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Fristlose Kündigung wegen geschäftsschädigender Äußerungen

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 5 Sa 353/20 – Urteil vom 24.09.2021

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein – Auswärtige Kammern Landau – vom 8. Oktober 2020, Az. 5 Ca 601/19, abgeändert und

1. festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 12. August 2019 aufgelöst worden ist,

2. die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Leiter Technik weiterzubeschäftigen,

3. die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten vorrangig über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung.

Die Beklagte ist ein Unternehmen der Papierindustrie, sie stellt in ihrem Produktionsbetrieb in A-Stadt Kartonagen her. Sie beschäftigt ca. 350 Arbeitnehmer; es besteht ein Betriebsrat. Der 1963 geborene Kläger (verheiratet, zwei Kinder) ist seit April 2004 bei der Beklagten als Leiter Technik zu einer Bruttomonatsvergütung von zuletzt rund € 17.000,00 beschäftigt. Im schriftlichen Arbeitsvertrag haben die Parteien eine Kündigungsfrist von zwölf Monaten zum Monatsende vereinbart. Im November 2004 wurde der Kläger nach § 64 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) zum Gewässerschutzbeauftragten bestellt. Von dieser Aufgabe wurde er am 29. Juli 2019 von der Beklagten abberufen. Ebenfalls am 29. Juli 2019 stellte die Beklagte den Kläger – aus streitigen Gründen – widerruflich von seinen Dienstpflichten frei. Am 2. August 2019 sollte mit dem Personalleiter über einen Aufhebungsvertrag gesprochen werden.

Am Vormittag des 31. Juli 2019 führte der Kläger ein Telefongespräch mit dem Zeugen E., dem Leiter des technischen Vertriebs im Geschäftsbereich „Paper“ (für Deutschland, Schweiz, Benelux) der Firma V. SE, die ua. Maschinen für die Papierindustrie herstellt. V. SE ist ein wichtiger Geschäftspartner der Beklagten. E. sandte im Anschluss an das Telefongespräch mit dem Kläger am 31. Juli 2019, um 9:30 Uhr, eine E-Mail an mehrere Verantwortliche der Firma V. mit folgendem Wortlaut:

 „Hallo zusammen,

A. rief heute Morgen bei mir an und teilte mit, dass er von seinem Job als technischer Leiter in N. freigestellt worden ist. Er darf jetzt 2 Jahre bei vollem Gehalt zu Hause bleiben.

J. L., Leitung Technologie N., ist nach P. W-Stadt gewechselt wegen der schlechten Situation in N..

In N. herrscht Panik. Neuer Rekordverlust im Juli, d.h. alle 7 Produktionsmonate tief rot. Die Familie ist auch nur noch kurzfristig bereit, eigenes Geld in die Fabrik zu stecken. Kurzarbeit wird kommen.

I-GF S. scheint auch angezählt zu sein, da er keine Ergebnisverbesserung bewirkt hat.

S. versucht nun mittels Personalabbau in der Technik und Verlagerung der techn. Arbeiten in die Produktion noch das Ruder herumzureißen.

Wir sollten N. bezüglich seinem Rating im Auge behalten.

Viele Grüße“

Von dieser E-Mail erlangte die Beklagte am 1. August 2019 Kenntnis. Mit Schreiben vom 9. August 2019 hörte sie den Betriebsrat vorsorglich gem. § 102 BetrVG zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Klägers an. Dieser teilte ihr mit Schreiben vom 12. August 2019 mit, der Kläger sei aus seiner Sicht leitender Angestellter nach § 5 Abs. 3 BetrVG, so dass er keine Stellungnahme abgegeben werde.

Mit Schreiben vom 12. August 2019 kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos zum 13. August 2019. Gegen diese Kündigung wendet sich der Kläger mit seiner am 27. August 2019 eingegangenen Kündigungsschutzklage. Er räumt ein, am 31. Juli 2019 E. angerufen zu habe. Er bestreitet, dass er sich in dem Telefongespräch geschäftsschädigend über die Beklagte geäußert habe.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 12. August 2019 nicht zum 13. August 2019 beendet wurde,

2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger über den 13. August 2019 hinaus zu den bisherigen Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen,

3. die Beklagte zu verurteilen, ihm ein wohlwollendes qualifiziertes Zwischenzeugnis mit der Leistungs- und Verhaltensbeurteilung „sehr gut“ zu erteilen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 8. Oktober 2020 Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der unstreitig erfolgte Telefonanruf des Klägers bei dem Vertriebsmitarbeiter E. der Firma V. vom 31. Juli 2019 sei an sich geeignet, einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Der nachwirkende Sonderkündigungsschutz des Klägers als (abberufener) Gewässerschutzbeauftragter gem. § 66 WHG iVm. § 58 Abs. 2 BImSchG stehe der Wirksamkeit der Kündigung nicht entgegen, weil ein fristloser Kündigungsgrund vorliege. Die Kammer sei – ohne Beweisaufnahme – der Überzeugung, dass sich der Kläger im Telefongespräch gegenüber E. im Wesentlichen mit dem Inhalt geäußert habe, den dieser in seiner E-Mail formuliert habe. Der Kläger habe zwar bestritten, dass er gegenüber E. geäußert habe, bei der Beklagten herrsche Panik, neue Rekordverluste stünden an, der Geschäftsführer S. sei angezählt, dieser versuche durch Personalabbau das Ruder herumzureißen. Es sei jedoch unstreitig, dass er E. mitgeteilt habe, dass er von seinem Job als technischer Leiter der Beklagten freigestellt worden sei und jetzt zwei Jahre bei vollem Gehalt zu Hause bleiben dürfe. Schon diese Darstellung sei geeignet, die Beklagte in einem schlechten Licht erscheinen zu lassen. Der Kläger hätte damit rechnen müssen, dass bereits diese Information bei E. und im Weiteren auch bei der Firma V. erhebliche Spekulationen und Unruhe auslösen würde. Der Kläger habe auch nicht bestritten, gegenüber E. geäußert zu haben, dass J. L. „wegen der schlechten Situation“ zu einem Wettbewerber gewechselt sei. Zudem sei unstreitig geblieben, dass er gegenüber E. behauptet habe, die Familie sei auch nur noch kurzfristig bereit, eigenes Geld in die Fabrik zu stecken, „Kurzarbeit wird kommen“. Da der Kläger in seiner herausgehobenen Position als technischer Leiter in besonderem Maße zur Rücksichtnahme (vgl. § 241 Abs. 2 BGB) verpflichtet sei, hätte er alles vermeiden müssen, was geeignet sei, die Vermögensinteressen der Beklagten (und sei es auch nur fahrlässig) zu beschädigen. Die Kammer sei unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung gemäß § 286 Abs.1 ZPO davon überzeugt, dass der Kläger jedenfalls die nicht ausdrücklich bestrittenen von E. in der E-Mail vom 31. Juli 2019 wiedergegebenen Behauptungen aufgestellt habe. Diese Überzeugung stütze sich auch darauf, dass „der Kläger auf die Nachfrage des Gerichts hinsichtlich des genauen Ablaufs und Inhalts des Telefongesprächs nur ausweichend geantwortet“ habe. Zudem sei kein Grund erkennbar, warum E. eine E-Mail mit einem derartig alarmierenden Inhalt an die Verantwortlichen der Firma V. hätte senden sollen, wenn er nicht durch die Äußerungen des Klägers in dem Telefongespräch hierzu erst veranlasst worden wäre. Es sei offenkundig, dass E. die Darstellung habe wiedergegeben wollen, die er unmittelbar zuvor vom Kläger erhalten habe. Es könne dahinstehen, ob der Firma V. – wie der Kläger eingewendet habe – die Verlustsituation der Beklagten aufgrund der Veröffentlichung der Geschäftsabschlüsse in den vorangegangenen Jahren bereits bekannt gewesen sei. Im Gegenteil: Wenn die angespannte wirtschaftliche Situation der Beklagten bereits bekannt gewesen sein sollte, hätte der Kläger damit rechnen müssen, dass die in der E-Mail wiedergegebene Darstellung geeignet sei, in besonderem Maße Reaktionen auszulösen, die zu einer nachhaltigen Beschädigung oder Zerstörung der Geschäftsbeziehungen der Beklagten mit der Firma V. führen könnte. Insgesamt habe der Kläger mit seinen Äußerungen gegenüber E. in dem Telefongespräch vom 31. Juli 2020 in einer schon als mutwillig zu bezeichnenden Art und Weise die Vermögensinteressen der Beklagten massiv beschädigt. Dabei sei ihm durch seine Freistellung von der Beklagten signalisiert worden, dass über die Frage der Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch „fair“ verhandelt werden sollte. In dieser Situation führe auch die umfassende Interessenabwägung dazu, dass der Beklagten die Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zuzumuten sei. Der Kläger habe mit seinen Äußerungen „die Axt“ an den Bestand des Unternehmens der Beklagten und damit auch an den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses gelegt. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils vom 8. Oktober 2020 Bezug genommen.

Der Kläger hat gegen das am 5. November 2020 zugestellte Urteil mit einem am 24. November 2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 5. Februar 2021 verlängerten Begründungsfrist mit einem am 5. Februar 2021 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Er macht nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes, auf den ergänzend Bezug genommen wird, geltend, das Arbeitsgericht habe Teile des Inhalts der E-Mail von E. als unstreitig von ihm geäußerte Inhalte des Telefonats angenommen, obwohl er diese Aussagen auch bestritten habe. Hätte das Arbeitsgericht E. als Zeugen vernommen, so hätte dieser bestätigt, dass die vom Arbeitsgericht als unstreitig angenommenen, wesentlich das Urteil tragenden Aussagen nicht von ihm stammten. Dann hätte das Arbeitsgericht diese Aussagen nicht ihm zur Last legen können und wäre zu dem Ergebnis gekommen, dass die Kündigung unwirksam sei. Allein auf die Aussage, er sei freigestellt und bekomme nun noch zwei Jahre Gehalt, hätte das Arbeitsgericht sein Ergebnis, er habe in einer schon als mutwillig zu bezeichnenden Art und Weise die Vermögensinteressen der Beklagten massiv beschädigt, nicht stützen können. Insbesondere das geradezu dramatisch formulierte Ergebnis, er habe „die Axt“ an den Bestand des Unternehmens gelegt, sei in keiner Weise gerechtfertigt. Er ergänze und erweitere (nach einem Anwaltswechsel) seinen Vortrag in Bezug auf die Frage, was er am 31. Juli 2019 zu E. gesagt habe. Er bestreite, dass er E. wörtlich oder sinngemäß gesagt habe: „J. L., Leitung Technologie N., ist nach P. W-Stadt gewechselt wegen der schlechten Situation in N.. In N. herrscht Panik. Neuer Rekordverlust im Juli, d.h. alle 7 Produktionsmonate tief rot. Die Familie ist auch nur noch kurzfristig bereit, eigenes Geld in die Firma zu stecken. Kurzarbeit wird kommen. Interims-GF S. scheint auch angezählt zu sein, da er keine Ergebnisverbesserung bewirkt hat. S. versucht nun mittels Personalabbau in der Technik und Verlagerung der technischen Arbeiten in der Produktion noch das Ruder herumzureißen“. Am 29. Juli 2019 sei ihm mitgeteilt worden, dass er ab diesem Tag widerruflich freigestellt und als Gewässerschutzbeauftragte abberufen werde. Die Beklagte habe die Maßnahme trotz Nachfrage nicht begründet. Sein Vorschlag, ihm noch einige Tage Zeit zu geben, um noch offene Arbeiten geordnet an Kollegen übergeben zu können, sei abgelehnt worden. Man habe sich darauf geeinigt, dass er die Arbeiten an seinen unmittelbaren Mitarbeiter H. übergeben solle. Dies sei auch geschehen. Er habe noch am 29. Juli 2019 zu diversen Lieferanten Kontakt aufgenommen und diesen per E-Mail oder telefonisch mitgeteilt, dass er ab heute nicht mehr für die Beklagte tätig sei und an wen sie sich wenden sollten. Manche Ansprechpartner habe er nicht erreicht. Am 31. Juli 2019 habe er E. von zu Hause aus angerufen, denn er habe alles so geordnet wie möglich hinterlassen wollen. Er habe E. mitgeteilt, dass für die anstehende Überprüfung einer bestimmten Anlage nunmehr H. sein Ansprechpartner sei; er sei seit Montag freigestellt. E. sei überrascht gewesen und habe ihn nach dem Grund gefragt. Er habe ihm geantwortet, dass man ihm den Grund nicht genannt habe. Da er sich nichts habe zuschulden kommen lassen, könne es nicht an ihm liegen. Er meine, dass er seinen Sonderkündigungsschutz für ein Jahr und seine Kündigungsfrist von einem weiteren Jahr erwähnt habe. Er habe dann mit E. besprochen, dass es im bevorstehenden üblichen Sommerloch bei der Beklagten voraussichtlich, wie fast jedes Jahr, „marktbedingte Stillstände“ geben werde, bei denen Korrosionsuntersuchungen oder Sanierungsmaßnahmen durchgeführt werden könnten. E. habe ihn dann von sich aus auf einen Sachverhalt angesprochen, der sich im Herbst 2018 im Technikum der Firma V. abgespielt habe. Damals hätten L. und eine andere Person über ihn (den Kläger) gelästert. E. habe gefragt, ob seine Freistellung damit zusammenhängen könnte. Er habe geantwortet, einen Zusammenhang sehe er nicht, zumal L. die Beklagte verlassen habe und nun bei P. W-Stadt arbeite. E. habe gesagt, er wundere sich, dass L. gegangen sei, wo ihm doch sein großes Umbauprojekt genehmigt worden sei. Er habe geantwortet, er nicht wisse, weshalb L. diesen Schritt unternommen habe. Dann habe er E. darauf angesprochen, was es bezüglich der E-Mail zur Vorkasse auf sich habe. E. habe ihm erklärt, dass die Algorithmen in SAP auf der Basis des Ratings und der Außenstände automatisch die Vorkasse gewählt hätten, dass man aber dann intern die geschäftspolitische Entscheidung getroffen habe, dies zurückzunehmen.

Der Kläger beantragt zweitinstanzlich,das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein – Auswärtige Kammern Landau – vom 8. Oktober 2020, Az. 5 Ca 601/19, abzuändern und

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 12. August 2019 zum 13. August 2019 beendet wurde,

2. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits als Leiter Technik weiterzubeschäftigen,

3. die Beklagte zu verurteilen, ihm ein wohlwollendes qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 8. April 2021, auf deren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird, unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags. Das Auswechseln des erstinstanzlichen Sachvortrags sei verfahrensrechtlich unzulässig. Der Kläger habe sich in erster Instanz nicht substantiiert dazu erklärt, ob er gegenüber E. die Äußerungen getätigt habe, die dieser in seiner anschließenden E-Mail an mehrere Verantwortliche der Firma V. zusammengefasst habe. Der Kläger habe in der Kammerverhandlung vor dem Arbeitsgericht herumlaviert und eine konkrete Stellungnahme vermieden. Das Arbeitsgericht habe in aller Deutlichkeit begründet, weshalb es E. nicht als Zeugen vernommen habe. Soweit der Kläger zweitinstanzlich versuche, neuen Sachvortrag zu bringen, sei er hiermit nach § 67 Abs. 2 ArbGG ausgeschlossen. Vorsorglich bestreite sie das neue Vorbringen des Klägers. Das Vorbringen sei offensichtlich unzutreffend und zum Teil auch unschlüssig. Hinsichtlich der geschäftsschädigenden Äußerung, bei ihr „herrscht Panik. Neuer Rekordverlust im Juli, d.h. alle 7 Produktionsmonate tief rot“, werde vom Kläger nun eingewandt, dass am 31. Juli 2019 das Monatsergebnis für Juli noch nicht ermittelt gewesen sei. Dieser Einlassung vertrage sich nicht mit der an anderer Stelle aufgestellten Schutzbehauptung, wonach die Firma V. von anderen -nicht benannten- Mitarbeitern über die angeblich schlechte wirtschaftliche Entwicklung erfahren habe. Wenn es dem Kläger als Leiter Technik angeblich nicht möglich gewesen sei, die wirtschaftlichen Kennziffern über die Entwicklung festzustellen, wie sollen dann andere Mitarbeiter hierzu in der Lage gewesen sein, die der Kläger als Informanten der Firma V. bezichtige. Der wahre Sachverhalt bestehe darin, dass der Kläger aufgrund seiner Stellung im Betrieb, die Zahlen der aktuellen Umsatzentwicklung aus dem Controlling habe abrufen können. Soweit der Kläger bestreite mit dem Zeugen E. über Kurzarbeit gesprochen zu haben, sondern stattdessen über „marktbedingte Stillstände“, so betreibe er reine Begriffsspielerei. Das Argument der Berufung, dass sich der Zeuge E. in seiner E-Mail vom 31. Juli 2019 nicht der direkten Rede bedient habe, was für die Wiedergabe fremder Aussagen ansonsten üblich sei, verfange nicht. Bei unbefangenem Lesen der E-Mail, die der Zeuge E. in unmittelbarem Anschluss an den Anruf des Klägers an die Verantwortlichen der Firma V. zirkuliert habe, sei in einer jeden Zweifel ausschließlichen Deutlichkeit zu ersehen, dass von ihm hierin die Angaben zusammengefasst worden seien, welche ihm der Kläger bei seinem Anruf übermittelt habe. Der Zeuge habe in dieser E-Mail durchgängig nicht die indirekte Rede gewählt. Die Versuche des Klägers, den Wahrheitsgehalt der E-Mail des Zeugen E. durch sprachwissenschaftliche Einwände in Zweifel zu ziehen, müsse deshalb scheitern.

Die Berufungskammer hat Beweis erhoben über den Inhalt des Telefongesprächs zwischen dem Kläger und dem Zeugen E. vom 31. Juli 2019 durch Zeugenvernehmung. Wegen des Inhalts der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 24. September 2021 Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie genügt den gesetzlichen Begründungsanforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO und erweist sich auch sonst als zulässig.

II.

Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 12. August 2019 nicht aufgelöst. Ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB liegt nicht vor. Eine Umdeutung (§ 140 BGB) der unwirksamen außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung kommt nicht in Betracht, weil der Kläger nach § 66 WHG iVm. § 58 Abs. 2 Satz 2 BImSchG innerhalb eines Jahres nach der Abberufung als Gewässerschutzbeauftragter, die am 29. Juli 2019 erfolgte, nachwirkenden Sonderkündigungsschutz hatte. Aufgrund des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag ist die Beklagte verpflichtet, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens tatsächlich als Leiter Technik weiterzubeschäftigen. Ferner hat der Kläger Anspruch auf die Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses. Das erstinstanzliche Urteil ist daher abzuändern und der Klage stattzugeben.

1. Für die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 12. August 2019 bestand nach dem Ergebnis der zweitinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme kein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB. Die Beklagte hat nicht zu beweisen vermocht, dass sich der Kläger gegenüber dem Zeugen E. in einem Telefongespräch am 31. Juli 2019 geschäftsschädigend geäußert hat.

a) Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht (vgl. BAG 23.08.2018 – 2 AZR 235/18 – Rn. 12 mwN).

b) Als wichtiger Grund kann neben der Verletzung vertraglicher Hauptpflichten auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten „an sich“ geeignet sein, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Zu diesen Nebenpflichten zählt insbesondere die Pflicht der Arbeitsvertragsparteien zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des jeweils anderen Teils (§ 241 Abs. 2 BGB). Danach hat der Arbeitnehmer seine Arbeitspflichten so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben verlangt werden kann (vgl. BAG 31.07.2014 – 2 AZR 505/13 – Rn. 40 mwN). Eine in diesem Sinne erhebliche Pflichtverletzung liegt regelmäßig vor, wenn der Arbeitnehmer über seinen Arbeitgeber, seine Vorgesetzten oder Kollegen bewusst wahrheitswidrige Tatsachenbehauptungen aufstellt, insbesondere wenn sie den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllen. Auch eine bewusste und gewollte Geschäftsschädigung, die geeignet ist, bei Geschäftspartnern des Arbeitgebers Misstrauen in dessen Zuverlässigkeit hervorzurufen, kann einen wichtigen Grund zur Kündigung bilden. Das gilt auch dann, wenn es sich um einen einmaligen Vorgang handelt (vgl. BAG 18.12.2014 – 2 AZR 163/14 – Rn. 35 mwN; 31.07.2014 – 2 AZR 505/13 – Rn. 41 mwN).

c) Im Kündigungsschutzprozess obliegt dem kündigenden Arbeitgeber die volle Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Kündigungsgrundes. Zwar kann den Arbeitnehmer schon auf der Tatbestandsebene des wichtigen Grundes eine sekundäre Darlegungslast treffen. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber als primär darlegungsbelastete Partei außerhalb des fraglichen Geschehensablaufs steht, während der Arbeitnehmer aufgrund seiner Sachnähe die wesentlichen Tatsachen kennt. In einer solchen Situation kann der Arbeitnehmer gehalten sein, dem Arbeitgeber durch nähere Angaben weiteren Sachvortrag zu ermöglichen. Kommt er in einer solchen Prozesslage seiner sekundären Darlegungslast nicht nach, gilt das tatsächliche Vorbringen des Arbeitgebers – soweit es nicht völlig „aus der Luft gegriffen“ ist – iSv. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden. Dabei dürfen an die sekundäre Behauptungslast des Arbeitnehmers keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Sie dient lediglich dazu, es dem kündigenden Arbeitgeber als primär darlegungs- und beweispflichtiger Partei zu ermöglichen, weitere Nachforschungen anzustellen und sodann substanziiert zum Kündigungsgrund vorzutragen und ggf. Beweis anzutreten (vgl. BAG 17.03.2016 – 2 AZR 110/15 – Rn. 32 mwN).

d) Nach diesen Grundsätzen durfte das Arbeitsgericht – ohne Durchführung einer Beweisaufnahme – nicht annehmen, dass sich der Kläger in dem Telefongespräch mit dem Zeugen E. „im Wesentlichen mit dem Inhalt geäußert“ hat, wie dies der Zeuge in seiner E-Mail vom 31. Juli 2019 an einen ausgewählten Personenkreis der Firma V. formuliert hat. Verfasser der E-Mail vom 31. Juli 2019 war der Zeuge, nicht der Kläger. Das Arbeitsgericht ist bei seiner Überzeugungsbildung von einer Sachverhaltsunterstellung ausgegangen, die nicht durch ausreichende tatsächliche Feststellungen getragen wird. Dass der Kläger in dem Telefongespräch vom 31. Juli 2019 „in seiner gesamten Ausrichtung“ eine angespannte finanzielle Situation der Beklagten geschildert und dadurch deren Vermögensinteressen massiv beschädigt sowie „die Axt“ an den Bestand des Unternehmens gelegt hat, bewegt sich im Bereich der Mutmaßung. Das Arbeitsgericht hat die Anforderungen an das vom Kläger zu leistende Vorbringen überspannt. Der Kläger hat mit seiner Darstellung – bereits in erster Instanz – den Ablauf des Telefongesprächs mit dem Zeugen E. so hinreichend beschrieben, dass es der Beklagten möglich war, nach eigener Sachverhaltsaufklärung, beispielsweise durch Befragung des Zeugen E., eigenen konkreten Tatsachenvortrag zum Inhalt des Telefongesprächs zu leisten. Ihr blieb es unbenommen, sich zum Beweis einer kündigungsrelevanten Pflichtverletzung auf die Aussage des Zeugen E. zu berufen, obwohl sie nur vermutet hat, dass der Text der E-Mail vom 31. Juli 2019 mit den Äußerungen des Klägers übereinstimmt. Es stellt keinen unzulässigen Ausforschungsbeweis dar, wenn eine Partei eine Tatsache unter Beweis stellt, die sie zwar nicht unmittelbar weiß und auch gar nicht wissen kann, aber aufgrund anderer, ihr bekannter Tatsachen vermuten darf (vgl. BAG 18.09.2008 – 2 AZR 1039/06 – Rn. 33 mwN). Das Arbeitsgericht hätte daher dem Beweisantrag der Beklagten auf Vernehmung des – auch gegenbeweislich benannten – Zeugen E. nachgehen müssen.

e) Nach dem Ergebnis der zweitinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme ist es der primär darlegungspflichtigen und beweisbelasteten Beklagten nicht gelungen zu beweisen, dass sich der Kläger in dem Telefongespräch vom 31. Juli 2019 gegenüber dem Zeugen E. geschäftsschädigend über sie geäußert hat.

aa) Der Zeuge E. hat während seiner Vernehmung bekundet, dass ihn der Kläger am 31. Juli 2019 morgens angerufen habe. Er habe an diesem Tag Urlaub gehabt und auf seinem Grundstück Holz gehackt. Den Telefonanruf habe er gleichwohl angenommen, weil er nicht gewusst habe, ob es bei der Beklagten „brennt“. Der Kläger habe ihm mitgeteilt, dass ihn die Beklagte freigestellt habe; er dürfe zwei Jahre bei vollem Gehalt zuhause bleiben. Der Kläger habe verschiedene, laufende Projekte mit der Firma V. ordnungsgemäß übergeben und ihm mitteilen wollen, wer als Ansprechpartner im Hause der Beklagten nunmehr zuständig sei. Er (der Zeuge) habe den Kläger nach den Gründen für die Freistellung gefragt. Der Kläger habe ihm keine Gründe nennen können. Deshalb habe er ihn gefragt, ob die Freistellung damit zusammenhängen könne, dass es einige verwunderliche, sehr negative Aussagen über ihn gegeben habe. Der Kläger habe darüber nichts gewusst und damit keinen Zusammenhang herstellen können.

Nach dem Telefongespräch mit dem Kläger habe er die E-Mail an mehrere Verantwortliche der Firma V. verfasst, um diesen seine subjektive Einschätzung der Lage bei der Beklagten mitzuteilen. Der Kläger habe in dem Telefongespräch am 31. Juli 2019 nicht erklärt, dass „J. L., Leitung Technologie N., […] nach P. W-Stadt gewechselt [ist] wegen der schlechten Situation in N.“. Soweit er sich erinnern könne, habe ihm der Kläger bei einem persönlichen Besuch am 11. Juli 2019 im Werk der Beklagten berichtet, dass J. L. gewechselt sei. Der Kläger habe jedoch nicht erklärt, dass der Wechsel „wegen der schlechten Situation in N.“ erfolgt sei. Dies sei seine persönliche Einschätzung auf der Grundlage eines Gesprächs mit einem anderen Mitarbeiter der Beklagten gewesen. Der Kläger habe in dem Telefongespräch am 31. Juli 2019 nicht gesagt: „In N. herrscht Panik“. Diesen Satz habe er in seine E-Mail aufgenommen, weil ihm bei einem anderen Besuch im Werk der Beklagten ein älterer Mitarbeiter mit grauen Haaren in pfälzischem Dialekt gesagt habe: „Die Mitarbeiter laufen hier rum wie aufgescheuchte Hinkel“. Das sei für ihn der Hinweis gewesen, dass es bei der Beklagten relativ kritisch aussehe. Soweit er in seiner E-Mail geschrieben habe: „Neuer Rekordverlust im Juli, d.h. alle 7 Produktionsmonate tief rot“, handele es sich um einen Schreibfehler. Dort müsse es richtig heißen: „6 Produktionsmonate“. Der Kläger habe ihm in dem Telefongespräch am 31. Juli 2019 nichts von einem neuen Rekordverlust bei der Beklagten berichtet. Er habe bereits aus Gesprächen mit dem Kläger im Vorfeld gewusst, dass die Situation bei der Beklagten nicht gut sei. Soweit er in der E-Mail formuliert habe: „Die Familie ist auch nur noch kurzfristig bereit, eigenes Geld in die Fabrik zu stecken. Kurzarbeit wird kommen“, habe er diese Information nicht vom Kläger im Telefongespräch vom 31. Juli 2019 erhalten. Bei seiner Formulierung „Kurzarbeit wird kommen“, handele es sich um einen Ausdrucksfehler. Er habe gemeint, dass zu diesem Zeitpunkt eine schlechte Marktlage geherrscht habe. In einem solchen Fall würden die Papiermaschinen immer mal wieder abgestellt. Darüber habe er sich mit dem Kläger unterhalten, aber nicht im Telefongespräch vom 31. Juli 2019. Bei dem weiteren Satz in seiner E-Mail: „Interimsgeschäftsführer S. scheint auch angezählt zu sein“, handele es sich um keine Aussage des Klägers, sondern um interne V.-Terminologie. Die Firma V. recherchiere über ihre Gesprächspartner im Internet. Herr S. sei der Firma V. in der Zeit als Geschäftsführer vorgestellt worden, als die Situation relativ kritisch geworden sei. Aufgrund der Internetrecherche sei aufgefallen, dass S. nicht nur Geschäftsführer bei der Beklagten gewesen sei, sondern auch noch als freier Berater für Changemanagement und Restrukturierung firmiert habe. So sei der Eindruck entstanden, dass er bei der Beklagten eine Wende habe erzielen sollen. Dies würde er mit dem heutigen Wissen so nicht mehr schreiben. S. habe die Angelegenheit mit dem Geschäftsführer der Firma V. geklärt. Sein nächster Satz: „S. versucht nun mittels Personalabbau in der Technik und Verlagerung der technischen Arbeiten in der Produktion noch das Ruder herumzureißen“, stamme nicht vom Kläger. Es handele sich um seine Einschätzung. Ihm habe ein blue-collar-worker bei einem Besuch im Werk der Beklagten erklärt, dass die Produktionsmitarbeiter die technischen Produktionsarbeiten selbst ausführen müssen, weil nicht mehr genügend Servicemitarbeiter vorhanden seien. Auch der letzte Satz: „Wir sollten N. bezüglich seinem Rating im Auge behalten“, komme nicht vom Kläger. Die Beklagte habe im Handelsregister über lange Jahre Minusergebnisse veröffentlicht. Beim Bonitätscheck habe die Firma V. die Beklagte damals auf Vorkasse nehmen müssen. Der kaufmännische Leiter für seinen Marktbereich (R. G.) habe erklärt, dass die Beklagte nach den V.-Regularien im Rating so schlecht dastehe, dass sie auf Vorkasse gesetzt werden müsse. Soweit er in einer E-Mail vom 24. Juli 2019 ausgeführt habe, dass V. aufgrund von Algorithmen-Problemen in der EDV die Vorkasse gewählt habe und dass es sich um einen technischen Fehler gehandelt habe, sei er von einem Vertriebsleiterkollege intern darum gebeten worden, die Vorkasse zurücknehmen. Das sei dann im Sinne einer „Vertriebsstory“ als EDV-Fehler getarnt worden.

bb) Der Zeuge E. hat den schriftsätzlichen Vortrag der Beklagten, der Kläger habe sich im Telefongespräch so geäußert, wie er dies in seiner E-Mail vom 31. Juli 2019 formuliert habe, nicht bestätigt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann auch nicht festgestellt werden, dass sich der Kläger am 31. Juli 2019 „im Wesentlichen mit dem Inhalt“ der E-Mail des Zeugen E. geäußert hat. Da die Beweisaufnahme nicht im Sinne der Beklagten ergiebig war, besteht keine Veranlassung sich mit der Glaubwürdigkeit des Zeugen E. und der Glaubhaftigkeit seiner Angaben auseinanderzusetzen. Selbst wenn man dem Zeugen E. nicht glauben wollte, hätte die Beklagte den ihr obliegenden Beweis für das Vorliegen eines Kündigungsgrundes nicht erbracht.

Allein die unstreitige Äußerung des Klägers in dem Telefongespräch mit dem Zeugen E., dass er von seinem Job als technischer Leiter freigestellt worden sei und zwei Jahre bei vollem Gehalt zu Hause bleiben dürfe, ist für das Unternehmen der Beklagten nicht geschäftsschädigend. Insbesondere deutet die zweijährige Freistellung eines gut bezahlten Arbeitnehmers mit Leitungsaufgaben nicht auf wirtschaftliche Schwierigkeiten eines Arbeitgebers hin.

2. Die unwirksame außerordentlichen Kündigung kann nicht gemäß § 140 BGB in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden. Dem Kläger stand bei Zugang der außerordentlichen Kündigung vom 12. August 2019 im Anschluss an seine Abberufung als Gewässerschutzbeauftragter (am 29. Juli 2019) nachwirkender Sonderkündigungsschutz zu. Nach § 66 WHG iVm. § 58 Abs. 2 Satz 2 BImSchG kann das Arbeitsverhältnis innerhalb eines Jahres nach der Abberufung als Gewässerschutzbeauftragter nur gekündigt werden, wenn ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB vorliegt. Dies ist nach den obigen Ausführungen nicht der Fall.

3. Da das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die streitgegenständliche Kündigung vom 12. August 2019 aufgelöst worden ist, ist die Beklagte nach den vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgestellten Grundsätzen (BAG 27.02.1985 – GS 1/84) verpflichtet, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits als Leiter Technik weiterzubeschäftigen. Besondere Umstände, die trotz des Obsiegens des Klägers mit dem Kündigungsschutzantrag ein überwiegendes Interesse an dessen Nichtbeschäftigung begründen könnten, liegen nicht vor.

4. Der Kläger hat Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses. Nach § 109 GewO kann der Arbeitnehmer bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein (Abschluss-)Zeugnis verlangen. Streiten die Parteien – wie hier – gerichtlich über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, besteht ein triftiger Grund für die Erteilung eines Zwischenzeugnisses. Dieser Grund entfällt erst mit rechtskräftigem Abschluss des Beendigungsrechtsstreits (vgl. BAG 20.05.2020 – 7 AZR 100/19 – Rn. 42 mwN). Danach kann der Kläger von der Beklagten im Streitfall ein Zwischenzeugnis beanspruchen, das sich auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis erstreckt. Die Zeugnisnote „sehr gut“ verlangt er zweitinstanzlich nicht mehr.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

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