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Fristlose Kündigung wegen Täuschung über Arbeitsleistung

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 4 Sa 427/15 – Urteil vom 20.07.2016

I. Die Berufung des Klägers und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 5.8.2015 – 3 Ca 2262/14 – werden zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat 58 % und die Beklagte 42 % der erstinstanzlichen Kosten zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu 75 % dem Kläger und zu 25 % der Beklagten auferlegt.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen sowie einer hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung. Darüber hinaus begehrt der Kläger von der Beklagten die Entfernung von Abmahnungen aus seiner Personalakte.

Der am … 1959 geborene Kläger war bei der Beklagten seit dem 04.08.1997 beschäftigt, wobei er überwiegend die Tätigkeit eines Lkw-Fahrers ausübte.

Unter dem Datum vom 12.06.2012 erteilte die Beklagte dem Kläger zwei Abmahnungen. Eine weitere Abmahnung erteilte sie ihm mit Schreiben vom 12.12.2014. Wegen des Inhalts dieser Abmahnungen wird auf Bl. 31 bis 34 d. A. sowie auf Bl. 37 f. d. A. Bezug genommen.

Nach Aushändigung des Abmahnungsschreibens vom 12.12.2014 fand zwischen den Geschäftsführern der Beklagten, ihrem Prokuristen und dem Kläger ein Gespräch statt. Gegenstand dieses Gesprächs war die vom Kläger am Vortrag, dem 11.12.2014 erbrachte Arbeitszeit. Der Kläger hatte an dem betreffenden Tag den Auftrag ausgeführt, bei der B. bestimmte Teile abzuholen und mit dem Lkw zur Beklagten zu transportieren. Der Kläger benötigte hierfür den Zeitraum von 7.30 Uhr bis 11.00 Uhr, also insgesamt ca. 3 ½ Stunden. Aus den Aufzeichnungen des Fahrtenschreibers ergibt sich, dass das vom Kläger geführte Fahrzeug von ca. 8.15 Uhr bis 10.35 Uhr stand. Als der Kläger am 12.12.2014 auf die von ihm benötigte Zeit für die Durchführung des betreffenden Auftrages, für den die Beklagte rund 1 ½ Stunden veranschlagt hatte, angesprochen wurde, gab er zunächst an, er habe im Stau gestanden. Nachdem ihm daraufhin der Fahrtenschreiber vorgelegt wurde, erklärte er, er habe noch Staplerarbeiten vor Ort durchführen müssen. Sodann wurde ihm vorgehalten, dass die Vorbereitung der Fracht bereits am 10.12.2014 erfolgt sei, als der Kläger zur Vorbesprechung und Einteilung der Fahrten bei der B. gewesen sei. Daraufhin räumte der Kläger ein, dass er seine Frühstückspause von 15 Minuten auf etwa 45 Minuten ausgeweitet habe.

Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 12.12.2014 sowohl „außerordentlich und mit sofortiger Wirkung“ als auch vorsorglich ordentlich zum nächst möglichen Termin.

Gegen diese Kündigung richtet sich die vom Kläger am 17.12.2014 beim Arbeitsgericht eingereichte Klage. Mit klageerweiternden Schriftsatz vom 27.02.2016 hat der Kläger die Beklagte auf Entfernung der ihm erteilten Abmahnungen aus der Personalakte in Anspruch genommen.

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 05.08.2015 (Bl. 88 bis 95 d. A.).

Der Kläger hat beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 12.12.2014 nicht zum 12.12.2014 beendet wurde.

2. Für den Fall des Obsiegens zu Ziffer 1:

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den bisherigen Arbeitsbedingungen bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Kündigungsschutzprozesses als Fahrer weiter zu beschäftigen bzw. zu beschäftigen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnungen vom 12.06.2012 und 12.12.2014 zu widerrufen und aus der Personalakte zu entfernen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 05.08.2015 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 12.12.2014 aufgelöst worden ist, sondern bis zum 30.06.2015 fortbestanden hat. Darüber hinaus hat das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, die Abmahnung vom 12.06.2012 (Betreten des Firmengeländes/Entnahme von Firmeneigentum (Rohrschelle), Bl. 31 f. d. A.) sowie die Abmahnung vom 12.12.2014 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 9 bis 18 dieses Urteils (= Bl. 95 bis 104 d. A.) verwiesen.

Gegen das dem Kläger am 07.09.2015 und der Beklagten am 08.09.2015 zugestellte Urteil haben der Kläger am 25.09.2015 und die Beklagte am 06.10.2015 Berufung eingelegt. Der Kläger hat seine Berufung am 26.10.2015, die Beklagte ihre Berufung innerhalb der ihr mit Beschluss vom 20.10.2015 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 30.11.2015 begründet.

Der Kläger macht zur Begründung seiner Berufung im Wesentlichen geltend, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei das Arbeitsverhältnis auch nicht durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung aufgelöst worden. Der gegen ihn von Seiten der Beklagten erhobene Vorwurf eines Arbeitszeitbetruges sei unberechtigt. Ihm könne einzig und allein vorgehalten werden, seine Pausen zu sehr ausgedehnt zu haben. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass ihm am 11.12.2014 nach Rückkehr zum Betrieb der Beklagten keinerlei Arbeiten übertragen worden seien. Insoweit sei der behauptete Verstoß ohne jegliche Relevanz für das Arbeitsverhältnis. Auch die weitere Abmahnung vom 12.06.2012 sei aus seiner Personalakte zu entfernen. Eine Zueignungsabsicht hinsichtlich des weiterhin auf dem Betriebsgelände befindlichen Materials der Beklagten habe zu keinem Zeitpunkt bestanden.

Der Kläger beantragt, unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils wie folgt zu erkennen:

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien durch die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 12.12.2014 nicht zum 12.12.2014 beendet wurde,

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den bisherigen Arbeitsbedingungen bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Kündigungsschutzprozesses als Fahrer weiter zu beschäftigen bzw. zu beschäftigen,

3. Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnungen vom 12.06.201 und 12.12.2014 zu widerrufen und aus der Personalakte zu entfernen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen vor, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei das Arbeitsverhältnis bereits durch die streitbefangene außerordentliche Kündigung aufgelöst worden. Indem der Kläger am 12.12.2014 im Rahmen des mit ihm geführten Gesprächs die von ihm am Vortag unstreitig eigenmächtig überzogene Pausenzeit auch auf Nachfrage nicht offengelegt und hierzu mehrfach wahrheitswidrige Erklärungsversuche geliefert habe, liege ein mit der fehlerhaften Dokumentation der abgeleisteten Arbeitszeit vergleichbarer Fall, mithin ein Fall des Arbeitszeitbetruges vor. Dass der Kläger hierbei vorsätzlich gehandelt habe, sei bereits daraus ersichtlich, dass er mehrfach falsche Erklärungsversuche abgegeben habe. Die vom Arbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung sei fehlerhaft. Dies insbesondere deshalb, weil die dem Kläger im Vorfeld erteilten Abmahnungen nicht berücksichtigt worden seien. Darüber hinaus gehe die Auffassung des Arbeitsgerichts fehl, wonach die weitere Abmahnung vom 12.06.2012 (wegen des Sachverhalts vom 21..05.2012) deshalb aus der Personalakte des Klägers zu entfernen sei, weil sie unrichtige Tatsachenbehauptungen enthalte. Der Kläger sei außerhalb seiner Tätigkeit als Lkw-Fahrer nicht berechtigt gewesen, das Firmengelände zu betreten. Überdies sei der Kläger mit der betreffenden Abmahnung nicht wegen des Verdachts des Diebstahls von Firmeneigentum, sondern wegen des Versuchs des Diebstahls von Firmeneigentum abgemahnt worden. Nichts anderes besage der Wortlaut des betreffenden Abmahnungsschreibens.

Die Beklagte beantragt, das erstinstanzliche Urteil teilweise abzuändern und (sinngemäß) die Klage insgesamt abzuweisen mit Ausnahme des Klageantrages des Klägers, die Abmahnung vom 12.12.2014 aus seiner Personalakte zu entfernen.

Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Zur Darstellung aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die in zweiter Instanz zu den Akten gereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Sowohl die Berufung des Klägers als auch die Berufung der Beklagten sind form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die beiden somit insgesamt zulässigen Rechtsmittel haben in der Sache jedoch keinen Erfolg.

II.

1. Die gegen die außerordentliche Kündigung vom 12.12.2014 gerichtete Kündigungsschutzklage ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch diese Kündigung nicht aufgelöst worden.

Ein wichtiger Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB, der zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung berechtigt, ist nach der gesetzlichen Definition gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, die es dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar machen, das Arbeitsverhältnis für die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses fortzusetzen. Es ist daher zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt – ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles – (überhaupt) geeignet ist, einen wichtigen Grund zu bilden. Sodann ist zu untersuchen, ob unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die konkrete Kündigung gerechtfertigt ist, d. h. ob es dem Kündigenden unzumutbar geworden ist, das Arbeitsverhältnis zu dem gemäß § 626 Abs. 1 BGB relevanten Zeitpunkt fortzusetzen.

Der Kläger hat unstreitig die Beklagte im Rahmen des mit ihm am 12.12.2014 geführten Gesprächs mehrfach über den Umfang der von ihm am Vortag geleisteten Arbeitszeit zu täuschen versucht. So hat der Kläger auf den Vorhalt bezüglich der ungewöhnlich langen Zeit von ca. 3,5 Stunden für die Durchführung eines Transportauftrages zunächst unstreitig wahrheitswidrig erklärt, er habe im Stau gestanden. Nachdem ihm daraufhin der Fahrtenschreiber vorgelegt wurde, aus dem sich ergab, dass der vom Kläger geführte Lkw zwischen 8.15 Uhr und 10.35 Uhr nicht bewegt worden war, gab er an, er habe noch Staplerarbeiten vor Ort durchführen müssen. Auch diese Erklärung entsprach nicht der Wahrheit, da sich die vom Kläger zu transportierenden Armaturen an dem betreffenden Tag unstreitig bereits im transportfertigen Zustand befunden hatten. Hiermit konfrontiert räumte der Kläger schließlich ein, seine Frühstückspause, die üblicherweise von 9.00 Uhr bis 9.15 Uhr dauert, eigenmächtig auf ca. 45 Minuten ausgeweitet zu haben. Aber auch diese Aussage vermag die ca. 140-minütige Standzeit des Lkw nicht zu erklären. Selbst dann nämlich, wenn der Kläger – wie von ihm zugestanden – eine Frühstückspause von (lediglich) 45 Minuten eingelegt hat, verbleiben immer noch 95 Minuten bezüglich derer er eine Erklärung darüber schuldig geblieben ist, was er in dieser Zeit getan hat.

Dieses Verhalten des Klägers, insbesondere die wahrheitswidrigen Behauptungen, im Stau gestanden bzw. Staplerarbeiten durchgeführt zu haben, stellt zweifellos eine schwerwiegende Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten dar, die grundsätzlich geeignet ist, den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung zu rechtfertigen. Es ist allgemein anerkannt, dass vorsätzliche Falschangaben des Arbeitnehmers über die von ihm erbrachte Arbeitszeit regelmäßig einen wichtigen Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB bilden (vgl. KR-Fischermeier, 11. Aufl., § 626 BGB, Rz. 460, m. w. N.).

Die vorzunehmende Interessenabwägung führt jedoch zu dem Ergebnis, dass es der Beklagten zumutbar war, das Arbeitsverhältnis noch bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist von vorliegend 6 Monaten fortzusetzen. Zugunsten des Klägers ist neben seinem fortgeschrittenen Lebensalter von fast 56 Jahren bei Kündigungsausspruch insbesondere die langjährige Betriebszugehörigkeit von 17 Jahren zu berücksichtigen. Zugunsten der Beklagten fällt jedoch ins Gewicht, dass durch das Fehlverhalten des Klägers ein erheblicher Vertrauensverlust entstanden ist. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Tätigkeit des Klägers als Lkw-Fahrer unstreitig anhand des Fahrtenschreibers kontrollierbar ist. Überdies wurde der Kläger von der Beklagten unstreitig nicht ausschließlich als Lkw-Fahrer eingesetzt, sondern auch mit anderen Aufgaben betraut. Es ist der Beklagten auch zuzugeben, dass das Arbeitsverhältnis im Hinblick auf die dem Kläger im Jahr 2012 erteilten Abmahnungen nicht beanstandungsfrei verlaufen ist. Diesbezüglich ist jedoch zu berücksichtigen, dass es sich hierbei – bezogen auf das Fehlverhalten des Klägers vom 12.12.2014 – nicht um einschlägige Abmahnungen handelt. Eine Einschlägigkeit setzt voraus, dass das abgemahnte Fehlverhalten auf der gleichen Ebene liegt wie der Kündigungsvorwurf, d. h. dass die Pflichtverletzungen unter einem einheitlichen Kriterium zusammengefasst werden können (vgl. zum Ganzen: KR-Fischermeier, a. a. O., Rz. 295, m. w. N.). Dies ist vorliegend hinsichtlich der Abmahnungen aus dem Jahr 2012, die den Vorwurf einer Eigentumsverletzung beinhaltet und dem Kündigungsvorwurf der vorsätzlichen Falschangabe erbrachten Arbeitszeit nicht der Fall. Allein der Umstand, dass die Pflichtverletzungen sämtlich geeignet sind, Vermögensinteressen der Beklagten zu beeinträchtigen, reicht nicht aus, eine Einschlägigkeit der Abmahnungen zu bejahen. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände überwog (noch) das Interesse des Klägers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist gegenüber dem Interesse der Beklagten an dessen sofortiger Beendigung.

2. Die Klage erweist sich jedoch insoweit als unbegründet, als sie sich gegen die von der Beklagten hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung richtet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch diese Kündigung mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zum 30.06.2015 aufgelöst worden.

Die ordentliche Kündigung ist durch verhaltensbedingte Gründe i. S. v. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt und daher sozial gerechtfertigt.

Der Kläger hat in erheblicher Weise gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen, indem er am 12.12.2014 versucht hat, die Beklagte durch vorsätzliche Falschangaben über den Umfang der von ihm am Vortag geleisteten Arbeitszeit zu täuschen. Dieses Fehlverhalten ist – wie bereits ausgeführt – grundsätzlich sogar geeignet, einen wichtigen Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB zur fristlosen Kündigung zu bilden.

Die Beklagte war nicht gehalten, dem Kläger zunächst lediglich eine Abmahnung zu erteilen. Eine solche ist nämlich jedenfalls dann entbehrlich, wenn es – wie vorliegend – um schwere Pflichtverletzungen geht, deren Rechtswidrigkeit für den Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar war und deren Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist. Der Kläger konnte nicht davon ausgehen, dass ein derart gravierendes Fehlverhalten (vorsätzliche Falschangaben über den Umfang erbrachter Arbeitszeit) von der Beklagten hingenommen wird.

Das Ergebnis der stets vorzunehmenden Interessenabwägung steht der Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung ebenfalls nicht entgegen. Auch wenn man zugunsten des Klägers dessen lange Betriebszugehörigkeit sowie sein fortgeschrittenes Lebensalter berücksichtigt, so überwiegt das Interesse der Beklagten, das Arbeitsverhältnis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zu beenden gegenüber dem Interesse des Klägers, das Arbeitsverhältnis auch darüber hinaus noch fortzusetzen. Dies ergibt sich daraus, dass infolge des erheblichen Fehlverhaltens des Klägers das für eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist hinaus das erforderliche Vertrauen der Beklagten in die Redlichkeit des Klägers zerstört ist.

3. Da die gegen die ordentliche Kündigung gerichtete Kündigungsschutzklage demnach abzuweisen ist, erweist sich auch der Antrag des Klägers auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Bestandsschutzstreits als unbegründet.

4. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren die gegen die zweite Abmahnung vom 12.06.2012 (Materiallager, Bl. 33 f. d. A.) gerichtete Klage weiter verfolgt, so hat sein Rechtsmittel keinen Erfolg.

a) Der Antrag ist zulässig, bedarf allerdings der Auslegung. Nach dem Wortlaut des Antrags verlangt der Kläger neben der Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte auch deren „Widerruf“. Das soll aber ersichtlich lediglich das Entfernungsverlangen unterstreichen und kein eigenständiges Begehren darstellen. Bei einem individualrechtlich erstrebten Abmahnungsentfernungsanspruch ist der mit dem Klageantrag verlangte „Widerruf und Entfernung“ der Abmahnung regelmäßig als einheitlicher Anspruch auf Beseitigung der durch die Abmahnung erfolgten Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts zu verstehen. Nur wenn der Klagebegründung entnommen werden kann, der Kläger begehre neben einer Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte auch den Widerruf bestimmter, darin enthaltener Äußerungen, kann ein Antrag auf Widerruf der Abmahnung in diesem Sinne auszulegen sein (BAG v. 04.12.2013 – 7 ABR 7/12 – AP Nr. 13 zu § 78 BetrVG 1972). Im vorliegenden Streitfall bestehen jedoch diesbezüglich keine Anhaltspunkte.

Der Umstand, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien infolge ordentlicher Kündigung aufgelöst ist, steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen. Ihr fehlt insbesondere – trotz zwischenzeitlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses – nicht das für jeden Klage erforderliche Rechtschutzbedürfnis (BAG v. 14.09.1994 – 5 AZR 632/93 – AP Nr. 13 zu § 611 BGB Abmahnung).

b) Die Klage ist jedoch infolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht begründet.

Es ist zwar anerkannt, dass die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Rechte und Pflichten begründen kann. Die Abwägung der beiderseitigen Interessen führt aber nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den Regelfall zu dem Ergebnis, dass dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte nicht mehr zusteht. Etwas anderes kann dann gelten, wenn objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Abmahnung dem Arbeitnehmer auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schaden kann. Dafür ist der Arbeitnehmer darlegungs- und beweispflichtig (BAG v. 19.04.2012 – 2 AZR 233/11 – AP Nr. 34 zu § 1 KSchG 1969 Personenbedingte Kündigung; BAG v. 14.09.1994 – 5 AZR 632/93 – AP Nr. 13 zu § 611 BGB Abmahnung; LAG Rheinland-Pfalz v. 12.12.2012 – 8 Sa 379/12 -, zitiert nach juris; LAG München v. 08.07.2009 – 11 Sa 54/09 -, zitiert nach juris; LAG Hamm v. 16.10.2015 – 17 Sa 1222/15 – zitiert nach juris; LAG Sachsen v. 14.01.2014 – 1 Sa 266/13 – zitiert nach juris). Entsprechende Gründe hat der Kläger nicht vorgetragen.

III.

Nach alledem war zu entscheiden wie geschehen.

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

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