Skip to content

Fristlose Kündigung wegen grober Beleidigung eines Vorgesetzten – Meinungsfreiheit

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 3 Sa 104/21 – Urteil vom 25.10.2021

1. Die Berufungen des Beklagten gegen die Urteile des Arbeitsgerichts Koblenz vom 01.12.2020 und vom 23.02.2021 – 6 Ca 590/20 – werden auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund außerordentlicher fristloser Arbeitgeberkündigung, hilfsweise außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 30.09.2020 beendet worden ist, oder aber nicht, sowie hilfsweise über den Anspruch des Klägers auf Weiterbeschäftigung für den Fall des Erfolges mit seiner Kündigungsschutzklage.

Auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD-V) Anwendung. Der Beklagte beschäftigt mehr als 10 Arbeitnehmer.

Der 53 Jahre alte, verheiratete und zwei in der Ausbildung befindlichen Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist seit 01.05.2001 bei dem Beklagten beschäftigt. Er hat als sog. Verbandsprüfer zuletzt eine Vergütung von ca. 8.000,- EUR brutto im Monat bezogen. Der Kläger ist in der Entgeltgruppe 14 Stufe 6 eingruppiert. Seit dem 24.09.2018 war der Kläger durchgehend arbeitsunfähig erkrankt; zwischen den Parteien wird kontrovers dazu vorgetragen, ob und seit wann der Kläger im Anschluss daran wieder arbeitsfähig ist.

Vorgesetzter des Klägers und Prüfstellenleiter ist Herr K., des Weiteren ebenfalls in der Prüfstelle beschäftigt und für die Qualitätssicherung zuständig ist Herr St..

Am 23.08.2018 wandte sich der Kläger mit einem Beschwerdeschreiben an Herrn St.. Gegenstand ist, so der Kläger, eine Vielzahl von Anhaltspunkten, die ihn veranlasst haben, diese Beschwerde abzugeben. Danach fühlt sich der Kläger im Rahmen der von ihm durchgeführten Nachschauprüfungen gegenwärtig vom Prüfungsstellenleiter unter Druck gesetzt, ein fehlerhaftes Ergebnis zu unterzeichnen; hinsichtlich des weiteren Inhalts der Beschwerde wird auf Bl. 65, 66 d.A. Bezug genommen. Am 09.02.2020 übermittelte der Kläger eine E-Mail an den Wirtschaftsminister des Landes Rheinland-Pfalz und an den Prüfstellenleiter. Zugleich leitete er an die in der betreffenden E-Mail genannten Medien eine E-Mail gleichen Inhalts weiter, die er am 02.02.2020 zuvor an die im Betreff der weitergeleiteten Mail benannten Vorstände der verbandsangehörigen Sparkassen gesandt hat:

„Sehr geehrte Herren,

wie ich Ihnen bereits mehrfach angekündigt habe, mache ich – auch mangels jeglicher Erwiderung dieses Vorwurfs – nun Folgendes öffentlich:

Der Prüfungsstellenleiter ist ein lügender Wirtschaftsprüfer und wird dabei von der Aufsichtsbehörde (Wirtschaftsministerium in M.) gedeckt.

Mit freundlichen Grüßen

Sehr geehrte Herren!

Mein Name ist A.; ich bin Verbandsprüfer bei der Prüfungsstelle. Ich möchte Sie über eine Angelegenheit informieren, über die Sie wahrscheinlich nicht im Bilde sind. Es geht um ein Beschwerdeverfahren, das ich seit August 2018(!) führe. Bei diesem Verfahren geht es um insgesamt 14 Vorfälle bei der Prüfungsstelle. Sowohl seitens der Prüfungsstelle als auch seitens der Sparkassenaufsicht weigert man sich, die Beschwerden sachgerecht zu bearbeiten. Deshalb stehe ich kurz davor, mit der Angelegenheit an die Öffentlichkeit zu gehen. Dieser Gang würde das Image der Sparkassenorganisation beschädigen, weshalb ich zuvor geduldig alle juristischen Mittel eines Beschwerdeverfahrens ausgeschöpft habe.

Dass die Beschwerden nicht sachgerecht bearbeitet wurden, machen die folgenden Punkte deutlich:

· Der Prüfungsstellenleiter entscheidet selbst über mehrere Vorfälle, mit denen ich ihn belastet habe. Ein Beschwerdeverfahren hat also in diesen Fällen letztlich nicht stattgefunden.

· Der Prüfungsstellenleiter und ein weiterer Wirtschaftsprüfer lassen sich von mir vor der Führungsriege der Prüfungsstelle und vor dem Wirtschaftsministerium als Lügner hinstellen.

· Das Ministerium entschied erst nach 10 Monaten über meine Beschwerde.

· Der Minister als Leiter des Wirtschaftsministeriums lässt sich von mir unerwidert vorhalten, sein Ministerium würde lügende Wirtschaftsprüfer decken.

· Zu den meisten Vorfällen verweigert man mir eine Begründung. Bei den Beschwerden geht es hauptsächlich um die unredliche Einflussnahme einzelner Sparkassen auf die Prüfungsstelle bzw. die Wirtschaftsprüfer, der man pflichtwidrig folge. Hier einige Beispiele:

· Die Risikoeinstufung eines Organkredits (Verwaltungsratsvorsitzender) erfolgte auf Druck der Sparkasse via K. in die „1“, obwohl es nach meiner Überzeugung als Prüfer des Kredits sowie der Überzeugung des zuständigen Wirtschaftsprüfers und des Prüfungsleiters eindeutig ein 2er Fall ist. Über diesen Beschwerdepunkt hat K. selbst entschieden (ohne eine Begründung anzuführen).

· „Auf Wunsch“ einzelner Sparkassen durfte ich nach 2014 auf Weisung von K. nicht mehr als Prüfungsleiter tätig sein; zwei geplante Einsätze wurden durch Sparkassen verhindert. Einen hinreichenden Grund hierfür gibt es nicht (auch ausweislich der Leistungsbeurteilungen durch die Wirtschaftsprüfer).

· Vor etwa 10 Jahren wurden einem damaligen Vorstandsvorsitzenden einer rheinland-pfälzischen Sparkasse ein oder mehrere langfristige Darlehen gewährt. Diese Darlehen hatten ein Volumen in der Größenordnung von 1 Mio EUR. Die Darlehen waren mit einer zehnjährigen Zinsbindung sowie der Option ausgestattet, jederzeit eine vollständige Rückzahlung vornehmen zu dürfen, ohne dass dafür eine Vorfälligkeitsentschädigung anfällt. Diese Option wurde nicht gesondert bepreist und stellt somit einen erheblichen Vorteil gegenüber marktüblichen Konditionen dar. Diese Option wurde damals mindestens einmal genutzt, um die Darlehenszinsen dem gesunkenen Zinsniveau anzupassen. Seitens der Prüfungsstelle wurde diese Kondition dennoch als marktgerecht angesehen. Eine sachliche Begründung für die Ordnungsmäßigkeit der Kondition wurde mir von K., der diesen Beschwerdepunkt entschied, nicht mitgeteilt. Ich führte diesen weit zurückliegenden Sachverhalt an, weil es sich um langfristige Darlehen handelte und die aus der Kondition resultierende Vermögensschädigung der Sparkasse noch deutlich länger angehalten haben dürfte oder sogar immer noch anhält.

· Mündliche Anweisung von Herrn K. an alle Prüfer, die „Hinweise und Empfehlungen“ nicht mehr an den Vorstand auszuhändigen, sondern an den Leiter der Internen Revision: Diese Anweisung erfolgte im Rahmen einer Prüferbesprechung vor mehreren Jahren. Herr K. begründete diese Anweisung damit, dass Vorstände von Sparkasse im Vorfeld von aufsichtlichen Prüfen gemäß § 44 KWG nach solchen Vermerken gefragt wurden. Mit dieser mündlichen Anweisung ging es also darum, dass Vorstände gegenüber der Aufsicht erwidern können, dass sie einen solchen Vermerk nicht erhalten hätten. Schriftlich ist jedoch im Prüferhandbuch angewiesen, die „Hinweise und Empfehlungen“ dem Vorstand auszuhändigen. Wir wurden also mündlich angewiesen, gegen schriftliche Regelungen zu verstoßen.

· Vergabe des Auftrags zum letzten Peer Review (zur Prüfung der Prüfungsstelle): K. führte im Rahmen einer Prüferbesprechung zur Auftragsvergabe Folgendes aus: Um trotz der Verpflichtung (gemäß Vergaberecht), mehrere Angebote einzuholen, den gewünschten Wirtschaftsprüfer mit dem Peer Review beauftragen zu können, habe man – neben dem Angebot vom gewünschten Wirtschaftsprüfer – Angebote von solchen Wirtschaftsprüfern eingeholt, von denen man weiß, dass sie relativ teuer sind. Letztlich wurde vorsätzlich gegen die Vorgaben des öffentlichen Vergabewesens verstoßen und damit von K. vor den Prüfern gesprochen. Ich habe die Hoffnung, dass den meisten Sparkassen an einer ordnungsgemäßen Aufarbeitung der Vorfälle gelegen ist, ohne dass ich die Angelegenheit öffentlich machen muss.

Mit freundlichen Grüßen

A.“

Dem vorausgegangen war die Beschwerde des Klägers vom 23.08.2018, hinsichtlich deren Inhalts auf Bl. 65, 66 d.A. Bezug genommen wird, auf die Herr K. im Schreiben vom 24. und 30.08.2018, hinsichtlich deren weiteren Inhalts auf Bl. 67 f., 69 d.A. Bezug genommen wird, Bezug genommen hat.

Mit Schreiben vom 24.10.2018, hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Bl. 74 f. d.A. Bezug genommen wird, wies Herr St. die Beschwerde des Klägers teilweise zurück. Am 25.10.2018 wies Herr K. die Beschwerde auch im Übrigen zurück; insoweit wird auf Bl. 76-79 d.A. Bezug genommen. Nachfolgend erweiterte der Kläger seine Beschwerde (s. Bl. 80, 81 d.A.), was Herrn K. am 03.05.2019 zum Anlass einer Teilzurückweisung nahm (s. Bl. 82 d.A.), im Übrigen Herrn St. am 03.05.2019 zur Zurückweisung veranlasste (s. Bl. 83, 84 d.A.).

Am 19.06.2019 wies das Wirtschaftsministerium als Staatsaufsichtsbehörde für die rheinland-pfälzischen Sparkassen die Beschwerden des Klägers, die dieser mit E-Mails vom 29.08. und 11.11.2018 an die Dienstaufsichtsbeschwerde geleitet hatte, zurück; insoweit wird auf Bl. 126 f. d.A. Bezug genommen. Mit Bescheid vom 28.10.2019, hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Bl. 129 d.A. Bezug genommen wird, wies die Abschlussprüferaufsichtsstelle beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle die Beschwerden des Klägers zurück und stellte das eingeleitete Verfahren gegen Herrn K. ein.

Mit Schreiben vom 07.02.2020, hinsichtlich dessen weiteren Inhalts nebst Anlagen auf Bl. 113-129 d.A. Bezug genommen wird, hörte der Beklagte den bei ihm eingerichteten Personalrat zur Kündigung des Klägers an und erweiterte mit Schreiben vom 11.02.2020, hinsichtlich dessen Inhalts auf Bl. 131-139 d.A. Bezug genommen wird, das Anhörungsverfahren. Der Personalrat stimmte der Kündigung mit Schreiben vom 07.02.2020, hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Bl. 130 d.A. Bezug genommen wird, und am 11.02.2020, hinsichtlich dessen Inhalts auf Bl. 139 d.A. Bezug genommen wird, nach erneuter Anhörung jeweils zu.

Der C. hat für das Vorgehen betreffend Beschwerden auch eigene Mitarbeiter der Prüfstelle ein Verfahren des Beschwerdemanagements geregelt, das auszugsweise wie folgt lautet:

„7.1.3.2.8. Mit Beschwerden oder Vorwürfen von eigenen Mitarbeitern/innen ist grundsätzlich wie mit Beschwerden von Sparkassen oder Dritten zu verfahren; in diesen Fällen ist jedoch stets der Prüfungsstellenleiter durch den zuständigen Wirtschaftsprüfer oder Innendienstleiter zu informieren. Besteht bei eigenen Mitarbeitern/innen die Besorgnis von persönlichen Nachteilen, so können sie ihre Beschwerden oder Vorwürfe – ohne Einschaltung des zuständigen Wirtschaftsprüfers oder Innendienstleiters – unmittelbar dem Leiter der Prüfungsstelle schriftlich vortragen. Die Mitarbeiter können dies auch unter Wahrung der Vertraulichkeit ihrer Identität tun, um über potenzielle oder tatsächliche Verstöße gegen die EU-VO oder gegen Berufspflichten sowie etwaige strafbare Handlungen oder Ordnungswidrigkeiten innerhalb der Praxis zu berichten („Whistleblowing“). Der Prüfungsstellenleiter hat dabei als „geeignete Stelle“ i. S. v. § 69 Nr. 2 BS in größtmöglichem Maße sicherzustellen, dass die beschwerdeführenden Mitarbeiter/innen keine Nachteile erleiden. Bei persönlicher Betroffenheit des Prüfungsstellenleiters fungiert der für Qualitätssicherung zuständige Wirtschaftsprüfer als „geeignete Stelle“.

Hinsichtlich des weiteren Inhalts der Regelungen wird auf Bl. 70-73 d.A. Bezug genommen.

Am 09.05.2005 hatte der Kläger eine Verpflichtungserklärung abgegeben, hinsichtlich deren weiteren Inhalts auf Bl. 86 d.A. Bezug genommen wird, die auf § 43 WPO, §§ 9, 10 der Berufssatzung, hinsichtlich deren weiteren Inhalts auf Bl. 87 d.A.) Bezug genommen wird, und das Wertpapierhandelsgesetz, das wie die zuvor genannten Regelungen eine Verschwiegenheitspflicht hinsichtlich der bei der Tätigkeit bekanntgewordenen Tatsachen/Ereignisse vorsieht, Bezug nimmt.

Am 12.02.2020 hat der Beklagte sodann das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, vorsorglich außerordentlich mit sozialer Auslauffrist gekündigt.

Der Kläger hat vorgetragen, ein außerordentlicher Kündigungsgrund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB sei nicht gegeben. Eine ordentliche Kündigung komme – was zwischen den Parteien unstreitig ist – nicht in Betracht, weil er, der Kläger, gemäß § 34 Abs. 2 TVöD-V, da er das 40. Lebensjahr vollendet und länger als 15 Jahre bei dem Beklagten beschäftigt, ordentlich unkündbar sei.

Seine Beschwerden seien unsachgemäß behandelt worden. Insbesondere habe der Leiter der Prüfstelle, Herr K., als unmittelbar von der Beschwerde Betroffener nicht, weil befangen, über die Beschwerde entscheiden dürfen.

Nachdem er, der Kläger, sich an das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau als Aufsichtsbehörde gewandt habe, seien seine Eingaben und die geltend gemachte Befangenheit der Zeugen K. und St. ohne Reaktion geblieben. Die Entscheidung des Landes Rheinland-Pfalz habe ca. 1,5 Jahre gedauert und sei schließlich ohne sachliche Auseinandersetzung mit den Beschwerden, die er, der Kläger, erhoben habe, erfolgt. Soweit sich der Beklagte auf den Umstand beziehe, dass der Kläger den Leiter der Prüfstelle „lügender Wirtschaftsprüfer“ genannt habe, sei darauf hinzuweisen, dass dieser im Rahmen einer dienstlichen Besprechung an die Wirtschaftsprüfer die Weisung erteilt habe, Hinweise und Empfehlungen nicht mehr an die Vorstände auszuhändigen, sondern an den Leiter interne Revision, um Vorständen bei aufsichtsrechtlichen Prüfungen nach § 44 GKWG die Möglichkeit zu geben, zu erwidern, dass sie derartige Vermerke nicht erhalten hätten. Bisher sei die Abgabe dieser Weisung in Streit gestellt worden, nunmehr im vorliegenden Verfahren sei sie aber unstreitig gestellt.

Auch soweit er, der Kläger, in seiner E-Mail darauf hinweise, dass die Risikoeinstufung eines Organkredites der Sparkasse über Herrn K. in eine niedrigere Risikostufe erfolgt sei, sei sein, des Klägers, Vorwurf zutreffend. Es habe sich bei diesem Kredit um ein Darlehen für den Ehepartner eines Aufsichtsratsmitglieds gehandelt, für dessen Geschäftsbetrieb, der sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden habe. Unter den üblichen Bedingungen habe, da die Sicherheit nicht werthaltig gewesen sei, eine Kreditierung nicht erfolgen können, weil ein erhebliches Ausfallrisiko bestanden habe. Gleiches gelte für den Kredit an einen damaligen Vorstandsvorsitzenden, mit dem bei einer zehnjährigen Zinsbindung eine jederzeitige Rückzahlungsberechtigung ohne Vorfälligkeitsentschädigung vereinbart worden sei, was ebenfalls nicht marktüblichen Konditionen entspreche. Soweit er, der Kläger, darauf hinweise, im letzten Peer-Review sei gegen Grundsätze des öffentlichen Vergabewesens durch Herrn K. dadurch verstoßen worden, dass er zielgesteuert, um den gewünschten Prüfer zu erlangen, nur solche in die Vergabe mit einbezogen habe, von denen er vorher gewusst habe, dass sie zu teuer seien, sei auch dies sachlich zutreffend. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass die E-Mails des Klägers vom 02.02. und vom 09.02.2020 hinsichtlich des Inhalts der Beschwerden vollständig anonymisiert gewesen seien.

Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass der Sachverhalt „lügender Wirtschaftsprüfer“ i. S. d. § 626 Abs. 2 BGB verfristet sei, dass sowohl Herrn K. als auch der Wirtschaftsminister mit dieser Wortwahl Beschwerden und Schreiben übersandt worden seien, die außerhalb der Frist gelegen seien.

Letztlich sei die Anhörung des Personalrats unvollständig und fehlerhaft erfolgt. So sei ihm mitgeteilt worden, alle Beschwerden des Klägers seien von den zuständigen Stellen nach intensiver Prüfung als unbegründet zurückgewiesen worden. Dies treffe nicht zu. Herr K. als persönlich Betroffener der Beschwerde Nr. 1, 3, 7, 8, 9 habe insoweit nicht entscheiden dürfen. Herr St. als Vorgesetzter für die Durchführung mehrerer Nachschauprüfungen zuständig, habe sich der Beschwerdeentscheidung insoweit ebenfalls enthalten müssen. Darüber hinaus seien dem Personalrat die Schreiben vom 13.05. und 19.09.2019 (s. Bl. 144-147 d.A.) nicht übermittelt worden.

Im Übrigen sei er, der Kläger, arbeitsfähig. Er erhalte derzeit Arbeitslosengeld und gehe keiner anderweitigen Tätigkeit nach. Die Weiterbeschäftigung sei dem Beklagten auch zumutbar.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 12.02.2020 nicht beendet wird;

2. den Beklagten zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Verfahrens zu unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat vorgetragen, die außerordentliche Kündigung des Klägers sei gemäß § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt, hilfsweise mit sozialer Auslauffrist zum 30.09.2020. Denn mit den E-Mails vom 02.02. und 09.02.2020 habe der Kläger gegen die ihm obliegende Verschwiegenheitspflicht in grobem Maße verstoßen. Sein Verhalten sei insoweit zudem strafrechtlich gesondert zu berücksichtigen und zu bewerten.

Der Kläger habe gegen die ihm nach dem Dienstvertrag i. V. m. § 3 Abs. 1 TVöD-V und die allgemeinen aus seiner Berufspflicht folgenden Verschwiegenheitspflichten nach §§ 10 der Berufssatzung der Wirtschaftsprüfer und vereidigten Buchprüfer, 43 der Wirtschaftsprüferordnung, zu der der Kläger eine Verpflichtungserklärung abgegeben habe, grob verstoßen. Die E-Mails enthielten an mehreren Stellen Tatsachen, die dem Kläger allein aus seiner Prüftätigkeit bekannt gewesen sein konnten. Durch die Weitergabe dieser Informationen an 17 Sparkassenvorstände und am 09.02.2020 an Außenstehende, insbesondere Presseorgane, habe der Kläger seine Verschwiegenheitspflicht verletzt, darüber hinaus habe er damit der weiteren Zusammenarbeit mit dem Beklagten jegliche Grundlage entzogen; sein, des Klägers, Verhalten sei als erheblicher Verstoß gegenüber seiner Loyalitätspflicht gegenüber dem Beklagten anzusehen.

Die vom Kläger dargelegte mündliche Anweisung von Herrn K. bezüglich der Hinweise an Vorstände stehe nicht im Widerspruch zum IDW-Prüfungsstandard PS 450 n.F.; wie Herr St. angegeben habe, hätten die erstellten Vermerke „Hinweise und Empfehlungen“ einen anderen Charakter und betreffen insbesondere für die jeweilige interne Revision relevante “ best-practice-Hinweise“, nicht dagegen prüfungsberichtspflichtige Mängel. Der Beklagte habe nicht behauptet, dass Hinweise und Empfehlungen i. S. d. Nr. 4 des Prüferhandbuchs nicht mehr gegeben werden sollten. Auch bei der Vergabe des Auftrags zum letzten Peer-Review seien keine Verstöße gegen relevante Vorgaben zum öffentlichen Vergabewesen festgestellt worden. Der Landesrechnungshof habe das Vergabeverfahren bei der letzten Prüfung als ausreichend angesehen. Die Beschwerde hinsichtlich der Anweisung des Herrn K. sei daher nicht nachvollziehbar.

Die Behauptung des Klägers, die von ihm dargestellten Sachverhalte seien anonymisiert „in den Mails vom 02.02. bzw. 09.02.2020 wiedergegeben worden“, treffe in dieser Absolutheit nicht zu. Vielmehr habe der Kläger bereits mit dem, was er getan habe, gegen die Verschwiegenheitspflichten verstoßen. Eine weitere Eingrenzung des Sachverhalts, auch wenn konkrete Namen der betroffenen Sparkassen nicht genannt seien, sei nicht erforderlich, denn es stehe fest, dass es sich um Ereignisse in Sparkassen in Rheinland-Pfalz handele. Bei Kenntnis weiterer Tatsachen seien damit auch Rückschlüsse auf konkrete Sparkassen und Personen möglich.

Nach dem Ablauf des Beschwerdeganges seien die Beschwerden des Klägers von den jeweils zuständigen Stellen nach sachgemäßer und umfassender Prüfung vollständig zurückgewiesen worden. Rechtswidriges Verhalten des Herrn K. sei nicht festgestellt worden.

Das Vorgehen des Klägers sei auch nicht vom Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt. Soweit der Kläger Herrn K. als „lügenden Wirtschaftsprüfer“ bezeichne, sei Bezug zu nehmen auf § 186 StGB, der bei nichterweislich wahrer Tatsachenbehauptung strafrechtlicher Relevanz vorsehe. Dies sei auch im Bereich des Zivilrechts hinsichtlich der Beweislast zu berücksichtigen, so dass dem Beklagten bezüglich der Behauptungen des Klägers, soweit diese als Darstellung von Rechtfertigungsgründen anzusehen wären, nicht auferlegt werden könne, das Gegenteil zu beweisen. Dies gelte umso mehr, als die Beschwerden allesamt von den zuständigen Stellen als unbegründet zurückgewiesen worden seien.

Der Kläger habe sich daher nicht in dieser Art und Weise an die Öffentlichkeit wenden dürfen. Mit diesem Verhalten habe der Kläger dem öffentlichen Ansehen des Beklagten geschadet. Aufgrund der allgemeinen Loyalitätspflicht habe er vielmehr alles unterlassen müssen, was dem Arbeitgeber in der Öffentlichkeit auch Schaden zufügen können. Dies gelte insbesondere wegen seiner sensiblen Stellung, nach der es unzulässig sei, in der Öffentlichkeit Sachverhalte darzustellen, die von ihm, dem Kläger, in keiner Weise belegt werden könnten; die von ihm erhobenen Beschwerden seien von den Prüfinstanzen als unbegründet verworfen worden.

Der Einwand des Klägers, die Tatsache „lügender Wirtschaftsprüfer“ sei gemäß § 626 Abs. 2 BGB verfristet, treffe nicht zu.

Soweit der Kläger vortrage, die Personalratsanhörung scheitere daran, dass seine, des Klägers, Schreiben vom 13.05. und 19.06.2019 dieser nicht beigefügt gewesen seien, treffe dies nicht zu, da das Schreiben vom 13.05.2019, wobei der Kläger damit wohl die E-Mail meine, tatsächlich der Anhörung beigefügt gewesen sei. Im Übrigen sei die Anhörung subjektiv determiniert, d.h. der Beklagte sei nicht gehalten, jegliche Äußerungen des Klägers der Anhörung beizufügen.

Soweit der Kläger ausführe, die Behauptung des Beklagten in der Anhörung, die zuständigen Stellen hätten umfassend seine, des Klägers, Beschwerden geprüft und diese verworfen, sei fehlerhaft, es sei darauf hinzuweisen, dass Herr St. und Herr K. nur dann von der Prüfung ausgeschlossen gewesen wären, wenn sie im Sinne der Beschwerdemanagementregelung selbst betroffen gewesen seien. Das sei nicht der Fall. Daher hätten beide das Verfahren zutreffend gehandhabt.

Aufgrund all dieser Umstände sei das Vertrauensverhältnis zu dem Kläger zerstört, weil er erheblich gegen seine Verschwiegenheits- und Treuepflicht verstoßen und darüber hinaus den Ruf des Beklagten öffentlich beschädigt habe. Der Beklagte müsse mit weiterer Beeinträchtigungen oder Schädigungen, nicht zuletzt seines Ansehens, im Falle einer Weiterbeschäftigung des Klägers rechnen. Dies gelte insbesondere deshalb, weil der Kläger mit einer weiteren Mail vom 10.12.2020 (Bl. 243, 244 d.A.) unter dem Betreff „Wenn Sparkassen ihre Wirtschaftsprüfer kontrollieren und Minister Z. seine Hand darüber hält“ sich an weitere Sparkassenvorstände gewandt habe. Im Übrigen sei zu bestreiten, dass der Kläger zwischenzeitlich wieder arbeitsfähig sei.

Das Arbeitsgericht Koblenz hat daraufhin durch Urteil vom 01.12.2020 – 6 Ca 590/20 – festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 12.02.2020 nicht beendet worden ist. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 235-265 d.A. Bezug genommen. Durch Ergänzungsurteil vom 23.02.2021 – 6 Ca 590/20 – hat das Arbeitsgericht Koblenz des Weiteren das Urteil vom 01.12.2020 – 6 Ca 590/20 – den Tenor dahingehend ergänzt, dass der Beklagte verurteilt wird, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Verfahrens als Verbandsprüfer weiterzubeschäftigen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 288-297 d.A. Bezug genommen.

Gegen das ihm am 08.03.2021 zugestellte Urteil hat der Beklagte durch am 06.04.2021 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Er hat die Berufung durch am 31.05.2021 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem zuvor durch Beschluss vom 09.04.2021 auf seinen begründeten Antrag hin die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 31.05.2021 einschließlich verlängert worden war. Gegen das ihm am 19.03.2021 zugegangene Ergänzungsurteil hat der Beklagte durch am 08.04.2021 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Er hat die Berufung durch am 01.06.2021 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

Der Beklagte wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor. Die Prüfungsstelle fungiere gegenüber den Sparkassen, die dem Verband angeschlossen seien, als freier Wirtschaftsprüfer auf dem relevanten Markt, konkurriere also mit allen auf dem Markt tätigen Wirtschaftsprüfern. Sie sei zwingend darauf angewiesen, von Sparkassen mandatiert zu werden, da sie sich vollständig über die Erhebung von Prüfungsgebühren aus derartigen Mandaten selbst finanzieren müsse; sie erhalte keine Verbandsumlagen. Sie müsse also fach- und marktgerechte Dienstleistungen erbringen und sei auf ein gutes Renommee sehr angewiesen. Es sei keineswegs so, dass alle Sparkassen in Rheinland-Pfalz stets die Prüfstelle für Abschlussprüfungen mandatiert hätten.

Es treffe nicht zu, dass jedenfalls Teile des Beschwerdeverfahrens entgegen den internen Beschwerderegelungen des Beklagten nicht zutreffend behandelt worden seien. Der Kläger sei lediglich beim Beschwerdepunkt 7 der zweiten Beschwerde als Prüfungsleiter tätig gewesen. Bei allen anderen Prüfungsvorgängen dagegen nicht. Soweit der Kläger behaupte, dass es Druck seitens der Sparkassen bzw. der Vorstände gegeben und der Prüfungsstellenleiter deshalb bestimmte Maßnahmen ergriffen habe, handele es sich um nicht belegte bloße Behauptungen des Klägers. Entsprechende Sachverhalte seien nicht feststellbar gewesen. Herr K. als Prüfungsstellenleiter sei zudem bei den diesen Beschwerdepunkten zugrundeliegenden ebenso wenig wie der Kläger selbst beteiligt gewesen. Eine fachliche Betroffenheit von Herrn K. liege folglich nicht vor. Dies gelte erst recht für die pauschale Behauptung des Klägers, er fühle sich „gegenwärtig vom Prüfungsstellenleiter unter Druck gesetzt, ein fehlerhaftes Ergebnis zu unterzeichnen“ (s. Bl. 345 ff. d.A.). Hinsichtlich der Behauptung, Darlehensbedingungen seien nicht marktüblich gewesen, sei der Kläger bei fraglichen Prüfung nicht beteiligt gewesen; die Prüfungsteamleitung vor Ort habe einen anderen Verbandsprüfer gehabt, der diesen Sachverhalt nicht beanstandet habe (2008). Folglich sei Herr K. auch insoweit für die Beschwerde zuständig gewesen, da er nicht betroffen gewesen sei (hinsichtlich der Einzelheiten des Vorbringens des Beklagten insoweit s. Bl. 347 f. d.A.). Im Übrigen habe auf die Y., die vom Kläger über diesen Beschwerdesachverhalt informiert worden sei, keinen Anlass zu Beanstandungen gesehen. Ob der Kläger insoweit als mitwirkender Prüfer tätig gewesen sei, lasse sich nach Ablauf der für Arbeitsunterlagen geltenden zehnjährigen Aufbewahrungsfrist nicht mehr feststellen. Vor dem Hintergrund dieser Unsicherheit verhalte sich die Beschwerdeentscheidung des Herrn K. vom 03.05.2019 (s. Bl. 82 d.A.) auch nur zu dem sorgfältig erstellten Prüfungsergebnis, und verweise auf die Verschwiegenheitspflicht. Eine schriftliche Begründung sei durch die allgemeinen Grundsätze des Beschwerdemanagements des Beklagten im Übrigen nicht verpflichtend vorgesehen.

Es treffe auch nicht zu, dass Herr K. als Motivation für die Äußerung (mündliche Anweisung an alle Prüfer), die Hinweise und Empfehlungen nicht mehr dem Vorstand auszuhändigen, sondern an den Leiter der inneren Revision benannt habe, Vorständen solle die Möglichkeit gegeben werden, sich bei Prüfungsnachfragen darauf zu berufen, keine Information erhalten zu haben. Im August 2017 habe Herr K. in der Prüferbesprechung angesichts der damals neuen Regelungen in GS 450 n.F. klargestellt, dass die Prüfungsstelle keinen Management-Letter im klassischen Sinne erstelle, da alle wesentlichen Prüfungsfeststellungen ohnehin in den Prüfungsbericht aufzunehmen seien, was auch zuvor bereits so gehandhabt worden sei. Es sei zu keinem Zeitpunkt um Verschleierungs- oder Vertuschungsmaßnahmen oder um Mittel gegangen, derartige Maßnahmen zu fördern bzw. zu ermöglichen (s. 351 ff. d.A.). Zudem sei der Hinweis, Vorstände könnten sich darauf berufen, keine Management-Letter erhalten zu haben, ohnehin in jeder Hinsicht ordnungsgemäß. Denn derartige Letter enthielten nicht prüfungsrelevante Feststellungen und Empfehlungen, die an die Leitungsebene geprüfter Unternehmen, insbesondere den Vorstand, gerichtet würden. Dagegen enthielten Vermerke, um die es vorliegend maßgeblich gehe, nur Hinweise auf Fachebene zur Verbesserung von Abläufen, die grundsätzlich an die Leiter der betroffenen Fachbereiche gerichtet würden.

Es treffe nicht zu, dass der Kläger sich vorliegend an die geltenden Beschwerderegeln gehalten habe. Bereits am 29.08.2018 habe er sich an das Ministerium für Wirtschaft u.a. gewendet, wenige Tage, nach seiner Beschwerde gegenüber der Prüfstelle am 23.08.2018. Insoweit sei der Kläger verpflichtet gewesen, zunächst das innerbetriebliche Beschwerdeverfahren durchlaufen zu müssen, bevor er befugt gewesen sei, Beschwerdesachverhalte nach außen zu tragen. Wünsche der Prüfstelle für persönliche Gespräche habe der Kläger zudem abgelehnt, s. Bl. 67-69 d.A. Auch insoweit sei der Kläger zunächst verpflichtet gewesen, eine interne Klärung mit seinem Arbeitgeber herbeizuführen. Gleiches gelte für den Hinweis des Klägers vom 14.04.2019 durch E-Mail an Herrn K. (Bl. 80 d.A.), wonach er, der Kläger, nun auch die BaFin und die Staatsanwaltschaft über seine Beschwerden informiert habe, ohne zuvor den Abschluss des internen Beschwerdeverfahrens abzuwarten. Gleiches gelte für den Umstand, dass der Kläger sich am 04.03.2019 erstmalig an die Y. gewendet habe. Es treffe nicht zu, dass man sich sowohl seitens der Prüfungsstelle als auch seitens der Sparkassenaufsicht verweigere, die Beschwerden des Klägers sachgerecht zu bearbeiten. Hinsichtlich der Einzelheiten der Befassung sowohl der Aufsichtsbehörde als auch der Y. mit den Beschwerden des Klägers wird auf Bl. 355 ff. d.A. Bezug genommen. Dem Kläger sei zudem durch die zuständige Mitarbeiterin der Aufsichtsbehörde ausdrücklich mitgeteilt worden, dass das interne Beschwerdeverfahren ihrer Ansicht nach ordnungsgemäß verlaufen sei (s. Bl. 357 d.A.). Alle Organisationen hätten sich demnach intensiv mit den Beschwerden des Klägers befasst. Dies sei dem Kläger auch durchaus bewusst gewesen, zumindest habe er es ohne Weiteres erkennen können.

Auf die E-Mails des Klägers vom 13.05.2019 (Bl. 29 d.A.) an Herrn K. und vom 19.09.2019 (Bl. 144 ff. d.A.) an Herrn Wirtschaftsprüfer X. habe letzterer den Kläger (04.10.2019) unter Verweis auf diese E-Mails ausdrücklich auf die Einhaltung seiner Verschwiegenheitspflicht hingewiesen (Bl. 378 d.A.).

Dem Kläger sei vollkommen bewusst gewesen, dass er (s. E-Mail vom 02.02.2020, Bl. 27 f. d.A.) das Ansehen der Sparkassenorganisation insgesamt, und natürlich auch das der Prüfungsstelle beschädigen und somit das Verhältnis der Prüfungsstelle zu den Sparkassen erheblich belasten werde. Dies sei in besonderem Maße vor dem Hintergrund der expliziten Aufforderung durch Herrn X. zur Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht zu würdigen. Das Verhalten des Klägers habe es für den Beklagten unvermeidlich gemacht, sofort Gegendarstellungen zu versenden (s. zu den Einzelheiten Bl. 359 f. d.A.). Nach Zugang des erstinstanzlichen Urteils habe sich der Kläger sodann mit E-Mail vom 10.12.2020 an die Sparkassenvorstände, die Y., Herrn Minister Dr. Z. und die Hinweisgeberstelle der BaFin (s. Bl. 277 d.A.) gewandt. Die Botschaft dieser Mail sei eindeutig und lasse vermuten, dass sich der Kläger gewissermaßen auf einem Kreuzzug gegen seinen Arbeitgeber und die übrigen Beteiligten befinde. Anfang Dezember 2020 habe der Kläger eine WhatsApp an Herrn W., einen anderen Kollegen in der Prüfungsstelle, versandt (s. Bl. 360 d.A.). Insoweit habe der Kläger seinen Vorwurf wiederholt, dass im Rahmen der Beschwerdeentscheidung durch die Prüfungsstelle gelogen worden sei. Er, der Kläger, habe das Beschwerdeverfahren im August 2018 unter unmittelbarer Einschaltung des Ministeriums eingeleitet und sei schließlich an die Presse gegangen, um die Kündigung und damit den Gang vor ein Gericht zu provozieren. Vor diesem Hintergrund sei der Kläger zielgerichtet vorgegangen im Bewusstsein, dass der Beklagte das Arbeitsverhältnis aufgrund seines, des Klägers, Verhaltens kündigen müsse. Der Kläger habe es darauf angelegt. Er manifestiere damit seine feindliche Gesinnung gegenüber seinem Arbeitgeber. Zudem verletze er, der Kläger, die Würde und Integrität seines Vorgesetzten erneut gegenüber einem anderen Adressatenkreis, nämlich innerbetrieblich gegenüber Mitarbeitern. Dies bedeute eine erhebliche Gefährdung des Betriebsfriedens.

Insgesamt sei davon auszugehen, dass der Kläger mit der Äußerung „lügender Wirtschaftsprüfer“ seine Rücksichtnahmepflichten gemäß § 241 Abs. 2 BGB in erheblichem und relevantem Ausmaß verletzt habe. Die Behauptung des Klägers sei falsch, Herr K. habe nicht gelogen. Es handele sich um eine bewusst unwahre Tatsachenbehauptung des Klägers über seinen Vorgesetzten. Auch als Werturteil stellte die Äußerung einen wichtigen Kündigungsgrund dar. Der Adressatenkreis der E-Mail vom 09.02.2019 – insbesondere die Presseorgane – könne nicht erschließen, worauf die Behauptung, Herr K. lüge und werde vom Ministerium gedeckt, beruhen solle. Die Grenze zur persönlichen Schmähung sei bei weitem überschritten. Es handele sich um einen in groben Maße unsachlichen Angriff; die Motivation des Klägers sei klar gegen seinen Vorgesetzten gerichtet (s. Bl. 361 ff. d.A.). Dafür spreche auch, dass der Kläger seit Beginn seines Beschwerdeverfahrens nahezu bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens arbeitsunfähig gewesen sei und sich damit nachhaltig jeglicher Gespräche auf betrieblicher Ebene entzogen habe. Anhaltspunkte dafür, dass das interne und das externe Beschwerdeverfahren nicht ordnungsgemäß abgewickelt worden seien, bestünden nicht. Ebenso wenig Anhaltspunkte dafür, dass insoweit sowohl die Aufsichtsbehörde als auch die Y. nicht ordnungsgemäß entschieden haben könnten. Eine sachliche Motivation des Klägers hinter den vorgebrachten Beschwerdesachverhalten sei ebenso wenig erkennbar. Es handele sich um Vorgänge, die bereits längere Zeit, teilweise viele Jahre zurücklägen. Zu keinem Zeitpunkt sei in irgendeinem Zusammenhang es insoweit zu Beschwerden gekommen. Rechtfertigungsgründe zu Gunsten des Klägers seien nicht gegeben. Weiterhin habe der Kläger den Vorrang der innerbetrieblichen Lösung missachtet, ohne dass dafür eine sachliche Motivation erkennbar sei. Die öffentliche Anprangerung durch den Kläger gegenüber der Presse und den Mandanten des Beklagten enthalte ein erhebliches Geschäftsschädigungspotential, was dem Kläger durchaus bewusst gewesen sei. Der Verschwiegenheitspflicht komme vorliegend für die arbeitsvertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien eine besondere Bedeutung zu, weil der Beklagte im Hinblick auf gewünschte Mandatierungen auf das Vertrauen der Mandanten angewiesen sei. Es handele sich insoweit folglich um eine elementare Berufspflicht, die sehr weitgehend und umfassend zu verstehen sei. Sie sei durch den Kläger evident verletzt worden (s. Bl. 366 ff. d.A.).

Einer Abmahnung habe es vorliegend nicht bedurft. Insbesondere im Hinblick auf die gravierende Verletzung der Verschwiegenheitspflicht sei selbst deren erstmalige Hinnahme dem Beklagten nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich auch für den Arbeitnehmer erkennbar ausgeschlossen (s. Bl. 370 f. d.A.). Zudem sei mit einer Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu rechnen. Dies gelte im Rückblick auf die Verschwiegenheitspflicht vorliegend insbesondere wegen des Schreibens des Herrn X. vom 04.10.2019, in dem ausdrücklich auf die Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht hingewiesen worden sei. Zwar handele es sich insoweit formal rechtlich nicht um eine Abmahnung, die Warnfunktion sei jedoch klar zu Ausdruck gekommen.

Die Interessenabwägung müsse vorliegend zu Gunsten des Beklagten (s. Bl. 371 ff. d.A.) enden. Ein fehlerhaftes internes Beschwerdeverfahren und Widersprüche zu Prüfungsverfahrensregeln habe es nicht gegeben; der Kläger habe auch nicht annehmen dürfen, seine Beschwerden seien nicht abschließend zutreffend beschieden worden. Etwas Anderes folge auch nicht darauf, dass sich die Bescheide der Sparkassenaufsicht (Wirtschaftsministerium) und der Y. in ihrer Kürze nicht mit den einzelnen Beschwerdepunkten des Klägers differenziert auseinandersetzten (s. Bl. 263 d.A.), denn die Grundsätze der Verschwiegenheitspflicht seien sehr weitgehend, erfassten auch die Aufsichtsbehörden und mit diesen Grundsätzen sei der Kläger vollkommen vertraut. Ein anderes Ergebnis lasse sich auch nicht im Hinblick auf die lange unbeanstandete Betriebszugehörigkeit zu Gunsten des Klägers rechtfertigen, denn die Frage der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei zukunftsbezogen zu beantworten. Dies schließe es aus, an der Betriebszugehörigkeit als solcher ohne nähere Betrachtung der mit ihr verbundenen Einschätzungen des künftigen betriebsdienlichen Zusammenwirkens Bedeutung beizumessen.

Auch der Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers sei unbegründet. Denn vorliegend überwögen die schutzwürdigen Interessen des Beklagten an einer Nichtbeschäftigung des Klägers. Diesem sei es lediglich darum gegangen, seinen Vorgesetzten und seinen Arbeitgeber bloßzustellen. Immerhin habe er, der Kläger, nach ordnungsgemäßem Abschluss sämtlicher Prüfungsverfahren seinen Vorgesetzten, seinen Arbeitgeber und die Aufsichtsbehörde öffentlich diffamiert. Damit zeige er die offenbar bei ihm vorhandene, regelrecht feindliche Gesinnung gegenüber seinem Vorgesetzten und seinem Arbeitgeber. Der Kläger habe bewusst geschäftsschädigend gehandelt. Bei der Würdigung der E-Mail des Klägers vom 10.12.2020 an Vorstände der Sparkassen (Bl. 277 d.A.) müsse berücksichtigt werden, dass alle Beschwerden des Klägers abschließend von allen zuständigen Organen und Gremien behandelt worden seien. Der Kläger habe aus dem intensiv geführten erstinstanzlichen Verfahren zudem gewusst, dass der Beklagte vor diesem Hintergrund nicht billigen könne und werde, dass er vom Kläger öffentlich angeprangert werde. Gleichwohl wende sich der Kläger erneut an die Mandanten der Prüfungsstelle bzw. des Beklagten unter Wiederholung der Vorwürfe. Hinzukomme die WhatsApp-Nachricht des Klägers von Anfang Dezember 2020 an Herrn W., die geeignet sei, die verwerfliche Gesinnung des Klägers gegenüber seinem Vorgesetzten, Herrn K., und seinem Arbeitgeber zu belegen. Zudem wende sich der Kläger insoweit mit seinen Diffamierungen bewusst an einen weiteren Adressatenkreis, nämlich seine Arbeitskollegen. Schließlich habe der Kläger vertrauliche Informationen, die der Schweigepflicht unterlägen, vorsätzlich der Öffentlichkeit preisgegeben. Dies sei nicht anders zu beurteilen wie ein Verrat von Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnissen und sei geeignet, eine vorläufige Suspendierung des Klägers im noch laufenden Arbeitsverhältnis zu rechtfertigen. Folglich müsse es im vorliegenden Zusammenhang zu einem überwiegenden Interesse des Beklagten an einer Nichtbeschäftigung führen.

Vorliegend müsse hinsichtlich der Würdigung des Verhaltens des Klägers abschließend berücksichtigt werden, dass der Kläger selbst den Vorrang der innerbetrieblichen Lösung missachtet habe; dieses Fehlverhalten habe der Beklagte gleichwohl nicht sanktioniert, sondern sich konstruktiv mit den Beschwerden des Klägers auseinandergesetzt. Auf formelle Fehler im Verlauf des internen Beschwerdeverfahrens, sollten denn solche aufgetreten sein, könne sich der Kläger angesichts seines schon zu diesem Zeitpunkt bestehenden gravierenden eigenen Fehlverhaltens nicht berufen; sie seien ohnehin durch die parallele Behandlung der Angelegenheit durch die zuständigen Aufsichtsbehörden überholt gewesen, hätten sich also im Verhältnis des Beklagten zum Kläger gar nicht auswirken können. Nachdem niemand Veranlassung gesehen habe, in den vom Kläger aufgeworfenen Sachverhalten einen Anlass zu Beanstandungen zu sehen, habe keine Veranlassung bestanden, im öffentlichen Interesse tätig zu werden bzw. die Öffentlichkeit auf Missstände aufmerksam zu machen. Die Beweggründe des Klägers seien unklar; die beanstandeten Vorgänge lägen lange, zum Teil viele Jahre zurück. Warum der Kläger gerade zum hier streitgegenständlichen Zeitpunkt aktiv geworden sei, sei unklar. Der Kläger habe insoweit gegen seine Loyalitätspflichten in Kenntnis aller Umstände vorsätzlich, zielgerichtet verstoßen (s. Bl. 553 ff. d.A.).

Soweit der Kläger nach der erstinstanzlichen Entscheidung erneut mit höchst vertraulichen Informationen an die Öffentlichkeit gegangen sei, dies in Form von Pressemitteilungen und sogar in einem Fernsehinterview, wobei er den Namen eines Kreditnehmers nebst weiteren Details des Kreditengagements bekanntgegeben und eine Person des öffentlichen Lebens, die Oberbürgermeisterin von Q., in Misskredit gebracht und vertrauliche Unterlagen Presseorganen und weiteren dritten Personen zugänglich gemacht habe, habe er massiv dem Kreditnehmer ebenso wie seinem Arbeitgeber, dem Beklagten, geschadet (s. 555 f. d.A.). Von besonderer Bedeutung sei insoweit, dass die Vorwürfe und Behauptungen des Klägers zudem haltlos seien, dies sei sogar im Anschluss an das Interview im Fernsehen von Presseorganen nach weiteren Recherchen klargestellt worden (s. Bl. 556 d.A.). Insoweit sei zwischenzeitlich eine weitere fristlose Kündigung ausgesprochen worden; allerdings müsse das Verhalten des Klägers vorliegend im Rahmen der Interessenabwägung Berücksichtigung finden (s. Bl. 557 f. d.A.).

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift im Berufungsverfahren 3 Sa 104/21 vom 31.05.2021 (Bl. 342-373 d.A.) nebst Anlagen (Bl. 374-384 d.A.), im Verfahren 3 Sa 109/21 vom 01.06.2021 (Bl. 387-392 d.A.) nebst Anlagen (Bl. 393-437 d.A.) sowie den Schriftsatz vom 25.08.2021 (3 Sa 109/21; Bl. 524-526 d.A. nebst Anlagen Bl. 527-535 d.A.) und schließlich vom 07.10.2021 (Berufungsverfahren 3 Sa 104/21; Bl. 552-558 d.A. nebst Anlagen Bl. 559-570 d.A.) Bezug genommen.

Der Beklagte beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz – 6 Ca 590/20 – vom 01.12.2020 wird geändert.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Das Ergänzungsurteil des Arbeitsgerichts Koblenz – 6 Ca 590/20 – vom 23.02.2021 wird geändert.

4. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger beantragt, die Berufungen der Beklagten gegen die Urteile des Arbeitsgerichts Koblenz vom 01.12.2020 und vom 23.02.2021 – 6 Ca 590/20 – zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die angefochtenen Entscheidungen unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor,

es sei nur formal richtig, dass die Prüfungsstelle gegenüber den dem Verband angeschlossenen Sparkassen als freier Wirtschaftsprüfer fungiere; die angeschlossenen Sparkassen könnten nur dann für maximal drei Jahre einen anderen Abschlussprüfer bestellen, wenn sie zuvor in einem Zeitraum von mindestens drei aufeinanderfolgenden Jahren durch die Prüfungsstelle geprüft worden seien. Auch treffe es nicht zu, dass die Prüfungsstelle zwingend auf die Mandatierung durch die Sparkassen angewiesen sei. Die Finanzierung des Beklagten und damit auch der Prüfungsstelle sei nach deren Satzung durch Zahlungen der Mitgliedssparkassen sichergestellt.

Die E-Mail vom 23.08.2018 stelle keine Beschwerde im Sinne des Organisationshandbuches dar. Für eine gewollte Weiterleitung an Herrn K. gebe es zudem keinen Nachweis. Vielmehr sei es naheliegend, dass Herr St. wegen seiner Abwesenheit am Folgetag seine E-Mails an Herrn K. umgeleitet habe. Der Kläger sei nicht lediglich bei dem Prüfungsauftrag Nr. 11 J 14 als Prüfungsleiter tätig gewesen. Bei der Beschwerde Nr. 11 sei ein Prüfungsauftrag Nr. 38 K 08 betroffen, den der Kläger am 10.09.2008 eingeleitet habe. Insofern enthalte die Beschwerdeentscheidung des Zeugen K. vom 03.05.2019 (auch) eine unrichtige Tatsachenbehauptung, wenn ausgeführt werde, der Kläger sei nicht als Prüfungsleiter verantwortlich tätig gewesen. Soweit sich der Beklagte bei der Beanstandung von Ausführungen des Klägers oder gerichtlichen Feststellungen regelmäßig auf das Zeugnis des Herrn K. beziehe, diene dies allein der Ausforschung. Nichts habe nähergelegen, als die jeweiligen Behauptungen durch entsprechende Urkunden zu hinterlegen; hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Klägers insoweit im Einzelnen wird auf Bl. 493 f. d.A. Bezug genommen. Hinsichtlich der Jahresabschlussprüfung bleibe der Beklagte den konkreten Nachweis schuldig, dass diese im Zeitpunkt der Beschwerdeerstattung bereits abgeschlossen gewesen bzw. die Unterlagen bereits vernichtet worden seien. Bei der Entscheidung über die Beschwerde gehe es nicht um eine entsprechende Verpflichtung der Sparkasse, sondern um die objektive Bepreisung der beanstandeten Option. Die Anforderung marktgerechter Bedingungen bei dem Vorstandsmitglied folge aus § 15 Abs. 1 Satz 1 KWG. Diese Feststellungen schlügen auch auf die Prüfung der Y. durch. Falls Unterlagen nicht mehr vorhanden seien, bleibe offen, ob eine Prüfung stattgefunden haben solle. Die Zurückweisung der Beschwerde des Klägers vom 14.04.2019 sei insoweit falsch, als die hier zugrundeliegende Anweisung im April 2019 geändert worden sei, was in der Beschwerdeentscheidung nicht ausgeführt werde.

Insgesamt widerspreche es dem ersten Rechtsstaatsprinzip, sofern eine von einer Beschwerde betroffene Person oder Instanz berufen sei, selbst abschließend über diese Beschwerde zu befinden. Auch im Hinblick auf den Berufsgrundsatz der Gewissenhaftigkeit könne es nicht sachgerecht sein, dass ein Wirtschaftsprüfer über gegen ihn persönlich gerichtete Beschwerden selbst entscheide. Der Zeuge St. sei zudem kein öffentlich bestellter Wirtschaftsprüfer, sondern ein dem Zeugen K. unterstellter Mitarbeiter. Sachgerecht sei es allein gewesen, alle Beschwerdeentscheidungen durch einen vom gesamten Beschwerdekomplex unbefangenen und öffentlich bestellten Wirtschaftsprüfer treffen zu lassen. Berufsrechtliche Verantwortung könne Herr St. insoweit als nicht öffentlich bestellter Wirtschaftsprüfer keine übernehmen, so dass die Beschwerdeentscheidung des Zeugen K. vom 25.10.2018 auch insoweit fehlerhaft sei. Eine Entscheidung in der Sache stelle es zudem nicht dar, soweit eine zur Aufsicht berufene Stelle die geltend gemachten Sachverhalte nicht vollständig überprüfe oder geltend mache, für die Bewertung nicht zuständig zu sein, wie vorliegend durch das zuständige Ministerium (s. Bl. 495 f. d.A.). Wenn das Ministerium tatsächlich nicht für die Einhaltung der IDW-Standards zuständig sei, sei die Prüfungsstelle weitestgehend, von der eingeschränkten Zuständigkeit der Y. abgesehen, ohne Fachaufsicht. Die Beschwerdeentscheidung des Ministeriums vom 16.06.2019 habe sich zudem nur auf einen Teil der vom Kläger aufgeführten Beschwerdepunkte bezogen. Die Bearbeitungsdauer von 10 Monaten spreche zudem nicht für eine sachgerechte Befassung. Der der Lüge gezüchtigte Zeuge K. habe bewusst und wissentlich unwahre Tatsachenbehauptungen aufgestellt. Dieses Vorgehen sei vom Grundrecht der Meinungsfreiheit des Klägers gedeckt. Die Äußerung sei im Diskurs gefallen. Die Grenze zur bloßen Schmähkritik sei bei weitem nicht erreicht oder gar überschritten; es fehle bereits an einer Beleidigung. Selbst bei anderslautender Bewertung sei im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen, dass dahingehende Äußerungen des Klägers nicht erstmals in den beanstandeten E-Mails vom 02. bzw. 09.02.2020 gefallen seien. Vielmehr habe es sich um eine wiederholte Äußerung gehandelt, die in der Vergangenheit mit keinem Wort oder gar einer arbeitsrechtlichen Sanktion beantwortet worden wäre.

Dem Kläger sei kein Verstoß gegen Verschwiegenheitspflichten vorzuwerfen. Die Anonymität der angesprochenen Prüfungsvorgänge sei stets gewahrt gewesen. Ebenso wenig sei ein Verstoß gegen Loyalitätspflichten anzunehmen; dem Tatsachenkern der wesentlichen Beschwerden – Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Vergabe von Krediten – sei der Beklagte nicht entgegengetreten. Diese Sachverhalte seien als zugestanden anzusehen. Wenn der Kläger nach Durchlaufen aller Instanzen des „Beschwerdeweges“ kein anderes Mittel mehr sehe, als die Öffentlichkeit auf die festgestellten irreguläre Missstände hinzuweisen, handele er nicht illoyal. Selbst wenn man dies anders beurteile, müsse im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigt werden, dass der Beklagte davon abgesehen habe, die Inanspruchnahme eines milderen Mittels zu erwägen. Ein Sachverhalt, der eine Abmahnung entbehrlich mache, sei nicht gegeben. Weiterhin habe eine Auseinandersetzung mit der persönlichen Situation des Klägers nicht stattgefunden.

Die Entscheidungen des Beklagten als Arbeitgeber seien letztlich auch nicht nur als innerbetriebliche und damit nicht justiziable betriebliche Entscheidungen anzusehen. Das Verfahren des Beklagten genüge offensichtlich rechtsstaatlichen Ansprüchen nicht. Wenn die zur Aufsicht befugten Stellen auf ein Beschwerdemanagement verwiesen und sich einer eigenen Stellungnahme mangels Zuständigkeit enthielten, fehle letztlich jegliche Kontrollinstanz. Den Vorgängen selbst, im Wesentlichen betreffend zwei Darlehen, die von den zu prüfenden Sparkassen ausgegeben worden seien, sei der Beklagte nicht entgegengetreten. Wenn der Kläger im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit aber risikoreiche oder wirtschaftlich unsinnige Geschäfte bei den zu prüfenden Sachverhalten festgestellt habe, dies entsprechend seiner dienstlichen Pflicht als Grund zur Beanstandung angemeldet und der Beklagte darauf nicht reagiert habe, dann habe der Kläger lediglich dies beanstandet. Er habe jegliche Möglichkeit genutzt, um die unstreitigen Missstände feststellen zu lassen. Er habe sich aber einem geschlossenen System gegenübergesehen, in dem nicht daran gedacht gewesen sei, unliebsame Kritik laut werden zu lassen. Folglich habe er keine anderen Möglichkeiten mehr gesehen, als den Versuch zu unternehmen, die Öffentlichkeit auf die Missstände hinzuweisen. Dies stelle keine Vertragsverletzung dar. Er, der Kläger, sehe seine Rechte vernachlässigt und habe sich deshalb zur Anprangerung der von ihm festgestellten Missstände entschieden. Der Arbeitgeber könne nicht darauf vertrauen, wegen eines gesetzeswidrigen Verhaltens nicht angezeigt zu werden. Mit einer nicht wissentlich unwahren oder leichtfertig falschen Anzeige verletze der Arbeitnehmer nicht seine Rücksichtnahmepflicht gegenüber dem Arbeitgeber. Das Anzeigerecht sei nicht missbräuchlich ausgeübt worden. Dem Kläger könne auch nicht vorgeworfen werden, aus zu missbilligenden oder verwerflichen Motiven gehandelt zu haben.

Der Personalrat sei nur unter unvollständiger Sachverhaltsdarstellung angehört worden. Die Behauptung einer umfassenden Prüfung durch Dritte unter Weglassung der Tatsache, dass die Dritten sich nicht zuständig fühlten, sei keine Frage der Determinierung.

Der Beklagte sei aufgrund der Rechtsunwirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung zutreffend zur Weiterbeschäftigung verurteilt worden.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift (3 Sa 104/21) vom 02.08.2021 (Bl. 491-497 d.A.) nebst Anlagen (Bl. 498-508 d.A.) sowie dem Berufungsbegründungsschriftsatz (3 Sa 109/21) vom 02.08.2021 (Bl. 511 d.A.) nebst Anlagen (Bl. 512-518 d.A.) und schließlich seinen Schriftsatz vom 20.10.2021 (Bl. 574-576 d.A.) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 25.10.2021.

Entscheidungsgründe

I.

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Das Rechtsmittel der Berufung des Beklagten hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Denn das Arbeitsgericht ist sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zu Recht davon ausgegangen, dass die streitgegenständliche Kündigung des Beklagten vom 12.02.2020 das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht beendet hat, weder fristlos, noch mit der vom Beklagten vorsorglich eingeräumten Auslauffrist. Darüber hinaus hat das Arbeitsgericht den Beklagten zu Recht verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Verfahrens als Verbandsprüfer weiterzubeschäftigen.

Die außerordentliche Kündigung des Beklagten als fristlose oder solche mit sozialer Auslauffrist ist nicht gemäß §§ 4, 7, 13 KSchG allein deswegen wirksam geworden, weil der Kläger die materielle Ausschlussfrist des § 7 KSchG nicht eingehalten hätte.

Der Kläger hat bei Gericht am 19.02.2020 Klage erhoben mit dem Antrag zu 1) auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 12.02.2020 nicht beendet worden ist. Er hat (Bl. 3 d.A.) ausgeführt, der Sachverhalt den der Beklagte zur Kündigung heranziehe, genüge weder für eine fristlose, noch für eine außerordentliche mit sozialer Auslauffrist. Angegriffen hat der Kläger daher die Kündigung vom 12.02.2020 sowohl in der Form der fristlosen, als auch der hilfsweisen außerordentlichen mit sozialer Auslauffrist.

Die Kündigungsschutzklage ist dem Beklagten am 26.02.2020 (Bl. 8 d.A.) zugestellt worden. Die Klage ist daher innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 7 KSchG erhoben und zugestellt.

Die Kündigung des Beklagten ist daher als außerordentliche Kündigung fristlos, ebenso wie mit der vorsorglich eingeräumten Auslauffrist, wovon das Arbeitsgericht zutreffend ausgegangen ist, an den Anforderungen des § 626 BGB zu messen.

Dabei ist vorliegend zu berücksichtigen, was zwischen den Parteien unstreitig ist, dass auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis der TVöD-V Anwendung findet. Nach § 34 TVöD-V ist der Kläger, weil er das 40. Lebensjahr überschritten hat und länger als 15 Jahre bei dem Beklagten beschäftigten ist, ordentlich unkündbar.

Daher kann der Kläger nach § 34 Abs. 2 TVöD-V nur aus wichtigem Grund gekündigt werden. Der tarifliche Begriff des wichtigen Grundes lehnt sich vollumfänglich an die Regelung des § 626 Abs. 1 BGB an, dieser ist daher für die Auslegung der Tarifnorm maßgebend (BAG 25.04.2018 – 2 AZR 6/18).

Die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB sind vorliegend nicht gegeben.

Ein wichtiger Grund im Sinne der Generalklausel der § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung liegt dann vor, wenn Tatsachen gegeben sind, auf-grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und in der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung nicht zugemutet werden kann (vgl. BAG 27.01.2011 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 07.07.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 38; 21.06.2012 EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 63 = NZA 2013, 199; 27.09.2012 -2 AZR 646/11- EzA/SD 9/2013 Seite 6 LS). Damit wird der wichtige Grund zunächst durch die objektiv vorliegenden Tatsachen bestimmt, die an sich geeignet sind, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar zu machen. Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB ist deshalb jeder Sachverhalt, der objektiv das Arbeitsverhältnis mit dem Gewicht eines wichtigen Grundes belastet (vgl. BAG 27.01.2011 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 07.07.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 38). Entscheidend ist nicht der subjektive Kenntnisstand des Kündigenden, sondern der objektiv vorliegende Sachverhalt, der objektive Anlass. Berücksichtigt werden können nur die bis zum Ausspruch der Kündigung eingetretenen Umstände bei der Überprüfung der Frage, ob sie als Kündigungsgrund an sich geeignet sind (Ascheid/Preis/Schmidt Großkommentar Kündigungsrecht 4. Auflage 2012 (APS- Dörner/Vossen), § 626 BGB Rz. 42 ff.; Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Arbeitsrechts, DLW/Dörner, 6. Auflage 2022, Kap. 4. Rn. 1121 ff.).

Berücksichtigt werden können nur die bis zum Ausspruch der Kündigung eingetretenen Umstände bei der Überprüfung der Frage, ob sie als Kündigungsgrund an sich geeignet sind. Umstände, die erst danach entstanden sind, können die bereits erklärte Kündigung nicht rechtfertigen. Sie können allenfalls als Grundlage für eine weitere Kündigung oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG dienen. Nachträglich eingetretene Umstände können für die gerichtliche Beurteilung allerdings insoweit von Bedeutung sein, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen. Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde. Es darf aber nicht etwa eine ursprünglich unbegründete Kündigung durch eine Berücksichtigung späteren Verhaltens rückwirkend zu einer begründeten werden. Außerdem ist genau zu prüfen, welche konkreten Rückschlüsse auf den Kündigungsgrund späteres Verhalten wirklich erlaubt. Im Hinblick auf prozessuales Vorbringen gilt nichts Anderes (BAG 15.12.1955 NJW 1956, 807; 28.10.1971 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 9; 3.7.2003 EzA § 626 BGB 202 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 2; 24.11.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 12, 484; 10.6.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32).

Die danach zu berücksichtigenden Umstände müssen nach verständigem Ermessen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar erscheinen lassen (BAG AP-Nr. 4 zu § 626 BGB). Bei der Bewertung des Kündigungsgrundes und bei der nachfolgenden Interessenabwägung ist ein objektiver Maßstab anzulegen, so dass subjektive Umstände, die sich aus den Verhältnissen der Beteiligten ergeben, nur aufgrund einer objektiven Betrachtung zu berücksichtigen sind. Dabei ist insbes. nicht auf die subjektive Befindlichkeit des Arbeitgebers abzustellen; vielmehr ist ein objektiver Maßstab („verständiger Arbeitgeber“) entscheidend, also ob der Arbeitgeber aus der Sicht eines objektiven Betrachters weiterhin hinreichendes Vertrauen in den Arbeitnehmer haben müsste, nicht aber, ob er es tatsächlich hat (BAG 10.6.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32). Die danach maßgeblichen Umstände müssen sich konkret nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken; da der Kündigungsgrund zukunftsbezogen ist und die Kündigung keine Sanktion für das Verhalten in der Vergangenheit darstellt, kommt es auf seine Auswirkungen auf die Zukunft an, die vergangene Pflichtverletzung muss sich noch in Zukunft belastend auswirken (BAG 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 23.10.2008 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 25; 12.1.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67; 12.1.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68; LAG BW 25.3.2009 LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 20; LAG RhPf 26.2.2010 NZA-RR 2010, 297). Da es um den zukünftigen Bestand des Arbeitsverhältnisses geht, muss dessen Fortsetzung durch objektive Umstände oder die Einstellung oder das Verhalten des Gekündigten im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit aller Mitarbeiter, im persönlichen Vertrauensbereich (der Vertragspartner) oder im Unternehmensbereich konkret beeinträchtigt sein.

Das kann dann der Fall sein, wenn auch zukünftige Vertragsverstöße zu besorgen sind, d. h. wenn davon ausgegangen werden muss, der Arbeitnehmer werde auch künftig den Arbeitsvertrag nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen oder sonst von einer fortwirkenden Belastung des Arbeitsverhältnisses ausgegangen werden muss (LAG BW 25.3.2009 § 626 2002 Nr. 20; LAG RhPf 26.2.2010 NZA-RR 2010, 297).

Die erforderliche Überprüfung gem. § 626 Abs. 1 BGB vollzieht sich folglich zweistufig (vgl. z. B. BAG 24.3.2011 2 AZR 282/10 EzA-SD 16/2011 S. 3 LS. = NZA 2011, 1029; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35).

Zum einen muss ein Grund vorliegen, der unter Berücksichtigung der oben skizzierten Kriterien überhaupt an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Insoweit handelt es sich um einen Negativfilter, d. h., dass bestimmte Kündigungsgründe eine außerordentliche Kündigung von vornherein nicht rechtfertigen können.

Zum anderen muss dieser Grund im Rahmen einer Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch des Verhältnismäßigkeitsprinzips zum Überwiegen der berechtigten Interessen des Kündigenden an der – in der Regel – vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen (vgl. ausführlich APS-Dörner/Vossen, § 626 BGB a. a. O.; DLW-Dörner a. a. O.). In einer Gesamtwürdigung ist das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 24.3.2011 – 2 AZR 282/10- EzA-SD 16/2011 S. 3 LS. = NZA 2011, 1029; 27.09.2012 -2 AZR 646/11 – EzA-SD 9/2013, Seite 6 LS).

Entscheidend ist die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung bzw. bis zum Ende der vereinbarten Befristung (BAG 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; 27.09.2012 – 2 AZR 646/11 – EzA-SD 9/2013, Seite 6 LS; LAG Bl. 5.1.2005 – 17 Sa 1308/04 – EzA-SD 8/05, Seite 12 LS; Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, a. a. O.).

Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegen seiner erheblichen Pflichtverletzung zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung des Interesses des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen – einstweiligen – Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung der Umstände des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 27.09.2012 -2 AZR 646/11- EzA/SD 9/2013, Seite 6 LS).

Nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ist die außerordentliche Kündigung „Ultima Ratio“, so dass sie dann nicht gerechtfertigt ist, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar ist, weil dann die ordentliche Kündigung ein milderes Mittel als die außerordentliche Kündigung darstellt (BAG 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; 27.09.2012 -2 AZR 646/11- EzA/SD 9/2013 Seite 6 LS; krit. Stückmann/Kohlepp RdA 2000, 331 ff.).

Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus; sie dient der Objektivierung der Prognose (BAG 12.01.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67: 12.01.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Sie ist nur dann entbehrlich, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorgelegen haben, aufgrund derer eine Abmahnung als nicht Erfolg versprechend angesehen werden kann. Das ist insbes. dann anzunehmen, wenn erkennbar ist, dass der Arbeitnehmer nicht gewillt ist, sich vertragsgerecht zu verhalten. Nur besonders schwere Vorwürfe bedürfen keiner Abmahnung, wenn und weil der Arbeitnehmer dann von vornherein nicht mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen kann (LAG RhPf 26.02.2010 – 6 Sa 682/09, NZA-RR 2010, 297; LAG Nds. 12.02.2010 – 10 Sa 1977/08, EzA-SD 8/2010 S. 6 LS).

Einer Abmahnung bedarf es danach bei einem steuerbaren Verhalten des Arbeit-nehmers in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes also nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG 24.03.2011 – 2 AZR 282/10, EzA-SD 16/2011 S. 3 LS = NZA 2011, 1029; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 36; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 39 = NZA-RR 2012, 567;25.10.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 41 = NZA 2013, 319; LAG Hessen 27.02.2012 NZA-RR 2012, 471), denn dann ist grds. davon auszugehen, dass das künftige Verhalten des Arbeitnehmers schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann; die Abmahnung dient insoweit der Objektivierung der negativen Prognose: Ist der Arbeitnehmer ordnungsgemäß abgemahnt worden und verletzt er dennoch seine arbeitsvertraglichen Pflichten erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen. Das gilt grds. uneingeschränkt selbst bei Störungen des Vertrauensbereichs durch Straftaten gegen Vermögen oder Eigentum des Arbeitgebers (BAG 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; LAG Bln.-Bra. 30.03.2012 LAGE § 611 BGB 2002 Abmahnung Nr. 9 = NZA -RR 2012, 353; LAG Köln 20.01.2012 NZA-RR 2012, 356), denn auch in diesem Bereich gibt es keine „absoluten“ Kündigungsgründe. Stets ist konkret zu prüfen, ob nicht objektiv die Prognose berechtigt ist, der Arbeitnehmer werde sich jedenfalls nach einer Abmahnung künftig wieder vertragstreu verhalten (BAG 10.06.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32; Preis AuR 2010, 242; Schlachter NZA 2005, 433 ff.; Schrader NJW 2012, 342 ff.; s. LAG Bln.-Bra. 30.03.2012 LAGE § 611 BGB 2002 Abmahnung Nr. 9 = NZA-RR 2012, 353; Arbeitszeitbetrug; LAG Köln 20.01.2012 NZA-RR 2012, 356: vorzeitiges Arbeitsende ohne betriebliche Auswirkungen).

Entscheidender Zeitpunkt für die Beurteilung ist grundsätzlich (ebenso wie bei der ordentlichen Kündigung) der Zeitpunkt des Ausspruchs bzw. Zugangs der Kündigung. Die Wirksamkeit einer Kündigung ist grundsätzlich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt ihres Zugangs zu beurteilen. Dieser Zeitpunkt ist im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB sowohl für die Prüfung des Kündigungsgrundes als auch für die Interessenabwägung maßgebend. Umstände, die erst danach entstanden sind, können die bereits erklärte Kündigung nicht rechtfertigen. Sie können allenfalls als Grundlage für eine weitere Kündigung oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG dienen (BAG 10.6.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32 = NZA 2010, 1227; 28.10.1971 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 9; 15.12.1955 BAGE 2, 245).

Nachträglich eingetretene Umstände können für die gerichtliche Beurteilung allerdings insoweit von Bedeutung sein, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen (BAG 10.6.2010; a. a. O.; 28.10.1971 a. a. O.). Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde (BAG 10.6.2010 a. a. O; 15.12.1955 a. a. O.). Es darf aber nicht etwa eine ursprünglich unbegründete Kündigung durch die Berücksichtigung späteren Verhaltens rückwirkend zu einer begründeten werden (BAG 15.12.1955 a. a. O). Außerdem ist genau zu prüfen, welche konkreten Rückschlüsse auf den Kündigungsgrund späteres Verhalten wirklich erlaubt. Im Hinblick auf prozessuales Vorbringen (BAG 10.6.2010; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 202 Nr. 4 a. a. O.; 24.11.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 12; 3.7.2003 EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 2) gilt nichts Anderes.

Die in den aufgehobenen gesetzlichen Vorschriften der §§ 123, 124 Gewerbeordnung, 71, 72 HGB nach altem Recht genannten Beispiele für wechselseitige wichtige Gründe (z. B. Arbeitsvertragsbruch, beharrliche Arbeitsverweigerung) sind als wichtige Hinweise für typische Sachverhalte anzuerkennen, die an sich geeignet sind, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung zu bilden und die Kündigung in der Regel auch zu rechtfertigen, wenn keine besonderen Umstände zugunsten des Gekündigten sprechen (vgl. BAG AP-Nr. 99 zu § 626 BGB). „Absolute Kündigungsgründe“, die ohne eine besondere Interessenabwägung eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, bestehen andererseits jedoch nicht (BAG 15.11.1984 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 95; 10.6.2010; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 40 = NZA 2013, 27).

Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast gilt Folgendes:

Der Kündigende ist darlegungs- und beweispflichtig für die Umstände, die als wichtige Gründe geeignet sein können. Die Bewertung eines Fehlverhaltens als vorsätzlich liegt insoweit im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet und ist Gegenstand der tatrichterlichen Beweiswürdigung i.S.v. § 286 ZPO (BAG 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027).

Im Rahmen der ihr obliegenden Darlegungslast trifft jede Prozesspartei eine vollständige Substantiierungspflicht; sie hat sich eingehend und im Einzelnen nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiiert zu äußern. Andererseits darf von keiner Prozesspartei von Verfassungs wegen etwas Unmögliches verlangt werden. Der Konflikt zwischen diesen beiden Positionen wird gelöst durch das Prinzip der Sachnähe, d. h., je näher eine Prozesspartei an dem fraglichen tatsächlichen Geschehen selbst unmittelbar und persönlich beteiligt ist, desto eingehender hat sie substantiiert vorzutragen. Das kann so weit gehen, dass sie auch verpflichtet sein kann, durch tatsächliches Vorbringen oder Vorlage von Unterlagen die Gegenpartei überhaupt erst in die Lage zu versetzen, der ihr obliegenden Darlegungslast nachzukommen. Schließlich muss das tatsächliche Vorbringen wahrheitsgemäß sein (vgl. BAG 26.06.2008, 23.10.2008 EzA § 23 KSchG Nr. 32, Nr. 33).

Zu den die Kündigung begründen Tatsachen, die der Kündigende vortragen und gegebenenfalls beweisen muss, gehören auch diejenigen, die Rechtfertigungs-und Entschuldigungsgründe (z.B. eine vereinbarte Arbeitsbefreiung, die Einwilligung des Arbeitgebers in eine Wettbewerbstätigkeit; eine „Notwehrsituation“, vgl. LAG Köln 20.12.2000 ARST 2001, 187) für das Verhalten des gekündigten Arbeitnehmers ausschließen (BAG 06.08.1987 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 109; 18.09.2008 – 2 AZR 1039/06, EzA-SD 8/2009 S. 9: Notwehr bei tätlicher Auseinandersetzung; 03.11.2011 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 79 = NZA 2012, 607).

Der Umfang der Darlegungs- und Beweislast richtet sich danach, wie substantiiert der Gekündigte sich auf die Kündigungsgründe einlässt. Der Kündigende muss daher nicht von vornherein alle nur denkbare Rechtfertigungsgründe widerlegen.

Es reicht insoweit nicht aus, dass der Gekündigte pauschal und ohne nachprüfbare Angaben Rechtfertigungsgründe geltend macht. Er muss deshalb unter substantiierter Angabe der Gründe, die ihn gehindert haben, seine Arbeitsleistung, so wie an sich vorgesehen, zu erbringen, den Sachvortrag des Kündigenden nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen bestreiten. Gleiches gilt dann, wenn sich der Gekündigte anders als an sich vorgesehen verhalten hat (s. BAG 18.09.2008 – 2 AZR 1039/06, FA 2009, 221 LS).

Nur dann ist es dem Kündigenden möglich, diese Angaben zu überprüfen und ggf. die erforderlichen Beweise anzutreten (BAG 06.08.1987 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 109). Wenn der gekündigte Arbeitnehmer sich allerdings gegen die Kündigung wehrt und i.S.d. § 138 Abs. 2 ZPO ausführlich Tatsachen vorträgt, die einen Rechtfertigungsgrund für sein Handeln darstellen oder sonst das Verhalten in einem milderen Licht erscheinen lassen können, muss der Arbeitgeber seinerseits Tatsachen vorbringen und ggf. beweisen, die die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Rechtfertigungsgründe erschüttern (LAG Köln 21.04.2004 LAG Report 2005, 64 LS). Will der Arbeitgeber bspw. die außerordentliche Kündigung auf die Behauptung stützen, der Arbeitnehmer habe Beträge aus der Einlösung von Schecks unterschlagen, muss er im Einzelnen diese Unterschlagung darlegen und unter Beweis stellen. Wenn der Arbeitnehmer nachvollziehbar darlegt, wann und wenn er die Beträge abgeliefert hat, kann sich der Arbeitgeber nicht mit Erfolg auf den Standpunkt stellen, der Arbeitnehmer müsse die Ablieferung der Beträge beweisen (LAG Köln 26.06.2006 – 14 Sa 21/06, EzA-SD 19/06, S. 10 LS).

Die dem kündigenden Arbeitgeber obliegende Beweislast geht auch dann nicht auf den gekündigten Arbeitnehmer über, wenn dieser sich auf eine angeblich mit dem Arbeitgeber persönlich vereinbarte Arbeitsbefreiung beruft und er einer Parteivernehmung des Arbeitgebers zu der streitigen Zusage widerspricht.

In diesem Fall sind allerdings an das Bestreiten einer rechtswidrigen Vertragsverletzung hinsichtlich des Zeitpunkts, des Ortes und des Anlasses der behaupteten Vereinbarung, die das Verhalten des Arbeitnehmers rechtfertigen oder entschuldigen sollen, strenge Anforderungen zu stellen (BAG 24.11.1983 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 88; APS/Dörner/Vossen § 626 BGB Rn. 173 ff.).

Für das tatsächliche Vorbringen sowohl der darlegungsbelasteten Partei als auch des Prozessgegners gelten gemäß § 138 ZPO folgende Anforderungen:

Gemäß § 138 Abs. 1 ZPO haben die Parteien ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben. Gemäß § 138 Abs. 2 ZPO hat sich jede Partei über die von dem Gegner behauptete Tatsachen zu erklären. Gemäß § 138 Abs. 3 ZPO sind Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht. Gemäß § 138 Abs. 4 ZPO ist eine Erklärung mit Nichtwissen nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.

Insoweit hat jede Partei ihre allgemeine Darlegungslast zu beachten, die sie für die tatsächlichen Behauptungen trägt, für die sie die objektive Beweislast hat. Sie genügt den insoweit maßgeblichen Anforderungen dann, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen (BGH 31.07.2013 – VII ZR 59/12 – NJW 2013, 3180; 09.02.2009 – II ZR 77/08 – NJW 2009, 2137). Der Grad der Wahrscheinlichkeit der Behauptungen ist für den Umfang der Darlegungslast ohne Bedeutung (BGH 11.11.2014 – VIII ZR 302/13 – NJW 2015, 409). Im Interesse der Wahrung von Art. 103 Abs. 1 GG darf das Gericht keine überspannten Anforderungen an die Darlegung stellen (BGH 06.12.2012 – III ZR 66/12 – NJW – RR 2013, 296). Gemäß § 138 Abs. 2 ZPO hat sich sodann jede Partei über die vom Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. Die Anforderungen an die Substantiierungspflicht des Bestreitenden – vorliegend des Klägers – hängen davon ab, wie substantiiert der darlegungspflichtige Gegner – hier die Beklagte – vorgetragen hat (BGH 03.02.1999 – VIII ZR 14/98 – NJW 1999, 1404; 11.06.1990 – II ZR 159/89 – NJW 1990, 3151). In der Regel genügt gegenüber einer Tatsachenbehauptung des Darlegungspflichtigen das einfache Bestreiten des Gegners. Ob und inwieweit die nicht darlegungsbelastete Partei ihren Sachvortrag substantiieren muss, lässt sich nur aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag bestimmen, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrags bei hinreichendem Gegenvortrag immer zunächst Sache der darlegungs- und beweispflichtigen Partei ist (LAG Rheinland-Pfalz 10.07.2019 – 7 Sa 433/18 – NZA – RR 2019, 578). Eine darüberhinausgehende Substantiierungspflicht trifft die nicht beweisbelastete Partei nur ausnahmsweise dann, wenn der darlegungspflichtige Gegner außerhalb des von ihm darzulegenden Geschehensablaufs steht und die maßgebenden Tatsachen nicht näher kennt, wenn sie der anderen Partei bekannt und ihr ergänzende Angaben zuzumuten sind (BGH 03.02.1999, a.a.O.). Eine über diese anerkannten Fälle der Pflicht zum substantiierten Bestreiten hinausgehende allgemeine Aufklärungspflicht der nicht darlegungs- und beweispflichtigen Partei kennt die Zivilprozessordnung nicht (BAG 20.11.2003 – 8 AZR 580/02 – NJW 2004 2848; BGH 11.06.1990 a.a.O.). Keine Partei ist – über die genannten Fälle hinaus – gehalten, dem Kläger für seinen Prozesssieg das Material zu verschaffen, über das er nicht schon von sich aus verfügt (BGH 11.06.1999, a.a.O.). Eine allgemeine, nicht aus besonderen Rechtsgründen abgeleitete Pflicht zur Auskunftserteilung besteht (auch) im Arbeitsverhältnis nicht (BAG 14.11.2012 – 10 AZR 783/11 – Beck RS 2013, 65960). Zu berücksichtigen ist auch, dass für den Zivilprozess ebenso wie für strafrechtliche oder vergleichbare Verfahren anerkannt ist, dass die Wahrheitspflicht der Partei dort ihre Grenze findet, wo sie gezwungen wäre, eine ihr zur Unehre gereichende Tatsache oder eine von ihr begangene strafbare Handlung zu offenbaren (BVerfG 13.01.1981 – 1 BVR 116/77 – NJW 1981, 1431).

Für das erforderliche Beweismaß der vollen Überzeugung im Sinne des § 286 Abs. 1 ZPO gelten nachfolgende Grundsätze:

Gemäß § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist.

Auf der Basis der abgeschlossenen Beweisaufnahme stellt die richterliche Würdigung einen internen Vorgang in der Person der Richter zur Prüfung der Frage dar, ob ein Beweis gelungen ist. Im Rahmen dieses internen Vorgangs verweist § 286 ZPO ganz bewusst auf das subjektive Kriterium der freien Überzeugung des Richters und schließt damit objektive Kriterien – insbesondere die naturwissenschaftliche Wahrheit – als Zielpunkt aus. Die gesetzliche Regelung befreit den Richter bzw. das richterliche Kollegium von jedem Zwang bei seiner Würdigung und schließt es damit auch aus, dass das Gesetz dem Richter vorschreibt, wie er Beweise einzuschätzen und zu bewerten hat. Dabei ist Bezugspunkt der richterlichen Würdigung nicht nur das Ergebnis der Beweisaufnahme, sondern der gesamte Inhalt der mündlichen Verhandlung (vgl. Münchner Kommentar zur ZPO – Prütting, 4. Auflage 2013, § 286 Rn. 1 ff.).

Hinsichtlich der Anforderungen an die richterliche Überzeugung ist von Folgendem auszugehen: Die richterliche Überzeugung ist nicht gleichzusetzen mit persönlicher Gewissheit. Der Begriff der Gewissheit stellt nämlich absolute Anforderungen an eine Person. Er lässt für – auch nur geringe – Zweifel keinen Raum. Dies wird gesetzlich aber nicht verlangt; die gesetzliche Regelung geht vielmehr davon aus, das Gericht müsse etwas für wahr „erachten“. Bei dem Begriff der richterlichen Überzeugung geht es also nicht um ein rein personales Element der subjektiven Gewissheit eines Menschen, sondern darum, dass der Richter in seiner prozessordnungsgemäßen Stellung bzw. das Gericht in seiner Funktion als Streit entscheidendes Kollegialorgan eine prozessual ausreichende Überzeugung durch Würdigung und Abstimmung erzielt. Daraus folgt, dass es der richterlichen Überzeugung keinesfalls im Weg steht, wenn dem Gericht aufgrund gewisser Umstände Unsicherheiten in der Tatsachengrundlage bewusst sind. Unerheblich für die Beweiswürdigung und die Überzeugungsbildung ist auch die Frage der Beweislast. Richterliche Überzeugung ist vielmehr die prozessordnungsgemäß gewonnene Erkenntnis des einzelnen Richters oder der Mehrheit des Kollegiums, dass die vorhandenen Eigen- und Fremdwahrnehmungen sowie Schlüsse ausreichen, die Erfüllung des vom Gesetz vorgesehenen Beweismaßes zu bejahen. Es darf also weder der besonders leichtgläubige Richter noch der generelle Skeptiker ein rein subjektives Empfinden als Maß der Überzeugung setzen, sondern jeder Richter muss sich bemühen, unter Beachtung der Prozessgesetze, Ausschöpfung der gegebenen Erkenntnisquellen und Würdigung aller Verfahrensergebnisse in gewissenhafter und vernünftigerweise eine Entscheidung nach seiner Lebenserfahrung darüber zu treffen, ob im Urteil von der Wahrheit einer Tatsachenbehauptung auszugehen ist. Dabei muss sich das Gericht allerdings der Gefahren für jede Wahrheitsfindung bewusst sein.

Dabei ist letzten Endes ausschlaggebend, dass das Gesetz eine von allen Zweifeln freie Überzeugung nicht voraussetzt. Vielmehr kommt es auf die eigene Überzeugung des entscheidenden Richters an, auch wenn andere zweifeln oder eine andere Auffassung erlangt haben würden. Der Richter darf und muss sich aber in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGHZ 53, 245 = NJW 1970, 946; vgl. Münchner Kommentar zur ZPO – Prütting a. a. O., Rn. 28 ff). Vom Richter wird letztlich verlangt, dass er die volle Überzeugung erlangt, dass er eine streitige Tatsachenbehauptung für wahr erachtet. Diese Überzeugung kann und darf er nicht gewinnen, wenn für die streitige Behauptung nur die überwiegende Wahrscheinlichkeit spricht, vielmehr muss für die behauptete Tatsache eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit sprechen, damit der Richter die Tatsache für wahr erachtet.

Die Tatsachengerichte haben nach § 286 Abs. 1 S. 2 ZPO die wesentlichen Grundlagen ihrer Überzeugungsbildung nachvollziehbar darzulegen (BAG 21.09.2017 – 2 AZR 57/17, EzA § 4 KSchG n.F. Nr. 101 = NZA 2017, 1524). Für die volle richterliche Überzeugungsbildung nach § 286 Abs. 1 ZPO ist dabei, wie dargelegt, ausreichend, dass ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit erreicht ist, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig ausschließen zu müssen (BAG 25.04.2018 – 2 AZR 611/17, EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 17 = NZA 2018, 1405).

Soll ein Vortrag mittels Indizien bewiesen werden, hat das Gericht zu prüfen, ob es die vorgetragenen Hilfstatsachen – deren Richtigkeit unterstellt – von der Wahrheit der Haupttatsache überzeugen. Es hat die insoweit maßgebenden Umstände vollständig und verfahrensrechtlich einwandfrei zu ermitteln und alle Beweisanzeichen erschöpfend zu würdigen. Die wesentlichen Grundlagen der Überzeugungsbildung sind nach § 286 Abs. 1 S. 2 ZPO nachvollziehbar darzulegen. Dies erfordert keine ausdrückliche Auseinandersetzung mit allen denkbaren Gesichtspunkten. Die Urteilsgründe müssen aber erkennen lassen, dass überhaupt eine sachentsprechende Beurteilung stattgefunden hat. Es genügt nicht, allein durch formelhafte Wendungen ohne Bezug zu den konkreten Fallumständen zum Ausdruck zu bringen, das Gericht sei von der Wahrheit einer Tatsache überzeugt oder nicht überzeugt (BAG 25.04.2018 – 2 AZR 611/17, EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 17 = NZA 2018, 1405).

Dem Tatrichter ist es nach § 286 ZPO grundsätzlich auch erlaubt, allein aufgrund des Vortrags der Parteien und ohne Beweiserhebung festzustellen, was für wahr und was für nicht wahr zu erachten ist. Er kann im Rahmen der freien Würdigung des Verhandlungsergebnisses den Behauptungen und Angaben (vgl. § 141 ZPO) einer Partei unter Umständen auch dann glauben, wenn diese ihre Richtigkeit sonst nicht – auch nicht mittels Parteivernehmung, weil es an der erforderlichen Anfangswahrscheinlichkeit fehlt – beweisen kann. Hat die erste Instanz ihre freie Überzeugung nach § 286 ZPO auf eine Parteianhörung gestützt, muss das Berufungsgericht sich im Rahmen seiner Überzeugungsbildung mit dem Ergebnis dieser Parteianhörung auseinandersetzen und die informatorische Anhörung nach § 141 ZPO ggf. selbst durchführen (BGH 27.09.2017 – XII ZR 48/17, NJW-RR 2018, 249).

Vorliegend hat der Beklagte die Kündigungen gestützt auf die E-Mails des Klägers vom 02. und 09.02.2020 und dabei einerseits den beleidigenden Inhalt der E-Mails, insbesondere im Hinblick auf Herrn K., andererseits den Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Verschwiegenheits- und Loyalitätspflicht durch die Weitergabe von Informationen durch diese E-Mails an Sparkassen-Vorstände und an die Öffentlichkeit angeführt. Damit stützt der Beklagte die streitgegenständlichen Kündigungen auf die erhebliche Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten des Arbeitnehmers gemäß § 241 Abs. 2 BGB.

Als wichtiger Grund kann neben der Verletzung vertraglicher Hauptpflichten auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten „an sich“ geeignet sein, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen (BAG 31. Juli 2014 – 2 AZR 505/13; 8. Mai 2014 – 2 AZR 249/13 – juris). Zu diesen Nebenpflichten zählt insbesondere die Pflicht der Arbeitsvertragsparteien zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des jeweils anderen Teils (§ 241 Abs. 2 BGB). Danach hat der Arbeitnehmer seine Arbeitspflichten so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben verlangt werden kann (BAG 31. Juli 2014 – 2 AZR 505/13; 8. Mai 2014 – 2 AZR 249/13 – aaO).

Der Arbeitnehmer ist gem. § 241 Abs. 2 BGB bspw. verpflichtet, Störungen des Betriebsfriedens oder Betriebsablaufs zu vermeiden. Verhält sich ein Arbeitnehmer bewusst illoyal gegenüber Vorgesetzten und führt dies zu einer gewichtigen Störung des Betriebsfriedens, kann eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses, ggf. auch ohne Abmahnung, gerechtfertigt sein (BAG 01.06.2017 – 6 AZR 720/15, EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist 7 = NZA 2017, 1332). Zu beachten ist allerdings, dass auch auf den Erhalt des „Betriebsfriedens“ gerichteten Verhaltenspflichten i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB einer Konkretisierung unter Berücksichtigung der wechselseitigen Interessen und grundrechtlichen Gewährleistungen bedürfen. Allein der Umstand, dass eine Störung eingetreten ist, genügt nicht für die Annahme, ein Arbeitnehmer, der dazu beigetragen hat, habe auch seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers verletzt (BAG 30.07.2020 – 2 AZR 43/20, NZA 2020, 1427; s. LAG Bln.-Bra. 07.11.2019 – 5 Sa 134/19, NZA-RR 2020, 183, Möllenkamp NZA-RR 2020, 599).

Beleidigt ein Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber, einen Vorgesetzten oder seine Arbeitskollegen grob, d.h. wenn die Beleidigung nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betreffenden bedeutet, stellt dies einen erheblichen Verstoß gegen seine vertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) aus dem Arbeitsverhältnis dar und kann einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung an sich bilden (BAG 05.12.2019 – 2 AZR 240/19, EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 87 = NZA 2020, 646; 18.12.2014 EzA Art. 5 GG Nr. 29 = NZA 2015, 797; 27.09.2012 – 2 AZR 646/11, JurionRS 2012, 36815 = NZA 2013, 808). Was als grobe Beleidigung anzusehen ist, muss unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles entschieden werden. Zu berücksichtigen hierbei ist, ob und inwieweit die Auseinandersetzung vom Arbeitgeber mitverursacht wurde. Von Bedeutung sind weiterhin der betriebliche bzw. der branchenübliche Umgangston und die Gesprächssituation. Bei Vorliegen einer groben Beleidigung des Arbeitgebers und/oder seiner Vertreter oder Repräsentanten, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den bzw. die Betroffenen bedeuten, kann sich der Arbeitnehmer nicht erfolgreich auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 GG berufen (LAG SchlH 24.01.2017 – 3 Sa 244/16, LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 67; s.a. LAG MV 11.07.2017 – 5 TaBV 13/16, LAGE § 103 BetrVG 2001 Nr. 22).

Auch in einem Betrieb ist allerdings gleichwohl die Meinungsfreiheit geschützt und sachbezogene Auseinandersetzungen dürfen durchaus scharf geführt werden. Schmähkritik genießt freilich nicht den Schutz von Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG. Eine Schmähung ist eine Äußerung – unter Berücksichtigung von Anlass und Kontext – allerdings nur dann, wenn jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern allein die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (BAG 05.12.2019 – 2 AZR 240/19, EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 87 = NZA 2020, 646).

Tragendes Merkmal des Schutzbereiches der Meinungsfreiheit ist die persönliche Meinung. Kennzeichnend ist ihre Subjektivität: Das Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens und Meinens im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung (ErfK/Schmidt Art. 5 GG Rn. 5). Unerheblich sind die Bedeutsamkeit, die Richtigkeit oder gar die Vernünftigkeit einer Äußerung (BVerfG 04.11.2009 – 1 BvR 2150/08, NJW 2010, 47). Geschützt ist auch die Freiheit, die persönliche Wahrnehmung von Ungerechtigkeiten in subjektiver Emotionalität zu äußern (BVerfG 10.03.2016 – 1 BvR 2844/13, NV wZ 2016, 761). Selbst polemische und beleidigende Werturteile oder rechtsextremistische Äußerungen fallen in den Schutzbereich, soweit sie als Teil des Meinungskampfes verstanden werden müssen (BVerfG 08.12.2010 – 1 BvR 1106/08; EuGRZ 2011, 88; ErFK/Schmidt Art. 5 GG Rn.5) Diese Grenze überschreitet erst die sog. Schmähkritik, die nur noch auf die Verunglimpfung einer Person abzielt, für die also Meinungsbildung – und sei es in noch so polemischer und zugespitzter Form – keine Rolle mehr spielt. Ihr fehlt der Sachbezug. Schmähkritik genießt nicht den Schutz von Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG. Eine Schmähung ist eine Äußerung unter Berücksichtigung von Anlass und Kontext – jedoch nur dann, wenn jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern allein Diffamierung der Person im Vordergrund steht (BAG 05.12.2019 – 2 AZR 240/19, EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 87 = NZA 2020, 646). Diese Ausnahme ist eng auszulegen (BVerfG 02.07.2013 – 1 BvR 1751/12, JurionRS 2013. 42027 = NJW 2013, 3021; 28.07.2014 – 1 BvR 482/13, JurionRS 2014, 21977 = NJW 2014, 3357) Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit sind insoweit schon dann verkannt, wenn eine Äußerung unzutreffend als Formalbeleidigung oder Schmähkritik eingestuft wird mit der Folge, dass sie dann nicht im selben Maß am Schutz des Grundrechts teilnimmt wie Äußerungen, die als Werturteil ohne beleidigenden oder schmähenden Charakter anzusehen sind (BVerfG 14.06.2019 – 1 BvR 2433/17, EzA Art. 5 GG Nr. 33 = NJW 2019, 2600).

Auch Werturteile fallen in den Schutzbereich des Rechts auf Meinungsfreiheit. Dasselbe gilt für Äußerungen, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen, sofern sie durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind (BAG 05.12.2019 – 2 AZR 240/19, EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 87 = NZA 2020, 646). Auseinandersetzungen dürfen durchaus scharf geführt werden. Allein in dem sinngemäßen Vorwurf an einen Vorgesetzten, ein Ausbeuter zu sein, liegt daher keine Schmähkritik. Ein Sachbezug ist nicht von vornherein zu verneinen, wenn im Betrieb eine Rücksichtslosigkeit vor Diskriminierung, etwa von befristet Beschäftigten oder im Wege der Arbeitnehmerüberlassung prekär Beschäftigten, kritisiert wird, und die im Zusammenhang mit Beratungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber über eine Gesundheitsprämie und zur betrieblichen Praxis der Übernahme zeitweilig Beschäftigter in ein Dauerarbeitsverhältnis steht (BVerfG 30.05.2018 – 1 BvR 1149/17, NZA 2018, 924).

Dasselbe gilt für Äußerungen, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen, sofern sie durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind (BAG 05.12.2019 – 2 AZR 240/19, EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 87 = NZA 2020, 646). Werturteile sind über Art. 5 Abs. 1 GG in weiterem Umfang geschützt als (unrichtige) Tatsachenbehauptungen. Sie sind nicht schon dann unzulässig, wenn es sich um überzogene, ungerechte oder auffällige Kritik handelt, sondern erst dann, wenn sie den Charakter einer Schmähung (s. BAG 05.12.2019 – 2 AZR 240/19, EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 87 = NZA 2020, 646) annehmen. Das ist der Fall, wenn bei einer Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung der Person im Vordergrund steht, die jenseits polemischer und zugespitzter Kritik diffamiert und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll (BAG 05.12.2019 – 2 AZR 240/19, EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 87 = NZA 2020, 646; LAG Düsseld. 0ß4.03.2016 LAGE Art. 5 GG Nr. 10; s.a. LAG Bln.-Bra. 02.10.2014 NZA-RR 2015, 125; BVerfG 30.05.2018 – 1 BvR 1149/17, NZA 2018, 924: Ausbeuter). Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit sind insoweit dann verkannt, wenn eine Äußerung unzutreffend als Formalbeleidigung oder Schmähkritik eingestuft wird mit der Folge, dass sie dann nicht im selben Maß am Schutz des Grundrechts teilnimmt wie Äußerungen, die als Werturteil ohne beleidigenden oder schmähenden Charakter anzusehen sind (BVerfG 14.06.2019 – 1 BvR 2433/17, EzA Art. 5 GG Nr. 33 = NJW 2019, 2600). In einer zugespitzten innerbetrieblichen Situation ist es dem Arbeitnehmer erlaubt, für den eigenen Sachstandpunkt auch mit scharfer Polemik zu werben, soweit dabei nicht andere Personen beleidigt oder in vergleichbar schwerer Weise unsachlich angegriffen werden (LAG MV 14.08.2012 NZA-RR 2013, 20).

Selbst dann, wenn in einer zugespitzten innerbetrieblichen Situation eine schriftliche Beschwerde des Arbeitnehmers wegen der darin enthaltenen persönlich herabsetzenden Angriffe gegen den Arbeitgeber als pflichtwidrig eingestuft wird, muss bei der Gesamtbewertung des Ausmaßes des Fehlverhaltens des Arbeitnehmers zu seinen Gunsten die entstandene innerbetriebliche Spannung berücksichtigt werden. Denn wenn beide – Arbeitgeber und Arbeitnehmer – zu dem Aufbau der Spannungen beigetragen haben, hat ein in diesem Rahmen feststellbares Fehlverhalten des Arbeitnehmers ein geringeres Gewicht, als wenn er sich ohne jede Veranlassung in pflichtwidriger Weise in einer Beschwerde abfällig über seinen Arbeitgeber äußert (LAG MV 14.08.2012 NZA -RR 2013, 20; s.a. BAG 11.07.2013 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 6 = NZA 2014, 250).

Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung der Umstände des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Beruhen falsche Tatsachenbehauptungen auf einem Missverständnis des Arbeitnehmers, ist der Irrtum für die Interessenabwägung selbst dann nicht völlig bedeutungslos, wenn er für den Arbeitnehmer vermeidbar war (BAG 27.09.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 43 = NZA 2013, 808; s.a. BAG 18.12.2014 EzA Art. 5 GG Nr. 29 = NZA 2015, 797).

Das BAG (24.11.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 13; 07.07.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 38= NZA 2011, 1413; s.a. BVerfG 30.05.2018 – 1 BvR 1149/17; NZA 2018, 924: Ausbeuter; BAG 31.07.2014 EzA § 15 KSchG n.F. Nr. 73 = NZA 2015, 245; EGMR 12.09.2011 NZA 2012, 1421: Spanien) hat insoweit folgende Grundsätze aufgestellt:

Vergleicht ein Arbeitnehmer die betrieblichen Verhältnisse und Vorgehensweisen des Arbeitgebers durch einen Arbeitnehmer (Betriebsratsmitglied) mit dem nationalsozialistischen Terrorsystem (s. BAG 07.07.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 38 = NZA 2011, 1413) oder gar mit den in Konzentrationslagern begangenen Verbrechen ist dies an sich geeignet, einen wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB zu bilden (ebenso LAG SchlH 29.08.2006 – 6 Sa 72/06, EzA – SD 23/06 S. 8 LS; LAG Düsseld. 04.03.2016 LAGE Art. 5 GG Nr. 10). Gleiches gilt, wenn die Zustände im Betrieb als „schlimmer als in einem KZ“ bezeichnet werden (LAG Köln 01.08.2008 LAGE § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 101 a; Hess. LAG 27.03.2009 – 8 TaBV 10/08, AuR 2009, 184 LS; die Interessenabwägung endete aber zugunsten des 55jährigen, schwer behinderten Arbeitnehmers mit einer 35jährigen Betriebszugehörigkeit, der sich glaubhaft entschuldigt hatte). Demgegenüber ist davon auszugehen, dass auch ein möglicher Vergleich der Arbeitsbedingungen im Betrieb mit denen im KZ vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt ist. Schmähkritik liegt nur dann vor, wenn es nicht um Sachkritik (s. ArbG Freiburg 12.06.2018 – 4 Ca 79/18, NZA-RR 2018, 535) geht, sondern eine Person ohne Tatsachenkern herabgewürdigt werden soll (LAG Bln.-Bra. 02.10.2014 – 10 TaBV 1134/14, LAGE § 103 BetrVG 2001 Nr. 17 = NZA-RR 2015, 125; s. BVerfG 30.05.2018 – 1 BvR 1149/17, NZA 2018, 924; 14.06.2019 – 1 BvR 2433/17, EzA Art. 5 GG Nr. 33 = NJW 2019, 2600; BAG 05.12.2019 – 2 AZR 240/19, EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 87 = NZA 2020, 646; Rauch/Schwarzer DB 2020, 1518). Denn die Gleichsetzung noch so umstrittener betrieblicher Vorgänge und der Vergleich des Arbeitgebers oder der für ihn handelnde Personen mit den vom Nationalsozialismus geförderten Verbrechen und den Menschen, die diese Verbrechen begingen, stellt zwar eine grobe Beleidigung der damit angesprochenen und zugleich eine Verharmlosung des begangenen Unrechts und eine Verhöhnung seiner Opfer dar. Ob eine Meinungsäußerung allerdings tatsächlich einen derartigen Vergleich enthält, ist durch eine sorgfältige, den Wertgehalt des Art. 5 Abs. 1 GG berücksichtigende Sinnermittlung zu klären, die durch das Revisionsgericht in vollem Umfang nachprüfbar ist. Insoweit darf einer Äußerung kein Sinn beigelegt werden, den sie nicht besitzt. Bei mehrdeutigen Äußerungen muss eine ebenfalls mögliche Deutung mit überzeugenden Gründen ausgeschlossen werden. Bei Aussagen, die bildlich eingekleidet sind, müssen sowohl die Aussage der Einkleidung selbst als auch die Kernaussage je für sich dahin überprüft werden, ob sie die gesetzlichen Grenzen überschreiten.

Die Grenze zwischen einer lediglich überspitzten oder polemischen Kritik und einer nicht mehr vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) gedeckten Schmähung ist nämlich erst dann überschritten, wenn bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (BAG 05.12.2019 – 2 AZR 240/19, EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 87 = NZA 2020, 6467.7.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 38 = NZA 2011, 1413; LAG Bln.-Bra. 02.10.2014 – 10 TaBV 1134/14, LAGE § 103 BetrVG 2001 Nr. 17; s.a. BVerfG 30.05.2018 – 1 BvR 1149/17, NZA 2018, 924; 14.06.2019 – 1 BvR 2433/17, EzA Art. 5 GG Nr. 33 = NJW 2019, 2600). Die Äußerung „beweg selbst deinen Arsch, du faules Schwein“ eines Hausarbeiters/Hilfspflegers in einem evangelischen Krankenhaus gegenüber einem Gruppenleiter rechtfertigt nach LAG Düsseld. (10.12.2008 – 12 Sa 1190/08; AuR 2009, 144 LS) keine Kündigung, wenn dem Arbeitgeber dadurch keine wesentlichen Nachteile entstanden sind.

Ein Kündigungsgrund wird i.d.R. dann vorliegen, wenn der Arbeitnehmer den Straftatbestand der §§ 185, 223, 130, 131, 86, 86 a StGB erfüllt. Darüber hinaus bedarf es im Einzelfall einer Abwägung des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 GG mit den beeinträchtigten Arbeitnehmerinteressen BAG 31.07.2014 EzA § 15 KSchG n.F. Nr. 73; 18.12.2014 EzA Art. 5 GG Nr. 29 = NZA 2015, 797; BVerfG 30.05.2018 – 1 BvR 1149/17, NZA 2018, 924). Hierbei muss die Meinungsfreiheit hinter einer Verletzung der Ehre des Arbeitgebers oder der Arbeitskollegen des Arbeitnehmers, dem Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs des Arbeitgebers vor gezielten Angriffen oder Angriffen auf den Ruf des Arbeitgebers in der Öffentlichkeit zurückstehen. Gleiches gilt, wenn es aufgrund der Meinungskundgabe zu Störungen des Betriebsablaufs oder des Betriebsfriedens kommt und Belegschaftsangehörige belästigt oder bei der Erfüllung ihrer Arbeitspflichten beeinträchtigt werden. Dies gilt ebenfalls für den Fall, dass das Verhalten des Arbeitnehmers das für das Arbeitsverhältnis erforderliche Vertrauen des Arbeitgebers in ihn unrettbar zerstört. Einen eigenen Kündigungsgrund – Ausländerfeindlichkeit – oder – Antisemitismus – gibt es nicht; vielmehr ist jeder Einzelfall nach den allgemeinen Grundsätzen des Kündigungsschutzrechts zu beurteilen (Krummel/Küttner NZA 1996, 67 ff.: s.a. BAG 01.06.2017 – 6 AZR 720/15, EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 7 = NZA 2017, 1332; ArbG Stuttgart 145.03.2019 – 11 Ca 3737/18, LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 82; BVerfG 30.05.2018 – 1 BvR 1149/17, NZA 2018, 924). Zu berücksichtigen ist, dass (auch) auf den Erhalt des „Betriebsfriedens“ gerichtete Verhaltenspflichten i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB einer Konkretisierung unter Berücksichtigung der wechselseitigen Interessen und grundrechtlichen Gewährleistungen bedürfen. Allein der Umstand, dass eine Störung eingetreten ist, genügt nicht für die Annahme, ein Arbeitnehmer, der dazu beigetragen hat, habe auch seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers verletzt (BAG 30.07.2020 – 2 AZR 43/20, NZA 2020, 1427; s. LAG Bln.-Bra. 07.11.2019 – 5 Sa 134/19, NZA-RR 2020; 183).

Die allgemeine Pflicht, dass die Parteien eines Schuldverhältnisses zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichtet sein können (§241 Abs. 2 BGB), verdichtet sich wegen der besonderen persönlichen Bindung der Vertragspartner eines Arbeitsverhältnisses regelmäßig zu einer Vielzahl von Nebenleistungspflichten wie Unterlassungs- und Handlungspflichten. Allgemeine Sorgfalts-, Obhuts-, Fürsorge-, Aufklärungs- und Anzeigepflichten dienen dazu, die Erbringung der Hauptleistung vorzubereiten und zu fördern, die Leistungsmöglichkeit zu erhalten und den Leistungserfolg zu sichern (BAG 28.10.2010 EzA § 611 BGB 2002 Arbeitnehmerhaftung Nr. 3). Der konkrete Inhalt der Rücksichtnahmepflicht ergibt sich aus dem jeweiligen Arbeitsvertrag und seinen spezifischen Anforderungen; einer besonderen Vereinbarung bedarf es insoweit nicht (BAG 24.03.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 34 = NZA 2011, 1029).

Da sich die Schutzpflichten des Arbeitgebers aus der vertraglichen Sonderbindung der Vertragsparteien ergeben, sind nur die Interessen des Arbeitnehmers schutzwürdig, die für das Arbeitsverhältnis relevant sind. Ferner ist der Arbeitgeber im Hinblick auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip keineswegs verpflichtet, eigene überwiegende und schutzwerte Interessen zu vernachlässigen (BAG 24.10.2018 – 10 AZR 69/18, EzA-SD 1/2019 S. 8 = NZA 2019, 161); notwendig ist insoweit eine Interessenabwägung dahin, dass das Schutzinteresse des Arbeitnehmers überwiegt.

Ein genereller Verzicht des Arbeitnehmers auf die Einhaltung der Schutzpflichten im Arbeitsvertrag widerspricht im Übrigen i. d. R. sowohl § 138 Abs. 1 als auch § 138 Abs. 2 BGB.

Bei einer Verletzung der Schutzpflicht durch den Arbeitgeber kommen Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers aus §§ 280 ff., 241 Abs. 2 BGB (s. BAG 24.09.2009 – 8 AZR 444/08, JurionRS 2009, 31300) nach Maßgabe der §§ 276, 278 BGB, u. U. auch gem. §§ 823, 831 BGB in Betracht.

Inhalt und Umfang der Haftung richten sich nach §§ 249 ff., 618, 842-846, 831 BGB. Gemäß § 253 BGB kommt auch ein Anspruch auf Entschädigung in Betracht.

Für Fälle, in denen ein Arbeitnehmer Strafanzeige gegen den Arbeitgeber aufgrund innerbetrieblicher Vorgänge erstattet und damit insbesondere entsprechende Missstände anprangert („Whistleblowing“), gilt Folgendes:

Im Mittelpunkt steht die Entwicklung von Kriterien dafür, ob und inwieweit der Arbeitnehmer im konkreten Einzelfall mit und ohne vertragliche Verschwiegenheitspflicht berechtigt ist, den Arbeitgeber bei öffentlichen Stellen anzuzeigen bzw. an die Öffentlichkeit zu gehen. Einerseits übt der Arbeitnehmer mit einer Strafanzeige ein staatsbürgerliches Recht aus, ohne das die Aufklärung von Wirtschaftskriminalität oft kaum möglich wäre, andererseits können derartige Handlungen die Rücksichtnahmepflicht gem. § 241 Abs. 2 BGB verletzen (KR/Rachor, 12. Aufl., § 1 KSchG; DLW/Dörner, Kap. 3 Rdnr. 447 ff.).

Dabei ist davon auszugehen, dass der Arbeitgeber nicht darauf vertrauen kann, wegen eines gesetzwidrigen Verhaltens nicht angezeigt zu werden. Mit einer nicht wissentlich unwahren oder leichtfertig falschen Anzeige einer Straftat verletzt der Arbeitnehmer, auch aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nicht seine Rücksichtnahmepflicht gegenüber dem Arbeitgeber (EGMR 21.07.2011 – 28274/08, EzA-SD 16/2011 S. 3 LS = NZA 2011, 1269; ErfK/Preis § 611a BGB; Ulber NZA 2011, 962; Schlachter RdA 2012, 109; krit. Forst NJW 2011, 3477; s. BVerfG 02.07.2001 – 1 BvR 2049/00, NZS 2001, 888, 890; LAG Düsseld. 17.01.2001 – 11 Sa 1422/01, BeckRS 2004, 42537 = DB 2002, 1612; Deiseroth AuR 2002, 161 ff.; Müller NZA 2002, 424, 437). Dem Arbeitnehmer darf kein Nachteil daraus entstehen, dass er seine staatsbürgerlichen Pflichten erfüllt, z.B. eine Zeugenaussage bei der Staatsanwaltschaft macht (BAG 07.12.2006 – 2 AZR 400/05, NZA 2007, 502; LAG SA 14.02.2006 – 8 Sa 385/05, LAGE BGB 2002 § 612a Nr. 2 – BeckRS 2006, 41644; ErfK/Preis § 611a BGB Rn. 716). Das verfassungsrechtlich geschützte Verhalten des Arbeitnehmers ist auch bei „freiwilligen“ Anzeigen zu berücksichtigen (BVerfG 02.07.2001 – 1 BvR 2049/00, NZA 2001, 888, 890). Als berechtigte Interessenwahrnehmungspflicht ist jedoch andererseits anzuerkennen, dass der Arbeitnehmer vor Erstattung einer Anzeige den Arbeitgeber auf ihm bisher nicht bekanntes bzw. nicht grob fahrlässig unbekannt gebliebenes gesetzwidriges Verhalten in seinem Betrieb hinweist (s. § 9 Abs. 2 ArbSchG; ErfK/Preis § 611a BGB Rn. 716; Preis/Reinfeld AuR 1989, 370; MünchArbR/Reichold § 54 Rn. 41; Müller NZA 2002, 424, 436).

Auch die an sich berechtigte Anzeige darf nicht missbräuchlich ausgeübt werden (Übermaßverbot: ErfK/Preis § 611a BGB Rn. 717; MünchArbR/Reichold § 54 Rn. 41; Müller NZA 2002, 424, 436). Wenn bei objektiver Betrachtung erwartet werden kann, der Arbeitgeber werde einer Beschwerde nachgehen, darf der Arbeitnehmer nicht unmittelbar eine Anzeige erheben (BAG 03.07.2003 – 2 AZR 235/02, NZA 2004, 427). Gerechtfertigt ist die Anzeige aber andererseits jedenfalls dann, wenn der Versuch, innerbetriebliche Abhilfe zu schaffen, erfolglos geblieben ist (LAG Köln 10.07.2003 – 5 Sa 151/03, BeckRS 2003, 13701 – MDR 2004, 41; Preis/Reinfeld AuR 1989, 372; Münch ArbR/Reichold § 54 Rn. 41). Dabei kann nicht generell davon ausgegangen werden, dass bei implementierten Compliance-Systemen stets zunächst der Versuch einer innerbetrieblichen Klärung zu fordern ist. Denn zwar verfügen die meisten deutschen Unternehmen über durchaus erfolgreiche und leistungsfähige Compliance-Systeme. Deren Effizienz wird aber in der betrieblichen Praxis durchaus kontrovers diskutiert; ein Whistle-Blower-System kann von den Mitarbeitern z.B. als (überraschende) Misstrauensbekundung seitens der Unternehmensführung verstanden werden, ein anonymes Postfach wie die Einladung oder Aufforderung zum Denunziantentum (Möhrle/Weinen CCZ 2016, 253; s. DLW/Dörner, Kap. 3 Rdnr. 447.8). Mangelnde Transparenz darüber, was mit Hinweisen in einem Hinweisgebersystem eigentlich geschieht, wie verantwortlich geprüft und verfahren wird, kann zudem zu Gerüchtebildung führen und diffuses Misstrauen fördern. Das gilt erst recht dann, wenn unklar ist, ob die Information, die dem Hinweissystem übergeben wird, erkennbar ohne Umwege in das Headquarter gelangt, was ebenfalls zu mangelnder Akzeptanz führen kann (Möhrle/Weinen CCZ 2016, 253). Vor diesem Hintergrund kann nur auf die konkreten Umstände des Einzelfalls, also auf die tatsächliche betriebliche Praxis und ihre – für den betroffenen Arbeitnehmer vor Ort erkennbar gelebte – faktische Effizienz I.S. des ernsthaften und auch erfolgreichen Bemühens um das Beheben innerbetrieblicher Missstände abgestellt werden (s. Gerdemann RdA 2019, 19 ff). Voraussetzung ist also, dass der Arbeitgeber einen effektiven, dem Persönlichkeitsschutz des Arbeitnehmers gerecht werdenden Weg im Rahmen institutioneller Präventionsmaßnahmen bereitgestellt hat (KR/Fischermeier § 626 BGB Rn. 424, Forst NJW 2011, 3481; s. KR/Rachor § 1 KschG Rn. 462; Günther NZA 2010, 367 ff.; Dann/Mengel NJW 2010, 3265 ff.).

Der Vorrang innerbetrieblicher Abhilfe ist auch dann zu verneinen, wenn dem Arbeitgeber die Gesetzwidrigkeit bekannt ist, von ihm gebilligt wurde, die Beseitigung objektiv unmöglich ist oder vom Arbeitgeber nicht erwartet werden kann (LAG BW 03.02.1987 – 7 (13) Sa 95/86, NZA 1987, 756; ErfK/Preis § 611a BGB Rn. 717). Das Gleiche gilt, wenn der Verstoß von den gesetzlichen Vertretern des Arbeitgebers begangen wurde (BAG 07.12.2006 – 2 AZR 400/05, NZA 2007, 502). Bei Straftaten dagegen, die sich gegen den Arbeitnehmer selbst richten, kann die Anzeige nicht arbeitsvertraglich unzulässig sein. Ebenso ist es, wenn sich der Arbeitnehmer durch die Nichtanzeige strafbar macht (BAG 03.07.2003 – 2 AZR 235/02, NZA 2004, 427; ErfK/Preis § 611a BGB Rn. 717). Anders ist es aber dann, wenn der Anzeigende aus zu missbilligenden und verwerflichen Motiven (Rache, Schädigungsabsicht) heraus handelt (BAG 03.07.2003 – 2 AZR 235/02, NZA 2004, 427; 04.07.1991 – 2 AZR 80/91, BeckRS 1991, 30738133; LAG Hessen 12.12.1987 LAGE § 626 BGB Nr. 28; LAG BW 03.02.1987 – 7 (13) Sa 95/86, NZA 1987, 756; LAG Hamm 24.02.2001 – 17 Sa 1669/10, BeckRS 2011, 77061). Führt die Anzeige jedoch nicht zum Beweis des behaupteten Vorwurfs, kann sich der Arbeitnehmer Schadensersatzforderungen des Arbeitgebers ausgesetzt sehen (ErfK/Preis § 611a BGB Rn. 717), es sei denn, dass die Anzeige nicht wider besseren Wissens oder leichtfertig erhoben wurde (LAG Hamm 21.07.2011 – 17 Sa 1669/10, BeckRS 2011, 78049; DLW/Dörner, Kap. 3 Rdnr. 447.9).

In Anwendung dieser Grundsätze hat das Arbeitsgericht in der streitgegenständlichen Entscheidung ausgeführt:

„aa)

Soweit die Beklagte die Kündigung auf die Behauptung einer „Formal-Beleidigung“ des Herrn K. stützt, ist nach Ansicht der Kammer kein an sich geeigneter Kündigungsgrund gegeben.

Als wichtiger Grund kann neben der Verletzung vertraglicher Hauptpflichten auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten „an sich“ geeignet sein, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen (BAG 31. Juli 2014 – 2 AZR 505/13; 8. Mai 2014 – 2 AZR 249/13 – juris). Zu diesen Nebenpflichten zählt insbesondere die Pflicht der Arbeitsvertragsparteien zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des jeweils anderen Teils (§ 241 Abs. 2 BGB). Danach hat der Arbeitnehmer seine Arbeitspflichten so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben verlangt werden kann (BAG 31. Juli 2014 – 2 AZR 505/13; 8. Mai 2014 – 2 AZR 249/13 – aaO).

Eine in diesem Sinne erhebliche Pflichtverletzung stellen ua. grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder seiner Vertreter und Repräsentanten oder von Arbeitskollegen dar (BAG 27. September 2012 – 2 AZR 646/11; 7. Juli 2011 – 2 AZR 355/10 – juris). Entsprechendes gilt, wenn der Arbeitnehmer bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen über seinen Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen aufstellt, insbesondere dann, wenn die Erklärungen den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllen (BAG 31. Juli 2014 – 2 AZR 505/13; 27. September 2012 – 2 AZR 646/11 – aaO).

Ein Arbeitnehmer kann sich für bewusst falsche Tatsachenbehauptungen nicht auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 GG berufen. Solche Behauptungen sind vom Schutzbereich des Grundrechts nicht umfasst (BVerfG 25. Oktober 2012 – 1 BvR 901/11 – Rn. 19). Anderes gilt für Äußerungen, die nicht Tatsachenbehauptungen, sondern ein Werturteil enthalten. Sie fallen in den Schutzbereich des Rechts auf Meinungsfreiheit. Dasselbe gilt für Äußerungen, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen, sofern sie durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind (BVerfG 25. Oktober 2012 – 1 BvR 901/11; 8. Mai 2007 – 1 BvR 193/05 – juris). Darauf kann sich auch ein Arbeitnehmer berufen. Mit der Bedeutung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit wäre es unvereinbar, wenn es in der betrieblichen Arbeitswelt nicht oder nur eingeschränkt anwendbar wäre (BAG 31. Juli 2014 – 2 AZR 505/13; 24. November 2005 – 2 AZR 584/04 – juris). Der Grundrechtsschutz besteht dabei unabhängig davon, welches Medium der Arbeitnehmer für seine Meinungsäußerung nutzt und ob diese rational oder emotional, begründet oder unbegründet ist. Vom Grundrecht der Meinungsfreiheit umfasste Äußerungen verlieren den sich daraus ergebenden Schutz selbst dann nicht, wenn sie scharf oder überzogen geäußert werden (vgl. BVerfG 28. November 2011 – 1 BvR 917/09 – juris).

Das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG ist allerdings nicht schrankenlos gewährleistet. Es ist gemäß Art. 5 Abs. 2 GG durch die allgemeinen Gesetze und das Recht der persönlichen Ehre beschränkt. Mit diesen muss es in ein ausgeglichenes Verhältnis gebracht werden (BVerfG 13. Februar 1996 – 1 BvR 262/91; BAG 31. Juli 2014 – 2 AZR 505/13; 29. August 2013 – 2 AZR 419/12 – juris). Auch § 241 Abs. 2 BGB gehört zu den allgemeinen, das Grundrecht auf Meinungsfreiheit beschränkenden Gesetzen. Zwischen der Meinungsfreiheit und dem beschränkenden Gesetz findet demnach eine Wechselwirkung statt. Die Reichweite der Pflicht zur vertraglichen Rücksichtnahme muss ihrerseits unter Beachtung der Bedeutung des Grundrechts bestimmt, der Meinungsfreiheit muss dabei also die ihr gebührende Beachtung geschenkt werden – und umgekehrt (vgl. BVerfG 13. Februar 1996 – 1 BvR 262/91 – aaO).

Im Rahmen der Abwägung fällt die Richtigkeit des Tatsachengehalts, der dem Werturteil zugrunde liegt, ins Gewicht (BVerfG 25. Oktober 2012 – 1 BvR 901/11 – Rn. 19; 13. Februar 1996 – 1 BvR 262/91 – zu B II 2 der Gründe, BVerfGE 94, 1). Handelt es sich bei einem Werturteil um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage, dann spricht die Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede (BVerfG 22. Juni 1982 – 1 BvR 1376/79 – juris).

Erweist sich das in einer Äußerung enthaltene Werturteil als Formalbeleidigung oder Schmähkritik, muss die Meinungsfreiheit regelmäßig zurücktreten (BVerfG 8. Mai 2007 – 1 BvR 193/05 – juris). Allerdings macht auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik eine Erklärung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Dafür muss hinzutreten, das bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht, die diese jenseits polemischer und überspitzter Kritik in erster Linie herabsetzen soll (vgl. BVerfG 10. Oktober 1995 – 1 BvR 1476/91 aaO; BAG, Urteil vom 18. Dezember 2014 – 2 AZR 265/14 – juris).

Danach hat der Kläger vorliegend mit der Äußerung „lügender Wirtschaftsprüfer“ seine Rücksichtnahmepflicht gemäß 241 Abs. 2 BGB nicht im relevanten Maß verletzt.

(1)

Vielmehr ist die Äußerung des Klägers, eine vom Grundrecht der Meinungsfreiheit geschützte Meinungsäußerung. Die Grenze zur Schmähkritik ist nicht überschritten. Für die Ermittlung des Aussagegehalts einer schriftlichen Äußerung ist darauf abzustellen, wie sie vom Empfänger verstanden werden muss. Dabei ist eine isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils regelmäßig nicht ausreichend. Vielmehr sind der sprachliche Kontext und die sonstigen erkennbaren Begleitumstände zu berücksichtigen (BAG 7. Juli 2011 – 2 AZR 355/10 – juris). Maßgeblich für die Deutung einer Äußerung ist weder die subjektive Absicht des sich Äußernden noch das subjektive Verständnis des von ihr Betroffenen, sondern der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums hat (BVerfG 25. Oktober 2012 – 1 BvR 901/11 – juris). Mehrdeutige Äußerungen dürfen wegen eines möglichen Inhalts nicht zu nachteiligen Folgen führen, ohne dass eine Deutung, die zu einem von der Meinungsfreiheit gedeckten Ergebnis führen würde, mit schlüssigen, überzeugenden Gründen ausgeschlossen worden ist (BVerfG 12. Mai 2009 – 1 BvR 2272/04 – aaO; BAG 31. Juli 2014 – 2 AZR 505/13 – juris).

Während für Werturteile die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage kennzeichnend ist, werden Tatsachenbehauptungen durch die objektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit charakterisiert (BAG 29. August 2013 – 2 AZR 419/12 – juris). Anders als Werturteile sind Tatsachenbehauptungen daher grundsätzlich dem Beweis zugänglich (BVerfG 8. Mai 2007 – 1 BvR 193/05 – juris). Gilt für Meinungsäußerungen, insbesondere im öffentlichen Meinungskampf, bei der Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Rechtsgut, in dessen Interesse sie durch ein allgemeines Gesetz eingeschränkt werden kann, eine Vermutung zu Gunsten der freien Rede, gilt dies für Tatsachenbehauptungen nicht in gleicher Weise (BVerfG 24. Juli 2013 – 1 BvR 444/13, 1 BvR 527/13 – juris). Ob eine Äußerung ihrem Schwerpunkt nach als Meinungsäußerung oder als Tatsachenbehauptung anzusehen ist, beurteilt sich nach dem Gesamtkontext, in dem sie steht. Die isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils wird den Anforderungen an eine zuverlässige Sinnermittlung regelmäßig nicht gerecht (BVerfG 24. Juli 2013 – 1 BvR 444/13, 1 BvR 527/13 – aaO). Auch eine Trennung der tatsächlichen und der wertenden Bestandteile einer Äußerung ist nur zulässig, wenn dadurch ihr Sinn nicht verfälscht wird (BVerfG 24. Juli 2013 – 1 BvR 444/13, 1 BvR 527/13 – aaO). Wo dies der Fall wäre, muss die Äußerung im Interesse eines wirksamen Grundrechtschutzes insgesamt als Meinungsäußerung angesehen werden. Anderenfalls drohte eine wesentliche Verkürzung des Grundrechtschutzes (BVerfG 24. Juli 2013 – 1 BvR 444/13, 1 BvR 527/13 – aaO mwN; BAG, Urteil vom 18. Dezember 2014 – 2 AZR 265/14 –, Rn. 25 – 26, juris).

Danach ist die Äußerung „lügender Wirtschaftsprüfer“ vorliegend als Werturteil mit Tatsachenkern zu werten, mit der der Kläger – was von der Beklagten im Wesentlichen ja zugestanden wurde – zum Ausdruck bringen wollte, mit der Bedeutung des Herrn K. hinsichtlich seiner Weisung bezüglich der Hinweise an die Vorstände nicht einverstanden sein.

Die Äußerung ist daher nach Ansicht der Kammer von der Meinungsfreiheit gedeckt.

(2)

Selbst wenn man annehmen wollte, der Tatsachenkern überwiege und die Äußerungen auf den Wortlaut reduziert betrachtet, ist die darin liegende Behauptung des Klägers, Herr K. habe Tatsachen falsch dargestellt, jedenfalls von der Beklagten nicht widerlegt.

Anders als die Beklagte annimmt, gilt im zivilgerichtlichen Verfahren – in dem kein Amtsermittlungsgrundsatz besteht – keine aus der Regelung des § 186 StGB abzuleitende Beweislastregelung, dass Tatsachen „die nicht erweislich wahr sind“ zu Lasten des Äußernden gewertet werden müssten. Vielmehr ergibt sich aus der Regelung des § 1 KSchG, als auch aus der Regelung des § 619 BGB, dass im Kündigungsschutzprozess der Arbeitgeber die Kündigungsgründe vollumfänglich nachweisen muss, was auch im Hinblick auf rechtfertigende Darlegungen des Arbeitnehmers bezogen ist.

Im Kündigungsschutzprozess obliegt dem kündigenden Arbeitgeber die volle Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Kündigungsgrundes. Den Arbeitgeber trifft die Darlegungs- und Beweislast auch für diejenigen Tatsachen, die einen vom Gekündigten behaupteten Rechtfertigungsgrund ausschließen. Dabei dürfen an die sekundäre Behauptungslast des Arbeitnehmers keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Sie dient lediglich dazu, es dem kündigenden Arbeitgeber als primär darlegungs- und beweispflichtiger Partei zu ermöglichen, weitere Nachforschungen anzustellen und sodann substantiiert zum Kündigungsgrund vorzutragen und ggf. Beweis anzutreten (BAG, Urteil vom 17. März 2016 – 2 AZR 110/15; 16. Juli 2015 – 2 AZR 85/15 – juris). Das schließt die Darlegungslast für das Fehlen von Umständen ein, die den Arbeitnehmer entlasten. Es war somit grundsätzlich Sache der Beklagten, die Unwahrheit der Behauptungen der Klägerin darzutun (BAG, Urteil vom 27. September 2012 – 2 AZR 646/11 – juris).

Im Hinblick auf § 186 StGB ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass dieser grundsätzliche keine Beweislastregelung enthält. Im Strafprozess gilt Amtsermittlung. Staatsanwaltschaft und Gericht haben den Sachverhalt objektiv in alle Richtungen auszuermitteln. § 186 StGB enthält daher in Strafprozessen nur im Falle, das Ermittlungsergebnis lässt keinen Rückschluss auf die Wahrheit zu, eine Zuweisung des etwaigen „non liquets“. Eine Übertragung dieser Regelung auf den Zivilprozess, indem keine Amtsermittlung besteht, kommt daher dem Grunde nach nicht in Betracht.

Vorliegend hat der Kläger vorgetragen, Herr K. habe im Vorlauf der außergerichtlichen Auseinandersetzung und der Beschwerdeentscheidung die zuvor dargestellte Weisung hinsichtlich Weitergabe von Hinweisen an die Vorstände bestritten. Erst mit in der Beschwerdeentscheidung und nachfolgend im vorliegenden Verfahren sei die nunmehrige Bedeutungsweise unterlegt.

Dem ist die Beklagte im vorliegenden Verfahren nicht entgegengetreten. Der Behauptung des Klägers, Herr K. habe als Motivation für diese Äußerung damals angegeben, die Nichtweitergabe von Hinweisen solle dazu dienen, Vorständen die Möglichkeit zu geben, sich bei Prüfungsnachfragen darauf zu berufen, keine Informationen erhalten zu haben, hat die Beklagte nicht in Abrede gestellt. Die Beklagte hat daher in keiner Weise ausreichend dargelegt, dass die nunmehrige Darstellung und Deutung der Äußerungen des Herrn K. nicht in Widerspruch zu dem was Herr K. tatsächlich damals geäußert hat steht.

Wollte man daher annehmen, dass die Äußerungen „lügender Wirtschaftsprüfer“ kein Werturteil mit Tatsachenkern, dass der Meinungsfreiheit unterfällt, sondern reine Tatsachenbehauptung ist – unabhängig von der Frage, ob die Äußerungen des Klägers dann tatsächlich zutrifft – ist jedenfalls die Beklagte im Hinblick auf die Darlegungs- und Beweislast nach § 1 KSchG darlegungs- und beweislastig geblieben bezüglich der Verpflichtung, Richtigkeit dieser Behauptung tatsächlich zu widerlegen.

bb)

Hinsichtlich des Kündigungskomplexes Verschwiegenheits- und Loyalitätsverstoß der E-Mails durch Weitergabe von Informationen an Sparkassen-Vorstände und an die Öffentlichkeit gilt nachfolgendes.

Im Fall der Erstattung von Anzeigen bei Strafverfolgungsbehörden oder anderen zuständigen Stellen („Whistleblowing“) ist eine vertragswidrige Pflichtverletzung nicht stets schon dann zu verneinen, wenn der Arbeitnehmer die Anzeige erstattet, ohne dabei wissentlich oder leichtfertig falsche Angaben zu machen (BAG 7. Dezember 2006 – 2 AZR 400/05 – juris). Eine Anzeige kann unabhängig vom Nachweis der mitgeteilten Verfehlung und ihrer Strafbarkeit ein Grund zur Kündigung sein, wenn sie sich als eine unverhältnismäßige Reaktion auf das Verhalten des Arbeitgebers oder eines seiner Repräsentanten darstellt. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, nach den Strafanzeigen gegen den Arbeitgeber mit dem Ziel, Missstände in Unternehmen oder Institutionen offenzulegen, grundsätzlich in den Anwendungsbereich des Art. 10 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten fallen (EGMR 21. Juli 2011 – 28274/08 – [Heinisch] Rn. 63 ff., AP BGB § 626 Nr. 235 = EzA BGB 2002 § 626 Anzeige gegen Arbeitgeber Nr. 1), schließt eine solche Bewertung nicht generell aus. Es spricht einiges dafür, diese Grundsätze sinngemäß auf den Bereich innerbetrieblicher „Anzeigen“ zu übertragen. Das folgt schon aus dem berechtigten Interesse des Arbeitgebers an der Wahrung des Betriebsfriedens (BAG, Urteil vom 27. September 2012 – 2 AZR 646/11 – juris).

(1)

Auch soweit die Beklagte die fristlose Kündigung darauf stützt, der Kläger habe mit den E-Mails vom 02. und 09.02.2020 durch Weitergabe von Informationen an Sparkassen-Vorstände und die Öffentlichkeit gegen seine betriebliche Verschwiegenheits- und Loyalitätspflichten verstoßen, genügt dies den Anforderungen des § 626 Abs. 1 BGB nicht.

(aa)

Dabei kann vorliegend offenbleiben, ob der Kläger – was durchaus in Betracht kommt – gegen vertraglich als auch gesetzliche Verschwiegenheitspflichten verstoßen hat und damit auf erster Stufe der Prüfung des § 626 Abs. 1 BGB einen an sich zur Kündigung geeigneten Grund gesetzt hat.

Dies deswegen, weil jedenfalls im Rahmen einer abschließenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung von Einzelfallbetrachtungsgesichtspunkten die Beschäftigung des Klägers zumutbar ist.

(bb)

Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (st. Rspr., zuletzt bspw. BAG 19. Juli 2012 – 2 AZR 989/11 – Rn. 43, NZA 2013, 143; 9. Juni 2011 – 2 AZR 323/10 – Rn. 26, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36).

Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (BAG 9. Juni 2011 – 2 AZR 323/10 – Rn. 27, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 10. Juni 2010 – 2 AZR 541/09 – Rn. 34, BAGE 134, 349). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG 9. Juni 2011 – 2 AZR 323/10 – aaO; 16. Dezember 2010 – 2 AZR 485/08 – Rn. 24, AP BGB § 626 Nr. 232 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 33). Als mildere Mittel gegenüber der außerordentlichen Kündigung sind – neben der hier ausgeschlossenen ordentlichen Kündigung – auch Abmahnung und Versetzung anzusehen (BAG 10. Juni 2010 – 2 AZR 541/09 – aaO; 30. Mai 1978 – 2 AZR 630/76 – BAGE 30, 309). Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck – die Vermeidung künftiger Störungen – zu erreichen. Einer Abmahnung bedarf es demnach nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG 19. April 2012 – 2 AZR 186/11 – Rn. 22 mwN, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 40; 9. Juni 2011 – 2 AZR 284/10 – Rn. 35 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 64 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 37).

Die Beschwerden des Klägers betreffend pflichtwidriges Verhalten des Vorgesetzten, anderer Wirtschaftsprüfer oder aber Sparkassenvorständen mögen von allen „Beschwerdeinstanzen“ abschlägig beschieden worden sein. Gleichwohl hat der Kläger sie nicht „ins Blaue hinein“ erhoben. Die Pflicht zur Diskretion hat er zumindest insofern gewahrt, als er sich an den Beschwerdeinstanzenzug gewandt hat. Anders als im Falle des BAG (Urteil vom 27. September 2012 – 2 AZR 646/11 – juris) haben die Darstellungen des Klägers nicht auf „dürftigen“ Verdachtsmomenten beruht, sind im Grunde vielmehr im Tatsächlichen unstreitig. Einer damit möglicherweise verbundenen Pflichtverletzung des Klägers hätte mit einer Abmahnung erfolgversprechend begegnet werden können. Das gilt auch dann, wenn der „Anzeige“ sachfremde Motive des Klägers zugrunde gelegen haben sollten. Daraus folgt für sich genommen nicht, dass er sich eine Abmahnung nicht hätte zur Warnung gereichen lassen, um künftig zurückhaltender vorzugehen (BAG, Urteil vom 27. September 2012 – 2 AZR 646/11 – juris).

Eine einschlägige Abmahnung liegt jedoch nicht vor.

(cc)

Darüber hinaus ist die Kündigung auch im engeren Sinne unverhältnismäßig.

Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Inhalt der E-Mails vom 02. und 09.02.2020 nicht den Beschwerden des Klägers vom 23.08.2018 bzw. 14.04.2019 entspricht. Der Kläger hat nur einzelne Beschwerdepunkte aufgegriffen. Diesen in der E-Mail vom 02.02.2020 aufgeführten Gesichtspunkten ist die Beklagte hinsichtlich der tatsächlichen Ausführungen des Klägers nicht substantiiert entgegengetreten ist.

Dies betrifft, wie zuvor angesprochen, die Äußerungen bezüglich der Hinweise und Empfehlungen an den Vorstand und die Angaben zur Durchführung des letzten Peer Review durch den Vorgesetzten K.; aber auch die beiden „Organkredite“, die der Kläger erläutert hat. Die Beklagte hat den Vortrag des Klägers, beide Kredite seien nicht nach marktüblichen Gesichtspunkten gewertet worden, nicht substantiiert in Abrede gestellt, vielmehr nur darauf hingewiesen, die Beschwerden des Klägers seien von den zuständigen Stellen im Hinblick auf ein etwaiges Fehlverhalten des Herrn K. abschlägig beschieden worden.

Betrachtet man den Vorwurf des Klägers in dieser E-Mail, seine Beschwerden seien unzuständig beschieden worden, so ist auch nach der internen Beschwerdemanagementregelung der Beklagten – diese mag das anders sehen – davon auszugehen, dass dies zutreffend ist. So hat der Kläger seine Beschwerde vom 23.08.2018 (Bl. 65 bis 66 d.A.) eingeleitet mit dem Satz: „Ich fühle mich gegenwärtig vom Prüfstellenleiter unter Druck gesetzt, ein fehlerhaftes Ergebnis zu unterzeichnen“ und nachfolgend weitere Beschwerdepunkte vorgetragen. In den Beschwerdepunkten 1, 2, 3 sowie 9 und 10 hat er den Prüfstellenleiter K. als Druckausübenden bezeichnet.

Diese Beschwerde hat auch zu den Punkten, die Druckausübung durch den Prüfstellenleiter auf Kläger behaupteten, der Prüfstellenleiter K. (vgl. Bl. 76 bis 79 d.A.) selbst beschieden.

Dies ist nach Ansicht der Kammer sowohl nach Ziffer 7.1.3.2.8. der Regelung über das Beschwerdemanagement in der Prüfstelle als auch unter allgemeinen Gesichtspunkten der Fairness, § 242 BGB ausgeschlossen.

In Ziffer 7.1.3.2.8. der Regelung über das Beschwerdemanagement in der Prüfstelle ist im letzten Satz geregelt: „Bei persönlicher Betroffenheit des Prüfstellenleiters fungiert der für Qualitätssicherung zuständige Wirtschaftsprüfer als geeignete Stelle“.

Persönlicher Betroffenheit umfasst entgegen der Annahme der Beklagten keine nur fachliche Betroffenheit wegen Vorbefassung mit dem Prüfvorgang in der Sache. Ausreichend ist schon nach dem Wortbegriff, Betroffenheit des Prüfstellenleiters vom Inhalt der Beschwerde an sich. Dies insbesondere, da nach dem weiteren Inhalt der Ziffer der Schutz des Beschwerdeführers vor persönlichen Nachteilen im Vordergrund steht. Die Beschwerden richteten sich in den Beschwerdepunkten 1, 2, 3 sowie 9 und 10 (auch) wesentlich gegen das behauptete Druckausüben durch Herrn K., dies war in wesentlichen Fällen der Beschwerde des Klägers nach dessen Vortrag der Fall, so dass Herr K. diese hätte nicht Bescheiden dürfen.

Darüber hinaus ist auch die Ausführung der Beklagten, die unstreitige Äußerung des Herrn K. zur Weiterleitung von Hinweisen und Empfehlungen an die Vorstände verletze, was die zuständigen Beschwerdeinstanzen auch umfänglich entschieden hätten, keine Rechtspflicht, nur teilweise zutreffend. Richtig mag sein, dass kein Verstoß gegen die Verpflichtung aus IDW PS 450 n.F. vorliegt. Mit den Regelungen des Handbuchs der Beklagten (Stand 8/2016), das die Beklagte zur Durchführung von Prüfungen vorgegeben hat, ist diese Anweisung jedoch nur schwerlich in Übereinstimmung zu bringen.

So lauten die zur Überschrift „Prüfungsberichte, Hinweise und Empfehlungen“ abgefassten Regelungen (Bl. 199 d.A.) auszugsweise wie folgt:

4.1 Es gilt der Grundsatz, dass wesentliche Prüfungsfeststellungen ausnahmslos in den Prüfungsbericht aufzunehmen sind (vgl. IDW PS 450); dies gilt auch für wesentliche Ereignisse oder Entwicklungen nach dem Abschlussstichtag.

4.2 Dennoch entspricht es unserem Dienstleistungsverständnis gegenüber unseren Mandanten, den tiefen Einblick, den eine Jahresabschlussprüfung in die Geschäfts- und Organisationsstruktur einer Sparkasse bietet, zu nutzen, um dem Vorstand im Rahmen eines Vermerks „Hinweise und Empfehlungen“ Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten.

4.7 Der Vermerk ist im Rahmen des von dem/der leitenden Prüfer/in mit dem Vorstand am Ende der Prüfung zu führenden Schlussgesprächs dem Vorstandsvorsitzenden zu übergeben. Ein Exemplar ist den Arbeitsunterlagen beizufügen, eines in die Leitakte zu heften und eines mit dem Prüfungsbericht dem Innendienst zur Kenntnisnahme durch den betreuenden WP zu übermitteln. Aufgrund des besonderen Vertrauensverhältnisses zu unseren Mandanten darf der Inhalt ohne Zustimmung des betreuenden WP nicht an Dritte – dazu zählen auch der Verwaltungsrat, die Aufsichtsbehörden und die Geschäftsstelle des Verbandes – weitergegeben werden.

Ersichtlich differenzieren die eigenen Prüf- und Hinweisregelungen der Beklagten zwischen den Regelungen notwendiger Aufnahmen nach IDW PS 450 n.F. und sonstigen Hinweisen, die nicht zwingend im Prüfbericht zu landen haben. Auch für Letztere – wie sich aus Ziffern 4.2 und 4.7 ergibt – geht die Beklagte davon, dass diese Hinweise in einem Vermerk zu erfassen und auch soweit sie nur Verbesserungsvorschläge hinsichtlich der Organisationstruktur beinhalten den Vorstandsvorsitzenden zu übergeben sind.

Betrachtet man somit den Inhalt der Mails des Klägers vom 02./09.02.2020, so wird erkennbar, dass jedenfalls Teile des Beschwerdeverfahrens entgegen den internen Beschwerderegelungen der Beklagten nicht zutreffend behandelt worden sind (Bescheidung durch Herrn K.); Teile der Beschwerde – grundsätzliche Einstufung der Kredite hinsichtlich ihrer Marktunüblichkeit unbestritten zutreffend erscheinen und Teile der Vorwürfe (Weisung des Herrn K. bezüglich Hinweisen und Empfehlungen) zwar möglicherweise hinsichtlich der Prüfpflichten der Sparkassenaufsicht und der Y. nicht rechtswidrig wären, jedoch jedenfalls im Widerspruch zu den eigenen Prüfregeln der Beklagten stehen.

Zieht man noch in Betracht, dass die Bescheide der Sparkassenaufsicht (Wirtschaftsministerium) und der Y. in ihrer Kürze sich mit den einzelnen Beschwerdepunkten des Klägers nicht differenziert auseinandersetzen, ist die Annahme – die Beklagte hat den Gegenbeweis nicht geführt – der Kläger habe angenommen dürfen, seine Beschwerde sei nicht abschließend zutreffend beschieden, nicht von der Hand zu weisen.

Unter Berücksichtigung all dieser Gesichtspunkte ist die Kammer daher der Ansicht, dass auch wenn man annehmen sollte, der Kläger habe gegen Verschwiegenheitspflichten verstoßen und im Falle einer ordnungsgemäßen Bescheidung seiner Beschwerde bestünde tatsächlich letztendlich kein Anlass zu rechtlichem Einschreiten, dass jedenfalls unter Berücksichtigung der bisherigen langen unbeanstandeten Betriebszugehörigkeit, des erhöhten Alters des Klägers als auch bestehenden Unterhaltspflichten vor Ausspruch einer Kündigung der Kläger nicht nur hätte abgemahnt werden müssen, sondern die Kündigung schon „an sich“ unverhältnismäßig ist.“

Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer vollinhaltlich an und stellt dies hiermit ausdrücklich gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest.

Das Berufungsvorbringen des Beklagten rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des insoweit maßgeblichen Lebenssachverhalts.

Soweit sich der Beklagte (s. Bl. 344 ff. d.A.) dagegen wendet, dass davon ausgegangen wird, dass Teile des Beschwerdeverfahrens entgegen den internen Beschwerderegeln des Beklagten nicht zutreffend behandelt worden sind, ist zwar nachvollziehbar, dass der Beklagte nach Maßgabe von Bl. 344 ff. d.A. nach wie vor davon ausgeht, dem entgegen das Beschwerdeverfahren bzw. die Beschwerdeverfahren förmlich und inhaltlich korrekt abgewickelt zu haben. Dass dies letztlich zutrifft, belegt auch der Umstand, dass keine der außerhalb des Betriebs des Beklagten mit der Angelegenheit betraute Stelle insoweit irgendwelche Beanstandungen erklärt hat. Dies ändert aber letztlich nichts daran, dass, selbst wenn man das Vorbringen des Beklagten als zutreffend unterstellt, es jedenfalls aus der Sicht des Klägers, insbesondere, weil die mit der Angelegenheit beschäftigten Aufsichtsbehörden ihre jeweiligen Auffassungen nicht näher begründet haben, jedenfalls ein dahingehender Eindruck entstehen konnte, der letztlich bedeutet hätte, dass insoweit gegen elementare rechtsstaatliche Prinzipien verstoßen worden wäre. An dieser Beurteilung ändert sich auch nichts dadurch, dass der Beklagte (s. Bl. 353 ff. d.A.) im Einzelnen dargelegt hat, dass der Kläger selbst die einschlägigen Vorgaben des Beschwerdeverfahrens nicht eingehalten hat. Soweit der Beklagte hinsichtlich des außerbetrieblichen Beschwerdeverfahrens (Sparkassenaufsicht, Y.) im Einzelnen darlegt, dass der Vorwurf des Klägers, dass man sich sowohl seitens der Prüfungsstelle als auch seitens der Sparkassenaufsicht geweigert habe, seine Beschwerden sachgerecht zu bearbeiten (s. Bl. 355 ff. d.A.) nicht zutrifft, verbleibt es dabei, dass selbst dann, wenn, wovon die Kammer vorliegend ausgeht, das Vorbringen des Beklagten zutrifft, ferner, wenn die fehlende nähere schriftliche Begründung auf der Beachtung bestehender Verschwiegenheitsverpflichtungen beruht, gleichwohl aufgrund der fehlenden dezidierten inhaltlichen Bescheidungen der Beschwerden des Klägers bei diesem der Eindruck entstehen konnte, dass sich die zuständigen Aufsichtsbehörden, nachdem bereits betriebsintern aus seiner Sicht eine rechtsstaatlich zu beanstandende Sachbearbeitung, nämlich die Bescheidung der Beschwerden durch unmittelbar selbst dadurch Betroffene erfolgt war, so dass aus seiner Sicht jegliche Abhilfe der von ihm aufgezeigten Missstände verweigert wurde. Woraus sich insoweit das Vorbringen des Beklagten (s. Bl. 357 d.A.) rechtfertigen soll, für den Kläger wäre es ein leichtes gewesen, zu erkennen, dass sich alle Organisationen intensiv mit den Beschwerden befasst hätten, erschließt sich mangels näheren Vorbringens insoweit nicht. Soweit der Beklagte (s. Bl. 358 ff. d.A.) sich auf die E-Mail des Klägers vom 13.05.2019 (Bl. 29 d.A.) und die E-Mail vom 02.02.2020 (Bl. 27 f. d.A.) bezieht, ist dieses Verhalten, auch wenn es (s. die Darstellung des Beklagten Bl. 359 f. d.A.) einen erheblichen Legitimationsaufwand des Beklagten in Form von E-Mails an unterschiedliche Adressaten nach sich gezogen hat, vor dem zuvor dargestellten Hintergrund zu beurteilen. Eine qualitativ andere Beurteilung rechtfertigt auch nicht die Mitteilung des Herrn X. an den Kläger vom 04.10.2019, wonach er, der Kläger, nach Darstellung des Beklagten ausdrücklich auf die Einhaltung seiner Verschwiegenheitspflicht hingewiesen worden war, denn in dem maßgeblichen Zusammenhang verbleibt es dabei, dass mit einer gewissen Berechtigung beim Kläger der Eindruck entstehen konnte, dass seitens des Beklagten eine Verweigerungshaltung insoweit besteht, seine Beschwerden sachgerecht zu bearbeiten; nach dem in einer für ihn transparenten und nachvollziehbaren Art eine inhaltliche Bescheidung durch Aufsichtsbehörden nicht stattgefunden hatte, waren aus seiner Sicht andere, mildere Mittel, nicht gegeben. Zwar ist insoweit auch zu berücksichtigen, dass der Kläger, nachdem ihm mitgeteilt worden war, dass die Beschwerdeverfahren als abgeschlossen betrachtet werden, als abhängig beschäftigter Arbeitnehmer im Rahmen einer fremdbestimmten Organisation letztlich verpflichtet war, dies hinzunehmen; gleichwohl konnte zusammengefasst der Eindruck entstehen, dass seine sachlichen Beschwerden weder formal ordnungsgemäß noch inhaltlich ausreichend bzw. zutreffend beschieden worden waren, und dass ihm dies auch künftig verwehrt werden würde. Zu Lasten des Klägers ist insoweit andererseits zu berücksichtigen, dass er vorliegend in beiden Rechtszügen die den Beschwerden zugrundeliegenden Lebenssachverhalte nicht nachvollziehbar, insbesondere nicht hinreichend substantiiert, dargelegt hat, so dass nicht mangels näherer Angaben davon ausgegangen werden kann, dass die inhaltliche Bescheidung durch den Beklagten bzw. die Aufsichtsbehörden letztlich betreffend einzelne Kreditengagements des Beklagten nicht zutreffend war. Insgesamt geht die Kammer insoweit davon aus, dass vorliegend ein erheblicher Verstoß des Klägers gegen gesetzliche und vertragliche Verschwiegenheitspflichten und damit schlussendlich ein an sich zur außerordentlichen Kündigung geeigneter Umstand gegeben ist. Gleichwohl erweist sich die streitgegenständliche Kündigung insoweit als unverhältnismäßig, weil, wovon das Arbeitsgericht zutreffend ausgegangen ist, vorliegend das mildere Mittel der Abmahnung geeignet gewesen wäre, die berechtigten Interessen des Arbeitgebers an einer gedeihlichen Fortsetzung der Zusammenarbeit der Parteien zu wahren. Denn, worauf das Arbeitsgericht zutreffend hingewiesen hat, die Beschwerden des Klägers wurden nicht „ins Blaue hinein“ erhoben, auch wenn sie von allen „Beschwerdeinstanzen“ abschlägig beschieden worden sind. Die Pflicht zur Verschwiegenheit hat er zunächst auch insoweit gewahrt, als er sich an den Beschwerdeinstanzenzug gewandt hat. Einer gleichwohl, wie dargelegt, anzunehmenden Pflichtverletzung des Klägers hätte jedenfalls mit einer Abmahnung erfolgversprechend begegnet werden können. Das gilt mit dem Arbeitsgericht auch dann, wenn der „Anzeige“ sachfremde Motive des Klägers zugrunde gelegen haben sollten. Daraus folgt für sich genommen nicht, dass er sich eine Abmahnung nicht hätte zur Warnung gereichen lassen, um künftig zurückhaltender vorzugehen (BAG 27.09.2012 – 2 AZR 646/11). Eine abschlägige Abmahnung liegt insoweit jedoch unstreitig nicht vor.

Vor dem Hintergrund der zuvor dargelegten Würdigung des Verhaltens des Klägers im Hinblick auf die Verletzung der ihm obliegenden Verschwiegenheitspflicht teilt die Kammer die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass vorliegend die Äußerung „lügender Wirtschaftsprüfer“ als Werturteil mit Tatsachenkern zu werten ist, mit der der Kläger zum Ausdruck bringen wollte, mit der Deutung des Herrn K. hinsichtlich seiner Weisung bezüglich der Hinweise an die Vorstände nicht einverstanden zu sein, dass nach dem Grundrecht der Meinungsfreiheit aufgrund der Besonderheiten des hier zu entscheidenden Einzelfalls gerechtfertigt ist. Soweit der Beklagte dem entgegentritt (s. Bl. 362 ff. d. A.) mit dem Hinweis, dass er durchaus dargelegt habe, dass Herr K. nicht gelogen habe und auch als bloßes oder überwiegendes Werturteil die Äußerung einen wichtigen Kündigungsgrund darstelle, ferner (s. Bl 363 f. d.A.) dass die Motivation des Klägers klar gegen seinen Vorgesetzten gerichtet war und er, der Kläger, sich nachhaltig jeglicher Gespräche auf betrieblicher Ebene entzogen hatte, ferner dass keine Anhaltspunkte dafür, dass die Aufsichtsbehörden ebenso wie die Y. nicht ordnungsgemäß entschieden hatten, nicht bestünden, ändert dies selbst dann, wenn man mit dem Beklagten davon ausgeht, dass auch insoweit ein an sich zur außerordentlichen Kündigung geeigneter Umstand gegeben gewesen wäre, nichts daran, dass sich auch insoweit die streitgegenständliche Kündigung als unverhältnismäßig erweist, weil vorliegend als milderes Mittel eine Abmahnung geeignet gewesen wäre, den berechtigten Belangen des Beklagten Rechnung zu tragen. Insoweit ist im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsprinzips und des Vorrangs der Abmahnung auch zu berücksichtigen, dass der Kläger bereits zuvor behauptet hatte, Herr K. lüge und werde vom Ministerium gedeckt; eine wie auch immer geartete Missbilligung oder gar Sanktion dieser Äußerung durch den Beklagten ist aber bis zum Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung nicht erfolgt. Auch dies mag bei dem Kläger den Eindruck erweckt haben, derartiges äußern zu dürfen, ohne Sanktionen befürchten zu müssen. Entgegen der Auffassung des Beklagten bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger in erster Linie handelte, dem Vorgesetzten zu schaden und sich an diesem zu rächen. Eine solche Motivation lässt sich dem Akteninhalt nicht entnehmen. Etwas Anderes folgt auch nicht daraus, dass die Motivation des Klägers klar gegen seinen Vorgesetzten gerichtet gewesen ist (s. Bl. 362 f. d.A). Denn maßgeblich ist insoweit zu berücksichtigen, dass in gewisser Weise bei dem Kläger der Eindruck entstehen konnte, mit den aus seiner Sicht berechtigten und auch im Interesse der Einhaltung der Vorgaben des Beklagten zu erhebenden Beschwerden kein Gehör zu finden, machtlos zu sein. Das rechtfertigt das Verhalten des Klägers nach Auffassung der Kammer zwar keineswegs, lässt es aber in einem milderen Licht erscheinen. Folglich ist auch dann, wenn man mit dem Beklagten (s. Bl. 364 ff. d.A.) davon ausgeht, dass letztlich Rechtfertigungsgründe zu Gunsten des Klägers nicht eingreifen, vorliegend der Ausspruch einer Abmahnung vor Ausspruch einer außerordentlichen fristlosen Kündigung des ordentlich unkündbaren Klägers ausgereicht hätte, um den berechtigten Belangen des Beklagten Rechnung zu tragen. Dem steht entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht entgegen, dass auf Seiten des Klägers insoweit der Vorrang der innerbetrieblichen Lösung nicht hinreichend beachtet wurde, dass durch die öffentliche Anprangerung schwerlich billigenswerter Ergebnisse erzielt werden konnten und sich der Kläger auch nicht auf etwaige Widersprüche im Verhalten des Beklagten zu den Inhalten des Prüferhandbuchs berufen konnte (s. Bl. 366 d.A.). Denn die Kammer hält gerade zu Gunsten des Beklagten einen an sich zur außerordentlichen Kündigung geeigneten Umstand für gegeben, geht aber im Anschluss daran gleichwohl davon aus, dass mangels Vorliegen einer einschlägigen Abmahnung die streitgegenständliche Kündigung unverhältnismäßig ist.

Etwas Anderes folgt auch nicht im Rahmen einer Gesamtbetrachtung im Sinne des Vorliegens sowohl einer Verletzung bzw. mehrerer Verletzungen der Verschwiegenheitspflicht als auch einer weiteren Verletzung der Rücksichtnahmepflicht des Klägers; Grundlage der Auseinandersetzungen der Parteien ist ein einheitlicher Lebenssachverhalt „Beschwerden und Umgang mit den Beschwerden des Klägers durch den Beklagten“, bei dem die Kammer insgesamt davon ausgeht, dass der Ausspruch einer Abmahnung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ausreichend gewesen wäre, um die berechtigten Interessen des Beklagten zu wahren.

Die Kammer folgt auch nicht der Auffassung des Beklagten (s. Bl. 370 ff. d.A.), dass vorliegend eine Abmahnung nicht erforderlich war. Zwar bedarf es einer Abmahnung dann nicht, wenn es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst die erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist. Auch wenn die Verschwiegenheitspflicht eine fundamentale Berufspflicht für den Kläger vorliegend darstellt, ist aufgrund der Besonderheiten des hier zu entscheidenden Einzelfalls, wie dargelegt, auch nicht für den Kläger insbesondere im Hinblick auf die zeitliche Entwicklung des Geschehens betreffend die Behandlung seiner Beschwerden als ohne weiteres erkennbar davon auszugehen, dass der Beklagte eine derart gravierende Pflichtverletzung nicht hinnehmen würde. Soweit der Beklagte auf eine WhatsApp an Herrn W. (s. Bl. 370 d.A.) und andere Kollegen hinweist, folgt darauf keineswegs etwas Anderes; Es handelt sich um eine Meinungsäußerung nach Zugang der streitgegenständlichen Kündigung, die sich zudem nicht notwendig so verstehen lässt, als habe es der Kläger darauf angelegt, eine Kündigung zu provozieren. Ebenso wenig kann davon ausgegangen werden, dass es einer Abmahnung auch deshalb nicht bedarf, weil erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht erwarten steht (s. Bl. 371 d.A.). Vielmehr hat der Beklagte im Zuge des mehrjährigen Verfahrens betreffend die Behandlung der Beschwerden des Klägers letztlich, wie dargelegt, die Ursache dafür gesetzt, dass in gewisser Weise beim Kläger der Eindruck entstehen durfte, dass seinem aus seiner Sicht berechtigten Petitum weder durch den Beklagten noch durch die zuständigen Aufsichtsbehörden hinreichend Rechnung getragen wird. Gerade aufgrund dieser Besonderheit des vorliegend zu beurteilenden Einzelfalls geht die Kammer davon aus, dass dann, wenn dem Kläger hinreichend deutlich gemacht worden wäre, dass bei einer Fortsetzung seines Verhaltens der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet ist, dies ausgereicht hätte, den Kläger zu einem vertragsgerechten Verhalten zu bewegen. Die insoweit notwendige Warnfunktion lässt sich entgegen der Auffassung des Beklagten (Bl. 371 d.A.) gerade nicht der dem Schreiben des Herrn X. vom 04.10.2019 (Bl. 378 d.A.) entnehmen; denn danach wird der Kläger lediglich auf seine Pflicht zur Wahrung der Verschwiegenheit hingewiesen; den Anforderungen an die Warnfunktion der Abmahnung genügt dies gerade nicht, wäre aber vorliegend zwingend erforderlich gewesen.

Die streitgegenständliche außerordentliche fristlose Kündigung des Beklagten hat folglich das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht zum Zeitpunkt ihres Zugangs beim Kläger beendet.

Ebenso wenig hat die hilfsweise mit sozialer Auslauffrist erklärte außerordentliche Kündigung des Beklagten das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis beendet.

Insoweit ist vorliegend zu berücksichtigen, dass aufgrund der vertraglich vereinbarten Anwendung des TVöD-V die ordentliche Kündigung des Beklagten des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses ausgeschlossen ist.

Durch den Ausschluss der ordentlichen Kündigung soll einerseits eine verstärkte Bindung zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer geschaffen werden. Das spricht an sich dafür, an die Gründe für die außerordentliche Kündigung einen strengeren Maßstab anzulegen. Diese schematische Betrachtung steht aber andererseits in schwer lösbaren Widerspruch zu der Erwägung, dass dem Arbeitgeber die kurzfristige Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers in der Regel eher zuzumuten ist, als die Fortsetzung eines langfristigen Vertrages (BAG, 18.11.1986, EzA § 611 BGB kirchliche Arbeitnehmer, Nr. 26; s. DLW/Dörner, a. a. O. Kap. 4 Rz.m 1213 ff.). Allerdings gilt auch dieser Grundsatz nur eingeschränkt: der Kündigungsberechtigte kann auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis ohnehin demnächst endet, ein zu billigendes besonderes Interesse an einer sofortigen Auflösung haben, und zwar zum Beispiel dann, wenn die außerordentliche Kündigung zum Wegfall von Ansprüchen führt, die bei einer fristgerechten Vertragsbeendigung erhalten bleiben würden (KR/Fischermeier, § 626 BGB, Rn Nr. 315). Die Dauer der an sich beabsichtigten Bindung ist deshalb nur ein – wenn auch wesentlicher – Umstand, der bei der erschöpfenden Interessenabwägung zu berücksichtigen ist (KR/Fischermeier, a.a.O.). Ob also insoweit im Hinblick auf die ansonsten eintretende langfristige Vertragsbindung aufgrund der Kündigung zugrundeliegenden Umstände die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitgeber unzumutbar sein kann, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung nicht gegeben sind, wohl aber die für eine ordentliche – an sich gerade ausgeschlossene – Kündigung, hängt von dem zugrundeliegenden Lebenssachverhalt ab. Das BAG (13.05.2015; EzA § 626 BGB 2002, 950) nimmt insoweit an, dass ein pflichtwidriges Verhalten, das bei einem Arbeitnehmer ohne Sonderkündigungsschutz nur eine ordentliche Kündigung rechtsfertigen würde, in Ausnahmefällen gerade wegen der infolge des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung langen Bindungsdauer einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung für den Arbeitgeber im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darstellen kann. Die Pflichtverletzung muss einerseits so gravierend sein, dass sie im Grundsatz auch eine fristlose Kündigung rechtsfertigen könnte. Andererseits müsste es dem Arbeitgeber aufgrund besonderen Umstände des Einzelfalls zumutbar sein, die (fiktive) ordentliche Kündigungsfrist dennoch einzuhalten. Dies kommt etwa dann in Betracht, wenn die Gefahr einer Wiederholung des Pflichtverstoßes zwar für den Lauf der ordentlichen Kündigungsfrist auszuschließen ist, nicht aber darüber hinaus.

Da auch insoweit ein wichtiger Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB nicht gegeben ist, weil nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip aufgrund der Besonderheiten des hier zu entscheidenden Einzelfalles das Vorliegen einer Abmahnung erforderlich gewesen wäre, ist es dem Beklagten nicht unzumutbar, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fortzusetzen. Folglich erweist sich auch die außerordentliche Kündigung des Beklagten unter Einhaltung einer Auslauffrist als rechtsunwirksam.

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist das Arbeitsgericht letztlich auch zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger die Vorbehaltung des Beklagten zur Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Verfahrens verlangen kann.

Das Arbeitsgericht hat insoweit zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

“ 1.

Der Kläger hat nach einem der Kündigungsschutzklage stattgebenden Instanzurteil – vorliegend der Entscheidung des Gerichts vom 01.12.2020 – grundsätzlich einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens. Dies gilt nur dann nicht, wenn besondere Umstände ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers begründen, den Arbeitnehmer jedenfalls vorläufig nicht weiter zu beschäftigen (LAG Rheinland-Pfalz, 05.05.2010 – 8 Sa 693/09; BAG, 27.02.1985 – Gs 1/84- jeweils juris).

Dies ist nach Ansicht der Kammer jedenfalls vorläufig (noch nicht) der Fall.

Die Kammer hat dabei nicht berücksichtigt gelassen, dass durchaus in Betracht kommt, dass das Verhalten des Klägers einen an sich zur Kündigung geeigneten Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darstellt (vgl. II. 1. b) bb) der Entscheidungsgründe des Urteils vom 01.12.2020). Der Kündigung blieb die Wirksamkeit jedoch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatz versagt.

Auch hat die Kammer berücksichtigt, dass sich der Kläger nach dem Termin vom 01.12.2020 mit E-Mail vom 10.12.2020 erneut an Vorstände von Sparkassen gewandt und in Aussicht gestellt hat, dies zu veröffentlichen.

Die Kammer hat jedoch auch zu berücksichtigen, dass der Kläger, dies hat die Beklagte auch nicht in Abrede gestellt, bis auf den hier streitigen Kündigungssachverhalt zuvor jahrelang unbeanstandet seine Arbeitsleistung erbracht hat und darüber hinaus mit nunmehrigen Mail vom 10.12.2020 keine weiteren inhaltlichen Daten an die Öffentlichkeit getragen hat. Es verblieb bisher bei der Ankündigung.

Die Kammer ist daher letztendlich zu der Ansicht gelangt, dass jedenfalls derzeit das Weiterbeschäftigungsinteresse des Klägers das Suspendierungsinteresse der Beklagten überwiegt.

2.

Auch der Vortrag des Beklagten, der Kläger sei seit 2018 durchgehend erkrankt gewesen, so dass die Arbeitsfähigkeit des Klägers fortbestehe, führt nicht zur Unbegründetheit des Antrages auf Weiterbeschäftigung. Der Beklagte ist seiner Beweislast diesbezüglich nicht nachgekommen.

Wie zur Frage des Annahmeverzuges gilt auch hinsichtlich des Weiterbeschäftigungsantrages nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes nachfolgendes:

Der Arbeitgeber hat darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitnehmer zur Leistung objektiv außerstande oder subjektiv nicht zur Leistung bereit ist (BAG, Urteil vom 17. August 2011 – 5 AZR 251/10 – juris). Lediglich wenn der Leistungswille als eine innere Tatsache bei Führung dieses Beweises Schwierigkeiten bereitet, führt dies – ohne Umkehr der Beweislast an sich – zu einer Modifizierung der Darlegungslast. Wendet der Arbeitgeber fehlenden Leistungswillen des Arbeitnehmers ein, reicht es aus, dass er Indizien vorträgt, aus denen hierauf geschlossen werden kann. Hat der Arbeitgeber solche Indizien vorgetragen oder sind sie unstreitig, ist es Sache des Arbeitnehmers, diese Indizwirkung zu erschüttern. Trägt er dazu nichts vor, gilt die Behauptung des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer sei während des Verzugszeitraums leistungsunwillig gewesen, gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden (BAG, 17. August 2011 – 5 AZR 251/10 – juris).

Fehlender Leistungswille wurde nicht behauptet. Der Beklagte hätte die Leistungsunfähigkeit des Klägers daher vollumfänglich darlegen und beweisen müssen.

Vorliegend hat der Kläger, von der Beklagte nicht weiter bestritten, vorgetragen, er beziehe Arbeitslosengeld, er sei arbeitsfähig und gehe keiner weiteren Tätigkeit nach. Inzidente Voraussetzung des Arbeitslosengeldbezuges ist jedoch, dass der Kläger arbeitsfähig ist und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht.

Für die Behauptung, der Kläger sei weiter arbeitsunfähig, blieb der Beklagte beweisfällig.“

Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer vollinhaltlich an und stellt dies hiermit ausdrücklich gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest.

Das Berufungsvorbringen des Beklagten rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des insoweit maßgeblichen Lebenssachverhalts. Denn es enthält keinerlei neue, nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierte Tatsachenbehauptungen, die ein abweichendes Ergebnis rechtfertigen könnten. Gleiches gilt für etwaige Rechtsbehauptungen. Es macht vielmehr lediglich, wenn auch aus der Sicht des Beklagten heraus verständlich, deutlich, dass der Beklagte mit der Würdigung des tatsächlichen und rechtlichen Vorbringens der Parteien im erstinstanzlichen Rechtszug durch das Arbeitsgericht, der die Kammer vollinhaltlich folgt, nicht einverstanden ist. Weder wird überzeugend anhand substantiierter Tatsachen dargelegt, warum sich im Verhalten des Klägers eine regelrechte feindliche Besinnung gegenüber seinem Vorgesetzten äußere, noch, woraus sich ergeben soll, dass der Kläger bewusst geschäftsschädigend gehandelt hat. Soweit sich der Beklagte auf die weitere E-Mail des Klägers vom 10.12.2020 an Vorstände von Sparkassen bezieht (s. Bl. 389 f. d.A.), ergibt sich in Würdigung des Verhaltens des Klägers keine Abweichung dadurch, dass die Beschwerden des Klägers abschließend von allen zuständigen Organen und Gremien behandelt wurden. Ausschlaggebend für die Würdigung des Verhaltens des Klägers abweichend von der Auffassung des Beklagten ist, dass der Kläger in erster Linie erreichen wollte, dass seinen Beschwerden aus seiner Sicht auf die gebotene Art und Weise nachgegangen wurde und dies letztlich nicht erfolgt war. Das stellt zwar keinen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund für die weitere Befassung der Vorstände von Sparkassen mit der Wiederholung der Vorwürfe dar, lässt aber, selbst wenn man darin ein relevantes Fehlverhalten sieht, sein Verhalten in einem milderen Licht erscheinen und vermag den Weiterbeschäftigungsanspruch nicht auszuschließen. Nichts Anderes gilt für die WhatsApp-Nachricht des Klägers von Anfang Dezember 2020 (s. Bl. 390 d.A.).

Nach alledem war die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Arbeitsrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Arbeitsrecht. Vom Arbeitsvertrag bis zur Kündigung. Nehmen Sie noch heute Kontakt zu uns auf.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Arbeitsrecht einfach erklärt

Weitere interessante arbeitsrechtliche Urteile

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!