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Fristlose Kündigung wegen Unterschlagung – Abmahnung notwendig?

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 3 Sa 429/18 – Urteil vom 06.05.2019

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 14.11.2018, Az.: 12 Ca 1012/17, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund einer außerordentlichen Kündigung der Beklagten wegen Unterschlagung sein Ende gefunden hat, oder aber nicht, sowie um Annahmeverzugslohn.

Der 1977 geborene, verheiratete und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist seit dem 04. Mai 2009 bei der Beklagten als Zimmermann beschäftigt. Das durchschnittliche Bruttomonatsentgelt des Klägers betrug zuletzt 3.100,00 €.

Die Beklagte ist im Bereich Dachdeckungen, Terrassenabdichtungen sowie Fassadenarbeiten tätig. Zwischen den Parteien besteht ein mündlich abgeschlossener Arbeitsvertrag. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer.

Der Kläger war zum Zeitpunkt der Kündigung damit beauftragt, auf einem Bauvorhaben in I. die notwendigen Dacharbeiten auszuführen. Er war dazu dem Mitarbeiter der Beklagten, Herrn D. zugeteilt. Es war abgesprochen, dass Herr D., der den Firmen-LKW der Beklagten führte und der in A-Stadt wohnhaft ist, den in der Nähe von B. wohnhaften Kläger morgens abholte, sie gemeinsam mit dem Firmen-LKW zur Baustelle nach I. fuhren und dass er ihn abends nach Feierabend zurückbrachte.

Am Freitag, den 17. März 2017, fuhr der Kläger zusammen mit seinem Arbeitskollegen mit dem Firmen-LKW zur Baustelle nach I.. Auf der offenen Ladefläche des LKW befanden sich 4 Paletten Bitumenschweißbahnen zu je 24 Stück. Alle Schweißbahnen sollten abgeladen und mit einem Gitterlift auf das Dach gebracht werden.

Am Nachmittag lud der Kläger Abfallholz, das er sich während der Arbeitswoche zusammengestellt hatte, auf die Ladefläche des LKW. Der Kläger wurde sodann von seinem Kollegen, Herrn D., mit dem LKW wieder nach Hause gefahren. Dort angekommen ging der Kollege in das Haus des Klägers, um dessen Ehefrau zu begrüßen. Während dessen lud der Kläger mit seinem Nachbarn den LKW ab. Dabei kamen auch 10 Schweißbahnen zutage, die auf der Ladefläche des LKW unter dem Holz lagen. Der Kläger nahm noch die Motorsäge, einen Kanister, eine Kabeltrommel und ein Verlängerungskabel von der Ladefläche des LKW. Ob der Kläger diese Gegenstände im Rahmen einer betrieblichen Erlaubnis in seinem Besitz hatte, wird von den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits unterschiedlich dargestellt. Der Arbeitskollege des Klägers kam wieder aus dem Haus, verabschiedete sich und fuhr davon. Er sollte den Kläger am Montag mit dem LKW wieder zur Weiterfahrt zur Baustelle abholen. Die 10 Schweißbahnen verbrachte der Kläger anschließend in seine Garage.

Am Abend des gleichen Tages gegen 19.30 Uhr befand sich der Geschäftsführer der Beklagten, Herr M., mit seinem Rennrad auf einer Trainingsfahrt, die ihn auch durch A-Stadt, den Wohnort des Klägers und an dessen Wohnhaus vorbeiführte. Weil die Garage offen stand, konnte Herr M. sehen, wie der Kläger mit einer Motorsäge hantierte. als er daraufhin anhielt, um mit dem Kläger ein paar Worte zu wechseln, bemerkte er, dass die Motorsäge aus dem Firmenbestand der Beklagten stammte. Darauf angesprochen entgegnete der Kläger, er habe sich diese „erst am selben Tag zum Feierabend“ ausgeliehen. Während des Gesprächs fiel dem Geschäftsführer der Beklagten auf, dass in der Garage weitere Gegenstände aus dem Firmenbestand der Beklagten gelagert waren, so unter anderem neben der Motorsäge ein Kanister, eine Kabeltrommel und ein Verlängerungskabel. Darüber hinaus waren in der Garage 10 Rollen mit Bitumenschweißbahnen aus dem Firmenbestand der Beklagten gelagert. Die Ummantelungsfolien der 10 Rollen, auf den sich die Firmenbezeichnung des Herstellers befindet, waren vollständig abgerissen. Außerdem waren weitere Gegenstände gelagert, wie z.B. eine Gasflasche, Bau- und Bohrmaterial. Ob diese Gegenstände zum Firmenvermögen der Beklagten gehören, steht zwischen den Parteien in Streit. Der Geschäftsführer fuhr daraufhin mit seinem Fahrrad weiter, ohne den Vorgang näher mit dem Kläger zu besprechen.

Am Samstag, dem 18. März 2017 fuhr der Geschäftsführer M. zum Wohnhaus des Klägers und traf dort gegen 11.30 Uhr ein. Der Inhalt des zwischen dem Kläger und Herrn M. daraufhin geführten Gesprächs wird von beiden Parteien unterschiedlich dargestellt. Der Geschäftsführer der Beklagten erhielt jedenfalls Zutritt zu der Garage und den Kellerräumen des Klägers und fertigte im weiteren Verlauf Fotos der aufgefundenen Gegenstände; hinsichtlich der insoweit gefertigten Fotografien wird auf Bl. 29 – 42 d.A. Bezug genommen. Der Geschäftsführer bot dem Kläger an, die Angelegenheit ohne Hinzuziehung der Polizei zu regeln, wenn er am Montag, dem 20.03.2017, zum Arbeitsbeginn alle Schweißbahnen in die Firma zurückbringen würde.

Am Montag, dem 20.03.2017 erschien der Kläger morgens auf dem Firmengelände und brachte dabei unter anderem sieben Rollen Schweißbahnen, eine Motorsäge und Kabeltrommeln zurück. Herr M. fertigte von den zurückgebrachten Gegenständen Lichtbilder; insoweit wird auf Bl. 43 – 48 d.A. Bezug genommen. Nach einer weiteren Unterhaltung, deren Inhalt die Parteien unterschiedlich darstellen, verständigte Herr M. die Polizei, die unmittelbar einen Durchsuchungsbeschluss erwirkte und um 8.20 Uhr eine Durchsuchung der Wohn- und Kellerräume des Klägers vornahm. Dabei wurden laut Sicherstellungsprotokoll der Polizeiinspektion Z., hinsichtlich deren weiteren Inhalts auf Bl. 49, 50 d.A. Bezug genommen wird, 3 Schweißbahnrollen, Gasflaschen sowie Dichtungs- und Befestigungsmaterial sichergestellt; davon wurde eine Lichtbildmappe angefertigt, hinsichtlich deren Inhalts auf Bl. 51 – 68 d.A. Bezug genommen wird.

Daraufhin kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 20.03.2017, dem Kläger am gleichen Tage zugegangen, das Arbeitsverhältnis außerordentlich.

Mit der am 30.03.2017 beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen diese Kündigung; des Weiteren verlangt er Annahmeverzugsentgelt für die Monate März bis Juni 2017.

Der Kläger hat vorgetragen, er habe am 17.03.2017 gegen 16.20 Uhr das Abfallholz, das er während der Arbeitswoche zusammengetragen und für das er die Erlaubnis gehabt habe, dieses für seinen Kamin mitzunehmen, auf den LKW geladen. Dabei habe er dieses Abfallholz über die hochgeklappte Brake des LKW auf den hinteren Teil der Ladefläche geworfen, wobei er die Ladefläche nicht habe sehen können, weil die hochstehende Brake ihm bis zur Augenhöhe gehe. Die Ladefläche des LKW sei gemeinsam mit anderen Arbeitskollegen mit einem Sicherheitsnetz gesichert worden und er und sein Kollege, Herr D., sei mit dem LKW zu seinem Wohnhaus gefahren. Dort angekommen seien beide ausgestiegen und der Kollege D. sei in das Haus gegangen, um seine Tochter und seine Frau zu begrüßen. Währenddessen habe er mit seinem Nachbarn, Herrn A., den LKW abgeladen. Man habe 6 m³ Holz abgeladen und dabei bemerkt, dass sich Schweißbahnen in dem Holz verkeilt hätten. Er habe die Schweißbahnen zur Sicherheit in seiner Garage zwischenlagern und diese am Montag, wenn er wieder abgeholt werde, direkt mit zur Baustelle nehmen wollen. Der Kollege D. sei schließlich aus dem Haus gekommen, habe sich verabschiedet und sei davon gefahren, wobei er die Schweißbahnen nicht gesehen habe. Er habe die 10 Schweißbahnen mit seinem Nachbarn, dem Herrn A., gut sichtbar in seine Garage geräumt. Daraufhin sei der Nachbar nach Hause gegangen. Es habe die generelle Erlaubnis im Betrieb der Beklagten bestanden, sich Geräte für private Arbeiten auszuleihen.

Der Geschäftsführer M. habe ihn unmittelbar auf die 10 Rollen Bitumenschweißbahnen angesprochen, wobei er ihm die genannten Umstände und dass er sie am Montag direkt mit zur Baustelle nehme, erklärt habe. Herr M. habe ihn aber sofort des Diebstahls bezichtigt. Die Behauptung der Beklagten, der Geschäftsführer M. sei am 18.03.2017 zur Baustelle nach I. gefahren und habe dabei feststellen müssen, dass ein Fehlbestand von 20 Bitumenschweißbahnrollen zu verzeichnen gewesen sei, sei zu bestreiten.

Am 18.03.2017 habe Herr M. bei seiner, des Klägers, Ankunft um 11.30 Uhr sofort behauptet, er habe 20 Schweißbahnen gestohlen und ihn aufgefordert, ihm Zutritt zu seinem Haus zu gewähren. Er habe damit gedroht, den Ruf der Ehefrau, die ein nahegelegenes Frisörgeschäft betreibe, zu ruinieren. Daraufhin habe er entgegnet, dass er nichts zu verbergen habe und Herrn M. Zutritt zum Haus verschafft. Dort angekommen, habe Herr M. ohne vorherige Nachfrage Fotos angefertigt und behauptet, er habe das gesamte Handwerksmaterial aus der Firma entwendet und 20 Schweißbahnen gestohlen, woraufhin er, der Kläger, erneut widersprochen und die Umstände erklärt habe.

Am 20.03.2017 sei es ihm aus Platz- und Gewichtsgründen nicht möglich gewesen, alle bei ihm befindlichen 10 Schweißbahnen einzuladen, so dass er nur 7 ins Fahrzeug eingeladen habe. Angesprochen darauf, dass er nur 7 Schweißbahnen mitgebracht habe, habe er erklärt, dass er die übrigen 3 noch bei sich in der Garage stehen habe, da sie nicht mehr in den PKW gepasst hätten. Er habe zu keinem Zeitpunkt gesagt, dass er die Schweißbahnen nicht mehr zurückgeben könne. Im Büro habe Herr M. erneut lauthals mit der Polizei gedroht. Nachdem die Situation nicht zu beruhigen gewesen sei, habe er erklärt, dass er sich für diesen Tag Urlaub nehme und dass er mit seiner Frau in die Uniklinik nach Homburg fahre. Auf dem Weg zu seinem PKW habe Herr M. ihm nachgerufen, dass er da zu bleiben habe und er jetzt die Polizei rufe. Daraufhin habe er entgegnet, dass er jetzt zur Uniklinik fahre.

Im Hinblick auf die bei ihm vorgefundenen Gegenstände sei davon auszugehen, dass er die Motorsäge, den Kanister, die Kabeltrommel und das Verlängerungskabel im Rahmen einer betrieblichen Erlaubnis zur Wochenend-Nutzung mitgenommen habe. Es habe insoweit keine betriebliche Anweisung gegeben, dass dies nicht mehr erlaubt sei. Die Klebebänder und Gegenstände aus dem Korb, die er am 20.03.2017 zur Firma mitgebracht habe, habe er dagegen vor einiger Zeit käuflich im Baumarkt und Fachhandel erworben, um sein Haus zu renovieren. Sie befänden sich in seinem Eigentum. Er habe sie nur zurückgebracht, um die Wogen zu glätten. Auch alle weiteren aufgefundenen Gegenstände stünden in seinem Eigentum. Er habe nicht gestohlen. Der Überwachung auch seiner Person durch das GPS-System im LKW habe er zu keiner Zeit zugestimmt; er widerspreche vorsorglich der Verwertung der Daten.

Nach alledem sei die Kündigung nicht gerechtfertigt. Ein Kündigungsgrund liege nicht vor; zudem sei eine Abmahnung erforderlich gewesen. Folglich befinde sich die Beklagte seit dem 20.03.2017 im Annahmeverzug, so dass ihm ein Arbeitsentgelt mit Anspruch auf die Monate März 2017 bis Juni 2017 in Höhe von insgesamt 8.576, 66 € brutto zustehe.

Fristlose Kündigung wegen Unterschlagung – Abmahnung notwendig?
(Symbolfoto: Von fizkes/Shutterstock.com)

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 20.03.2017 nicht endet.

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 8.576,66 Euro brutto zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, die Kündigung sei gerechtfertigt, weil der Kläger der Unterschlagung in einer Vielzahl von Fällen überführt worden sei. Als der Geschäftsführer M. den Kläger am Abend des 17.03.2017 gegen 19.30 Uhr auf die 10 Schweißbahnen angesprochen habe, habe dieser verlegen und nervös reagiert und erklärt, diese seien bei seiner Schwester übrig geblieben und seien nun bei ihm gelagert. Der Kläger habe die Schweißbahnen von Anfang an entwenden wollen und mit Holz abgedeckt, um sie vor den Blicken des Kollegen D. zu verstecken. Es sei nicht möglich, dass der Kläger am 17.03.2017 eine Menge Holz von 6 m³ habe abladen können, da der LKW ausweislich des GPS-Systems des LKW an diesem Tag nur 7 Minuten vor dem Haus des Klägers gehalten habe.

Am 18.03.2017 sei der Geschäftsführer M. zur Baustelle nach I. gefahren, um die Situation vor Ort zu überprüfen. Dabei habe er festgestellt, dass ein Fehlbestand von 20 Bitumenschweißbahnrollen zu verzeichnen gewesen sei. Im Rahmen der Konfrontation des Klägers gegen 11.30 Uhr habe dieser versucht, die Herkunft der Schweißbahnen zu leugnen und bestritten, irgendwelches Eigentum der Firma entwendet zu haben. Darüber hinaus habe er zunächst behauptet, die Schweißbahnen stünden nicht mehr in seiner Garage, sondern bei einem Bekannten. Der Kläger habe Herrn M. nur widerwillig nach Androhung der Hinzuziehung der Polizei den Zutritt zur Garage und den Kellerräumen gewährt. Auf Vorhalt, dass es aufgrund der speziellen grün-weißen Beflockung der Folien offensichtlich sei, dass die Schweißbahnen von der Baustelle in I. stammten, habe der Kläger eingeräumt, dass er diese an sich genommen habe. Zu seiner Rechtfertigung habe er gesagt: „Ja, wenn Ihr mir auch die Stunden kürzt!“ Schließlich habe er gestanden, dass er insgesamt 12 Rollen Schweißbahnen an sich gebracht habe. Der Geschäftsführer habe schließlich angeboten, die Angelegenheit ohne die Hinzuziehung der Polizei zu regeln, sofern der Kläger die entwendeten Gegenstände zurückbringe und eine fristlose Kündigung akzeptiere.

Am 20.03.2017 habe der Kläger auf Vorhalt, wo sich der Rest der 20 Rollen Schweißbahnen befinde, erwidert, dass er nicht alle Rollen habe zurückgeben können, da er einen Teil davon bereits einem Bekannten überlassen habe. Nach Hinzuziehung der Polizei habe sich der Kläger vor Eintreffen des Streifenwagens mit unbekanntem Ziel entfernt.

Im Hinblick auf die weiteren Gegenstände, insbesondere die Motorsäge, den Kanister, die Kabeltrommel und das Verlängerungskabel, habe sich der Kläger einer Erlaubnis zur Mitnahme nicht eingeholt. Im Hinblick auf das übrige Material behauptet die Beklagte, der Kläger könne das Material nicht käuflich erworben haben, das das Bohrmaterial vom Typ „HILTI“ ebenso wenig käuflich erhältlich sei, wie die bei ihm gefundene Gasflasche.

Das Arbeitsgericht Koblenz hat die Klage daraufhin durch Urteil vom 14.11.2018 – 12 Ca 1012/17 – abgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 151 – 167 d.A. Bezug genommen.

Gegen das ihm am 21.11.2018 zugestellte Urteil hat der Kläger durch am 20.12.2018 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Er hat die Berufung durch am 11.02.2019 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem zuvor durch Beschluss vom 21.01.2019 auf seinen begründeten Antrag hin die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 18.02.2019 einschließlich verlängert worden war.

Der Kläger wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, es treffe nicht zu, dass er die 10 Bitumenschweißbahnen schon beim Beladen des LKW auf der Baustelle gesehen habe, geschweige denn bewusst auf dem LKW positioniert habe. Er habe sie auch nicht in Zueignungsabsicht in seine Garage geräumt. Er sei selbst überrascht gewesen, als er die Bitumenbahnen unter dem Brennholz entdeckt habe. Es sei ohne weiteres möglich, dass die Ladefläche des LKW in Relation zur Position des Klägers erhöht gestanden habe könne. Es bestehe durchaus die Möglichkeit, dass er beim Werfen des Brennholzes auf den LKW die Bitumenbahnen nicht wahrgenommen habe. Die Zeugen J. A. und B. A. könnten bestätigen, dass der Kläger nichts von den Bitumenschweißbahnen gewusst habe und selbst überrascht über deren Auffinden gewesen sei. Insgesamt sei der Beklagten der Nachweis, dass der Kläger die Bitumenschweißbahnen in Zueignungsabsicht entwendet habe, nicht gelungen. Er habe die Schweißbahnen ohne Zueignungsabsicht in seine Garage gestellt, um sie über das Wochenende zu schützen. Es sei geplant gewesen, diese nach dem Wochenende mit dem LKW wieder mit zur Arbeit zu nehmen. auch gehe aus der Tatsache, dass die Firmenbezeichnung abgerissen gewesen sei, nicht hervor, dass dies durch den Kläger geschehen sei. Der Zeuge D. sei beim Abladen nicht dabei gewesen und habe sich entfernt, ohne die Schweißbahnen zu bemerken. Zu diesem Zeitpunkt seien die Schweißbahnen auch dem Kläger nicht bewusst gewesen. Er, der Kläger, habe die Schweißbahnen nicht heimlich in seine Garage geräumt, sondern unter Mithilfe des anwesenden Zeugen A., und zwar so, dass sie von außen gut sichtbar gewesen seien. Dies könne der Zeuge A. ebenfalls bekunden. Warum der Kläger bei einem für ihn derart unproblematischen Vorgang sowohl den Zeugen D. als auch die Beklagte habe informieren sollen, erschließe sich nicht. Er, der Kläger, habe sich vielmehr so verhalten, wie man es von einem langjährigen Mitarbeiter erwarte.

Hinsichtlich des weiteren Berufungsvorbringens des Klägers wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 11.02.2019 (Bl. 197 – 202 d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 14.11.2018 – 12 Ca 1012/17 – dem Kläger zugestellt am 21.11.2018 wird wie folgt geändert. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 20.03.2017 nicht endet. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 8.576,66 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 14.11.2018 – 12 Ca 1012/17 – zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, der Kläger habe sich des Diebstahls zum Nachteil seines eigenen Arbeitgebers schuldig gemacht; seine dagegen vorgebrachten Einlassungen müssten schon nach dem unstreitigen, teilweise durch Lichtbilder belegten Sachverhalt als widerlegt gelten. Die Darstellung, er habe die Bitumenschweißbahnen auf dem LKW „nicht bemerkt“, sie gleichwohl dann bei sich in seiner Garage abgeladen, um sie „sicherzustellen“ erkläre nicht, weshalb er die angeblich versehentlich mitgenommenen Schweißbahnen nicht einfach auf dem Firmen LKW belassen habe, den nicht er, sondern der Mitarbeiter D. anschließend zu sich nach Hause genommen habe, um damit am nächsten Arbeitstag wieder auf die Baustelle in I. zu fahren. Noch unverständlicher sei, dass der Kläger den Zeugen D. darüber nicht informiert habe. Der LKW der Beklagten habe sich am fraglichen Tag lediglich für 7 Minuten vor dem Haus des Klägers befunden, also eine Zeitstrecke, innerhalb der das Abladen der umfangreichen Bauhölzer gar nicht habe bewerkstelligt werden können. Auch sei es dem Kläger nicht gelungen, etwas dazu darzulegen, warum die Firmenbezeichnungen auf den Bitumenschweißbahnen abgerissen gewesen seien, als sie vom Kläger in seiner Garage „zwischengelagert“ worden seien. Derartige Markierungen würden mit der Verpackung vor Ort auf der Baustelle dann abgelöst, wenn die Rollen verarbeitet würden. Es sei unsinnig, anzunehmen, dass irgendjemand auf der Baustelle Markierungen entfernt hätte, denn dazu habe zum fraglichen Zeitpunkt keine Veranlassung bestanden. Für den Kläger spreche auch nicht, dass er die Schweißbahnen in seiner Garage „gut sichtbar“ aufgestellt habe. Denn es sei offensichtlich, dass der Kläger in keiner Weise damit gerechnet habe, dass der Geschäftsführer der Beklagten nach Feierabend bei einer Fahrt mit dem Rennrad in dem Hunsrückdorf vorbeifahren würde, in dem der Kläger wohnt.

Zur weiteren Darstellung des Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 15.04.2019 (Bl. 214-216 d.A.) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 06.05.2019.

Entscheidungsgründe

I.

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Denn das Arbeitsgericht ist sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zu Recht davon ausgegangen, dass die streitgegenständliche außerordentliche Kündigung rechtswirksam ist, mit der Folge, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis mit Zugang der Kündigung sein Ende gefunden hat. Folglich stehen dem Kläger auch keine Zahlungsansprüche aus Annahmeverzug zu.

Der Kläger kann nicht die Feststellung verlangen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 20.03.2017, dem Kläger zugegangen am gleichen Tag, nicht aufgelöst worden ist. Vielmehr hat diese Kündigung das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 20.03.2017 beendet.

Die gesetzlichen Voraussetzungen des § 626 BGB für die Rechtswirksamkeit der außerordentlichen Kündigung sind entgegen der Auffassung des Klägers gegeben.

Ein wichtiger Grund im Sinne der Generalklausel der § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung liegt dann vor, wenn Tatsachen gegeben sind, auf-grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und in der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung nicht zugemutet werden kann (vgl. BAG 27.01.2011 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 07.07.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 38; 21.06.2012 EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 63 = NZA 2013, 199; 27.09.2012 -2 AZR 646/11- EzA/SD 9/2013 Seite 6 LS). Damit wird der wichtige Grund zunächst durch die objektiv vorliegenden Tatsachen bestimmt, die an sich geeignet sind, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar zu machen. Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB ist deshalb jeder Sachverhalt, der objektiv das Arbeitsverhältnis mit dem Gewicht eines wichtigen Grundes belastet (vgl. BAG 27.01.2011 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 07.07.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 38). Entscheidend ist nicht der subjektive Kenntnisstand des Kündigenden, sondern der objektiv vorliegende Sachverhalt, der objektive Anlass. Berücksichtigt werden können nur die bis zum Ausspruch der Kündigung eingetretenen Umstände bei der Überprüfung der Frage, ob sie als Kündigungsgrund an sich geeignet sind (Ascheid/Preis/Schmidt Großkommentar Kündigungsrecht 4. Auflage 2012 (APS-Dörner/Vossen), § 626 BGB Rz. 42 ff.; Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Arbeitsrecht (DLW-Dörner), 15. Auflage 2019, Kap. 4. Rn. 1121 ff.).

Berücksichtigt werden können nur die bis zum Ausspruch der Kündigung eingetretenen Umstände bei der Überprüfung der Frage, ob sie als Kündigungsgrund an sich geeignet sind. Umstände, die erst danach entstanden sind, können die bereits erklärte Kündigung nicht rechtfertigen. Sie können allenfalls als Grundlage für eine weitere Kündigung oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG dienen. Nachträglich eingetretene Umstände können für die gerichtliche Beurteilung allerdings insoweit von Bedeutung sein, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen. Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde. Es darf aber nicht etwa eine ursprünglich unbegründete Kündigung durch eine Berücksichtigung späteren Verhaltens rückwirkend zu einer begründeten werden. Außerdem ist genau zu prüfen, welche konkreten Rückschlüsse auf den Kündigungsgrund späteres Verhalten wirklich erlaubt. Im Hinblick auf prozessuales Vorbringen gilt nichts anderes (BAG 15.12.1955 NJW 1956, 807; 28.10.1971 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 9; 3.7.2003 EzA § 626 BGB 202 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 2; 24.11.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 12, 484; 10.6.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32).

Die danach zu berücksichtigenden Umstände müssen nach verständigem Ermessen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar erscheinen lassen (BAG AP-Nr. 4 zu § 626 BGB). Bei der Bewertung des Kündigungsgrundes und bei der nachfolgenden Interessenabwägung ist ein objektiver Maßstab anzulegen, so dass subjektive Umstände, die sich aus den Verhältnissen der Beteiligten ergeben, nur aufgrund einer objektiven Betrachtung zu berücksichtigen sind. Dabei ist insbes. nicht auf die subjektive Befindlichkeit des Arbeitgebers abzustellen; vielmehr ist ein objektiver Maßstab („verständiger Arbeitgeber“) entscheidend, also ob der Arbeitgeber aus der Sicht eines objektiven Betrachters weiterhin hinreichendes Vertrauen in den Arbeitnehmer haben müsste, nicht aber, ob er es tatsächlich hat (BAG 10.6.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32). Die danach maßgeblichen Umstände müssen sich konkret nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken; da der Kündigungsgrund zukunftsbezogen ist und die Kündigung keine Sanktion für das Verhalten in der Vergangenheit darstellt, kommt es auf seine Auswirkungen auf die Zukunft an, die vergangene Pflichtverletzung muss sich noch in Zukunft belastend auswirken (BAG 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 23.10.2008 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 25; 12.1.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67; 12.1.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68; LAG BW 25.3.2009 LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 20; LAG RhPf 26.2.2010 NZA-RR 2010, 297). Da es um den zukünftigen Bestand des Arbeitsverhältnisses geht, muss dessen Fortsetzung durch objektive Umstände oder die Einstellung oder das Verhalten des Gekündigten im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit aller Mitarbeiter, im persönlichen Vertrauensbereich (der Vertragspartner) oder im Unternehmensbereich konkret beeinträchtigt sein.

Das kann dann der Fall sein, wenn auch zukünftige Vertragsverstöße zu besorgen sind, d. h. wenn davon ausgegangen werden muss, der Arbeitnehmer werde auch künftig den Arbeitsvertrag nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen oder sonst von einer fortwirkenden Belastung des Arbeitsverhältnisses ausgegangen werden muss (LAG BW 25.3.2009 § 626 2002 Nr. 20; LAG RhPf 26.2.2010 NZA-RR 2010, 297).

Die erforderliche Überprüfung gem. § 626 Abs. 1 BGB vollzieht sich folglich zwei-stufig (vgl. z. B. BAG 24.3.2011 2 AZR 282/10 EzA-SD 16/2011 S. 3 LS. = NZA 2011, 1029; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35).

Zum einen muss ein Grund vorliegen, der unter Berücksichtigung der oben Ski-zierten Kriterien überhaupt an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Insoweit handelt es sich um einen Negativfilter, d. h., dass bestimmte Kündigungsgründe eine außerordentliche Kündigung von vornherein nicht rechtfertigen können.

Zum anderen muss dieser Grund im Rahmen einer Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch des Verhältnismäßigkeitsprinzips zum Überwiegen der berechtigten Interessen des Kündigenden an der – in der Regel – vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen (vgl. ausführlich APS-Dörner/Vossen, § 626 BGB a. a. O.; DLW-Dörner a. a. O.). In einer Gesamtwürdigung ist das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 24.3.2011 – 2 AZR 282/10- EzA-SD 16/2011 S. 3 LS. = NZA 2011, 1029; 27.09.2012 -2 AZR 646/11 – EzA-SD 9/2013, Seite 6 LS).

Entscheidend ist die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung bzw. bis zum Ende der vereinbarten Befristung (BAG 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; 27.09.2012 – 2 AZR 646/11 – EzA-SD 9/2013, Seite 6 LS; LAG Bl. 5.1.2005 – 17 Sa 1308/04 – EzA-SD 8/05, Seite 12 LS; Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, a. a. O.; APS/Dörner/Vossen).

Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegen seiner erheblichen Pflichtverletzung zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung des Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen – einstweiligen – Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung der Umstände des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 27.09.2012 -2 AZR 646/11- EzA/SD 9/2013, Seite 6 LS).

Nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ist die außerordentliche Kündigung „Ultima Ratio“, so dass sie dann nicht gerechtfertigt ist, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar ist, weil dann die ordentliche Kündigung ein milderes Mittel als die außerordentliche Kündigung darstellt (BAG 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; 27.09.2012 -2 AZR 646/11- EzA/SD 9/2013 Seite 6 LS; krit. Stückmann/Kohlepp RdA 2000, 331 ff.).

Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus; sie dient der Objektivierung der Prognose (BAG 12.01.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67: 12.01.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Sie ist nur dann entbehr-lach, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorgelegen haben, aufgrund derer eine Abmahnung als nicht Erfolg versprechend angesehen werden kann. Das ist insbes. dann anzunehmen, wenn erkennbar ist, dass der Arbeitnehmer nicht ge-willt ist, sich vertragsgerecht zu verhalten. Nur besonders schwere Vorwürfe bei-dürfen keiner Abmahnung, wenn und weil der Arbeitnehmer dann von vornherein nicht mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen kann (LAG RhPf 26.02.2010 – 6 Sa 682/09, NZA-RR 2010, 297; LAG Nds. 12.02.2010 – 10 Sa 1977/08, EzA-SD 8/2010 S. 6 LS).

Einer Abmahnung bedarf es danach bei einem steuerbaren Verhalten des Arbeit-nehmers in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes also nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG 24.03.2011 – 2 AZR 282/10, EzA-SD 16/2011 S. 3 LS = NZA 2011, 1029; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 36; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 39 = NZA-RR 2012, 567;25.10.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 41 = NZA 2013, 319; LAG Hessen 27.02.2012 NZA-RR 2012, 471), denn dann ist grds. davon auszugehen, dass das künftige Verhalten des Arbeitnehmers schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann; die Abmahnung dient insoweit der Objektivierung der negativen Prognose: Ist der Arbeitnehmer ordnungsgemäß abgemahnt worden und verletzt er dennoch seine arbeitsvertraglichen Pflichten erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen. Das gilt grds. uneingeschränkt selbst bei Störungen des Vertrauensbereichs durch Straftaten gegen Vermögen oder Eigentum des Arbeitgebers (BAG 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; LAG Bln.-Bra. 30.03.2012 LAGE § 611 BGB 2002 Abmahnung Nr. 9 = NZA -RR 2012, 353; LAG Köln 20.01.2012 NZA-RR 2012, 356), denn auch in diesem Bereich gibt es keine „absoluten“ Kündigungsgründe. Stets ist konkret zu prüfen, ob nicht objektiv die Prognose berechtigt ist, der Arbeitnehmer werde sich jedenfalls nach einer Abmahnung künftig wieder vertragstreu verhalten (BAG 10.06.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32; Preis AuR 2010, 242; Schlachter NZA 2005, 433 ff.; Schrader NJW 2012, 342 ff.; s. LAG Bln.-Bra. 30.03.2012 LAGE § 611 BGB 2002 Abmahnung Nr. 9 = NZA-RR 2012, 353; Arbeitszeitbetrug; LAG Köln 20.01.2012 NZA-RR 2012, 356: vorzeitiges Arbeitsende ohne betriebliche Auswirkungen).

Entscheidender Zeitpunkt für die Beurteilung ist grundsätzlich (ebenso wie bei der ordentlichen Kündigung) der Zeitpunkt des Ausspruchs bzw. Zugangs der Kündigung. Die Wirksamkeit einer Kündigung ist grundsätzlich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt ihres Zugangs zu beurteilen. dieser Zeitpunkt ist im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB sowohl für die Prüfung des Kündigungsgrundes als auch für die Interessenabwägung maßgebend. Umstände, die erst danach entstanden sind, können die bereits erklärte Kündigung nicht rechtfertigen. Sie können allenfalls als Grundlage für eine weitere Kündigung oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG dienen (BAG 10.6.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32 = NZA 2010, 1227; 28.10.1971 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 9; 15.12.1955 BAGE 2, 245).

Nachträglich eingetretene Umstände können für die gerichtliche Beurteilung allerdings insoweit von Bedeutung sein, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen (BAG 10.6.2010; a. a. O.; 28.10.1971 a. a. O. Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde (BAG 10.6.2010 a. a. O; 15.12.1955 a. a. O.). Es darf aber nicht etwa eine ursprünglich unbegründete Kündigung durch die Berücksichtigung späteren Verhaltens rückwirkend zu einer begründeten werden (BAG 15.12.1955 a. a. O). Außerdem ist genau zu prüfen, welche konkreten Rückschlüsse auf den Kündigungsgrund späteres Verhalten wirklich erlaubt. Im Hinblick auf prozessuales Vorbringen (BAG 10.6.2010; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 202 Nr. 4 a. a. O.; 24.11.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 12; 3.7.2003 EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 2) gilt nichts anderes.

Die in den aufgehobenen gesetzlichen Vorschriften der §§ 123, 124 Gewerbeordnung, 71, 72 HGB nach altem Recht genannten Beispiele für wechselseitige wichtige Gründe (z. B. Arbeitsvertragsbruch, beharrliche Arbeitsverweigerung) sind als wichtige Hinweise für typische Sachverhalte anzuerkennen, die an sich geeignet sind, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung zu bilden und die Kündigung in der Regel auch zu rechtfertigen, wenn keine besonderen Umstände zugunsten des Gekündigten sprechen (vgl. BAG AP-Nr. 99 zu § 626 BGB). „Absolute Kündigungsgründe“, die ohne eine besondere Interessenabwägung eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, bestehen andererseits jedoch nicht (BAG 15.11.1984 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 95; 10.6.2010; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 40 = NZA 2013, 27).

Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast gilt Folgendes:

Der Kündigende ist darlegungs- und beweispflichtig für die Umstände, die als wichtige Gründe geeignet sein können. Die Bewertung eines Fehlverhaltens als vorsätzlich liegt insoweit im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet und ist Ge-genstand der tatrichterlichen Beweiswürdigung i.S.v. § 286 ZPO (BAG 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027).

Im Rahmen der ihr obliegenden Darlegungslast trifft jede Prozesspartei eine voll-ständige Substantiierungspflicht; sie hat sich eingehend und im Einzelnen nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiiert zu äußern. Anderer-Seitz darf von keiner Prozesspartei von Verfassungswegen etwas Unmögliches verlangt werden. Der Konflikt zwischen diesen beiden Positionen wird gelöst durch das Prinzip der Sachnähe, d. h., je näher eine Prozesspartei an dem fraglichen tatsächlichen Geschehen selbst unmittelbar und persönlich beteiligt ist, desto eingehender hat sie substantiiert vorzutragen. Das kann so weit gehen, dass sie auch verpflichtet sein kann, durch tatsächliches Vorbringen oder Vorlage von Unterlagen die Gegenpartei überhaupt erst in die Lage zu versetzen, der ihr obliegenden Darlegungslast nachzukommen. Schließlich muss das tatsächliche Vorbringen wahrheitsgemäß sein (vgl. BAG 26.06.2008, 23.10.2008 EzA § 23 KSchG Nr. 32, Nr. 33).

Zu den die Kündigung begründen Tatsachen, die der Kündigende vortragen und gegebenenfalls beweisen muss, gehören auch diejenigen, die Rechtfertigungs-und Entschuldigungsgründe (z.B. eine vereinbarte Arbeitsbefreiung, die Einwilligung des Arbeitgebers in eine Wettbewerbstätigkeit: eine „Notwehrsituation“, vgl. LAG Köln 20.12.2000 ARST 2001, 187) für das Verhalten des gekündigten Arbeit-nehmers ausschließen (BAG 06.08.1987 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 109; 18.09.2008 – 2 AZR 1039/06, EzA-SD 8/2009 S. i; Notwehr bei tätlicher Auseinandersetzung; 03.11.2011 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 79 = NZA 2012, 607).

Der Umfang der Darlegungs- und Beweislast richtet sich danach, wie substantiiert der Gekündigte sich auf die Kündigungsgründe einlässt. Der Kündigende muss daher nicht von vornherein alle nur denkbare Rechtfertigungsgründe widerlegen.

Es reicht insoweit nicht aus, dass der Gekündigte pauschal und ohne nachprüf-bare Angaben Rechtfertigungsgründe geltend macht. Er muss deshalb unter substantiierter Angabe der Gründe, die ihn gehindert haben, seine Arbeitsleistung, so wie an sich vorgesehen, zu erbringen, den Sachvortrag des Kündigenden nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen bestreiten. Gleiches gilt dann, wenn sich der Gekündigte anders als an sich vorgesehen verhalten hat (s. BAG 18.09.2008 – 2 AZR 1039/06, FA 2009, 221 LS).

Nur dann ist es dem Kündigenden möglich, diese Angaben zu überprüfen und ggf. die erforderlichen Beweise anzutreten (BAG 06.08.1987 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 109). Wenn der gekündigte Arbeitnehmer sich allerdings gegen die Kündigung wehrt und i.S.d. § 138 Abs. 2 ZPO ausführlich Tatsachen vorträgt, die einen Rechtfertigungsgrund für sein Handeln darstellen oder sonst das Verhalten in einem milderen Licht erscheinen lassen können, muss der Arbeitgeber seinerseits Tatsachen vorbringen und ggf. beweisen, die die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Rechtfertigungsgründe erschüttern (LAG Köln 21.04.2004 LAG Report 2005, 64 LS). Will der Arbeitgeber bspw. die außerordentliche Kündigung auf die Behauptung stützen, der Arbeitnehmer habe Beträge aus der Einlösung von Schecks unterschlagen, muss er im Einzelnen diese Unterschlagung darlegen und unter Beweis stellen. Wenn der Arbeitnehmer nachvollziehbar darlegt, wann und wenn er die Beträge abgeliefert hat, kann sich der Arbeitgeber nicht mit Erfolg auf den Standpunkt stellen, der Arbeitnehmer müsse die Ablieferung der Beträge beweisen (LAG Köln 26.06.2006 – 14 Sa 21/06, EzA-SD 19/06, S. 10 LS).

Die dem kündigenden Arbeitgeber obliegende Beweislast geht auch dann nicht auf den gekündigten Arbeitnehmer über, wenn dieser sich auf eine angeblich mit dem Arbeitgeber persönlich vereinbarte Arbeitsbefreiung beruft und er einer Par-Einvernehmung des Arbeitgebers zu der streitigen Zusage widerspricht.

In diesem Fall sind allerdings an das Bestreiten einer rechtswidrigen Vertragsverletzung hinsichtlich des Zeitpunkts, des Ortes und des Anlasses der behaupteten Vereinbarung, die das Verhalten des Arbeitnehmers rechtfertigen oder entschuldigen sollen, strenge Anforderungen zu stellen (BAG 24.11.1983 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 88; APS/Dörner/Vossen § 626 BGB Rn. 173 ff.).

Gelingt es dem Arbeitgeber nicht, den Kündigungsvorwurf in tatsächlicher Hinsicht zu beweisen, ist die streitgegenständliche Kündigung mangels eines wichtigen Grundes i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB unwirksam (LAG RhPf 21.05.2010 NZA-RR 2011, 80).

Für das erforderliche Beweismaß der vollen Überzeugung im Sinne des § 286 Abs. 1 ZPO gelten nachfolgende Grundsätze:

Gemäß § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Insofern ist das tatsächliche Vorbringen der Beklagten, dass die Klägerin zulässigerweise bestritten hat, nach Maßgabe der vor dem Arbeitsgericht durchgeführten Beweisaufnahme als wahr anzusehen.

Auf der Basis der abgeschlossenen Beweisaufnahme stellt die richterliche Würdigung einen internen Vorgang in der Person der Richter zur Prüfung der Frage dar, ob ein Beweis gelungen ist. Im Rahmen dieses internen Vorgangs verweist § 286 ZPO ganz bewusst auf das subjektive Kriterium der freien Überzeugung des Richters und schließt damit objektive Kriterien – insbesondere die naturwissenschaftliche Wahrheit als Zielpunkt – aus. Die gesetzliche Regelung befreit den Richter bzw. das richterliche Kollegium von jedem Zwang bei seiner Würdigung und schließt es damit auch aus, dass das Gesetz dem Richter vorschreibt, wie er Beweise einzuschätzen und zu bewerten hat. Dabei ist Bezugspunkt der richterlichen Würdigung nicht nur das Ergebnis der Beweisaufnahme, sondern der gesamte Inhalt der mündlichen Verhandlung (vgl. Münchner Kommentar zur ZPO – Prütting, 4. Auflage 2013, § 286 Rn. 1 ff.).

Hinsichtlich der Anforderungen an die richterliche Überzeugung ist von Folgendem auszugehen: Die richterliche Überzeugung ist nicht gleichzusetzen mit persönlicher Gewissheit. Der Begriff der Gewissheit stellt nämlich absolute Anforderungen an eine Person. Er lässt für – auch nur geringe – Zweifel keinen Raum. Dies wird gesetzlich aber nicht verlangt; die gesetzliche Regelung geht vielmehr davon aus, das Gericht müsse etwas für wahr „erachten“. Bei dem Begriff der richterlichen Überzeugung geht es also nicht um ein rein personales Element der subjektiven Gewissheit eines Menschen, sondern darum, dass der Richter in seiner prozessordnungsgemäßen Stellung bzw. das Gericht in seiner Funktion als Streit entscheidendes Kollegialorgan eine prozessual ausreichende Überzeugung durch Würdigung und Abstimmung erzielt. Daraus folgt, dass es der richterlichen Überzeugung keinesfalls im Weg steht, wenn dem Gericht aufgrund gewisser Umstände Unsicherheiten in der Tatsachengrundlage bewusst sind. Unerheblich für die Beweiswürdigung und die Überzeugungsbildung ist auch die Frage der Beweislast. Richterliche Überzeugung ist vielmehr die prozessordnungsgemäß gewonnene Erkenntnis des einzelnen Richters oder der Mehrheit des Kollegiums, dass die vorhandenen Eigen- und Fremdwahrnehmungen sowie Schlüsse ausreichen, die Erfüllung des vom Gesetz vorgesehenen Beweismaßes zu bejahen. Es darf also weder der besonders leichtgläubige Richter noch der generelle Skeptiker ein rein subjektives Empfinden als Maß der Überzeugung setzen, sondern jeder Richter muss sich bemühen, unter Beachtung der Prozessgesetze, Ausschöpfung der gegebenen Erkenntnisquellen und Würdigung aller Verfahrensergebnisse in gewissenhafter und vernünftigerweise einer Entscheidung nach seiner Lebenserfahrung darüber zu treffen, ob im Urteil von der Wahrheit einer Tatsachenbehauptung auszugehen ist. Dabei muss sich das Gericht allerdings der Gefahren für jede Wahrheitsfindung bewusst sein.

Dabei ist letzten Endes ausschlaggebend, dass das Gesetz eine von allen Zwei-fein freie Überzeugung nicht voraussetzt. Vielmehr kommt es auf die eigene Überzeugung des entscheidenden Richters an, auch wenn andere zweifeln oder eine andere Auffassung erlangt haben würden. Der Richter darf und muss sich aber in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGHZ 53, 245 = NJW 1970, 946; vgl. Münchner Kommentar zur ZPO – Prütting a. a. O., Rn. 28 ff). Vom Richter wird letztlich verlangt, dass er die volle Überzeugung erlangt, dass er eine streitige Tatsachenbehauptung für wahr erachtet. Diese Überzeugung kann und darf er nicht gewinnen, wenn für die streitige Behauptung nur die überwiegende Wahrscheinlichkeit spricht, vielmehr muss für die behauptete Tatsache eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit sprechen, damit der Richter die Tatsache für wahr erachtet.

Die Tatsachengerichte haben nach § 286 Abs. 1 S. 2 ZPO die wesentlichen Grundlagen ihrer Überzeugungsbildung nachvollziehbar darzulegen (BAG 21.09.2017 – 2 AZR 57/17, EzA § 4 KSchG n.F. Nr. 101 = NZA 2017, 1524). Für die volle richterliche Überzeugungsbildung nach § 286 Abs. 1 ZPO ist ausreichend, dass ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit erreicht ist, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig ausschließen zu müssen (BAG 25.04.2018 – 2 AZR 611/17, EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 17 = NZA 2018, 1405).

Soll ein Vortrag mittels Indizien bewiesen werden, hat das Gericht zu prüfen, ob es die vorgetragenen Hilfstatsachen – deren Richtigkeit unterstellt – von der Wahrheit der Haupttatsache überzeugen. Es hat die insoweit maßgebenden Umstände vollständig und verfahrensrechtlich einwandfrei zu ermitteln und alle Beweisanzeichen erschöpfend zu würdigen. Die wesentlichen Grundlagen der Überzeugungsbildung sind nach § 286 Abs. 1 S. 2 ZPO nachvollziehbar darzulegen. Dies erfordert keine ausdrückliche Auseinandersetzung mit allen denkbaren Gesichtspunkten. Die Urteilsgründe müssen aber erkennen lassen, dass überhaupt eine sachentsprechende Beurteilung stattgefunden hat. Es genügt nicht, allein durch formelhafte Wendungen ohne Bezug zu den konkreten Fallumständen zum Ausdruck zu bringen, das Gericht sei von der Wahrheit einer Tatsache überzeugt oder nicht überzeugt (BAG 25.04.2018 – 2 AZR 611/17, EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 17 = NZA 2018, 1405).

Dem Tatrichter ist es nach § 286 ZPO grundsätzlich auch erlaubt, allein aufgrund des Vortrags der Parteien und ohne Beweiserhebung festzustellen, was für wahr und was für nicht wahr zu erachten ist. Er kann im Rahmen der freien Würdigung des Verhandlungsergebnisses den Behauptungen und Angaben (vgl. § 141 ZPO) einer Partei unter Umständen auch dann glauben, wenn diese ihre Richtigkeit sonst nicht – auch nicht mittels Parteivernehmung, weil es an der erforderlichen Anfangswahrscheinlichkeit fehlt – beweisen kann. Hat die erste Instanz ihre freie Überzeugung nach § 286 ZPO auf eine Parteianhörung gestützt, muss das Berufungsgericht sich im Rahmen seiner Überzeugungsbildung mit dem Ergebnis dieser Parteianhörung auseinandersetzen und die informatorische Anhörung nach § 141 ZPO ggf. selbst durchführen (BGH 27.09.2017 – XII ZR 48/17, NJW-RR 2018, 249).

Zum Nachteil des Arbeitgebers begangene Eigentums- und Vermögensdelikte, auch nicht strafbare, ähnlich schwerwiegende Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers kommen typischerweise, unabhängig vom Wert des Tatobjekts und der Höhe des eingetretenen Schadens, als Grund für eine außerordentliche Kündigung in Betracht. Die Verletzung des Eigentums oder Vermögens des Arbeitgebers ist nicht nur „unter Umständen“, sondern stets, regelmäßig als ein an sich zur außerordentlichen Kündigung geeigneter Umstand anzusehen (1. Stufe der Überprüfung). Aufgrund der durch den Arbeitsvertrag begründeten Nebenpflichten zur Loyalität hat der Arbeitnehmer auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Diese Verpflichtung beinhaltet das Verbot, den Arbeitgeber rechtswidrig und vorsätzlich durch eine Straftat zu schädigen. Der Arbeitnehmer bricht durch eine Eigentumsverletzung unabhängig vom Wert des Schadens in erheblicher Weise das Vertrauen des Arbeitgebers (BAG 11.07.2013 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 6 = NZA 2014, 250).

In Anwendung dieser Grundsätze hat das Arbeitsgericht ausgeführt:

„b)

Bereits aufgrund des unstreitigen Sachverhalts steht zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung am 20.03.2017 fest, dass der Kläger sich der Unterschlagung zulasten der Beklagten schuldig gemacht hat.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger 10 Rollen Bitumenschweißbahnen aus dem Firmenbestand der Beklagten am 17.03.2017 auf der Ladefläche des Firmen-LKW mit zu sich nachhause genommen und in seine Garage verbracht hat. Damit hat er sich fremdes Eigentum rechtswidrig angeeignet. Die Zueignungsabsicht ist durch das Verbringen der 10 Schweißbahnen in seine Garage und durch das Abreißen der Folienummantelung hinreichend nach außen dokumentiert.

Soweit der Kläger behauptet, beim Beladen der Ladefläche des LKW mit Holz die sich darauf befindlichen 10 Schweißbahnen nicht gesehen zu haben und diese bei Ankunft bei sich zu Hause in seine Garage verbracht zu haben, um sie am Montag wieder auf den LKW zu laden und zur Baustelle zu fahren, ist dieser Vortrag als bloße Schutzbehauptung zu bewerten und ändert insbesondere an der rechtswidrigen Zueignungsabsicht des Klägers nichts. Darüber hinaus hat die Beklagte die Einlassung des Klägers im Einzelnen widerlegt:

Dies gilt zunächst für seine Behauptung, beim Beladen des LKW dessen Ladefläche nicht habe einsehen können. Denn sie trägt substantiiert vor, dass der Kläger die Ladefläche beim Beladen des LKW auch bei hochgeklappter Brake habe einsehen können, da er 1,78 m groß sei und die hochgeklappte Brake bei 1,51 m ende, mithin nicht auf dessen Augenhöhe. Die genannte Höhe der LKW-Brake ergibt sich durch die vorgelegten Lichtbilder der Beklagten (Bl. 102- 103 d.A). Die Kammer ist aufgrund dessen der Ansicht, dass die Bitumenschweißbahnen auf der Ladefläche des LKW für den Kläger aufgrund ihrer Maße und ihrer Stückzahl deutlich zu erkennen gewesen sein müssen. Infolgedessen geht das Gericht davon aus, dass der Kläger die Rollen Bitumenschweißbahnen in Kenntnis deren Anwesenheit auf der Ladefläche des LKW bewusst mit Holz abdeckte, um sie vor den Blicken des Kollegen D. zu verstecken.

Die Beklagte hat die Einlassung des Klägers, er habe die Bitumenschweißbahnen nur über das Wochenende in seiner Garage zwischenlagern wollen, widerlegt, indem sie substantiiert dargelegt hat, dass die Ummantelungs-Folien der 10 Rollen, auf denen sich die Firmenbezeichnung des Herstellers befindet, am 17.03.2017 bei deren Auffinden durch den Geschäftsführer der Beklagten vollständig abgerissen waren. Das Vorbringen der Beklagten wird auch durch die insoweit als Beweismittel aufgeführten Lichtbilder vom 18.03.2017 (Bl. 29 d.A.) und vom 20.03.2017 (Bl. 43 d.A.) bekräftigt, auf denen erkennbar ist, dass die Folien-Ummantelung aufgerissen worden und die Firmenbezeichnung des Herstellers nicht mehr vorhanden gewesen sind. Die Kammer geht infolgedessen davon aus, dass der Kläger die Rollen Bitumenschweißbahnen entgegen seiner Behauptung gerade nicht zurückbringen wollte, da es ansonsten lebensfremd wäre, die Folien der Rollen auf- und abzureißen.

Darüber hinaus spricht für eine rechtswidrige Zueignungsabsicht des Klägers auch, dass er nach seiner eigenen Einlassung den Kollegen D. nicht über die Bitumenschweißbahnen und seinen Plan, diese über das Wochenende zwischenlagern zu wollen informiert hat, sondern die Verbringung der Rollen in die Garage gerade in dessen Abwesenheit, mithin geradezu heimlich vorgenommen hat. Das Gericht hält die Einlassung des Klägers insoweit für unglaubhaft und lebensfremd, da nicht nachvollziehbar ist, weswegen der Kläger den Kollegen D. nicht über die Rollen informiert haben will und diese stattdessen in dessen Abwesenheit, mithin heimlich in seine Garage geräumt hat. Dies ist gerade im Hinblick darauf, dass der Kollege D. den Kläger am Montag mit dem LKW wieder abholen sollte und er ihn spätestens an diesem Tag sowieso über die Bitumenschweißbahnen hätte aufklären müssen, unglaubhaft. Es wäre lebensnah gewesen, diesen und darüber hinaus auch die Geschäftsführer der Beklagten, Herrn M. und Herrn S., darüber zu informieren, um keine derartigen Missverständnisse- oder Verdachtsmomente aufkommen zu lassen.

c)

Die möglicherweise unzureichende Anhörung des Klägers vor Ausspruch der Kündigung steht der Wirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung ebenfalls nicht entgegen (vgl. BAG, Urteil vom 23. Juni 2009, NZA 2009, 1136; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 04. März 2010, a.a.O.). Bei Begründung der Wirksamkeit der Kündigung damit, die Tat sei erwiesen, ist die Anhörung keine Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung. Maßgeblich für die Rechtfertigung einer Tatkündigung ist allein, ob im Kündigungszeitpunkt objektiv Tatsachen vorlagen, die dazu führten, dass dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses – im Falle der außerordentlichen Kündigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – unzumutbar ist. Diese objektiven Tatsachen lagen vor (s.o.).

d)

Zur Wirksamkeit der Kündigung kommt es schließlich nicht darauf an, ob auch die übrigen von der Beklagten vorgetragenen Tatsachen hinsichtlich der weiteren Gegenstände (in Form der Motorsäge, Kabeltrommel, Verlängerungskabel, Kanister, sowie die Baumaterialien) eine Tatkündigung rechtfertigen oder insoweit einen hinreichend dringenden Tatverdacht begründen. Allein die festgestellte Tat zu Lasten der Beklagten am 17.03.2017 hinsichtlich der unstreitig aus deren Firmenbestand stammendenden 10 Rollen Bitumenschweißbahnen rechtfertigt die ausgesprochene außerordentliche Kündigung, sodass es auf weitere vorgetragene Tatsachen nicht ankommt.

e)

Die vorliegende Unterschlagung des Klägers führt im Rahmen der Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zum Überwiegen der berechtigten Interessen der kündigenden Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

aa)

Die Kündigung ist nicht unverhältnismäßig. Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist eine Kündigung nicht gerechtfertigt, wenn es mildere Mittel gibt, eine Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Einer Abmahnung bedarf es in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes deshalb nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist.

Diese Grundsätze gelten uneingeschränkt selbst bei Störungen des Vertrauensbereichs durch Straftaten gegen Vermögen oder Eigentum des Arbeitgebers (BAG, Urteil vom 10. Juni 2010, NZA 2010, 1227).

Ausgehend von diesen Grundsätzen war die Abmahnung vorliegend entbehrlich. Das Entwenden von Firmeneigentum (s.o.) stellt eine erhebliche Vertragsverletzung dar. Die Beklagte war nicht auf den Ausspruch einer Abmahnung als milderes Mittel vor Kündigungsausspruch zu verweisen. Einer vorherigen Abmahnung bedurfte es angesichts der Schwere der Pflichtverletzung nicht, da deren Hinnahme nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Kläger erkennbar – ausgeschlossen war. Ein Arbeitnehmer muss normalerweise davon ausgehen, dass er mit einem Vermögensdelikt zum Nachteil seines Arbeitgebers wie hier in Form der Unterschlagung von im Eigentum des Arbeitgebers stehenden Sachen, seinen Arbeitsplatz auf Spiel setzt.

Die konkreten Umstände des vorliegenden Falles rechtfertigen keine andere Beurteilung. Eine Abmahnung ist zwar dann erforderlich, wenn der Arbeitnehmer mit vertretbaren Gründen annehmen konnte, sein Verhalten sei nicht vertragswidrig (BAG, Urteil vom 14. Februar 1996, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 26). Dies ist hier aber nicht der Fall. Es liegt kein Verbotsirrtum vor. Dem Kläger war bewusst, dass sein Handeln vertragswidrig war, wie sich auch daraus ergibt, dass er die entwendeten Gegenstände am 20.03.2017 zurück zur Beklagten brachte.

Der Kläger konnte trotz seiner 7-jährigen Beschäftigungszeit keinesfalls davon ausgehen, dass die Beklagte es unbeanstandet lassen könnte, wenn er 10 Rollen Bitumenschweißbahnen ohne ihr Einverständnis einfach mitnimmt. Dies ist ein schwerwiegender und aus sich selbst verständlicher Pflichtverstoß.

bb)

Auch die im Anschluss daran vorzunehmende Interessenabwägung im eigentlichen Sinne fällt zum Nachteil des Klägers aus.

Bei der Interessenabwägung im engeren Sinne sind einerseits die Schwere der Verfehlung, deren Folgen für den Arbeitgeber, die Betriebsordnung und den Betriebsfrieden, ein eventuell eingetretener Vertrauensverlust sowie die Größe des Verschuldens und der Grad der Wiederholungsgefahr zu berücksichtigen. Andererseits sind die Dauer des Arbeitsverhältnisses, das Lebensalter und die Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung von Bedeutung.

Auf der einen Seite ist zu Gunsten des Klägers seine Betriebszugehörigkeit von 7 Jahren zu berücksichtigen. Auch die Unterhaltspflichten des Klägers sprechen für ihn. Demgegenüber standen das erhebliche Interesse der Beklagten am Schutz ihres Eigentums sowie der erhebliche Vertrauensverlust gegenüber einem Arbeitnehmer, der das Vermögen des Arbeitgebers durch Zueignung von in seinem Eigentum stehenden Sachen verletzt. Einem Arbeitgeber kann nicht zugemutet werden, gewisse Eigentumsdelikte zu dulden. Von einem Bagatelldelikt kann vorliegend keine Rede sein.

Darüber hinaus wiegt die Art der Tatbegehung schwer. Der Kläger hat durch die Zueignung von 10 Rollen Bitumenschweißbahnen kein Bagatelldelikt begangen. Bei der Durchführung der Tat vermied es der Kläger bewusst, von dem Kollegen D., anderen Mitarbeitern oder Vorgesetzten gesehen zu werden, indem er die Rollen Schweißbahnen auf der Ladefläche des LKW mit Holz verdeckte und diese schließlich am 17.03.2017 bewusst in Abwesenheit des Kollegen D. von der Ladefläche ablud und darüber hinaus in seine Garage verbrachte. Er wollte damit vermeiden, Aufsehen zu erregen und entdeckt zu werden. Ihm fehlte bei der Tatbegehung offenkundig jegliche Einsichtsfähigkeit, dass das von ihm begangene Verhalten falsch bzw. strafbar sein könnte. Das fehlende Unrechtsbewusstsein hat der Kläger insbesondere dadurch zum Ausdruck gebracht, indem er am 20.03.2017 das Firmengelände mit den Worten „Ich nehme mir heute Urlaub!“ und entgegen der Aufforderung des Herrn M., dort zu verbleiben und auf die Polizei zu warten, verlassen hat. Der Kläger hatte insoweit auch kein Interesse, an einer ordnungsgemäßen Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken und arbeitsrechtliche Konsequenzen zu vermeiden, oder gar die fehlenden 3 Rollen Bitumenschweißbahnen zum Firmengelände zu bringen. Auch im Nachhinein hat der Kläger seine Tat nicht gestanden, sondern alles geleugnet. Dies verstärkt das Bestehen einer Wiederholungsgefahr, was unter Abwägung der beiderseitigen Interessen das sofortige Beendigungsinteresse der Beklagten überwiegen lässt. Damit ist das Vertrauen der Beklagten in die Redlichkeit des Klägers und damit die für die Zusammenarbeit notwendige Vertrauensbasis unwiederbringlich zerstört.

Die anzustellende umfassende Interessenabwägung konnte deswegen nicht zu Gunsten des Klägers ausfallen. Die Interessen der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses überwiegen damit vorliegend in einer Gesamtschau die Interessen des Klägers an dessen Fortbestand.

3.

Die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Absatz 2 BGB hat die Beklagte eingehalten.

Nach § 626 Absatz 2 BGB kann die Kündigung nur innerhalb von 2 Wochen nach Kenntniserlangung der sie rechtfertigenden Gründe erfolgen. Diese Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen Kenntnis erlangt.

Zwischen dem Datum des 17.03.2017, an dem der Geschäftsführer M. die 10 Rollen Bitumenschweißbahnen entdeckte und dem Zugang der Kündigung am 20.03.2017 liegen nicht mehr als 2 Wochen.“

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich die Kammer voll inhaltlich an und stellt dies hiermit ausdrücklich gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest.

Folglich ist auch der geltend gemachte Zahlungsantrag unbegründet.

Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung des Restgehalts für die Monate März bis Juni 2017 gemäß § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag, §§ 293 ff. BGB. Denn Annahmeverzugslohn für die Zeit nach Ausspruch der außerordentlichen Kündigung kann der Kläger nicht verlangen. Ein Zahlungsanspruch aus Annahmeverzug gemäß § 611 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag und §§ 615, 293 ff. BGB setzt das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses für diesen Zeitraum voraus. Daran fehlt es vorliegend, weil das Arbeitsverhältnis mit Zugang der außerordentlichen Kündigung beendet worden ist.

Auch das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts. Denn es enthält keinerlei neue, nach Inhalt, Ort, beteiligten Personen substantiierte Tatsachenbehauptungen, die zu einem anderen Ergebnis führen könnten. Gleiches gilt für etwaige Rechtsbehauptungen. Es macht vielmehr lediglich – wenn auch aus der Sicht des Klägers heraus verständlich – deutlich, dass der Kläger mit der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung des tatsächlichen und rechtlichen Vorbringens der Parteien im erstinstanzlichen Rechtszug durch das Arbeitsgericht, der die Kammer vollinhaltlich folgt, nicht einverstanden ist. Soweit der Kläger eine unzutreffende Berücksichtigung der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast zwischen den Parteien beanstandet, ist darauf hinzuweisen, dass es vorliegend deshalb, weil ihm nicht gehörende Gegenstände in seinem Besitz befindlich aufgefunden wurden, Sache des Klägers ist, substantiiert sogenannte „Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe“ darzulegen; dies folgt auch aus dem Prinzip der Sachnähe, denn niemand außer dem Kläger kann nachvollziehbar darlegen, warum sich die der Beklagten gehörenden Gegenstände in seiner Garage befanden. Davon ist das Arbeitsgericht zutreffend ausgegangen. Soweit der Kläger vorgetragen hat, es sei ohne weiteres möglich, dass die Ladefläche des LKW in Relation zur Position des Klägers erhöht gestanden habe könne, ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass für die Kammer schon nicht nachvollziehbar ist, warum der Kläger, der die örtlichen Gegebenheiten aufgrund seiner persönlichen Anwesenheit kennt, derartiges lediglich für möglich hält, statt konkrete, nachvollziehbare Tatsachen vorzutragen. Soweit der Kläger beanstandet, der Zeuge A. könne bestätigen, dass er, der Kläger, selbst überrascht gewesen sei, als er die Bitumenbahnen unter dem Brennholz entdeckt habe, kann eine derartige Bekundung vorliegend ohne weiteres und insbesondere ohne dass sich an dem gefundenen Ergebnis des Arbeitsgerichts etwas ändert, als zutreffend unterstellt werden. Schon deshalb bedurfte es keiner Vernehmung des Zeugen. Denn dass der Kläger dem Zeugen gegenüber eine derartige Erklärung abgab, mag ohne weiteres der Fall gewesen sein; Anhaltspunkte dafür, dass der ansonsten unbeteiligte Zeuge die Möglichkeit gehabt hätte, zu erkennen, ob es sich bei einer derartigen Bekundung lediglich um ein vorgeschobenes Verhalten handelte, um ihn, den Zeugen, zu täuschen, oder aber, ob der Kläger tatsächlich selbst überrascht war, bestehen nicht. Auch die vom Arbeitsgericht aus dem Umstand, dass die Entfernung der Markierungen auf den Bitumenschweißbahnen für die Zueignungsabsicht des Klägers spricht, ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat insoweit zu Recht darauf hingewiesen, dass nicht ersichtlich ist, welche Veranlassung hätte bestanden haben können, diese Markierungen nicht erst unmittelbar vor der baulichen Verwendung der Bitumenschweißbahnen nebst der Verpackung zu entfernen. Aufschluss darüber ergibt das Vorbringen des wiederum sachnahen Klägers nicht. Auch kann zugunsten des Klägers ohne weiteres und insbesondere ohne weitere Beweisaufnahme unterstellt werden, dass er unter Mithilfe des Zeugen A. die Bitumenschweißbahnen nach außen gut sichtbar in die Garage gestellt hat. Denn, auch darauf hat die Beklagte zutreffend hingewiesen, ein Erkenntnisgehalt in dem vom Kläger in Anspruch genommenen Sinne kommt diesem Umstand ersichtlich nicht zu. Der Kläger konnte keinesfalls davon ausgehen, dass der Geschäftsführer der Beklagten an diesem Tag einen Blick in die Garage werfen würde. Auch einer Vernehmung der Zeugin B. A. bedurfte es nicht; insoweit gilt hinsichtlich der Situation des Auffindens und des Einräumens der Bitumenschweißbahnen das zuvor zu dem vom Kläger benannten Zeugen J. A. ausführte. Abgesehen davon hätte die rechtliche Erheblichkeit des tatsächlichen Vorbringens des Klägers insoweit zur Konsequenz, dass die Beklagte die Verpflichtung gehabt hätte, das substantiierte Entlastungsvorbringen des Klägers zu widerlegen, also insoweit unter Beweisantritt vorzubringen, dass das tatsächliche Vorbringen des Klägers nicht zutrifft. Dessen bedurfte es aus den im Einzelnen genannten Gründen vorliegend jedoch nicht. Davon ist das Arbeitsgericht zutreffend ausgegangen.

Nach alledem war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung.

 

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