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Fristlose personenbedingte Kündigung mit sozialer Auslauffrist

Landesarbeitsgericht Bremen – Az.: 2 Sa 9/12 – Urteil vom 14.11.2012

Auf die Berufung des Klägers hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 22.11.2011 teilweise abgeändert:

I.

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 10.02.2010, zugegangen am 12.02.2010, nicht zum 30.09.2010 aufgelöst wurde.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 2.132,34 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2010 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 2.644,10 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2010 zu zahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 2.644,10 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2010 zu zahlen.

5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 2.644,10 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2010 zu zahlen.

6. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 2.644,10 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2010 zu zahlen.

7. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 2.644,10 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2010 zu zahlen.

8. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 2.644,10 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2010 zu zahlen.

9. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 2.644,10 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2010 zu zahlen.

II.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III.

Die Beklagte trägt 11/12 der Kosten des Rechtsstreits, der Kläger 1/12.

Die Revision wird für die Beklagte in Bezug auf I. 1. des Urteilstenors zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, personenbedingten Kündigung mit sozialer Auslauffrist sowie den Anspruch auf Annahmeverzugslohn für die Zeit zwischen Ausspruch der Kündigung und des durch die Kündigung beabsichtigten Endes des Arbeitsverhältnisses.

Der am 20.06.1959 geborene Kläger ist seit dem 27.06.1989 bei der Beklagten, zuletzt als Reinigungskraft, mit einem Bruttomonatsgehalt von EUR 2.644,10 beschäftigt. Der Arbeitsvertrag mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 27.06.1989 sieht unter Ziffer 1 „Tätigkeit und Aufgabenbereich“ vor, dass der Kläger in der Abteilung 92/Kaltwalzwerk-Adjustage als Packer, gegebenenfalls auch in anderen Betrieben/Abteilungen mit anderen zumutbaren Arbeiten, die seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechen, beschäftigt wird.

Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als 10 vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden.

Der Kläger ist seit dem 14.07.2008 als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 50 % anerkannt.

Folgende krankheitsbedingte Fehlzeiten (Arbeitstage) sind für den Kläger erfasst:

2004: 68 Tage

2005: 82 Tage

2006: 62 Tage

2007: 48 Tage

2008: 105 Tage

2009: 261 Tage

Den krankheitsbedingten Fehlzeiten lagen verschiedene Krankheiten physischer und psychischer Natur sowie ambulante und stationäre Rehamaßnahmen zugrunde. Der Kläger litt u.a. unter Depressionen, Panikstörungen, posttraumatischen Störungen, einem Bandscheibenvorfall, Hodenschmerzen, Bluthochdruck, Asthma sowie Gelenkbeschwerden der Finger.

Bis zum 31.10.1993 arbeitete der Kläger als Packer und Vorbereiter bei der Verpackung von Feinblech als Coils. Diese Tätigkeit durfte er aufgrund eines von ihm im Jahr 1993 beigebrachten ärztlichen Attestes nicht mehr ausüben. Der Kläger war anschließend bis 2003 als Haspelgrubenmann tätig. Hierbei kam es aufgrund gesundheitlicher Beschwerden zu erhöhten Fehlzeiten. Ab 2003 stellten werksärztliche Arbeitsfähigkeitsüberprüfungen eine stetige Verschlechterung des Gesundheitszustandes fest. Der Kläger sollte keine schweren Teile über 10 Kilo heben und keine Hitzearbeit leisten.

Eine Einarbeitung zum Flämmereimann wurde am 31.05.2004 auf Wunsch des Klägers abgebrochen. Ab 01.06.2004 wurde der Kläger in den Dienstleistungsbereich VDD1, Industrieservice versetzt. Diesem Bereich ist der Kläger bis heute zugeordnet. Die Mitarbeiter dieses Bereichs rotieren in den jeweils leicht erlernbaren Aufgabenstellungen

– Baustelleneinrichtung

– Transporte/Umräumarbeiten/Fahrdienst

– Gebäudereinigung/-renovierung

– Sicherheitspersonal

– Helfer

– Kran,- Tankreinigung

– Bodenversiegelung/-reinigung

– Maurerarbeiten (leichte)/Stemmarbeiten

– industrielle Reinigung

Die Beklagte unternahm mehrfache Versuche, den Kläger stufenweise wieder in den Betrieb einzugliedern. Die Beklagte beabsichtigte den Kläger in einer zweitägigen Grundausbildung zum Flurförderfahrzeugfahrer zu qualifizieren. Der Kläger bestand jedoch die Prüfung am 27.08.2004 nicht. Anfang 2006 wurde der Versuch unternommen, den Kläger nach einer längeren Krankheitsphase und entsprechenden Einsatzfähigkeitsuntersuchungen trotz diverser gesundheitlicher Einschränkungen als Gebäudereiniger einzusetzen. Die betriebsärztliche Einsatzfähigkeitsuntersuchung am 18.04.2006 ergab erhebliche Einschränkungen der Einsatzmöglichkeiten des Klägers:

Keine Nachtschicht

Wenig Arbeiten gebückt/vornüber gebeugt

Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen

Keine Nässe und Zugluft

Keine Hitzearbeiten

Keine Staubluftbelastung

Keine inhalative Lösungsmittelbelastung

Keine Tätigkeiten, die ausgeführt werden müssen mit Atemschutzgeräten.

Keine Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten

Keine Arbeiten mit Absturzgefahr

Keinen Einzelarbeitsplatz

Leichte-mittelschwere körperliche Tätigkeiten

Keine Tätigkeiten, die eine dauerhaft hohe Aufmerksamkeit erfordern

Keine Gase, Rauche, Dämpfe

Hinzu kam fehlende Höhentauglichkeit bei einer weiteren Einsatzfähigkeitsuntersuchung im September 2006. Nach einer erneuten Rehamaßnahme in der Zeit vom 18.12.2007-29.01.2008 folgte eine erneute Wiedereingliederung auf Grundlage betriebsärztlicher Einsatzfähigkeitsuntersuchungen. Der zwischenzeitliche Versuch, den Kläger erneut in der Coilverpackung einzusetzen, scheiterte. Nach einer weiteren teilstationären Therapie begann am 20.04.2009 ein erneuter Versuch der stufenweisen Wiedereingliederung des Klägers. Auch dieser Versuch scheiterte, der Kläger war erneut arbeitsunfähig krank und absolvierte eine weitere stationäre Rehamaßnahme in der Zeit vom 25.08.-06.10.2009.

Im Entlassungsbericht vom 14.10.2009 heißt es unter Ziff. 10 „sozialmedizinische Epikkrise“:

„…“ Herr W. Hat zuletzt als Industriereiniger gearbeitet. Diese Tätigkeit war mit einem Zeit- und Leistungsdruck verbunden. Außerdem erlebte sich der Patient an der letzten Arbeitsstelle durch den Disponenten unfair behandelt. Entsprechend hoch sind die Versagensängste. Diese Tätigkeit kann der Patient allein schon wegen des Leistungsdrucks nicht mehr ausüben, da ansonsten mit einer erneuten psychischen Dekompensation zu rechnen ist. Eine innerbetriebliche Umsetzung erscheint hier empfehlenswert. Die Entlassung erfolgt als a.u..

Wir haben zunächst angedacht, den Patienten bis zur Klärung der Umsetzungsmöglichkeiten als arbeitsunfähig zu entlassen. Er selbst befürchtete allerdings eine Verschlechterung des psychischen Zustandes aufgrund einer fehlenden zeitlichen Struktur zuhause und bat uns um eine schnelle Einleitung der stufenweisen Wiedereingliederung. Da diese in der Eingliederungswerkstatt und nicht im letzten Arbeitsplatz durchgeführt wird, haben wir diesem Wunsch zugestimmt und haben die Wiedereingliederung beim Arbeitgeber beantragt.

… Auf dem allgemeinen Arbeitsplatz sind mittelschwere bis teilweise leichte schwere Arbeiten vollschichtig möglich. Dabei gelten Einschränkungen vor allem wegen der psychischen Beeinträchtigung des Patienten. Keine Tätigkeit mit besonderen Anforderungen an Konzentration- und Reaktionsvermögen, vor allem keine Personenbeförderung, keine Tätigkeit mit erhöhter psychischer und Stressbelastung. Keine Nachtschichten. Keine Arbeiten mit besonderen Zeit- und Leistungsdruck (Akkord oder Fließband) keine häufigen wechselnden Arbeitszeiten. ….“

Eine erneute betriebsärztliche Einsatzfähigkeitsuntersuchung am 13.10.2009 führte zu keinen neuen Erkenntnissen. Am 14.10.2009 begann eine erneute stufenweise Wiedereingliederung des Klägers mit zunächst 4 Stunden täglicher Arbeitszeit. Er wurde ab 16.10.2009 mit Reinigungsarbeiten betraut. Am 19.10.2009 erklärte der Kläger, die Reinigungstätigkeit würde ihm gesundheitlich nicht gut tun. Er fragte, ob er nicht andere Arbeiten ausführen könnte. Ihm wurde erklärt, dass eine Beurteilung vom Werksarzt diese Tätigkeit zulasse und nunmehr getestet werde, ob er diese Arbeit verrichten könne, da sein Zielarbeitsplatz Reinigungsarbeiten beinhalte. Der Wunsch des Klägers wurde durch die Beklagte noch einmal überprüft. Aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen wurde ihm jedoch kein anderer Arbeitsplatz zugewiesen. Am 13.11.2009 wurde der Kläger in der Personalabteilung vorstellig. Er beabsichtigte erneut eine stufenweise Wiedereingliederung als Reiniger ab dem 17.11.2009. Die Beklagte hat dies, nachdem ihr der Abschlussbericht aus der Reha-Klinik vorlag, abgelehnt. Am 28.12.2009 stellte sich der Kläger erneut beim werksärztlichen Dienst der Beklagten vor, um seine Einsatzfähigkeit für eine Arbeitsaufnahme prüfen zu lassen. Der Werksarzt kam wiederum zu keinem anderen Ergebnis als zuvor.

Die Beklagte setzte den Kläger im Anschluss an dessen bis zum 06.01.2010 andauernde Zeit der Arbeitsunfähigkeit nicht wieder bei sich ein und zahlte entsprechend auch keinen Lohn.

Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 10.02.2010, dem Kläger am 12.02.2010 zugegangen, „das Arbeitsverhältnis aus personenbedingten Gründen außerordentlich unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist zum 30.09.2010“.

Der bei der Beklagten gebildete Betriebsrat wurde am 26.01.2010 ebenso wie die Schwerbehindertenvertretung angehört.

Mit Bescheid vom 10.02.2010 stimmte das Integrationsamt dem Antrag der Beklagten vom 26.01.2010 auf Zustimmung zur Kündigung zu. Der hiergegen eingereichte Widerspruch des Klägers vom 09.03.2010 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 21.09.2010 als unbegründet zurückgewiesen (insofern wird auf Bl. 276-279 der Akte verwiesen). Hiergegen hat der Kläger Klage vor dem Verwaltungsgericht Bremen erhoben.

Der Kläger absolvierte zuletzt in der Zeit vom 22.09.2011 bis 27.10.2011 in der M. klinik eine stationäre Rehamaßnahme. Der ärztliche Entlassungsbericht vom 10.11.2011 lautet auszugsweise wie folgt:

„Beschreibung des Leistungsvermögens: Keine Tätigkeit mit besonderen Anforderungen an das Konzentrations- und Reaktionsvermögen, vor allem keine Personenbeförderung, keine Tätigkeit mit erhöhter psychischer und Stressbelastung. Keine Nachtschichten, keine Arbeiten mit besonderem Zeit- und Leistungsdruck, keine häufig wechselnden Arbeitszeiten.

[…]

10. Sozialmedizinische Epikrise: […] Wir entließen Herrn W.      als arbeitsfähig, da er zuletzt relativ geordnet wirkte und andererseits unbedingt sich arbeitsfähig am Gerichtstermin am 22.11.2011 vorstellen möchte.“

Der Manteltarifvertrag für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen- und Stahlindustrie von der Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Bremen, Dillenburg, Niederschelden und Wissen (MTV Stahl) vom 15.03.1989 enthält in § 17 Ziff. 6.2 ff. Regelung:

„Einem Arbeitnehmer, der das 50. Lebensjahr vollendet hat und dem Betrieb oder Unternehmen mindestens 15 Jahre angehört, kann nur noch aus in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers liegendem wichtigen Grund oder bei Vorliegen eines Sozialplanes oder bei Zustimmung der Tarifvertragsparteien gekündigt werden.“

Der Kläger hat vorgetragen, zum Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung habe keine negative Gesundheitsprognose vorgelegen. Er sei aktuell ebenso wie zum Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung arbeitsfähig. Dies ergebe sich jedenfalls aus dem ärztlichen Entlassungsbericht nach seiner jüngsten Rehamaßnahme in der Marbachtalklinik vom 10.11.2011.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 10.02.2010, zugegangen am 12.02.2010, nicht zum 30.09.2010 aufgelöst wurde.

2. Sollte die Beklagte im Gütetermin nicht zu Protokoll des Gerichts erklären, dass sie die klägerische Partei weiterbeschäftigt wird, sofern ein der Klage stattgebendes Urteil ergeht, wird beantragt, die Beklagte zu verurteilen, den Kläger für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu Ziffer 1.) zu den im Arbeitsvertrag geregelten Arbeitsbedingungen als Packer oder Gebäudereiniger in Bremen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiterzubeschäftigen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 2.132,34 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2010 zu zahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 2.644,10 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2010 zu zahlen.

5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 2.644,10 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2010 zu zahlen.

6. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 2.644,10 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2010 zu zahlen.

7. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 2.644,10 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2010 zu zahlen.

8. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 2.644,10 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2010 zu zahlen.

9. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 2.644,10 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2010 zu zahlen.

10. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 2.644,10 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2010 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die ausgesprochene personenbedingte Kündigung sei sozial gerechtfertigt, da jedenfalls im Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung von einer negativen Gesundheitsprognose auszugehen gewesen sei. Die Beklagte habe allein an Entgeltfortzahlungskosten für die Zeit 2004-2009 eine wirtschaftliche Belastung in Höhe von 26.843,20 EUR zuzüglich Sozialversicherungskosten gehabt, ohne eine Gegenleistung des Klägers zu erhalten. Bedingt durch seine gesundheitlichen Einschränkungen sei der Kläger auch nicht in der Lage, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.

Die Kündigung habe nicht durch eine Weiterbeschäftigung des Klägers im Betrieb auf einem leidensgerechten Arbeitsplatz vermieden werden können. Die Arbeitsversuche hinsichtlich eines leidensgerechten Zielarbeitsplatzes im Bereich Gebäudereinigung seien vom Kläger vor Beendigung abgebrochen worden. Ein weiterer gleichwertiger oder zumutbarer Arbeitsplatz mit einer Arbeit, für die der Kläger geeignet ist, sei weder frei noch könne er frei gemacht werden. Die Beklagte habe in erheblichen Umfang Personal abgebaut. Im Zuge dieses Abbaus sein Leichtarbeitsplätze, auf denen Mitarbeiter in niedrigen Entgeltgruppen beschäftigt werden könnten, weggefallen.

Der Kläger bestreitet die Richtigkeit der Feststellungen des werksärztlichen Dienstes. So fahre der Kläger seit mehr als 30 Jahren unfallfrei und habe einen Führerschein. Der Kläger leide lediglich unter Asthma bronchiale.  Er sei lediglich bei Gasen, Rauchen, Dämpfen beeinträchtigt. Dem Kläger sei es egal, ob er als Industriereiniger oder als Gebäudereiniger tätig sei. Entscheidend sei, dass er im Betrieb der Beklagten vorhandene Reinigungstätigkeiten ausüben könne. Der Kläger könne auch im Bereich Coil-Verpackung eingesetzt werden. Er sei bereit, die nach Ansicht der Beklagten erforderlichen zusätzlichen Qualifikationen zu erwerben. Er sei auch psychisch und physisch in der Lage, dies zu tun. Er könne auch im Schichtbetrieb arbeiten und schwere körperliche Arbeit mache ihm nichts aus. Seit seiner Entlassung aus der Reha-Klinik im Oktober 2009 nehme er regelmäßig seine Medikamente ein, so dass auch ein Einsatz als Reiniger möglich sei.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 05.10.2010 durch Einholung einer schriftlichen Auskunft der den Kläger behandelnden Nervenärztin und durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.

Die Nervenärztin führte zur Frage des Gerichts, ob die Erkrankung des Klägers zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 12.02.2010 ausgeheilt war, aus, der Kläger leide an einer rezidivierenden depressiven Symptomatik, Panikstörung und auch Persönlichkeitsstörungen. Hierbei könne nicht von einer Ausheilung gesprochen werden. Auf dem Hintergrund einer biografischen Traumatisierung könne es immer wieder zu instabilen Situationen mit Auftreten von Symptomen kommen. Dies habe aber nicht sicher etwas mit der Frage der Arbeitsfähigkeit zu tun. Zur Frage, ob mit weiterer erheblicher Erkrankung des Klägers innerhalb der nächsten 24 Monate zu rechnen sei, führt die Ärztin aus, eine Prognoseeinschätzung könne psychiatrisch fachärztlicherseits nicht gegeben werden. Es habe zum Zeitpunkt der Kündigung eine psychiatrische Symptomatik mit Unruhe und agitiert depressiven Symptomen gegeben. Dies sei aber durch die Interaktion mit dem Arbeitgeber und dem Gefühl des Kontrollverlustes anzusehen. Bei anderer Situation (z.B. Wohlwollen des Arbeitgebers) könne man von einer stabileren Befindlichkeit ausgehen, aber auch dies sei nicht sicher zu sagen, da auch andere Faktoren wie familiäre Situation, Umgang mit Kollegen ein Auslöser für Krisen sein können. Die zu diesem Zeitpunkt aber bestehende klare Ablehnung durch den Arbeitgeber habe destabilisierend wirken müssen. Auf die Frage des Gerichts, ob eine dauernde Medikation bei dem vorliegenden Krankheitsbild notwendig sei, erklärt die Ärztin, dies sei zu erwarten. Dies spiele jedoch bezüglich der Leistungsfähigkeit des Betroffenen keine Rolle, da eine antidepressive Medikation die Leistungsfähigkeit verbessere und nicht die Leistungsfähigkeit behindere. Zur Frage, ob der Kläger seit seiner Entlassung aus der Reha-Klinik am 06.10.2009 medikamentös so eingestellt sei, dass bei regelmäßiger Einnahme der Medikamente durch den Kläger für ihn eine Teilnahme am Berufsleben auch unter Berücksichtigung der Belastung durch die Arbeit ohne spürbare Beeinträchtigung möglich sei, erklärt sie, sie könne dies nicht bestätigen. Der Kläger zeige unverändert ein wechselndes Zustandsbild. Es müsse allerdings dargelegt werden, dass die im Vordergrund stehenden Belastungen durch die drohende Kündigung und das Gefühl der Ablehnung durch den Arbeitgeber bedingt gewesen sei. Dies führe zur Verschlechterungen des Zustandsbildes mit dem das Gefühl des Opfers gegenüber dem Arbeitgeber, was zu weiteren depressiven Symptomen im Sinne einer agitiert depressiven Symptomatik führe. Zur Frage, ob der Kläger die verordneten Medikamente regelmäßig einnehme, erklärt die Ärztin, es gebe leider keine objektivierbaren Daten. Der Patient sei jedoch in den Gesprächen offen und gebe an, die Medikation regelmäßig einzunehmen. Dies sei glaubhaft.

Das arbeitsmedizinische Gutachten der Fachärztin für Arbeitsmedizin Dr. K.-H.  vom 17.03.2011 lautet auszugsweise wie folgt:

„7. BEANTWORTUNG DER GUTACHTERLICHEN FRAGESTELLUNG

1. über die Unmöglichkeit der Erbringung der Arbeitsleistung ab dem 7.1.2010

Da der Kläger zum Zeitpunkt der Entlassung aus der Reha nicht für arbeitsfähig als Industriereiniger gehalten wurde, allein schon wegen der Belastung durch Zeit- und Leistungsdruck, und keine weiterführende Behandlung glaubhaft gemacht werden konnte, war auch ab dem 7.1.2010 keine Arbeitsleistung im vertraglich festgelegten Umfang zu erwarten.

2. ob zum Zeitpunkt der Kündigung am 12.2.2010 eine negative Gesundheitsprognose gerechtfertigt war

Aus vorgenannten Gründen (s. Punkt 5 und 6 des Gutachtens) war auch zum Zeitpunkt der Kündigung eine negative Gesundheitsprognose gerechtfertigt.

3. ob dem Kläger ab dem 7.1.2010 und nach dem 12.2.2010 die Erbringung der vertragsgemäßen Arbeitsleistung als Packer oder Industriereiniger auf Grund der werkärztlich attestierten Einschränkungen nicht mehr möglich war

Ab dem 7.1.2010 und nach dem 12.2.2010 war ebenfalls keine vertragsgemäße Arbeitsleistung zu erwarten, da auf Grund der vielfältigen Erkrankungen die werksärztlich attestierten Einschränkungen gerechtfertigt waren. Auf Grund der nicht verlässlichen Behandlung unter ambulanten Bedingungen und der Chronifizierung des Grundleidens konnte nicht von einer Besserung durch „Spontanheilung“ ausgegangen werden.

4. Dabei soll geprüft werden

– ob seit dem 29.10.2009 mindestens bis zum 30.9.2010 aus gesundheitlichen Gründen die Einschränkungen zu beachten gewesen sind, die der Werksarzt am 29.10.2009 festgestellt hat

Dies ist der Fall, da vorher die Erkrankungen nicht erfolgreich behandelt werden konnten auf Grund der (vermutlich krankheitsbedingten) fehlenden Mitarbeit des Klägers während der ambulanten Behandlung durch die Fachärzte.

Da sich an der Einstellung des Patienten nichts verändert hatte, konnte auch für die Zukunft keine Besserung der Krankheiten und der gesundheitlichen Einschränkungen erwartet werden.

– ob der Kläger ab 7.1.2010 dauerhaft nicht mehr in der Lage war, seine vertraglichen Pflichten als Packer oder Industriereiniger zu verrichten

Auf Grund seiner Erkrankungen war der Kläger dauerhaft nicht in der Lage seine vertraglichen Pflichten als Packer oder Industriereiniger zu verrichten.

– Alternativ, ob er voraussichtlich in den 24 Monaten ab dem 12.2.2010 länger als 6 Wochen auf Grund der festgestellten Erkrankung arbeitsunfähig sein wird

Auf Grund der Vorgeschichte, der fehlenden Besserung, der fehlenden Verlässlichkeit in der konsequenten Behandlung und der Vielzahl chronifizierter Erkrankungen ist davon auszugehen, dass in den 24 Monaten ab dem 12.2.2010 eine Arbeitsunfähigkeit von mindestens 6 Wochen entstanden wäre. Eine andere Prognose hätte als Voraussetzung, dass alle Krankheiten erfolgreich behandelt sind und der Kläger weitgehend symptomfrei leben könnte. Dies ist jedoch nicht der Fall. Lediglich auf Grund der fehlenden Arbeitsbelastung kann der Kläger subjektiv gebessert leben. Unter Belastung im häuslichen Bereich leben auch dort die Symptome wieder auf.

Wie die Nachuntersuchungen der Psychiaterin und des Urologen ergeben haben, sind alle Erkrankungen weiterhin behandlungsbedürftig. Der Patient ist auch nach der Freisetzung von der Arbeit nicht symptomfrei.“

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in 1. Instanz, insbesondere des gesamten Inhalts des Sachverständigengutachtens, wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften verwiesen.

Das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven hat am 2. 20.11.2011 folgendes Urteil verkündet:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf € 31.217,44 festgesetzt.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Kündigung sei sozial gerechtfertigt, weil unter Zugrundelegung des arbeitsmedizinischen Gutachtens von einer negativen Gesundheitsprognose auszugehen sei. Aufgrund der Vorgeschichte, der fehlenden Besserung, der fehlenden Verlässlichkeit in der konsequenten Behandlung und der Vielzahl der qualifizierten Erkrankungen sei auch in den 24 Monaten ab dem 12.02.2010 zu erwarten, dass auch in Zukunft eine Arbeitsunfähigkeit von mindestens 6 Wochen entstehen würde. Durch die negative Gesundheitsprognose seien die betrieblichen Interessen der Beklagten erheblich beeinträchtigt. Nach der gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG gebotenen Interessenabwägung ergebe sich auch, dass die Beklagte die durch die krankheitsbedingten Fehlzeiten bedingten Beeinträchtigungen ihrer betrieblichen Interessen nicht billigerweise hinnehmen müsse. Die Beklagte habe mehrfach ein betriebliches Eingliederungsmanagement im Sinne von § 84 Abs. 2 SGB IX durchgeführt. Wiedereingliederungsversuche seien jedoch gescheitert. Die Beklagte habe auch in Anbetracht der langen Betriebszugehörigkeit und der Schwerbehinderung des Klägers ausreichend rücksichtsvoll gehandelt und diesem mit den mehrfachen Versuchen einer Wiedereingliederung Gelegenheit gegeben, bei der Beklagten weiterbeschäftigt zu werden. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Annahmeverzugslohn ab dem 07.01.2010, da der Kläger arbeitsunfähig gewesen sei. Ausweislich des arbeitsmedizinischen Sachverständigengutachtens sei ab dem 07.01.2010 keine Arbeitsleistung im vertraglich festgelegten Umfang zu erwarten gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung der Entscheidung wird auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils (Seite 9 -12) verwiesen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven wurde dem Kläger am 19.12.2011 zugestellt. Dessen Berufung ging am 13.01.2012, die Berufungsbegründung nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 20.03.2012 beim Landesarbeitsgericht Bremen ein.

Der Kläger greift die erstinstanzliche Entscheidung mit Rechtsausführungen an. Er weist darauf hin, dass die Zustimmung des Integrationsamtes noch nicht bestandskräftig geworden sei.

Der Kläger setzt sich kritisch mit den Feststellungen des arbeitsmedizinischen Gutachtens auseinander. Er beruft sich auf das Zeugnis der Ärzte, die ihn bei einer Rehabilitationsmaßnahme nach Ausspruch der Kündigung behandelt haben, dafür, dass er seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung wieder erbringen könne. Aus diesem Umstand ergebe sich, dass der Kläger auch lediglich aus Krankheitsgründen vorübergehend abwesend gewesen sei. Dies sei nach den Regelungen der ILO kein triftiger Kündigungsgrund.

Der Kläger meint weiter, die negative Zukunftsprognose der Gutachterin sei durch den Reha-Entlassungsbericht erschüttert worden.

Der Kläger habe auch Anspruch auf Zahlung des Annahmeverzugslohns ab dem 07.01.2010. Auch hier sei das Gutachten zu unzutreffenden Ergebnissen gelangt. Der Kläger habe sich gesundheitsförderlich verhalten. Er sei stets und durchgängig in ärztlicher Behandlung. Die Arbeitsfähigkeit habe durchweg zumindest bis zum 31.08.2010 bestanden.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 2. 20.11.2000 abzuändern und

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 10.02.2010, zugegangen am 12.02.2010, nicht zum 30.09.2010 aufgelöst wurde.

2. Sollte die Beklagte im Gütetermin nicht zu Protokoll des Gerichts erklären, dass sie die klägerische Partei weiterbeschäftigt wird, sofern ein der Klage stattgebendes Urteil ergeht, wird beantragt, die Beklagte zu verurteilen, den Kläger für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu Ziffer 1.) zu den im Arbeitsvertrag geregelten Arbeitsbedingungen als Packer oder Gebäudereiniger in Bremen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiterzubeschäftigen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 2.132,34 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2010 zu zahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 2.644,10 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2010 zu zahlen.

5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 2.644,10 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2010 zu zahlen.

6. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 2.644,10 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2010 zu zahlen.

7. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 2.644,10 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2010 zu zahlen.

8. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 2.644,10 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2010 zu zahlen.

9. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 2.644,10 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2010 zu zahlen.

10. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 2.644,10 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2010 zu zahlen.

 

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Sie trägt vor, ob die Zustimmung des Integrationsamtes bestandskräftig bleibe, sei für die Entscheidung des Arbeitsgerichts unerheblich. Die Beklagte teilt die Bewertung des Gutachtens der Sachverständigen durch das Arbeitsgericht. Sie ist der Auffassung, dass später eingetretene Umstände, wie die Ergebnisse der Rehabilitationsmaßnahme bei der Ermittlung der Prognose für den Kläger nicht zu beachten seien.

Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Zahlung des Annahmeverzugslohns. Anders als der Kläger glaube, habe die Gutachterin ihre Auffassung, der Kläger sei ab dem 07.01.2010 nicht mehr dauerhaft in der Lage gewesen, seine vertraglichen Pflichten als Packer oder Industriereiniger zu verrichten, nicht nur darauf gestützt, dass er eine gezielte Behandlung nicht verlässlich durchgeführt habe, sondern insbesondere auch auf eine Chronifizierung des Grundleidens, die nicht zu einer Spontanheilung führen könne. Im Übrigen werde die Einschätzung der Arbeitsunfähigkeit ab diesem Zeitpunkt auch gestützt durch den Kläger selber, der zwar seine Arbeitskraft angeboten habe, gleichzeitig aber einen erneuten Wiedereingliederungsversuch gewünscht habe. Auch bei den 5 Wiedereingliederungsversuchen zuvor habe er sich subjektiv voll einsetzbar gefühlt, was dann aber nicht seinem tatsächlichen Leistungsvermögen entsprochen habe.

Der auf das Arbeitsverhältnis anwendbare Tarifvertrag sehe zwar vor, dass bei Mitarbeitern, die das 50. Lebensjahr vollendet und mindestens 15 Jahre im Beschäftigungsverhältnis gestanden haben, eine ordentliche Kündigung nur mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien ausgesprochen werden können, soweit nicht eine außerordentliche Kündigung aus personen- bzw. verhaltensbedingten Gründen berechtigt wäre. Hieraus könne aber nicht geschlossen werden, dass eine ordentliche Kündigung gegenüber der außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist vorrangig wäre. Die Regelung, die für eine ordentliche Kündigung die Zustimmung der Tarifvertragsparteien vorsehe, sei im Hinblick auf den damals geltenden § 117 Abs. 2 AFG getroffen worden, um zu verhindern, dass an sich unkündbare Mitarbeiter, die im Rahmen von Sozialplänen entlassen werden, 12 bzw. 18 Monate lang kein Arbeitslosengeld erhalten. Eine andere Zielsetzung hätten die Tarifvertragsparteien nicht verfolgt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der in 2. Instanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die vom Kläger eingereichten ärztlichen Bescheinigungen verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung des Klägers ist nach § 64 Abs. 2  d) ArbGG statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet und somit insgesamt zulässig.

II.

Die Berufung des Klägers ist teilweise begründet.

Die außerordentliche Kündigung der Beklagten mit sozialer Auslauffrist ist unwirksam. Der Kläger hat auch Anspruch auf Entgelt für die Zeit der Kündigungsfrist seit dem 07.01.2010. Der geltend gemachte Weiterbeschäftigungsanspruch ist hingegen unzulässig. Entsprechend war das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven teilweise abzuändern.

1. Die angegriffene Kündigung ist unwirksam. Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des tarifgebundenen Klägers durch die ebenfalls tarifgebundene Beklagte aus krankheitsbedingten Gründen ist nicht gegeben, weil die Tarifvertragsparteien die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung von älteren, langjährig Beschäftigten nicht ausgeschlossen haben. Sie haben die Möglichkeiten einer ordentlichen Kündigung lediglich insoweit eingeschränkt, als sie sie von der Zustimmung der Tarifvertragsparteien abhängig gemacht haben.

Der Kläger war zum Zeitpunkt der Kündigung über 50 Jahre alt und gehört dem Betrieb mindestens 15 Jahre an. § 17 Ziff. 6.2 MTV Stahl ist mithin auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden.

Das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven hat die Wirksamkeit der Kündigung am Maßstab des § 1 KSchG gemessen. Dabei hat es übersehen, dass die Beklagte keine ordentliche Kündigung ausgesprochen hat, offenbar in der nicht ausdrücklich angesprochenen Annahme, dass durch § 17 des Manteltarifvertrages für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen- und Stahlindustrie von Northeim-Westfalen, Niedersachsen, Bremen, Dillenburg, Niederschelden und Wissen (MTV Stahl) vom 15.03.1989 eine ordentliche Kündigung des tarifgebundenen Klägers ausgeschlossen ist. Es hat sich wohl deswegen an der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts orientiert, die eine krankheitsbedingte Kündigung als wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung, allerdings mit sozialer Auslauffrist, die der ordentlichen Kündigung entspricht, akzeptiert, wenn dem Arbeitgeber die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung versperrt ist.

Diese Annahme ist nicht berechtigt. § 17 des Tarifvertrages schließt die ordentliche Kündigung nicht aus, sie macht sie lediglich von der Zustimmung der Tarifvertragsparteien abhängig. Da die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine krankheitsbedingte Kündigung bzw. eine krankheitsbedingte Minderung der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers in der Regel für nicht geeignet hält, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darzustellen (BAG Urteil vom 09.09.1992 – 2 AZR 190/92 – AP Nr. 3 zu § 626 BGB Krankheit), ist eine außerordentliche Kündigung aus krankheitsbedingten Gründen mit sozialer Auslauffrist nur dann als „ultima-ratio“ zu akzeptieren, mithin nur dann rechtswirksam, wenn es keine andere, weniger einschneidende Möglichkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gibt (BAG Urteil vom 12.07.1995 – 2 AZR 762/94 – AP Nr. 7 zu § 626 BGB Krankheit).

Prinzipiell geht die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung einer außerordentlichen Kündigung als milderes Mittel vor. Das gilt auch dann, wenn wie im vorliegenden Fall § 17 des MTV Stahl die ordentliche Kündigung von der Zustimmung der Tarifvertragsparteien abhängig gemacht wird.

§ 17 ist auch nicht so auszulegen, dass die Tarifvertragsparteien eine krankheitsbedingte außerordentliche Kündigung uneingeschränkt zulassen wollten.

Nach ständiger Rechtsprechung des BAG sind Tarifverträge wie Gesetze auszulegen. Es ist daher unter Beachtung der Regeln des Sprachgebrauchs und der Grammatik zunächst vom Wortlaut auszugehen. Über den reinen Tarifwortlaut hinaus ist jedoch der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnormen mit zu berücksichtigen, sofern und soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Hierzu ist auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen, der häufig schon deswegen mit berücksichtigt werden muss, weil nur daraus und nicht aus der einzelnen Tarifnorm auf den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien geschlossen und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnormen zutreffend ermittelt werden kann. Verbleiben danach im Einzelfall noch Zweifel, so kann zur Ermittlung des wirklichen Willens der Tarifvertragsparteien auf weitere Kriterien wie Tarifgeschichte, die praktische Tarifübung und die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages zurückgegriffen werden, wobei es keine Bindung an eine bestimmte Reihenfolge bei der Heranziehung dieser weiteren Auslegungsmittel gibt (vgl. BAG AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung mit weiteren Nachweisen). Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG 4 AZR 578/98 v. 05.10.1999).

Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze ergibt sich, dass die Tarifvertragsparteien für ältere Mitarbeiter mit langjähriger Betriebszugehörigkeit die Möglichkeit des Arbeitgebers, ordentliche Kündigungen auszusprechen, haben dadurch einschränken wollen, dass sie deren wirksamen Ausspruch von der Zustimmung der Tarifvertragsparteien abhängig gemacht haben.

Die Annahme der Beklagten unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte der Norm, das Zustimmungserfordernis der Tarifvertragsparteien solle nur sicherstellen, dass betriebsbedingt auf Grundlage eines Interessenausgleichs und Sozialplanes gekündigte Arbeitnehmer nicht von der damals geltenden Regelung des § 117 Abs. 2 AFG betroffen sind und deshalb für einen Zeitraum von 12-18 Monaten vom Bezug von Arbeitslosengeld ausgeschlossen werden, führt nicht zu einer einschränkenden Interpretation in der Weise, dass der Wirksamkeitsbereich der ordentlichen mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien ausgesprochen Kündigung auf betriebsbedingte Kündigungen beschränkt ist. Die von der Beklagten dargelegte Tarifgeschichte findet im Wortlaut der Norm keinen Niederschlag. Das mit einer tarifvertraglichen Norm verfolgte Ziel der Tarifvertragsparteien ist nach ständiger Auslegungspraxis der Rechtsprechung wegen des normativen Charakters eines Tarifvertrages der Wille der Tarifvertragsparteien nur im Rahmen der oben genannten Grundsätze zur Ermittlung des Norminhaltes heranzuziehen.

Nach dem Wortlaut der Tarifnorm sind ältere, langjährig Beschäftigte vor ordentlichen Kündigungen nicht absolut geschützt. Die ausdrückliche Herausnahme außerordentlicher Kündigungen vom Zustimmungserfordernis der Tarifvertragsparteien ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass nach ständiger und unangefochtener Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts das Recht zur außerordentlichen Kündigung weder individualrechtlich oder kollektivrechtlich ausgeschlossen oder wesentlich eingeschränkt werden kann. Die außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist aus krankheitsbedingten Gründen ist nicht von den ausdrücklich als zulässig angesehenen außerordentlichen Kündigungen aus personen- bzw. verhaltensbedingten Gründen erfasst. Dies wäre nur dann der Fall, wenn es ohne Berücksichtigung der Möglichkeit der ordentlichen Kündigung keine personenbedingten außerordentlichen Kündigungen gäbe.

Bei personenbedingten Kündigungsgründen, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen sollen, gibt es nicht nur solche, die zwingend eine soziale Auslauffrist erfordern.  Auf eine soziale Auslauffrist kann dann verzichtet werden, wenn beispielsweise die auf Erkrankung beruhende Betriebsstörung zu Verhaltensweisen führt, die ihrerseits erhebliche Störungen im Betrieb verursachen. Dies ist beispielsweise bei Alkoholismus oder psychischen Erkrankung mit aggressivem unkontrollierbarem Charakter der Fall. Liegt eine derartige Störung vor, kann es dem Arbeitgeber unzumutbar sein, das Arbeitsverhältnis bis zur Beendigung durch ordentliche Kündigungsfrist fortzusetzen. Ist dies nicht der Fall, kann Unzumutbarkeit, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen, für den Arbeitgeber nicht angenommen werden. Der Umstand, dass für eine ordentliche Kündigung die Zustimmung der Tarifvertragsparteien erforderlich ist, begründet jedenfalls ohne Weiteres keine Unzumutbarkeit. Ob bei einem Scheitern, die Zustimmung der Tarifvertragsparteien zu erreichen, der Weg über eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist möglich ist, bedarf keiner weiteren Prüfung.

§ 6 KSchG steht der Bewertung des Berufungsgerichts nicht entgegen. Der Kläger beruft sich nicht ausdrücklich auf einen Unwirksamkeitsgrund aus dem Tarifvertrag. Das wäre der Fall, wenn die Beklagte eine ordentliche Kündigung ohne Zustimmung der Tarifvertragsparteien ausgesprochen hätte. Aus dem Tarifvertrag ergibt sich lediglich, dass wegen der Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung die außerordentliche Kündigung ohne wichtigen Grund und unter Verletzung des Ultima-Ratio-Prinzips ausgesprochen worden ist.

Eine Umdeutung der unwirksamen außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung kommt wegen Fehlens der durch den Tarifvertrag erforderlichen Zustimmung der Tarifvertragsparteien nicht in Betracht.

2. Der Antrag des Klägers, die Beklagte zur Weiterbeschäftigung zu verurteilen, war unzulässig und deshalb zurückzuweisen.

Grundsätzlich hat ein Arbeitnehmer während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses nicht nur Anspruch auf Bezahlung, sondern auch auf tatsächliche Beschäftigung (BAG Großer Senat Beschluss vom 27. 2. 1985 – AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht). Ist eine Kündigung ausgesprochen, überwiegt in der Regel das Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des Arbeitgebers. Das folgt allein aus der Unsicherheit über den Bestand des Arbeitsverhältnisses, die die Kündigung ausgelöst hat. Hat hingegen das Arbeitsgericht festgestellt, dass die Kündigung unwirksam ist, so überwiegt von diesem Zeitpunkt an in der Regel das Interesse des Arbeitnehmers an der Beschäftigung.

Voraussetzung für den Ausspruch eines Beschäftigungstitel ist allerdings, dass der Antrag vollstreckungsfähig ist. Dies ist jedoch wegen der besonderen vorliegenden Situation nicht der Fall. Der Kläger ist unstreitig krankheitsbedingt beeinträchtigt. Der Kläger befindet sich, wie die Stellungnahme seiner behandelnden Nervenärztin und das Gutachten der Sachverständigen zeigt, im Grenzbereich zwischen Arbeitsunfähigkeit und Arbeitsfähigkeit. Die die Einsatzfähigkeit des Klägers beeinträchtigenden Krankheiten sind insbesondere im Bezug auf seine psychische Gesundheit nicht ausgeheilt. Ob die Beklagte den Kläger tatsächlich einsetzen kann, hängt mithin davon ab, ob der Kläger in der Lage ist, konkret die ihm im Rahmen seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung zugewiesenen Tätigkeit ohne gesundheitliche Gefährdung ausüben zu können. Ob die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger tatsächlich einzusetzen und auf welchem Arbeitsplatz, oder ob sie berechtigt seinen Einsatz ablehnt, hängt vom jeweils aktuellen Gesundheitszustand ab. Im Rahmen einer Zwangsvollstreckung kann dies nicht geklärt werden. Der Beklagten muss wohl vorbehalten bleiben, innerbetrieblich im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements zu ermitteln, auf welche Weise der Kläger in den normalen Arbeitsprozess eingegliedert werden kann.

3. Die Beklagte hat an den Kläger den Lohn für die Zeit vom Arbeitsangebot des Klägers ab bis zum Ablauf der von ihr festgesetzten Kündigungsfrist zu zahlen.

Der Einwand der Beklagten, der Kläger sei auch über den 06.01.2010 hinaus arbeitsunfähig gewesen, führt nicht zum Wegfall der Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger den vereinbarten Lohn zu zahlen.

Die Beklagte ist im Annahmeverzug nach § 615 BGB.

a) Annahmeverzug nach § 615 BGB setzt voraus, dass der Schuldner die geschuldete Leistung erbringen kann. Der Gläubiger der Leistung kommt nicht in Verzug, wenn der Schuldner zur Zeit des Angebots außerstande ist, die Leistung zu bewirken (§ 297 BGB). Grundsätzlich scheidet bei einem objektiv dauernd arbeitsunfähigen Arbeitnehmer Annahmeverzug aus. Ein Fall des § 297 BG ist jedoch  nur gegeben, wenn der Arbeitnehmer die geschuldete Tätigkeit ausnahmslos nicht mehr verrichten kann. Fehlendes Leistungsvermögen wird allerdings nicht allein durch den Willen des Arbeitnehmers ersetzt, trotz objektiver Leistungsunfähigkeit einen Arbeitsversuch zu unternehmen (ErfKom-Preis 13. Auflage § 615 BGB Anm. 43; BAG Urteil vom 29.10.1998 – Az.: 2 AZR 666/97 – AP Nr. 77 zu § 615 BGB). Die bloße Einschränkung der Leistungsfähigkeit schließt Annahmeverzug nicht aus, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vertragsgemäße – zum Beispiel leidensgerechte – Arbeiten zuweisen kann (BAG Urteil vom 19.05.2010 – Az.: 5 AZR 162/09 – AP Nummer 10 zu § 106 GewO).

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen steht für die Berufungskammer nach den in 1. Instanz eingeholten Sachverständigengutachten in Verbindung mit der Erklärung der den Kläger behandelnden Ärztin, dem Entlassungsbericht der Reha-Klinik vom 14.10.2009 und den Feststellungen des werksärztlichen Dienstes der Beklagten lediglich mit ausreichender Sicherheit fest, dass der Kläger erkrankt ist, nicht aber dass die Intensität seiner Erkrankung aktuell am 07.01.2010 zwingend zur Arbeitsunfähigkeit geführt hat.

Zunächst ist festzuhalten, dass die Annahme der Beklagten und der Gutachterin, der Entlassungsbericht der Reha-Klinik vom 14.10.2009 stelle fest, dass der Kläger nicht als Reiniger beschäftigt werden könne, einer kritischen Prüfung nicht standhält. Unter Ziffer 10 des Berichts wird zwar ausgeführt, dass der Kläger die zuletzt ausgeführte Tätigkeit als Reiniger allein schon wegen des Leistungsdruck nicht mehr ausüben könne. Begründet wird das unter anderem damit, dass die Tätigkeit mit Zeit- und Leistungsdruck verbunden sei und mit Versagensängsten, die unter anderem darauf beruhen, dass der Kläger sich von dem für ihn zuständigen Disponenten unfair behandelt fühlte. Neben den Feststellungen des Werksarztes, die deutliche Einsatzeinschränkungen des Klägers bedingen, liegt ein entscheidendes Hindernis, dem Kläger eine geeignete Tätigkeit zuzuweisen darin, dass seine jeweilige psychische Befindlichkeit dazu führt, dass er die Arbeitsbedingungen der zugewiesenen Tätigkeit als für ihn zu belastend empfindet und sie für nicht bewältigbar hält.

Der Versuch der Wiedereingliederung wurde vom Kläger offenbar am 19.10.2009 in einer Phase abgebrochen, in der er krankheitsbedingt nicht in der Lage war, den mit der Tätigkeit verbundenen Belastungen standhalten zu wollen. Dass es die aktuelle psychische Situation des Klägers war, der zum Abbruch des Eingliederungsversuches als Reiniger durch ihn führte, zeigt auch die werksärztliche Feststellung in der BEM-Runde, der Einsatz des Klägers als Reiniger sei mit den Ergebnissen der Einsatzfähigkeitsuntersuchung vereinbar.

Ende Dezember 2009 wollte der Kläger seine Arbeitsaufnahme ab dem 07.01.2010 durch die erneute Vorstellung beim Werksarzt erreichen. Dies kann so interpretiert werden, als sei die Phase, die ihm alles als nicht ertragbar erscheinen ließ, vorbei. Die werksärztliche Untersuchung am 28.12.2009 hat keine anderen Ergebnisse gebracht, als die vom 19.10.2009, die offenbar die Einschätzung des werksärztlichen Dienstes bei der BEM-Runde mitbestimmt hat. Mithin spricht Einiges dafür, dass der Kläger am 07.01.2010 nicht arbeitsunfähig war. Dem steht die Empfehlung der Reha-Klinik nicht entgegen. Der Entlassungsbericht nimmt – wie bereits erwähnt – als ungeeigneten Arbeitsplatzes ausdrücklich den zuletzt innegehabten, der unter anderem durch die vom Kläger gefühlte „unfaire“ Behandlung geprägt war.

Die Beklagte, die zweifellos durch die Multimorbidität des Klägers erheblich belastet war und der für die Vergangenheit keineswegs vorgeworfen werden kann, sie sei ihrer Fürsorgepflicht unter Beachtung der Vorschriften des SGB IX nicht nachgekommen, hat offenbar die Geduld verloren.

Die fachärztliche Stellungnahme der behandelnden Ärztin enthält keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger am 07.01.2010 arbeitsunfähig war. Das Gutachten der Sachverständigen geht offenbar ebenso wie die Beklagte selbst und deren werksärztlichen Dienst ohne weitere kritische Analyse davon aus, dass die Reha-Klinik einen Einsatz des Klägers im Reinigungsdienst prinzipiell für nicht möglich hielt.

Der Umstand, dass angesichts des Krankheitsbildes des Klägers nicht ausgeschlossen ist, dass der Kläger nach dem 07.01.2010 erneut wieder in einen psychischen Zustand verfällt, der einem Einsatz des Klägers entgegensteht, kann allenfalls zur – insoweit aber rechtlich nicht relevanten – Prognose führen, dass der Kläger nicht im gesamten Zeitraum der Kündigungsfrist arbeitsfähig ist. Da die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig dafür ist, dass der Kläger im eingeklagten Zeitraum nicht zur geschuldeten – im Rahmen des BEM-Verfahrens zu erbringenden – Arbeitsleistung fähig ist und es keine weiteren Anhaltspunkte für eine spätere, den Verzugslohnanspruch beendende Arbeitsunfähigkeit gibt, war entsprechend den Zahlungsanträgen des Klägers zu erkennen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Im Hinblick auf die Auslegung der Kündigungsschutzvorschriften des Manteltarifvertrages hat die Berufungskammer die Revision zugelassen.

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