlose Gegenstände gewesen, die die Mannschaft mitgenommen habe. Jedenfalls habe er sie für herrenlos gehalten und daher zu keinem Zeitpunkt eine Entwendungsabsicht gehabt. Der Kläger habe auch nur vier der 10 Pakete behalten, nicht etwa alle. Mit Schriftsatz vom 16.10.2023 behauptet der Kläger, außer dem Betriebsrat hätten auch noch andere Mitarbeiter die Pakete als Geschenk erhalten, nämlich sein Bruder Y. und die Mitarbeiter J., HT. und Herr UW.. Mit ihnen habe der Kläger den gleichen Scherz gemacht, er sei ihnen freundschaftlich verbunden; sie hätten den Scherz auch als solchen aufgefasst. Schließlich sei dem Arbeitsgericht zuzustimmen, dass der dritte Kündigungsvorwurf dem Betriebsrat gegenüber nicht als Kündigungsgrund benannt worden sei.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze beider Parteien nebst Anlagen in erster und zweiter Instanz sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
Die Berufungskammer hat Beweis erhoben nach Maßgabe des Beweisbeschlusses vom 19.12.2023 durch Vernehmung der Zeugen L., U. und V.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 19.12.2023 verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist angesichts des Streits der Parteien über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Ausspruch der fristlosen und hilfsweise ordentlichen Kündigung vom 03.01.2023 statthaft gemäß § 64 Abs. 1, Abs. 2 lit. c) ArbGG. Ferner ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
II.
Die Berufung ist nicht begründet. Jedenfalls nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme – und wenn auch nicht in allen Teilen der Begründung, so doch im Ergebnis – ist auch aus Sicht der Berufungskammer dem Arbeitsgericht darin zu folgen, dass die streitgegenständliche Kündigung der Beklagten vom 03.01.2023 weder den Anforderungen des § 626 Abs. 1 BGB noch denen aus § 1 Abs. 2 KSchG genügt und das Arbeitsverhältnis des Klägers mithin nicht beendet hat. Dementsprechend ist auch die Verurteilung der Beklagten zur Weiterbeschäftigung des Klägers zu Recht erfolgt.
Im Einzelnen:
1. Die form- und fristgerecht im Sinne der §§ 13, 4, 7 KSchG erhobene Kündigungsschutzklage ist begründet. Die außerordentliche Kündigung genügt weder als Tat- noch als Verdachtskündigung den Wirksamkeitsanforderungen aus § 626 Abs. 1 BGB und die hilfsweise ordentliche Kündigung erweist sich ebenso als sozial nicht gerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG, dessen allgemeine Anwendungsvoraussetzungen hier vorliegen.
a. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, das heißt typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist, eine außerordentliche fristlose Kündigung zu rechtfertigen (1. Stufe). Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht (2. Stufe, vgl. BAG vom 13.12.2018 – 2 AZR 370/18, juris, Rz. 15; BAG vom 25.01.2018 – 2 AZR 382/17, juris, Rz. 26; BAG vom 14.12.2017 – 2 AZR 86/17, juris, Rz. 27; BAG vom 31.07.2014 – 2 AZR 407/13, juris, Rz. 25; BAG vom 08.05.2014 – 2 AZR 249/13, juris, Rz. 16; BAG vom 21.11.2013 – 2 AZR 797/11, juris, Rz. 15; BAG vom 21.06.2012 – 2 AZR 694/11, juris, Rz. 20; BAG vom 09.06.2011 – 2 AZR 323/10, juris, Rz. 14; BAG vom 10.10.2010 – 2 AZR 541/09, juris, Rz. 30).
Als wichtiger Grund nach § 626 Abs. 1 BGB – und damit zugleich auch als verhaltensbedingter Kündigungsgrund einer ordentlichen Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG – kann neben der Verletzung vertraglicher Hauptpflichten auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten „an sich“ geeignet sein (BAG vom 31.07.2014 – 2 AZR 407/13, juris, Rz. 26; BAG vom 08.05.2014 – 2 AZR 249/13, juris, Rz. 19; BAG vom 27.01.2011 – 2 AZR 825/09, juris, Rz. 29). Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Diese Regelung dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks. Der Arbeitnehmer hat seine Arbeitspflichten so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben verlangt werden kann (BAG vom 31.07.2014 – 2 AZR 407/13, juris, Rz. 26; BAG vom 08.05.2014 – 2 AZR 249/13, juris, Rz. 19).
Kommt gemessen daran ein wichtiger Grund „an sich“ in Betracht, ist Voraussetzung weiter, dass sich die Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls als verhältnismäßig erweist.
Die Interessenabwägung im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB hat bei Vorliegen einer Vertragspflichtverletzung unter anderem zum Gegenstand, ob dem Kündigenden eine mildere Reaktion als eine fristlose Kündigung und damit insbesondere eine Abmahnung, aber z.B. auch eine ordentliche Kündigung zumutbar war. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen regelmäßig eine Abmahnung voraus (BAG vom 20.05.2021 – 2 AZR 596/20, juris, Rz. 27 m.w.N.). Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach einer Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG vom 20.05.2021 – 2 AZR 596/20, juris, Rz. 27; BAG vom 27.02.2020 – 2 AZR 570/19, juris, Rz. 23; BAG vom 13.12.2018 – 2 AZR 370/18, juris, Rz. 30; BAG vom 29.06.2017 – 2 AZR 302/16, juris, Rz. 28). Liegt nur eine dieser Fallgruppen vor, kann Ergebnis der Interessenabwägung nicht sein, den Kündigenden auf eine Abmahnung als milderes Mittel zu verweisen (BAG vom 20.05.2021 – 2 AZR 596/20, juris, Rz. 27; BAG vom 27.02.2020 – 2 AZR 570/19, juris, Rz. 24).
Zur ersten Fallgruppe ist dann, wenn die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers beruht, grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann (BAG vom 20.05.2021 – 2 AZR 596/20, juris, Rz. 28; BAG vom 27.02.2020 – 2 AZR 570/19, juris, Rz. 23; BAG vom 13.12.2018 – 2 AZR 370/18, juris, Rz. 30; BAG vom 29.06.2017 – 2 AZR 302/16, juris, Rz. 28).
Die zweite Fallgruppe betrifft ausschließlich das Gewicht der in Rede stehenden Vertragspflichtverletzung, die für sich schon die Basis für eine weitere Zusammenarbeit irreparabel entfallen lässt. Dieses bemisst sich gerade unabhängig von einer Wiederholungsgefahr. Die Schwere einer Pflichtverletzung kann zwar nur anhand der sie beeinflussenden Umstände des Einzelfalls beurteilt werden, diese müssen aber die Pflichtwidrigkeit selbst oder die Umstände ihrer Begehung betreffen. Dazu gehören etwa ihre Art und ihr Ausmaß, ihre Folgen, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers sowie die Situation bzw. das „Klima“, in der bzw. in dem sie sich ereignete. Sonstige Umstände, die Gegenstand der weiteren Interessenabwägung sein können, wie etwa ein bislang unbelastetes Arbeitsverhältnis, haben bei der Prüfung der Schwere der Pflichtverletzung außer Betracht zu bleiben. Dies gilt umgekehrt ebenso für ein nachfolgendes wahrheitswidriges Bestreiten, das für sich genommen ebenfalls nichts über die Schwere der begangenen Pflichtverletzung besagt (BAG vom 20.05.2021 – 2 AZR 596/20, juris, Rz. 27).
Kommt man nach Maßgabe dieser Grundsätze zur Entbehrlichkeit des vorherigen Ausspruchs einer Abmahnung, ist noch weitergehend in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen (BAG vom 13.12.2018 – 2 AZR 370/18, juris, Rz. 28; BAG vom 14.12.2017 – 2 AZR 86/17, juris, Rz. 54; BAG vom 29.06.2017 – 2 AZR 302/16, juris, Rz. 26). Bei dieser Interessenabwägung ist insbesondere zu prüfen, ob das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung das Bestandsinteresse des Arbeitnehmers auch dahingehend überwiegt, dass ihm nicht einmal die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar war. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, nicht abschließend festlegen (vgl. aber die Aufstellung bei HWK/Sandmann, 10. Auflage, § 626 BGB Rn. 75 ff. m.w.N.). Zu berücksichtigen sind jedoch regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (BAG vom 13.12.2018 – 2 AZR 370/18, juris, Rz. 29). Ebenfalls zu berücksichtigen ist das Nachtatverhalten bis zum Ausspruch der Kündigung (vgl. BAG vom 24.11.2005 – 2 AZR 39/05, juris, Rz. 21, 23; LAG Berlin-Brandenburg vom 01.12.2011 – 2 Sa 2015/11, juris, Rz. 32; KR/Fischermeier/Krumbiegel, 13. Auflage, § 626 BGB Rn. 256). Entscheidend sind die objektiv feststellbaren Umstände zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung, weshalb nachträgliche Umstände wie insbesondere ein bestimmtes Prozessverhalten im Kündigungsschutzverfahren grundsätzlich keine die bereits ausgesprochene Kündigung – sozusagen nachträglich – rechtfertigende oder das Gewicht einer Pflichtverletzung verstärkende oder mindernde Bedeutung mehr haben können (BAG vom 10.06.2010 – 2 AZR 541/09, juris, Rz. 52 ff. m.w.N.).
Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Sie scheidet aus, wenn es ein „schonenderes“ Gestaltungsmittel – wozu außer der Abmahnung unter anderem eben auch die ordentliche Kündigung zählen kann – gibt, das ebenfalls geeignet ist, den mit einer außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck – nicht die Sanktion des pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses – zu erreichen (BAG vom 13.12.2018 – 2 AZR 370/18, juris, Rz. 29; BAG vom 23.08.2018 – 2 AZR 235/18, juris, Rz. 40; BAG vom 29.06.2017 – 2 AZR 302/16, juris, Rz. 27).
b. Gemessen hieran erweist sich die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 03.01.2023 nicht als wirksam. Sie hält mit keinem der drei vorgebrachten Kündigungsgründe und auch in der Gesamtbetrachtung den vorstehend dargelegten Anforderungen des § 626 Abs. 1 BGB Stand.
aa. Das gilt zunächst für den Kündigungsgrund der Beleidigung und Bedrohung des Arbeitskollegen C. durch den Kläger.
(1)Grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder seiner Vertreter und Repräsentanten oder von Arbeitskollegen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, stellen allerdings eine erhebliche Pflichtverletzung dar, die eine außerordentliche Kündigung an sich rechtfertigen kann (BAG vom 24.08.2023 – 2 AZR 17/23, juris, Rz. 27; BAG vom 05.12.2019 – 2 AZR 240/19, juris, Rz. 77). Dasselbe gilt für eine ernstliche Drohung des Arbeitnehmers mit Gefahren für Leib oder Leben von Vorgesetzten oder Arbeitskollegen, für die kein allgemeiner Rechtfertigungsgrund eingreift (BAG vom 28.02.2023 – 2 AZR 194/22, juris, Rz. 10; BAG vom 29.06.2017 – 2 AZR 47/16, juris, Rz. 23), und auch der Vollzug oder auch nur die ernstliche Drohung mit einer vorsätzlichen Sachbeschädigung von Eigentum des Arbeitgebers oder von Arbeitskollegen begründet an sich einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung, wobei hier auch der dringende Verdacht einer solchen Tat kündigungsrelevant sein kann (vgl. LAG Hamburg vom 23.10.2008 – 2 Sa 14/08, juris, Rz. 55).
(2)Zu den im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung des Klägers mit dem Arbeitskollegen C. von der Beklagten erhobenen Vorwürfen kann ihr Vorbringen dazu, dass der Kläger den Kollegen im Disput über das am Vortag erfolgte Falschparken am 21.12.2022 unprovoziert einen „Bastard“ genannt habe, als wahr unterstellt werden. In diesem Verhalten lag eine grobe Beleidigung des Herrn C. und damit ein an sich zur außerordentlichen Kündigung führender wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB. Insoweit vermag die Berufungskammer sich den nicht recht nachvollziehbaren Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Wortbedeutung und dem Kontext im sozialen Umfeld der Abfallentsorgung, das „erfahrungsgemäß von einem relativ groben Umgang der Arbeitnehmer geprägt“ sei, nicht anzuschließen. Erfahrungswerte zu einem relativ groben Umgang der Arbeitnehmer im Bereich der Abfallentsorgung allgemein und bei der Beklagten im Besonderen sind vom Arbeitsgericht nicht festgestellt worden und der Berufungskammer auch nicht bekannt. Die Bezeichnung eines Arbeitskollegen als „Bastard“ stellt auch keine Wortnutzung „mit beleidigendem Inhalt ohne inhaltliche Bedeutung“ dar, was auch immer darunter zu verstehen sein soll. Auch wenn dem eigentlichen Wortsinn der Bezeichnung eines unehelichen und damit sozial geächteten Kindes in einer aufgeklärten Gesellschaft heutzutage sicherlich keine besondere Bedeutung mehr zukommen dürfte, hat das Wort seine grob ehrverletzende Bedeutung entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht verloren. Mit dem Schimpfwort „Bastard“ wird auch heute noch von demjenigen, der dieses Wort verwendet – denn warum sonst sollte er es verwenden? – die Herabstufung des Angesprochenen als unterwertiger Mensch von illegitimer Abstammung zum Ausdruck gebracht. Die mit dem Wort verbundene Bewertung des anderen als Mensch von minderem Wert ist der heute immer noch mit der Bezeichnung „Bastard“ verbundene Kerngehalt der Äußerung und begründet eine gravierende Ehrverletzung (ebenso LAG Hamm vom 20.01.2022 – 18 Sa 645/21, juris, Rz. 50).
Im Ergebnis führt die Beleidigung des Arbeitskollegen C. gleichwohl nicht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Denn insoweit wäre der Ausspruch einer Abmahnung vorrangig gewesen. Das Arbeitsverhältnis des Klägers bestand zum Zeitpunkt der Kündigung bereits seit 6 1/3 Jahren unstreitig beanstandungslos. Der Kläger ist zuvor noch nie für irgendein Fehlverhalten abgemahnt worden und somit erst recht nicht für ein einschlägiges (was im Übrigen einen wesentlichen Unterschied zu dem der Entscheidung des LAG Hamm zugrundeliegenden Sachverhalt bedeutet, vgl. LAG Hamm vom 20.01.2022 – 18 Sa 645/21, juris, Rz. 3 ff., 52 f.). Die – hier zugunsten der Beklagten unterstellte – Pflichtverletzung beruhte auf steuerbarem Verhalten. Grundsätzlich ist daher davon auszugehen, dass das künftige Verhalten des Klägers schon durch die mit einer Abmahnung verbundene Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann (vgl. BAG vom 20.05.2021 – 2 AZR 596/20, juris, Rz. 28; BAG vom 27.02.2020 – 2 AZR 570/19, juris, Rz. 23; BAG vom 13.12.2018 – 2 AZR 370/18, juris, Rz. 30; BAG vom 29.06.2017 – 2 AZR 302/16, juris, Rz. 28). Der Kläger hat insbesondere bei dem Personalgespräch mit Herrn E. und den Betriebsratsmitgliedern am 22.12.2022 nicht etwa zum Ausdruck gebracht, dass er es für legitim hielte, den Kollegen C. oder überhaupt einen anderen Menschen als „Bastard“ zu bezeichnen. Er hat vielmehr bestritten, diese Äußerung überhaupt getätigt zu haben und behauptet, seinerseits in diskriminierender Weise beleidigt worden zu sein. Geht man also mit dem Vorbringen der Beklagten davon aus, dass gleichwohl der Kläger derjenige war, der den Kollegen unprovoziert beleidigte und nicht etwa umgekehrt, ist eine Uneinsichtigkeit hinsichtlich der Unzulässigkeit von Beleidigungen und damit eine fehlende Steuerbarkeit im Hinblick auf den hier geltend gemachten Kündigungsgrund bei ihm nicht festzustellen. Dass der Kläger es dann ggfs. mit der Wahrheit nicht so genau nimmt, ist in diesem Kontext kein von der Beklagten zur Begründung der Kündigung angeführter Kündigungsgrund.
Es liegt hier auch nicht der Ausnahmefall einer Pflichtverletzung vor, deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (vgl. zu dieser Fallgruppe ebenfalls BAG vom 20.05.2021 – 2 AZR 596/20, juris, Rz. 27 f.; BAG vom 27.02.2020 – 2 AZR 570/19, juris, Rz. 23; BAG vom 13.12.2018 – 2 AZR 370/18, juris, Rz. 30; BAG vom 29.06.2017 – 2 AZR 302/16, juris, Rz. 28). Denn zwar liegt mit der Beleidigung des Kollegen C. eine gravierende Pflichtverletzung vor. Jedoch handelt es sich um eine erstmalige Verfehlung des Klägers – die Beklagte trägt nichts anderes einlassungs- und überprüfungsfähig vor – und diese steht auch nach dem von der Beklagten vorgetragenen Sachverhalt im Kontext eines Disputs der beiden Arbeitnehmer über das Falschparken des Klägers am Vortag. Es handelte sich auch nach der Behauptung der Beklagten bei den Äußerungen des Klägers nicht um ein überlegtes und bewusst-planerisch provozierendes Verhalten. Vielmehr handelte es sich erkennbar um eine, sicherlich nicht akzeptable, aber aus einer verbalen Auseinandersetzung resultierende und verbal verbliebene, bislang einmalige Entgleisung des Klägers. Auf ein solches Versagen von Anstand und Manieren im Augenblick kann bei einem mehrjährig bestehenden und bislang unbelasteten Arbeitsverhältnis durchaus steuernd vorrangig reagiert werden. Es war keineswegs offensichtlich und daher auch dem Kläger sofort erkennbar, dass die erstmalige Hinnahme einer solchen Pflichtverletzung durch die Beklagte ausgeschlossen wäre. Hinnahme in diesem Kontext bedeutet ja nicht, dass das Fehlverhalten gänzlich konsequenzenlos bliebe, es bedeutet lediglich, dass es nicht zur sofortigen Beendigung und damit der massivsten Reaktion auf Fehlverhalten im Arbeitsverhältnis führen würde, sondern eben zu einer Abmahnung. Diese ist aus Sicht der Berufungskammer jedenfalls die einzig angemessene Reaktion auf dieses Fehlverhalten des Klägers.
(3)Gleiches gilt im Ergebnis für den Kündigungsvorwurf der Bedrohung des Kollegen C. am 21.12.2022 durch die Ankündigung, dies werde „ein Nachspiel“ haben. Insoweit ist zunächst zur Konkretisierung der Bedeutung „Nachspiel“ auf die schriftliche Stellungnahme des Herrn C. vom 29.12.2022 (Blatt 57 der erstinstanzlichen Akte) zurückzugreifen, auf die die Beklagte sich in ihrem Kündigungsvorwurf ja bezieht. Herr C. spricht nicht von „Nachspiel“, sondern von der Äußerung des Klägers „warte, das kriegst Du wieder“ in Verbindung mit einem aggressiven Gesichtsausdruck des Klägers.
Dass der Kläger Herrn C. in der einen oder anderen Weise ein „Nachspiel“ angekündigt hat, ist unstreitig. Der Kläger behauptet gemeint zu haben, dass er sich seinerseits wegen der von ihm behaupteten Diskriminierung durch Herrn C. hätte beschweren wollen. Herr C. sei ihm dann aber zuvorgekommen. Die Beklagte interpretiert die Ankündigung des „Nachspiels“ als Bedrohung und sieht sie im Kontext mit dem Spuckfleck auf dem Auto von Herrn C.. Die Äußerung „das kriegst Du wieder“ bzw. die eben damit gemeinte Ankündigung eines „Nachspiels“ ist selbst in Verbindung mit einem aggressiven Gesichtsausdruck, der mit vielen unfreundlich verlaufenden Disputen einhergehen dürfte, so offen gehalten, dass sie nicht von vornherein als Drohung mit körperlicher Gewalt gegen Person oder Sachen des Herrn C. interpretiert werden kann. Insoweit ist der schon von dem Arbeitsgericht vorgenommenen Auslegung beizutreten. Denkbar ist ebenso, dass der Kläger damit meinte, sich – selbst wenn es bei dieser Auseinandersetzung mit dem als wahr unterstellten Sachvortrag der Beklagten keine Beleidigung des Herrn C. ihm gegenüber gegeben haben sollte – bei der nächsten sich anderweitig bietenden Gelegenheit über Herrn C. zu beschweren. Dass die Ankündigung eines „Nachspiels“ im Sinne einer Gefährdung von Leib oder Leben des Herrn C. oder im Sinne der Ankündigung einer Sachbeschädigung zu verstehen wäre, erschließt sich nicht. Denn der Kläger ist unstreitig für derlei im Betrieb bislang in keiner Weise bekannt geworden. Ihm werden weder für die Vergangenheit noch im hiesigen Kündigungskontext körperliche Gewaltanwendungen zur Last gelegt. Auch ist nicht behauptet worden, der Kläger hätte irgendwann schon einmal mit körperlicher Gewalt auch nur gedroht. Warum also sollte seine Ankündigung eines „Nachspiels“ in der von Herrn C. geschilderten Weise nunmehr am 21.12.2022 so zu verstehen sein? Das erschließt sich der Kammer weder im Bereich der Tatkündigung noch wäre insoweit auch nur ein dringender Verdacht begründbar.
Eine insgesamt somit eher indifferente Ankündigung eines „Nachspiels“ wäre somit, wenn man ihr überhaupt den Charakter einer Pflichtverletzung als Verstoß gegen Rücksichtnahmepflichten zumessen wollte, allenfalls eine Pflichtverletzung von minderem Gewicht, auf die wegen der Steuerbarkeit des Verhaltens vorrangig mit dem Ausspruch einer Abmahnung zu reagieren wäre, erst recht, da sie ohnehin im unmittelbaren Kontext zur vorherigen Beleidigung erfolgte und damit ein und denselben Lebenssachverhalt betrifft, auf den dementsprechend einheitlich reagiert werden kann und sollte.
(4)Soweit dem Kläger das Anspucken des Pkw des Herrn C. zur Last gelegt wird, kann ein solches Fehlverhalten weder nachgewiesen werden, da unmittelbare Tatzeugen nicht benannt sind, noch begründet die Schlussfolgerung der Beklagten zur Tatbegehung durch den Kläger aufgrund des zuvor geführten Disputs mit Herrn C. einen hinreichenden Verdacht zur Rechtfertigung einer Verdachtskündigung.
Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn starke, auf objektive Tatsachen gründende Verdachtsmomente vorliegen, die geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Der Verdacht muss auf konkrete, vom Kündigenden darzulegende und ggf. zu beweisende Tatsachen gestützt sein. Er muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen nicht aus (BAG vom 02.03.2017 – 2 AZR 698/15, juris, Rz. 22; BAG vom 17.03.2016 – 2 AZR 110/15, juris, Rz. 39).
Im vorliegenden Fall gibt es einzig den – mit der Sachdarstellung der Beklagten erneut zu ihren Gunsten als wahr unterstellten – Spuckfleck an dem Pkw des Herrn C. und die vorangegangene verbale Auseinandersetzung mit dem Kläger über dessen unberechtigte Parkplatznutzung mit der indifferenten Ankündigung eines „Nachspiels“ durch den Kläger. Damit sind zwar gewisse Verdachtsmomente vorhanden, die auf eine Täterschaft des Klägers hindeuten könnten. Diese reichen jedoch selbst zur Begründung einer großen Wahrscheinlichkeit nicht aus. Letztlich bleibt die Tatbegehung des Anspuckens des Wagens eine reine Vermutung, die sich allein aus der vorherigen Auseinandersetzung ableitet. Das sind keine hinreichend starken Verdachtsmomente. Denn so wenig z.B. ein Mitarbeiter allein dadurch mit großer Wahrscheinlichkeit des Diebstahls verdächtig wird, dass er zuvor mal geäußert hat, finanzielle Probleme zu haben und dass er es nicht gerecht finde, dass sein Arbeitgeber so vermögend ist, kann der Kläger allein deshalb als mit großer Wahrscheinlichkeit verdächtig bzgl. des Spuckflecks auf dem Auto von Herrn C. gelten, weil er zuvor mit Bezug zum Falschparken – aber nicht einmal konkret in Bezug auf speziell das Auto von Herrn C. – einen Disput mit ihm hatte. Auch hier fehlen z.B. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger solcherlei Ausfälle schon früher einmal gezeigt hätte. Auch ist seine Ankündigung eines „Nachspiels“ wie schon zuvor aufgezeigt indifferent. Völlig ungeklärt ist zudem, ob und inwiefern der Spuckfleck, den Herr C. am Nachmittag des 21.12.2022 wahrgenommen hat, noch so frisch war, dass er auf die verbale Auseinandersetzung mit dem Kläger schon zeitlich zurückzuführen war oder ob er z.B. auch schon älter hätte sein können. All dies ist auch von der Beklagten, die dies aber kündigungsbegründend anführen möchte, nicht weiter aufgeklärt worden.
Schließlich läge im Anspucken des Autos des Herrn C. – wollte man entgegen der Würdigung der Berufungskammer einen hinreichenden Verdacht zur Täterschaft des Klägers bejahen – keine Sachbeschädigung, sondern – dann erneut – eine ehrverletzende Kundgabe der Missachtung. Das Verhalten stünde dann immer noch in einem sehr engen zeitlichen und räumlichen Kontext zur vorangegangenen Beleidigung und richtete sich nunmehr tätlich gegen einen Herrn C. gehörenden Gegenstand. Es begründete durchaus eine gleichfalls und erst Recht im Kontext erhebliche Pflichtverletzung, wäre aber gleichfalls steuerbar und in dem bislang unbelasteten Arbeitsverhältnis vorrangig mit einer Abmahnung zu beantworten. Diese bringt bereits hinreichend zum Ausdruck, dass die Beklagte derlei Fehlverhalten nicht toleriert und im Wiederholungsfall mit einer Kündigung beantworten wird. Damit ist dem Betriebsfrieden und auch dem notwendigen Schutz des Arbeitskollegen C. für die Zukunft hinreichend Genüge getan, denn dass der Kläger, der für solcherlei Ausfälle bislang überhaupt nicht bekannt war, sich nicht durch die Abmahnung würde leiten und zur Raison bringen lassen, steht nicht zu erwarten. Der Kläger ist unterhaltspflichtig für drei Personen. Die Berufungskammer hat sehr wohl den Eindruck gewonnen, dass er sich jedenfalls durch die Reaktion der Beklagten nunmehr klar darüber geworden ist, was es für ihn und die ihm Schutzbefohlenen bedeutet, den Arbeitsplatz und damit die wirtschaftliche Existenzgrundlage zu verlieren. Diese Einsichtsfähigkeit hätte er zur Überzeugung der Kammer im Falle einer – wie gesagt: erstmaligen – Abmahnung sicherlich auch bereits gehabt.
bb. Die Kündigung kann von der Beklagten nicht erfolgreich auf den Vorwurf eines Diebstahls durch das Ansichnehmen der Vibratoren – gleichgültig, ob der Kläger nun alle, vier oder wie man nach dem Schriftsatz vom 16.10.2023 annehmen muss, jedenfalls wohl mindestens acht dieser Pakete an sich genommen hat – gestützt werden. Es mangelt bereits an einer Pflichtverletzung und selbst wenn man eine solche annähme, läge sie nicht in einer Straftat begründet, so dass auch dieses Fehlverhalten zuvor hätte abgemahnt werden können und müssen. Ob die Beklagte, wie das Arbeitsgericht meint, schon mangels hinreichender Betriebsratsanhörung gehindert ist, diesen Kündigungsgrund im Verfahren zur Begründung der Kündigung anzuführen, kann dahingestellt bleiben.
(1)Zwar begründen sowohl der nachgewiesene Diebstahl von Eigentum des Arbeitgebers als auch der dringende Verdacht einer solchen Tat an sich eine außerordentliche Kündigung.
Begeht nämlich ein Arbeitnehmer bei oder im Zusammenhang mit seiner Arbeit rechtswidrige und vorsätzliche – ggfs. strafbare – Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen seines Arbeitgebers, verletzt er in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen. Ein solches Verhalten kann einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darstellen. Dies gilt auch dann, wenn die rechtswidrige Handlung Gegenstände von geringem Wert betrifft oder zu einem nur geringfügigen, möglicherweise zu gar keinem Schaden geführt hat (BAG vom 31.07.2014 – 2 AZR 407/13, juris, Rz. 27; BAG vom 16.12.2010 – 2 AZR 485/08, juris, Rz. 18; BAG vom 10.06.2010 – 2 AZR 541/09, juris, Rz. 26). Maßgebend ist der mit der Pflichtverletzung verbundene Vertrauensbruch (BAG vom 31.07.2014 – 2 AZR 407/13, juris, Rz. 27; BAG vom 21.06.2012 – 2 AZR 153/11, juris, Rz. 17).
Verhaltensbedingte Gründe bilden aber nur dann einen wichtigen Grund, wenn der Gekündigte nicht nur objektiv, sondern auch rechtswidrig und schuldhaft, dh. vorwerfbar seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt hat (vgl. BAG vom 15.09.2011 – 8 AZR 846/09, juris, Rz. 45; BAG vom 14.02.1996 – 2 AZR 274/95, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 26). Spricht der Arbeitgeber eine Tatkündigung wegen eines vorsätzlichen Verhaltens des Arbeitnehmers aus, muss er Umstände vortragen und beweisen, die neben dem objektiven Tatbestand der Pflichtverletzung auch den Vorsatzvorwurf begründen können. Bei der Verdachtskündigung müssen hinreichende Tatsachen zur Begründung einer großen Wahrscheinlichkeit vorsätzlichen Handelns des Arbeitnehmers dargelegt und im Bestreitensfalle nachgewiesen werden (vgl. BAG vom 15.09.2011 – 8 AZR 846/09, juris, Rz. 45).
(2)Sowohl für den strafrechtlichen Vorwurf eines Diebstahls als auch für die arbeitsrechtliche Bewertung einer schwerwiegenden Pflichtverletzung ist somit Voraussetzung, dass die in einer Mülltonne abgelegten oder neben einer solchen abgestellten 10 Pakete mit Vibratoren, die unstreitig vom bisherigen Eigner zur Müllentsorgung bereit- bzw. abgestellt waren, für den Kläger bei der Ansichnahme nicht nur objektiv fremde Sachen waren, sondern er insoweit auch vorsätzlich handelte, ihm die Fremdheit also bewusst war.
Die Rechtsfrage, ob beim zur Müllentsorgung bereitgestellten Müll bzw. einzelnen Bestandteilen desselben ein Fall der Dereliktion nach § 959 BGB vorliegt, so dass die Sachen herrenlos werden und eine Aneignung nach § 958 BGB in Betracht kommt, wird in Rechtsprechung und Literatur sehr kontrovers behandelt (vgl. zum Streitstand allein Staudinger/Heinze, BGB, Neubearb. 2020, § 959 Rn. 3 f. mit umfangreichen Nachweisen zum Streitstand). Während noch das Reichsgericht auf dem Standpunkt stand, dass Gegenstände, die zur Müllentsorgung in einen entsprechenden Behälter entsorgt bzw. zur Entsorgung bereitgestellt werden, wegen Eigentums- und Besitzaufgabe herrenlos sind (RG vom 03.02.1914 – II 823/13, RGSt. 48, 121, 123 f.; ebenso auch in neuerer Zeit noch LG Bonn vom 25.06.2002 – 18 O 184/01, juris, Rz. 37 bei Sperrmüll und MüKoBGB/Oechsler, 9. Auflage, § 958 Rn. 5, § 959 Rn. 4 zu Hausmüll), wird in der jüngeren Rechtsprechung und Literatur teilweise stärker nach den Umständen des Einzelfalls differenziert (vgl. z.B. OLG Hamm vom 10.02.2011 – III-3 RVs 103/10, juris, Rz. 13 f. zur für den Fall abgelehnten Dereliktion, dass jemand eine EC-Karte zur Entsorgung in den in den Geschäftsräumen einer Bank befindlichen Abfallbehälter verbringt). Auch der Bundesgerichtshof hat jedenfalls für den Fall der Altpapierentsorgung, aber ohne abschließende Klärung erkennen lassen, dass er der Auffassung zuneigt, dass der Endverbraucher durch das Bereitstellen des Altpapiers zur Abholung sein Eigentum hieran nicht gemäß § 959 BGB aufgeben möchte, sondern dass das Abstellen zur Entsorgung als Übereignungsangebot an den, den es angeht zwecks ordnungsgemäßer Entsorgung aufgefasst werden könnte (BGH vom 16.10.2015 – V ZR 240/14, juris, Rz. 12, 25). Auch der BGH betont dabei, dass allgemeingültige Aussagen nicht möglich seien, entscheidend zur Bestimmung eines Erklärungsinhalts des Verhaltens des Endverbrauchers vielmehr die Umstände des Einzelfalls seien (BGH vom 16.10.2015 – V ZR 240/14, juris, Rz. 12). Nimmt man wiederum ein Übereignungsangebot an den, den es angeht an, müsste dieses auch durch den Betreffenden angenommen werden, woran es aus Sicht des BGH aber fehlt, wenn der das Müllgut abholende Erklärungsempfänger keinen Fremderwerbswillen, sondern allein den Willen zum unmittelbaren Eigenerwerb hat (BGH vom 16.10.2015 – V ZR 240/14, juris, Rz. 17). Ob dies gleichermaßen auch bei Arbeitnehmern gelten kann, die besitzrechtlich Besitzdiener nach § 855 BGB sind, ist damit nicht entschieden worden. Die Besitzdienereigenschaft führt aber nicht zur Eigentumsbegründung beim Arbeitgeber durch Annahme eines entsprechenden Angebots des Endverbrauchers, wenn der den Müll an sich nehmende Mitarbeiter ihn erkennbar nicht zur Entsorgung, sondern zur eigenen Verwendung an sich nimmt. Geschädigt würde dann aber nicht das Eigentum des Arbeitgebers, sondern allenfalls das des bisherigen Eigentümers und Endverbrauchers. Arbeitgeberseitig geschädigt werden könnte ggfs. das Ansehen des Entsorgungsunternehmens, seine Reputation – vorausgesetzt, der Endverbraucher hätte im vorliegenden Kontext ein Problem mit der Ansichnahme statt Entsorgung der 10 originalverpackten, also ungenutzten Vibratoren. Diese Frage kann im Übrigen auch durchaus eine Rolle spielen bei der Würdigung, ob dem Abstellen der 10 Pakete mit originalverpackten Vibratoren oder aber dem Verbringen in die Mülltonne im konkreten Fall ein Wille zur Eigentumsaufgabe zu entnehmen ist oder nicht (vgl. insoweit auch MüKoBGB/Oechsler, 9. Auflage, § 959 Rn. 4). Diese Fragen sind allesamt schon vom Sachverhalt her ungeklärt, die Beklagte hat nicht ermittelt und trägt daher auch nichts Näheres dazu vor, mit welcher erkennbaren Intention die Pakete in den Hausmüll bzw. neben die Mülltonne zur Entsorgung verbracht worden sein könnten. Damit lässt sich aber auch nicht klären, ob von der betreffenden Person allein die Übereignung an das Müllentsorgungsunternehmen beabsichtigt war oder ob es ihr gleichgültig war, wer die immerhin originalverpackten, ungenutzten Sexspielzeuge, die keinerlei Bezug zur Person des vorherigen Besitzers oder Eigentümers enthielten oder herstellen ließen, zu welchem Zweck an sich nehmen würde.
Wenn aber schon die objektive Sach- und Rechtslage zu den Eigentumsverhältnissen bei zur Entsorgung bereitgestelltem Müll generell und im Speziellen bei den 10 Paketen mit den Vibratoren im vorliegenden Fall unklar ist, kann selbst dann, wenn man sich auf den Standpunkt stellte, es habe ein Eigentumserwerb der Beklagten in ihrer Eigenschaft als Entsorgungsunternehmen stattgefunden, jedenfalls kein Vorsatz des Klägers angenommen werden, er hätte seinen Arbeitgeber hier bestehlen wollen. Denn dass die Pakete nicht herrenlos und mithin für ihn fremd waren, noch dazu, dass sie zum Eigentum des Arbeitgebers gehörten, war dem Kläger unwiderlegt nicht bewusst. Dafür spricht im Übrigen neben der schwierigen Rechtslage und der ungeklärten Sachlage auch die Art der Verwendung durch den Kläger. Dieser hat ja nicht etwa ein Geheimnis aus seiner „Quelle“, also der Herkunft der Pakete gemacht, war sich also offenkundig keiner Verfehlung bewusst. Betroffen ist hier auch nicht etwa nur ein Verbotsirrtum, sondern von vornherein das Bewusstsein, eine fremde, eben nicht wie vom Kläger angenommen herrenlose Sache an sich genommen zu haben.
Dieses Bewusstsein ist offenbar auch nicht etwa durch eine entsprechende Arbeitsanweisung, idealerweise dann natürlich auch textlich festgehalten, durch die Beklagte geschaffen oder gefördert worden. Sie trägt nicht vor, dass es irgendwann eine ausdrückliche Anweisung gegeben hätte, die das Ansichnehmen von Müllgut durch die Mitarbeiter schlicht untersagt. Angesichts der unklaren Rechtslage zu den Eigentumsverhältnissen bei zur Entsorgung bereitgestelltem Müll und angesichts der Tatsache, dass ja auch die Beklagte keinesfalls ein Interesse an irgendeiner anderen Verwendung oder Verwertung als zum Zwecke der Entsorgung hat, so dass ein Vermögensverlust bei ihr nicht eintritt, wenn Müllbestandteile durch Mitarbeiter an sich genommen werden, wäre eine entsprechend klare Arbeitsanweisung aber sicherlich sinnvoll gewesen. Ein Verstoß gegen eine solche müsste nicht gleich ein Eigentumsdelikt begründen, stellte dann aber einen Pflichtverstoß – eben gegen die Anweisung – dar, der auch kündigungsrechtlich Bedeutung erlangen kann.
Auf der Grundlage des hier gegebenen Sachverhalts kann eine solche kündigungsrechtlich relevante Pflichtverletzung mangels Vorsatzes des Klägers hingegen nicht festgestellt werden. Nicht einmal ein entsprechender Verdacht ist begründet.
(3)Selbst wenn man einen Pflichtverstoß begründet sähe, fehlte es an jeglichem Schädigungsvorsatz des Klägers, so dass auch in diesem Fall mangels feststellbaren besonderen Schweregrades bei aber vorhandener Steuerbarkeit und bislang gänzlich unbelastetem Arbeitsverhältnis jedenfalls der Ausspruch einer Abmahnung vorrangig gewesen wäre.
cc. Als deutlich schwergewichtigerer Kündigungsgrund der Beklagten verbleibt aus Sicht der Berufungskammer die gravierende Ehrverletzung der Betriebsratsmitglieder durch das in jeder Hinsicht unverschämte „Weihnachtsgeschenk“ des Klägers, nämlich die Übergabe der 3 Pakete mit Vibratoren. Darin liegt ein schwerwiegender Pflichtverstoß, nämlich sowohl eine sexuelle Belästigung der betroffenen Betriebsräte als auch eine gravierende Ehrverletzung und mithin Beleidigung, die an sich zur außerordentlichen Kündigung berechtigte. Allein aufgrund der in der Gesamtschau nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme festzustellenden Einzelfallumstände gelangt die Berufungskammer hier im Rahmen der Interessenabwägung noch zu dem Ergebnis, dass das Verhalten gleichwohl keine Kündigung rechtfertigt.
(1)Im Hinblick auf die grundsätzliche Kündigungsrelevanz der Beleidigung von Arbeitskollegen, zu denen die Betriebsratsmitglieder zählen, kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden.
In der Übergabe der drei Pakete mit Vibratoren am 22.12.2022 liegt die Kundgabe einer Missachtung der Betriebsräte. Gleichgültig, ob der Kläger – was die Beklagte wieder nur vermuten, aber nicht beweisen kann – nun gegenüber Dritten wie der Herrn X. informierenden, anonymen Person geäußert hat, der Erklärungswert dieses Geschenks liege darin, dass sich die Betriebsräte jene Geräte „in den Arsch stecken sollten, damit sie auch mal wieder etwas zu lachen haben“, liegt der objektive und offenkundig auch vom Kläger so gemeinte Erklärungsinhalt durchaus darin, die Betriebsratsmitglieder als Personen darzustellen, die eine solche künstlich stimulierende Belustigung nötig haben. Darin liegt die Kundgabe einer Geringschätzung, die auf eine Ehrverletzung gerichtet ist, und mithin eine Beleidigung. Keineswegs war es so, dass – wie die Klägervertreterin mit ihrer schriftsätzlichen Aussage, Vibratoren sollten „Freude schenken“ suggeriert – es dem Kläger hier um Wertschätzung und ein ehrlich gemeintes, Freude schaffendes „Geschenk“ ging. Allein schon der zeitliche Kontext zu dem vorherigen, für den Kläger wenig erfreulich verlaufenen Personalgespräch, in dem er sich durch die Betriebsräte nicht gebührend vertreten fühlte, sowie der Umstand, dass der Kläger auch nach eigenem Bekunden bislang noch nie dem Betriebsrat ein Geschenk gemacht hat – gleichgültig, ob dieser es überhaupt hätte annehmen dürfen – zeigen, dass hier natürlich kein freundlich oder gar freundschaftlich gemeintes Geschenk zu bzw. kurz vor Weihnachten bezweckt war, sondern eine Retourkutsche wegen der aus Sicht des Klägers ungenügenden vorherigen Vertretung im Personalgespräch.
Hinzu kommt, dass hier mit dieser Art von Geschenk eine sexuelle Belästigung der Betriebsratsmitglieder einherging.
Auch eine sexuelle Belästigung im Sinne von § 3 Abs. 4 AGG ist gemäß § 7 Abs. 3 AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten, die „an sich“ als wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB geeignet ist (BAG vom vom 20.05.2021 – 2 AZR 596/20, juris, Rz. 24; BAG vom 29.06.2017 – 2 AZR 302/16, juris, Rz. 15; BAG vom 20.11.2014 – 2 AZR 651/13, juris, Rz. 15). Sie liegt vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch sexuell bestimmte Bemerkungen sexuellen Inhalts gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird. Im Unterschied zu § 3 Abs. 3 AGG können auch einmalige sexuell bestimmte Verhaltensweisen den Tatbestand einer sexuellen Belästigung erfüllen (BAG vom vom 20.05.2021 – 2 AZR 596/20, juris, Rz. 24; BAG vom 29.06.2017 – 2 AZR 302/16, juris, Rz. 17). Schutzgut der §§ 7 Abs. 3, 3 Abs. 4 AGG ist die sexuelle Selbstbestimmung als Konkretisierung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG (BAG vom vom 20.05.2021 – 2 AZR 596/20, juris, Rz. 24; BAG vom 29.06.2017 – 2 AZR 302/16, juris, Rz. 18). Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung wird als das Recht verstanden, selbst darüber zu entscheiden, unter den gegebenen Umständen von einem oder mehreren anderen in ein sexualbezogenes Geschehen involviert zu werden (Köhler/Koops, BB 2015, 2807, 2808).
Ein sexualbezogener Übergriff liegt auch dann vor, wenn das Verhalten das Geschlechtliche im Menschen zum unmittelbaren Gegenstand hat (BAG vom vom 20.05.2021 – 2 AZR 596/20, juris, Rz. 24). Bei anderen Handlungen, für die dies nicht ohne Weiteres zutrifft, kann sich eine Sexualbezogenheit aufgrund der mit ihnen verfolgten sexuellen Absicht ergeben (BAG vom vom 20.05.2021 – 2 AZR 596/20, juris, Rz. 24; BAG vom 29.06.2017 – 2 AZR 302/16, juris, Rz. 18). Eine solche kann auch darin bestehen, den Betroffenen unter Verletzung seines Rechts auf Selbstbestimmung sexualbezogen zu beschämen. Geht es dagegen um ein Verhalten, das das Geschlechtliche im Menschen unmittelbar zum Gegenstand hat, genügt für das „Bewirken“ im Sinne von § 3 Abs. 4 AGG der bloße Eintritt der Belästigung. Gegenteilige Absichten oder Vorstellungen der für dieses Ergebnis aufgrund ihres Verhaltens objektiv verantwortlichen Person spielen keine Rolle (BAG vom vom 20.05.2021 – 2 AZR 596/20, juris, Rz. 24; BAG vom 29.06.2017 – 2 AZR 302/16, juris, Rz. 20; BAG vom 09.06.2011 – 2 AZR 323/10, juris, Rz. 19). Das Tatbestandsmerkmal der Unerwünschtheit verlangt nicht, dass der Betroffene seine ablehnende Einstellung zu den fraglichen Verhaltensweisen aktiv verdeutlicht hat. Maßgeblich ist allein, ob die Unerwünschtheit der Verhaltensweise objektiv erkennbar war (BAG vom vom 20.05.2021 – 2 AZR 596/20, juris, Rz. 24; BAG vom 29.06.2017 – 2 AZR 302/16, juris, Rz. 21; BAG vom 09.06.2011 – 2 AZR 323/10, juris, Rz. 19).
Im vorliegenden Fall liegt mit der Übergabe von Paketen mit Vibratoren an die Betriebsratsmitglieder ein unmittelbar sexualbezogenes Verhalten vor, das bezweckte, die Empfänger sexualbezogen zu beschämen und in der Betriebsöffentlichkeit lächerlich zu machen. Damit verbunden war der vorstehend bereits wiedergegebene sexualbezogene und eine Ehrverletzung bezweckende Erklärungsinhalt. Die Unerwünschtheit war objektiv zudem klar erkennbar. Es ging dem Kläger um die Überbringung einer Nachricht mit seinen „Geschenken“, nämlich die der Geringschätzung der Betriebsräte, denen er ein sexuell nicht hinreichend befriedigtes Leben unterstellte, weshalb sie diese „Geschenke“ benötigten. Der Charakter der Retourkutsche steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zudem fest, da alle drei als Zeugen vernommenen Betriebsratsmitglieder übereinstimmend bekundet haben, der Kläger habe die Pakete nicht nur einfach als „Geschenk“ überreicht, sondern verbunden mit den Worten „Das habt Ihr Euch verdient.“ Als „Verdienst“ konnte ja nur die kurz zuvor erfolgte Begleitung des Klägers im Personalgespräch gemeint gewesen sein, mit der der Kläger nach seiner eigenen Einlassung in der mündlichen Verhandlung vom 29.08.2023 aber keineswegs zufrieden war. In dieser mündlichen Verhandlung stellte der Kläger auch erstmals diese Aussage („Das habt Ihr Euch verdient“) streitig, die zuvor noch erstinstanzlich Bestandteil des unstreitigen Vorbringens beider Parteien gewesen ist. Diese wie auch weitere Einlassungen des Klägers lassen auf eine geringe Wahrheitsliebe oder ein schlechtes Gedächtnis schließen; beides ist in diesem Zusammenhang aber nicht Kündigungsgrund der Beklagten, die auch keinen Auflösungsantrag gestellt hat. Das Bestreiten des Klägers ist allerdings widerlegt durch die Bekundungen der Betriebsräte L., U. und V.. Deren Aussagen sind glaubhaft und Bedenken gegen ihre Glaubwürdigkeit sind nicht ansatzweise ersichtlich. Im Gegenteil haben diese Zeugen sehr gut nachvollziehbar und in sich stringent und widerspruchsfrei den Sachverhalt aus ihrer Erinnerung wiedergegeben. Sie haben auch keinerlei Belastungstendenz gegenüber dem Kläger erkennen lassen, im Gegenteil hat der Zeuge L. für den Kläger nicht unentscheidend günstig dessen Entschuldigung noch am 22.12.2022 bestätigt, was bei einer Belastungstendenz sicherlich nicht der Fall gewesen wäre.
Ob es der Kläger war, der den Umstand seines Geschenks und den Inhalt im Betrieb sodann verbreitet hat, kann vermutet werden und wird hier zugunsten der Beklagten als wahr unterstellt. Naheliegend ist es schon deshalb, weil der Kläger den Zweck der sexualbezogenen Bloßstellung der Betriebsräte verfolgt hat – welchen anderen Zweck hätten diese „Geschenke“ auch haben sollen? – und dazu die Verbreitung im Betrieb eine wesentliche zusätzliche Voraussetzung war. Außerdem kam, da nach auch insoweit übereinstimmender Bekundung aller vernommenen Zeugen vor dem Aufkommen der Gerüchte keines der Pakete, die von außen jedoch keinerlei Rückschluss auf ihren Inhalt zuließen, geöffnet worden war, allein der Kläger als derjenige in Betracht, der von seinem „Geschenk“ erzählt und damit die Gerüchte erst in Umlauf gebracht hat. Nicht zuletzt das hat er im Übrigen durch seine Unterschrift unter das Protokoll vom 28.12.2022 auch bestätigt. Seine Einlassung, den Text nicht gelesen und die dort niedergelegte Erklärung nicht getätigt zu haben, ist vor dem Hintergrund des zuvor Ausgeführten nicht glaubhaft.
Dass der Kläger noch weitergehend auch betriebsextern von seinem „Geschenk“ erzählt und jenem ominösen Dritten, der Herrn X. angerufen haben soll, gesagt hat, dass sich die Betriebsräte die Geräte „in den Arsch stecken sollten, damit sie auch mal wieder etwas zu lachen haben“, kann nicht festgestellt werden, denn die Beklagte hat Herrn X. lediglich als Zeugen dafür benannt, dass er entsprechendes von der Person, deren Namen er aber nicht nennen wolle, gehört habe. Das wiederum kann die Berufungskammer zugunsten der Beklagten als wahr unterstellen und beweist gleichwohl nicht, dass, wann und wie der Kläger selbst diese Aussage wem gegenüber getroffen hätte. Beweis erheben kann die Kammer hierzu aber nur auf Grundlage eines entsprechenden Vortrags der beweisbelasteten Beklagten und nicht in Ausforschung des Sachverhalts von Amts wegen. Entscheidende Unterschiede ergeben sich aber nicht, denn der objektive, sexuell belästigende Erklärungswert der Übergabe der Vibratoren an die Betriebsratsmitglieder ist mit dieser dem Kläger unterstellten verbalen Äußerung nahezu identisch, wie zuvor bereits aufgezeigt.
Wie ebenfalls alle drei Zeugen gut nachvollziehbar und glaubhaft bekundet haben, hat das „Geschenk“, als ein Paket dann geöffnet worden war, ihre erhebliche Verärgerung ausgelöst. Das musste dem Kläger ebenso klar und mithin in seinen Plan aufgenommen worden sein wie der Umstand, dass diese Pakete früher oder später eben geöffnet und ihr sexualbezogener Inhalt offenbar würde. Das war der Zweck des mithin vorsätzlichen Handelns des Klägers.
(2)Gleichwohl gelangt die Berufungskammer ebenfalls auf der Grundlage des Ergebnisses der Beweisaufnahme zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall aufgrund den Kläger entlastender Umstände noch nicht alles Vertrauen in eine ordnungsgemäße Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die Zukunft zerstört und das Arbeitsverhältnis daher – wenn auch sicherlich nicht abmahnungsfrei – fortzusetzen ist.
Im Rahmen der Gesamtwürdigung ergibt sich den Kläger deutlich belastend hier eine vorsätzliche Beleidigung der Betriebsratsmitglieder und zugleich deren sexuelle Belästigung durch die Übergabe der Pakete mit den Vibratoren. Dass der sexuellen Belästigung sicherlich nicht entgegensteht, dass alle Betroffenen Männer waren, sei nur am Rande erwähnt und dürfte nach den vorstehend gemachten Ausführungen wirklich offensichtlich sein. Denn es kommt nicht auf den üblichen Adressatenkreis eines Sexspielzeugs wie dem hier in Rede stehenden an, sondern auf den mit der Übergabe bezweckten, sexualbezogenen Erklärungs(un)wert. Dem Kläger kann auch nicht wie noch bei der – hier unterstellten – Beleidigung des Kollegen C. ein Augenblicksversagen im Rahmen eines Disputs zugute gehalten werden. Zwischen dem Personalgespräch und der Überreichung der Pakete im Betriebsratsbüro am 22.12.2022 lag unstreitig mehr als eine Stunde Zeit. Das Handeln des Klägers folgte mithin unstreitig keiner klugen, aber einer überlegten Vorgehensweise. Verwerflich ist darüber hinaus, dass eine sexuelle Belästigung und Beleidigung, die schon gegenüber Arbeitskollegen generell eine erhebliche Pflichtverletzung begründet, sich hier gegen Betriebsratsmitglieder richtete, die einfach nur ihre gesetzliche Aufgabe wahrgenommen hatten. Dabei müssen sie eben nicht immer einer Meinung mit dem Kläger sein, verwahren sich aber völlig zu Recht gegen derlei respektloses Nachtreten, wie der Kläger es hier praktiziert hat. Sein Verhalten war damit geeignet, den Betriebsfrieden erheblich zu beeinträchtigen und dem Ansehen sowohl des Betriebsrats als Organ der Betriebsverfassung als auch dem Betrieb als solchem zu schaden. Eine Rechtfertigung für das Verhalten des Klägers gibt es zudem in keiner Weise.
Zugunsten des Klägers bleibt auch hier – denn es liegen mit der Auseinandersetzung mit Herrn C. und dem hier nun vorliegenden Vorfall der Beleidigung und sexuellen Belästigung der Betriebsräte Sachverhalte vor, die eng zeitlich und sachlich miteinander verknüpft sind und denen keine Abmahnung zwischengeschaltet war – zu berücksichtigen, dass das Arbeitsverhältnis zwar noch nicht jahrzehntelang, aber doch 6 1/3 Jahre lang beanstandungsfrei und ohne jede Abmahnung bestanden hat. Dass der Kläger zuvor als Heißsporn aufgefallen wäre, ist einzig, aber ohne irgendeine Substanz und zudem ohne konkreten Beweisantritt zu irgendwelchen Vorfällen und mithin unbeachtlich einmal in der mündlichen Verhandlung vom 29.08.2023 von der Personalleiterin behauptet und direkt klägerseitig bestritten worden. Obwohl nachfolgend Gelegenheit zur weiteren Stellungnahme bestanden hat, ist diese Pauschalbehauptung zu keiner Zeit weiterverfolgt und einlassungsfähig sowie überprüfbar konkretisiert worden.
Zugunsten des Klägers kann somit durchaus noch von einer Steuerbarkeit ausgegangen werden. Obgleich die Pflichtverletzungen hier schon gravierend sind, liegt ein Versagen in einem eng miteinander verknüpften Lebenssachverhalt vor. Dass auch nach Abmahnung zu erwarten wäre, dass der Kläger sich erneut in solcher Weise daneben benimmt, kann aufgrund des bisherigen Verhaltens im Arbeitsverhältnis nicht angenommen werden.
Hinzu kommt durchaus entscheidend und diese Prognose positiv unterstützend, dass sich der Kläger nicht etwa – wie die Beklagte es ihm vorhält – erst bei den Betriebsräten entschuldigt hat, als bereits arbeitsrechtliche Konsequenzen in Gestalt der Kündigung konkret absehbar waren, sondern noch am 22.12.2022 im Telefonat mit Herrn L. und damit noch deutlich bevor das erste Paket überhaupt geöffnet und an die Personalabteilung weitergereicht worden war. Das hat die Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen L. gleichfalls zur Überzeugung der Berufungskammer ergeben, wäre jedenfalls aber mit seiner Aussage von der beweispflichtigen Beklagten nicht widerlegt worden. Herr L. hat ausdrücklich bekundet und damit die gleichlautende Behauptung des Klägers bestätigt, dass der Kläger sich noch am Abend des 22.12.2022, also dem Tag der Übergabe der Pakete, bei ihm telefonisch für sein Handeln entschuldigt habe. Zu diesem Zeitpunkt sei aufgrund der „Gerüchteküche“ auch dem Zeugen trotz noch nicht erfolgter Öffnung der Pakete klar gewesen, dass sich wohl Sexspielzeuge in den Paketen befanden. Darüber hinaus habe der Kläger sich telefonisch nochmal am Folgetag entschuldigt – da sei die Sache aber schon bei der Personalabteilung gewesen – und nochmals am 28.12.2022, bevor man in das dann folgende Personalgespräch gegangen sei. Auch der Zeuge U. hat bekundet, dass der Kläger sich am Abend des 23.12.2022 telefonisch bei ihm entschuldigt habe. Das war zwar bereits nach Weitergabe der Pakete an die Personalabteilung, aber ebenfalls noch deutlich vor einer für den Kläger konkret erkennbaren kündigungsrechtlichen Konsequenz der Personalabteilung. Der Zeuge V. hat zwar keine Entschuldigung bestätigt, aber auch bekundet, nach dem 23.12.2022 mittags keinen Kontakt mehr mit dem Kläger gehabt zu haben. Zur Überzeugung der Berufungskammer steht damit fest, dass der Kläger sich sehr schnell bereits darüber klar geworden ist, dass er eine riesige Dummheit begangen hat. Er hat sich bei Herrn L. noch am 22.12.2022 entschuldigt, was man als ehrliche und noch nicht durch unmittelbar befürchtete kündigungsrechtliche Konsequenzen in ihrer Wirkung abgeschwächte Reue berücksichtigen muss.
Daran zeigt sich auch, dass es sich bei dem Kläger nicht um jemand handelt, der keine Einsichtsfähigkeit besäße. Hinzu kommt, dass alle drei unmittelbar betroffenen Betriebsratsmitglieder übereinstimmend bekundet haben, zwar verärgert über diese „Geschenke“ gewesen zu sein – und dies zu Recht -, sich aber nicht etwa sexuell belästigt gefühlt zu haben. Das führt nicht dazu, dass keine sexuelle Belästigung vorläge, wohl aber dazu, dass deren Gewicht im Rahmen der Interessenabwägung deutlich schwächer ausfällt. Es bleibt mithin vor allem eine Beleidigung an sich. Auch diese wirkt noch schwer, die Auswirkungen wurden durch die sehr schnelle Entschuldigung aber ebenfalls noch in Grenzen gehalten. Auch wenn die Aktion als solche in die Betriebsöffentlichkeit und teilweise auch extern zur Kenntnis gelangte und der Kläger sicherlich zumindest für Ersteres unmittelbar Verantwortung trägt, waren die Auswirkungen auf den Betriebsfrieden durchaus noch überschaubar. Ein Schaden im Übrigen, insbesondere in materieller Hinsicht ist weder der Beklagten noch den anderen Beteiligten entstanden. Ordnung und Disziplin im Betrieb wiederherzustellen dürfte mit der erfolgten Entschuldigung des Klägers und einer Abmahnung ebenso effektiv möglich sein, so dass es hierzu keiner Kündigung als ultima ratio bedurfte. Abschließend gilt auch im Kontext des vorliegenden Verfahrens der Grundsatz, dass es keine absoluten Kündigungsgründe gibt (BAG vom 19.04.2012 – 2 AZR 186/11, juris, Rz. 28; BAG vom 10.06.2010 – 2 AZR 541/09, juris, Rz. 16). Vielmehr sind wie bereits vorstehend ausgeführt immer alle Umstände des Einzelfalls zu würdigen im Hinblick auf die Frage, ob das dem Arbeitnehmer vorgeworfene Verhalten zur (außerordentlichen) Beendigung – auch ohne vorangegangene Abmahnung – ausreicht. Aus den dargelegten Gründen ist das hier noch nicht der Fall, wobei der Kläger gewarnt sein mag: Kommt es in Zukunft erneut zu derlei oder ähnlich beleidigendem und/oder sonst ausfälligem Verhalten gegenüber Dritten, wäre die hier noch aus den genannten Gründen gefolgerte Prognose einer positiven Steuerbarkeit sicherlich nicht mehr aufrechtzuerhalten. Dann folgt der hier befürworteten „gelben“ die sprichwörtliche „rote Karte“.
dd. So wenig die einzelnen Kündigungsgründe aus den vorstehend genannten Gründen die Kündigung zu rechtfertigen vermögen, so wenig ist dies in einer Gesamtschau des Gesamtverhaltens am 21./22./23.12.2022 der Fall. Der sachliche und zeitliche Bezug der Kündigungsgründe ist ohnehin so eng, dass die vorstehenden Ausführungen zur Interessenabwägung und Abmahnfähigkeit des Verhaltens schon aufeinander Bezug genommen haben und miteinander verknüpft waren. Auch in der Gesamtschau ist dem Kläger vorzuhalten, in dem besagten engen zeitlichen Rahmen vor Weihnachten 2022 seine Emotionen nicht mehr im Griff gehabt und die Grundlagen respektvollen Umgangs miteinander schwerwiegend außer Acht gelassen zu haben. Da jedoch den miteinander in Verbindung stehenden Verhaltensweisen keine – wie gesehen erforderliche – Abmahnung zwischengeschaltet war, kann auch die Gesamtwürdigung noch nicht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen. Das weitere Fehlverhalten des Klägers gegenüber dem Betriebsrat ist zwar von erheblichem Gewicht, konnte in seinen Auswirkungen auf Betriebsfrieden und -disziplin und -ordnung jedoch noch eingefangen werden. Die frühzeitigen Entschuldigungen des Klägers beweisen seine Steuerbarkeit und Einsichtsfähigkeit jedenfalls bei dem letztgenannten Vorfall deutlich. Er ist weder charakterlich als Heißsporn bekannt noch bislang durch – insbesondere abgemahntes – Fehlverhalten aufgefallen. Es kann somit durchaus erwartet werden, dass dem Kläger als Familienvater mit einer Abmahnung hinreichend vor Augen geführt sein wird, was er alles aufs Spiel setzt, wenn er sich noch einmal in einer solchen Weise daneben benimmt, wie es kurz vor Weihnachten 2022 geschehen ist.
Ebenso gilt all dies unter Berücksichtigung auch noch des Kündigungsgrundes des Diebstahls, der schon dem Grunde nach aus den dargelegten Gründen nicht begründet ist. Nähme man trotz nicht dargelegter Arbeitsanweisungen der Beklagten an, der Kläger hätte wissen müssen, dass er die Pakete mit den Vibratoren nicht hätte annehmen dürfen, liegt wie ebenfalls aufgezeigt und auch in der Gesamtschau ein derart geringfügiges Vergehen vor, dass diesbezüglich auf jeden Fall eine Abmahnung vorrangig wäre. Insoweit wäre es Sache der Beklagten, zuerst für klare Verhältnisse durch entsprechende Arbeitsanweisungen in einem rechtlich ansonsten nämlich durchaus schwierigen Umfeld zu sorgen.
c. Die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung führt ebenfalls nicht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Sie erweist sich aus den genannten Gründen, die die Beendigung generell und nicht nur bezogen auf die fristlose im Vergleich zur fristgerechten Kündigung zum Gegenstand haben und für unverhältnismäßig erklären, soweit nicht teilweise (Vorwurf des Diebstahls) von vornherein schon kein Pflichtverstoß begründbar ist, als sozial ungerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG.
2. Der allgemeine Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers ist angesichts des erneuten Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag nach den Grundsätzen der Entscheidung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG vom 27.02.1985 – GS 1/84, AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) begründet. Der Beschäftigung des Klägers trotz Obsiegens in zwei gerichtlichen Instanzen entgegenstehende und überwiegende schutzwerte Interessen der Beklagten sind nicht ersichtlich und auch nicht dargelegt worden.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 525, 97 Abs. 1 ZPO. Danach hat die Beklagte die Kosten des von ihr ohne Erfolg betriebenen Rechtsmittelverfahrens zu tragen.
IV.
Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 1 ArbGG. Ein Zulassungsgrund nach § 72 Abs. 2 ArbGG liegt nicht vor, insbesondere betrifft die Entscheidung weder entscheidungsrelevante Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG noch liegt eine Divergenz im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG vor. Es handelt sich vielmehr um eine kündigungsrechtliche Einzelfallentscheidung auf der Basis der anerkannten Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung.