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Fristlose Kündigung wegen unerlaubter Internetnutzung während der Arbeitszeit

LAG Frankfurt am Main, Az.: 17 Sa 1094/13, Urteil vom 30.03.2015

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 13. Juni 2013, 21 Ca 1094/13, abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten auch im Berufungsrechtszug über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen und hilfsweise mit sozialer Auslauffrist ausgesprochenen Kündigung, die die Beklagte auf den Vorwurf und hilfsweise auf den Verdacht der exzessiven unerlaubten privaten Internetnutzung mit Aufruf pornografischer Seiten stützt. Wegen des erstinstanzlich unstreitigen Sachverhalts, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 84 bis 88 d.A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat durch am 13. Juni 2013 verkündetes Urteil, 21 Ca 1094/13, der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagten sei zwar zuzugestehen, dass ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung gegeben sein dürfte. Denn es bestehe zumindest der erhebliche Verdacht, der Kläger habe im Zeitraum 17. Januar 2013 bis 22. Januar 2013 während seiner Arbeitszeit in dem von der Beklagten behaupteten Umfang Internetseiten mit pornografischen Inhalten aufgerufen. Die Beklagte habe aber die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten. Diese habe am 22. bzw. 23. Januar 2013 mit Abschluss der Fangschaltung begonnen und sei bei Zugang der Kündigung am 14. Februar 2013 bereits abgelaufen gewesen. Die Kündigungserklärungsfrist sei auch nicht durch weitere Ermittlungsmaßnahmen der Beklagten gehemmt gewesen, denn die Beklagte habe nicht dargelegt, warum für die Auswertung der Aufzeichnungen der Fangschaltung ein Zeitraum von 13 Tagen erforderlich gewesen sei. Da nach eigenem Vorbringen der Beklagten auch die kündigungsberechtigte Personalreferentin C bereits am 8. Januar 2013 über den generellen Kündigungsvorwurf der exzessiven Nutzung des Internets durch den Kläger während der Arbeitszeit informiert und die Fangschaltung von der Personalabteilung gerade zum Zweck der Überprüfung der Vorwürfe gegen den Kläger eingerichtet worden sei, hätte die Personalabteilung auch dafür sorgen müssen, dass die Auswertungen mit der gebotenen Eile durchgeführt würden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen (Bl. 88 bis 94 d.A.).

Fristlose Kündigung wegen unerlaubter Internetnutzung während der Arbeitszeit
Symbolfoto: Von Jacob Lund /Shutterstock.com

Gegen dieses ihr am 22. August 2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 13. September 2013 Berufung eingelegt und diese nach aufgrund Antrags vom 24. September 2013 erfolgter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 22. November 2013 am 22. November 2013 begründet.

Sie vertritt unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens die Auffassung, die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei gewahrt, wobei sie ausführt, das Arbeitsgericht sei unter fehlerhafter Würdigung ihres Vortrags davon ausgegangen, die Personalreferentin C sei kündigungsberechtigt, und auch ausführt, auf den erstinstanzlichen Schriftsatz des Klägers vom 4. Juni 2013 hätte erstinstanzlich nicht mehr vorgetragen werden können, weil dieser erst am 10. Juni 2013 zugestellt worden sei.

Sie hält ebenfalls unter Vertiefung ihres Vortrags daran fest, ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses liege vor. Der Vortrag des Klägers, das Sichten von pornografischen Seiten auch während der Arbeitszeiten und in den Pausen sei nichts Ungewöhnliches in seiner Abteilung, stelle eine unzutreffende Schutzbehauptung dar.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 13. Juni 2013, 21 Ca 1094/13, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung, bestreitet, dass für die Auswertung der Fangschaltung ein Zeitraum von 13 Tagen erforderlich gewesen sei, und bestreitet auch weiter inhaltlich das Vorliegen eines Kündigungsgrundes. Richtig sei zwar, dass er gelegentlich für kurze Zeit, einige Minuten am Tag, im Internet gesurft und hierbei auch pornografische Seiten aufgerufen habe; dies aber nicht in dem von der Beklagten behaupteten Umfang. Er behauptet, in seiner Abteilung sei es Gang und Gebe und üblich gewesen, dass Internetseiten pornografischen Inhalts von den Kollegen aufgerufen worden seien. Es sei auch so gewesen, dass sich auch andere Mitarbeiter auf seinem PC ebenfalls pornografische Seiten angeschaut hätten, ganz überwiegend gemeinsam und vor allem zur allgemeinen Belustigung.

Er trägt vor, auch andere Mitarbeiter der Abteilung hätten sich im Zeitraum der Fangschaltung während der Arbeitszeit mit deren Passwort und auch mit dem Passwort des Klägers am PC des Klägers angemeldet und ebenfalls Internetseiten pornografischen Inhalts aufgerufen. Er behauptet auch, seine Login-Daten, Passwort und Internet-Kennwort nicht an die von ihm genannten Mitarbeiter weitergegeben zu haben. Es sei jedoch üblich, dass sich andere Mitarbeiter nach dem Einloggen durch den Kläger auch an dessen PC-Arbeitsplatz begeben und dort einzelne Tätigkeiten ausgeführt hätten. Er behauptet, sein Passwort und sein Sign-In auf einem Stück Papier unter die Tastatur seines PCs geklebt zu haben, damit er sie nicht vergesse. Es sei daher nicht auszuschließen, dass diese Login-Daten von Dritten benutzt worden seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung vom 22. November 2013 (Bl. 174 f d.A.) und die Schriftsätze der Beklagten vom 8. Mai 2014 (Bl. 249 f d.A.), 20. Juni 2014 (Bl. 261 f d.A.), 31. Oktober 2014 (Bl. 326 f d.A.) und 20. März 2015 (Bl. 347 f d.A.), die Berufungsbeantwortung vom 30. Dezember 2013 (Bl. 222 f d.A.) und die Schriftsätze des Klägers vom 8. Oktober 2014 (Bl. 302 f d.A.) und 21. Januar 2015 (Bl. 339 f d.A.) sowie die im Verhandlungstermin vom 20. Januar 2014 protokollierten Erklärungen (Bl.230, 230R d.A.). Die Kammer hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 17. Februar 2014 durch Einholung eines technischen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen A vom 23. September 2014 (Bl. 283 f d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

A. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 13. Juni 2013, 21 Ca 1094/13, ist gemäß §§ 8Abs. 2, 64 Abs. 2 lit. c ArbGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520Abs. 1 und 3 ZPO.

B. Sie ist auch begründet. Die Klage ist unbegründet, denn das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde durch die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 14. Februar 2013 beendet. Die Kündigung ist wirksam. Dementsprechend steht dem Kläger auch kein Weiterbeschäftigungsanspruch zu.

Die Kündigung vom 14. Februar 2013 ist als außerordentliche fristlose Kündigung wirksam.

I. Ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB liegt vor.

1. Das Vorliegen eines wichtigen Grundes ist im Rahmen einer zweistufigen Prüfung zu beurteilen. Im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB ist zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls als wichtiger Kündigungsgrund an sich, d.h. typischerweise, geeignet ist. Liegt ein solcher Sachverhalt vor, bedarf es der weiteren Prüfung, ob die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht (BAG 23. Oktober 2014 – 2 AZR 865/13 – NZA 2015, 353; BAG 8. Mai 2014 – 2 AZR 249/13 – NZA 2014, 1258; BAG 21. November 2013 – 2 AZR 797/11 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 53; BAG 26. September 2013 – 2 AZR 741/12 – AP BGB § 626 Nr. 246) .

2. Für eine verhaltensbedingte Kündigung gilt ferner das Prognoseprinzip. Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314Abs. 2 i.V.m. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten ist, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst die erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG 20. November 2014 – 2 AZR 651/13 – NZA 2015, 294; BAG 25. Oktober 2012 – 2 AZR 495/11 – AP BGB § 626 Nr. 239; BAG 19. April 2012 – 2 AZR 186/11 – AP KSchG 1969 § 14 Nr. 13) .

3. Ferner kann nach gefestigter Rspr. des BAG nicht nur eine erwiesene Vertragsverletzung, sondern auch schon der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen arbeitsvertraglichen Verfehlung einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen BAG 21. November 2013 – 2 AZR 797/11 -a.a.O.). Eine Verdachtskündigung liegt hiernach vor, wenn und soweit der Arbeitgeber seine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht eines (nicht erwiesenen) strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört. Der Verdacht einer Vertragspflichtverletzung bzw. einer strafbaren Handlung stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar, der in dem Tatvorwurf nicht enthalten ist. Bei der Tatkündigung ist für den Kündigungsentschluss maßgebend, dass der Arbeitnehmer nach der Überzeugung des Arbeitgebers die Tat begangen hat. § 626 Abs. 1 BGB lässt darüber hinaus eine Verdachtskündigung zu, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen hat. Der Verdacht muss auf konkrete – vom Kündigenden darzulegende und ggf. zu beweisende – Tatsachen gestützt sein. Der Verdacht muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermag. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen dementsprechend zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung der Pflichtverletzung, auf die sich der Verdacht bezieht, ist ihre strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend. Entscheidend sind der Verstoß gegen vertragliche Haupt- und Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch (BAG 20. Juni 2013 – 2 AZR 546/12 – AP BGB § 626 Nr. 244; BAG 23. Mai 2013 – 2 AZR 102/12 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 52; BAG 25. Oktober 2012 – 2 AZR 700/11 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 51; BAG 21. Juni 2012 – 2 AZR 694/11 – AP KSchG 1969 § 9 Nr. 68; BAG 24. Mai 2012 – 2 AZR 206/11 – AP BGB Verdacht strafbarer Handlung Nr. 50; BAG 25. November 2010 – 2 AZR 801/09 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48; BAG 12. Mai 2010 – 2 AZR 587/08 – AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67; BAG 23. Juni 2009 – 2 AZR 474/07 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 47).

4. Danach liegt ein Sachverhalt vor, der an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung darzustellen. Es besteht der dringende Verdacht, dass der Kläger während der Arbeitszeit in erheblichem Umfang privat im Internet surfte und hierbei Seiten mit pornografischen Inhalten öffnete. Dieses Verhalten stellt eine Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten dar.

a) Die Beklagte stützt die Kündigung nicht nur auf Tatvorwurf, sondern auch auf entsprechenden Verdacht.

b) Erhebliches privates Surfen im Internet trotz Verbots, während der Arbeitszeit und verbunden mit dem Herunterladen von Daten mit pornografischen Darstellungen ist an sich als Kündigungsgrund für eine außerordentliche Kündigung geeignet. Nach der Rspr. des BAG kommen als kündigungsrelevante Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten bei einer privaten Nutzung des Internets oder des Dienst-PCs u.a. in Betracht:

– Das Herunterladen einer erheblichen Menge von Daten aus dem Internet auf betriebliche Datensysteme („unbefugter Download“), insbesondere, wenn damit einerseits die Gefahr möglicher Vireninfektion oder anderer Störungen des -betrieblichen – Systems verbunden sein könnte oder andererseits von solchen Daten, bei deren Rückverfolgung es zu möglichen Rufschädigungen des Arbeitgebers kommen kann, beispielsweise, weil strafbare oder pornografische Darstellungen heruntergeladen werden;

– die private Nutzung des vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Internetanschlusses als solche, weil durch sie dem Arbeitgeber möglicherweise -zusätzliche – Kosten entstehen können und der Arbeitnehmer jedenfalls die Betriebsmittel – unberechtigt – in Anspruch genommen hat;

– die private Nutzung des vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Internets oder anderer Arbeitsmittel während der Arbeitszeit, weil der Arbeitnehmer während des Surfens im Internet oder einer intensiven Betrachtung von Videofilmen oder -spielen zu privaten Zwecken seine arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht erbringt und dadurch seiner Arbeitspflicht nicht nachkommt und sie verletzt (BAG 31. Mai 2007 – 2 AZR 200/06 – AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 57; BAG 27. April 2006 – 2 AZR 386/05 – AP BGB § 626 Nr. 202; BAG 7. Juli 2005 – 2 AZR 581/04 – AP BGB § 626 Nr. 192).

c) Es besteht jedenfalls und zumindest der dringende Verdacht, dass der Kläger unerlaubt in erheblichem zeitlichen Umfang während der Arbeitszeit das von der Beklagten zu beruflichen Zwecken zur Verfügung gestellte Internet privaten nutzte und hierbei pornografische Darstellungen herunterlud.

aa) Dieser dringende Verdacht bezieht sich auf den Zeitraum der Fangschaltung 17. Januar 2013 bis 22. Januar 2013.

bb) In dieser Zeit wurden während der Arbeitszeit des Klägers vom Dienst PC über den Account des Klägers mit dessen Passwort und seiner ihm zugeordneten PK-Nummer die im Protokoll der besuchten Internetseiten (Anlagenkonvolut B2 zum Schriftsatz vom 13. Mai 2013, Anlagenband) aufgeführten Internetseiten aufgerufen. Dieser vom Kläger bestrittene Vortrag der Beklagten steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest und ist bewiesen durch das eingeholte Sachverständigengutachten.

(1) Das Gutachten berücksichtigt ausschließlich die dem Kläger zugewiesene Benutzerkennung (Seite 8) und bestätigt, dass alle in den Protokolldaten der Beklagten dokumentierten 160.334 Aufrufe der Benutzerkennung des Klägers zuzuordnen sind, hierbei im Zeitraum der Fangschaltung 1.397 Internetseiten aufgerufen wurden (Seite 9) und es sich hierbei bei 65% der Aufrufe und Aufrufe mit pornografischen Inhalten handelte (Seite 10). Hierbei und nicht bei den im Browser-Cache abgespeicherten Daten handelt es sich um den durch die Beweisaufnahme belegten Umfang der privaten Internetnutzung durch den Kläger während des Zeitraums der Fangschaltung (Seite 11 und 12).

(2) Das Gutachten kann damit erwartungsgemäß nicht belegen, ob und ggf. von wem die heruntergeladenen Dateien angesehen wurden, ob sie minimiert auf der Task-Leiste abgelegt wurden und wer die Benutzerkennung des Klägers tatsächlich nutzte. Bewiesen ist allerdings, dass in dem von der Beklagten genannten Zeitraum der Benutzeraccount des Klägers angemeldet war und während dessen die im Protokoll Anlage B2 aufgeführten Dateien aufgerufen wurden und dem Account zuzuordnen sind.

cc) Diese Internetseiten stellen pornografische Internetseiten dar. Dies folgt aus ihren Bezeichnungen, wegen derer auf die Anlage B2 verwiesen wird, und den von der Beklagten als Anlage B4 eingereichten Screenshots (Anlage B4 zum Schriftsatz vom 13. Mai 2013, Anlagenband).

dd) Der Aufruf der Seiten war dienstlich nicht veranlasst und damit privat.

ee) Er erfolgte während der Arbeitszeit. Selbst wenn man die dem Kläger zustehenden Pausen in der Frühschicht berücksichtigt, verbleibt eine Zeit von mehr als sieben Stunden privater Internetnutzung.

d) Private Internetnutzung im zeitlichen Umfang etwa eines Arbeitstages innerhalb einer Arbeitswoche stellt exzessive private Nutzung dar.

aa) Entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung muss die Beklagte auch weder in diesem noch in anderem Zusammenhang darlegen, dass und inwiefern die Arbeitsleistung des Klägers während der Dienstzeit unter seinen Privatbeschäftigungen gelitten hat. Ausreichend ist grundsätzlich vielmehr die Darstellung, dass sich der Arbeitnehmer Zeiten, die er verbotswidrig ohne Kenntnis des Arbeitgebers am Arbeitsplatz mit privaten Dingen verbracht hat, als Arbeitszeit hat bezahlen lassen, soweit keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass dem Arbeitnehmer nicht in ausreichendem Umfang Arbeiten zugewiesen wurden (BAG 27. April 2006 – 2 AZR 386/05 – a.a.O.) .

bb) Anhaltspunkte für unzureichende Zuweisung von Arbeiten liegen nicht vor.

e) Die Privatnutzung war unerlaubt.

aa) Sie war unerlaubt, soweit sie während der Arbeitszeit erfolgte. Sie war darüber hinaus unerlaubt, auch wenn sie während der Pausen erfolgte, da Dateien pornografischen Inhalts heruntergeladen wurden.

bb) Dass diese Nutzung des Internets unerlaubt war, war dem Kläger bekannt.

(1) Soweit er Hinterlegung des sog. Verhaltenskodex zum Internet (Bl. 55 f d.A., Anl. B1) im Intranet der Beklagten und Kenntnisnahme bestreitet, hat er jedenfalls nicht bestritten, dass entsprechende Hinweise auf diesen Verhaltenskodex bis Ende 2012 bei jeden Einloggen in das Internet erfolgten, ebenfalls nicht, dass er den Newsletter Sonderausgabe März 2010 (Bl. 205 d.A., Anl. BK2) mit insoweit identischem Inhalt erhalten hat.

(2) Selbst wenn kein ausdrückliches Verbot vorgelegen hätte, hätte der Kläger gewusst, dass exzessives privates Surfen im Internet während der Arbeitszeit und das Herunterladen von Dateien mit pornografischem Inhalt nicht gestattet ist. Bei einer fehlenden ausdrücklichen Gestattung oder Duldung des Arbeitgebers ist private Nutzung des Internets grundsätzlich nicht erlaubt. Der Arbeitnehmer kann ferner auch nicht damit rechnen, der Arbeitgeber sei, selbst wenn er prinzipiell eine private Nutzung des Internets duldet, damit einverstanden, dass er sich umfangreiche pornografische Dateien aus dem Internet herunterlädt (BAG 7. Juli 2005 – 2 AZR 581/04 – a.a.O.).

(3) Es kann dahinstehen, ob der Vortrag des Klägers hinreichend substantiiert ist, in seiner Abteilung sei die Privatnutzung des Internet auch während der Arbeitszeit und auch zum Zweck des Herunterladens pornografischer Seiten üblich bzw. Gang und Gebe. Selbst wenn auch andere Arbeitnehmer das zu dienstlichen Zwecken zur Verfügung gestellte Internet hierfür privat nutzen sollten, kann daraus nicht auf eine Duldung durch die Beklagte geschlossen werden. Der Kläger legt nicht dar, dass die von ihm behaupteten abteilungsüblichen Gepflogenheiten der Beklagten überhaupt bekannt seien.

5. Die Kammer kann offen lassen, ob die Voraussetzungen einer Tatkündigung vorliegen. Dass der Kläger, und zwar auch während der Arbeitszeit, privat Internetseiten mit pornografischen Inhalten aufsuchte, räumt er selbst ein. Insoweit besteht streitiger Vortrag ohnehin lediglich im Hinblick auf den von der Beklagten behaupteten Umfang. Soweit der Kläger sich dahin einlässt, geöffnete Dateien nicht angeschaut, sondern minimiert und auf der Task-Leiste abgelegt zu haben, ändert dies ebenfalls nichts am Tatvorwurf als solchen. Die besondere Qualität des Kündigungsvorwurfs der unerlaubten privaten Nutzung des Internets zum Herunterladen pornografischer Dateien besteht nicht im Anschauen durch den Arbeitnehmer, sondern in der Gefahr der Rückverfolgung und der Ansehensbeschädigung des Arbeitgebers. Hierfür ist es gleichgültig, ob der sich vertragswidrig verhaltenden Arbeitnehmer die Dateien permanent anschaut oder vorübergehend auch minimiert auf der Task-Leiste ablegt. Die Gefahr einer Rufschädigung der Beklagten entsteht bei Privatnutzung des Internets in der vorliegenden Art durch Aufrufen pornografischer Internetseiten. Allein die Befassung mit pornografischen Darstellungen kann die Gefahr einer Rückverfolgung an den Nutzer mit sich bringen und dabei den Eindruck erwecken, die Beklagte befasse sich anstelle ihrer unternehmerischen Aufgaben mit Pornografie (vgl. BAG 27. April 2006 – 2 AZR 386/05 – a.a. O.).

Jedenfalls die Voraussetzungen einer Verdachtskündigung sind gegeben. Es besteht der dringende Verdacht, dass der Kläger nicht nur in dem von ihm eingeräumten geringeren Umfang, sondern im vollen Umfang des nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme seinem Account zuzuordnenden Datenvolumens das Internet nutzte.

a) Dass die Frage, ob die geöffneten Dateien auf der Task-Leiste hinterlegt wurden, hierfür irrelevant ist, wurde bereits dargelegt.

b) Es besteht der dringende Verdacht, dass es auch der Kläger und nicht eine dritte Person war, die die entsprechenden und nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zutreffend wiedergegebenen Dateien herunterlud.

Nach der Lebenserfahrung besteht die ganz deutlich höhere Wahrscheinlichkeit, dass die über den einem bestimmten Arbeitnehmer während der Arbeitszeit zur Verfügung gestellten Dienst-PC über dessen Account und mit dessen Passwort und Kennung aufgerufenen Internetseiten auch tatsächlich von diesem Arbeitnehmer aufgerufen wurden und nicht von Dritten. Dies gilt umso mehr, als der Kläger selbst einräumt, seine Login-Daten, Passwort und Kennwort nicht an die von ihm namentlich aufgeführten Kollegen weitergegeben zu haben. Aufgrund seines neuen Vorbringens bestünde zwar die Möglichkeit, dass sich diese Personen oder sonstige Dritte hiervon Kenntnis verschaffen konnten, wenn tatsächlich, wie von ihm behauptet, ein Zettel mit diesen Angaben unter seiner Tastatur geklebt haben sollte. Wie dieser Vortrag des Klägers zu bewerten sein mag, insbesondere ob es sich um eine offensichtliche Schutzbehauptung handelt, lässt die Kammer offen. Abgesehen davon, dass der Kläger im Verhandlungstermin Wert auf die Feststellung legte, seine Abteilungskollegen nicht verdächtigen zu wollen, hätte ihm auffallen müssen, wenn Dritte während der Arbeitszeit seine kurze Abwesenheit ausgenutzt hätten, um entweder überhaupt erstmals den Account des Klägers anzumelden oder während der Anmeldung pornografische Internetseiten aufzurufen und minimiert auf der Task-Leiste zu hinterlegen. Der Vortrag des Klägers bewegt sich im Spekulativen, ist ohne konkrete Anhaltspunkte und ist nicht geeignet, den aufgrund objektiv feststehender Nutzung seines Accounts und seiner Kennung bestehenden Verdacht zu entkräften.

6. Eine Abmahnung ist entbehrlich, da ein Arbeitnehmer grundsätzlich nicht darauf vertrauen kann, der Arbeitgeber dulde die Privatnutzung des zu dienstlichen Zwecken gestellten Internets während der Arbeitszeit im festgestellten Umfang zum Herunterladen pornografischer Dateien (BAG 7. Juli 2005 – 2 AZR 581/04 – a.a.O.) . Das BAG hat zwar revisionsrechtlich auch schon die aufgrund der Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vertretene Auffassung gebilligt, ein Abmahnungserfordernis bestehe. In dem vom BAG entschiedenen Fall lag allerdings keine Privatnutzung während der Arbeitszeit vor, wobei im Übrigen auch in derartigen Situationen das BAG davon ausgeht, dass dem Arbeitnehmer die Vertragswidrigkeit seines Verhaltens klar ist (BAG 19. April 2012 – 2 AZR 186/11 – a.a.O.) .

7. Im Rahmen der Interessenabwägung und unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls überwiegen die berechtigten Interessen der Beklagten an sofortiger Vertragsbeendigung.

a) Zugunsten des Klägers sprechen die lange Dauer seines Beschäftigungsverhältnisses, sein Lebensalter sowie der Umstand, dass ihm prognostisch schwer fallen dürfte, zeitnah einen seiner Position bei der Beklagten vergleichbaren Arbeitsplatz mit vergleichbaren Konditionen zu finden.

b) Dass das Arbeitsverhältnis der Parteien bisher beanstandungsfrei verlaufen wäre, ist nicht zusätzlich zugunsten des Klägers zu berücksichtigen. Der Verlauf war nicht beanstandungsfrei, wie die Abmahnungen vom 19. März 2007 und 20. März 2007 zeigen.

c) Der Umstand, dass die ordentliche Kündigung – wie vom Arbeitsgericht unbeanstandet festgestellt – tarifvertraglich ausgeschlossen ist, ist im Rahmen der Interessenabwägung bei einer außerordentlichen fristlosen Kündigung weder zusätzlich zugunsten des Arbeitnehmers (BAG 27. April 2006 – 2 AZR 386/05 – AP BGB § 626 Nr. 202) noch zusätzlich zu dessen Lasten (BAG 13. April 2000 – 2 AZR 259/99 – BAGE 94, 228) zu berücksichtigen; dies schon, um Wertungswidersprüche gegenüber vergleichbaren ordentlich kündbaren Arbeitnehmern zu vermeiden. Der Prüfungsmaßstab bleibt identisch.

d) Zu Lasten des Klägers spricht sein Verschulden, er handelte vorsätzlich.

e) Soweit der Kläger behauptet, die heruntergeladenen Daten nicht permanent angeschaut, sondern zum Teil minimiert auf der Task-Leiste abgelegt zu haben, ist dies nicht zu seinen Gunsten zu würdigen. Auch wenn er damit während der festgestellten und durch das Sachverständigengutachten belegten Zeiten nicht permanent seine Arbeitszeit dazu genutzt haben sollte, pornografische Dateien zu betrachten, verbleiben die weiteren Aspekte der Gefährdung der Betriebssysteme durch Vireninfektion und der Ansehensbeeinträchtigung des Arbeitgebers aufgrund möglicher Rückverfolgung. Diese bestehen unabhängig davon, ob der Kläger die heruntergeladenen Dateien verfolgte oder nicht.

f) Es kann dahinstehen, ob auch andere Arbeitnehmer der Abteilung während der Arbeitszeit privat im Internet surften und hierbei pornografische Dateien sichteten. Auch wenn der Vortrag des Klägers zutreffen sollte, wäre dies nicht zu seinen Gunsten zu berücksichtigen. Abgesehen davon, dass der Kläger für sich und auch die anderen Arbeitnehmer einen geringeren Umfang der unzulässigen Internetnutzung als durch Sachverständigengutachten bewiesen behauptet und offensichtliche keine allgemeine Abteilungsüblichkeit besteht, wenn sich – unbestritten – mehrere Kollegen über das Verhalten des Klägers beschwert hatten, mindert der Umstand, dass auch andere Arbeitnehmer das Internet vertragswidrig nutzten, nicht das Verschulden des Klägers. Insbesondere hat auch die Beklagte keine Ursache gesetzt, die die vertragswidrige Nutzung des Internets erleichterte. Die Missbrauchsmöglichkeit ging vielmehr bereits mit der Bereitstellung des Internets für dienstliche Zwecke und trotz Hinweises auf unzulässige Privatnutzung einher, ohne dass die Beklagte die Möglichkeit permanenter Kontrolle besitzt. Dementsprechend ist auch kein Anhaltspunkt für die Annahme ersichtlich, die vom Kläger behauptete Privatnutzung auch durch andere Arbeitnehmer sei der Beklagten etwa bekannt gewesen und von ihr geduldet oder hingenommen. Es verbleibt vielmehr dabei, dass die Beklagte mangels permanenter Kontrollmöglichkeiten im besonderen Maß darauf angewiesen ist, dem Kläger und seinen Kollegen hinsichtlich des ordnungs- und vertragsgemäßen Umgangs mit dem zu dienstlichen Zwecken zur Verfügung gestellten Internets vertrauen zu können. Dieses Vertrauen hat der Kläger zerstört.

 

g) Zugunsten der Beklagten spricht damit gerade der erhebliche Vertrauensverlust in Zusammenhang mit der eingeschränkten Kontrollmöglichkeit, aufgrund derer ein erhöhtes Vertrauensbedürfnis anzuerkennen ist. Zugunsten der Beklagten spricht ferner, dass sie einer Privatnutzung des Internets während der Arbeitszeit, die eine Belästigung anderer Arbeitnehmer darstellen kann, nicht nur entgegenwirken kann, sondern entgegenwirken muss.

h) Für das Beendigungsinteresse der Beklagten spricht auch, dass sie aus Gründen der Betriebsdisziplin in konsequenter Weise der ausdrücklich untersagten Privatnutzung des Internets durch Herunterladen pornografischer Seiten entgegenwirken und dokumentieren darf, dass Missbrauch nicht geduldet wird. Auch derartige Gesichtspunkte der Betriebsdisziplin stellen zulässige Kriterien innerhalb der Interessenabwägung dar (BAG 4. Juni 1997 – 2 AZR 526/96 – AP BGB § 626 Nr. 137) , ebenso generalpräventive Gesichtspunkte (BAG 11. Dezember 2003 – 2 AZR 36/03 – AP BGB § 626 Nr. 179) .

i) Die Gesamtwürdigung der genannten Gesichtspunkte führt dazu, dass der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger auch nur bis zur sog. „fiktiven“ Kündigungsfrist – dies wäre nach § 41 MTV Nr. 14 für das Bodenpersonal der 30. September 2013 – nicht zumutbar wäre.

II. Die Kündigung ist nicht wegen Versäumung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB unwirksam.

1. Nach § 626 Abs. 2 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.

a) Dies ist der Fall, sobald der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung ermöglichen, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht. Auch grob fahrlässige Unkenntnis ist insoweit ohne Bedeutung. Zu den maßgeblichen Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände. Ohne die umfassende Kenntnis des Kündigungsberechtigten vom Kündigungssachverhalt kann sein Kündigungsrecht nicht verwirken (BAG 5. Juni 2008 – 2 AZR 25/07 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 45; BAG 5. Juni 2008 – 2 AZR 234/07 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44) . Der Kündigungsberechtigte, der Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist zu laufen beginnt. Solange er die zur Aufklärung des Sachverhalts nach pflichtgemäßem Ermessen notwendig erscheinenden Maßnahmen durchführt, läuft die Ausschlussfrist nicht an (BAG 27. Januar 2011 – 2 AZR 825/09 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 49; BAG 17. März 2005 – 2 AZR 245/04 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 46) . Dies gilt nur solange, wie der Kündigungsberechtigte aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile noch Ermittlungen anstellt, die ihm eine weitere umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts und der notwendigen Beweismittel verschaffen sollen (BAG 1. Februar 2007 – 2 AZR 333/06 – EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3) . Diese Ermittlungen dürfen damit zwar nicht hinausgezögert werden. Es darf aber nicht darauf abgestellt werden, ob die Maßnahmen des Kündigenden etwas zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen haben oder sich im Nachhinein als überflüssig herausstellen. Bis zur Grenze, die ein verständig handelnder Arbeitgeber beachten würde, kann der Sachverhalt durch erforderlich erscheinende Aufklärungsmaßnahmen vollständig geklärt werden. Für Ermittlungen besteht dann kein Anlass mehr, wenn der Sachverhalt bereits geklärt oder vom Gekündigten sogar zugestanden worden ist (BAG 1. Februar 2007 – 2 AZR 333/06 – a.a.O.); BAG 2. Dezember 2002 – 2 AZR 478/01 – AP BGB § 123 Nr. 63) . Die im Fall der Verdachtskündigung erforderliche Anhörung des Arbeitnehmers hat hierbei dann allerdings innerhalb einer kurzen Frist zu erfolgen, die im Allgemeinen und ohne dass besondere Umstände vorlägen nicht mehr als eine Woche betragen darf (BAG 27. Januar 2011 – 2 AZR 825/09 – a.a.O.; BAG 2. März 2006 – 2 AZR 46/05 – AP SGB IX § 91 Nr. 6) .

b) Bei einer Verdachtskündigung existiert nicht zwangsläufig nur ein objektiv feststellbarer Zeitpunkt, zu dem die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen beginnt. Im Laufe des Aufklärungszeitraums kann es vielmehr mehrere Zeitpunkte gegeben, in denen der Verdacht „dringend“ genug ist, um eine Verdachtskündigung darauf zu stützen. Dabei steht dem Kündigenden ein gewisser Beurteilungsspielraum zu (BAG 27. Januar 2011 – 2 AZR 825/09 – a.a.O.; BAG 5. Juni 2008 – 2 AZR 234/07 – a.a.O.) . Dieser wird dadurch gekennzeichnet, dass der Arbeitgeber während eines Aufklärungszeitraums nicht zu einem willkürlich gewählten Zeitpunkt kündigen kann, sondern es für die Wahl des Kündigungszeitpunkts eines sachlichen Grundes bedarf. Wenn der Kündigungsberechtigte neue Tatsachen erfahren oder neue Beweismittel erlangt hat und nunmehr einen – neuen – ausreichenden Erkenntnisstand für eine Kündigung zu haben glaubt, kann er dies zum Anlass für den Ausspruch einer – neuen oder ggf. erstmaligen – Kündigung nehmen (BAG 22. November 2012 – 2 AZR 732/11 -AP BGB § 626 Nr. 241; BAG 27. Januar 2011 – 2 AZR 825/09 – a.a.O.; BAG 5. Juni 2008 – 2 AZR 234/07 – a.a.O.) . Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB beginnt damit neu zu laufen, wenn der Arbeitgeber eine neue, den Verdacht der Tatbegehung verstärkende Tatsache zum Anlass für eine Kündigung nimmt (BAG 27. Januar 2011 – 2 AZR 825/09 – a.a.O.) . Bei einer Verdachtskündigung kann hierbei jedem Ereignis eine die Vertragsstörung intensivierende Wirkung zukommen, dass die Gewissheit, der Vertragspartner könne die Pflichtverletzung begangen haben, erhöht (BAG 5. Juni 2008 – 2 AZR 234/07 – a.a.O.) .

2. Das Arbeitsgericht hat dabei zutreffend darauf abgestellt, dass es damit – und entgegen der Argumentation des Klägers – nicht auf den durch die Mitteilung von Arbeitnehmern an den Gruppenleiter B oder den durch dessen Mitteilung an die Personalreferentin C vermittelten Kenntnisstand ankommt, sondern auf den durch die Auswertung der Fangschaltung vermittelten Kenntnisstand. Damit kommt es in diesem Zusammenhang auch nicht auf die Frage der Kündigungsberechtigung B oder C an. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Beklagte etwa objektiv bereits aufgrund eines am 21. Dezember 2012 oder am 8. Januar 2013 vorhandenen Kenntnisstandes hätte kündigen können. Sie hat es nicht. Zu diesen Zeitpunkten waren auch weder die Ermittlungen abgeschlossen noch hatte der Kläger die erhobenen Vorwürfe zugestanden.

a) Das Arbeitsgericht hat damit auch zutreffend darauf abgestellt, dass die Beklagte die Kündigung nicht mit einem Kenntnisstand vom 8. Januar 2013 oder 21. Dezember 2012 begründet, sondern mit der Internetnutzung während des Zeitraums der Fangschaltung vom 17. Januar 2013 bis 22. Januar 2013.

b) Sie kann die Kündigung auch hiermit begründen. Umstände, aufgrund derer die durch die Fangschaltung gewonnenen Erkenntnisse nicht berücksichtigt werden könnten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist die Darstellung des Klägers unzutreffend, der Betriebsrat habe der Installation der Fangschaltung nicht zugestimmt. Das Gegenteil ergibt sich aus der von der Beklagten vorgelegten Zustimmung vom 8. Januar 2013 (Bl. 206 d.A.), wobei nach unbestrittenem Vortrag der Beklagten auch der Datenschutzbeauftragte zugestimmt hatte.

c) Die Wahl des Zeitraums für die Fangschaltung begegnet keinen Bedenken. Nach unbestrittenem Vorbringen der Beklagten handelte es sich bei dem Zeitraum 17. Januar 2013 bis 23. Januar 2013 um die erste Möglichkeit, etwaige Internetnutzung des Klägers während einer gesamten Arbeitswoche aufzuzeichnen und etwaiges Surfverhalten für einen solchen Zeitraum repräsentativ wiederzugeben.

3. Entgegen der von der angefochtenen Entscheidung vertretenen Auffassung führt der nach Beendigung der Fangschaltung für deren Auswertung verwendete Zeitraum nicht zum Ablauf der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB.

a) Die Beendigung der Fangschaltung am 22. Januar 2013 oder auch am 23. Januar 2013 führte noch nicht zu dem zur Kündigung führenden Kenntnisstand der Beklagten, sondern erst deren Auswertung. Dementsprechend begann weder am 22. Januar 2013 noch am 23. Januar 2013 die Frist des § 626 Abs. 2 BGB. Die Auswertung der Fangschaltung wiederum lag nach unwidersprochenem Vortrag der Beklagten erst am 5. Februar 2013 der Personalabteilung vor. Der Zeitraum von 13 Tagen, in den 4 Samstage bzw. Sonntage fielen, ist für die Einhaltung der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB unschädlich. Wie bereits dargelegt, läuft die Ausschlussfrist nicht, solange der Kündigungsberechtigte die zur Aufklärung des Sachverhalts nach pflichtgemäßem Ermessen notwendig erscheinenden Maßnahmen durchführt. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB soll den Arbeitgeber weder zu hektischer Eile bei der Kündigung antreiben, noch ihn veranlassen, ohne genügende Prüfung des Sachverhalts oder vorhandene Beweismittel voreilig zu kündigen (BAG 1. Februar 2007 – 2 AZR 333/06 – a.a.O) . Dementsprechend ist der bloße Abschluss der Fangschaltung für den Kenntnisstand der Beklagten wie für den Fristbeginn des § 626 Abs. 2 BGB unzureichend. Entscheidend sind vielmehr die durch die Fangschaltung gewonnenen Erkenntnisse, die wiederum zunächst eine Auswertung voraussetzten und damit mit Beendigung der Fangschaltung überhaupt noch nicht vorgelegen haben können. Angesichts des Umfangs der erhobenen Daten, wie sie bereits aus dem Anlagenkonvolut B 2 (Anlage zum Schriftsatz vom 13. Mai 2013, Anlagenband) ersichtlich sind und im Übrigen durch das Sachverständigengutachten bestätigt werden, ist der Zeitraum von 13 Tagen unter Einschluss von zwei Wochenenden für die technische Auswertung und im Übrigen auch noch erforderliche Aufbereitung für die kündigungsberechtigte Personalabteilung ohne weiteres plausibel, wobei das Erfordernis der gebotenen Eile weder allgemein noch vorliegend die Anordnung von Wochenendarbeit oder Überstunden gegenüber den die Auswertung vornehmenden Beschäftigten beinhaltet. Damit war der Lauf der Frist des § 626 Abs. 2 BGB wegen der noch laufenden und mit der gebotenen Eile vorangetriebenen Ermittlungen ohnehin bis 5. Februar 2013 gehemmt, was bereits für sich allein zur Einhaltung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB führen würde.

b) Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB war aber darüber hinaus auch noch bis zur Anhörung des Klägers, mithin bis 12. Februar 2013 gehemmt.

Die für die Verdachtskündigung ohnehin zwingend erforderliche Anhörung des betroffenen Arbeitnehmers hemmt die Frist des § 626 Abs. 2 BGB, sofern sie mit der gebotenen Eile durchgeführt wird, wobei die Frist zur Anhörung des Arbeitnehmers im Allgemeinen nicht mehr als eine Woche betragen soll. Diese Frist ist bei Kenntnisstand der Beklagte am 5. Februar 2013 vorliegend eingehalten, wobei im Übrigen eine Verschiebung der ursprünglich bereits für den 11. Februar 2013 beabsichtigten Anhörung aufgrund der eingetretenen Arbeitsunfähigkeit des Klägers grundsätzlich einen hinreichenden Umstand für ein Hinausschieben des Fristbeginns darstellen würde (BAG 20. März 2014 – 2 AZR 1037/12 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 54) .

c) Da die Frist des § 626 Abs. 2 BGB somit erst am 26. Februar 2013 geendet hätte, erfolgte die Kündigung vom 14. Februar 2013 noch innerhalb der Frist.

III. Die Kündigung vom 14. Februar 2013 ist nicht gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Die Beklagte hat den bei ihr gebildeten Betriebsrat ordnungsgemäß zur Kündigung des Klägers angehört. Ausweislich des Anhörungsschreibens vom 13. Februar 2013 (Anlage B 6 zum Schriftsatz vom 13. Mai 2013, Anlagenband) hat sie dem Betriebsrat die Kündigungsgründe mitgeteilt, auf die sie die Kündigung auch im vorliegenden Rechtsstreit stützt, und entsprechend dem Grundsatz der subjektiven Determinierung (vgl. hierzu BAG 24. Februar 2000 – 8 AZR 167/99 – AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 47 m.w.N.) den aus ihrer Sicht maßgeblichen Kündigungssachverhalt mitgeteilt. Sie hat hierbei auch klargestellt, dass sie die beabsichtigte Kündigung nicht allein auf Tatvorwurf stützt, sondern auch auf entsprechenden dringenden Verdacht.

Die Kündigung selbst erfolgte dann erst nach der abschließenden Stellungnahme des Betriebsrats vom 14. Februar 2013.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Für die Zulassung der Revision besteht kein Grund i.S.d. § 72 Abs. 2 ArbGG.

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