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Fristlose Kündigung wegen Schlechtleistung – Darlegungs- und Beweislast

ArbG Düsseldorf – Az.: 14 Ca 3558/16

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 22.06.2016 weder fristlos noch fristgerecht zum 30.09.2016 aufgelöst ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 585,00 netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils EUR 195,00 seit dem 30.04.2016, 31.05.2016 und 30.06.2016 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger als Abteilungsleiter Finanz- und Rechnungswesen bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits weiter zu beschäftigen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 15.246,75 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus EUR 2.000,00 seit dem 01.07.2016, aus EUR 6.428,57 seit dem 01.08.2016, aus EUR 6.818,18 seit dem 01.10.2016 zu zahlen.

5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Schadenersatz in Höhe von EUR 1.336,95 netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils EUR 445,65 seit dem 01.08.2016, 01.09.2016, 01.10.2016 zu zahlen.

6. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

7. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

8. Die Berufung wird für den Kläger gesondert zugelassen; für die Beklagte wird die Berufung nicht gesondert zugelassen.

9. Der Streitwert wird auf EUR 35.820,92 festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund fristloser, hilfsweise fristgerechter Tat- und Verdachtskündigung über die Zahlung von Mietkostenzuschüssen, von Annahmeverzug, von Schadenersatz wegen Entzug eines Dienstwagens sowie einer Verzugspauschale.

Der Kläger, geboren am 03.06.1971, ist seit dem 01.07.2013 bei der Beklagten als Abteilungsleiter Finanz- und Rechnungswesen zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt von EUR 8.973,98 beschäftigt. Sein Festgehalt beläuft sich auf EUR 7.500,00 brutto monatlich. Zusätzlich hat er Anspruch auf einen Dienstwagen, der ihm auch zur privaten Nutzung überlassen ist und dessen geldwerter Vorteil steuerlich mit EUR 445,65 bewertet wird. Die Beklagte hat sich außerdem verpflichtet, ihm einen Mietkostenzuschuss in Höhe von EUR 195,00 netto monatlich zu zahlen. Die diesbezügliche Wohnung kündigte der Kläger zum 30.06.2016.

Die Beklagte ist Teil der B., die den Betrieb von Senioren-Residenzen, ambulanten Pflegediensten und betreuten Wohneinheiten zum Geschäftsgegenstand hat. Sie beschäftigt selbst nur sechs Arbeitnehmer. Neben dem Kläger sind dies der Leiter M&A der B., ihr Leiter Controlling N., der Leiter IT, der Leiter Personaleinsatzplanung L. und der Leiter Facilitymanagement. Der Kläger ist gegenüber 28 Arbeitnehmern weisungsbefugt, die seiner Abteilung zugehören und von der B. GmbH beschäftigt werden. Auch die weiteren bei der Beklagten beschäftigten Abteilungsleiter sind gegenüber Arbeitnehmern fachlich und disziplinarisch weisungsbefugt, die bei der B. GmbH tätig sind. Sie sind für die Abstimmung sämtlicher arbeitsrechtlicher Angelegenheiten zuständig, ua. Einstellung, Abmahnung, Urlaub, Gehaltsverhandlung oder Arbeitszeiten. Die B. GmbH hat mindestens 70 Arbeitnehmer. Die Beklagte und die B. GmbH sind in denselben Geschäftsräumen ansässig, haben einen gemeinsamen Internetauftritt, verwenden dieselbe Telefon- und Faxnummer und dasselbe Postfach. Es besteht eine einheitliche E-Mailadresse. Die Post wird für beide Gesellschaften durch die Mitarbeiterinnen L. und G., die bei der B. GmbH angestellt sind, angenommen und bearbeitet. Von der B. GmbH genutzte Hard- und Software wird von der Beklagten bereitgestellt und von ihr bilanziert. Die Geschäftsführer der B. GmbH sind die Direktoren der Beklagten. Der Kläger war sowohl Prokurist der Beklagten als auch der B. GmbH. Zudem wurde er zum Compliance-Beauftragten für die gesamte B. Gruppe bestellt. Personalentscheidungen werden konzernweit durch der Leiter Personaleinsatzplanung L. getroffen.

Mit Schreiben vom 14.06.2016 (Bl. 138 ff. dA.) hörte die Beklagte den Kläger zu einer von ihr beabsichtigten Verdachtskündigung wegen Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten als Abteilungsleiter Finanz- und Rechnungswesen an und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 21.06.2016.

Mit Schreiben vom 22.06.2016 (Bl. 26 dA.) kündigte die Beklagte das zu dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 30.09.2016. Den Monat Juni 2016 vergütete sie mit EUR 5.500,00 brutto. Zum 28.06.2016 gab der Kläger seinen Dienstwagen an die Beklagte zurück.

Vom 27.07.2016 bis 02.09.2016 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt und bezog Krankengeld.

Mit seiner zuvor am 28.06.2016 bei dem Arbeitsgericht Düsseldorf eingegangenen Klage, der Beklagten am 05.07.2016 zugestellt, wendet sich der Kläger gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung vom 22.06.2016 und begehrt ua. die Nachzahlung von Mietkostenzuschüssen nebst monatlichen Verzugspauschalen sowie die Weiterbeschäftigung während des Rechtsstreits. Mit Schriftsatz vom 19.10.2016, der Beklagten am 24.10.2016 zugestellt, begehrt der Kläger außerdem die Zahlung von Annahmeverzug nebst monatlichen Verzugspauschalen sowie von Schadenersatz wegen des Entzugs seines Dienstwagens.

Der Kläger behauptet, Pflichtverletzungen seien ihm nicht vorzuwerfen. Er habe immer wieder darauf hingewiesen, dass die Abteilung M&A Stichtagsbilanzen zu Stichtagen aufgegeben habe, die nicht einhaltbar gewesen seien. Dies sei allen Beteiligten klar gewesen. Die Stichtage seien ohne Abstimmung mit dem Bereich Finanz- und Rechnungswesen vereinbart und nur zum Teil entsprechend kommuniziert worden. Zudem hätten die beauftragten Steuerberatungskanzleien teilweise ihre Arbeit eingestellt oder die Abschlüsse nicht rechtzeitig erstellt. Er habe den stellvertretenden Leiter der Abteilung M&A regelmäßig über die Verzögerungen informiert.

Soweit ihm ein fehlender Aufbau der Personalstärke seiner Abteilung vorgeworfen werde, habe der Direktor der Beklagten L. den von ihm geschätzten Bedarf zunächst von 16 auf 13 einzustellende Mitarbeiter gekürzt. Der Kläger behauptet, diese Vorgabe habe er erfüllt. Er habe 14 Arbeitnehmer eingestellt. Von diesen hätten zwei während der Probezeit selbst gekündigt. Zudem sei der Personalbedarf vor dem Hintergrund der Übernahme der Senator Unternehmensgruppe zum 01.01.2016 abgefragt worden. Die Buchhaltung der Senator Unternehmensgruppe sollte aufgelöst und nach Düsseldorf verlagert werden. Als die Anfrage von Herrn L. kam, habe aber noch nicht festgestanden, welche Mitarbeiter der Senator Unternehmensgruppe nach Düsseldorf wechseln würden. Kündigungen seien erst im Mai 2016 ausgesprochen worden. Als absehbar war, dass der Bedarf wegen der in der Probezeit ausgeschiedenen Mitarbeiter eng werden würde, habe er per E-Mail vom 06.04.2016 (Bl. 284 dA.) bei Herrn N. zwei Mitarbeiter aus der Zeitarbeit beantragt. Diese Anfrage sei mit E-Mail vom 08.04.2016 (Bl. 285 dA.) abgelehnt worden.

Den Konzernabschluss 2015 der B. Senioren-Residenzen Holding SE habe er bis zum 30.06.2016 erstellen sollen. Die beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft habe ihm mit E-Mail vom 25.05.2016 (Bl. 298 dA.) den Berichtsentwurf für den Konzernabschluss mit der Bitte um Durchsicht übersandt. Ab dem 06.06.2016 sei er arbeitsunfähig erkrankt.

Betreffend die Liquiditätsplanung behauptet der Kläger, dass diese durch die Abteilung Controlling erfolge. Die täglichen Liquiditätsberichte erstelle er lediglich für seine eigene Abteilung, um nachvollziehen zu können, woher Geld jeweils stamme und wohin es fließe.

Der Kläger meint, ihm sei auch keine Pflichtverletzung in seiner Tätigkeit als Compliance-Beauftragter der B. vorzuwerfen. Zunächst sei die Personalabteilung dafür zuständig gewesen, den Mitarbeitern in leitender Stellung in Pflegeeinrichtungen die Compliance-Richtlinie und das zugehörige Bestätigungsformular auszuhändigen. Ihm könne auch nicht vorgeworfen werden, dass er Bestätigungen über den Erhalt der Compliance-Richtlinie nicht eingefordert oder Herrn L. hierüber keine belastbare Aufstellung gegeben habe. Dies sei nicht seine Aufgaben gewesen. Die Bestätigung sei zudem als vorweggenommene Abmahnung formuliert gewesen, was erkläre, weshalb etwa die leitenden Mitarbeiter der Senator-Heime sie nicht unterzeichnet hätten.

Der Kläger meint, die hilfsweise ordentliche Kündigung sei anhand des Kündigungsschutzgesetzes zu überprüfen. Die Beklagte bilde insbesondere mit der B. GmbH einen gemeinsamen Betrieb. Da die beiden Gesellschaften mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigen, sei der Schwellenwert des § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG überschritten.

Der Kläger ist außerdem der Auffassung, er habe bezogen auf die einzelnen Mietkostenzuschüsse und die Annahmeverzugsgehälter einen Anspruch auf Verzugspauschale in Höhe von jeweils EUR 40,00 nach § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB.

In der mündlichen Verhandlung vom 09.12.2016 hat der Kläger klargestellt, dass der schriftsätzlich unbedingt angekündigte, sogenannte Schleppnetzantrag von Beginn an als Hilfsantrag zu verstehen war und hat diesen Antrag zugleich zurückgenommen. Außerdem hat er den Antrag auf Zahlung von Mietkostenzuschüssen teilweise zurückgenommen.

Der Kläger beantragt zuletzt noch,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die arbeitgeberseitige Kündigung vom 22.06.2016, zugegangen am 23.06.2016, weder fristlos noch fristgerecht zum 30.09.2016 aufgelöst wird;

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn EUR 785,00 netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils EUR 235,00 seit dem 30.04., 31.05., 30.06.2016 zu zahlen;

3. hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1), die Beklagte zu verurteilen, ihm ein qualifiziertes wohlwollendes Abschlusszeugnis, welches sich auf Führung und Leistung erstreckt, zu erteilen;

4. hilfsweise, für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1), die Beklagte zu verurteilen, ihn als Abteilungsleiter Finanz- und Rechnungswesen bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Kündigungsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen;

5. die Beklagte zu verurteilen, an ihn EUR 15.246,75 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus

  • EUR 2.000,00 seit dem 01.07.2016,
  • EUR 6.428,57 seit dem 01.08.2016,
  • EUR 6.818,18 seit dem 01.09.2016 sowie
  • EUR 120,00 netto Verzugsschaden

zu zahlen;

6. die Beklagte zu verurteilen, an ihn Schadenersatz in Höhe von EUR 1.336,95 netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils EUR 445,65 seit dem 01.08., 01.09., 01.10.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, der Kläger habe verschiedene Pflichtverletzungen begangen, die die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses rechtfertigten. Bis zum 13.06.2016 hätten die Stichtagsbilanzen diverser Akquisitionen gefehlt, obwohl die mit dem Kläger vereinbarten Termine bereits verstrichen gewesen seien. Er habe ihren geschäftsführenden Direktoren auch keine Probleme bei der Erstellung der Bilanzen gemeldet. Es bestehe zumindest der dringende Verdacht, dass der Kläger seine Pflichten als Leiter der zuständigen Abteilung grob fahrlässig verletzt habe.

Zudem habe er zwar auf Bitte ihres Direktors L. diesem die Personalplanung der Finanzbuchhaltung mitgeteilt, nämlich dass hier 16 neue Mitarbeiter einzustellen seien, nach der Freigabe zur Einstellung dieser Mitarbeiter durch Herrn L. innerhalb der nächsten sechs Monate seien auch Stellenanzeigen geschaltet, aber nur fünf Mitarbeiter eingestellt worden. Einer dieser Mitarbeiter sei als Ersatz für eine ausgeschiedene Mitarbeiterin eingestellt worden. Zudem seien drei andere Mitarbeiter entweder aus ihrem Arbeitsverhältnis ausgeschieden, seien vom operativen Geschäft entbunden worden oder in einen anderen Tätigkeitsbereich gewechselt. Auch hierauf sei nicht entsprechend reagiert worden. Infolgedessen habe in der Finanzbuchabteilung keine ausreichende Personalkapazität bestanden, um die zusätzlichen Vorgänge infolge der Übernahme der Senator Unternehmensgruppe ab dem 01.06.2016 zu bewerkstelligen.

Eine Überprüfung habe zudem ergeben, dass kein Mitarbeiter der Finanzbuchabteilung Informationen über die Aufgabenverteilung sowie die Verantwortlichkeiten für die buchhalterischen Angelegenheiten der Senator Unternehmensgruppe besaß. Durch den Kläger sei keine Information erfolgt. Es bestehe zumindest der dringende Verdacht, dass der Kläger seine Pflichten als Leiter der zuständigen Abteilung grob fahrlässig verletzt habe.

Die Beklagte behauptet weiter, der Kläger habe im Rahmen der Übernahme der Senator Unternehmensgruppe nicht geprüft, ob die zugehörigen Gesellschaften ausreichend liquide seien. Bei der Senator Senioren- und Pflegeeinrichtungen GmbH habe die Gefahr bestanden, dass die Gehälter nicht rechtzeitig ausgezahlt werden würden. Diese Gefahr sei nur durch den überobligatorischen Mehreinsatz ua. der Mitarbeiter der B. GmbH abgewendet worden.

Der Kläger habe bis zum 13.06.2016 den Konzernabschluss 2015 für die B. Senioren-Residenzen Holding SE nicht fertig gestellt. Die beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft habe den Kläger auf vorzunehmende Anpassungen hingewiesen und nach wie vor fehlende Unterlagen am 01.12.2015, 23.02.2016, 03.03.2016 und 08.03.2016 angefordert. Eine Übersicht der fehlenden Unterlagen ergebe sich aus der vorgelegten Anlage B 1 (Bl. 214 dA.). Passiert sei nichts. Es bestehe der dringende Verdacht einer grob fahrlässigen Missachtung der Pflichten des Klägers als Leiter der Abteilung Finanzbuchhaltung und Rechnungswesen.

Das Liquiditätsberichtswesen und die Liquiditätssteuerung der B. durch den Kläger seien bestenfalls unzulänglich bzw. nicht organisiert gewesen. Anders als von ihrem Direktor L. eingefordert, seien die Gesellschaften der zur B. gehörenden Q. Unternehmensgruppe nicht bis Ende des ersten Quartals 2016 an das B. Cash Pooling angebunden worden. Zudem seien EUR 3.190.000,00 auf diversen – im Einzelnen bezeichneten – Konten bei „Vor-Ort-Banken“ angelegt gewesen, auf die kein unmittelbarer Zugriff bestanden habe. Herr L. habe dem Kläger vorgegeben, dass je Konto maximal EUR 10.000,00 als Bestand vorhanden sein dürfe.

Das tägliche Liquiditätsberichtswesen habe 40 Mitarbeiterstunden je Monat absorbiert, ohne dass es – neben der Person des Klägers – noch einen anderen Empfänger für das Liquiditätsberichtswesen gab. Es bestehe insoweit der Verdacht, dass das Liquiditätsberichtswesen durch den Kläger als verantwortliche Leitungskraft über einen längeren Zeitraum nicht kontrolliert worden sein könne.

Die Beklage behauptet außerdem, es bestehe der dringende Verdacht, dass der Kläger auch in seiner Funktion als Compliance-Beauftragter der B. die ihm obliegenden Pflichten verletzt habe. Er habe die von den neuen Mitarbeitern zu unterzeichnende Bestätigung, die Compliance-Richtlinie gelesen zu haben, Herrn L. in einer Vielzahl von Fällen nicht in einer belastbaren Übersicht zur Verfügung gestellt. Im Übrigen habe es mehrfach der Nachfrage durch Herrn L. bedurft, um überhaupt eine diesbezügliche Rückmeldung zu erhalten.

Die Beklagte trägt letztlich vor, dass der Kläger seine Aufgaben bei der Begleichung einer Vielzahl von Rechnungen im Archivierungssystem ELO seit Monaten schlicht ignoriert habe. Es habe nach einer Überprüfung keinerlei Kommunikation seitens des Klägers über eine fristgerechte Bearbeitung von diversen Anfragen – vgl. hierzu die Aufstellung Bl. 196 ff. dA. – bzw. Freigaben von Zahlungen derselben vorgefunden werden können. Zudem sei seit Monaten auf E-Mail-Anfragen von Verwaltungsleitungen, Residenzleitungen, Regionalleitungen und COOs der B. Gruppe nicht reagiert worden. Beispielsweise sei die Anfrage der Verwaltungsmitarbeiterin Breit des Seniorenzentrums „Winterberg“ der Q. Seniorenzentren GmbH trotz dreimaliger Nachfrage nicht vom Kläger bearbeitet worden. Es bestehe daher der dringende Verdacht, einer beim Kläger bestehenden Gleichgültigkeit, soweit es die ordnungsgemäße Erledigung seiner vertraglichen Pflichten als Leitung Finanzbuchhaltung und Rechnungswesen betrifft und dass er zumindest grob fahrlässig in Kauf nehme, dass ihr durch Nichtbearbeitung von Anfragen ein Schaden entstehe.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig aber nur teilweise begründet.

1. Der Kläger hat einen Anspruch auf die begehrte Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 22.06.2016 weder fristlos noch fristgerecht aufgelöst ist.

a. Der Begründetheit der Klage steht § 7 Satz 1 KSchG nicht entgegen. Der Kläger hat mit der Klage, die am 28.06.2016 bei dem Arbeitsgericht Düsseldorf eingegangen und der Beklagten am 05.07.2016 zugestellt worden ist, die dreiwöchige Klageerhebungsfrist des § 4 Satz 1 KSchG eingehalten.

b. Der Kündigung vom 22.06.2016 liegt kein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB zugrunde, der zu einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien berechtigt hätte.

aa. Gem. § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, sei es auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, nicht zugemutet werden kann. Hierbei ist im Rahmen einer zweistufigen Prüfung festzustellen, ob der zur Kündigung herangezogene Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund zu rechtfertigen. Ist dies der Fall, ist als nächster Prüfungsschritt festzustellen, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses – auch nur für die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist – unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zumutbar ist oder nicht (vgl. BAG 23.06.2009 – 2 AZR 103/08, AP Nr. 59 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; 07.07.2005 – 2 AZR 581/04, AP Nr. 192 zu § 626 BGB; 11.12.2003 – 2 AZR 36/03, AP Nr. 179 zu § 626 BGB).

Im Rahmen der Abwägung der widerstreitenden Interessen ist insbesondere zu berücksichtigen, dass auch bei einer Pflichtverletzung im sog. Vertrauensbereich das Erfordernis einer vorherigen Abmahnung stets zu prüfen ist (BAG 23.06.2009 – 2 AZR 103/08, aaO.; 18.09.2008 – 2 AZR 827/06, EzA § 626 BGB 2002 Nr. 24). Dabei ist davon auszugehen, dass jedes willensbestimmte Verhalten eines Arbeitnehmers für die Zukunft abänderbar und deshalb grundsätzlich abmahnungsfähig und -bedürftig ist (KR-Fischermeier 11. Aufl. § 626 BGB Rn. 263). Es bedarf allein dann keiner Abmahnung, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, aufgrund derer eine Abmahnung als nicht erfolgversprechend angesehen werden kann (BAG 10.06.2010 – 2 AZR 541/09, AP Nr. 229 zu § 626 BGB; 26.11.2009 – 2 AZR 751/08, AP Nr. 61 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; 18.09.2008 – 2 AZR 827/06, aaO.). Zudem bedürfen besonders schwere Verstöße keiner Abmahnung, wenn der Arbeitnehmer von vornherein nicht mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen kann und er sich bewusst sein muss, dass er mit seinem Verhalten seinen Arbeitsplatz riskiert (BAG 23.06.2009 – 2 AZR 103/08, aaO.; 18.09.2008 – 2 AZR 827/06, aaO.).

bb. Die Beklagte kann sich zunächst darauf berufen, dass ein „an sich“ wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB vorliegt. Auch die Schlechtleistung im Arbeitsverhältnis ist als wichtiger Grund denkbar (vgl. BAG 04.07.1991 – 2 AZR 79/91, RzK I 6a Nr. 73; ErfK/Müller-Glöge 16. Aufl. § 626 BGB Rn. 128 mwN.).

Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile ist es der Beklagten zumutbar, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fortzusetzen. Dies gilt zunächst für die ausgesprochene Tatkündigung.

(1) Eine Schlechtleistung berechtigt nur in Ausnahmefällen zu einer außerordentlichen Kündigung. Die Interessen des Arbeitsgebers werden im allgemeinen durch den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung nach vorausgegangener Abmahnung genügend gewahrt und zwar auch dann, wenn der Arbeitnehmer fahrlässig einen großen Schaden verursacht hat (BAG 04.07.1991 – 2 AZR 79/91, aaO.). Geht es lediglich um einen Leistungsmangel, ist der für die Kündigung maßgebliche Vertrauensverlust begrenzt (BAG 17.01.2008 – 2 AZR 821/06, BAGE 125, 267). Regelmäßig ist daher bei einer Schlechtleistung der Ausspruch einer Abmahnung angezeigt, um dem Arbeitnehmer zu verdeutlichen, dass er einen Vertragsverstoß begangen hat und zukünftig ein anderes vertragsgerechtes Verhalten an den Tag legen soll (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 03.03.2011 – 25 Sa 2641/10, NZA-RR 2011, 522; LAG Rheinland-Pfalz 29.10.2008 – 8 Sa 251/08 -; ErfK/Müller-Glöge aaO. Rn. 128). Eine Ausnahme hiervon kann vorliegen, wenn es sich um einen gehobenen Angestellten handelt, der eine besondere Verantwortung übernommen hat und die Missachtung geeignet ist, besonders schweren Schaden herbeizuführen. Zudem muss der Arbeitgeber das Seine getan haben, um die Möglichkeit eines solchen Versehens und dessen Folgen einzuschränken (BAG 04.07.1991 – 2 AZR 79/91, aaO.; Vossen in Ascheid/Preis/Schmidt Kündigungsrecht 5. Aufl. § 626 Rn. 259 mwN.).

(2) Um einen solchen Ausnahmefall handelt es sich hier nicht. Die Beklagte hat für keinen der behaupteten Vertragsverstöße eine Abmahnung behauptet. Keiner der behaupteten Vertragsverstöße ist derart schwerwiegend, dass eine Abmahnung nicht erwartet werden konnte. Insbesondere hat die Beklagte keinerlei besonders schweren Schaden behauptet und auch nicht substantiiert vorgetragen, dass es zu einem solchen Schaden hätte kommen können.

(3) Zudem sind die vermeintlichen Pflichtverletzungen zum Teil nicht schlüssig vorgetragen.

(a) Ob eine Leistung als Schlechtleistung anzusehen ist, beurteilt sich nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien. Dabei gilt folgende Maßgabe: Der Arbeitnehmer muss lediglich tun, was er soll, und zwar so gut, wie er kann. Die Leistungspflicht ist also nicht starr, sondern dynamisch und orientiert sich an der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers, weshalb kein objektiver Maßstab bei der Bewertung der Leistung anzusetzen ist (BAG 17.01.2008 – 2 AZR 752/06 -; 17.01.2008 – 2 AZR 536/06, aaO.; 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, aaO.). Selbst wenn der Arbeitnehmer unterdurchschnittliche Leistungen erbringt, muss dies nicht zwangsläufig bedeuten, dass er seine persönliche Leistungsfähigkeit nicht ausschöpft, weil in einer Vergleichsgruppe stets ein Angehöriger der Gruppe das „Schlusslicht” ist (BAG 17.01.2008 – 2 AZR 752/06 -; 17.01.2008 – 2 AZR 536/06, aaO.). Allerdings kann der Arbeitnehmer den Inhalt seiner Leistungspflicht auch nicht willkürlich selbst bestimmen. Es ist ihm nicht gestattet, das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung einseitig nach freiem Belieben festzulegen (BAG 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, aaO.). Das deutliche und längerfristige Unterschreiten des von vergleichbaren Arbeitnehmern erreichbaren Mittelwerts ist dabei oft der einzige für den Arbeitgeber erkennbare Hinweis darauf, dass der schwache Ergebnisse erzielende Arbeitnehmer Reserven nicht ausschöpft, die mit zumutbaren Anstrengungen nutzbar wären (BAG 17.01.2008 – 2 AZR 752/06 -; 17.01.2008 – 2 AZR 536/06, aaO.; 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, aaO.).

(b) Der Konflikt zwischen den genannten widerstreitenden Gesichtspunkten ist nach den Regeln der abgestuften Darlegungslast angemessen zu lösen (BAG 17.01.2008 – 2 AZR 752/06 -; 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, aaO.).

(aa) Bei quantitativen Minderleistungen ist es zunächst Sache des Arbeitgebers, zu den Leistungsmängeln das vorzutragen, was er wissen kann. Kennt er lediglich die objektiv messbaren Arbeitsergebnisse, so genügt er seiner Darlegungslast, wenn er Tatsachen vorträgt, aus denen ersichtlich ist, dass die Leistungen des betreffenden Arbeitnehmers deutlich hinter denen vergleichbarer Arbeitnehmer zurückbleiben, also die Durchschnittsleistung erheblich unterschreiten. Davon kann dann gesprochen werden, wenn, gemessen an der durchschnittlichen Leistung der vergleichbaren Arbeitnehmer, das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung stark beeinträchtigt ist. Das ist jedenfalls bei einer langfristigen Unterschreitung der Durchschnittsleistung um deutlich mehr als 1/3 der Fall (BAG 17.01.2008 – 2 AZR 752/06 -; 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, aaO.). Hierbei gilt, dass die Behauptung der Schlecht- oder Minderleistung nur auf Tatsachen und nicht allein auf allgemeine Werturteile gestützt werden kann (LAG Köln 05.02.1998 – 10 (8) Sa 885/97 -; KR-Griebeling 11. Aufl. KSchG § 1 Rn. 449). Hat der Arbeitgeber vorgetragen, dass die Leistungen des Arbeitnehmers über einen längeren Zeitraum den Durchschnitt im vorgenannten Sinne unterschritten haben, ist es Sache des Arbeitnehmers, hierauf zu entgegnen, gegebenenfalls das Zahlenwerk und seine Aussagefähigkeit im Einzelnen zu bestreiten und/oder darzulegen, warum er mit seiner deutlich unterdurchschnittlichen Leistung dennoch seine persönliche Leistungsfähigkeit ausschöpft. Hier können altersbedingte Leistungsdefizite, Beeinträchtigungen durch Krankheit, aber auch betriebliche Umstände eine Rolle spielen. Legt der Arbeitnehmer derartige Umstände plausibel dar, so ist es alsdann Sache des Arbeitgebers, sie zu widerlegen. Trägt der Arbeitnehmer hingegen derartige Umstände nicht vor, gilt schlüssiges Vorbringen des Arbeitgebers als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO). Es ist dann davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer seine Leistungsfähigkeit nicht ausschöpft (BAG 17.01.2008 – 2 AZR 752/06 -; 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, aaO.).

(bb) Für den Fall qualitativer Minderleistung kann je nach Art der Tätigkeit und der dabei möglicherweise auftretenden Fehler diesen ein sehr unterschiedliches kündigungsrelevantes Gewicht beizumessen sein. Es sind Tätigkeiten denkbar, bei denen bereits ein einmaliger Fehler derart weitreichende Konsequenzen hat, dass eine Vertragspflichtverletzung erheblich eher anzunehmen ist als bei anderen Fehlern (zB. Sorgfaltspflichten eines Piloten). Andererseits gibt es Tätigkeiten, bei denen Fehler nach der Art der Tätigkeit vom Arbeitnehmer kaum zu vermeiden und vom Arbeitgeber eher hinzunehmen sind, weil ihre Folgen das Arbeitsverhältnis nicht allzu stark belasten. Deshalb ist in derartigen Fällen über die bloße Betrachtung der Fehlerhäufigkeit hinaus eine einzelfallbezogene Betrachtungsweise unter Berücksichtigung der konkreten Arbeitsanforderungen und der konkreten Gegebenheiten des Arbeitsplatzes geboten. Die Prüfung hat sich auch hier an dem Maßstab zu orientieren, ob und ggf. in welchem Umfang das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung beeinträchtigt ist (BAG 17.01.2008 – 2 AZR 752/06 -).

Folglich muss der Arbeitgeber zu den aufgetretenen Leistungsmängeln das vorzutragen, was er über die Fehlerzahl, die Art und Schwere sowie Folgen der fehlerhaften Arbeitsleistung des Arbeitnehmers weiß. Kann der Arbeitgeber darlegen, dass der Arbeitnehmer längerfristig die durchschnittliche Fehlerhäufigkeit aller mit vergleichbaren Arbeiten beschäftigter Arbeitnehmer erheblich überschreitet, so kann dies ein Anhaltspunkt dafür sein, dass der Arbeitnehmer vorwerfbar seine vertraglichen Pflichten verletzt. Da jedoch der Vergleich durchschnittlicher Fehlerquoten für sich noch keinen hinreichenden Aufschluss darüber gibt, ob durch die fehlerhafte Arbeit des gekündigten Arbeitnehmers das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung stark beeinträchtigt ist, muss der Arbeitgeber hier weitere Umstände darlegen. Anhand der tatsächlichen Fehlerzahl, der Art, Schwere und Folgen der fehlerhaften Arbeitsleistung des betreffenden Arbeitnehmers ist näher darzulegen, dass die längerfristige deutliche Überschreitung der durchschnittlichen Fehlerquoten nach den Gesamtumständen darauf hinweist, dass der Arbeitnehmer vorwerfbar seine vertraglichen Pflichten verletzt. Legt der Arbeitgeber dies im Prozess dar, so muss der Arbeitnehmer erläutern, warum er trotz erheblich unterdurchschnittlicher Leistungen seine Leistungsfähigkeit ausschöpft. Hierbei ist insbesondere darzulegen, welche betrieblichen Beeinträchtigungen durch die konkret darzulegenden Fehler verursacht werden und dass es sich insoweit nicht lediglich um Fehler handelt, die trotz einer gewissen Häufigkeit angesichts der konkreten Umstände der Arbeitsleistung vom Arbeitgeber hinzunehmen sind (BAG 17.01.2008 – 2 AZR 752/06 -).

Auch einmalige qualitative Schlechtleistungen können eine ordentliche Kündigung grundsätzlich rechtfertigen. Erforderlich ist aber auch hier ein Vortrag, der erkennen lässt, dass der Arbeitnehmer mit dem ihm konkret vorgeworfenen Verhalten eine Pflichtverletzung in Form einer Schlechtleistung begangen hat. Der Nachweis kann durch den Vergleich zu der Arbeitsleistung anderer Arbeitnehmer gelingen, wenn die Pflichtverletzung vor dem Hintergrund er konkreten Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht klar erkennbar ist. Erforderlich ist außerdem die Erteilung einer vorherigen Abmahnung, soweit dies im Einzelfall in Anbetracht eines zumindest möglichen Schadens nicht ausgeschlossen ist (vgl. BAG 04.07.1991 – 2 AZR 79/91, aaO. zur fristlosen Kündigung wegen Schlechtleistung).

(c) Die Kammer schließt sich den vorangestellten Grundsätzen vollumfänglich an. Sie sind auf die vorliegende Konstellation, in der ein vergleichbarer Arbeitnehmer mit vergleichbaren Aufgaben nicht existiert, entsprechend anzuwenden. Dem Arbeitgeber kann auch in einer solchen Situation, in der ihm ein horizontaler Leistungsvergleich versperrt ist, nicht auf das Erdulden der vermeintlich schlechten Leistung für alle Zeiten verwiesen werden. Auch in einer solchen Situation muss dem Arbeitgeber die Möglichkeit offenstehen, eine vorwerfbar schlechte Leistung nachweisen zu können.

Aus Sicht der Kammer kann dies nicht allein durch die Abmahnung der vermeintlichen Schlechtleistungen geschehen. Zwar ist die Abmahnung regelmäßig ohnehin Voraussetzung für eine Kündigung wegen Schlechtleistungen, da der Arbeitnehmer durch die Hinweis- und Warnfunktion einer Abmahnung zur Besserung seiner Arbeitsleistung angehalten werden kann und sich hieraus eine negative Prognose für weitere Vertragsstörungen in der Zukunft ableiten lässt (vgl. LAG Düsseldorf 25.11.2009 – 12 Sa 879/09, AiB 2010, 269; 25.07.2003 – 14 Sa 657/03, LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 2). Die Abmahnung an sich weist aber nicht nach, dass der Arbeitnehmer überhaupt besser arbeiten könnte als er dies tut, weil ein Vergleich zur Leistung anderer Arbeitnehmer (horizontaler Leistungsvergleich) mangels Vorhandensein solcher Ergebnisse nicht möglich ist. Es wird über die Abmahnung allein also nicht nachgewiesen, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung tatsächlich schuldhaft zurückgehalten hat und er überhaupt bessere Ergebnisse hätte erbringen können. Erst über den Vergleich zu anderen Mitarbeitern und deren Ergebnissen wird die Erwartung des Arbeitgebers von den Arbeitsergebnissen objektiviert und zugleich ein Maßstab für eine zumindest zufriedenstellende Arbeitsleistung eines durchschnittlichen Arbeitnehmers geschaffen. Auf diese Art wird nachgewiesen, welche Arbeitsleistung objektiv tatsächlich erreichbar und zufriedenstellend ist.

Die Kammer ist der Ansicht, dass in Fällen, in denen dem Arbeitgeber ein horizontaler Leistungsvergleich mangels vergleichbarer Arbeitnehmer versperrt ist, ein fiktiver horizontaler Leistungsvergleich anzustellen ist. Es muss aus dem Vortrag des Arbeitgebers zunächst erkennbar werden, welche Arbeitsleistung ein durchschnittlicher Arbeitnehmer vor dem Hintergrund der konkreten Tätigkeit und den jeweiligen Arbeitsanweisungen erbringen würde, bzw. welche Arbeitsleistung im Einzelnen aus Sicht eines verständigen Arbeitgebers durch einen durchschnittlichen Arbeitnehmer zu erbringen wäre, dass es sich tatsächlich um eine erbringbare Leistung handelt – auch vor dem Hintergrund anderer Aufgaben des betroffenen Arbeitnehmers -, der gekündigte Arbeitnehmer diese Leistung nicht abgeliefert hat und hierdurch das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung erheblich beeinträchtigt wurde. Beweiserleichterungen sind denkbar, wenn der Arbeitnehmer in der Leistung nachgelassen hat, also in der Vergangenheit besser gearbeitet hat (chronologischer Leistungsvergleich). Allerdings darf hierbei nicht übersehen werden, dass der Arbeitnehmer in der Vergangenheit überdurchschnittliche Leistungen erbracht haben könnte.

(d) Vorliegend führt die Anwendung dieser Grundsätze nicht zur sozialen Rechtfertigung der Kündigung vom 22.06.2016. Die Beklagte hat ihre Darlegungslast hinsichtlich einer vorwerfbaren qualitativen Schlechtleistung des Klägers in seiner Tätigkeit als Leiter der Abteilung Finanz- und Rechnungswesen nicht erfüllt. Dass der Kläger vorwerfbare Minder- oder Schlechtleistungen erbracht hätte, kann insoweit nicht festgestellt werden.

(aa) Pflichtverletzungen des Klägers hat die Beklagte zunächst nicht im Zusammenhang mit den Stichtagsbilanzen substantiiert dargelegt. Es ist nicht konkret vorgetragen, dass es sich bei den behaupteten Stichtagen um mit dem Kläger vereinbarte Stichtage handelte. Solche Vereinbarungen hat der Kläger auch bestritten. Es kann daher nicht aufgrund einer Vereinbarung davon ausgegangen werden, dass der Kläger die Stichtage hätte einhalten können. Für einseitig vorgegebene Stichtage fehlt es an Vortrag der Beklagten dazu, dass die Stichtage vor dem Hintergrund der zahlreichen anderen Verantwortlichkeiten des Klägers überhaupt eingehalten werden konnten, welche Aufgaben hiermit verbunden waren, welcher Arbeitsaufwand erwartet wurde oder welche Arbeitszeit etwa in der Vergangenheit für solche Tätigkeiten angefallen ist. Sie hat keinen Vortrag zu der Arbeitsleistung, die sie fiktiv von einem vergleichbaren Mitarbeiter mit dem Aufgabenpensum des Klägers erwarten durfte, gehalten. Folglich kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger seine Arbeitsleistung in vorwerfbarer Weise zurückgehalten hätte.

(bb) Eine Pflichtverletzung ergibt sich auch nicht im Zusammenhang mit den vermeintlich nicht erfolgten Einstellungen durch den Kläger in seiner Abteilung. Es ist schon nicht erkennbar, dass die vermeintliche Nichteinstellung von Mitarbeitern kausal auf den Kläger zurückzuführen wäre. Auch nach dem Vortrag der Beklagten hat der Kläger Stellenanzeigen veröffentlichen lassen. Aus der E-Mail vom 06.04.2016 (Bl. 284 dA.) ist zudem ersichtlich, dass sich der Kläger auch intern bei Herrn N. um zwei Mitarbeiter bemühte. Zudem hat die Beklagte nicht vorgetragen, welche Leistung ein fiktiv vergleichbarer Arbeitnehmer anstelle des Klägers erbracht hätte, welche Bemühungen der Kläger also unterlassen haben sollte. Jedenfalls mangels Vergleich ist nicht ersichtlich, dass der Kläger seine Arbeitsleistung vorwerfbar zurückgehalten hätte. Es ist auch nicht vorgetragen, welche zusätzlichen Vorgänge in der Finanzbuchabteilung infolge der Übernahme der Senator Unternehmensgruppe ab dem 01.06.2016 nicht bewerkstelligt werden konnten und welcher Schaden hieraus hätte resultieren können oder resultiert ist.

(cc) Es ist auch nicht substantiiert vorgetragen, dass die Mitarbeiter der Finanzbuchabteilung keine Informationen über die Aufgabenverteilung sowie die Verantwortlichkeiten über die Angelegenheiten der übernommenen Buchhaltung der Senator Unternehmensgruppe besaßen. Insoweit hätte vorgetragen werden müssen, welche Informationen der Kläger konkret hätte weitergeben müssen, damit dieser sich auf den Vorwurf hätte einlassen können.

(dd) Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger seine Arbeitskraft in Zusammenhang mit der Prüfung der Liquidität der Tochtergesellschaften der Senator Unternehmensgruppe in vorwerfbarer Weise zurückgehalten hätte. Es ist nicht substantiiert vorgetragen, inwiefern bei der Senator Senioren- und Pflegeeinrichtungen GmbH die Gefahr bestand, dass die Gehälter nicht rechtzeitig ausgezahlt werden würden. Welche Mittel vorhanden waren und welche Forderungen diesen Mitteln zu welchem Zeitpunkt gegenüberstanden, hat die Beklagte nicht vorgetragen.

(ee) Vermeintliche Pflichtverletzungen des Klägers im Bereich des Liquiditätsberichtswesens und die Liquiditätssteuerung der B. behauptet die Beklagte nur pauschal. Inwiefern diese durch den Kläger bestenfalls unzulänglich bzw. nicht organisiert gewesen sein sollen, wird nicht näher begründet. Soweit in diesem Zusammenhang eine Pflichtverletzung behauptet wird, weil die Gesellschaften der zur B. gehörenden Q. Unternehmensgruppe nicht bis Ende des ersten Quartals 2016 an das B. Cash Pooling angebunden worden seien oder weil EUR 3.190.000,00 auf diversen „Vor-Ort-Banken“ Konten angelegt gewesen seien, auf die kein unmittelbarer Zugriff bestanden habe, ist nicht dargelegt, dass der Kläger seine Arbeitskraft in vorwerfbarer Weise zurückgehalten hätte. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger das Geld nicht auf diesen Konten anlegen durfte. Eine dahingehende Anweisung hat die Beklagte nicht substantiiert behauptet. Es ist auch nicht substantiiert vorgetragen, dass die fehlende Anbindung der Q. Unternehmensgruppe bis Ende des ersten Quartals 2016 überhaupt möglich war und die Nichtanbindung kausal auf den Kläger zurückzuführen ist.

dd. Die außerordentliche Kündigung vom 22.06.2016 ist auch nicht als Verdachtskündigung wirksam. In der Tat- bzw. der Verdachtskündigung liegen zwei voneinander zu trennende Kündigungsgründe (BAG 10.06.2010 – 2 AZR 541/09, aaO.; 23.06.2009 – 2 AZR 474/07, aaO.), die unterschiedlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen unterliegen.

(1) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung einen wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses bilden (BAG 12.02.2015 – 6 AZR 845/13, NZA 2015, 741; 20.06.2013 – 2 AZR 546/12, BAGE 145, 278). Eine auf einen solchen Verdacht gestützte Kündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich der Verdacht auf objektive und konkrete Tatsachen gründet, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (BAG 25.10.2012 – 2 AZR 700/11, BAGE 143, 244). Der Verdacht muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er in der Sache zutrifft (BAG 12.02.2015 – 6 AZR 845/13, aaO.; 25.10.2012 – 2 AZR 700/11, aaO.; 25.11.2010 – 2 AZR 801/09, NZA-RR 2012, 222).

(2) Nach diesen Grundsätzen, denen sich die Kammer vollumfänglich anschließt, sind die streitgegenständlichen Vorwürfe nicht geeignet, eine Verdachtskündigung zu begründen.

(a) Soweit die Beklagte vermeintliche Pflichtverletzungen des Klägers bereits mit einer Tatkündigung zu begründen versucht, wird auf die Ausführungen unter I. 1. b. cc. (2) und (3) der Gründe verwiesen. Aus den dort genannten Gründen rechtfertigen diese vermeintlichen Pflichtverletzungen auch keine fristlose Verdachtskündigung.

(b) Soweit die Beklagte einzelne Vertragsverstöße ausschließlich mit dem Verdacht einer Pflichtverletzung begründet, sind die vermeintlichen Schlechtleistungen auch hier teilweise nur unsubstantiiert vorgetragen.

(aa) Betreffend den angeblich verspäteten Konzernabschluss 2015 für die B. Senioren-Residenzen Holding SE ist nicht ersichtlich, dass der von der Beklagten eingeforderte Abgabetermin überhaupt durch den Kläger, angesichts seiner weiteren Tätigkeiten und Verantwortlichkeiten, eingehalten werden konnte. Soweit die Beklagte zum Nachweis fehlender Unterlagen auf die als Anlage B 1 zur Gerichtsakte gereichte Aufstellung verweist, ist dies kein schlüssiger Vortrag. Die Darlegung der Pflichtverletzungen durch den Arbeitgeber hat vielmehr entsprechend § 130 Nr. 3 und 4 ZPO schriftsätzlich zu erfolgen. Beigefügte Anlagen können den schriftsätzlichen Vortrag lediglich erläutern oder belegen, verpflichten das Gericht aber nicht, sich die unstreitigen oder streitigen Tatsachen aus den Anlagen selbst zusammenzusuchen (BAG 19.09.2012 – 5 AZR 627/11, DB 2013, 65 ff.; 16.05.2012 – 5 AZR 347/11, NZA 2012, 939; BGH 02.07.2007 – II ZR 111/05, NJW 2008, 69).

(bb) Eine Pflichtverletzung ist auch nicht betreffend das tägliche Liquiditätsberichtswesen ersichtlich. Der Bericht wurde erstellt. Woraus sich der Verdacht begründen soll, dass dieser – nur für den Kläger relevante und für ihn erstellte – Bericht über einen längeren Zeitraum nicht kontrolliert worden sein könne, ist aus dem Vortrag der Beklagten nicht erkennbar.

(cc) Eine Pflichtverletzung ist auch nicht für die vermeintlich von dem Kläger nicht eingeforderten und Herrn L. nicht zur Verfügung gestellten Bestätigungen über den Erhalt der Compliance-Richtlinie ersichtlich. Es ist nicht vorgetragen, bezogen auf welche Mitarbeiter konkret der Kläger diese Pflicht verletzt haben soll oder wann ihm diese Aufgabe durch wen übertragen wurde. Es handelt sich nicht um eine Pflicht, die zwingend mit den Aufgaben eines Compliance-Beauftragten, der zunächst nur über die Einhaltung von Richtlinien wachen soll, einhergeht. Soweit die Beklagte vorträgt, dass der Kläger seit Monaten auf E-Mail-Anfragen von Verwaltungsleitungen, Residenzleitungen, Regionalleitungen und COOs der B.-Gruppe nicht reagiert habe, ist dieser Vortrag unsubstantiiert und für den Kläger nicht einlassungsfähig.

(dd) Letztlich liegt eine vorwerfbare Schlechtleistung auch nicht in der Nichtbeantwortung von Anfragen bzw. Freigaben. Die von der Beklagten vorgelegte Aufstellung betrifft in Zeile 1 und ab Seite 21 und in allen Fällen vor dem 24.01.2014 nicht den Kläger, sondern die Mitarbeiterin Kayser. Es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern dem Kläger ein Vorwurf gemacht werden kann, wenn die Anfragen – nach der dazugehörigen Kommentierung in der Aufstellung der Beklagten – etwa an einen Herrn Weber oder eine Frau Wagner abgegeben werden sollten. Der einmalige behauptete Vorfall betreffend die Anfrage der Frau Breit rechtfertigt die Kündigung ohne vorausgegangene Abmahnung nicht.

c. Die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 22.06.2016 ist nicht gem. § 1 Abs. 2 KSchG durch Gründe im Verhalten des Klägers sozial gerechtfertigt und daher rechtsunwirksam, § 1 Abs. 1 KSchG. Es liegt kein Verhalten des Klägers vor, das zur sozialen Rechtfertigung der Kündigung vom 22.06.2016 iSd. § 1 Abs. 2 KSchG führen würde.

aa. Das Kündigungsschutzgesetz findet auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis Anwendung. Das Arbeitsverhältnis besteht länger als sechs Monate (§ 1 Abs. 1 KSchG). Zwischen der Beklagten und der B.gesellschaft mbH besteht ein gemeinsamer Betrieb. Die beiden Gesellschaften beschäftigen zusammen mehr als zehn Arbeitnehmer, so dass auch der Schwellenwert des § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG überschritten ist.

(1) Ein Betrieb iSd. § 23 Abs. 1 KSchG kann auch ein sog. Gemeinschaftsbetrieb sein. Ein solcher Gemeinschaftsbetrieb liegt vor, wenn in mehreren Unternehmen im Rahmen einer gemeinsamen Arbeitsorganisation aufgrund einer rechtlichen Vereinbarung unter einer einheitlichen Leitungsmacht identische oder auch verschiedene arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt werden (BAG 05.11.2009 – 2 AZR 383/08, NZA-RR 2010, 325; 16.01.2003 – 2 AZR 609/01, EzA § 23 KSchG Nr. 25; 12.11.1998 – 2 AZR 459/97, AP Nr. 20 zu § 23 KSchG 1969; KR-Weigand 11. Aufl. § 23 KSchG Rn. 48). Ein Gemeinschaftsbetrieb ist nicht nur dann anzunehmen, wenn die beteiligten Unternehmen ausdrücklich eine rechtliche Vereinbarung über die einheitliche Leitung des gemeinsamen Betriebs geschlossen haben, sondern auch dann, wenn sich eine solche Vereinbarung konkludent aus den näheren Umständen des Einzelfalls ergibt (BAG 22.03.2001 – 8 AZR 565/00, EzA Art. 101 GG Nr. 5; KR-Weigand aaO. Rn. 49). Eine solche konkludente Führungsvereinbarung liegt in der Regel dann vor, wenn der Kern der wesentlichen Arbeitgeberfunktionen im sozialen und personellen Bereich von derselben institutionellen Leitung ausgeübt wird (BAG 21.05.2007 – 2 AZR 276/06, EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 77; 22.03.2001 – 8 AZR 565/00, EzA Art. 101 GG Nr. 5; 18.01.1990 – AZR 355/89, EzA § 23 KSchG Nr. 9).

(2) Vorliegend ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Direktoren der Beklagten Geschäftsführer der B.gesellschaft mbH sind und in beiden Unternehmen die entsprechende Leitungsmacht ausüben. Insbesondere stehen die Einstellungsbefugnisse der Mitarbeiter der Beklagten für Mitarbeiter der B. GmbH unter dem Vorbehalt der Freigabe durch die Direktoren der Beklagten. Dies ergibt sich schon aus dem Vortrag der Beklagten zur Freigabe der Einstellung von 16 Arbeitnehmern in der Abteilung des Klägers durch den Direktor L.. Die Personalentscheidungen für die Mitarbeiter der B. GmbH werden bei der Beklagten getroffen, sei es durch die Direktoren der Beklagten oder durch die bei der Beklagten tätigen Abteilungsleiter. Bereits dies spricht für die konkludente zwischen den Unternehmen bestehende Führungsvereinbarung (vgl. insoweit auch LAG Schleswig-Holstein 22.04.1997 – 1 Sa 384/96, AuR 1997, 372). Die Mitarbeiter der B. GmbH übernehmen Aufgaben der Beklagten und umgekehrt, da beide nur gemeinsam die Gesellschaften der B. führen können. Unter anderem hat die Beklagte für die Buchhaltung der Senator Senioren- und Pflegeeinrichtungen GmbH auf die Arbeitskraft der B. GmbH zurückgegriffen und tut dies auch zur Führung der anderen zur B. gehörenden Gesellschaften. Umgekehrt kann die B. GmbH die B. Gruppe nicht ohne die bei der Beklagten beschäftigen Abteilungsleiter führen. Die B. GmbH teilt sich mit der Beklagten des Weiteren die Arbeitskraft der Arbeitnehmerinnen Mitarbeiterinnen L. und G., die bei der B. GmbH angestellt sind. Der übergreifende Personaleinsatz bestätigt, dass die Gesellschaften einen gemeinsamen Betrieb bilden. Hinzu tritt, dass beide Gesellschaften denselben Arbeitszweck und auch einen einheitlichen Internetauftritt, dieselbe Telefonnummer, Faxnummer, E-Mail-Adresse und dasselbe Postfach haben. Zudem stellt die Beklagte der B. GmbH Betriebsmaterial in Form von Hard- und Software.

bb. Ein Grund im Verhalten des Klägers, der die Beklagte zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien berechtigte (§ 1 Abs. 2 KSchG), liegt nicht vor.

(1) Zur Rechtfertigung einer verhaltensbedingten Kündigung genügen nur solche Umstände im Verhalten des Arbeitnehmers, die bei verständiger Würdigung in Abwägung der Interessen der Vertragsparteien die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lassen. Als verhaltensbedingter Grund ist insbesondere eine rechts- oder (vertrags-)widrige Pflichtverletzung aus dem Arbeitsverhältnis geeignet, wobei regelmäßig Verschulden erforderlich ist (BAG 17.01.2008 – 2 AZR 752/06 -; 17.01.2008 – 2 AZR 536/06, AP Nr. 85 zu § 1 KSchG 1969; 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung). Dabei genügt ein Umstand, der einen ruhig und verständig urteilenden Arbeitgeber zur Kündigung bestimmen kann (BAG 17.01.2008 – 2 AZR 752/06 -; 17.01.2008 – 2 AZR 536/06, aaO.; 17.06.2003 – 2 AZR 62/02, ZTR 2004, 25).

(2) Auf Pflichtverletzungen beruhende Schlechtleistungen sind grundsätzlich geeignet, eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung zu rechtfertigen (BAG 17.01.2008 – 2 AZR 752/06 -).

(3) Entsprechend der Ausführungen unter I. 1. b. cc. (2) und (3) sowie I. 1. b. dd. (2) (b) der Gründe sind die von der Beklagten behaupteten Pflichtverletzungen auch nicht geeignet, eine ordentliche Kündigung nach Maßgabe des § 1 Abs. 2 KSchG zu rechtfertigen. Auch vor Ausspruch einer ordentlichen Kündigung ist zudem grundsätzlich der Ausspruch einer Abmahnung erforderlich (vgl. LAG Düsseldorf 25.11.2009 – 12 Sa 879/09, aaO.; 25.07.2003 – 14 Sa 657/03, aaO.). Dies gilt nur dann nicht, wenn es sich um einen besonders schweren Pflichtenverstoß handelt und der Arbeitnehmer von vornherein nicht mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen kann und er sich bewusst sein muss, dass er mit seinem Verhalten seinen Arbeitsplatz riskiert (BAG 23.06.2009 – 2 AZR 103/08, aaO.; 18.09.2008 – 2 AZR 827/06, aaO.). Beides ist hier nicht der Fall. Dies gilt schon deshalb, weil ein Schaden nicht ersichtlich ist.

2. Der Kläger hat Anspruch auf die begehrten Mietkostenzuschüsse in Höhe von EUR 585,00 netto nebst Zinsen, jedoch nicht auf die in Bezug hierauf geltend gemachte Verzugspauschale in Höhe von jeweils EUR 40,00 nebst Zinsen.

a. Der Anspruch auf die noch streitgegenständlichen Mietkostenzuschüsse war zwischen den Parteien dem Grunde und der Höhe nach unstreitig. Die Beklagte hat dementsprechend in der Vergangenheit diese Zuschüsse auch gezahlt.

b. Dem Anspruch auf die Verzugspauschale in Höhe von jeweils EUR 40,00 netto steht entgegen, dass § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB auf die von dem Kläger geltend gemachten Ansprüche auf Mietkostenzuschüsse nicht anwendbar ist. Die Anwendbarkeit des § 288 Abs. 5 BGB richtet sich nach Art. 229 § 34 EGBGB. Es handelt sich bei dem Vertragsverhältnis, das den Mietkostenzuschüssen zugrunde liegt, nicht um ein solches, das nach dem 28.07.2014 entstanden ist (Art. 229 Satz 1 § 34 EGBGB). Der Antrag betrifft Forderungen, die bis zum 30.06.2016 entstanden sind, so dass § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB auch nicht über Art. 229 Satz 2 § 34 EGBGB anzuwenden ist. Da kein Anspruch auf die Verzugspauschale von jeweils EUR 40,00 besteht, hat der Kläger auch keinen Anspruch auf die hierauf bezogenen Zinsen.

3. Der Kläger hat Anspruch auf die begehrte Weiterbeschäftigung als Leiter der Abteilung Finanz- und Rechnungswesen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens.

a. Der Antrag ist der Kammer aufgrund des innerprozessualen Bedingungseintritts, des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag, zur Entscheidung angefallen.

b. Der Arbeitnehmer hat nach der Rechtsprechung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAG (GS) 27.02.1985 – GS 1/84, AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits, wenn er in erster Instanz mit seinem Kündigungsschutzantrag obsiegt.

c. Die Kammer schließt sich dieser Rechtsprechung an, so dass der Anspruch des Klägers aufgrund des Obsiegens mit dem gegen die Kündigung vom 22.06.2016 gerichteten Antrag gegeben war.

4. Der Kläger hat Anspruch auf die Zahlung von Annahmeverzugslohn gem. § 615 Satz 1 BGB in Höhe von EUR 15.246,75 brutto nebst begehrter Zinsen. Auch hier hat der Kläger keinen Anspruch auf die begehrte Verzugspauschale und die hierauf bezogenen Zinsen.

a. Infolge der Unwirksamkeit der Kündigung vom 22.06.2016 hat der Kläger Anspruch auf Annahmeverzug für die Zeit nach dem Zugang der Kündigung. Die Beklagte ist mit der Annahme der Dienste des Klägers in Verzug geraten, § 615 Satz 1 BGB. Ein tatsächliches oder wörtliches Angebot der Arbeitsleistung gemäß § 296 Satz 2 BGB war nicht erforderlich, da für die Erbringung der Arbeitsleistung eine Mitwirkungshandlung der Beklagten erforderlich war, die diese durch den Ausspruch der außerordentlichen Kündigung vom 22.06.2016 abgelehnt hat (vgl. BAG 11.01.2006 – 5 AZR 98/05, NZA 2006, 314; 13.07.2005 – 5 AZR 578/04, AP Nr. 112 zu § 615 BGB). Will der Arbeitgeber trotz Ausspruchs einer Kündigung nicht in Annahmeverzug geraten, muss er den Arbeitnehmer ausdrücklich zur Erbringung der Arbeitsleistung auffordern (BAG 13.07.2005 – 5 AZR 578/04, aaO.). Dies ist für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht geschehen. Der Anspruch war auch der Höhe nach zutreffend berechnet, insbesondere hat der Kläger keinen Annahmeverzug für die Zeit geltend gemacht, in der er Krankengeld bezog (vom 27.07.2016 bis 02.09.2016), so dass er sich dieses auch nicht gemäß § 615 Satz 2 BGB anrechnen lassen musste.

b. Der Zinsanspruch resultiert aus den §§ 286 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 iVm. § 614 Satz 2 BGB.

c. Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf die begehrte Verzugspauschale in Höhe von jeweils EUR 40,00 gemäß § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB. Der Kläger hat für Juni 2016 aus den bereits unter I. 2. b. der Gründe erfolgten Erwägungen keinen Anspruch auf die Verzugspauschale nach § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB. Die Norm ist insoweit auf den Fall nicht anwendbar. Betreffend die Zeit nach dem 01.07.2016 steht dem Anspruch entgegen, dass § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB auf Ansprüche, die aus einem Arbeitsverhältnis resultieren, nicht anwendbar ist.

aa. Dies ergibt sich nicht bereits aus Art. 229 § 34 EGBGB. Zwar handelt es sich bei dem Arbeitsverhältnis der Parteien nicht um ein Dienstverhältnis, das nach dem 28.07.2014 entstanden ist (Art. 229 Satz 1 § 34 EGBGB). Allerdings ist § 288 BGB abweichend von Art. 229 Satz 1 § 34 EGBGB auch auf ein vorher entstandenes Dauerschuldverhältnis anzuwenden, soweit die Gegenleistung nach dem 30.06.2016 erbracht wird. Dies ist hier der Fall. Der Kläger macht Annahmeverzugsansprüche für die Zeit nach dem 01.07.2016 geltend. Die Arbeitsleistung als Gegenleistung für den Anspruch, auf den sich die Verzugspauschale bezieht, hätte nach dem 30.06.2016 erbracht werden müssen.

bb.Die Frage der Anwendbarkeit von § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB im Arbeitsrecht ist umstritten (dafür: LAG Köln 22.10.2016 – 12 Sa 524/16 -; LAG Baden-Württemberg 13.10.2016 – 3 Sa 34/16 -; MüKoBGB/Ernst 7. Aufl. § 288 Rn. 30; Hülsemann ArbRAktuell 2015, 146; Lembke NZA 2016, 1501; Tiedemann ArbRB 2014, 312, 313; aA.: ArbG Düsseldorf 12.05.2016 – 2 Ca 5416/15 -; Diller NZA 2015, 1095, 1096; Düwell jurisPR-ArbR 33/2016 Anm. 1; Ulrici jurisPR-ArbR 44/2016 Anm. 2). Die Kammer kommt durch eine teleologische Reduktion des § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB zu dem Ergebnis, dass § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB auf Zahlungsansprüche aus einem Arbeitsverhältnis nicht anzuwenden ist.

(1) Die teleologische Reduktion ist dadurch gekennzeichnet, dass sie die nach ihrem Wortlaut anzuwendende Vorschrift hinsichtlich eines Teils der von ihr erfassten Fälle für gleichwohl unanwendbar hält, weil Sinn und Zweck, Entstehungsgeschichte und Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelung gegen eine uneingeschränkte Anwendung sprechen (BAG 22.10.2015 – 2 AZR 381/14, BAGE 153, 102; BSG 04.12.2014 – B 2 U 18/13 R, BSGE 118, 18). Sie setzt voraus, dass der gesetzessprachlich erfasste, dh. der gesetzlich in bestimmter Weise geregelte Fall nach Maßgabe des Gleichheitssatzes nach einer anderen Entscheidung verlangt als die übrigen geregelten Fälle, um Wertungswidersprüche zu vermeiden (BAG 22.10.2015 – 2 AZR 381/14, aaO.; 21.02.2013 – 2 AZR 433/12, ZTR 2013, 518). Eine Gesetzesanwendung, die als richterliche Rechtsfortbildung den klaren Wortsinn einer Norm hintanstellt, ohne dass diese Voraussetzungen vorlägen, greift unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein (vgl. BVerfG 19.05.2015 – 2 BvR 1170/14 -; BAG 22.10.2015 – 2 AZR 381/14, aaO.).

(2) Die Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion liegen vor. Nach seinem uneingeschränkten Wortlaut findet § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB auch auf Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis Anwendung. Sinn und Zweck der Norm – insbesondere im Hinblick auf ihre Entstehungsgeschichte und die Gesetzessystematik – sprechen jedoch gegen eine uneingeschränkte Anwendung auch auf arbeitsrechtliche Zahlungsansprüche.

(a) § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB dient der Umsetzung von Art. 6 Abs. 1 und 2 Richtlinie 2011/7/EU. Hiernach soll der Gläubiger in Fällen, in denen im Geschäftsverkehr Verzugszinsen zu zahlen sind, gegenüber dem Schuldner einen Anspruch auf Zahlung eines Pauschalbetrags von mindestens EUR 40,00 haben. Die Regelung bezieht sich nur auf den Geschäftsverkehr und hat im Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber keinen Anwendungsbereich. Der deutsche Gesetzgeber ist mit § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB über die Vorgaben des Europarechts hinausgegangen und hat den Anwendungsbereich der Regelung auch auf Rechtsgeschäfte erstreckt, an denen ein Verbraucher beteiligt ist (vgl. BT-Drucks. 18/1309, Seite 19). Da der Arbeitnehmer Verbraucher ist (vgl. BAG 11.12.2013 – 10 AZR 286/13, NZA 2014, 433), ist § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB grds. auch im Verhältnis Arbeitgeber und Arbeitnehmer anzuwenden.

(b) Nach der Gesetzesbegründung ging der Gesetzgeber davon aus, dass die durch den Zahlungsverzug des Schuldners hervorgerufenen „Beitreibungskosten“ in Deutschland bereits vor Einführung des § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB durch die Regelungen in § 280 Absatz 1 und 2, § 286 BGB gewährleistet wurden. Umsetzungsbedarf habe daher allein für die in Art. 6 Richtlinie 2011/7/EU enthaltene Vorschrift, die einen Zahlungsanspruch von mindestens EUR 40,00 vorsieht, bestanden. Dieser pauschale Zahlungsanspruch, der unabhängig von einem tatsächlichen Verzugsschaden ohne weitere Mahnung entstehen soll, war dem deutschen Recht bislang unbekannt (vgl. BT-Drucks. 14/154, Seite 8). Es handelt sich um eine gesetzliche Form des Verzugsschadens neben den Verzugszinsen (BT-Drucks. 14/154, Seite 18 sowie BT-Drucks. 18/1309, Seite 19). Nach Art. 6 Abs. 3 Satz 2 Richtlinie 2011/7/EU umfassen die Beitreibungskosten unter anderem die Kosten, die durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts oder eines Inkassounternehmens entstehen (vgl. insoweit auch BT-Drucks. 14/154, Seite 23). Auch aus der Diskussion des Bundestags zu diesem Thema ergibt sich, dass bei der Einführung der Norm insbesondere Anwalts- und Inkassogebühren im Blickfeld des Gesetzgebers standen (BT-PIPr 18/47, Seite 4386A). Es sollte zudem eine Überlastung der Gerichte durch Kleinstforderungen – in Form von Verzugsschäden – verhindert werden (BT-PIPr 18/47, Seite 4386A). Die Norm hat dagegen keinen Strafcharakter (anders aber wohl LAG Köln 22.10.2016 – 12 Sa 524/16 -; Lembke NZA 2016, 1502). Zwar soll sie zur pünktlichen Zahlung anhalten. Dieser Zweck wird jedoch nicht über eine Strafzahlung erreicht, sondern über einen pauschalierten Verzugsschaden (BT-Drucks. 14/154, Seite 18 sowie BT-Drucks. 18/1309, Seite 19), was sich nicht zuletzt aus der Anrechnungsvorschrift des § 288 Abs. 5 Satz 3 BGB ergibt.

(c) Berücksichtigt man diesen Sinn und Zweck des § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB, folgt daraus, dass § 12a Abs. 1 ArbGG einer Anwendung der Norm auf Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis entgegensteht.

(aa) Im arbeitsgerichtlichen Verfahren ist eine Erstattung von außergerichtlich entstandenen Anwalts- und Inkassokosten nach § 12a Abs. 1 ArbGG ausgeschlossen. Der Gesetzgeber wollte im Bereich arbeitsrechtlicher Forderungen nicht, dass die außergerichtliche Tätigkeit von Anwälten erstattungsfähig ist (vgl. BAG 16.05.1990 – 4 AZR 56/90, BAGE 65, 139; 14.12.1977 – 5 AZR 711/76, AP Nr. 14 zu § 61 ArbGG 1953 Kosten). Dies umfasst sowohl einen eventuell entstandenen materiell-rechtlichen als auch einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch (BAG 11.03.2008 – 3 AZN 1311/07 -; 27.10.2005 – 8 AZR 546/03, NZA 2006, 259; 30.04.1992 – 8 AZR 288/91, BAGE 70, 191). Soweit vertreten wird, Verzugszins und Verzugsschaden können „unzweifelhaft“ auch von Arbeitnehmern bei verspäteter oder unvollständiger Zahlung des Arbeitsentgelts verlangt werden (LAG Köln 22.11.2016 – 12 Sa 524/16 -), ist dies nur im Grundsatz richtig. Nur solche außergerichtlichen Kosten der Partei, die nicht in § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG genannt sind, sind erstattungsfähig (BAG 17.08.2015 – 10 AZB 27/15, NZA 2015, 1150). § 12a ArbGG dient der Verbilligung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens für die Parteien. Keine Partei soll damit rechnen müssen, dass ihr die eigenen Kosten ihres Prozessbevollmächtigten erstattet oder dass ihr die Kosten des Prozessbevollmächtigen des Gegners auferlegt werden (BAG 30.04.1992 – 8 AZR 288/91, aaO.; Germelmann/Matthes/Prütting aaO. Rn. 1). Das Kostenrisiko soll begrenzt, die Hemmschwelle, die Arbeitsgerichte anzurufen, soll gemindert werden.

(bb) Der Sinn und Zweck des § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB bedingt seine Anwendbarkeit auf arbeitsrechtliche Zahlungsforderungen nicht.

§ 288 Abs. 5 Satz 1 BGB hat – soweit es den deutschen Gesetzgeber und damit insbesondere die über Art. 6 Richtlinie 2011/7/EU hinausgehende Regelung für Verbraucher betrifft – vor allem die Erstattung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten im Blick (BT-PIPr 18/47, Seite 4386A). Genau deren Geltendmachung ist aber durch § 12a Abs. 1 ArbGG im arbeitsgerichtlichen Verfahren ausgeschlossen. Zudem beabsichtigte der deutsche Gesetzgeber mit der Einführung des § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB die Gerichte von der Geltendmachung von Kleinstforderungen – in Form von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten – zu entlasten (BT-PIPr 18/47, Seite 4386A). Diese Entlastung ist im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht erforderlich. § 12a Abs. 1 ArbGG schließt sie bereits aus.

Zudem führt eine Anwendung von § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB auf arbeitsrechtliche Zahlungsforderungen zu Wertungswidersprüchen. Es ist denkbar, dass sich die außergerichtlichen Kosten des Gläubigers auf die Kosten für die Beauftragung des Rechtsanwalts beschränken. Würde man die Erhebung der Verzugspauschale nach § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB auf arbeitsrechtliche Forderungen zulassen, könnte hierüber also ein – wenn auch regelmäßig geringer – Teil der außergerichtlich durch das Tätigwerden eines Rechtsanwalts entstandenen Mahnungskosten betreffend einen Zahlungsanspruch eingefordert werden. Demgegenüber könnten wegen § 12a Abs. 1 ArbGG Kosten, die durch das vorgerichtliche Tätigwerden eines Rechtsanwalts wegen einer anderen Forderung als einer Zahlung entstanden sind – etwa die Aufforderung, ein Arbeitszeugnis zu erteilen, auf die keine Reaktion erfolgte -, nicht erstattet werden. § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB sollte nur eine Verbesserung der Zahlungsmoral bewirken. Für sonstige Forderungen hat die Norm nach ihrem Wortlaut und Sinn und Zweck keinen Anwendungsbereich. Für Zahlungsforderungen könnte also über § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB ein Teil der außergerichtlichen Kosten für die Beauftragung eines Rechtsanwalts eingetrieben werden, für andere Forderungen nicht. Hierin läge eine Ungleichbehandlung, die zu Wertungswidersprüchen führt.

Darüber hinaus zeigt gerade die hiesige Konstellation, dass die Anwendung von § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB auf arbeitsrechtliche Forderungen nicht dem Sinn und Zweck der Norm entspricht. Der mit einer Kündigungsschutzklage obsiegende Kläger hat automatisch Anspruch auf Annahmeverzug. Die beklagte Partei kommt jeden Monat erneut in Verzug, ohne dass es einer Mahnung durch den Kläger bedarf. Dem Kläger entstehen durch diesen Verzug keine Kosten, deren Abdeckung § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB beabsichtigte. Schon in der Erhebung der Kündigungsschutzklage liegt die Geltendmachung sämtlicher von der Wirksamkeit der Kündigung abhängiger Ansprüche (BAG 19.03.2008 – 5 AZR 429/07, BAGE 126, 198; 28.04.2007 – 5 AZR 992/06, NZA 2008, 293). Irgendwelche außergerichtlichen Kosten etwa wegen einer Mahnung oder ähnlichem entstehen in einer solchen Konstellation regelmäßig nicht. Dennoch wäre die beklagte Partei zur Zahlung einer Verzugspauschale verpflichtet, obwohl der Kläger keine Kosten aufwenden musste, um die einzelnen Zahlungsansprüche gesondert geltend zu machen. Gleiches gilt, wenn bei unveränderter rechtlicher und tatsächlicher Lage ein Anspruch aus einem bestimmten Sachverhalt hergeleitet werden kann. Dann wird durch einmalige ordnungsgemäße Geltendmachung eine etwaige Ausschlussfrist auch im Hinblick auf noch nicht entstandene Ansprüche gewahrt, ohne dass dem Gläubiger für die Geltendmachung weiterer Beträge Kosten entstehen (vgl. BAG 16.01.2013 – 10 AZR 863/11, BAGE 144, 210 mwN.). Würde man hier die Geltendmachung der Verzugspauschale zulassen, würde § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB tatsächlich einen Strafcharakter bekommen, den die Norm nach obiger Maßgabe gerade nicht haben soll.

(c) Europarechtliche Erwägungen stehen einer teleologischen Reduktion des Anwendungsbereichs der Norm nicht entgegen. Nach Art. 6 Richtlinie 2011/7/EU sollen die Mitgliedsstaaten sicherstellen, dass in Fällen, in denen gemäß Art. 3 oder Art. 4 im Geschäftsverkehr Verzugszinsen zu zahlen sind, der Gläubiger gegenüber dem Schuldner einen Anspruch auf Zahlung eines Pauschalbetrags von mindestens EUR 40,00 hat. Die Regelung bezieht sich nur auf den Geschäftsverkehr und hat damit im Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber keinen Anwendungsbereich. Der deutsche Gesetzgeber ist über die Vorgaben des Europarechts mit § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB hinausgegangen (vgl. BT-Drucks. 18/1309, Seite 19).

d. Infolge des Unterliegens mit dem hierauf gerichteten Antrag besteht auch kein Anspruch auf die hierauf bezogenen Zinsen.

5. Der Kläger hat Anspruch auf Schadenersatz wegen Entzugs seines Dienstwagens gemäß §§ 280, 286 Abs. 1, 283 Satz 1, 249 ff. BGB in Höhe von EUR 1.336,95 netto nebst Zinsen, jedoch nicht auf die in Verbindung mit diesem Antrag verfolgten Verzugspauschalen in Höhe von jeweils EUR 40,00 netto nebst Zinsen.

a. Die Beklagte war arbeitsvertraglich verpflichtet, dem Kläger einen Dienstwagen mit privater Nutzungsberechtigung zur Verfügung zu stellen. Durch den Entzug des Dienstwagens hat sie sich in beantragter Höhe gemäß §§ 280, 286 Abs. 1, 283 Satz 1, 249 ff. BGB schadenersatzpflichtig gemacht.

aa. Die Verpflichtung, dem Kläger einen Dienstwagen zur privaten Nutzung zur Verfügung zu stellen, hat Entgeltcharakter und ist Hauptleistungspflicht. Die Möglichkeit einen Dienstwagen im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses auch für private Fahrten nutzen zu können, ist eine zusätzliche Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung. Da die Beklagte durch die unwirksame Kündigung in Annahmeverzug geraten ist, blieb der Erfüllungsanspruch des Klägers, einschließlich des Anspruchs auf den Dienstwagen zur privaten Nutzung als vereinbarter Naturallohn gemäß § 611 Abs. 1, § 615 Satz 1 BGB, erhalten. Da die vereinbarte Naturalvergütung für die Vergangenheit nicht nachholbar ist, tritt an ihre Stelle der Wert, den die Naturalvergütung verkörpert. Der Anspruch auf Gewährung eines Dienstwagens zur privaten Nutzung wandelt sich gem. §§ 249, 251 BGB in einen Zahlungsanspruch um (BAG 25.01.2001 – 8 AZR 412/00 -).

bb. Der Anspruch kann bei abstrakter Berechnung nur in Höhe der steuerlichen Bewertung der privaten Nutzungsmöglichkeit geltend gemacht werden (BAG 25.01.2001 – 8 AZR 412/00 -). Diesen Betrag hat der Kläger seiner Anspruchsberechnung zugrunde gelegt. Der Anspruch bestand daher für den streitgegenständlichen Zeitraum von Juli bis September 2016 in Höhe des steuerlichen Vorteils des Dienstwagens (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG), der hier unstreitig bei EUR 445,65 monatlich lag.

cc. Der Zinsanspruch resultiert aus den §§ 286 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 iVm. § 614 Satz 2 BGB.

b. Der Kläger hat aus den Erwägungen unter I. 4. c. bb. der Gründe keinen Anspruch auf die jeweilige Verzugspauschale iHv. EUR 40,00 aus § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB. Infolge des Unterliegens mit dem hierauf gerichteten Antrag besteht auch kein Anspruch auf die hierauf bezogenen Zinsen.

II.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 269 Abs. 3 iVm. 92 Abs. 1 Satz 1 iVm. 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Der Kläger hatte grundsätzlich die Kosten seiner Teilklagerücknahme nach § 269 Abs. 3 Satz 2 iVm. 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu tragen. Wird eine Klage nur teilweise zurückgenommen, so gilt § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO mit der Maßgabe, dass die Regelung des § 92 ZPO entsprechend heranzuziehen ist (BGH 19.10.1995 – III ZR 208/94, NJW-RR 1996, 256; Zöller-Herget ZPO 31. Aufl. § 92 Rn. 3). Allerdings fielen für den zurückgenommenen Schleppnetzantrag keinerlei Kosten an. Zwar hat der Schleppnetzantrag keinen eigenen Wert; er nimmt aber am Wert des Kündigungsschutzantrags teil. Allerdings hat der Kläger hier klargestellt, dass der Schleppnetzantrag von Beginn an ein uneigentlicher Hilfsantrag war. Dies hätte sich ohnehin durch eine Auslegung des Klageantrags ergeben, weil es der richtig verstandenen Interessenlage entspricht (vgl. insoweit BAG 17.03.2015 – 9 AZR 702/13, ZIP 2015, 1653). Denn durch den Kündigungsschutzantrag werden im Regelfall bereits alle denkbaren Beendigungstatbestände bis zu dem von der Kündigung beabsichtigten Endtermin erfasst (vgl. BAG 18.12.2014 – 2 AZR 163/14, BAGE 150, 234). Der Schleppnetzantrag hat daher nur noch Wirkung für etwaige auf diesen Zeitpunkt folgende Beendigungstatbestände. Da bereits Kündigungsschutzanträge bezogen auf eine tatsächlich später ausgesprochene weitere Kündigung als Hilfsanträge auszulegen sind (vgl. BAG 21.11.2013 – 2 AZR 474/12, BAGE 146, 333), gilt dies erst Recht für den Schleppnetzantrag. Dieser ist für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag avisiert. Ergeht keine Entscheidung über den als Hilfsantrag gemeinten Schleppnetzantrag, etwa weil er vorher zurückgenommen wird, wirkt er sich nicht streitwerterhöhend aus, § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG, so dass er sich auch nicht kostenmäßig auswirkt. Die Beklagte hatte gemäß § 92 Abs. 1 ZPO die übrigen Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Da die verbleibende Zuvielforderung des Klägers (in Höhe der Verzugspauschalen) verhältnismäßig geringfügig war und nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat, waren der Beklagten die Kosten insgesamt aufzuerlegen (§ 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

2. Die Entscheidung über die gesonderte Zulassung der Berufung beruht auf § 64 Abs. 2 lit. a), Abs. 3a ArbGG; ein besonderer Zulassungsgrund nach § 64 Abs. 3 ArbGG liegt für die Beklagte nicht vor. Für den Kläger war die Berufung betreffend das Unterliegen mit den Ansprüchen auf die Verzugspauschale nach § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB zuzulassen, soweit die Norm auf den Sachverhalt anwendbar war (Annahmeverzug ab 01.07.2016 und Schadenersatzanspruch wegen des Entzugs des Dienstwagens) und die Klage abgewiesen wurde. Der Rechtsfrage, ob § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB im Arbeitsrecht Anwendung findet, kommt besondere Bedeutung zu.

3. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG, 3 ff. ZPO. Der Kündigungsschutzantrag wurde mit einem Vierteljahresgehalt analog § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG bewertet, der Weiterbeschäftigungsantrag mit einem Gehalt. Im Übrigen wurden die zuletzt eingeklagten Beträge angesetzt.

 

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