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Fristlose Kündigung wegen Unterschlagung und falscher Verdächtigung

LAG Berlin-Brandenburg – Az.: 2 Sa 2233/15 – Urteil vom 15.04.2016

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 25.11.2015 – 54 Ca 1797/14 – wird auf ihre Kosten bei unverändertem Streitwert zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit zweier außerordentlicher und hilfsweise ausgesprochener ordentlicher Kündigungen, um Entgelt- und Zeugnisansprüche sowie um widerklagend geltend gemachte Schadensersatz-, Feststellungs- und Auskunftsansprüche.

Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Teilurteil vom 03.11.2015 über die Wirksamkeit der beiden Kündigungen entschieden und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung der Beklagten vom 29.01.2014 noch durch die Kündigung vom 04.04.2014 aufgelöst worden ist. Dies hat es im Wesentlichen damit begründet, dass die beiden Kündigungen unwirksam iSv. § 626 Abs. 1 bzw. Abs. 2 BGB als auch sozialwidrig iSv. § 1 Abs. 2 KSchG seien. Hinsichtlich der ersten Kündigung vom 29.01.2014 sei für den Tatvorwurf Unterschlagung von Schrott bereits die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten worden, da die Beklagte nach eigenem Bekunden bereits im Januar 2013 Kenntnis von den Schrottverkäufen des Klägers gehabt habe. Die Beklagte habe dem Kläger ab Januar 2013 unstreitig sogar durch Bereitstellung von Personalressourcen in Person der Zeugin M. und durch Bereitstellung von Unterlagen in Form von Lohn- und Arbeitszetteln Unterstützung zuteilwerden lassen, um im Einzelnen festzustellen, welche Arbeitnehmer in welchem Umfang sogenannte Schrottgelder erhalten hätten und entsprechende Quittungen der Arbeitnehmer vorzubereiten. Mit Kenntnis und Wollen der Beklagten sei ihre Mitarbeiterin Frau M. insofern aktiv tätig geworden und habe entsprechende Unterstützungsarbeiten geleistet, indem sie die erforderlichen Unterlagen für den Kläger herausgesucht und ihm zur Verfügung gestellt habe und zumindest ein Teil der Quittungen für den Erhalt der Schrottgelder auch vorbereitet hätte. Die Beklagte habe auch zugestanden, dass der Komplementär an der Einholung von Unterschriften unter diesen Quittungen teilweise aktiv mitgewirkt habe.

Die Beklagte hätte im 1. Quartal 2013 nicht nur Kenntnis von den Schrottverkäufen gehabt, sondern sei aufgrund der von Frau M. teilweise vorbereiteten Quittungen und teilweise selbst eingeholten Quittungen auch in der Lage gewesen, sich Kenntnis über den Umfang der Schrottverkäufe zu verschaffen. Nach der überzeugenden und glaubwürdigen Zeugenaussage der Frau M. habe der Kläger ihr vorbereitete Listen vorgelegt, aus welchen sich der Umfang der für den Einzelmitarbeiter bezogenen Schrottgelder ergeben hätte. Dass der Umfang sich dabei mindestens im fünf- bis sechsstelligen Bereich bewegen würde, könne bereits allein aus den unstreitig von Frau M. vorbereiteten Quittungen für den Zeugen B. ersehen werden. Alleine für diesen Zeugen beliefen sich die zwei ausgestellten Quittungen nur für die Jahre 2007 und 2008 über 2.160,00 € bzw. 3.720,00 €. Berücksichtige man, dass Frau M. nach eigener Erinnerung aber 10 – 15 solcher Quittungen erstellt habe, bewege man sich bereits in einem Bereich von fast 50.000,00 €.

Zudem habe die Beklagte mit Schriftsatz vom 10.07.2014 unstreitig gestellt, dass der Kläger sie Anfang 2013 über das Ende des Jahres 2012 gegen ihn eingeleitete Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung im Umfang von 120.000,00 € unterrichtet hätte. In diesem Zusammenhang hätte er auch informiert, dass er Schrott der Beklagten verkauft und den Erlös mit den Mitarbeitern der Beklagten geteilt habe. Auch daraus hätte die Beklagte die Dimension erkennen müssen, denn um in diesem Umfang Steuern zu hinterziehen, müsse noch mindestens das Doppelte an Schrottwert verkauft worden seien.

Die Beklagte habe indes die auf diese Schrottverkäufe gestützte Kündigung erst mehr als ein Jahr später am 29.01.2014 ausgesprochen und damit die gesetzliche Zweiwochenfrist um ein Vielfaches überschritten. Sie habe damit zugleich deutlich gemacht, dass sie die Weiterbeschäftigung des Klägers trotz der zu diesem Zeitpunkt bekannten Tatsachen ohne weiteres für zumutbar gehalten hat und darüber hinaus den Kläger – auch in Kenntnis seines nach ihrer Ansicht rechtswidrigen Tuns – weiter beschäftigt habe, ohne auch nur eine Abmahnung, geschweige denn eine Kündigung in Erwägung zu ziehen. Sie habe den Kläger in Kenntnis des aus der Sicht der Beklagten strafbaren Verhaltens des Klägers sogar bei der nachträglichen Aufbereitung seines rechtswidrigen Verhaltens unterstützt und damit deutlich gemacht, dass das Vertrauen in die Arbeit und das Verhalten des Klägers jedenfalls durch die nach eigener Behauptung der Beklagten ungenehmigten Schrottverkäufe durch den Kläger offenbar keineswegs nachhaltig gestört gewesen sei.

Der weitere Vorwurf der falschen Verdächtigung des Komplementärs der Beklagten durch den Kläger sei ebenfalls nicht geeignet, die außerordentliche Kündigung des Klägers zu begründen. Insoweit fehle es an einem Kündigungsgrund. Anlass für den Ausspruch der außerordentlichen Kündigung vom 29.01.2014 sei nicht der Umstand, dass die Beklagte von den Schrottverkäufen und deren Umfang durch den Kläger Kenntnis erlangt hätte, sondern offenbar der Umstand der Einsichtnahme in die Ermittlungsakten des gegen den Komplementär gerichteten Steuerstrafverfahrens am 23.01.2014, aus denen sich u. a. ergebe, dass der Kläger im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung zur Rechtfertigung seines Verhaltens u. a. auch Aussagen in Bezug auf den Komplementär der Beklagten tätigte, die auch diesen belasteten. Damit sei der Straftatbestand der falschen Verdächtigung nach § 164 StGB aber nicht gegeben. Weder der objektive noch der subjektive Tatbestand des § 164 StGB lägen vor. Denn nach ganz überwiegendem Verständnis sei Verdächtigen das Hervorrufen, Umlenken oder Verstärken eines Verdachts. Die Tathandlung könne jedenfalls durch das Behaupten von Tatsachen verwirklicht werden, die geeignet seien, den Verdächtigten einem behördlichen Verfahren auszusetzen. Aus der einfach gesetzlichen Gewährleistung des Schweigerechts des Angeklagten in § 136 Abs. 1 S. 2 StPO als Ausprägung der Selbstbelastungsfreiheit lasse sich zwar keine Wahrheitspflicht aber auch kein Recht zur Lüge ableiten.

Zwar sei die Aussage des Klägers im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung geeignet, den Komplementär der Beklagten einem behördlichen Verfahren auszusetzen. Ein solches werde gegen diesen auch tatsächlich durchgeführt. Ob die Aussage des Klägers das Verfahren tatsächlich ausgelöst hätte, lasse sich mangels Akteneinsicht und mangels diesbezüglicher Mitwirkung der Beklagten durch das Gericht jedoch nicht feststellen. Dies könne jedoch auch dahinstehen, denn nach übereinstimmender Auffassung des Gerichts sei nicht von einer falschen Verdächtigung des Komplementärs durch den Kläger auszugehen. Die durch Vernehmung der sieben Zeugen durchgeführte Beweisaufnahme vom 27.10.2014 habe zur Überzeugung der gesamten Kammer das Ergebnis erbracht, dass die Kenntnis und Duldung der Schrottverkäufe durch den Komplementär auch nach Versenden der Unterlassungsaufforderung an die Mitarbeiter tatsächlich gegeben sei.

Die Kündigung vom 29.01.2015 sei auch als ordentliche Kündigung sozial nicht gerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG, denn ein zur Kündigung berechtigender Grund habe zum Kündigungszeitpunkt nicht bzw. nicht mehr vorgelegen.

Fristlose Kündigung wegen Unterschlagung und falscher Verdächtigung
(Symbolfoto: Robert Kneschke/Shutterstock.com)

In Bezug auf den Vorwurf des unerlaubten Schrottverkaufs läge zum Kündigungszeitpunkt kein neuer Sachverhalt vor, der einen Kündigungsgrund darstellen könnte. Der Beklagten seien die Schrottverkäufe seit Januar 2013 bekannt gewesen. Ihr sei seither auch bekannt gewesen, dass die Schrottverkäufe fortgesetzt wurden, nachdem die Beklagte ihren Mitarbeitern durch das Schreiben vom 01.07.2012 die Erklärung abverlangt hatte, „den Schrott, der nicht in den Baumischcontainer entsorgt wird, unserem Unternehmen zur Verfügung“ zu stellen. Abgesehen von der bemerkenswerten Formulierung, in der es jedenfalls vermieden werde, ein klares und ausdrückliches Verbot von Schrottverkäufen auszusprechen, sei es so, dass nach Januar 2013 jedenfalls für eine gewisse Zeit mit Wissen und Duldung der Beklagten weiterhin Schrott durch den Kläger verkauft worden sei, die Erlöse von diesem aber – ebenfalls mit Wissen des Komplementärs – einbehalten worden seien. Es sei auch angesichts des gegen den Kläger bereits eingeleiteten Ermittlungsverfahrens ohne weiteres plausibel und glaubwürdig, dass sich der Kläger in der Folgezeit des Jahres 2013, jedenfalls ab Juli/August 2013 nicht mehr an Schrottverkäufen beteiligt hätte. Die Beklagte hätte auch keine konkreten Tatsachen und Umstände vorgetragen, geschweige denn unter Beweis gestellt, aus denen sich etwas Gegenteiliges ergeben hätte. Selbst die gehörten Zeugen hätten teilweise bestätigt, dass der Kläger in der Folgezeit sich nicht mehr an Schrottverkäufen beteiligt hätte. Zum Zeitpunkt der Kündigung hätten also keine neuen Tatsachen vorgelegen, die Gründe einer Kündigung wegen der Schrottverkäufe hätten rechtfertigen können. Die Beklagte habe die Kündigung vielmehr auf einen Sachverhalt gestützt, der ihr zu dieser Zeit etwa ein Jahr bekannt gewesen sei und aufgrund dessen sie auf arbeitsrechtliche Maßnahmen gänzlich verzichtet habe. Sie hätte nicht einmal eine Abmahnung ausgesprochen, sondern den Kläger noch nachträglich bei dem Versuch unterstützt, den durch das Steuerstrafverfahren zu erwartenden Schaden für sich persönlich zu minimieren. Dabei sei zugleich bemerkenswert, dass die Beklagte in diesem Zusammenhang auch zur Kenntnis genommen habe, dass eine Vielzahl weiterer Mitarbeiter an den Schrottverkäufen und -erlösen beteiligt gewesen sei, ohne auch diesen gegenüber arbeitsrechtliche Maßnahmen, wenigstens in Form von Abmahnungen, zu ergreifen.

Schließlich sei auch die außerordentliche Kündigung und hilfsweise ordentliche Kündigung vom 04.04.2014 unwirksam bzw. sozialwidrig. Die Beklagte stütze die Kündigung auf drei Verdachtsmomente. Bei den Kündigungen handele es sich um sog. Verdachtskündigungen. Eine Verdachtskündigung sei auch als ordentliche Kündigung sozial nur gerechtfertigt, wenn Tatsachen vorlägen, die zugleich auch eine außerordentliche, fristlose Kündigung gerechtfertigt hätten.

Nach ständiger Rechtsprechung der Arbeitsgerichte könne nicht nur eine erwiesene Vertragsverletzung, sondern auch schon der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren oder sonstigen Verfehlung einen wichtigen Grund zur außerordentlichen oder ordentlichen Kündigung gegenüber einem verdächtigen Arbeitnehmer darstellen. Eine Verdachtskündigung liege vor, wenn und soweit der Arbeitgeber eine Kündigung damit begründe, dass gerade der Verdacht eines strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört habe. Der Verdacht der strafbaren Handlung stelle gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar, der in dem Tatvorwurf nicht enthalten sei. Bei der Tatkündigung sei für den Kündigungsentschluss maßgebend, dass der Arbeitnehmer nach der Überzeugung des Arbeitgebers die strafbare Handlung bzw. Pflichtverletzung tatsächlich begangen habe und dem Arbeitgeber aus diesem Grund die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar sei. § 626 Abs. 1 BGB lasse eine Verdachtskündigung dann zu, wenn starke Verdachtsmomente auf objektiven Tatsachen gründeten, wenn die Verdachtsmomente geeignet seien, dass für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören und wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben habe. Der Verdacht müsse auf konkrete – vom Kündigenden darzulegende und ggf. zu beweisende – Tatsachen gestützt sein. Der Verdacht müsse ferner dringend sein. Es müsse eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutreffe. Die Umstände, die ihn begründeten, dürften nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, dass eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöge. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichten dementsprechend zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus. Lege man diese Anforderungen der Prüfung der Kündigung der Beklagten vom 04.04.2014 zugrunde, werde sie diesen nicht im Ansatz gerecht.

Wegen der weiteren konkreten Begründung des Arbeitsgerichts und des Vortrags der Parteien erster Instanz sowie insbesondere der Beweisaufnahme durch das Arbeitsgericht wird auf das am 25.11.2015 verkündete Urteil vom 03.11.2015 sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.10.2014 (Bl. 220 – 236 d. A.) und 14.10.2015 (Bl. 413 – 417 d. A.) verwiesen.

Gegen dieses ihr am 26.11.2015 zugestellte Teilurteil richtet sich die am 18.12.2015 im Original eingegangene und am 26.02.2016 nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 26.02.2016 per Fax begründete Berufung der Beklagten. Sie greift das Urteil konkret wegen Rechtsverletzung und falscher Beweiswürdigungen an und meint, dass schon kein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers für die Kündigungsschutzklagen bestehe, da er zum einen vorgetragen habe, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für ihn nach derart massiven wahrheitswidrigen Aussagen durch die Beklagte kaum vorstellbar sei und er sich seit dem 01.01.2015 in einem neuen Arbeitsverhältnis befinde.

Die Kündigung vom 29.01.2014 sei sowohl wegen Unterschlagung von Schrott als auch wegen falscher Verdächtigung wirksam. Die wahren Ausmaße der Schrottverkäufe hätten sich erst ab dem 24.04.2014 gezeigt, als der Komplementär der Beklagten nach der Hausdurchsuchung seiner Privat- und Firmenräume durch seinen Strafverteidiger nach dessen Akteneinsicht informiert worden sei. Auch die falsche Verdächtigung durch den Kläger liege vor. Die Beweiswürdigung durch das Arbeitsgericht sei falsch, die Aussagen der Zeugen, auf die sich das Arbeitsgericht gestützt habe, teilweise unwahr, die Zeugen unglaubwürdig.

Schließlich sei auch die Verdachtskündigung vom 04.04.2014 wegen des Verdachts der Unterschlagung von ausgebauten Gasherden, des Arbeitszeitbetrugs und der Unterschlagung weiteren Schrotts gerechtfertigt.

Die Beklagte beantragt, das Teilurteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 25.11.2015 – 54 Ca 1797/14 – abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit ihr mit dem angegriffenen Teilurteil stattgegeben wurde.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und insbesondere die durch das Arbeitsgericht vorgenommene Beweiswürdigung.

Wegen des konkreten Vortrags der Parteien in der zweiten Instanz wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 26.02.2016 (Bl. 498 ff d. A.) und des Klägers vom 04.04.2016 (Bl. 540 ff. d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die gemäß §§ 8 Abs. 2; 64 Abs. 1, Abs. 2 c, Abs. 6; 66 Abs. 1 S. 1 und S. 5 ArbGG; §§ 519, 520 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO zulässige Berufung ist insbesondere formgerecht und fristgemäß eingelegt und begründet worden.

II.

In der Sache ist die Berufung der Beklagten jedoch nicht begründet. Sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zu Recht hat das Arbeitsgericht Berlin den beiden Kündigungsschutzklagen stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg folgt dem Arbeitsgericht Berlin, sieht von einer nur wiederholenden Begründung gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG ab und weist im Hinblick auf den Vortrag in der Berufungsinstanz nur auf Folgendes hin:

1. Das Arbeitsgericht durfte insbesondere im Hinblick auf den Beschleunigungsgrundsatz der §§ 9 Abs. 1; 61 a KSchG, die Teilbarkeit der Streitgegenstände und des noch nicht vollständig aufgeklärten Sachverhalts zu den übrigen Streitgegenständen über die Wirksamkeit der beiden Kündigungen vom 29.01.2014 und 04.04.2014 durch Teilurteil gemäß § 301 ZPO entscheiden.

2. Den Kündigungsschutzklagen fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis.

a. Mit der von der Beklagten zitierten Bemerkung des Klägers zur nicht mehr vorhandenen vertrauensvollen Zusammenarbeit im Hinblick auf die Vorwürfe gegen ihn hat der Kläger allenfalls auf einen Auflösungsgrund nach § 9 Abs. 1 KSchG hingewiesen, ohne allerdings einen entsprechenden Antrag zu stellen. Selbst in einem solchen Fall und selbst bei einem Weiterbeschäftigungsantrag entfällt aber nicht das Rechtsschutzbedürfnis für den Kündigungsschutzantrag (vgl. nur KR-Spilger, 10. Aufl., § 9 KSchG Rz 46 a).

b. Auch das Begründen eines neuen Arbeitsverhältnisses ab 01.01.2015 mit einem anderen Arbeitgeber lässt nicht das Rechtsschutzbedürfnis für die Kündigungsschutzklagen entfallen. Der Kläger ist gemäß §§ 615 S. 2 BGB; 11 S. 1 Ziff. 2 KSchG gehalten, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen; er kann sich gemäß § 12 KSchG für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem alten oder dem neuen Arbeitgeber entscheiden.

3. Materiell folgt das Landesarbeitsgericht der Begründung des Arbeitsgerichts. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die beiden Kündigungen vom 29.01.2014 und 04.04.2014 nicht aufgelöst worden. Beide Kündigungen sind unwirksam bzw. sozial nicht gerechtfertigt iSv. §§ 626 Abs. 1 und Abs. 2 BGB und § 1 Abs. 2 KSchG.

a. Die Beklagte hat die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB im Hinblick auf die Behauptung der Schrottunterschlagung bereits nicht eingehalten. Wie das Arbeitsgericht Berlin zutreffend ausführt, hatte der Komplementär der Beklagten bereits im Januar 2013 Kenntnis von den streitgegenständlichen Schrottverkäufen sowie der sich daraus ergebenden steuerlichen Konsequenzen. Für die Beklagte sei deshalb der später in der Kündigung vorgebrachte Umstand des Schrottverkaufs und der erforderlichen Nachversteuerung bereits vollständig erkennbar gewesen. Wie das Arbeitsgericht auch zutreffend ausführt, konnte die Beklagte aufgrund der ihr vorliegenden Unterlagen Informationen auch auf den Wert der Verkäufe und die sich daraus ergebenden Steuerzahlungen schlussfolgern. Dazu kommt, dass auch mit dem Vortrag der Beklagten auch in der Berufungsbegründung unstreitig ist, dass dem Kläger auch alle erforderlichen Informationen für die Berechnung der Steuern durch die Zeugin M. zur Verfügung gestellt worden sind. Da nur der Kläger diese Informationen brauchte, um sie für sich selbst und gegenüber dem Finanzamt überhaupt zu verarbeiten, kann daraus gefolgert werden, dass die Beklagte sogar partiell vor dem Kläger über die Information verfügte, die später als angeblich unbekannt im Rahmen der Kündigung vom 29.01.2014 gegen den Kläger vorgebracht worden sind, wie der Kläger in der Berufungserwiderung zutreffend erwähnt.

b. Das Arbeitsgericht hat auch widerspruchsfrei festgestellt, dass der Vorwurf der falschen Verdächtigung der Beklagten durch den Kläger weder objektiv noch subjektiv vorlag. Insbesondere hat das Arbeitsgericht die umfangreiche Beweisaufnahme zutreffend gewürdigt und bei der Urteilsbegründung beachtet. Das Landesarbeitsgericht geht bei der Bewertung der Zeugenaussagen erster Instanz vom selben objektiven Erklärungswert aus wie die erste Instanz, eine Wiederholung der Zeugenvernehmung war daher nicht nötig (vgl. nur Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 529 Rz. 8; OLG Düsseldorf 01.10.2004 – 22 U 37/04 – MDR 2005, 532 f.). Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass die Beklagte von den Schrottverkäufen Kenntnis hatte und diese auch duldete. Das Landesarbeitsgericht folgt der sich aus den Protokollen der beiden mündlichen Verhandlungen vom 27.10.2014 und 14.10.2015 ergebenden Aussagen sowie der Beweiswürdigung durch das Arbeitsgericht auf den Seite 14 – 16 des Urteils (Bl. 441 – 443 d. A.).

c. Gleiches gilt für die Ausführung des Arbeitsgerichts zur hilfsweise ausgesprochenen fristgemäßen Kündigung auf den Seiten 17 – 19 des Urteils (Bl. 444 – 446 d. A.).

d. Schließlich ist auch die Verdachtskündigung der Beklagten vom 04.04.2014 weder wirksam iSv. § 626 Abs. 1 BGB noch sozial gerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG. Auch insofern zutreffend hat das Arbeitsgericht Berlin ausgeführt, dass die nach der zutreffend zitierten Rechtsprechung des BAG nötigen starken Verdachtsmomente für eine strafbare Handlung bzw. Pflichtverletzung nicht vorhanden sind, die Verdachtsmomente nicht geeignet sind, dass für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nötige Vertrauen zu zerstören und die Beklagte auch nicht alle Anstrengungen unternommen hat, den Sachverhalt aufzuklären. Vielmehr stellt sich auch für die erkennende Kammer des Landesarbeitsgerichts der Vortrag der Beklagten hinsichtlich der komplexen Gasherde, Arbeitszeitbetrug und Unterschlagung weiteren Schrotts als eine Verdächtigung dar, die auf unkonkrete Vermutungen gestützt wird. Diese reichen nach ständiger Rechtsprechung für die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung nicht aus (vgl. zusätzlich zu der vom Arbeitsgericht zitierten Rechtsprechung nur BAG 18.06.2015 – 2 AZR 256/14 – Rz. 21 f. zitiert nach juris). Vielmehr muss für beide Kündigungsarten, die ordentliche wie die außerordentliche, „der Verdacht gleichermaßen erdrückend sein“ (BAG, aaO., Rz. 22). Davon ist der Vortrag der Beklagten auch in der Berufungsinstanz weit entfernt.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

IV.

Für eine Zulassung der Revision bestand kein Anlass.

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