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Fristlose Tatkündigung – versäumte Kündigungserklärungsfrist – fehlender wichtiger Grund

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 3 Sa 234/19 – Urteil vom 02.12.2019

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern, Auswärtige Kammern Pirmasens, vom 11.04.2019, Az.: 6 Ca 603/18, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung sein Ende gefunden hat oder aber fortbesteht, ob die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtstreits weiter zu beschäftigen sowie schließlich darüber, ob das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung durch gerichtliche Entscheidung aufzulösen ist.

Der schwerbehinderte 52jährige verheiratete Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.09.1982, zuletzt als Direktor Qualitätsmanagement in deren Betrieb in Zweibrücken beschäftigt. Zusätzlich wurde er mit der Betreuung ausgewählter Key-Accounts betraut. Der Kläger wird bei der Beklagten als leitender Angestellter geführt und war bei der letzten Betriebsratswahl im Frühjahr 2018 dem Kreis der leitenden Angestellten zugeordnet.

Die Beklagte ist ein Tochterunternehmen des zum Zeitpunkt der hier streitgegenständlichen Vorfälle US-amerikanischen Baumaschinenherstellers T. C. mit Sitz in Dortmund und ist auf die Produktion von Industriekränen spezialisiert. Zu diesem Zweck betreibt sie u.a. ein Werk in Zweibrücken. Im Betrieb in Zweibrücken sind regelmäßig ca. 1400 Mitarbeiter beschäftigt. Ein Betriebsrat ist errichtet.

Am 05. und 12.09.2018 fand eine Anhörung des Klägers zu den vorliegend streitgegenständlichen Kündigungsvorwürfen, die die Beklagte gegen ihn erhebt, durch ein unternehmensexternes Compliance-Team durch Herrn M. statt. Im Anschluss daran wurde der Kläger ab dem 12.09.2018 von der Beklagten von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt.

Mit Schreiben vom 23.11.2018 hat die Beklagte den Betriebsrat zu einer außerordentlichen fristlosen und hilfsweise fristgerechten Kündigung zum nächstmöglichen Termin vorsorglich für den Fall angehört, dass es sich bei dem Kläger tatsächlich nicht um einen leitenden Angestellten i. S. d. § 5 Abs. 3 BetrVG handeln sollte. Dieses Schreiben ging dem Betriebsrat am 23.11.2018 zu; mit Schreiben vom 26.11.2018 widersprach der Betriebsrat einer fristlosen Kündigung des Klägers und mit Schreiben vom 29.11.2018 auch einer ordentlichen Kündigung.

Mit Schreiben vom 23.11.2018, eingegangen beim Integrationsamt am selben Tag, hat die Beklagte die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses beantragt. Ebenfalls mit Schreiben vom 23.11.2018, eingegangen beim Integrationsamt am 23.11.2018, hat die Beklagte des Weiteren die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Klägers beantragt. Das Integrationsamt hat mit Bescheid vom 07.12.2018 der außerordentlichen Kündigung zugestimmt. Daraufhin hat die Beklagte mit Schreiben vom 08.12.2018 das Arbeitsverhältnis des Klägers außerordentlich mit sofortiger Wirkung gekündigt; hinsichtlich des Inhalts des Kündigungsschreibens wird auf Bl. 4 d. A. Bezug genommen. Mit Bescheid vom 28.02.2019 hat das Integrationsamt auch der ordentlichen Kündigung des Klägers zugestimmt; daraufhin hat die Beklagte mit Schreiben vom 08.03.2019 das Arbeitsverhältnis des Klägers hilfsweise ordentlich zum 31.10.2019 gekündigt.

Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte habe die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt. Die Beklagte habe vorgetragen, sie habe erstmals am 21.06.2018 Kenntnis von den kündigungsrelevanten Umständen aufgrund einer anonymen Anzeige erhalten. Die außerordentliche Kündigung sei am 12.12.2018, also 25 Wochen nach Kenntniserlangung durch die angebliche anonyme Anzeige zugestellt worden. Die Behauptung der Beklagten, das Compliance-Team sei seit dem 26.06.2018 „mit Ermittlungen in dieser Sache tätig“, sei nicht hinreichend substantiiert und zudem zu bestreiten. Nach den Anhörungen am 5. und 12.09.2018 habe das Compliance-Team noch fast zwei Monate benötigt, um einen abschließenden Bericht zu erstellen und der Beklagten am 09.11.2018 zu überlassen. Er bestreite mit Nichtwissen, dass das Compliance-Team überhaupt einen Bericht erstellt habe, vorsorglich bestreite er mit Nichtwissen, dass das Compliance-Team erst am 09.11.2018 einen Bericht übersandt habe. Die Beklagte habe sich im Anhörungsverfahren bei dem Integrationsamt am 17.01.2019 geweigert, den vermeintlichen Bericht vorzulegen, trotz ausdrücklicher Aufforderung durch das Integrationsamt. Gegenüber dem Integrationsamt habe die Beklagte vorgetragen, aufgrund zahlreicher anderweitiger Termine und Dienstreisen der ermittelnden Personen hätten die Ermittlungen am 09.11.2018 durch das externe Ethik- und Compliance-Investigations-Team abgeschlossen werden können. Welche Schritte die ermittelnden Personen bis zu diesem Zeitpunkt zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen hätten, habe sich der Kenntnis und dem Einfluss von Herrn Sch. oder anderen Mitarbeitern der Gesellschaft entzogen.

Die Beklagte habe innerhalb der ihr gesetzten Frist darlegen und Beweis dafür anbieten müssen, dass tatsächlich ein anonymer Hinweis erfolgt sei, dass dieser anonyme Hinweis erst am 21.06.2018 erfolgt sei und dass das Compliance-Team – trotz zahlreicher anderweitiger Termine und Dienstreisen der ermittelnden Personen – in der gebotenen Eile tatsächlich Ermittlungen durchgeführt habe. Insoweit sei der genaue zeitliche Ablauf der Ermittlungen sowie deren konkreter Inhalt darzulegen und unter Beweis zu stellen gewesen. Gerade wenn die Schw. Konzerngesellschaft ein ganzes Ermittlungsteam vorhalte, sei nicht nachvollziehbar, dass und warum Ermittlungen bei notwendiger Priorisierung sich über einen Zeitraum von fast einem halben Jahr hinziehen würden. Die Beklagte könne nicht die Frist des § 626 Abs. 2 BGB durch die Verlagerung der Ermittlungen an externe Dienstleister zu einer Halbjahresfrist umgestalten. Der Beklagten seien die zögerlichen Ermittlungen, die als gegeben anzusehen seien, der von ihr beauftragten konzerninternen Gesellschaft zuzurechnen, sodass schlussendlich die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt sei.

Auch das tatsächliche Vorbringen der Beklagten, er, der Kläger, sei als leitender Angestellter im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes anzusehen, sei nicht hinreichend substantiiert. Eine Stellenbeschreibung für seine derzeitige Tätigkeit als Leiter Qualitätsmanagement habe er zu keinem Zeitpunkt erhalten. Die Beklagte habe vorgetragen, er sei für die „Aufbereitung“ von Qualitätskennzahlen verantwortlich gewesen. Die Beklagte habe jedoch nicht vorgetragen, wie sich die von ihm gelieferten Qualitätskennzahlen konkret auf den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens ausgewirkt hätten, insbesondere welchen Einfluss sie tatsächlich auf welche bedeutungsvollen unternehmerischen Entscheidungen gehabt hätten, die für den Bestand und die Struktur des Unternehmens der Beklagten von Bedeutung seien. Er, der Kläger, habe eher den Eindruck gehabt, dass er als ausgebildeter Maschinenschlosser von dem Geschäftsführer der Beklagten nicht ernst genommen worden sei. Auch habe er nicht einmal die an sich erforderliche Weisungsbefugnis gegenüber Vertriebsmitarbeitern gehabt, um seine Forderung nach der Vorlage der notwendigen Unterlagen umsetzen zu können. Keineswegs sei er gegenüber zahlreichen Mitarbeitern der Beklagten weisungsbefugt gewesen. Er habe keine Prokura erhalten und sei auch nicht zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern befugt.

Als Leiter des Qualitätsmanagements sei er u. a. dafür verantwortlich gewesen, dass bei der Kontrolle der Qualität durch seine Mitarbeiter mögliche Mängel aufgedeckt und beseitigt würden. Ziel sei insoweit die Reduzierung von Mängeln nach Auslieferung durch Prüfung der Maschine im Zuge von „Green Tag“ und die Auslieferungskontrolle. Er, der Kläger, habe dafür Sorge tragen sollen, dass die in den Werken Wallerscheid und Dinglerstraße produzierten Autokrane mängelfrei das Werk verließen, um Beanstandungen durch Kunden und Garantieleistungen möglichst zu minimieren. Er habe mit seinen Mitarbeitern Mängel an produzierten Autokranen finden und beheben sowie darauf hinwirken sollen, dass die Produktion von vorne herein Mängel reduziere. Wie die Beklagte vortrage, erhielten hunderte von Mitarbeitern in der Produktion einen Bonus, wenn durch „sorgfältige Arbeit“ Mängel vermieden würden. Die Mitarbeiter hätten eine „Qualitätsprämie“ erhalten sollen, wenn sie „sorgfältig“ arbeiten würden. Dagegen sollten von den Mitarbeitern in der Produktion nicht beeinflussbare Faktoren bei der Bemessung dieser Prämie außen vorbleiben.

Die Beklagte werfe ihm vor, dass er die nach Verlassen des Werkes vom Service gemeldeten Fehler nicht ungeprüft „1 zu 1“ in eine „Excel-Fehlerliste“ übernommen und ihr dadurch einen Vermögensschaden zugefügt habe. Hätte er allerdings alle vom Service gemeldeten Fehler – ohne Prüfung, ob ihre Ursache in „schlampiger Arbeit durch die Produktion“ liege – übernommen, hätte nicht nur er einige Euro weniger verdient, sondern zugleich hunderte von Mitarbeitern der Produktion. So seien z. B. aus Kostengründen Bauteile durch die Produktion verbaut worden, die in der Vergangenheit eine hohe Fehlerquote aufgewiesen hätten. In diesen Fällen habe er einen Regress beim Lieferanten veranlasst. Bei Transportschäden habe er die Transportversicherung in Anspruch genommen. Voraussetzung für eine Inanspruchnahme für Lieferanten und Versicherung sei jedoch stets eine korrekte Meldung durch Servicemitarbeiter im Außendienst, ggf. unter Zurücksendung eines defekten Teils oder von Lichtbildern von aufgetretenen Schäden. Die Servicemitarbeiter im Außendienst seien ihm allerdings nicht unterstellt gewesen. Trotz teilweiser harscher Kritik von ihm habe der Geschäftsführer nicht dafür gesorgt, dass die Mitarbeiter es ihm unterstellten Service und des Vertriebes ordnungsgemäße Berichte geliefert hätten. Allein im ersten Halbjahr 2018 habe er bei den Lieferanten von Bauteilen Regressansprüche in einer Größenordnung von fast einer Million Euro geltend gemacht. Hätte die Abteilung Service und Vertrieb ordnungsgemäße Unterlagen zur Verfügung gestellt, wäre dieser Betrag noch wesentlich höher geworden.

Zu den Fehlervorwürfen der Beklagten sei im Einzelnen auszuführen:

1.

Kunde J., Kran XX 000-0, Seriennummer 00000:

Die Qualitätskontrolle nach Standard der Beklagten („Green Tag“) sei am 01.12.2017 erfolgt. Das Auslieferdatum sei der 11.12.2017 gewesen und die Übergabe des Kranes sei an den Kunden am 09.05.2018 gewesen. In der Zwischenzeit habe der Kran in einem Hafen gestanden. Dort würden nicht selten Teile gestohlen, Teile würden korrodieren und manchmal auch beschädigt werden. Übernehme ein Kunde nicht binnen sechs Wochen nach Auslieferung aus dem Werk in Zweibrücken den Kran, müsse nach den Vorgaben der Beklagten eine erneute PDI erfolgen. Nur Mängel nach einer PDI seien überhaupt in die Excel-Tabelle zu übertragen. Insoweit ist zwischen den Parteien unstreitig, dass es auf den Zeitpunkt der Abnahme des jeweiligen Krans durch den Kunden ankommt. Dies werde in einem Übergabeprotokoll festgehalten, dass der Kunde unterzeichne. Hiermit beginne die Garantiefrist. Bei der zweiten Auslieferungskontrolle in Japan seien folgende Mängel festgestellt worden:

-Die Lackierung in falscher Farbe sei nicht nachvollziehbar. Die Lackierung erfolge entsprechend der vom Vertrieb der Produktion überlassenen Lackieranweisung. Wieso diese nicht den Kundenwünschen entsprochen habe entziehe sich seiner Kenntnis.

-Transportschäden seien keine Fehler der Mitarbeiter der Produktion. Diese seien gegenüber der Transportversicherung abzurechnen.

-Die korrodierten Abdeckungen seien ebenfalls kein Mangel. Ursächlich hierfür sei, dass der Kran wochenlang ohne Korrosionsschutz der Seeluft im Hafen ausgesetzt gewesen sei.

-Klimaanlage Staubfilter sei ein Transportschaden und mit der Transportversicherung abzurechnen.

-Die fehlenden Klammern für Sicherheitssysteme seien bei Auslieferungs-kontrolle im Werk vorhanden gewesen. Vermutlich handele es sich um einen Diebstahl. Dies wäre ein Versicherungsfall.

-Bei den undichten Hydraulik-Schnellkupplungen sei bekannt, dass diese zugekauften Bauteile von minderer Qualität und fehleranfällig seien. Schnellkupplungen anderer Hersteller seien probeweise verbaut und für gut befunden worden. Aufgrund des höheren Einkaufspreises seien diese besseren Schnellkupplungen dem „Cost-down-Programm“ zum Opfer gefallen. Dies sei kein Fehler von Mitarbeitern der Produktion. Die Lieferanten seien in Anspruch zu nehmen.

-Gleiches gelte für die Schnellkupplung des Hauptauslegers.

-Dies gelte auch für die defekten Leuchtkörper.

-Der Fehler Warnleuchte Luftfilter könne ohne Rücksendung des defekten Teils nicht geklärt werden. Er habe mangels Weisungsbefugnis die Rücksendung durch den Service nicht durchsetzen können. Auch habe die Geschäftsführung der Beklagten nicht eingegriffen, noch habe sie die organisatorischen Abläufe geändert um die Fehlerursache zu klären.

-Soweit der Superlift für Kunden zu geräuschvoll war, sein dies kein Mangel, sondern ein Kundenwunsch. Die Software müsse entsprechend den Wünschen des Kunden angepasst werden.

-Bei dem defekten Windendrehmelder würde das defekte Teil benötigt, um die Fehlerursache zu klären. Es könne sich um einen Montagefehler handeln, aber auch ein Garantiefall beim Lieferanten. Ohne Weisungsbefugnis gegenüber Servicemitarbeitern könne er die Fehlerursache nicht klären.

-Die defekte Kamera beruhe darauf, dass der Lieferant mit minderer Qualität herstelle aufgrund des Cost-down-Programms. Es handele sich nicht um Fehler von Mitarbeitern der Produktion.

Sämtliche genannten Fehler seien erst im Rahmen der P. in Japan festgestellt worden, sodass überhaupt kein einziger Fehler in die Excel-Tabelle zu übertragen gewesen sei. Die Beklagte habe selbst vorgetragen, dass er als Leiter Qualitätsmanagement für eine ordnungsgemäße Erfassung aller für die Kennzahl QKPI 30 Days relevanten Umstände in einem Excel-Dokument zu sorgen habe. Dies sei nur möglich, wenn er ausreichende Informationen habe, um die Fehlermeldungen zuordnen zu können. Ansonsten wäre es betriebswirtschaftlich sinnvoller gewesen, die Dateneingabe im Bereich Service durch eine Schreibkraft vorzunehmen.

2.

Bei dem Kran 0000 T. FR habe ihm kein Übergabeprotokoll vorgelegen. Bei dem Kran 00000 T. US habe ein unterschriebenes Übergabeprotokoll gefehlt, die Fehlerbeschreibung sei oberflächlich gewesen. Er habe nicht erkennen können, welche Fehler überhaupt aufgetreten sein sollen.

3.

Bei dem Kran 00000 T. France SA sei wiederum kein Übergabeprotokoll vorhanden gewesen. Die Fehlerbeschreibung sei erneut ungenau gewesen. Hier hätte der Fehlercode, der im Lenkungscomputer angezeigt würde, wörtlich mitgeteilt werden müssen.

4.

Bei dem Kran 00000 T. FR habe ebenfalls das Übergabeprotokoll gefehlt. Auch sei ein defektes Teil nicht vorgelegt worden.

5.

Auch bei dem Endkunden Herkules hätten die Übergabeprotokolle gefehlt. Der Defekt an der Kühlmittelleitung habe auf einem Lieferantenfehler beruht. Der Fehler bei der Steuerung des Hauptauslegers sei nicht ohne weitere Unterlagen nachvollziehbar.

6.

Auch bei dem Kunden A. M. Service – 00000 – habe kein Prüfprotokoll mit einem Übergabedatum vorgelegen.

7.

Der Kran mit der Baunummer 00000 der Kundin St. sei am 20.07.20015 übergeben worden. Im Frühjahr 2018 sei der Schleifring defekt gewesen, der im Rahmen der noch bestehenden Garantie bis 19.07.2015 ausgetauscht worden sei. Dieser getauschte Ersatzschleifring sei im August 2018 erneut als defekt gemeldet worden. Der Zeuge K. habe ihn in seinem Urlaub angerufen und er habe zugesagt einen Mitarbeiter zu beauftragen, den gewünschten Schleifring zur Abholung bereit zu legen. Da er in Urlaub gewesen sei, sei er davon ausgegangen, dass die Formalien sein Mitarbeiter erledigen würde. Nach der Anhörung am 05. September 2018 habe er erstmals gehört, dass es insoweit keinen Garantieauftrag gegeben habe, den habe er dann am 06.09. nachträglich geschrieben. Für ihn liege ein Gewährleistungsfall in Form der Gewährleistung für ein eingebautes Ersatzteil vor. Auch habe er nicht die geringsten Anhaltspunkte dafür gehabt, dass die Behauptung des Zeugen K., der Schleifringkörper an dem Kran, an dem der Schleifringkörper schon im Frühjahr kaputt gewesen sei, sei defekt, nicht stimme. Die Qualitätsprobleme hinsichtlich der Schleifkörper seien hinlänglich bekannt gewesen, weshalb bereits über 200 Schleifringkörper hatten getauscht werden müssen.

Er, der Kläger, sei im August 2018 mit dem Vorgang, mit Ausnahme der telefonischen Unterrichtung durch den Zeugen K. und der Weisung an seinen Mitarbeiter Ste. am 28. August 2018, ein Ersatzteil bereitzulegen, gar nicht befasst gewesen. Er sei – urlaubsbedingt – davon ausgegangen, dass die Mitarbeiter der Beklagten die weitere Bearbeitung des Vorgangs nach Rückgabe des defekten Teils selbständig fortführen würden. Erst als Herr M. ihn dazu am 05.09.2018 befragt habe, habe er seinerseits bei seinen Mitarbeitern Rücksprache genommen. Seine Mitarbeiter hätten ihm bestätigt, dass der Zeuge K. einen defekten Schleifringkörper zurückgebracht habe. Sie hätten ihm gegenüber nicht geäußert, dass an der Seriennummer manipuliert worden sei, geschweige denn, dass der defekte Schleifringkörper nicht derjenige sei, der im Frühjahr als Ersatzteil ausgeliefert worden sei. Aus seiner Sicht sei deshalb ein Garantieantrag bei dem Lieferanten zu stellen gewesen. Er habe persönlich kein Formular ausgefüllt, noch habe er Weisung gegeben, eine Nummer, die bei Optimierung von Heizsystemen zu verwenden sei, einzusetzen. Er habe den Zeugen Ste. vielmehr angewiesen, den Vorgang unter der Nummer zu erfassen, die bereits im Frühjahr 2018 angelegt worden sei, da es denselben Kran wie bereits im Frühjahr 2018 betreffe. Dazu habe der Zeuge Ste. geäußert, dass für den Schleifringkörper, den die Kundin St. im Frühjahr zurückgegeben habe, der Lieferant Regress geleistet habe. Da die Beklagte ihn aber am 12.09.2018 freigestellt habe, könne er nunmehr aus eigenem Wissen nichts über die weitere Bearbeitung des Vorgangs bei der Beklagten begründen.

Er, der Kläger, sei davon ausgegangen, dass ihm als Qualitätsdirektor des Werkes die Aufgabe übertragen worden sei, zu prüfen, welche Mängel, die vor einer Übergabe von Kranen an Kunden als dem Zeitpunkt des Beginns der Gewährleistung gegenüber den Kunden ihre Ursache „im Werk“ der Beklagten hätten, um dann dort für die Zukunft Optimierungen anzuregen, welche Mängel – aus technischer Sicht – nach einer vom Kunden mit Unterschrift bestätigten Übergabe als Gewährleistungsfall anerkannt werden könnten. Insoweit müsse er eigene Prüfungen von Fehlermeldungen vornehmen und insbesondere fehlerhafte Teile analysieren lassen. Er habe bei gemeldeten Mängeln stets zunächst die Vorlage des Übergabeprotokolls verlangt. Daraus habe er den Zeitpunkt der Übergabe eines Krans an den Kunden ablesen können, um dann die Mängel zeitlich in solche vor der Übergabe und solche nach der Übergabe einteilen zu können. Danach habe er geprüft, ob die Mängelursache im Werk gelegen habe oder aber außerhalb. Das habe mit rechtlichen Fragen – aus seiner Sicht – nichts zu tun, sondern mit technischen.

Die Anhörung des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung seien schon deshalb nicht ordnungsgemäß erfolgt, weil die Beklagte diesen Gremien gegenüber die Einlassungen des Klägers gegenüber dem Betriebsrat nicht geschildert und schon gar nicht dargelegt habe, weshalb die Einlassungen des Klägers „reine Schutzbehauptungen“ seien. Darüber hinaus habe die Beklagte dem Betriebsrat seine, des Klägers, Pflichten nicht mitgeteilt, die ihm auferlegt gewesen seien, geschweige denn konkret beschrieben. Eine Bezifferung angeblicher oder möglicher Schäden habe die Beklagte gegenüber beiden Gremien unterlassen, sondern stattdessen ein beachtliches Volumen suggeriert. Auch habe die Beklagte dem Betriebsrat hinsichtlich des Schleifringkörpers verschwiegen, dass bei dem Gittermastraupenkran SL 0000 mit der Baunummer 00000 bereits im Frühjahr das gleiche Bauteil habe gewechselt werden müssen und der Lieferant seinerzeit dafür auch Regress geleistet habe. In einer Betriebsratsanhörung dürfe sich der Arbeitgeber nicht darauf beschränken, nur die belastenden Gesichtspunkte dem Betriebsrat mitzuteilen.

Auch wenn die Beklagte davon ausgegangen sei, dass die Betriebsratsanhörung überflüssig, da nur vorsorglich gewesen sei, sei die Schwerbehindertenvertretung auf jeden Fall zu hören gewesen. Da die Beklagte die Schwerbehindertenvertretung aber lediglich auf die Betriebsratsanhörung verwiesen habe, sei zugleich die Anhörung der Schwerbehindertenvertretung nicht ordnungsgemäß erfolgt.

Aufgrund des Zeitablaufs zwischen der Betriebsratsanhörung und der Anhörung der Schwerbehindertenvertretung bis zum Ausspruch der ordentlichen Kündigung am 08.03.2019 habe die Beklagte dem Betriebsrat am 23.11.2018 schließlich auch nicht mitteilen können, dass sie sich gegenüber dem Integrationsamt trotz dessen ausdrücklicher Aufforderung geweigert habe, den Bericht des Compliance-Teams vorzulegen. Die Beklagte hätte insoweit den Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung vor Ausspruch der ordentlichen Kündigung und der Mitteilung der zwischenzeitlich aufgetretenen weiteren Umstände erneut anhören müssen, insbesondere sei sie verpflichtet gewesen, vor ihrer Weigerung auch ihm, dem Kläger, und dem Integrationsamt Einblick in den Compliance-Bericht zu gewähren. Das gegenteilige Verhalten der Beklagten lege es nahe, dass entweder im Compliance-Bericht entlastende Umstände enthalten seien oder überhaupt kein Compliance-Bericht existiere.

Die Beklagte schildere einerseits, er, der Kläger, habe lediglich ihm gelieferte Daten durch Mitarbeiter verbuchen lassen dürfen, er habe auch nicht einer langjährigen wichtigen Kundin ein dringend benötigtes Ersatzteil im Wert von 550,00 € vorab zukommen lassen dürfen, bevor nicht die wochenlange Prüfung des Garantiefalles abgeschlossen sei, andererseits sei er, so jedenfalls die Beklagte, leitender Angestellter, da er für den Bestand des Unternehmens bedeutende Entscheidungen im Wesentlichen frei treffen dürfe.

Die Schwerbehindertenvertretung sei schließlich, anders als der Betriebsrat, auch bei der Kündigung von leitenden Angestellten zu beteiligen. Der Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung bei der Kündigung von leitenden Angestellten komme eine besondere Bedeutung zu. Verweise der Arbeitgeber vollumfänglich bei der Anhörung der Schwerbehindertenvertretung auf die Anhörung des Betriebsrates, so müsse er der Schwerbehindertenvertretung unmissverständlich mitteilen, dass ihre Anhörung nicht lediglich vorsorglich für den Fall erfolge, dass der Arbeitnehmer kein leitender Angestellter sei. Die Beklagte habe jedoch lediglich die Betriebsratsanhörung gemäß § 102 BetrVG vorgelegt, in der ausgeführt sei: „Diese Anhörung erfolge vorsorglich für den Fall, dass es sich bei ihm tatsächlich nicht um einen leitenden Angestellten in diesem Sinne handelt“. Die Anhörung der Schwerbehindertenvertretung sei daher nur für den Fall erfolgt, dass der Kläger kein leitender Angestellter sei.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis bei der Beklagten nicht durch die Kündigung vom 08.12.2018 außerordentlich und fristlos beendet worden ist.

2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 08.03.2019 zum 31.10.2019 aufgelöst werden wird.

Der Kläger hat des Weiteren beantragt, den Auflösungsantrag der Beklagten abzuweisen.

Die Beklagte hat beantragt,

1. die Klage abzuweisen.

2. Das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, die in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aufzulösen.

Die Beklagte hat vorgetragen, innerhalb der Betriebsstruktur sei der Kläger sowohl für die Beschaffungs- als auch für die Ausgangsqualität verantwortlich, d. h. für die Qualität der Maschinen, die die Produktionslinie verlassen würden. In dieser Eigenschaft sei er auch Mitglied der lokalen Geschäftsleitung und berichte unmittelbar an die Geschäftsführung. Seine Rolle als Leiter Qualitätsmanagement beinhalte unter anderem auch die ordnungsgemäße Erfassung und Bereitstellung von Leistungskennzahlen bezüglich der Produktionsqualität. Diese Kennzahlen hätten einen signifikanten Einfluss auf die Steuerung des Unternehmens in operativer und finanzieller Hinsicht. Außerdem habe er das sog. „E.-Projekt 2016“ geleitet, das darauf abziele, die zahlreichen Qualitätsprobleme der in Frankreich produzierten „Challenger-Maschinen“ anzugehen und so das Vertrauen und die Beziehung zu den Kunden wiederherzustellen. Der Kläger gehöre damit zu einer Leitungsebene, auf der bei ihr ausschließlich leitende Angestellte vertreten seien. Dementsprechend sei der Kläger bei der letzten Betriebsratswahl im Frühjahr 2018 auch dem Kreis der leitenden Angestellten zugeordnet gewesen und habe nicht an der Wahl teilgenommen, was zwischen den Parteien unstreitig ist. Folglich sei der Kläger leitender Angestellter im Sinne des Betriebsverfassungsrechts.

Das monatliche Grundentgelt habe zuletzt 10.430,00 € nebst Kontoführungsgebühr und geldwertem Vorteil der Privatnutzung des Dienstwagens betragen. Zudem erhalte der Kläger eine jährliche variable Vergütung mit einem Zielbonus von 10 % des Grundentgelts. Die variable Vergütung beruhe auf der Erreichung vorgegebener persönlicher und unternehmerischer Ziele. Die Ziele der variablen Vergütung für das Jahr 2017 und 2018 seien unter anderem in Höhe von 25 % von Leistungskennzahlen (sog. KPIs) abhängig, die im Verantwortungsbereich des Klägers lägen.

Der Kläger habe in seiner Funktion als Leiter Qualitätsmanagement unter anderem monatlich dem Geschäftsführer der Beklagten sowie den verantwortlichen Personen der Muttergesellschaft über die von ihm verantworteten KPIs zu berichten. Als KPIs würden solche Leistungskennzahlen bezeichnet, anhand derer sich der Fortschritt wichtiger Zielsetzungen bzw. der Erfüllungsgrad kritischer Erfolgs-faktoren innerhalb eines Unternehmens messen lassen würden. Auf ihrer Grundlage würden intern unternehmerische Entscheidungen vorbereitet und sie stellen extern eine Bezugsgröße für Investoren und Dritte dar. Aus diesem Grund sei die Richtigkeit und Belastbarkeit von KPIs von hoher Relevanz. Darüber hinaus sei das variable Vergütungssystem der Beklagten an die Zielerreichung bestimmter KPIs geknüpft, so dass eine evtl. Zielerreichung oder Zielunterschreitung unmittelbare Auswirkungen auf die eigene Vergütung des Klägers und hunderter weiterer Mitarbeiter habe. Sie nutze zur Messung der Produktqualität unter anderem die Qualitätskennzahl “ QKPI 30 Days“, für deren Richtigkeit der Kläger, in seiner Rolle als Leiter Qualitätsmanagement, verantwortlich sei. Durch sie werde eine Aussage über die Qualität der ausgelieferten Maschinen getroffen, in dem die durchschnittliche Anzahl der Mängel pro Maschinentyp gemessen werde. Diese KPIs sei abhängig von der Anzahl der zur Messung dieses Wertes erfassten Maschinen sowie von der Anzahl der Mängel dieser Maschinen; er werde ausgedrückt in der Einheit „durchschnittliche Anzahl der Mängel pro Maschinentyp“. Im Produktionsprozess der Beklagten gebe es für die Erfassung von Qualitätskennzahlen zwei relevante technische Überprüfungen. Diese seien zum einen die „Green Tag“ Überprüfung und zum anderen die Auslieferungskontrolle (PDI). Bei der Green Tag-Überprüfung handele es sich um eine erste Überprüfung jeder Maschine durch lokale Qualitätsmitarbeiter nach Verlassen der Produktionsstraße. Mangelhafte Maschinen würden zur Fehlerbehebung zurück in die Produktion gegeben. Eine nach diesem Qualitätstest fehlerfreie Maschine erhalte hingegen ein grünes Etikett (Green Tag), verlasse die Produktion und werde anschließend einer finalen Überprüfung, der Auslieferungskontrolle (PDI) unterzogen. Im Zuge der PDI werde die Qualität der Maschinen letztmalig überprüft, bevor sie den Betrieb der Beklagten verlasse. Sollten hier Mängel an einer Maschine festgestellt werden, so werde diese zur Behebung der Mängel in die Produktion zurückgegeben. Grundsätzlich dürfe eine Maschine erst dann ausgeliefert werden, wenn sie die PDI durchlaufen und bestanden habe. Lediglich in Ausnahmefällen könne der Geschäftsführer der Beklagten, nach Rücksprache mit den entsprechenden Führungskräften, den Ablauf umgehen, so dass eine Maschine ohne vormalige PDI an den Kunden ausgeliefert werde. Habe eine Maschine die zuvor genannten internen Inspektionen bestanden, so werde eine „Ship Release“-Bescheinigung ausgestellt. Hierbei handele es sich um ein unterschriebenes Dokument, ohne welches der Versand zum Kunden nicht vollzogen werde. Nachdem eine Maschine derart zum Versand freigegeben worden sei, werde diese intern nicht der Produktion zugeordnet, so dass etwaig noch entstehende Kosten ebenfalls grundsätzlich nicht mehr der Produktion zugeordnet würden.

Die Auslieferung einer Maschine (Commissioning) bestehe aus mehreren Arbeitsschritten, die alle in der Verantwortung des der Produktion nachgeschalteten Kundendienstes stünden. Die Tätigkeit bestünde darin, die Maschine durch Montage und Installation beim Kunden in Betrieb zu nehmen und die wichtigsten Komponenten und Funktionen zu testen. Alle Vorbereitungen und die technische Koordinierung würden von einem T.-Servicekoordinator durchgeführt, während die Aktivitäten vor Ort von einem T.-Außendiensttechniker mit Unterstützung des Kunden geleitet würden. Es liege in der Verantwortung des Außendiensttechnikers, alle am Gerät durchgeführten Arbeiten in einem Übergabeprotokoll festzuhalten. Dieser Bericht enthalte auch alle während der Inbetriebnahme identifizierten Probleme, welche in das Client Relation Management Computersystem „Sales Force“ zu übertragen seien, um später als Teil der QKPIs gemeldet zu werden. Nach erfolgreichem Abschluss der Inbetriebnahme unterzeichne der Kunde das offizielle Übergabeprotokoll. Das Gerät gelte dann als in Betrieb genommen und die Gewährleistung werde aktiviert.

Für die operative Steuerung des Unternehmens sei die korrekte Zuordnung auftretender Mängel folgerichtig essentiell. Aus produktionstechnischer Sicht liege dies daran, innerbetriebliche Fehlerquellen schnellstmöglich aufzudecken. Aber auch aus rechtlicher Sicht sei die korrekte Zuordnung von Bedeutung, um Garantiefälle, Gewährleistungsfälle und Instandhaltungsaufträge unterscheiden zu können. In diesem Zusammenhang sei die Kennzahl QKPI 30 Days von überragender Bedeutung. Ein Mangel werde von ihr immer nur dann erfasst, wenn er bei der Auslieferung (Commissioning) oder in den darauffolgenden 30 Tagen festgestellt werde. Mängel, die bereits zuvor bei der Green Tag-Untersuchung oder der Auslieferungskontrolle festgestellt würden, fielen demnach nicht in die QKPI 30 Days und würden auch von keiner anderen relevanten Qualitätskennzahl erfasst, sondern schlichtweg der Produktion zugeordnet.

In seiner Funktion als Leiter Qualitätsmanagement habe der Kläger für eine ordnungsgemäße Erfassung aller für die Kennzahl QKPI 30 Days relevanten Umstände in einem Excel-Dokument zu sorgen. Die Daten in diesem Excel-Dokument würden zum Teil unverändert aus dem Client Relation Management Computersystem Sales Force stammen, zum Teil würden sie aber auch manuell eingegeben. Hierfür sei eine Tabelle zu vervollständigen, in der das Übergabedatum in der Spalte „Ü-Datum“ einzutragen sei und in der Spalte „Ü-Protokoll“ angegeben werde, ob ein Übergabeprotokoll vorhanden sei. Fehle die Eintragung des Übergabe-datums, würden von der Excel-Tabelle keine Maschinen und keine Mängel gezählt, die Spalte „Commission Failure +30“ bliebe somit leer, selbst wenn es solche Mängel tatsächlich gäbe. Werde in der Spalte Ü-Protokoll ein „N“ für Nein eingetragen, werde zwar die Maschine, würden aber nicht die etwaigen Mängel gezählt. In beiden Fällen sei der sich aus der Anzahl der Maschinen und der Anzahl der Mängel berechnete QKPI 30 Days-Wert falsch. Diese Tabelle werde vom Mitarbeiter, Herrn St. L., vorbereitet und anschließend mit Herrn A. besprochen, der für die Richtigkeit der QKPI 30 Days-Kennzahl die alleinige Verantwortung trage.

Auf der Grundlage dieser Excel-Kalkulation informiere der Kläger monatlich das T. Leadership-Team der Muttergesellschaft auch über die Kennzahl QKPI 30 Days. Mitglieder dieses Leadership-Teams seien unter anderem der Geschäftsführer der Beklagten, der T.-Cranes Finance Vice President und der T.-Cranes Segment President.

Das konzerneigene, aber unternehmensexterne, Compliance-Team der Muttergesellschaft habe durch einen anonymen Hinweis am 21. Juni 2018 Kenntnis von angeblichen Unregelmäßigkeiten im Qualitätsmanagement der Beklagten im Zuständigkeitsbereich des Klägers erhalten. Im Rahmen der daraufhin durchgeführten Ermittlungen seien sodann folgende Sachverhalte ermittelt worden:

Der Kläger habe die Qualitätskennzahl QKPI 30 Days zu Lasten des Unternehmens beeinflusst.

Am 15.06.2018 habe der Kläger dem T.-Cranes Leadership-Team in Form einer monatlichen Präsentation über die aktuelle Entwicklung der ihm anvertrauten Kennzahlen berichtet. Dazu zähle auch die Kennzahl QKPI 30 Days. Obwohl der Kläger dafür zu sorgen habe, dass die Daten richtig und ordnungsgemäß eingepflegt würden, um einen korrekten und belastbaren Wert zu erhalten, habe er vorsätzlich unzutreffende Werte gemeldet, mit der Absicht u. a. seine variable Vergütung unrechtmäßig zu steigern. Denn indem Übergabedaten nicht in dem dafür angelegten Excel-Dokument aufgeführt worden seien, seien von ihr, der Beklagten, zu wenige Maschinen und zu wenige Mängel berücksichtigt worden. So sei u. a. der Fehler des Gerätes mit der Baunummer 0000 für den Kunden A. Machinery Service – für den der Kläger zudem als Key-Account-Manager unmittelbar zuständig gewesen sei – nicht berücksichtigt. Zu ähnlichen Vorfällen sei es bei den Maschinen mit den Baunummern 00000, Typ AC 160-5, der Maschine mit der Baunummer 00000, Typ AC 130-5, der Maschine der Baunummer 00000, Typ AC 220-5/AC 250-5, der Maschine der Baunummer 00000, Typ AC 350-6, der Maschine der Baunummer 00000, Typ AC 55-3 und der Maschine mit der Baunummer 000000, Typ AC 100/4 L gekommen. Die tatsächlich festgestellten Mängel der Maschinen, die grundsätzlich in den Anwendungsbereich der QKPI 30 Days nach Kommissionierung gefallen wären, seien nicht erfasst worden, weil in der vorgesehenen Excel-Tabelle ein Übergabeprotokoll bewusst nicht angegeben worden sei. Ein solches Übergabeprotokoll werde jedoch bei jeder Kommissionierung durch den verantwortlichen Außendiensttechniker stets erstellt und diene als Grundlage für die Übertragung festgestellter Mängel in das Sales Force-Programm.

Auch habe der Kläger falsche Angaben für die QKPI 30 Days im Fall AC 700-8 (Seriennummer 00000) für den Kunden J. Japan, zu Lasten des Unternehmens gemacht. Die Auslieferung dieses Krans und dessen Inbetriebnahme beim Kunden J. in Japan habe unter der Leitung des PDI-Technikers S. K. und des Außendienst-Technikers M. Z. im Mai 2018 stattgefunden. Im Rahmen dieses Kundenauftrages hätten die beiden Techniker am 02.05.2018 ein Protokoll über zwölf an der Maschine festgestellten Mängel bei der Auslieferung und Inbetriebnahme angefertigt. Dieses sei von beiden Technikern unterzeichnet worden. Der Kläger habe in seinem Bericht des QKPI 30 Days jedoch gezielt nur zwei der zwölf festgestellten Mängel aufgenommen. Alle zehn weiteren Mängel habe der Kläger gegenüber der Geschäftsführung bewusst geheim gehalten. Nach einer wohlwollenden Betrachtung seien bestenfalls sechs dieser Mängel solche, die auf den Transport zurückgeführt werden könnten. Die Fehler 1, 5, 7, 8, 9 und 12 hätten dagegen folgerichtig im Zuge des Berichts der QKPI 30 Days berücksichtigt werden müssen, da sie ohne Zweifel in den Messbereich der Kennzahl fielen. Auch insoweit habe der Kläger unrichtige Daten in die dafür vorgesehene Excel-Tabelle eingetragen und ohne rechtfertigenden Grund am 15.06.2018 bewusst falsche Werte an die Geschäftsführung berichtet, um seine variable Vergütung unrechtmäßig zu erhöhen; damit habe er das Vermögen der Beklagten gefährdet.

Zudem habe der Kläger insoweit auch im Zuge der Ermittlungen bewusst falsche Angaben gemacht. Denn mit diesem Vorwurf am 05.09.2018 im Rahmen der Anhörung konfrontiert, im Fall AC 700-8 für den Kunden J. seien seine für die QKPI 30 Days relevanten Angaben zu Lasten des Unternehmens falsch, habe der Kläger erklärt, es habe sich um Mängel gehandelt, die dem PDI zuzuordnen gewesen seien und die daher nicht von der Kennzahl QKPI 30 Days erfasst würden. Damit habe der Eindruck erweckt werden sollen, es handele sich um Mängel, die nicht der Kommissionierung zuzuordnen seien. Dies sei von Belang, weil Mängel während des PDI anders als während der Kommissionierung, nicht Teil der Kennzahl QKPI 30 Days seien. PDI-Mängel hätten damit auch keinen Einfluss auf die variable Vergütung des Klägers und der Mitarbeiter.

Auf Nachfrage des unternehmensexternen Compliance-Teams der Muttergesellschaft habe der Kläger zudem zur Stützung seiner Behauptung, es habe sich um PDI-Mängel gehandelt, eine von der Mitschrift der Mitarbeiter abweichende gefälschte Fassung erstellt und dem Compliance-Team am 06.09.2018 per E-Mail übersandt. Zum einen sei in der Überschrift das Wort „Complained“ in „Damaged“ geändert worden. Dadurch habe der Kläger beabsichtigt, zu vertuschen, dass die aufgeführten Mängel durch den Kunden im Rahmen der Auslieferung beanstandet worden seien. Zum anderen sei das Wort „Commissioning“ durch PDI ersetzt, um die festgestellten Mängel der Auslieferungskontrolle zuordnen zu können. Außerdem sei in der letzten Zeile der Co-Autor „M. Z.“ gelöscht worden. Letzteres unterstreiche aus ihrer, der Beklagten, Sicht, deutlich, wie systematisch der Kläger vorgegangen sei. Er habe ersichtlich und vorsätzlich und mit Verdeckungsabsicht gehandelt. Er habe auf Seite 1 der monatlichen Präsentation im Juni 2018 ausgeführt, dass diese Maschine zwei Mängel habe, die sich auf die QKPI 30 Days auswirken würden. Er habe die Beklagte also im Zuge der Ermittlungen vorsätzlich durch Verfälschung eines Dokumentes täuschen wollen, um sein Fehlverhalten zu vertuschen. Zudem habe der Kläger falsche SAP-Nummern bewusst genutzt und bewusst falsche Angaben von Gewährleistungsfällen gemacht.

Im Zusammenhang mit der Maschine AC 700-8 der Seriennummer 00000 für den Kunden J., habe der Mitarbeiter D. L. nach Rückkehr mit dem Techniker H. Z. zunächst die zur Reparatur erforderlichen Ersatzteile bestellt und den Vorgang entsprechend im CRM-System „Sales Force“ erfasst. Wenige Tage nach der Bestellung habe der Kläger Herrn L. telefonisch kontaktiert und angewiesen, zu veranlassen, dass dies storniert werde, weil der Vorgang sonst direkt einen negativen Einfluss auf die Kennzahl QKPI 30 Days und folglich unmittelbar auf seine variable Vergütung und die von Produktionsmitarbeitern habe. Darüber hinaus habe der Kläger Herrn L. mitgeteilt, dass sich die ihm unterstellten Mitarbeiter um die Lieferung der Ersatzteile an den Kunden kümmern würden. Diese Vorgehensweise widerspreche dem vorgeschriebenen Prozess aber erheblich und habe lediglich der Geheimhaltung seiner betrügerischen Absichten gedient. Herr L. sei der Anweisung gefolgt und habe die Abteilung für Ersatzteile in Zweibrücken entsprechend per E-Mail mit Datum vom 04.05.2019 instruiert.

Im Ergebnis sei so auf direkte Veranlassung des Klägers in SAP anstelle einer Serviceorder eine Instandhaltungsmeldung vorgenommen worden. Instandhaltungsmeldungen würden jedoch nur bei Mängeln verwendet, die vor Freigabe zum Versand feststünden, da entsprechende Kosten der Produktion zugeordnet würden. Würden solche Mängel später auftreten, würden diese Kosten für interne Zwecke anders erfasst, unter anderem je nach konkretem Fall als „Warranty-Expenses“. Die entsprechende Leistungskennzahl für Gewährleistungskosten werde als QKPI Warranty-Expense bezeichnet. Der Kläger habe dem T.-Cranes Leadership-Team auch über diese Kennzahl monatlich zu berichten. Indem der Kläger die korrekte SAP Service-Order habe stornieren lassen und eine IH-Meldung veranlasst habe, habe er die QKPI Warranty-Expenses unzutreffend positiv manipuliert und ihr einen zu geringen, nicht den tatsächlichen Umständen entsprechenden, Wert berichtet. Bei dieser Qualitätskennzahl handele es sich um einen wichtigen Gradmesser für die Qualität der Produkte. Deshalb stelle die Kennzahl QKPI Warranty-Expenses ein relevantes Unternehmensziel dar, das unter einer Zielgröße von 1,5 % der geplanten Jahreseinkünfte liegen solle. Sämtliche Kosten seien daher in diesem Fall im Programm Sales Force so behandelt worden, als seien sie dem Produktionsbereich zuzuordnen, obwohl dies sogar nach den eigenen Angaben auf Seite 1 der Präsentation des Klägers jedenfalls für zwei Mängel nicht zutreffe. Er habe den Mitarbeiter, Herrn Ste., dennoch bewusst angewiesen, diese Teile per Instandhaltungsmeldung behandeln zu lassen und direkt an die Kunden zu liefern. Zudem habe der Kläger den Mitarbeiter Herrn G. angewiesen, diese Meldung zu bestätigen.

Weiterhin habe der Kläger eine Vermögensschädigung der Beklagten im Fall St. Kranarbeiten GmbH & Co KG begangen. Für seine Tätigkeit als Leiter Qualitätsmanagement hinaus sei der Kläger auf eigenen Wunsch außerdem mit der Betreuung ausgewählter Key-Accounts betraut gewesen, die er schon in der Vergangenheit jahrelang als Key-Account-Manager betreut habe. Im Rahmen des Key-Account-Managements habe er u. a. die Kundin St. Kranarbeiten GmbH & Co KG betreut. An diese sei ein Gittermast-Raupenkran LL 3800 mit der Baunummer 36147 geliefert worden. Die Übergabe sei am 20.07.2015 erfolgt, sodass die Gewährleistung am 19.07.2018 geendet habe. Obwohl dem Kläger bekannt gewesen sei, dass der Gewährleistungszeitraum bereits abgelaufen gewesen sei, habe er der Kundin am 28.08.2018 zu Lasten der Beklagten einen Ersatzschleifring im Wert von 550,00 € zukommen lassen. Auf Anweisung des Klägers sei von dem ihm, dem Kläger, unterstellten Mitarbeiter, Herrn Ste., am 21.08.2018 in SAP ein Auftrag beginnend mit der Nummer 42, die für Garantiefälle genutzt werde, für einen Schleifring angelegt worden. Der Vorgang sei unter der Auftragsnummer 42093620 verbucht worden. Zu diesem Zeitpunkt sei die Gewährleistung aber bereits seit ca. einem Monat abgelaufen gewesen, es habe also überhaupt kein Gewährleistungsfall vorgelegen. Die Abholung sei direkt durch die Kundin am 28.08.2018 erfolgt.

Nachdem der Kläger auf diesen Vorgang am 05.09.2018 im Rahmen seiner Anhörung durch das unternehmensexterne Compliance-Team angesprochen worden sei, sei am 06.09.2018 – also erst nach diesem Gespräch – ein sog. Garantie-/Kulanzantrag Feldware auf seine Veranlassung erstellt worden, der ebenfalls allein der Vertuschung seines Handelns gedient habe und habe suggerieren sollen, der Kunde habe eine entsprechende Reklamation getätigt. Als Schadensdatum sei darin der 11. April 2017 angegeben worden, was tatsächlich nicht zutreffe. Vor allem aber werde in der Fehlerbeschreibung auf die Client Relation Management Case Nr. 00118850 Bezug genommen. Diese Fallnummer sei aber für Aufträge bestimmt, die einen Bezug zu einer Product Notice Z. 16020-01 hätten, in der es um die Optimierung des Kabinen-Vor-Heizsystems für ein Modell dieses Typs gehe. Der Schleifring habe aber nichts mit diesem Vorheizungssystem zu tun. Die Kosten, die der Kläger vorsätzlich zu ihren Lasten für einen tatsächlich nicht vorliegenden Gewährleistungsfall verursacht habe, habe er insofern versucht, erneut durch Verfälschung von Dokumenten zu vertuschen.

Die umfangreichen Ermittlungsergebnisse des unternehmensexternen Compliance-Teams seien am Freitag, den 09.11.2018 fertiggestellt und an den Personalleiter, Herrn Schä., übersandt worden. Am Mittwoch, den 14.11.2018, sei der allein kündigungsberechtigte Geschäftsführer, Herr Sch., durch Herrn Schä. über sämtliche Erkenntnisse und Verdachtsmomente in Kenntnis gesetzt worden. Auf dieser Grundlage habe die Beklagte am 21. November 2018 den Kündigungsentschluss gefasst.

Zumindest liege hinsichtlich aller zuvor dargelegter Pflichtverletzungen ein dringender Verdacht auf Tatbegehung vor, so dass die Kündigung ebenfalls wegen des Verdachts der Tatbegehung begründet sei. Maßgeblich komme es insoweit darauf an, ob ein auf objektive Tatsachen gestützter Verdacht vorliege, dass der Mitarbeiter eine schwere Pflichtverletzung begangen habe. Da der Kläger leitender Angestellter sei, sei eine Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG nicht erforderlich gewesen. Ihr, der Beklagten, könne unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden. Schließlich habe es keiner Abmahnung bedurft. Dem Kläger müsse bewusst gewesen sein, dass die Manipulation der Berichtskennzahlen, die einen positiven Einfluss auf seine variable Vergütung habe, von der Beklagten als ein erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Fehlverhalten angesehen werden würde. Gleiches gelte für die rechtswidrige Deklarierung von Teilen als Gewährleistungsfall, wodurch dem Unternehmen ebenfalls ein Vermögensschaden in dreistelliger Höhe entstanden sei. Er, der Kläger, sei sich auch im Klaren darüber gewesen, dass sein Tun vertragswidrig sei. Anders lasse es sich nicht erklären, dass der Kläger bereits während der ersten Anhörung am 05.09.2018, ohne vorherigen Hinweis durch die Beklagte, von sich aus auf das Geschehen rund um die Auslieferung des Krans Typ 700-8 zu sprechen gekommen sei.

Insbesondere aus dem Nachtatverhalten des Klägers werde zudem deutlich, dass er keine Bereitschaft und Fähigkeit zeige, seine Verhaltensweisen zu ändern. Zunächst habe der Kläger die ihm vorgeworfenen Pflichtverletzungen geleugnet, um sodann der Beklagten gefälschte Dokumente vorzulegen, die seine Pflichtverletzungen widerlegen sollten. Er habe ferner interne Buchungsvorgänge manipuliert, um sein Fehlverhalten zu vertuschen. In dieser Manipulation und der Vorlage von gefälschten Dokumenten sei eine von ihr, der Beklagten, keinesfalls hinnehmbare Grenzüberschreitung zu sehen. Ein derartiger Umgang mit seinem pflichtwidrigen Verhalten lasse keinen Raum im Zusammenhang mit dem Erfordernis einer Abmahnung erforderliche positive Prognoseprüfung.

Des Weiteren sei die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB entgegen der Auffassung des Klägers vorliegend gewahrt worden. Das externe Compliance-Team habe nach einem anonymen Hinweis schnellstmöglich und umfassend die kündigungsrelevanten Umstände ermittelt. Dabei seien diese Ermittlungen erheblich dadurch verzögert worden, dass der Kläger selbst falsche Angaben gemacht und manipulierte Dokumente bereitgestellt habe. Zudem seien vom Kläger verantwortliche Angaben im Client Relation Management Computer Program Sales Force fehlerhaft oder gar nicht erst vorhanden gewesen, was die Ermittlungen ebenfalls erheblich verzögert habe. Während dieser Zeit der externen Ermittlungen habe der allein kündigungsberechtigte Geschäftsführer der Beklagten keinerlei Kenntnis von den kündigungsrelevanten Umständen gehabt. Die internen Ermittlungen seien durch einen abschließenden Bericht am 09.11.2018 beendet worden. Der Bericht sei sodann noch am gleichen Tag an den Personalleiter, Herrn Schä., übermittelt worden. Am 14.11.2018 sei der Geschäftsführer der Beklagten, Herr Sch., als Kündigungsberechtigter durch Herrn Schä. über alle die Kündigung begründenden Umstände informiert worden. Nach alldem sei die Zwei-Wochen-Frist gewahrt.

Hinsichtlich des Vorfalls bei der Kundin St. sei es nachweislich frei erfunden, dass ein Gewährleistungsfall in Form der Gewährleistung für ein eingebautes Ersatzteil vorliege. Bei dem Schleifringkörper mit der Seriennummer 340659.05-3 handele es sich insbesondere nicht um eines der beiden Austauschteile, die für die mangelhaften Schleifringkörper mit den Seriennummern 340659.05-2 und 340659.05-4 ersatzweise ausgeliefert worden seien und für die eine neue Gewährleistungsfrist gelaufen sei. Der Schleifringkörper mit der Seriennummer 340659.05-3 sei laut Herstellerangaben bereits im März 2014 produziert, an die Beklagte geliefert und von ihr im Kalenderjahr 2015 in einen anderen Kran verbaut worden. Demnach sei dieser folglich nicht erst im November 2017 – also 3,5 Jahre nach seiner Herstellung – als Ersatzteil an die Kundin Steil geliefert worden. Auch die starke Abnutzung des Schleifringkörpers belege eine mehr als zweijährige Nutzung vor dem 21.08.2018. Der Schleifringkörper müsse demzufolge bereits deutlich vor dem angeblichen Austausch im Einsatz gewesen sein. Hinzuweisen sei zudem darauf, dass versucht worden sei, die Seriennummer unkenntlich zu machen. Als Schadensdatum sei im Garantie-/Kulanzantrag vom 06.09.2018 gegenüber dem Hersteller als Schadensdatum der 11.04.2017 angegeben worden. Dieses Datum liege noch vor dem ersten (akzeptierten) Garantieantrag für die mangelhaften Schleifringkörper dieses Krans, jedenfalls aber deutlich vor dem angeblich nunmehr behaupteten weiteren Garantiefall. Zufälligerweise sei dieser Garantie-/Kulanzantrag am 06.09.2018 genau einen Tag nach der ersten Befragung des Klägers zu den angeblichen Fälschungen – Unregelmäßigkeiten – durch Herrn M. erfolgt. Der Garantie-/Kulanzantrag vom 06.09.2018 sei sodann vom Hersteller richtigerweise unter Hinweis auf die bereits abgelaufene Garantiezeit abgelehnt worden. Es sei folglich bereits zum damaligen Zeitpunkt nicht nur erkennbar, sondern völlig offensichtlich gewesen, dass für den defekten Schleifringkörper mit der Seriennummer 340659.05-3 unter keinem denkbaren Gesichtspunkt ein Gewährleistungsfall gegeben gewesen sei. Unstreitig habe der Kläger der Kundin St. dennoch am 28.08.2018 einen weiteren Ersatzschleifring zukommen lassen. Der eigentlich zuständige Kundendienst sei durch den Kläger nicht eingebunden worden. Auch eine Hinterlegung beim Pförtner widerspreche der üblichen Praxis.

Zudem seien die Äußerungen des Klägers in seinem schriftsätzlichen Vorbringen rufschädigend und diffamierten die Beklagte und ihre Verantwortlichen. Die Rechtfertigung des Klägers zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen bestehe über weite Teile seines Vorbringens darin, unsubstantiierte Gegenvorwürfe zu erheben und ein negatives Bild der Beklagten zu zeichnen, das vor allem Glauben machen solle, die Beklagte habe „aus Kostengründen Bauteile durch die Produktion verbauen lassen, die in der Vergangenheit eine hohe Fehlerquote aufwiesen“ und dass „diese zugekauften Bauteile von minderer Qualität seien“, allein um den Produktionsmitarbeitern „ihren Bonus systematisch zu verwehren“. Zusätzlich werfe der Kläger ihr vor, in solchen Fällen „doppelt abzurechnen“, indem zusätzlich zu einem möglichen Regress beim Lieferanten entsprechende Fehler den Produktionsmitarbeitern „zugerechnet“ würden, um ihre Prämie zu reduzieren. Sodann trage der Kläger z.B. auf Seite 17 seines Schriftsatzes vom 22.03.2019 vor, „dass die zugekauften Bauteile von minderer Qualität und fehleranfällig seien“. Andere Bauteile (Schnellkupplungen) seien probeweise verbaut und für gut befunden worden, aufgrund des höheren Einkaufspreises aber dem „Cost-Down-Programm“ zum Opfer gefallen. Mängel der billigeren Bauteile seien aber keine Fehler von Mitarbeitern der Produktion; „die Lieferanten seien in Anspruch zu nehmen“. Diese Vorwürfe seien völlig haltlos und müssten mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen werden. Der Kläger könne nicht ernsthaft behaupten, die Beklagte lasse aus betriebswirtschaftlichen Gründen systematisch „Bauteile minderer Qualität“ verbauen, um den Produktionsmitarbeitern ihren Bonus zu verwehren. Warum der Kläger insoweit die Beklagte, ihre Verantwortlichen, aber auch ihre Zulieferer durch seine haltlosen Äußerungen in Verruf bringe, sei unergründlich und widerspreche jedweder Redlichkeit.

In diesem Zusammenhang sei auch die charakterliche Eignung des Klägers als Führungspersönlichkeit nachhaltig in Frage gestellt. Die zunächst für die Beklagte unerwarteten Äußerungen zahlreicher Mitarbeiter, nicht mehr mit dem Kläger zusammenarbeiten zu wollen, seien nunmehr umso nachvollziehbarer. Zugleich seien die vom Kläger erhobenen Vorwürfe derart pauschal und unsubstantiiert, dass sie nicht einlassungsfähig seien. Der Kläger benenne keinen einzigen Fall, an dem sich seine Pauschalbehauptungen belegen ließen. Auf diese Weise nehme er ihr, der Beklagten, geschickt jede Möglichkeit, diese Vorwürfe zu entkräften. Er zeichne so ein Bild, dass eine „Stimmung“ erzeugen solle. Diese „Stimmung“ lasse sich natürlich unabhängig davon erzeugen, ob die insoweit erhobenen Anschuldigungen tatsächlich zuträfen oder aber nicht, was das Ganze so perfide mache. Dass dies in verleumderischer Art und Weise erfolge, scheine ihn, den Kläger, weder zu hindern noch zu interessieren.

Das Arbeitsgericht hat im Kammertermin vom 11.04.2019 Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Reinhard K.; hinsichtlich des Inhalts des Beweisbeschlusses vom 11.04.2019 wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift des Kammertermins vom 11.04.2019 (S. 3 = Bl. 359 d. A.). Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Seite 4-6 der Sitzungsniederschrift (Bl. 360-362 d. A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern- Auswärtige Kammern Pirmasens – hat daraufhin durch Urteil vom 11.04.2019 – 6 Ca 603/18 – festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Beklagten nicht durch die Kündigung vom 08.12.2018 außerordentlich und fristlos beendet worden ist, ebenso wenig durch die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 08.03.2019 zum 31.10.2019, es hat des Weiteren die Beklagte verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtstreits als Director Quality und Product Delevery Inspection zu beschäftigen und schließlich den Auflösungsantrag der Beklagten zurückgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 382-427 d. A. Bezug genommen.

Gegen das ihr am 29.05.2019 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 24.06.2019 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 29.08.2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem zuvor auf ihren begründeten Antrag hin durch Beschluss vom 08.07.2019 die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 29.08.2019 verlängert worden war.

Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor,

die Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB sei vorliegend eingehalten worden. Die Beklagte habe aus verständigen Gründen und mit der gebotenen Eile, also nach pflichtgemäßem Ermessen, weitere Ermittlungen durchgeführt, nachdem sie erste Hinweise auf Unregelmäßigkeiten im Arbeitsbereich des Klägers bekommen habe. Erst danach habe sich die Beklagte eine umfassende, zuverlässige und abschließende Kenntnis des Kündigungssachverhalts verschaffen können. Der zum damaligen Zeitpunkt allein kündigungsberechtigte Geschäftsführer der Beklagten, Herr Sch., habe erst am 14.11.2019 von den für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen Kenntnis erlangt. Am 21.11.2019 habe er den Kündigungsentschluss unter Fristwahrung getroffen.

Am 26.06.2018 habe ein erstes persönliches Gespräch mit dem anonymen Hinweisgeber stattgefunden. Am 03.07.2018 seien zunächst erste belastende Dokumente dem Compliance Team zur Verfügung gestellt worden, die einen Anfangsverdacht begründeten. Am 06.07.2018 habe das Team um Herrn M. erstmals Zugriff auf das interne Customer-Relations-Ship-Management (CRM)-Programm „sales force“ erhalten. Nachdem Herr M. Einsicht in die kennzahlenabhängige Vergütungsvereinbarung zwischen den Parteien erhalten habe, sei am 10.07.2018 zunächst eine Schulung hinsichtlich des CRM-Programms „sales force“ erforderlich gewesen, da er dieses nicht in seinem Arbeitsalltag verwende. Vom 11.-18.07.2018 sei Herr M. urlaubsbedingt abwesend und aufgrund anderweitiger Arbeitsaufgaben daran gehindert gewesen, weitere Ermittlungen anzustellen. Ab dem 18.07.2018 habe er sodann mehrfach das Programm „sales force“ hinsichtlich der Vorwürfe gegen den Kläger untersucht und dabei sukzessive Dokumente gefunden, die die Vorwürfe erhärteten. Am 30.07.2018 habe eine interne Besprechung von Herrn M. mit der „Finance Managerin“ der Muttergesellschaft stattgefunden, Frau N.. Dabei sei der Ermittlungsstand erörtert und entschieden worden, dass im Folgenden auch das SAP-Programm auch auf interne Finanzbewegungen untersucht werden solle. Es sei besonders auf etwaige Gewährleistungsfälle ohne Berücksichtigung des intern vorgeschriebenen Verfahrens geprüft worden. Am 08.08.2018 habe eine weitere Besprechung zwischen Herrn M., Herrn Schä. (Personalleiter der Beklagten), Herrn B. (Director Parts Cranes EMEAR beim Mutterkonzern) stattgefunden, um über den aktuellen Stand der Ermittlungen zu berichten. Zudem sei der Entschluss gefasst worden, die zuständigen Service- und Finanzabteilungen zu den Vorwürfen zu befragen, da sich die einzelnen Vorwürfe durch die IT-Programme nicht voll umfänglich nachvollziehen und sich die Verdachtsmomente damit noch nicht voll umfänglich beweisen ließen. Herr M. habe einen weiteren Mitarbeiter in die Fallbearbeitung einbezogen (Frau K.) und sei nach Zweibrücken gereist.

Am 14.08.2018 sei es dann zu einem zweiten Treffen mit dem ursprünglichen Hinweisgeber gekommen. Dieser habe weitere Details der ersten Vorwürfe mitgeteilt. Es seien aber auch neue Vorwürfe aufgekommen, die weitere Ermittlungen notwendig gemacht hätten. Dabei sei es insbesondere um die Abläufe betreffend die Gewährung eines Garantiefalls gegenüber dem Kunden St. Kranarbeiten gegangen. Da sich durch die weitere Untersuchung des SAP-Programms nun die Vorwürfe erhärtet hätten, habe Herr M. die originalen Back-up-Daten, die zur Bemessung der QKPI 30 Days erforderlich seien, erbeten. Diese habe das Compliance Team erst am 22.08.2018 erhalten, um die Ermittlungen fortzusetzen. Bis zum 30.08.2018 seien sodann detailliert SAP-Vorgänge überprüft worden, die mit den Vorwürfen durch den Hinweisgeber in Verbindung standen.

Erst im Anschluss daran hätten die Ermittlungsergebnisse in dem Umfang festgestanden, dass der Kläger erstmals mit den Vorwürfen habe konfrontiert werden können. Am 03.09.2018 sei Herr M. deshalb nach Zweibrücken gereist, um den Kläger und seine Kollegen persönlich zu den Vorwürfen zu befragen. Diese Interviews seien bis zum 05.09.2018 erfolgt. Aufgrund weiterer klärungsbedürftiger Punkte und nach Rücksprache zwischen Herrn M. und den übergeordneten Führungskräften des Mutterkonzerns habe ein weiteres Interview mit dem Kläger stattfinden sollen, zu dessen Vorbereitung der Kläger am 07. und 11.09.2018 weitere Unterlagen an Herrn M. übersandt habe. Am 12.09.2018 sei der Kläger erneut angehört und daraufhin freigestellt worden.

Vom 14.-18.09.2018 habe sich Herr M. auf verschiedenen anderweitigen Geschäftsreisen und im Anschluss im Erholungsurlaub befunden. Am 25.09.2018 habe Herr Schä. einen weiteren Bericht des Mitarbeiters Me. bzgl. des Vorwurfs der Manipulation von Qualitätskennzahlen durch den Kläger erhalten, der den Verdacht gegen den Kläger erhärtet habe. Nach Beendigung seines Erholungsurlaubs am 10.10.2018 habe Herr M. zunächst vorrangige Angelegenheiten bearbeiten müssen; am 22.10.2018 habe er mit der Erstellung eines umfassenden Ermittlungsberichts beginnen können, der am 05.11.2018 fertiggestellt und am 09.11.2018 zunächst den Personalleiter der Beklagten in Zweibrücken erreicht habe. Nach Weiterleitung habe dieser dem Geschäftsführer der Beklagten am 14.11.2018 vorgelegen.

Eine frühere Anhörung des Klägers sei in jedem Fall zu vermeiden gewesen, da diese auf den Betriebsfrieden unumkehrbare Auswirkungen haben könne und in der Regel das Betriebsklima in einem irreversiblen Maße störe. Die Ermittlungen seien hinreichend zügig betrieben worden; der Beklagte sei nicht verpflichtet, zusätzliches Personal zur Aufarbeitung von Kündigungssachverhalten bereitzuhalten.

Die Erkenntnisse des Compliance-Teams müsse sich der kündigungsberechtigte Geschäftsführer Sch. nicht anrechnen lassen. Denn Herr Mo. sei mit der Stellung eines gesetzlichen und rechtsgeschäftlichen Stellvertreters der Beklagten nicht vergleichbar. Er habe z. B. ohne vorheriges Einverständnis des ihm vorgesetzten Compliance-Officers keinen Zugang zum Kunden-Management-System „sales force“, um die notwendigen Ermittlungen durchzuführen. Die Aufgabe einer Compliance-Abteilung bestehe zudem nicht in der Aufarbeitung von Kündigungssachverhalten, sondern in der fallbezogenen Untersuchung, ob sich ein Unternehmen an die gesetzlich verbindlichen und/oder selbstauferlegten Normen halte. Es gehe um die Eingrenzung von potentiellen Risiken im Rechtsverkehr, die aus evtl. Verstößen gegen zuvor festgelegte Regeln resultieren könnten. Es könne zwar nicht ausgeschlossen werden, dass ein Compliance-Fall auch arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehe, doch sei dies nicht Aufgabe der Compliance-Stelle. Deshalb enthalte ein abschließender Bericht der Compliance-Stelle keine Bewertung oder Handlungsempfehlung für den Adressaten. Die Beendigung eines Compliance- Falls richte sich nicht nach arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten. Auch sei die Organisation des Compliance-Teams nicht unsachgemäß gewesen und keine andere Betriebsorganisation sachgemäß und der Beklagten zumutbar. Die Beklagte habe nicht auf die betriebsinternen Untersuchungsabläufe zurückgreifen können, weil sonst ein Familienangehöriger in die Ermittlungen mit eingebunden gewesen sei. Dies sei mit dem Grundsatz einer umfassenden und ergebnisoffenen Ermittlung unvereinbar.

Die Zwei-Wochen-Frist sei auch im Hinblick auf die mögliche außerordentliche Verdachtskündigung aus den gleichen Gründen gewahrt.

Auch die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB seien vorliegend gegeben.

Der Kläger sei für die Qualität der Produkte der Beklagten verantwortlich gewesen; er habe für die ordnungsgemäße Erfassung von belastbaren Kennzahlen zu sorgen und der Geschäftsführung der Beklagten über die ihm anvertrauten Qualitätskennzahlen zu berichten gehabt. Es bestünden sehr klar definierte Parameter, nachdem ein Mangel an einem Kran von der Kennzahl erfasst werden müsse; die Erhebung und Berichterstattung dieser Kennzahl habe der Kläger, motiviert durch seine höhere variable Vergütung bei einem guten (niedrigen) Wert, bewusst manipuliert. Die vorgeworfene Pflichtverletzung bestehe nicht, lediglich in der bewusst fehlerhaften Erfassung dieser Kennzahlen, sondern zudem zu einem wesentlichen Teil auch in der bewusst fehlerhaften Berichterstattung von geschönten Kennzahlen. Unabhängig davon, dass zum Teil keine Übergabeprotokolle vorgelegen hätten, habe der Kläger von den bei Übergabe und in den darauffolgenden 30 Tagen vorliegenden Mängeln gewusst, was sich aus dem auch vom Kläger verwendeten CRM-Programm „sales force“ ergebe. Zahlreiche Maschinen hätten bei Übergabe an den jeweiligen Kunden Mängel aufgewiesen, seien jedoch nicht von der monatlichen Berichterstattung an die Geschäftsführung der Beklagten erfasst worden. Der Kläger habe diese bewusst unterschlagen, obwohl er auch über diese habe berichten müssen. Der Kläger habe Herrn L., der ihn in der Zeit von Mai bis August 2018 mehrfach darauf angesprochen habe, in dieser Zeit angewiesen, die im CRM-Programm „sales force“ eingetragenen Mängel manuell zu zählen und ggf. in die Excel-Tabelle zu übertragen. Auch habe er von Herrn L. verlangt, bestimmte Fehler nicht zu erfassen und in solchen Fällen, in denen die Fehlerbeschreibung vage, kein Übergabeprotokoll verfügbar gewesen sei oder es sich um einen Konstruktionsfehler gehandelt habe, diese nicht in die offizielle Auswertung einfließen zu lassen, obwohl nachweislich Mängel gegeben seien, die hätten erfasst werden müssen. Durch sein Verhalten habe der Kläger riskiert, dass die Geschäftsführung falsche unternehmerische Entscheidungen treffe, um seine variable Vergütung und die zahlreicher anderen Mitarbeiter unbegründet zu erhöhen.

Hinsichtlich des Kunden J. seien zwei der Mängel bei der Bemessung der Qualitätskennzahl tatsächlich vom Kläger berücksichtigt worden, obwohl das Arbeitsgericht ausgeführt habe, der Kläger sei zu keinem der Mängel verpflichtet gewesen, zu berichten, da sie insgesamt der PDI zuzuordnen seien. Insofern sei es erforderlich, dass die Mitarbeiter L., C. und Z. Auskunft erteilten, welche Mängel beim Kunden tatsächlich festgestellt, wie diese protokolliert worden seien und wie der Kläger den Mitarbeiter L. angewiesen habe, diese Mängel bei der Bemessung der QKPI 30 Days unberücksichtigt zu lassen.

Hinsichtlich der Vorlage gefälschter Dokumente im Ermittlungsverfahren habe der Kläger in der Verdeckungsabsicht gehandelt. Der Inhalt des Dokuments betreffend den Kran mit der Seriennummer 87113 drücke aus, dass die dort vermerkten Mängel zum Zeitpunkt der PDI vorgelegen hätten. Unstreitig habe es aber eine Übergabe-Mitschrift der Mitarbeiter Z. und C. gegeben. Deswegen habe der Kläger eine falsche Urkunde nachträglich hergestellt, um sein Fehlverhalten zu vertuschen. Dies stehe in keinem Zusammenhang mit einer angeblichen bestehenden Befugnis, Mängel nach ihrem vermutlichen Ursprung zu bewerten und nach Gut-Dünken zu entscheiden, ob sie von der Qualitätskennzahl QKPI 30 Days erfasst gewesen seien oder aber nicht.

Hinsichtlich der bewussten Nutzung falscher SAP-Nummern sei davon auszugehen, dass auch eine vom Arbeitsgericht fehlerhaft festgestellte Befugnis des Klägers, einen Mangel nachträglich zu bewerten, nichts an dem tatsächlichen Zeitpunkt der Feststellung des Mangels ändere. Die Mängel seien nach Freigabe zum Versand des Kranes festgestellt worden, sodass zwangsläufig keine IH-Meldung vom Kläger habe verwendet werden dürfen. Eine solche Buchung habe der Kläger aber unstreitig vornehmen lassen. Würden Mängel, wie vorliegend, nach Versand festgestellt, seien sie zwangsläufig im „Service“ oder „im SAP-System“ zu verbuchen. Die damit verknüpfte Leistungskennzahl „QKPI-Warranty-Expense“ sei vorliegend in diesem Fall vom Kläger verfälscht worden; auch über diese Leistungskennzahl habe der Kläger monatlich an die Geschäftsführung der Beklagten zu berichten gehabt.

Hinsichtlich des Garantiefalls St. Kranarbeiten müsse beachtet werden, dass evtl. anfallende Standzeiten in den Risikobereich des Kunden und nicht in den der Beklagten fielen. Jeder Kunde sei frei in seiner Entscheidung, entsprechende Ersatzteile, die erfahrungsgemäß regelmäßig defekt oder schnell abgenutzt/verbraucht seien, auf Vorrat bereitzuhalten. Ein insoweit bewusst in Kauf genommenes Risiko durch den Kunden könne keine Rechtfertigung dafür sein, dass Mitarbeiter der Beklagten die standardisierten Prozesse eigenmächtig umgingen bzw. missachteten. Davon sei auch keine Ausnahme bei Großkunden zu machen, zumal gerade bei denen erwartet werden könne, dass Ersatzteile nicht erst spontan beim Hersteller beschafft werden müssten. Nichts Anderes gelte, weil sich der Kläger zum Zeitpunkt des Garantiefalls in Urlaub befunden habe, vielmehr habe der Kläger gerade dann auf die entsprechenden Kollegen bei der Beklagten verweisen müssen. Gleichwohl habe er das für solche Fälle standardisierte Garantieverfahren bewusst umgangen und somit der Beklagten möglicherweise einen finanziellen Schaden zugefügt.

Zumindest bestehe vorliegend ein dringender Verdacht, dass der Kläger die ihm vorgeworfene Pflichtverletzung tatsächlich begangen habe.

Die abschließend durchzuführende Interessenabwägung müsse zugunsten der Beklagten enden.

Jedenfalls sei die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten rechtswirksam, da sozial gerechtfertigt (§ 1 KSchG). Einer Abmahnung habe es nicht bedurft. Durch die Manipulation der Qualitätskennzahlen sei die Beklagte über solche Faktoren getäuscht worden, die ausschlaggebend für die Auszahlung der variablen Vergütung zahlreicher Mitarbeiter der Beklagten, insbesondere des Klägers selbst, gewesen seien. Durch die ungeprüfte Gewährung eines Garantiefalles, ungeachtet der später möglichen Klarstellung, sei es zudem zu einer konkreten Vermögensgefährdung in Höhe von 550,00 € gekommen. Der Kläger habe als Führungsperson nicht davon ausgehen können, es werde hingenommen, dass er die Berichtskennzahlen, für deren Belastbarkeit er zu sorgen gehabt habe, manipuliere, um seine eigene variable Vergütung unbegründet zu erhöhen. Auch müsse das „Nach-Tat-Verhalten“ des Klägers berücksichtigt werden, denn er habe versucht, den anonymen Hinweisgeber zu entlarven und die Ermittlungen durch Vorlage gefälschter Dokumente behindert.

Jedenfalls seien die gesetzlichen Voraussetzungen der § 9, 10 KSchG für die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung gegeben. Eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit sei zum einen deswegen nicht zu erwarten, weil zahlreiche Kollegen, darunter wesentliche Know-How-Träger sowie sämtliche Leitungsebenen der Qualitätssicherung ernsthaft die Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses in Aussicht gestellt hätten, sollte der Kläger in das Unternehmen zurückkehren. Dies betreffe die unmittelbaren Kollegen des Klägers, die Mitarbeiter T., Th. und L., nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils am 11.04.2019 nunmehr auch die Mitarbeiter H., Li., Mü., Be., F., Hu., Bu. und W.; diese Mitarbeiter hätten um eine Versetzung gebeten oder mit empfindlichen Konsequenzen bis hin zur Kündigung für den Fall gedroht, dass der Kläger an den ursprünglichen Arbeitsplatz zurückkehre. Die drohenden Kündigungen seien so konkret, dass dies bereits schriftlich gegenüber dem Personalleiter kundgetan worden sei. Die Beklagte könne im Fall einer Rückkehr des Klägers den ordnungsgemäßen und sicheren Ablauf des Betriebes aber nicht gewährleisten, weil zu befürchten stehe, dass alle Mitarbeiter der Leitungsebene der Qualitätssicherung diese zum nächstmöglichen Zeitpunkt verlassen könnten. Jegliches Angebot von Herrn Schä., einer extern moderierten Mediation oder Vermittlung zwischen dem Kläger und dessen Kollegen, um die Drucksituation abzubauen und eine dem Betriebszweck dienliche weitere Zusammenarbeit der Parteien zu ermöglichen, werde von den Mitarbeitern T., Th., L., Mü., Li. und H. kategorisch abgelehnt. Bereits in der Vergangenheit hätten zwei Mitarbeiter der Qualitätsabteilung, Herr Ke. und Herr Br. das Unternehmen verlassen, weil sie keine Chance in der Zusammenarbeit mit dem Kläger gesehen hätten bzw. mit der Art von ihm nicht klargekommen seien und die ständige Überwachung durch seine Anrufe an Wochenenden nicht mehr ertragen hätten. Deshalb sei das Risiko von Eigenkündigungen der zuvor genannten Mitarbeiter nicht nur ernst zu nehmen, sondern als erheblich einzuschätzen, zumal Wettbewerber der Beklagten diese Mitarbeiter mit offenen Armen aufnehmen würden, weil sie hochqualifiziert seien und über eine langjährige Erfahrung verfügten. Gerade letzteres habe bei den Mitarbeitern der Qualitätsabteilung herausragende Bedeutung. Angemessenen Ersatz für derart qualifizierte Mitarbeiter auf dem Arbeitsmarkt zu finden, sei angesichts des aktuellen Fachkräftemangels auf dem Arbeitsmarkt unmöglich. Es drohe ein unwiederbringlicher Know-How-Abfluss, ein „Stillstand“ der Qualitätsabteilung mit empfindlichen Auswirkungen auf den Produktionsablauf der Beklagten, eine Handlungsunfähigkeit der Beklagten in einem hart umkämpften Wettbewerb mit einem massiven wirtschaftlichen Schaden, ein abrupter Auslieferungsstopp nebst einem damit einhergehenden Imageverlust. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beklagten insoweit wird auf Seite 25 bis 31 der Berufungsbegründungsschrift vom 29.08.2019 (= Bl. 1091-1094 d. A.) Bezug genommen.

Zum anderen müsse berücksichtigt werden, dass der Kläger in der Vergangenheit in seiner Position als Leiter der Qualitätsabteilung gemäß den Vorwürfen mehrfach Mitarbeiter der Beklagten gedemütigt, beleidigt oder außerhalb der Arbeitszeit mit Anrufen und Nachrichten belästigt habe. Insoweit wird hinsichtlich des Vorbringens der Beklagten im Einzelnen auf Seite 31 bis 34 der Berufungsbegründungsschrift vom 29.08.2019 (Bl. 1094-1096 d. A.) Bezug genommen.

Des Weiteren habe der Kläger unzutreffende Tatsachenbehauptungen gegenüber Dritten aufgestellt. Er habe am 03.07.2019 den Geschäftsführer der Ta. Fa. GmbH telefonisch kontaktiert, um ihm gegenüber seinem Unmut über die angeblich schlechte Art und Weise der Behandlung durch die Beklagte kundzutun. Zum damaligen Zeitpunkt habe es sich bei der Ta. Fa. GmbH noch um ein zur Beklagten im Wettbewerb stehendes Unternehmen. Der Kläger habe neben allgemeinen Missfallensäußerungen auch erwähnt, dass T.-Cranes Germany Mitarbeiter motiviere, im Rahmen des laufenden Gerichtsverfahrens gegen ihn auszusagen. Und zwar unter Auslotung diverser Prämien. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beklagten insoweit im Einzelnen wird auf Seite 34 bis 36 der Berufungsbegründungsschrift vom 29.08.2019 (= Bl. 1096, 1097 d. A.) Bezug genommen. Die zuvor dargestellten Behauptungen des Klägers seien unzutreffend und wider besseren Wissens erfolgt, jedenfalls aber vollkommen „ins Blaue“ hinein. Der Kläger habe entgegen seiner positiven Kenntnis gegenüber dem Geschäftsführer eines Unternehmens, das zu diesem Zeitpunkt rechtlich noch ein Konkurrenzunternehmen gewesen sei und nur zukünftig eine Konzerngesellschaft habe sein können, der Beklagten unprofessionelle und verwerfliche Geschäftspraktiken vorgeworfen und damit kein gutes Licht auf die Beklagte und die für sie Handelnden geworfen. Zugleich bringe er zum Ausdruck, dass die Beklagte nicht einmal davor zurückschrecke, Falschaussage in einem Gerichtsverfahren verwenden zu wollen und damit auch vor einem Prozessbetrug nicht Halt machen werde, um ihn, den Kläger, rechtswidrig „loszuwerden“. Dies sei geschäftsschädigend und ehrverletzend.

Entgegen dem Vorbringen des Klägers sei schließlich die unternehmensexterne/konzernzugehörige Compliance-Stelle keineswegs völlig ungeeignet, kündigungsrelevante Umstände zu ermitteln. Die Vorfälle seien sehr wohl auch unter den Gesichtspunkten des deutschen Arbeitsrechts aufgearbeitet worden. Ob ein Ermittlungsergebnis jedoch in Form eines Kündigungssachverhalts zur Begründung einer ordentlichen oder gar außerordentlichen Kündigung herangezogen werde, entscheide nicht die Compliance-Stelle, sondern die kündigungsberechtigte Person. Zudem seien aufgrund der konzernweiten Verknüpfung der maßgeblichen Sachverhalte und IT-Systeme, wie „sales force“, konzernweite Ermittlungen notwendig. Angesichts der Zahl von regelmäßig mehreren tausend Mitarbeitern sei es ohnehin sachlich geboten, Compliance-Untersuchungen zu zentralisieren und in einer separaten Konzerngesellschaft anzusiedeln.

Der Kläger habe als Leiter der Qualitätsabteilung über die ihm anvertrauten Qualitätskennzahlen in monatlich stattfindenden Besprechungen berichtet, so auch am 15.07.2018. Diese Pflicht habe der Kläger zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens bestritten. Er habe sie freiwillig übernommen und über einen signifikant langen Zeitraum ausgeübt. Im vorliegend maßgeblichen Zusammenhang habe er sie sodann grob verletzt. Die Qualitätskennzahl QKPI 30 Days werde zur Messung der Produktqualität der Beklagten verwendet; sie erfasse die Qualität der ausgelieferten Kräne, in dem die durchschnittliche Anzahl der Mängel pro Maschinentyp zum Zeitpunkt „commissioning/+30 Tage“ gemessen werde. Dabei gehe es nicht um „Kundenbeschwerden pro Maschinentyp“. Der ihm obliegenden Verpflichtung sei der Kläger vorsätzlich allein deswegen nicht nachgekommen, weil er es für unfair gehalten habe, dass nicht nur er einige Euro weniger gehabt habe, sondern hunderte von Mitarbeitern der Produktion. Deshalb habe er sämtliche vom Service gemeldeten Fehler ohne Prüfung, ob ihre Ursachen in schlampiger Arbeit durch die Produktionsmitarbeiter liege, übernommen. Insoweit räume der Kläger ein, dass er die Erfassung falsch vorgenommen habe. Es treffe nicht zu, dass der Kläger wiederholt heftige fachliche Auseinandersetzungen mit dem Geschäftsführer Herrn Sch. gehabt habe. Auch könne dahinstehen und treffe im Übrigen auch nicht zu, ob die „Kontrolldichte bei der Auslieferung“ nach dem Ausscheiden des Klägers erheblich verringert worden sei. Für die Erfassung der Kennzahl QKPI 30 Days sei es völlig gleichgültig, in welchem Produktionsabschnitt ein Mangel möglicherweise entstanden sein könne. Es komme allein auf den Zeitpunkt der Feststellung der jeweiligen Fehlerhaftigkeit an. Dies habe der Kläger auch gewusst, weil er es gerade für unfair gehalten habe, dass die QKPI 30 Days, über die er der Geschäftsführung habe berichten sollen, nicht nach dem Ursprung eines Mangels differenziert habe.

Es treffe nicht zu, dass der Kläger einen von Herrn C. unterzeichneten Bericht der Beklagten am 06.09.2018 vorgelegt habe. Das vorgelegte Dokument enthalte keine Unterschrift dieses Mitarbeiters.

Auch aus dem Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren folge schließlich, dass Gründe gegeben seien, die eine dem Betriebszweck dienliche weitere Zusammenarbeit nicht erwarten ließen. Dies gelte zum einen im Hinblick auf die „Strafversetzung“ der Mitarbeiterin F., die sich keineswegs gewünscht habe, ihren Arbeitsplatz in der Küche einzurichten, für die Auseinandersetzung mit dem Mitarbeiter Bu., ebenso wie die beiden Eigenkündigungen zweier Mitarbeiter in der Vergangenheit, die aus Protest erfolgt seien. Weiterhin behaupte der Kläger unzutreffend, die Personalabteilung habe in der Vergangenheit Arbeitsunfähigkeitszeiten, die auf psychische Belastungen zurückgingen, erfasst. Rufschädigend seien zudem beleidigende Äußerungen des Klägers gegenüber dem Mitarbeiten W., die der Lieferant der Beklagten mitbekommen habe. Ein Vorgesetzter, der seine Mitarbeiter und Kollegen auf verschiedenste Weise degradiere oder gar beleidige, sich über medizinische Eingriffe an seinen Mitarbeitern lustig mache und gegenüber Wettbewerbern den Ruf des Arbeitgebers schädige, sei ohne Weiteres verzichtbar. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beklagten insoweit wird auf S. 7 bis 11 ihres Schriftsatzes vom 22.11.2019 (Bl. 1181-1183 d. A.) Bezug genommen.

Insgesamt sei eine gedeihliche Zusammenarbeit nicht zu erwarten. Der zwischenzeitlich stattgefundene Gesellschafterwechsel könne gänzlich unberücksichtigt bleiben, denn die Kündigungsabsicht der Geschäftsführung bleibe unverändert bestehen. Auch wenn der Kläger zudem nicht Leitender Angestellter im Sinne § 14 Abs. 2 KSchG sei, so sei letztlich doch insoweit seine Schlüsselstellung als Leiter der Qualitätsabteilung im Rahmen des Auflösungsantrags zu berücksichtigen. Er sei betriebsübergreifend Vorgesetzter von 70 Mitarbeitern der Beklagten gewesen und habe andererseits der Geschäftsführung direkt über seinen Verantwortungsbereich zu berichten gehabt.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 29.08.2019 (Bl. 1079-1098 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 1099, 1100 d. A.), sowie ihre Schriftsätze vom 22.11.2019 (Bl. 1178 bis 1184 d. A.), vom 01.07.2019 (Bl. 759-772 d. A. nebst Anlagen (Bl. 773-848 d. A.) und vom 26.07.2019 (Bl. 966-973 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 974-997 d. A.) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt, auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserlautern vom 11. April 2019 (AZ. 6 Ca 603/18) wie folgt abzuändern:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt der Kläger.

Hilfsweise, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, die in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zum 31.10.2019 aufzulösen.

Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern – Auswärtige Kammern Pirmasens – vom 11.04.2019 – 6 Ca 603/18 – zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, die Beklagte habe bereits nicht dargelegt, welche arbeitsvertraglichen Pflichten der Kläger jeweils überhaupt gehabt habe. Soweit die Beklagte als Obersatz lediglich behaupte, der Kläger habe die Pflicht gehabt, „über die ihm anvertrauten Qualitätskennzahlen zu berichten und für die ordnungsgemäße Erfassung von belastbaren Kennzahlen zu sorgen“ sei bereits nicht dargelegt, warum der Kläger diese Berichtspflicht gehabt habe, wo sie geregelt sei, welche Qualitätskennzahlen dem Kläger „anvertraut“ worden seien, was die Beklagte unter Qualitätskennzahlen verstehe und warum diese Zahlen für die Qualität relevant seien.

Der Bereich „Service“ erfasse die Kundenbeschwerden. Darüber sei die Geschäftsleitung schon deshalb unterrichtet gewesen, weil der Bereich Service von einem Geschäftsführer, Herrn Sch., geleitet worden sei. Eine Rechtspflicht des Klägers, über Vorgänge einer Abteilung, die nicht er, sondern einer der vielen Geschäftsführer geführt habe, zu behaupten, überzeuge nicht.

Insoweit die Beklagte behaupte, der Kläger solle für eine ordnungsgemäße Erfassung von belastbaren Kennzahlen sorgen, werde nicht dargelegt, was die Beklagte unter belastbaren Kennzahlen verstehe, wo geregelt sei, dass der Kläger für die Belastbarkeit der Qualitätskennzahlen zu sorgen habe und wie er pflichtgemäß eine Belastbarkeit in dem Sinne habe herbeiführen sollen. Der Kläger habe wiederholt heftige fachliche Auseinandersetzungen mit Herrn Sch. als dem Verantwortlichen des Bereiches Service gehabt, weil die Fehlermeldungen „des Services“ völlig unzulänglich gewesen seien, keinesfalls ordnungsgemäß ausgefüllt. Es hätten Protokolle gefehlt, die nach der internen Regelung der Beklagten hätten erstellt werden müssen, andere Protokolle seien unvollständig und nicht unterschrieben gewesen. Erst bei Vorlage aller Angaben könnte die Ursache eines Mangels überhaupt mit „Belastbarkeit“ geprüft werden. Kundenbeschwerden gegenüber dem Service könnten vielfache Ursachen haben. Sie könnten sich auf fehlerhafte, auch von der Beklagten produzierte oder zugekaufte Teile beziehen, es müsse vom Service das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Regress beim Lieferanten sichergestellt werden, ob Schäden durch beauftragte Dritte, z.B. Spediteure, verursacht worden seien (Regress) und es müsse ausgeschlossen werden, dass Servicemitarbeiter durch Kunden getäuscht würden. Die Mitarbeiter des Service seien ihren diesbezüglichen Pflichten nicht selten nachlässig nachgekommen. Der Kläger habe ihnen gegenüber keinerlei Weisungsbefugnis gehabt und der Geschäftsführer Sch., disziplinarisch und fachlich zuständig, habe alle Beanstandungen durch den Kläger ignoriert. Für ihn sei nicht von Belang gewesen, ob Kundenbeschwerden auf Qualitätsmängel in der Produktion der Beklagten oder Zulieferteilen beruhten und ob Servicemitarbeiter diesbezügliche Dokumente ordnungsgemäß ausfüllten, sondern der Verkauf von Kränen und deren schnellstmögliche Auslieferung mithilfe der ihm unterstellten Servicemitarbeiter.

Das Programm „sales force“ sei kein Programm der Qualitätssicherung, sondern zur Pflege der Kundenbeziehung. Der Mitarbeiter L. habe zwar hervorragende Kenntnisse über die Bedienung der Programme SAP und sales force, hingegen nicht im Kranbau. Der Kläger habe größten Wert daraufgelegt, vor Auslieferung der Kräne diese auf das genauste zu prüfen um ggf. die Auslieferungsprüfung noch weiter zu verbessern; insoweit scheine der Kläger im Konflikt mit dem Geschäftsführer Sch. gestanden zu haben.

Er habe die Prüfung von Kundenbeschwerden keineswegs nur vorgenommen, um seine eigene variable Vergütung und die zahlerische anderer Mitarbeiter unbegründet zu erhöhen. Im Unterschied zur Geschäftsführerin und Leitenden Angestellten habe er nur einen geringen Teil seiner Vergütung variabel erhalten. Sein Zielbonus habe lediglich maximal 10% seines Grundgehalts betragen, zudem sei die Verbesserung der Qualität nur eins von mehreren Zielen gewesen. Er, der Kläger, habe keine variable Vergütung zu viel erhalten; der Beklagten sei keinerlei Vermögensschaden entstanden. Er habe auch nicht die variable Vergütung anderer Mitarbeiter unbegründet erhöht. Die Frage, ob Mitarbeiter des Werkes ihnen zurechenbare Fehler in der Produktion machen, die sich vergütungsschädlich auswirken, lasse sich nur klären, wenn der Ursache der gemeldeten Mängel genau nachgegangen werde.

Er, der Kläger, habe im Ermittlungsverfahren keine gefälschten Dokumente vorgelegt, noch selbst Dokumente verändert. Die Mitarbeiter C. und Z. hätten am 02.05.2018 nicht nur eine Mängelliste erstellt, sondern eine PDI im Auftrag von Herrn Dr. Schr., Prokurist, Herrn Dr. Wi., Leiter Konstruktion und dem Kläger durchgeführt. Darüber hätten sie ein Protokoll erstellt. Der Kläger habe Herrn C. als Verantwortlichen und ihm unterstellten Mitarbeiter aufgefordert, ihm seinen unterzeichneten Bericht zukommen zu lassen; er, der Kläger habe den Bericht am 06.09.2018 vorgelegt. Die „PDI-Kontrolle“ habe wegen der monatelangen Standzeit des Krans in einem Hafen – in Japan – stattgefunden. Der Vorgang möge aus Sicht der Compliance-Abteilung „merkwürdig“ gewesen sein; die Compliance-Abteilung habe schließlich, wie die Beklagte selbst vortrage, nicht die Aufgabe gehabt, Kündigungssachverhalte aufzuarbeiten. Es habe tatsächlich eine Abweichung von der Norm vorgelegen, die aber erforderlich gewesen sei, weil die Kundin J. sich massiv wegen eines früher gelieferten Krans beschwert habe. Warum Herr Z. das Protokoll nicht aufgeschrieben habe, wisse der Kläger nicht, ebenso wenig, warum Herr Z. nicht von seinem Vorgesetzen aufgefordert worden sei, dies zu tun. Er, der Kläger, habe somit keineswegs nachträglich eine falsche Urkunde erstellt, um ein Fehlverhalten zu vertuschen.

Er, der Kläger, habe nicht bewusst falsche SAP Nummern genutzt. Bezüglich des Krans AC700-8, bei dem ein zweites PDI nach Versand nach Japan erfolgt sei, habe der Kläger alle Mängel bis zur letzten PDI in Japan als IH Meldungen erfassen lassen. Diese „letzte“ PDI sei am 02.05.2018 durch die Mitarbeiter Z. und C. erfolgt; am 09.05.2018 sei der Kran in Japan an die Kundin übergeben worden.

Die Beklagte habe insgesamt 220 defekte Schleifringkörper an verschiedensten Kranen austauschen müssen. Der Kläger habe folglich mit größter Wahrscheinlichkeit davon ausgehen können, das erneut einer der Schleifringkörper defekt gewesen sei. Warum ein Kunde, der Krane im Wert von mehr als 100 Millionen Euro bei der Beklagten gekauft habe, Schleifringkörper vorrätig halten solle, weil die Beklagte unter Kostengründen billigere Bauteile verwende, sei nicht nachvollziehbar. Die Beklagte habe keine Warnung hinsichtlich der Schleifringkörper an ihre Kunden herausgegeben. Die St. GmbH hätte bei einer Warnung, verbunden mit dem Ansinnen, der Kunde möge auf seine Kosten fehleranfällige Schleifringkörper auf Vorrat halten, keine Kräne mehr gekauft.

Die Beklagte habe mildere Mittel als eine ordentliche, gar eine außerordentliche Beendigungskündigung wählen müssen, um den Konflikt im Betrieb zu lösen. Hinsichtlich des Vorbringens des Klägers soweit wird auf S. 11 der Berufungserwiderungsschrift vom 28.10.2019 (= Bl. 1136 d. A.) Bezug genommen. Eine Verdachtskündigung scheitere schon daran, dass die Beklagte nach ihrem eigenen Vortrag bislang den Kündigungssachverhalt nicht aufgearbeitet habe. Der Mitarbeiter der Compliance – Stelle habe den Sachverhalt gerade nicht unter den Gesichtspunkten des deutschen Arbeitsrechts ermittelt, die Beklagte habe sich auch gegenüber dem Integrationsamt beharrlich einer Vorlage des Compliance Berichts widersetzt. Die Beklagte selbst habe, außer der Beauftragung der konzerninternen Compliance – Stelle keinerlei Ermittlungen zum Kündigungssachverhalt angestellt.

Der Kläger sei kein Leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG gewesen; hinsichtlich des Vorbringens des Klägers insoweit wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 28.10.2019 (S 13, 14 = Bl. 1138, 1139 d. A.) Bezug genommen.

Der Auflösungsantrag der Beklagten sei unbegründet. Vor dem Integrationsamt in Landau betreffend des Antrags auf Zustimmung einer weiteren beabsichtigten ordentlichen Tat- und Druckkündigung am 02.10.2019 hätten sowohl der Betriebsrat sowie die Schwerbehindertenvertretung auf Befragen ausdrücklich erklärt, dass vor der Anhörung zu der außerordentlichen Druckkündigung vom 18.07.2019 keinerlei Beschwerden durch Mitarbeiter bekannt gewesen seien. Bislang habe die Beklagte zudem keine konkrete Kündigungsabsicht von Mitarbeitern dargelegt. Die Zeugin F. sei in die Abteilung des Klägers versetzt worden, obwohl der Kläger keinen Personalbedarf gehabt habe. Er habe sie räumlich unterbringen müssen, ihr verschiedene Arbeitsplätze angeboten. Letztlich habe sich die Zeugin dafür entschieden in die Räume der sogenannten „Küche“ zu ziehen. Der Raum sei daraufhin komplett renoviert und auf Wunsch der Zeugin eine Küche neu eingebaut worden. Die von der Beklagten dargestellten Vorfälle betreffend einzelner Mitarbeiter hätten sich so, wie behauptet nicht zugetragen, auch seien die Mitarbeiter Ke. und Br. nicht wegen eines Konflikts mit ihm gegangen. Er bestreite, dass im Falle seiner Beschäftigung eine einzige Arbeitnehmerin oder ein einziger Arbeitnehmer kündigen werde, um zu einem Wettbewerber zu wechseln. Derartiges lasse sich auch aus dem tatsächlichen Vorbringen der Beklagten nicht konkret entnehmen. Im Falle des Weggangs der von der Beklagten genannten Arbeitnehmer drohe kein unwiederbringlicher Know-how Abfluss; das Vorbringen der Beklagten sei unsubstantiiert. Ein Stillstand der Qualitätsabteilung drohe nicht. Der Imageverlust sei schließlich dadurch eingetreten, dass die Beklagte dem Kläger gekündigt und dieser Vorgang sich im Markt wie ein „Lauffeuer“ verbreitet habe. Hinsichtlich des Vorbringens des Klägers im Einzelnen betreffend den Auflösungsantrag der Beklagten wird auf S. 17-23 der Berufungserwiderungsschrift vom 28.10.2019 (Bl. 1142-1148 d. A.) Bezug genommen.

Berücksichtigt werden müsse zudem, dass in Fällen einer derartigen Drucksituation der Arbeitgeber sich schützend vor den betroffenen Arbeitnehmer stellen müsse; für den Fall der Druckkündigung sei insoweit vom Arbeitgeber ein aktives Handeln zu verlangen, dass darauf gerichtet sei, den Druck abzuwehren. Betreffend den Geschäftsführer S. der Ta. Fa. GmbH treffe das Telefonat mit diesem zu, auch seine sinngemäße Aussage dahin, dass verschiedene Personen finanzielle Vorteile nach seiner Freistellung hätten. Dies sei auch sachlich zutreffend (s. S. 26 der Berufungserwiderungsschrift vom 28.10.2019 = Bl. 1151 d. A.). Insgesamt seien Mitarbeiter, die angeblich mit einer Druckkündigung drohten, nach Freistellung des Klägers in der Betriebshierarchie aufgestiegen, was üblicherweise mit finanziellen Vorteilen verbunden sei. Der Geschäftsführer S. habe im Übrigen auf einer Fachmesse Mitte April 2019 gegenüber der Zeugin St. in Bezug auf den Kläger geäußert: „Wie kann man diesen Mann so behandeln?“. Gegenüber dem Zeugen B. habe er auf der gleichen Messe geäußert, er könne nicht verstehen, „wie man einen derartigen Fachmann vom Hof treibt“.

Die Beklagte beschäftige circa 1600 Mitarbeiter, so dass selbst bei einem Konflikt mit circa 10 Mitarbeitern nicht eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit ausgeschlossen sei. Der Geschäftsführer Sch. sei zudem bei dem „Verkauf“ des Unternehmens an die Ta. Gruppe als Geschäftsführer ausgeschieden; die neuen Geschäftsführer würden den Kläger nur über die Schriftsätze ihrer Prozessbevollmächtigten kennen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 28.10.2019 (Bl. 1126 -1153 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 1155-1161 d. A.) Bezug genommen.

Hinsichtlich des Weiterbeschäftigungsanspruchs haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 19.08.2019 einen Teilvergleich nachfolgenden Inhalts abgeschlossen:

1. Die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 11.04.2019 – 6 Ca 603/18 – wird hinsichtlich der tatsächlichen Weiterbeschäftigung des Klägers einstweilen ohne Sicherheitsleistung eingestellt. Zur Abwendung der Zwangsvollstreckung zahlt die Beklagte an den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens einen Betrag in Höhe von monatlich 10.430,00 € brutto zzgl. Ausgleich entgeltgleicher Vorteil PKW-Nutzung 585,83 € brutto ab dem 11.04.2019, also der Verkündung der erstinstanzlichen Entscheidung.

2. Ein heute etwaig nicht mehr bestehendes Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien wird durch die Zahlung nicht wieder begründet. Die Parteien halten ausdrücklich an ihren wechselseitigen Rechtsauffassungen fest, betreffend den Bestand des Arbeitsverhältnisses. Insbesondere die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigungen der Beklagten vom 08.12.2018, 18.07.2019 und 06.08.2019 wird dadurch nicht berührt.

Hinsichtlich des weiteren Inhalts der Sitzungsniederschrift und des Teilvergleichs wird auf Bl. 1028-1031 d. A. Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

Schließlich wird Bezug genommen auf die Sitzungsprotokolle vom 19.08.2019 und 02.12.2019.

Entscheidungsgründe

I.

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Denn das Arbeitsgericht ist im Ergebnis und in der Begründung zu Recht davon ausgegangen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die Kündigung der Beklagten vom 08.12.2018 außerordentlich fristlos beendet worden ist, noch durch die hilfsweise ordentliche Arbeitgeberkündigung vom 08.03.2019 zum 31.10.2019. Des Weiteren hat das Arbeitsgericht die Beklagte zu Recht verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits als Director Quality und Produkt Delivery Inspektion weiter zu beschäftigen und schließlich den Auflösungsantrag der Beklagten abgewiesen.

Denn die gesetzlichen Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung sind gemäß § 626 Abs. 2, Abs. 1 BGB ebenso wenig nach dem vorliegend maßgeblich zu beurteilenden Lebenssachverhalt gegeben, wie die für die soziale Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung nach Maßgabe des § 1 KSchG. Ob darüber hinaus diesen Kündigungen weitere, sogenannte formelle Mängel (sonstige Unwirksamkeitsgründe) anhaften (§ 102 BetrVG, Anhörung des Betriebsrats; § 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX, Schwerbehindertenvertretung) bedarf folglich keiner Entscheidung.

Vorliegend ist weder die gesetzliche Kündigungserklärungsfrist von zwei Wochen gemäß § 626 Abs. 2 BGB eingehalten worden, deren Versäumung als materiell-rechtlicher Ausschlussfrist zur Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung führt, noch liegt ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB vor, der die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist für den Arbeitgeber unzumutbar macht.

Die außerordentliche Kündigung kann gemäß § 626 Abs. 2 BGB nur innerhalb einer zweiwöchigen Frist erfolgen (s. BAG 22.11.2012 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 2; 26.09.2013 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 3 = NZA 2014, 529; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, DLW/Dörner, Handbuch des Arbeitsrechts, 15. Aufl. 2019, Kap. 4 Rdnr. 1086 ff.).

Zweck dieser Regelung ist es, den Kündigenden möglichst schnell zur Entscheidung über die Kündigung aus einem bestimmten Grund zu veranlassen. Denn ansonsten könnte die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung fraglich sein.

Zudem soll der Kündigungsgegner frühzeitig die Konsequenzen des Vorliegens eines wichtigen Grundes für sein Arbeitsverhältnis erfahren (APS/Dörner/Vossen § 626 BGB Rn. 116 f.); dem betroffenen Arbeitnehmer soll rasch Klarheit darüber verschafft werden, ob der Kündigungsberechtigte einen Sachverhalt zum Anlass für eine außerordentliche Kündigung nimmt (BAG 01.02.2007 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3; 17.03.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 9).

Ist dem Kündigungsgegner mit Ablauf der Zweiwochenfrist keine Kündigung zugegangen, so wird unwiderleglich vermutet, dass dem Kündigungsberechtigten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist. Die Ausschlussfrist kann daher als gesetzliche (bzw. tarifliche, vgl. z. B. § 34 Abs. 2 TVöD) Konkretisierung der Verwirkung des Kündigungsgrundes angesehen werden (BAG 01.02.2007 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3; 17.03.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 9; 02.02.2006 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 1). Ohne Kenntnis des Kündigungsberechtigten vom Kündigungssachverhalt kann das Kündigungsrecht folglich nicht verwirken (BAG 01.02.2007 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3).

Sie ist eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, ihr Versäumung führt zur Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung (BAG 06.07.1972 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 15). Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist ausgeschlossen.

Die Frist gem. § 626 Abs. 2 BGB beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt (s. BAG 22.11.2012 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 2). Erforderlich ist eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen (BAG 22.11.2012 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 2; 27.01.2011 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10 = NZA 2011, 798; 26.06.2008 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 21; 05.06.2008 – 2 AZR 25/07, JurionRS 2008, 21755 = NZA-RR 2009, 69; 01.02.2007 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3; 02.02.2006 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 1), die ihm die fundierte Entscheidung ermöglicht, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht (BAG 25.11.2010 EzA § 108 BPersVG Nr. 5; 23.10.2008 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 21; 26.06.2008 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 21; 02.03.2006 EzA § 91 SGB IX Nr. 3).

Dazu gehören sowohl die für als auch gegen die Kündigung sprechenden Umstände sowie die Beschaffung und Sicherung möglicher Beweismittel für die ermittelte Pflichtverletzung (BAG 17.03.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 9; LAG SchlH 17.12.2008 NZA-RR 2009, 397); Aspekte, die für den Arbeitnehmer sprechen, lassen sich regelmäßig nicht ohne eine Anhörung des Arbeitnehmers erfassen (BAG 25.11.2010 EzA § 108 BPersVG Nr. 5). Die Kenntnisnahme von ersten Anhaltspunkten für das Vorliegen eines Kündigungsgrundes genügt nicht (BAG 25.11.2010 EzA § 108 BPersVG Nr. 5); selbst grob fahrlässige Unkenntnis schadet nicht (BAG 05.12.2002 EzA § 123 BGB 2002 Nr. 1; vgl. auch LAG Bln.-Bra. 18.11.2009 LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 25; OLG Karlsruhe 28.04.2004 NZA 2005, 301); ohne die umfassende Kenntnis des Kündigungsberechtigten vom Kündigungssachverhalt kann sein Kündigungsrecht nicht verwirken (BAG 01.02.2007 § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3).

Die Kündigungsberechtigte, die bislang nur Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen beginnt (BAG 25.11.2010 EzA § 108 BPersVG Nr. 5; 20.03.2014 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 6 = NZA 2014, 1015). Soll der Kündigungsgegner angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Sie darf im Allgemeinen nicht mehr als eine Woche betragen. Bei Vorliegen besonderer Umstände kann sie allerdings überschritten werden (BAG 20.03.2014 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 6 = NZA 2014, 1015). Im Regelfall darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch noch zu dem Ermittlungsbericht einer Detektei befragen (BAG 25.11.2010 EzA § 108 BPersVG Nr. 5). Ist die Frist bereits angelaufen, kann sie gleichwohl gehemmt werden (BAG 05.06.2008 – 2 AZR 25/07, JurionRS 2008, 21755 = NZA-RR 2009, 69). Denn zur Erlangung dieser Kenntnis kann der Kündigungsberechtigte zunächst Ermittlungen anstellen, insbesondere den Betroffenen anhören (BAG 02.02.2006 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 1, 02.03.2006 EzA § 91 SGB IX Nr. 3). Da das Ziel der gesetzlichen Regelung auch darin besteht, eine hektische Eile bei der Kündigung und insbesondere eine vorschnelle außerordentliche Kündigung zu verhindern, ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Sachverhalt und die Beweismittel zu überprüfen und sich angesichts der Schwere der gegen den Arbeitnehmer erhobenen Vorwürfe auch einen persönlichen Eindruck von Belastungszeugen zu verschaffen (BAG 01.02.2007 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3; 17.03.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 9; s. a. LAG BW 28.01.2015 – 13 TaBV 6/14, LAGE § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 5).

Die Hemmung des Fristablaufs setzt aber voraus, dass die vom Arbeitgeber ergriffenen Maßnahmen vom Standpunkt eines verständigen Vertragspartners her zur genaueren Sachverhaltsermittlung erforderlich waren (APS/Dörner/Vossen § 626 BGB Rn. 127 ff.); die Ermittlungen sind zudem unverzüglich und zeitnah mit der gebotenen Eile anzustellen, andernfalls ist die außerordentliche Kündigung ausgeschlossen. Denn der Arbeitgeber weiß nunmehr, dass – aus seiner Sicht – ein Kündigungsgrund vorliegt und dass er kündigen kann. Innerhalb der Frist muss er dann entscheiden, ob er kündigen will und die Kündigung gegenüber dem Arbeitnehmer erklären (BAG 05.06.2008 – 2 AZR 25/07 JurionRS 2008, 21755 = NZA-RR 2009, 69; 02.02.2006 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 1; 02.03.2006 EzA § 91 SGB IC Nr. 3; LAG RhPf 27.05.2004 LAG Report 2005, 40). Eine Hemmung tritt z. B. dann nicht ein, wenn von vornherein damit zu rechnen ist, dass die Ermittlungen keine zusätzlichen Erkenntnisse bringen. Allein der Umstand, dass der Arbeitnehmer nach seiner telefonischen Anhörung angeregt hatte, sich noch einmal im Betrieb zusammenzusetzen, führt dann zudem auch nicht dazu, dass er rechtsmissbräuchlich handelt, wenn er sich auf die Nichteinhaltung der Frist nach § 626 Abs. 2 BGB beruft (LAG Köln 12.08.2008 – 9 Sa 480/08, ZTR 2009, 225 LS).

Es spielt andererseits insoweit keine Rolle, ob die zunächst nicht aussichtlos erscheinenden Ermittlungsmaßnamen tatsächlich etwas zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen haben oder im Ergebnis letztlich überflüssig waren (BAG 20.03.2014 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 6 = NZA 2014, 1015). Kein Anlass für Ermittlungen besteht andererseits dann nicht (mehr), wenn der Sachverhalt geklärt oder vom Arbeitnehmer sogar zugestanden worden ist (BAG 01.02.2007 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3; 05.12.2002 EzA § 123 BGB 2002 Nr. 1). Allerdings ist die Ausschlussfrist nur so lange gehemmt, wie der Kündigungsberechtigte die notwendig erscheinenden Aufklärungsmaßnahmen mit der gebotenen Eile aus tatsächlich durchführt (BAG 31.03.1993 EzA § 626 Ausschlussfrist Nr. 5; 05.12.2002 EzA § 123 BGB 2002 Nr. 1). Ein Zeitraum von über zwei Monaten ist insoweit regelmäßig zu lang, soweit nicht besondere Umstände vorliegen (LAG Nds. 16.09.2005 LAGE § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 1a). Hat der Kündigungsberechtigte dagegen dennoch weitere Ermittlungen durchgeführt, muss er darlegen, welche Tatsachenbehauptungen unklar und daher ermittlungsbedürftig waren und welche weiteren Ermittlungen – zumindest aus damaliger Sicht – zur Klärung von Zweifeln angestellt worden sind; der Vortrag des Arbeitgebers, es seien insgesamt mehr als 12.000 Rechnungen und Sammelrechnungen mit mehreren Lieferscheinen zu prüfen gewesen, lässt insoweit ausnahmsweise bereits aufgrund des Umfangs der Unterlagen einen Überprüfungszeitraum von gut zwei Monaten plausibel erscheinen (BAG 01.02.2007 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3).

Der mit der beabsichtigten Anhörung verbundene Fristaufschub i. S. v. § 626 Abs. 2 BGB entfällt nicht nachträglich, wenn der Arbeitgeber das ergebnislose Verstreichen der Frist zur Stellungnahme für den Arbeitnehmer zum Anlass nimmt, nunmehr auf dessen Anhörung zu verzichten. Ein solcher nachträglicher Wegfall des ursprünglichen Aufschubs käme nur infrage, wenn der betreffende Entschluss des Arbeitgebers auf Willkür beruhte. Das ist nicht der Fall, wenn Anlass für den neuen Entschluss der Umstand ist, dass sich der Arbeitnehmer innerhalb der ihm gesetzten, angemessenen Frist nicht geäußert hat (BAG 20.03.2014 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 6 = NZA 2014, 1015).

Auch die sachdienliche Anhörung des Arbeitnehmers hemmt den Fristablauf, möglicherweise ist auch eine Mehrfachanhörung erforderlich. Denn die Anhörung ist zwar – de lege lata – keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Tatkündigung (BAG 10.04.2014 EzA § 622 BGB 2002 Nr. 10 = NZA 2015, 162; s. Rdn. 1515), sie gehört aber regelmäßig zu den erforderlichen Aufklärungsmaßnahmen, damit der Arbeitnehmer Gelegenheit erhält, entlastende Umstände vorzutragen (LAG Hamm 07.06.2005 LAG Report 2005, 384 LS; LAG Sachsen 23.04.2007 – 3 Sa 301/06, FA 2007, 358 LS; LAG SchlH 06.05.2015 LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 55 = NZA-RR 2015, 526). Um den Schutz des Kündigungsgegners durch die Ausschlusswirkung nicht mittels einer Hinauszögerung der Anhörung umgehen zu können, muss sie innerhalb einer kurzen Frist erfolgen, die regelmäßig nicht länger als eine Woche sein darf (BAG 02.03.2006 EzA § 91 SGB IX Nr. 3), berechnet ab dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt (APS/Dörner/Vossen § 626 BGB Rn. 130). Allerdings kann die Frist bei Vorliegen besonderer Umstände auch überschritten werden (BAG 02.03.2006 EzA § 91 SGB IX Nr. 3 = NZA 2006, 2011).

Entscheidend ist die Kenntnis des zur Kündigung des Berechtigten, das ist jeder, der zur Kündigung des konkreten Arbeitnehmers befugt ist (BAG 22.11.2012 EzA § 626 BGB 2002 Ausschlussfrist Nr. 2). Handelt es sich bei dem Arbeitgeber um eine juristische Person, ist grds. die Kenntnis des gesetzlich oder satzungsgemäß für die Kündigung zuständigen Organs maßgeblich (BAG 18.06.2015 EzA § 102 BetrVG 2001 Nr. 33 = NZA 2016, 287; s. a. LAG Saarland 04.05.2016 LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 64 = NZA-RR 2016, 473: Cheftrainer Profifußball). Nach hessischem Gemeinderecht kommt es für den Beginn des Laufs der Ausschlussfrist auf die Kenntnis des Gemeindevorstands als Gremium an. Kenntnisse eines nicht kündigungsbefugten Personalamtes sind der Gemeinde nur zuzurechnen, wenn deren Nichtweitergabe an den Gemeindevorstand auf einem Organisationsmangel beruhte (Hess. LAG 04.04.2003 NZA 2004, 1160).

Grundsätzlich reicht die Kenntnis dritter Personen ohne Entlassungsbefugnis für den Beginn der Ausschlussfrist nicht aus (BAG 28.10.1971 AP Nr. 1 zu § 626 BGB Ausschlussfrist).

Hat der Dritte im Betrieb allerdings eine Stellung, die nach den Umständen des Einzelfalles erwarten lässt, dass er den Kündigungsberechtigten von dem Kündigungssachverhalt unterrichtet, so ist trotz unterlassener oder verzögerter Unterrichtung dem Kündigungsberechtigten die Kenntnis nach Treu und Glauben zuzurechnen, wenn die Information des Arbeitgebers durch eine mangelhafte Organisation des Betriebes verhindert wurde, obwohl eine andere Organisation sachgemäß gewesen wäre und dem Arbeitgeber zumutbar war (BAG 05.05.1977 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 57; APS/Dörner/Vossen § 626 BGB Rn. 131 f.).

Im Einzelnen gilt insoweit Folgendes (BAG 23.10.2008 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 23):

Nur der Arbeitgeber ist nach der gesetzlichen Regelung zur Kündigung berechtigt. Zu den Kündigungsberechtigten gehören aber auch die Mitarbeiter, denen der Arbeitgeber das Recht zur außerordentlichen Kündigung übertragen hat. Die Kenntnis anderer Personen ist für die Zwei-Wochen-Frist grundsätzlich unbeachtlich. Dies gilt selbst dann, wenn den Mitarbeitern Aufsichtsfunktionen übertragen worden sind. Nur ausnahmsweise muss sich der Arbeitgeber die Kenntnis anderer Personen nach Treu und Glauben zurechnen lassen. Diese Personen müssen allerdings eine herausgehobene Position und Funktion im Betrieb oder der Verwaltung haben und tatsächlich sowie rechtlich in der Lage sein, einen Sachverhalt, der Anhaltspunkt für eine außerordentliche Kündigung bietet, so umfassend klären zu können, dass mit ihrer Meldung der Kündigungsberechtigte ohne weitere Erhebungen und Ermittlungen seine (Kündigungs-) Entscheidung treffen kann. Dementsprechend muss der Mitarbeiter zum einen in einer ähnlich selbständigen Stellung sein, wie ein gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Stellvertreter des Arbeitgebers. Zum anderen muss die verspätet erlangte Kenntnis des Kündigungsberechtigten in diesen Fällen auf einer unsachgemäßen Organisation des Betriebs oder der Verwaltung beruhen, obwohl eine andere betriebliche Organisation sachgemäß und zumutbar gewesen wäre. Beide Voraussetzungen – ähnlich selbständige Stellung und schuldhafter Organisationsmangel – müssen kumulativ vorliegen.

In Anwendung dieser Grundsätze hat das Arbeitsgericht in der streitgegenständlichen Entscheidung ausgeführt:

„Die Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB beginnt nach Satz 2 der Vorschrift mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und hinreichend vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Selbst eine grob fahrlässige Unkenntnis setzt die Frist nicht in Gang (BAG, 12.02.2015 – 6 AZR 845/13 – Rnr. 94 mit weiteren Nachweisen). Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände. Der Kündigungsberechtigte, der gewisse Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und dazu auch den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen begänne. Dies gilt allerdings nur so lange, wie er aus verständigen Gründen und mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchführt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts verschaffen sollen.

Soll der Kündigungsgegner angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Sie darf im Allgemeinen nicht mehr als eine Woche betragen und nur bei Vorliegen besonderer Umstände überschritten werden (BAG, 31.07.2014 – 2 AZR 407/13 – Rnr. 40, juris). Für die übrigen Ermittlungen gilt keine Regelfrist. Bei ihnen ist fallbezogen zu beurteilen, ob sie hinreichend zügig betrieben wurden (BAG, 31.03.1993 – 2 AZR 492/92, zu II 1 der Gründe, juris).

Neben den Mitgliedern der Organe von juristischen Personen und Körperschaften gehören zu den Kündigungsberechtigten auch die Mitarbeiter, denen der Arbeitgeber das Recht zur außerordentlichen Kündigung übertragen hat. Dagegen ist die Kenntnis anderer Personen für den Lauf der Ausschlussfrist grundsätzlich unbeachtlich. Dies gilt auch dann, wenn ihnen Aufsichtsfunktionen übertragen worden sind. Nur ausnahmsweise muss sich der Arbeitgeber auch ihre Kenntnis nach Treu und Glauben zurechnen lassen. Dazu müssen diese Personen eine herausgehobene Position und Funktion im Betrieb oder in der Verwaltung innehaben sowie tatsächlich und rechtlich in der Lage sein, den Sachverhalt so umfassend zu klären, dass mit ihrem Bericht an den Kündigungsberechtigten dieser ohne weitere Nachforschungen seine (Kündigungs-) Entscheidung abgewogen treffen kann. Voraussetzung dafür, dem Arbeitgeber solche Kenntnisse zuzurechnen, ist ferner, dass die Verspätung, mit der er in eigener Person Kenntnis erlangt hat, auf einer unsachgemäßen Organisation des Betriebes und der Verwaltung beruht (BAG, 21.02.2013 – 2 AZR 433/12 – Rnr. 28; BAG, 16.07.2015, 2 AZR 85/15, Rz. 54, 55, juris).

Unter Beachtung dieser Grundsätze, muss sich die Beklagte bzw. der kündigungsberechtigte Geschäftsführer Sch. die Kenntnisse des externen Compliance-Teams nach Treu und Glauben zurechnen lassen und die verspätete Kenntnis in Person des Geschäftsführers Sch. beruht auf einer unsachgemäßen Organisation im Hinblick auf das Compliance-Team.

Die Beklagte hat vorgetragen, dass am 21.06.2018 ein anonymer Hinweis an das unternehmensexterne Compliance-Team der Muttergesellschaft in der Schweiz erfolgt sei. Am 26.06.2018 sei ein persönliches Interview mit dem Hinweisgeber erfolgt. Am 05.09. und 12.09.2018 sei der Kläger zu den Vorwürfen angehört worden, wie unstreitig ist. Am 09.11.2018 seien die Ermittlungsergebnisse fertig gestellt worden und an den Personalleiter Schä. übersendet worden. Am 14.11.2018 habe der allein kündigungsberechtigte Geschäftsführer Sch. die Informationen durch Herrn Schä. erhalten. Der Kündigungsentschluss sei sodann am 21.11.2018 getroffen worden. Nach vorsorglicher Anhörung des Personalrates und der Schwerbehindertenvertretung, sowie der Beantragung der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung beim Integrationsamt sei nach Zustimmung des Integrationsamtes am 07.12.2018 am 08.12.2018 die außerordentliche Kündigung ausgesprochen worden.

Die Compliance-Beauftragte im Werk Zweibrücken sei mit der Ermittlung der Vorwürfe nicht betraut worden, da es sich um eine Verwandte des Klägers handele.

Entsprechend sei die externe Compliance-Stelle bei der Konzernmutter in der Schweiz beauftragt worden. Die erste Anhörung des Klägers fand über einen Monat nach dem angeblich anonymen Hinweis statt. Eine erneute Anhörung fand am 12.09.2018 statt. Warum es bereits über einen Monat dauerte, um den Kläger mit den entsprechenden Vorwürfen zu konfrontieren, wurde seitens der Beklagten nicht konkret dargelegt. Auch wurde von der Beklagten in keinster Weise dargelegt, warum es nach den Anhörungen des Klägers noch weitere fast zwei Monate dauerte, bis die Ermittlungsergebnisse fertiggestellt worden sind. Es wird in keinster Weise dargestellt, welche weiteren Ermittlungen die Beklagte noch für erforderlich halten durfte. Vielmehr wurde während des Verfahrens beim Integrationsamt wohl erklärt, dass das externe Compliance-Team eigene Prioritäten setzte. Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass diese Mitglieder des Compliance-Teams auch Urlaub gehabt hätten. Damit hat die Beklagte gerade nicht dargelegt, aus welchen verständigen Gründen und mit welcher gebotenen Eile welche Ermittlungen durchgeführt worden seien. Hierzu fehlt jeglicher Vortrag. Dieses Verhalten ist der Beklagten zuzurechnen. Das externe Compliance-Team bei der Konzernmutter in der Schweiz hat eine herausgehobene Position und Funktion auch für den Betrieb in Zweibrücken. Sie ist betriebsübergreifend eingerichtet um gerade die Compliance-Vorschriften zu überwachen und ist mit weitreichenden Funktionen ausgestattet, die es ihr gerade ermöglichen einen Sachverhalt so umfassend zu klären, dass mit ihrem Bericht an den Kündigungsberechtigten Herrn Sch. ohne weitere Nachforschungen eine Kündigungsentscheidung getroffen werden kann. Offensichtlich hat dieses externe Compliance-Team weitreichende Befugnisse Betriebsunterlagen auf Compliance-Verstöße zu untersuchen und Anhörungstermine anzuordnen. Somit musste sich der kündigungsberechtigte Geschäftsführer Sch. die Kenntnisse dieser Compliance-Stelle nach Treu und Glauben zurechnen lassen.

Würde man in einem solchen Fall die Kenntnisse einer solchen externen Compliance-Stelle nicht den kündigungsberechtigten Personen zurechnen, könnte allein durch die Beauftragung einer externen Stelle die Frist des § 626 Abs. 2 BGB willkürlich hinausgezögert und umgangen werden können.

Die verspätete Kenntniserlangung ist auch auf eine unsachgemäße Organisation des Betriebes oder der Verwaltung zum Compliance-Team zurückzuführen. Die Beklagte hat in keinster Weise Anstrengungen unternommen, mit Nachdruck eine zügige Untersuchung der Vorwürfe zu erreichen. Offensichtlich hat man schlichtweg abgewartet wann sich das Compliance-Team meldet, obwohl die Beklagte Kenntnis von den Anhörungsterminen am 05.09. und 12.09.2018 mit dem Kläger hatte. Die Beklagte kann sich nicht damit begnügen einfach darauf zu verweisen, dass das Compliance-Team eigene Prioritäten setzen würde und dieser Fall eben nicht mit Priorität behandelt wurde und dass die Mitglieder dieses Teams auch Urlaub hätten. Gerade in diesem Vorgehen wird deutlich, dass die Beklagte aufgrund einer unsachgemäßen Organisation keine beschleunigten Ermittlungen durchgeführt hat. Sie hat einfach zugewartet. Folglich ist die Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht gewahrt und die außerordentliche Kündigung bereits aus diesem Grunde unwirksam.“

 

Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer vollinhaltlich an und nimmt darauf ausdrücklich gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug.

Das Berufungsvorbringen der Beklagten rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts.

Soweit die Beklagte zunächst (S. 6 der Berufungsbegründungsschrift vom 29.08.2019 = Bl. 1082 d. A.) darauf hingewiesen hat, dass für die durchgeführten Ermittlungen keine Regelfrist gilt, sondern fallbezogen zu ermitteln ist, ob sie hinreichend zügig betrieben wurden, trifft dies zwar zu. Auch kann es als Teil der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit verstanden werden, dem Arbeitgeber die Entscheidung zu belassen, die Ermittlungen an ein unternehmensexternes, aber konzernangehöriges Compliance-Team zu überlassen, zumal nachvollziehbar ist, dass die Beklagte die örtliche Compliance-Stelle aufgrund verwandtschaftlicher Verbindung zum Kläger nicht einschalten wollte. Allerdings verlängert sich die gesetzliche Zwei-Wochen-Frist weder deshalb, weil es sich um ein großes Unternehmen mit vielen Mitarbeitern handelt, ebenso wenig deshalb, weil die Ermittlungen aus sachlichen Gründen heraus an eine externe Stelle vergeben werden. Der Arbeitgeber kann insoweit, die gesetzliche Regelung des § 626 Abs. 2 BGB betreffend, der externen und von ihm beauftragten Stelle keine weitergehende Rechtsposition einräumen, als er sie selbst innehat. Daraus folgt, dass die von dem Compliance-Team durchgeführten Ermittlungen an denselben Maßstäben daraufhin zu beurteilen sind, ob sie hinreichend zügig betrieben wurden oder aber nicht. Dabei ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die Beklagte offensichtlich begleitend keinerlei eigene Ermittlungstätigkeit entfaltet hat, ebenso wenig dem Compliance-Team hinsichtlich der Beachtung der Einhaltung der gesetzlichen Zwei-Wochen-Frist begleitende organisatorische Vorgaben auferlegt hat, noch überhaupt in irgendeiner Form Einfluss auf dessen Tätigkeit genommen hat. Im Hinblick auf die Tätigkeit des Compliance Teams insgesamt ist ergänzend zu berücksichtigen, dass, wie von der Beklagten zutreffend hervorgehoben, dessen Aufgabe in erster Linie ohnehin in der Überprüfung des Vorliegens von Verstößen gegen Compliance-Grundsätze, – Richtlinien, die im Betrieb der Beklagten gelten, besteht. Eine Hemmung der gesetzlichen Zwei-Wochen-Frist kommt insoweit dann aber nur in Betracht, wenn es sich um Ermittlungstätigkeiten handelt, die entweder nur, oder aber zumindest auch zur Feststellung von Tatsachen dient bzw. zu dienen geeignet ist, die den Kündigungssachverhalt betreffen. Ermittlungstätigkeiten, die allein etwaige Compliance Verstöße betreffen, haben dagegen außer Betracht zu bleiben.

Zwar soll der Arbeitgeber auch nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht zu hektischer Eile bei der Kündigung angetrieben oder veranlasst werden, ohne genügende Vorprüfung des Sachverhalts oder hinreichend vorhandene Beweismittel voreilig zu kündigen. Andererseits müssen die im Einzelnen zu berücksichtigenden Ermittlungsmaßnahmen aber im Hinblick auf die zwingende gesetzliche Kündigungserklärungsfrist vom Standpunkt eines verständigen Vertragspartners her zur genaueren Sachverhaltsermittlung erforderlich sein; die Ermittlungen sind zudem unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern und zeitnah mit der gebotenen Eile anzustellen, weil andernfalls die außerordentliche Kündigung ausgeschlossen ist. Der strikten Einhaltung dieser Kriterien bedarf es schon deshalb, weil erforderlich für den Beginn der Kündigungserklärungsfrist die sichere Kenntnis des Kündigungsberechtigten, also nicht etwa Dritter ist, auf deren Kenntnis nur ganz ausnahmsweise abgestellt werden kann. Überträgt, wie vorliegend, der Kündigungsberechtigte nach Auftreten von Verdachtsmomenten vollständig die Ermittlungstätigkeit an einen Dritten, ohne auf dessen Vorgehensweise in irgendeiner Weise Einfluss zu nehmen, Vorgaben zu machen, die sich auf die notwendige zügige Durchführung der Ermittlungsmaßnahmen beziehen, kann es ihm nicht im Sinne einer voluntativen Beliebigkeit überlassen werden, diesem, dem Dritten, willkürlich die Bestimmung des Zeitpunkts zu überlassen, zu dem er dem Kündigungsberechtigten die erforderliche Erkenntnis verschafft.

Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass nach der Darstellung der Beklagten vom ersten persönlichen Gespräch mit dem anonymen Hinweisgeber am 26.06.2018 nach einem anonymen Hinweis am 21.06.2018 an das unternehmensexterne Compliance-Team der Muttergesellschaft in der Schweiz bis hin zur Übermittlung der fertig gestellten Ermittlungsergebnisse an den allein kündigungsberechtigten Geschäftsführer Herrn Sch. am 14.11.2018 ein Zeitraum verstrichen ist, der etwa das Neunfache der Dauer der gesetzlichen Kündigungserklärungsfrist beträgt. Vor diesem Hintergrund kann zwar die zeitnahe Durchführung eines ersten persönlichen Gesprächs mit dem anonymen Hinweisgeber am 26.06.2018 sowie die Zurverfügungstellung erster belastender Dokumente zu Händen des Compliance Teams am 03.07.2018 noch als Durchführung zügiger Ermittlungen verstanden werden. Nicht klar ist in diesem Zusammenhang allerdings bereits, warum nach dem ersten persönlichen Gespräch mit dem anonymen Hinweisgeber die Zeit bis zum 06.07.2018 verstreichen musste, um dem Compliance Team überhaupt Zugriff auf für die weitere Durchführung von Ermittlungen erforderliche EDV-Programme zu verschaffen, ferner bis zum 09.07.2018, um Einsicht in die Kennzahlen abhängiger Vergütungsvereinbarungen zwischen den Parteien zu erhalten. Soweit in der Zeit vom 11. bis 18.07.2018 die Ermittlungen ruhen, weil Herr M. urlaubsbedingt abwesend und aufgrund anderweitiger Arbeitsaufgaben verhindert war, lässt sich ein zügiges Vorgehen dagegen nicht feststellen. Denn warum in einem Compliance-Team offensichtlich keine Vertretungsregelungen bestehen, die den Fortgang der Ermittlungen während typischerweise anfallender Abwesenheitszeiten einzelner Mitarbeiter sicherstellen, erschließt sich nach dem Vorbringen der Beklagten nicht. Das ab dem 18.07.2018 sukzessive Dokumente aufgefunden wurden, die die Vorwürfe erhärteten, lässt nicht erkennen, wann welche Dokumente ermittelt wurden und warum es sodann erst am 30.07.2018 zu einer internen Besprechung gekommen ist; soweit Herr M. erst nach dem 08.08.2018, wann lässt sich dem Vorbringen der Beklagten nicht entnehmen, einen weiteren Mitarbeiter in die Bearbeitung des Falles mit einbezog, bleibt unklar, warum dies nicht bereits zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt im Hinblick auf die gesetzliche Zwei-Wochen-Frist geschehen ist. Inwieweit Herr M. sodann in Zweibrücken die Ermittlungen vorangetrieben hat, erschließt sich nach dem Vorbringen der Beklagten ebenso wenig. Soweit es am 14.08.2018 zu einem zweiten Treffen mit dem ursprünglichen Hinweisgeber kam, lässt sich nach dem Vorbringen der Beklagten nicht erkennen, welche weiteren Details hinsichtlich der ersten Vorwürfe mitgeteilt wurden. Dabei bleibt insbesondere offen, inwieweit es sich, ebenso wie bereits bei den „ersten Vorwürfen“ um tatsächliche Umstände handelt, die sich auf arbeitsvertragliche Pflichtverletzungen, auf Tatsachen beziehen, die zur Sachverhaltsfeststellung erforderlich sind, um verlässlich über den Ausspruch einer Kündigung zu entscheiden, oder aber um Tatsachen, die allein bezogen auf Compliance-Verstöße des Unternehmens, oder aber um Tatsachen, die gleichermaßen beide Bereiche betreffen. Welche neuen Vorwürfe zudem aufgekommen sein sollen, wird nicht dargelegt, ebenso wenig, welche Ermittlungen sich daraus als notwendig ergaben. Der Hinweis, diesen neuen Informationen (also nicht die Details hinsichtlich der ersten Vorwürfe, die inhaltlich nicht mitgeteilt worden sind), hätten insbesondere die Abläufe betreffend die Firma St. Kranarbeiten betroffen, genügt den insoweit zu stellenden Anforderungen an die Substantiiertheit des Beklagtenvorbringens nicht, um nachprüfen zu können, ob ein entsprechendes zügiges Vorgehen gegeben war. Warum des Weiteren erst im Anschluss daran (wann?) Herrn M. die originalen Back-up-Daten zur Bemessung der QKPI 30 Days auf seine Anforderung hin übermittelt wurden, erschließt sich ebenso wenig. Welche Unterlagen das Compliance Team erst am 22.08.2018 erhielt, um die Ermittlungen fortzusetzen, wird nicht dargelegt, ebenso wenig, warum dies erst zu diesem Zeitpunkt erfolgte. Welche SAP-Vorgänge detailliert überprüft wurden, wird nicht vorgetragen, ebenso wenig, welche Ermittlungsergebnisse inhaltlich konkret in welchem Umfang wann feststanden, sodass der Kläger erstmals mit den Vorwürfen konfrontiert werden konnte. Sodann wurde der Kläger am 12.09.2018 nach einem zweiten „Interview“ von seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt. In der Zeit vom 14.09.2018 bis zum 22.10.2018 entfaltete das Compliance-Team offensichtlich keinerlei Ermittlungstätigkeiten also über einen Zeitraum hinweg, der immerhin das dreifache der gesetzlichen Kündigungserklärungsfrist gemäß § 626 Abs. 2 BGB beträgt. Hinsichtlich des ab dem 22.10.2018 bis zum 05.11.2018 von Herrn M. nach Darstellung der Beklagten erstellten Ermittlungsberichts ist nicht feststellbar, warum dieser Zeitraum für die Fertigung noch den Anforderungen an eine zügige Ermittlungstätigkeit entspricht. Das gilt insbesondere auch deshalb, weil die Beklagte weder vorliegend in beiden Rechtszügen, noch trotz entsprechender ausdrücklicher Aufforderung im Verfahren betreffend die Zustimmung des Integrationsamtes den Ermittlungsbericht vorgelegt hat. Dabei ist, wie dargelegt, im Hinblick auf die Bi-Funktionalität der Tätigkeit des Compliance Teams betreffend Tatsachenfeststellungen einerseits im Hinblick auf Verstöße gegen Compliance – Regeln und andererseits als Grundlage für die Beurteilung des Ausspruchs das Arbeitsverhältnis beendender Kündigung in arbeitsrechtlicher Hinsicht die Annahme einer Hemmung der gesetzlichen Kündigungserklärungsfrist nur dann gerechtfertigt, wenn es sich um Tätigkeiten, also auch betreffend die Abfassung eines Berichts, handelt, die jedenfalls auch im Zusammenhang mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen betreffend arbeitsvertraglicher Pflichtverletzungen steht.

Selbst wenn man der Beklagten darin folgt, das vorliegend zu vermeiden war, eine übereilte Anhörung des Klägers durchzuführen, weil dies auf den Betriebsfrieden unumkehrbare Auswirkungen haben kann und geeignet ist, das Betriebsklima in einem irreversiblen Maß zu stören, erschließt sich, worauf das Arbeitsgericht zutreffend hingewiesen hat, nicht, warum vorliegend nicht davon ausgegangen werden können soll und muss, dass bei allen Zweifeln daran, dass die Ermittlungstätigkeiten bereits zuvor zügig durchgeführt worden sind, wie im Einzelnen dargelegt, jedenfalls nicht spätestens am 12.09.2018 nach der zweiten Anhörung des Klägers und der Entscheidung über seine Freistellung der Zeitpunkt gegeben war, von dem ab die gesetzlich geforderte sichere Kenntnis der Kündigungstatsachen gegeben war. Selbst wenn man des Weiteren mit der Beklagten davon ausgeht, dass es auf die tatsächliche Kenntnis des allein kündigungsberechtigten Geschäftsführers der Beklagten ankommt, dann kann sich die Beklagte auf dessen Unkenntnis ab diesem Zeitpunkt nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht berufen, denn, wie dargelegt, allein die Beauftragung einer externen Stelle ändert an der zwingend einzuhaltenden gesetzlichen Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB nichts. Es steht nicht im Belieben des Arbeitgebers, durch die Einschaltung Dritter sich insoweit einen großzügigeren Zeitrahmen zu verschaffen. Selbst wenn man anderer Auffassung wäre, wäre dann die verspätete Kenntniserlangung aus den im Einzelnen dargelegten Gründen auf eine unsachgemäße Organisation des Betriebs oder der Verwaltung zum Compliance-Team zurückzuführen. Die Beklagte hat, darauf hat das Arbeitsgericht bereits zutreffend hingewiesen, keinerlei Anstrengung unternommen, mit Nachdruck eine zügigere Untersuchung der Vorwürfe zu erreichen, um der gesetzlichen Frist Genüge zu tun. Da vorliegend nicht ersichtlich ist, was überhaupt an Ermittlungstätigkeiten nach dem 12.09.2018 noch geschehen ist, geschweige denn, dass dies zügig erfolgte, kann entgegen der Auffassung der Beklagten nicht davon ausgegangen werden, dass erst mit tatsächlicher Kenntnis des kündigungsberechtigten Geschäftsführers der Beklagten, Herr Sch., am 14.11.2018 die gesetzliche Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen begann.

Unbeschadet dessen sind auch die gesetzlichen Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB für die Rechtswirksamkeit des Anspruchs einer außerordentlichen Kündigung vorliegend nicht als gegeben anzusehen. Insoweit liegt gemäß § 626 Abs. 1 BGB kein wichtiger Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist vor; davon, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses der Beklagten auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar sein könnte, kann nicht ausgegangen werden.

Ein wichtiger Grund im Sinne der Generalklausel der § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung liegt dann vor, wenn Tatsachen gegeben sind, auf-grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und in der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung nicht zugemutet werden kann (vgl. BAG 27.01.2011 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 07.07.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 38; 21.06.2012 EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 63 = NZA 2013, 199; 27.09.2012 -2 AZR 646/11- EzA/SD 9/2013 Seite 6 LS). Damit wird der wichtige Grund zunächst durch die objektiv vorliegenden Tatsachen bestimmt, die an sich geeignet sind, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar zu machen. Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB ist deshalb jeder Sachverhalt, der objektiv das Arbeitsverhältnis mit dem Gewicht eines wichtigen Grundes belastet (vgl. BAG 27.01.2011 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 07.07.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 38). Entscheidend ist nicht der subjektive Kenntnisstand des Kündigenden, sondern der objektiv vorliegende Sachverhalt, der objektive Anlass. Berücksichtigt werden können nur die bis zum Ausspruch der Kündigung eingetretenen Umstände bei der Überprüfung der Frage, ob sie als Kündigungsgrund an sich geeignet sind (Ascheid/Preis/Schmidt Großkommentar Kündigungsrecht 4. Auflage 2012 (APS-Dörner/Vossen), § 626 BGB Rz. 42 ff.; Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Arbeitsrechts (DLW-Dörner), 15. Auflage 2019, Kap. 4. Rn. 1121 ff.).

Berücksichtigt werden können nur die bis zum Ausspruch der Kündigung eingetretenen Umstände bei der Überprüfung der Frage, ob sie als Kündigungsgrund an sich geeignet sind. Umstände, die erst danach entstanden sind, können die bereits erklärte Kündigung nicht rechtfertigen. Sie können allenfalls als Grundlage für eine weitere Kündigung oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG dienen. Nachträglich eingetretene Umstände können für die gerichtliche Beurteilung allerdings insoweit von Bedeutung sein, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen. Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde. Es darf aber nicht etwa eine ursprünglich unbegründete Kündigung durch eine Berücksichtigung späteren Verhaltens rückwirkend zu einer begründeten werden. Außerdem ist genau zu prüfen, welche konkreten Rückschlüsse auf den Kündigungsgrund späteres Verhalten wirklich erlaubt. Im Hinblick auf prozessuales Vorbringen gilt nichts anderes (BAG 15.12.1955 NJW 1956, 807; 28.10.1971 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 9; 3.7.2003 EzA § 626 BGB 202 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 2; 24.11.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 12, 484; 10.6.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32).

Die danach zu berücksichtigenden Umstände müssen nach verständigem Ermessen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar erscheinen lassen (BAG AP-Nr. 4 zu § 626 BGB). Bei der Bewertung des Kündigungsgrundes und bei der nachfolgenden Interessenabwägung ist ein objektiver Maßstab anzulegen, so dass subjektive Umstände, die sich aus den Verhältnissen der Beteiligten ergeben, nur aufgrund einer objektiven Betrachtung zu berücksichtigen sind. Dabei ist insbes. nicht auf die subjektive Befindlichkeit des Arbeitgebers abzustellen; vielmehr ist ein objektiver Maßstab („verständiger Arbeitgeber“) entscheidend, also ob der Arbeitgeber aus der Sicht eines objektiven Betrachters weiterhin hinreichendes Vertrauen in den Arbeitnehmer haben müsste, nicht aber, ob er es tatsächlich hat (BAG 10.6.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32). Die danach maßgeblichen Umstände müssen sich konkret nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken; da der Kündigungsgrund zukunftsbezogen ist und die Kündigung keine Sanktion für das Verhalten in der Vergangenheit darstellt, kommt es auf seine Auswirkungen auf die Zukunft an, die vergangene Pflichtverletzung muss sich noch in Zukunft belastend auswirken (BAG 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 23.10.2008 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 25; 12.1.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67; 12.1.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68; LAG BW 25.3.2009 LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 20; LAG RhPf 26.2.2010 NZA-RR 2010, 297). Da es um den zukünftigen Bestand des Arbeitsverhältnisses geht, muss dessen Fortsetzung durch objektive Umstände oder die Einstellung oder das Verhalten des Gekündigten im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit aller Mitarbeiter, im persönlichen Vertrauensbereich (der Vertragspartner) oder im Unternehmensbereich konkret beeinträchtigt sein.

Das kann dann der Fall sein, wenn auch zukünftige Vertragsverstöße zu besorgen sind, d. h., wenn davon ausgegangen werden muss, der Arbeitnehmer werde auch künftig den Arbeitsvertrag nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen oder sonst von einer fortwirkenden Belastung des Arbeitsverhältnisses ausgegangen werden muss (LAG BW 25.3.2009 § 626 2002 Nr. 20; LAG RhPf 26.2.2010 NZA-RR 2010, 297).

Die erforderliche Überprüfung gem. § 626 Abs. 1 BGB vollzieht sich folglich zweistufig (vgl. z. B. BAG 24.3.2011 2 AZR 282/10 EzA-SD 16/2011 S. 3 LS. = NZA 2011, 1029; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35).

Zum einen muss ein Grund vorliegen, der unter Berücksichtigung der oben skizzierten Kriterien überhaupt an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Insoweit handelt es sich um einen Negativfilter, d. h., dass bestimmte Kündigungsgründe eine außerordentliche Kündigung von vornherein nicht rechtfertigen können.

Zum anderen muss dieser Grund im Rahmen einer Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch des Verhältnismäßigkeitsprinzips zum Überwiegen der berechtigten Interessen des Kündigenden an der – in der Regel – vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen (vgl. ausführlich APS-Dörner/Vossen, § 626 BGB a. a. O.; DLW-Dörner a. a. O.). In einer Gesamtwürdigung ist das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 24.3.2011 – 2 AZR 282/10- EzA-SD 16/2011 S. 3 LS. = NZA 2011, 1029; 27.09.2012 -2 AZR 646/11 – EzA-SD 9/2013, Seite 6 LS).

Entscheidend ist die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung bzw. bis zum Ende der vereinbarten Befristung (BAG 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; 27.09.2012 – 2 AZR 646/11 – EzA-SD 9/2013, Seite 6 LS; LAG Bl. 5.1.2005 – 17 Sa 1308/04 – EzA-SD 8/05, Seite 12 LS; Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, a. a. O.).

Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegen seiner erheblichen Pflichtverletzung zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen – einstweiligen – Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung der Umstände des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 27.09.2012 -2 AZR 646/11- EzA/SD 9/2013, Seite 6 LS).

Nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ist die außerordentliche Kündigung „Ultima Ratio“, so dass sie dann nicht gerechtfertigt ist, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar ist, weil dann die ordentliche Kündigung ein milderes Mittel als die außerordentliche Kündigung darstellt (BAG 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; 27.09.2012 -2 AZR 646/11- EzA/SD 9/2013 Seite 6 LS; krit. Stückmann/Kohlepp RdA 2000, 331 ff.).

Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus; sie dient der Objektivierung der Prognose (BAG 12.01.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67: 12.01.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Sie ist nur dann entbehrlich, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorgelegen haben, aufgrund derer eine Abmahnung als nicht Erfolg versprechend angesehen werden kann. Das ist insbes. dann anzunehmen, wenn erkennbar ist, dass der Arbeitnehmer nicht gewillt ist, sich vertragsgerecht zu verhalten. Nur besonders schwere Vorwürfe bedürfen keiner Abmahnung, wenn und weil der Arbeitnehmer dann von vornherein nicht mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen kann (LAG RhPf 26.02.2010 – 6 Sa 682/09, NZA-RR 2010, 297; LAG Nds. 12.02.2010 – 10 Sa 1977/08, EzA-SD 8/2010 S. 6 LS).

Einer Abmahnung bedarf es danach bei einem steuerbaren Verhalten des Arbeit-nehmers in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes also nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG 24.03.2011 – 2 AZR 282/10, EzA-SD 16/2011 S. 3 LS = NZA 2011, 1029; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 36; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 39 = NZA-RR 2012, 567;25.10.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 41 = NZA 2013, 319; LAG Hessen 27.02.2012 NZA-RR 2012, 471), denn dann ist grds. davon auszugehen, dass das künftige Verhalten des Arbeitnehmers schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann; die Abmahnung dient insoweit der Objektivierung der negativen Prognose: Ist der Arbeitnehmer ordnungsgemäß abgemahnt worden und verletzt er dennoch seine arbeitsvertraglichen Pflichten erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen. Das gilt grds. uneingeschränkt selbst bei Störungen des Vertrauensbereichs durch Straftaten gegen Vermögen oder Eigentum des Arbeitgebers (BAG 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; LAG Bln.-Bra. 30.03.2012 LAGE § 611 BGB 2002 Abmahnung Nr. 9 = NZA -RR 2012, 353; LAG Köln 20.01.2012 NZA-RR 2012, 356), denn auch in diesem Bereich gibt es keine „absoluten“ Kündigungsgründe. Stets ist konkret zu prüfen, ob nicht objektiv die Prognose berechtigt ist, der Arbeitnehmer werde sich jedenfalls nach einer Abmahnung künftig wieder vertragstreu verhalten (BAG 10.06.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32; Preis AuR 2010, 242; Schlachter NZA 2005, 433 ff.; Schrader NJW 2012, 342 ff.; s. LAG Bln.-Bra. 30.03.2012 LAGE § 611 BGB 2002 Abmahnung Nr. 9 = NZA-RR 2012, 353; Arbeitszeitbetrug; LAG Köln 20.01.2012 NZA-RR 2012, 356: vorzeitiges Arbeitsende ohne betriebliche Auswirkungen).

Entscheidender Zeitpunkt für die Beurteilung ist grundsätzlich (ebenso wie bei der ordentlichen Kündigung) der Zeitpunkt des Ausspruchs bzw. Zugangs der Kündigung. Die Wirksamkeit einer Kündigung ist grundsätzlich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt ihres Zugangs zu beurteilen. Dieser Zeitpunkt ist im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB sowohl für die Prüfung des Kündigungsgrundes als auch für die Interessenabwägung maßgebend. Umstände, die erst danach entstanden sind, können die bereits erklärte Kündigung nicht rechtfertigen. Sie können allenfalls als Grundlage für eine weitere Kündigung oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG dienen (BAG 10.6.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32 = NZA 2010, 1227; 28.10.1971 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 9; 15.12.1955 BAGE 2, 245).

Nachträglich eingetretene Umstände können für die gerichtliche Beurteilung allerdings insoweit von Bedeutung sein, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen (BAG 10.6.2010; a. a. O.; 28.10.1971 a. a. O.). Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde (BAG 10.6.2010 a. a. O; 15.12.1955 a. a. O.). Es darf aber nicht etwa eine ursprünglich unbegründete Kündigung durch die Berücksichtigung späteren Verhaltens rückwirkend zu einer begründeten werden (BAG 15.12.1955 a. a. O). Außerdem ist genau zu prüfen, welche konkreten Rückschlüsse auf den Kündigungsgrund späteres Verhalten wirklich erlaubt. Im Hinblick auf prozessuales Vorbringen (BAG 10.6.2010; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 202 Nr. 4 a. a. O.; 24.11.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 12; 3.7.2003 EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 2) gilt nichts anderes.

Die in den aufgehobenen gesetzlichen Vorschriften der §§ 123, 124 Gewerbeordnung, 71, 72 HGB nach altem Recht genannten Beispiele für wechselseitige wichtige Gründe (z. B. Arbeitsvertragsbruch, beharrliche Arbeitsverweigerung) sind als wichtige Hinweise für typische Sachverhalte anzuerkennen, die an sich geeignet sind, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung zu bilden und die Kündigung in der Regel auch zu rechtfertigen, wenn keine besonderen Umstände zugunsten des Gekündigten sprechen (vgl. BAG AP-Nr. 99 zu § 626 BGB). „Absolute Kündigungsgründe“, die ohne eine besondere Interessenabwägung eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, bestehen andererseits jedoch nicht (BAG 15.11.1984 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 95; 10.6.2010; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 40 = NZA 2013, 27).

Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast gilt Folgendes:

Der Kündigende ist darlegungs- und beweispflichtig für die Umstände, die als wichtige Gründe geeignet sein können. Die Bewertung eines Fehlverhaltens als vorsätzlich liegt insoweit im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet und ist Gegenstand der tatrichterlichen Beweiswürdigung i.S.v. § 286 ZPO (BAG 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027).

Im Rahmen der ihr obliegenden Darlegungslast trifft jede Prozesspartei eine vollständige Substantiierungspflicht; sie hat sich eingehend und im Einzelnen nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiiert zu äußern. Andererseits darf von keiner Prozesspartei von Verfassung wegen etwas Unmögliches verlangt werden. Der Konflikt zwischen diesen beiden Positionen wird gelöst durch das Prinzip der Sachnähe, d. h., je näher eine Prozesspartei an dem fraglichen tatsächlichen Geschehen selbst unmittelbar und persönlich beteiligt ist, desto eingehender hat sie substantiiert vorzutragen. Das kann so weit gehen, dass sie auch verpflichtet sein kann, durch tatsächliches Vorbringen oder Vorlage von Unterlagen die Gegenpartei überhaupt erst in die Lage zu versetzen, der ihr obliegenden Darlegungslast nachzukommen. Schließlich muss das tatsächliche Vorbringen wahrheitsgemäß sein (vgl. BAG 26.06.2008, 23.10.2008 EzA § 23 KSchG Nr. 32, Nr. 33).

Zu den die Kündigung begründen Tatsachen, die der Kündigende vortragen und gegebenenfalls beweisen muss, gehören auch diejenigen, die Rechtfertigungs-und Entschuldigungsgründe (z.B. eine vereinbarte Arbeitsbefreiung, die Einwilligung des Arbeitgebers in eine Wettbewerbstätigkeit; eine „Notwehrsituation“, vgl. LAG Köln 20.12.2000 ARST 2001, 187) für das Verhalten des gekündigten Arbeitnehmers ausschließen (BAG 06.08.1987 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 109; 18.09.2008 – 2 AZR 1039/06, EzA-SD 8/2009 S. 9: Notwehr bei tätlicher Auseinandersetzung; 03.11.2011 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 79 = NZA 2012, 607).

Der Umfang der Darlegungs- und Beweislast richtet sich danach, wie substantiiert der Gekündigte sich auf die Kündigungsgründe einlässt. Der Kündigende muss daher nicht von vornherein alle nur denkbare Rechtfertigungsgründe widerlegen.

Es reicht insoweit nicht aus, dass der Gekündigte pauschal und ohne nachprüfbare Angaben Rechtfertigungsgründe geltend macht. Er muss deshalb unter substantiierter Angabe der Gründe, die ihn gehindert haben, seine Arbeitsleistung, so wie an sich vorgesehen, zu erbringen, den Sachvortrag des Kündigenden nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen bestreiten. Gleiches gilt dann, wenn sich der Gekündigte anders als an sich vorgesehen verhalten hat (s. BAG 18.09.2008 – 2 AZR 1039/06, FA 2009, 221 LS).

 

Nur dann ist es dem Kündigenden möglich, diese Angaben zu überprüfen und ggf. die erforderlichen Beweise anzutreten (BAG 06.08.1987 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 109). Wenn der gekündigte Arbeitnehmer sich allerdings gegen die Kündigung wehrt und i. S. d. § 138 Abs. 2 ZPO ausführlich Tatsachen vorträgt, die einen Rechtfertigungsgrund für sein Handeln darstellen oder sonst das Verhalten in einem milderen Licht erscheinen lassen können, muss der Arbeitgeber seinerseits Tatsachen vorbringen und ggf. beweisen, die die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Rechtfertigungsgründe erschüttern (LAG Köln 21.04.2004 LAG Report 2005, 64 LS). Will der Arbeitgeber bspw. die außerordentliche Kündigung auf die Behauptung stützen, der Arbeitnehmer habe Beträge aus der Einlösung von Schecks unterschlagen, muss er im Einzelnen diese Unterschlagung darlegen und unter Beweis stellen. Wenn der Arbeitnehmer nachvollziehbar darlegt, wann und wenn er die Beträge abgeliefert hat, kann sich der Arbeitgeber nicht mit Erfolg auf den Standpunkt stellen, der Arbeitnehmer müsse die Ablieferung der Beträge beweisen (LAG Köln 26.06.2006 – 14 Sa 21/06, EzA-SD 19/06, S. 10 LS).

Die dem kündigenden Arbeitgeber obliegende Beweislast geht auch dann nicht auf den gekündigten Arbeitnehmer über, wenn dieser sich auf eine angeblich mit dem Arbeitgeber persönlich vereinbarte Arbeitsbefreiung beruft und er einer Parteivernehmung des Arbeitgebers zu der streitigen Zusage widerspricht.

In diesem Fall sind allerdings an das Bestreiten einer rechtswidrigen Vertragsverletzung hinsichtlich des Zeitpunkts, des Ortes und des Anlasses der behaupteten Vereinbarung, die das Verhalten des Arbeitnehmers rechtfertigen oder entschuldigen sollen, strenge Anforderungen zu stellen (BAG 24.11.1983 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 88; APS/Dörner/Vossen § 626 BGB Rn. 173 ff.).

Gelingt es dem Arbeitgeber nicht, den Kündigungsvorwurf in tatsächlicher Hinsicht zu beweisen, ist die streitgegenständliche Kündigung mangels eines wichtigen Grundes i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB unwirksam (LAG RhPf 21.05.2010 NZA-RR 2011, 80).

Für das erforderliche Beweismaß der vollen Überzeugung im Sinne des § 286 Abs. 1 ZPO gelten nachfolgende Grundsätze:

Gemäß § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist.

Auf der Basis der abgeschlossenen Beweisaufnahme stellt die richterliche Würdigung einen internen Vorgang in der Person der Richter zur Prüfung der Frage dar, ob ein Beweis gelungen ist. Im Rahmen dieses internen Vorgangs verweist § 286 ZPO ganz bewusst auf das subjektive Kriterium der freien Überzeugung des Richters und schließt damit objektive Kriterien – insbesondere die naturwissenschaftliche Wahrheit – als Zielpunkt aus. Die gesetzliche Regelung befreit den Richter bzw. das richterliche Kollegium von jedem Zwang bei seiner Würdigung und schließt es damit auch aus, dass das Gesetz dem Richter vorschreibt, wie er Beweise einzuschätzen und zu bewerten hat. Dabei ist Bezugspunkt der richterlichen Würdigung nicht nur das Ergebnis der Beweisaufnahme, sondern der gesamte Inhalt der mündlichen Verhandlung (vgl. Münchner Kommentar zur ZPO – Prütting, 4. Auflage 2013, § 286 Rn. 1 ff.).

Hinsichtlich der Anforderungen an die richterliche Überzeugung ist von Folgendem auszugehen: Die richterliche Überzeugung ist nicht gleichzusetzen mit persönlicher Gewissheit. Der Begriff der Gewissheit stellt nämlich absolute Anforderungen an eine Person. Er lässt für – auch nur geringe – Zweifel keinen Raum. Dies wird gesetzlich aber nicht verlangt; die gesetzliche Regelung geht vielmehr davon aus, das Gericht müsse etwas für wahr „erachten“. Bei dem Begriff der richterlichen Überzeugung geht es also nicht um ein rein personales Element der subjektiven Gewissheit eines Menschen, sondern darum, dass der Richter in seiner prozessordnungsgemäßen Stellung bzw. das Gericht in seiner Funktion als Streit entscheidendes Kollegialorgan eine prozessual ausreichende Überzeugung durch Würdigung und Abstimmung erzielt. Daraus folgt, dass es der richterlichen Überzeugung keinesfalls im Weg steht, wenn dem Gericht aufgrund gewisser Umstände Unsicherheiten in der Tatsachengrundlage bewusst sind. Unerheblich für die Beweiswürdigung und die Überzeugungsbildung ist auch die Frage der Beweislast. Richterliche Überzeugung ist vielmehr die prozessordnungsgemäß gewonnene Erkenntnis des einzelnen Richters oder der Mehrheit des Kollegiums, dass die vorhandenen Eigen- und Fremdwahrnehmungen sowie Schlüsse ausreichen, die Erfüllung des vom Gesetz vorgesehenen Beweismaßes zu bejahen. Es darf also weder der besonders leichtgläubige Richter noch der generelle Skeptiker ein rein subjektives Empfinden als Maß der Überzeugung setzen, sondern jeder Richter muss sich bemühen, unter Beachtung der Prozessgesetze, Ausschöpfung der gegebenen Erkenntnisquellen und Würdigung aller Verfahrensergebnisse in gewissenhafter und vernünftigerweise eine Entscheidung nach seiner Lebenserfahrung darüber zu treffen, ob im Urteil von der Wahrheit einer Tatsachenbehauptung auszugehen ist. Dabei muss sich das Gericht allerdings der Gefahren für jede Wahrheitsfindung bewusst sein.

Dabei ist letzten Endes ausschlaggebend, dass das Gesetz eine von allen Zweifeln freie Überzeugung nicht voraussetzt. Vielmehr kommt es auf die eigene Überzeugung des entscheidenden Richters an, auch wenn andere zweifeln oder eine andere Auffassung erlangt haben würden. Der Richter darf und muss sich aber in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGHZ 53, 245 = NJW 1970, 946; vgl. Münchner Kommentar zur ZPO – Prütting a. a. O., Rn. 28 ff). Vom Richter wird letztlich verlangt, dass er die volle Überzeugung erlangt, dass er eine streitige Tatsachenbehauptung für wahr erachtet. Diese Überzeugung kann und darf er nicht gewinnen, wenn für die streitige Behauptung nur die überwiegende Wahrscheinlichkeit spricht, vielmehr muss für die behauptete Tatsache eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit sprechen, damit der Richter die Tatsache für wahr erachtet.

Die Tatsachengerichte haben nach § 286 Abs. 1 S. 2 ZPO die wesentlichen Grundlagen ihrer Überzeugungsbildung nachvollziehbar darzulegen (BAG 21.09.2017 – 2 AZR 57/17, EzA § 4 KSchG n.F. Nr. 101 = NZA 2017, 1524). Für die volle richterliche Überzeugungsbildung nach § 286 Abs. 1 ZPO ist dabei, wie dargelegt, ausreichend, dass ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit erreicht ist, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig ausschließen zu müssen (BAG 25.04.2018 – 2 AZR 611/17, EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 17 = NZA 2018, 1405).

Soll ein Vortrag mittels Indizien bewiesen werden, hat das Gericht zu prüfen, ob es die vorgetragenen Hilfstatsachen – deren Richtigkeit unterstellt – von der Wahrheit der Haupttatsache überzeugen. Es hat die insoweit maßgebenden Umstände vollständig und verfahrensrechtlich einwandfrei zu ermitteln und alle Beweisanzeichen erschöpfend zu würdigen. Die wesentlichen Grundlagen der Überzeugungsbildung sind nach § 286 Abs. 1 S. 2 ZPO nachvollziehbar darzulegen. Dies erfordert keine ausdrückliche Auseinandersetzung mit allen denkbaren Gesichtspunkten. Die Urteilsgründe müssen aber erkennen lassen, dass überhaupt eine sachentsprechende Beurteilung stattgefunden hat. Es genügt nicht, allein durch formelhafte Wendungen ohne Bezug zu den konkreten Fallumständen zum Ausdruck zu bringen, das Gericht sei von der Wahrheit einer Tatsache überzeugt oder nicht überzeugt (BAG 25.04.2018 – 2 AZR 611/17, EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 17 = NZA 2018, 1405).

Dem Tatrichter ist es nach § 286 ZPO grundsätzlich auch erlaubt, allein aufgrund des Vortrags der Parteien und ohne Beweiserhebung festzustellen, was für wahr und was für nicht wahr zu erachten ist. Er kann im Rahmen der freien Würdigung des Verhandlungsergebnisses den Behauptungen und Angaben (vgl. § 141 ZPO) einer Partei unter Umständen auch dann glauben, wenn diese ihre Richtigkeit sonst nicht – auch nicht mittels Parteivernehmung, weil es an der erforderlichen Anfangswahrscheinlichkeit fehlt – beweisen kann. Hat die erste Instanz ihre freie Überzeugung nach § 286 ZPO auf eine Parteianhörung gestützt, muss das Berufungsgericht sich im Rahmen seiner Überzeugungsbildung mit dem Ergebnis dieser Parteianhörung auseinandersetzen und die informatorische Anhörung nach § 141 ZPO ggf. selbst durchführen (BGH 27.09.2017 – XII ZR 48/17, NJW-RR 2018, 249).

Zwar sind arbeitsvertragliche Pflichtverletzungen, insbesondere wenn sie schuldhaft erfolgt sind, ebenso wie Vermögensdelikte grundsätzlich geeignet, einen an sich zur außerordentlichen Kündigung geeigneten Umstand in diesem Sinne darzustellen, allerdings ist vorliegend aufgrund der Besonderheiten des hier zu beurteilenden Einzelfalles davon auszugehen, dass die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht hinreichend substantiiert dargelegt und nachgewiesen hat, dass der Kläger durch vertragswidriges Verhalten die berechtigten Belange der Beklagten überhaupt beeinträchtigt bzw. eine wirtschaftliche Schädigung der Beklagten verursacht hat. Selbst wenn man anderer Auffassung wäre, wäre die Beklagte aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles vorliegend gehalten gewesen, die als unzuträglich empfundenen Umstände durch einvernehmliche Vertragsänderung-, -konkretisierung mit dem Kläger für die Zukunft abzustellen, von der Möglichkeit des Ausspruchs einer Ermahnung/Abmahnung Gebrauch zu machen bzw. einseitige Weisungen nach Maßgabe des Direktionsrechts zu erteilen und/oder den Ausspruch einer (außerordentlichen oder ordentlichen) Änderungskündigung in Betracht zu ziehen.

Das Arbeitsgericht hat insoweit, aus seiner Sicht konsequent bezogen auf § 1 KSchG, vorliegend aber auch im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB einschlägig, ausgeführt:

„a) Soweit die Beklagte die Beeinflussung der Qualitätskennzahl QKPI 30 Days bei dem Gerät mit der Baunummer 43110 für den Kunden A. Machinery Service behauptet sowie für sechs weitere Maschinen, ist dieser Vortrag nicht hinreichend substantiiert. Die Beklagte hat in diesen sieben Fällen dem Kläger vorgeworfen, dass der Kläger in dem entsprechenden Excel-Dokument bei diesen Vorgängen entweder das Übergabedatum nicht eingetragen habe oder in der Spalte Ü-Protokoll ein Nein eingetragen habe mit der Folge, dass das System zwar die Maschine zähle, aber nicht die etwaigen Mängel. Insoweit hat der Kläger vorgetragen, dass bezüglich des Kunden A. Machinery Service 43110 kein Prüfprotokoll mit einem Übergabedatum vorgelegen habe, das in die Tabelle hätte eingetragen werden können. Auch habe ihm im Juni 2018 kein einziges Übergabeprotokoll für die vier an Konzerngesellschaften überführte Krane vorgelegen. Für ihn habe der QKPI 30 Days-Zeitraum aber immer erst ab der durch Abgabeprotokoll dokumentierten Übergabe an den Kunden begonnen, wie unstreitig ist. Ab diesem Zeitpunkt sei die Garantie gegenüber dem Kunden gelaufen, wie ebenfalls unstreitig ist. Er habe seine Mitarbeiter immer wieder dazu angehalten, die Übergabeprotokolle, sonstige Dokumente, defekte Teile und Lichtbilder usw. beim Service anzufordern. Auch bei dem Endkunden Herkules hätten die Übergabeprotokolle gefehlt. Die Beklagte hätte daher im Einzelfall darlegen müssen, wann welches unterschriebene Übergabeprotokoll vorgelegen habe und dennoch der Kläger im Einzelfall gegenüber seinen Mitarbeitern angeordnet habe, dass trotz Vorlage eines unterschriebenen Übergabeprotokolls in der Excel-Tabelle ein Nein angeklickt werde. Dies hat die Beklagte nicht getan. Insbesondere kann die Beklagte nicht darauf verweisen, dass nach einem standardisierten Verfahren immer ein Übergabeprotokoll vorliegt. Dies ist im Einzelnen darzulegen. Liegt ein Übergabeprotokoll nicht vor, kann dieses auch nicht in der Tabelle eingetragen werden. Somit kann auch nicht von Pflichtverletzungen des Klägers ausgegangen werden.

b) Auch im Fall AC 700-8 (Seriennummer 87113) für den Kunden J. kann die Beklagte falsche Angaben des Klägers für die QKPI 30 Days nicht nachweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, dass die Auslieferung des Krans AC 700-8 und dessen Inbetriebnahme beim Kunden J. in Japan im Mai 2018 stattgefunden habe. Im Rahmen dieses Kundenauftrages hätten die beiden Techniker am 02. Mai 2018 ein Protokoll über 12 an der Maschine festgestellte Mängel bei der Auslieferung und Inbetriebnahme angefertigt. Dieses sei von beiden Technikern unterzeichnet worden. Der Kläger habe in seinem Bericht des QKPI 30 Days jedoch gezielt nur zwei der 12 festgestellten Mängel aufgeführt. Alle weiteren 10 Mängel habe der Kläger gegenüber der Geschäftsführung bewusst geheim gehalten. Nach einer wohlwollenden Betrachtung seien bestenfalls sechs dieser Mängel solche die auf den Transport zurückgeführt werden könnten. Die Fehler 1, 5, 7, 8, 9 und 12 hätten folgerichtig im Zuge des Berichts der QKPI 30 Days berücksichtigt werden müssen, da sie zweifelsfrei in den Messbereich der Kennzahl fallen würden.

Insoweit hat der Kläger vorgetragen, dass die Auslieferung des AV 700-8 am 11.12.2017 erfolgt sei, obwohl der japanische Händler V. im November 2017 Insolvenz angemeldet gehabt habe und der Kran nicht bezahlt war. Der Kran habe dann in einem Seehafen gestanden. Nicht selten würden in Häfen Teile gestohlen werden, Teile korrodieren und manchmal auch beschädigt werden. Übernehme ein Kunde nicht binnen sechs Wochen nach Auslieferung aus dem Werk in Zweibrücken den Kran, müsse nach den Vorgaben der Beklagten eine erneute PDI erfolgen. Diese sei am 02. Mai 2018 in Japan erfolgt. Hierbei seien 12 Mängel festgestellt worden. Die Übergabe an den Kunden sei am 09.05.2018 erfolgt. In die Excel-Tabelle seien aber nur Mängel nach einer PDI einzutragen, nämlich Mängel, die während der Kommissionierung festgestellt würden. Folglich seien diese Mängel überhaupt nicht in der Excel-Tabelle zu erfassen gewesen. Bei den in der zweiten Auslieferungskontrolle am 02.05. festgestellten Mängeln habe es sich um folgende Mängel gehandelt:

-Lackierung in falscher Farbe: Die Lackierung sei jedoch entsprechend der vom Vertrieb der Produktion überlassenen Lackieranweisung erfolgt;

-Transportschäden: Dies seien keine Fehler von Mitarbeitern der Produktion, sondern gegenüber der Transportversicherung abzurechnen;

-korrodierte Abdeckungen: Ursache hierfür sei gewesen, dass der Kran wochenlang ohne Korrosionsschutz der Seeluft im Hafen ausgesetzt gewesen sei;

-Klimaanlage Staubfilter: Hierbei handele es sich um einen Transportschaden,

-fehlende Klammern für Sicherheitssystem: Diese seien bei der Auslieferungskontrolle im Werk vorhanden gewesen und deshalb vermutlich im Hafen gestohlen worden, dies sei ein Versicherungsfall;

-undichte Hydraulik-Schnellkupplungen: Hierbei handele es sich um zugekaufte Bauteile von minderer Qualität, die fehleranfällig seien;

-dies gelte auch für die Schnellkupplung des Hauptauslegers und die defekten Leuchtkörper;

-Warnleuchte Luftfilter: Die Fehlerursache könne ohne Rücksendung des defekten Teils nicht geklärt werden;

-Superlift für Kunden zu geräuschvoll: Dies sei kein Mangel, sondern ein Kundenwunsch, die Software sei entsprechend anzupassen;

-defekter Windendrehmelder: Die Fehlerursache könne nicht geklärt werden, so lange das defekte Teil nicht zurückgesandt sei;

-defekte Kamera: Hierbei handele es sich um ein Teil minderer Qualität aufgrund des Cost-Down-Programms.

Aufgrund dieser Vorträge kann von falschen Angaben für die QKPI 30 Days nicht ausgegangen werden. Die Beklagte hat nicht bestritten, dass der Kran AC 700-8 über mehr als sechs Wochen in einem Hafen gestanden habe um übergeben zu werden und dass in diesem Falle eine zweite PDI erforderlich gewesen sei. Diese ist sodann am 02.05.2018 durchgeführt worden, während die Übergabe an den Kunden am 09.05. erfolgt ist. Mangels Bestreitens dieser Abläufe ist dieser Vortrag gemäß § 138 abs. 3 ZPO als zugestanden zu behandeln. Damit fand eine zweite PDI am 02.05.2018 statt. Hierbei wurden die 12 genannten Mängel festgestellt. Diese werden aber, wie ebenfalls zwischen den Parteien unstreitig ist, nicht in der Excel-Tabelle geführt, sondern erst Mängel, die im Rahmen der Kommissionierung festgestellt würden. Die Kommissionierung beginnt jedoch frühestens nach einer abgeschlossenen PDI. Hier muss auf die zweite PDI abgestellt werden, da der Kran länger als sechs Wochen in einem Hafen stand. Folglich sind diese Fehler nach dem zugestandenen Vortrag der PDI zuzuordnen und waren folgerichtig gerade nicht in die Excel-Tabelle einzutragen. Auf die genauen Fehlerursachen ist daher insoweit nicht einzugehen. Auch hierin kann kein schuldhaftes Fehlverhalten gesehen werden.

c) Auch hat der Kläger keine bewusst falschen Angaben im Zuge der Ermittlungen gemacht. Vielmehr trägt die Beklagte selbst vor, dass im Rahmen der Anhörung vom 05. September 2018 der Kläger erklärt hat, dass es sich um Mängel gehandelt habe, die dem PDI zuzuordnen seien und daher nicht von der Kennzahl QKPI 30 Days erfasst würden. Im Rahmen dieser Anhörung habe der Kläger eine gefälschte Fassung der Mitschrift der Mitarbeiter vorgelegt, in dem das Wort Complained durch das Wort Damaged geändert worden sei. Darüber hinaus sei der Co-Autor Z. gelöscht worden. Der Kläger hat sich dahingehend eingelassen, dass es nicht seine Aufgabe sei, die Listen der Außendienstmitarbeiter 1:1 zu übernehmen, sondern vielmehr sei es seine Aufgabe bei der Erfassung alle für die Kennzahl QKPI 30 Days relevanten Umstände darzulegen. Folglich waren von ihm auch Korrekturen durchzuführen, wenn Fehlerursachen unklar waren oder falsch dargestellt wurden. Der Co-Autor Michael Z. sei nicht gelöscht worden, sondern vielmehr sei die Korrekturmitschrift nur durch den anderen Mitarbeiter erfolgt.

Dieses Verhalten des Klägers kann ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden, da er davon ausgehen durfte, dass er als Qualitätsdirektor des Werkes auch die Aufgabe hatte Angaben zu überprüfen, insbesondere welche Mängel, die vor einer Übergabe von Kranen an Kunden ihre Ursache im Werk haben, um dann dort für die Zukunft Optimierungen anzuregen und welche Mängel aus technischer Sicht nach einer vom Kunden mit Unterschrift bestätigten Übergabe als Gewährleistungsfall anerkannt werden können. Auch müsse er fehlerhafte Teile analysieren lassen um Fehlermeldungen zu überprüfen. Diesen Prüfpflichten ist der Kläger nachgekommen. Als Qualitätsdirektor musste er nicht davon ausgehen, dass er verpflichtet war die Auflistungen der Außendienstler und Servicemitarbeiter 1:1 zu übernehmen. Er musste diese selbstverständlich überprüfen, da die Beklagte ja selbst vorträgt, dass er dafür Sorge zu tragen hatte, dass diese Kennzahlen ordnungsgemäß in die Excel-Liste einzutragen sind. Hielt der Kläger Korrekturen für erforderlich, durfte er diese auch vornehmen. Die Vorgehensweise des Klägers war der Beklagten auch bekannt. Die Beklagte hat nicht bestritten, dass der Kläger wiederholt den Geschäftsführer Sch., der für Vertrieb und Service zuständig war, auf das Problem aufmerksam machte, dass er von den Außendienstlern nicht die erforderlichen Unterlagen oder defekten Teile bekam, diesen gegenüber jedoch kein Weisungsrecht hatte. Somit gilt dieser Vortrag als zugestanden. Wäre die Beklagte der Auffassung, der Kläger hätte hier keine Prüfungskompetenzen, hätte spätestens der Geschäftsführer bei diesen Anfragen des Klägers bei dem Geschäftsführer Sch. darauf hingewiesen werden müssen, dass dies nicht in seinen Zuständigkeitsbereich falle. Dies hat die Beklagte gerade nicht getan. Auch liegt eine entsprechende Stellenbeschreibung nicht vor, so dass zumindest unklar ist, inwieweit der Kläger Vorgaben überprüfen durfte. Da der Kläger von seiner Überprüfungskompetenz ausging, ließ er folgerichtig die Aufstellungen abändern. Dies stellt jedoch keine Verfälschung von Angaben im Zuge der Ermittlungen dar.

d) Auch die bewusste Nutzung falscher SAP-Nummern und bewusst falsche Angaben von Gewährleistungsfällen hat die Beklagte nicht hinreichend nachweisen können. Die Nutzung, in Augen der Beklagten, falscher SAP-Nummern erfolgte nur denknotwendig aufgrund der Auffassung des Klägers, ob es sich um einen Mangel handelt, der bei der Kommissionierung festgestellt wurde oder um einen Mangel, der bereits vorher vorlag oder später und nicht den QKPIs zuzurechnen war.

e) Auch im Fall Steil Kranarbeiten GmbH & Co KG hat die Beklagte eine Arbeitsvertragspflichtverletzung des Klägers nicht ausreichend nachweisen können. Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass der Zeuge Ki. am 28.08.2018 einen Anruf von einem Kranfahrer erhalten hat, dass bei dem Gittermastraupenkran SL 3800, der am 20. Juli 2015 übergeben worden war, der Abzug nicht mehr runterginge und die Winde nicht mehr abspulte. Er sei daraufhin von Rheinfeld nach Biesterberg bei Kusel gefahren, wo eine Windkraftanlage aufgestellt werden sollte. Es stellte fest, dass der Drehwindenkodierer defekt war und habe daraufhin Herrn A. angerufen. Dieser Anruf sei vormittags getätigt worden. Herr A. sagte, dass er nicht da sei und würde deshalb Herrn Ste. beauftragen das Ersatzteil im Ersatzteillager abzuholen. Er habe dann das Teil abgeholt und direkt am gleichen Tag noch eingebaut. Den defekten Schleifring habe er erst später wieder zurückgegeben. Bei diesem Kran sei bereits im März 2018 ein Schleifring ausgetauscht worden. Dieser Schleifring sei nun wieder beschädigt gewesen. Dies habe er Herrn A. telefonisch mitgeteilt. Der Zeuge war insoweit glaubwürdig. Insbesondere legte er die entsprechenden Montageberichte vor, aus denen hervorging, dass bereits im März der Schleifring bei dem Kran SL 3800 H3 defekt war und der gleiche Schleifring am 28.08.2018 erneut defekt war. Auch legte der Zeuge den Abholschein für den Schleifring vor, der ebenfalls das Ausgabedatum am 28.08.2018 bestätigte.

Hieraus lässt sich ein schuldhaftes Fehlverhalten des Klägers nicht feststellen. Der Kläger wurde von seinem langjährigen Kunden und größten Kunden in Deutschland für Krane angerufen, dass der Schleifring, der bereits im März 2018 ausgetauscht worden war, innerhalb der Garantiezeit wiederum defekt war. Daraufhin veranlasste der Kläger, dass der Kunde schnellstmöglich ein Ersatzteil bekam um Standzeiten und mögliche Kosten zu vermeiden. Der Kläger ging davon aus, dass sein Mitarbeiter dies auch entsprechend den Angaben verbucht, da sich der Kläger ja in Urlaub befand. Auf diese Aussage durfte der Kläger vertrauen, insbesondere, weil es sich um den größten deutschen Krankunden handelte. Ob es sich nachher tatsächlich um einen Garantiefall gehandelt hätte, hätte im weiteren Verlauf geklärt werden können. Es ist deshalb davon auszugehen, dass auch die Beklagte bei einem derartigen Großkunden zuerst kundenorientiert vorgeht und daran interessiert ist, den Kunden nicht zu verärgern aufgrund langer Standzeiten. Dass in solchen Fällen üblicherweise das Garantieverfahren einzuhalten sei, ist nicht ganz schlüssig. Vielmehr ist davon auszugehen, dass ein Qualitätsmanager berechtigt ist dem Kunden sofort Hilfe zu leisten um im Nachgang festzustellen, ob es sich um einen Garantiefall handelt oder ob das Ersatzteil dem Kunden in Rechnung gestellt wird. Nichts anderes hat der Kläger getan, als er nach seiner Anhörung am 05.09.2018 erfuhr, dass sein Mitarbeiter diesen Vorgang nicht angelegt hatte oder falsch angelegt hatte und deshalb ein Garantie- oder Kulanzantrag nicht gestellt worden war. Diesen hatte der Kläger sodann am 06.09.2018 nachgeholt. Es oblag dann der Beklagten bei dem Kunden zu klären, ob dieser Garantiefall abgelehnt werde oder ob aus Kulanzgründen das Teil ersetzt wird. Ein Fehlverhalten des Klägers konnte die Beklagte jedoch weder bei der Beschaffung des Ersatzteiles noch im Nachgang mit dem am 06.09.2018 erfolgten Antrag nachweisen. Ein Fehlverhalten des Klägers ist hierin jedoch nicht zu erkennen.

Selbst wenn man vorliegend von einem Fehlverhalten des Klägers ausginge, wäre dieses abzumahnen gewesen. Wie bereits oben dargelegt, hat der Geschäftsführer Sch. als Vorgesetzter der Außendienstmitarbeiter und Servicemitarbeiter bereits zuvor Kenntnis davon gehabt, dass der Kläger ihm mitgeteilte Mängel überprüft und hierzu Unterlagen oder fehlerhafte Teile von den Mitarbeitern anfordert, die sie jedoch nicht immer dem Kläger zukommen ließen. Wäre eine solche Vorgehensweise seitens der Beklagten nicht gewollt gewesen, hätte sie den Kläger hierauf hinweisen müssen und bei einem wiederholten Fehlverhalten abmahnen müssen. Dies ist nicht erfolgt. Gleiches gilt in dem Fall mit dem Kunden St.. Wenn die Beklagte eine schnelle Beschaffung von Ersatzteilen bei dem besten Kunden in Deutschland nicht für erforderlich erachtet und auf das übliche Garantieverfahren, das ca. zwei Wochen dauert, verweist, hätte der Kläger hierauf ausdrücklich hingewiesen werden müssen bzw. im wiederholten Falle abgemahnt werden müssen. Insbesondere handelt es sich insoweit um Entscheidungen, die üblicherweise ein Qualitätsmanager im Bereich von 550,00 € treffen können dürfte. Sollte dies bei der Beklagten nicht der Fall sein, wäre der Kläger hierauf hinzuweisen gewesen. Entsprechendes gilt für den Fall, wenn die Beklagte der Auffassung sein sollte, der Kläger solle als Qualitätsmanager die Listen der Außendienstmitarbeiter ohne Prüfung 1:1 übernehmen.

Folglich ist ein schuldhaftes Fehlverhalten des Klägers weder ausreichend dargelegt noch nachgewiesen noch wäre im Rahmen der Verhältnismäßigkeit in den vorliegenden Fällen eine Abmahnung entbehrlich gewesen.

Die hilfsweise ordentliche Kündigung wird somit das Arbeitsverhältnis nicht zum 31.10.2019 beenden.“

Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer vollinhaltlich an und nimmt darauf ausdrücklich gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug.

Das Berufungsvorbringen der Beklagten rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts. Voraussetzung für das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB ist in Bezug auf die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers das Vorliegen einer oder mehrere erheblicher Verletzungen der arbeitsvertraglichen Pflichten. Das (in der Regel) schuldhafte Fehlverhalten des Arbeitnehmers muss sich als Abweichung des tatsächlichen Verhaltens oder der tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung vom vertraglich geschuldeten Verhalten bzw. der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung darstellen, der Arbeitnehmer muss also seine vertraglichen Haupt- und Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt haben und dieses Verhalten muss betriebliche Auswirkungen haben, die es für den Arbeitgeber als unzumutbar erscheinen lassen, den Arbeitnehmer auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen.

Dies lässt sich dem Vorbringen der Beklagten auch im Berufungsverfahren freilich nicht entnehmen. Soweit die Beklagte in der Berufungsbegründung (29.08.2019, S. 16 ff. = Bl. 1087 ff. d. A.) sich auf die von ihr behauptete Beeinflussung von Qualitätskennzahlen durch den Kläger stützt, lässt sich ihrem Vorbringen das Vorliegen einer schuldhaften Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten durch den Kläger nicht entnehmen. Maßgeblich für die Bestimmung der arbeitsvertraglichen Pflichten des Klägers sind die arbeitsvertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien. Der von den Parteien mit Wirkung zum 05.04.2017 neu gefasste Arbeitsvertrag enthält konkrete inhaltliche Vorgaben betreffend die Tätigkeit des Klägers nicht; zwischen den Parteien ist lediglich unstreitig, dass der Kläger als Director Qualitiy Endproduct Delivery Inspection – Bereich Elevate – und zusätzlich in der Betreuung ausgewählter Key Accounts tätig ist. Eine Arbeitsplatzbeschreibung, die die Tätigkeit, Anforderungen und inhaltlichen Vorgaben näher beschreibt und festlegt, besteht mangels entsprechenden Vorbringens der Parteien in den beiden Rechtszügen ebenso wenig. Tatsächliches Vorbringen dazu, dass die Beklagte ihrer Unterrichtungs- und Erörterungspflicht gemäß § 81 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 2 BetrVG nachgekommen ist, fehlt. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dies deshalb vorliegend entbehrlich gewesen sein könnte, weil der Kläger, wovon die Beklagte ausgegangen ist, als Leitender Angestellter im Sinne des § 5 BetrVG anzusehen sein könnte, bestehen nicht. Die Beklagte behauptet dies zwar, z.B. auch im Zusammenhang mit der Anhörung des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung, die jeweils nur vorsorglich erfolgt sind. Tatsächliches, nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiiertes Vorbringen der Beklagten dazu, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des § 5 Abs. 3, 4 BetrVG gegeben sein könnten, lässt sich aber nicht feststellen. Die Beklagte behauptet zwar, dass die Tätigkeit des Klägers im Zusammenhang mit den Qualitätskennzahlen für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens bzw. des Betriebes von erheblicher Bedeutung seien, weil auf dieser Grundlage wesentliche unternehmerische Entscheidung getroffen würden; dieses Vorbringen ist aber widersprüchlich, weil die Beklagte durchgängig im Zusammenhang nicht nur, aber insbesondere auch mit den Qualitätskennzahlen und den in diesem Zusammenhang bestehenden Pflichten des Klägers von einer derart strikten Bindung des Klägers an freilich nicht näher erläuterte Vorgaben der Beklagten ausgeht, um das Vorliegen von Pflichtverletzungen zu begründen, dass es ausgeschlossen erscheint, die Tätigkeit des Klägers als die Tätigkeit eines leitenden Angestellten in diesem Sinne zu verstehen. Denn Leitender Angestellter ist nur, wer die Entscheidung im Wesentlichen frei von Weisungen trifft oder sie maßgeblich beeinflusst. Wie der Kläger Entscheidungen maßgeblich beeinflussen können soll, wenn ihm nach dem Vorbringen der Beklagten keinerlei Beurteilungs- und Bewertungsspielräume, -prärogativen eingeräumt werden, erschließt sich nicht.

Dass der Kläger aufgrund seiner langjährigen vorherigen Tätigkeit für die Beklagte mit allen wesentlichen Vorgaben bereits vertraut war, kann im Hinblick auf das dahingehende Bestreiten des Klägers, das im Hinblick auf seine Darstellung des beruflichen Werdeganges ohne weiteres nachvollziehbar ist, ohne weiteres Vorbringen, das fehlt, nicht angenommen werden. Nach der Ausbildung als Maschinenschlosser und Tätigkeit als Maschinenschlosser, sowie langjährig im Außendienst tätiger Arbeitnehmer und Key-Account Manager müssen dem Kläger Inhalt, Zweck und Auswirkungen entsprechender Vorgaben der Beklagten nicht per se bekannt sein. Das gilt erst Recht, im Hinblick auf die von der Beklagten in beiden Rechtszügen allgemein behauptete Bedeutung des aus ihrer Sicht zutreffenden Handlings der Angaben betreffend die Qualitätskennzahlen. Die Beklagte hat zwar behauptet, unrichtige Angaben insoweit hätten weitreichende Auswirkungen auf wichtige unternehmerische Entscheidungen; näher erläutert hat sie dies auch in den von ihr als Beleg für das arbeitsvertragliche Fehlverhalten des Klägers genannten Einzelfällen nicht. Es wird nicht anhand einer alternativen (aus der Sicht der Beklagten vertragsmäßiges- tatsächliches = vertragswidriges Verhalten des Klägers) vergleichenden Darstellung dargelegt, welche Entscheidungen im insoweit maßgeblichen Bereich in beiden Varianten getroffen worden sind – hätten getroffen werden können, sollen. Die Beklagte hat insoweit lediglich allgemein behauptet, der Kläger habe die fragliche Tätigkeit für einen signifikanten Zeitraum bereits ausgeübt, was zum Ausdruck bringen soll, dass er dann auch gewusst habe, was er insoweit zu tun habe. Dem gegenüber hat der Kläger nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass er mehrfach Auseinandersetzungen mit dem Geschäftsführer der Beklagten wegen des Einbaus aus seiner Sicht von vornherein ungeeigneter, weil zwar kostengünstig zu beschaffende, aber nicht hinreichend langlebiger fremd beschaffter Bauteile gehabt habe, was im Schadensfall dann eben auch zu Beanstandungen der Kunden geführt habe/führe.

Die Beklagte weist insoweit darauf hin (S. 17 f. der Berufungsbegründungsschrift vom 29.08.2019 = Bl. 1087 f. d. A.), der Kläger habe Mängel an zahlreichen an den jeweiligen Kunden übergebenen Maschinen in der monatlichen Berichterstattung an die Geschäftsführung der Beklagten nicht erfasst, angegeben; dabei sei es unerheblich gewesen, ob sich diese Mängel aus den Übergabeprotokollen oder sales force ergeben hätten, denn der Kläger habe jedenfalls Kenntnis von den eingetragenen Mängeln gehabt. Allein die fehlerhafte Berichterstattung von geschönten Kennzahlen wider besseres Wissen durch den Kläger stellt, so die Beklagte (Bl. 1088 d. A.) die ihm vorgeworfene Pflichtverletzung dar. Dem steht freilich entgegen, dass damit von der Beklagten eine dem Kläger obliegende Pflicht zugrunde gelegt wird, von der sich ihrem Vorbringen nicht entnehmen lässt, dass sie überhaupt und mit welchem konkreten Inhalt Gegenstand der arbeitsvertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien ist; Einzelheiten der insoweit aus der Sicht der Beklagten dem Kläger obliegenden Pflichten lassen sich ihrem Vorbringen in beiden Rechtszügen nicht entnehmen. Der Kläger hat demgegenüber (Berufungserwiderungsschrift vom 28.10.2019 S. 3 f. = Bl 1128 f. d. A.) völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass es Sache der Beklagten sei, zunächst einmal darzulegen, welche arbeitsvertraglichen Pflichten der Kläger jeweils überhaupt hatte. Die Beklagte stelle insoweit als Obersatz lediglich vor, der Kläger habe die Pflicht gehabt, „über die ihm anvertrauten Qualitätskennzahlen zu berichten und für die ordnungsgemäße Erfassung von belastbaren Kennzahlen zu sorgen.“ Insoweit, dies teilt die Kammer ausdrücklich, stellt der Kläger in Frage, dass er eine derartige Berichtspflicht hatte, des Weiteren wo diese geregelt ist, welche Qualitätskennzahlen ihm „anvertraut“ waren, was die Beklagte unter Qualitätskennzahlen versteht und wieso diese Zahlen für die Qualität relevant sind. Des Weiteren hat der Kläger nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass der Bereich Service die Kundenbeschwerden erfasst, über die die Geschäftsleitung schon deshalb unterrichtet war, weil der Bereich Service von einem Geschäftsführer, Herrn Sch., geleitet wurde. Eine Berichtspflicht des Klägers über Vorgänge einer Abteilung, die nicht er, sondern einer der Geschäftsführer führte, zu behaupten, überzeugt nicht. Wie der Kläger pflichtgemäß eine „Belastbarkeit“ der Qualitätskennzahlen hätte herbeiführen sollen, erschließt sich, auch insoweit folgt die Kammer dem Vorbringen des Klägers ausdrücklich, nach dem Sachvortrag der Beklagten nicht. Des Weiteren hat der Kläger dargelegt, dass er größten Wert darauf gelegt hat, dass vor Auslieferung die Kräne auf das Genaueste überprüft wurden. Danach wollte er sehr genau jeden vom Service gemeldeten Fehler überprüfen, um gegebenenfalls, falls Qualitätsfehler übersehen worden waren, die Auslieferungsprüfung noch weiter zu verbessern. Allerdings, so jedenfalls das Vorbringen des Klägers, sei er dabei wohl im Konflikt zu dem Geschäftsführer Herrn Sch. geraten. Insgesamt ist also in diesem Zusammenhang nicht recht nachvollziehbar, was konkret betreffend Qualitätskennzahlen Gegenstand der arbeitsvertraglichen Verpflichtungen des Klägers auf welcher Rechtsgrundlage gewesen ist, auf welcher Rechtsgrundlage mit welchem Inhalt der Kläger welche Berichtspflicht betreffend welcher Umstände gehabt haben soll, die dem Geschäftsführer Sch. nicht ohnehin aus eigener Tätigkeit bekannt waren und wie sich unrichtige – jedenfalls aus Sicht der Beklagten unrichtige – Angaben des Klägers insoweit auf welche unternehmerische Entscheidungen hätten auswirken können bzw. tatsächlich ausgewirkt haben. Neben der fehlenden Substantiierung des Vorbringens der Beklagten ist insoweit auch ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass für die Kammer nicht nachvollziehbar ist, inwieweit dem Kläger aufgrund seiner ab 2017 übernommenen arbeitsvertraglichen Funktion nicht in dieser Gemengelage zwischen der ordnungsgemäßen Tätigkeit in der Produktion und dem Bemühen, dort das Entstehen von Mängeln zu vermeiden, dem Interesse der Kunden an einer möglichst schnellen Auslieferung und frühen Mängelerkennung, um Reklamationsfristen einzuhalten, dem Kosteninteresse der Beklagten, möglichst günstige Bauteile zuzukaufen, eigene Beurteilungs- und Bewertungsspielräume zukommen, zumal die Beklagte den Kläger als leitenden Angestellten qualifiziert, bei dem an sich entsprechende Befugnisse selbstverständlich sein müssten. Soweit die Beklagte behauptet, der Kläger habe den Mitarbeiter Lauer zu vertragswidrigem Verhalten aufgefordert, ist dies nach den zuvor dargestellten Umständen nicht nachvollziehbar. Das gilt insbesondere dafür, dass dem Kläger nicht entsprechend ausgestaltete Beurteilungs- und Bewertungsspielräume und damit verbundene Weisungsbefugnisse aufgrund seiner ausgeübten Tätigkeit ohne weiteres zustanden.

Folglich bestehen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger durch die von der Beklagten beanstandeten Angaben sich selbst und die Produktionsmitarbeiter zum Nachteil der Beklagten ungerechtfertigt bereichert hat. Zwar besteht zwischen den Parteien eine Vereinbarung betreffend einen Zielbonus, der maximal 10 % des Grundgehalts des Klägers beträgt. Allerdings war danach die Verbesserung der Qualität nur eines von mehreren Zielen. Die Werksmitarbeiter erhalten aufgrund einer kollektivrechtlichen Regelung eine Prämie, wenn sie mit geringer Fehlerquote arbeiten. Die Frage, ob Mitarbeiter des Werkes ihnen zurechenbare Fehler in der Produktion machen, lässt sich freilich nur klären, wenn der Ursache der gemeldeten Mängel genau nachgegangen wird. Wenn z.B., worauf der Kläger zu Recht hingewiesen hat, ein Transportschaden auftritt, kann dies keinem Werksmitarbeiter als Qualitätsmangel vorgeworden werden. Wird dagegen im Werk eine Schraube nicht sachgemäß zugezogen, so ist dies bei den Qualitätskennzahlen entsprechend zu Lasten der Produktionsmitarbeiter zu berücksichtigen. Die Beklagte hat insoweit – unsubstantiiert – behauptet, der Kläger habe falsche Angaben betreffend die Qualitätskennzahlen gemacht, um sich selbst einen Vermögensvorteil zu verschaffen und ebenso den Werksmitarbeitern. Wie bereits im Einzelnen dargelegt, ist aber insoweit bereits nicht nachvollziehbar, welche arbeitsvertraglichen Pflichten der Kläger verletzt haben soll. Darüber hinaus hat die Beklagte betreffend die von ihr herangezogenen Vorgänge bezüglich vermeintlich falscher Angaben des Klägers keinerlei nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierte Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ergeben könnte, wie sich die behaupteten Falschangaben des Klägers (im Vergleich mit den aus der Sicht der Beklagten zutreffenden Angaben) überhaupt und insbesondere betragsmäßig konkret auf die Vergütung des Klägers und der Werksmitarbeiter ausgewirkt haben. Das legt es angesichts der besonderen Sachnähe bezüglich der Kenntnis der insoweit maßgeblichen Umstände bei der Beklagten nahe, dass selbst aus ihrer Sicht ein bezifferbarer Schaden nicht entstanden ist.

Diese Ausführungen gelten uneingeschränkt gleichermaßen für den Fall des Kunden J.; auch insoweit fehlt es an hinreichend substantiiertem tatsächlichen, schlüssigen und widerspruchsfreien Vorbringen der Beklagten.

Gleiches gilt für die von der Beklagten behauptete Vorlage gefälschter Dokumente im Ermittlungsverfahren (S. 20, 21 der Berufungsbegründungsschrift vom 29.08.2019 = Bl. 1089). Wer hier welche Dokumente zu welchem Zweck „gefälscht“ haben soll, erschließt sich nicht. Noch weniger, dass dem Kläger die Verantwortung für die Löschung eines Co-Autors auf einem Originaldokument vorgeworfen werden soll. Der Kläger hat demgegenüber darauf hingewiesen, was für die Kammer ohne weiteres nachvollziehbar erscheint, dass er keine Kenntnis davon hat, warum der Mitarbeiter Z. das Protokoll nicht auch unterschrieben hat, ebenso, warum er nicht von seinem Vorgesetzten aufgefordert wurde, das Protokoll zu unterschreiben. Worin also insoweit eine Pflichtenlage des Klägers, der er nicht nachgekommen sein sollte, bestehen könnte, erschließt sich nicht. Hinsichtlich der behaupteten bewussten Nutzung falscher SAP-Nummern gilt ebenfalls, dass bereits die hinsichtlich der Verwendung von SAP-Nummern zwischen den Parteien vertraglich vereinbarte Pflichtenlage nach dem Vorbringen der Beklagten unklar ist, ebenso inwieweit dem Kläger bei der Beurteilung, ob es sich um einen Mangel handelt, der bei der Kommissionierung festgestellt wurde, oder um einen Mangel, der bereits vorher lag oder später und nicht den QKPIs zuzurechnen war, wobei ergänzend darauf hinzuweisen ist, dass hinsichtlich dieses Vorgangs die wirtschaftliche Relevanz für die Beklagte in besonderem Maße nicht nachvollziehbar ist, ein Beurteilungsspielraum zustand, in dessen Rahmen er sich bewegt hat.

Diese Überlegungen gelten auch für den Garantiefall St. Kranarbeiten. Die Ausführungen des Arbeitsgerichts in der angefochtenen Entscheidung nach Durchführung der Beweisaufnahme (S. 39 – 42 des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserlautern – Auswärtige Kammern Pirmasens – vom 11.04.2019 – 6 Ca 603/18 -) sind vollumfänglich zutreffend; auch insoweit ist zudem nicht nachvollziehbar, welche Pflichtenlage bezogen auf den Kläger bestand. Der Kläger hat sich, im Urlaub befindlich, folglich zu keinerlei Art von Arbeitsleistung verpflichtet, bereitgefunden, dafür Sorge zu tragen, dass ein konkretes Problem eines Großkunden in dem Sinne einer einstweiligen Lösung zugeführt wurde, dass möglichst Stillstandszeiten und damit Einnahmeausfälle bei dem Kunden vermieden werden konnten. Warum der Kläger darüber hinaus in irgendeiner Art und Weise verantwortlich dafür sein soll, wie betriebsintern durch seine nachgeordneten Mitarbeiter beurteilt wurde, ob dies nun als Garantiefall, oder aber nicht zu behandeln war, was der Kläger aus dem Urlaub sicher ernsthaft gar nicht beurteilen konnte, erschließt sich nach dem Vorbringen der Beklagten nicht. Warum der Kläger als Leiter der Qualitätsabteilung selbst sich insoweit mit einem standardisierten Garantieverfahren, das die Beklagte behauptet, freilich nicht näher darlegt hat, entscheidend befassen sollte, bleibt unklar. Klar ist auch nach dem Vorbringen der Beklagten im Berufungsverfahren nicht einmal, ob ihr überhaupt insoweit ein finanzieller Schaden entstanden ist, was sie in der Berufungsbegründungsschrift (S. 23 des Schriftsatzes vom 29.08.2019 = Bl. 1090 d.A.) nur mit „möglicherweise“ beschreibt.

Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 22.11.2019 (Bl. 1178 ff. d. A.).

Soweit die Beklagte sich auf die arbeitsvertraglichen Pflichten des Klägers im Zusammenhang mit der Qualitätskennzahl QKPI 30 Days bezieht, handelt es sich um kein den zuvor dargestellten Anforderungen genügendes substantiiertes Vorbringen der Beklagten. Was den Inhalt der dem Kläger insoweit obliegenden Pflichten anbelangt, trägt die Beklagte auch insoweit lediglich vor, der Kläger habe als Leiter der Qualitätsabteilung in monatlich stattfindenden Besprechungen dem T. Cranes Leadership Team zu berichten. Diese Berichtspflicht hat der Kläger nach dem Vorbringen der Beklagten zu keinem Zeitpunkt im bisherigen Verfahren bestritten. Dabei verkennt die Beklagte, dass vorliegend bereits nicht erkennbar ist, wie im Einzelnen dargelegt, welche betriebliche Relevanz für welche Entscheidungen welchen Zahlen zukommt, worin im Einzelnen die Berichtspflicht des Klägers bestehen sollte, mit welchen Folgen, inwieweit welcher Zusammenhang zwischen nach Auffassung der Beklagten behaupteter falscher Angaben im Einzelnen und etwaigen unternehmerischen Entscheidungen bestehen könnte udgl. mehr. Soweit die Beklagte sodann hinsichtlich eines etwaigen Schadens sich auf schriftsätzliche Ausführungen des Klägers bezieht (Bl. 1180 d. A.), wonach der Kläger es für unfair gehalten habe, dass nicht nur er einige Euros weniger gehabt habe, sondern Hunderte von Mitarbeitern der Produktion, hätte der Kläger sämtliche vom Service gemeldete Fehler ohne Prüfung, ob ihre Ursache in schlampiger Arbeit durch die Produktionsmitarbeiter liegt, übernommen, so missinterpretiert die Beklagte ersichtlich den Inhalt und die Zielsetzung dieser Ausführungen des Klägers, der, wie auch in seinen weiteren schriftsätzlichen Vorbringen stets darauf hingewiesen hat, dass er sorgfältig habe ermitteln müssen, wo in der möglichen Entwicklungskette betreffend betrieblicher bzw. außerbetrieblicher Ursachen die Fehlerquelle liege, um eine korrekte Zuordnung mit entsprechenden Folgen vornehmen zu können und dass ihm dies nicht selten aufgrund fehlender Übergabeprotokolle nicht in der gebotenen Sorgfalt möglich gewesen sei. Damit ist entgegen der Auffassung der Beklagten keineswegs ein Eingeständnis zum Ausdruck gebracht, dass der Kläger Datenerfassungen bewusst falsch vorgenommen habe. Zum anderen ersetzt dieser Hinweis nicht das fehlende substantiierte tatsächliche Vorbringen der Beklagten trotz der bei ihr gegebenen besonderen Sachnähe hinsichtlich eines tatsächlich eingetretenen oder möglicherweise entstandenen Vermögensschadens, bezogen auf den Kläger einerseits und die Produktionsmitarbeiter andererseits.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beklagten im Schriftsatz vom 22.11.2019 (Bl. 1178 ff. d. A.) sind im hier maßgeblichen Zusammenhang keine weiteren Ausführungen veranlasst.

Nach alledem ist ein an sich zur außerordentlichen Kündigung geeigneter Umstand entgegen der Auffassung der Beklagten nicht gegeben. Vor dem Hintergrund der offensichtlich zwischen den Parteien bestehenden Unklarheiten betreffend der arbeitsvertraglichen Pflichtenlage im Hinblick auf den konkreten Inhalt der vom Kläger nach der Vertragsänderung geschuldeten Arbeitsleistung im Einzelnen wäre ein verständiger Arbeitgeber gehalten gewesen, den Arbeitsvertrag zwischen den Parteien zu ergänzen, den Inhalt klarzustellen, gegebenenfalls durch eine Arbeitsplatzbeschreibung, Weisungen nach Maßgabe des Direktionsrechts nach billigem Ermessen, gegebenenfalls auch Änderungen herbeizuführen durch Ausspruch einer (außerordentlichen und/oder ordentlichen) Änderungskündigung (§ 2 KSchG). In Betracht zu ziehen wäre zudem, sollte im Einzelfall entgegen der hier vertretenden Auffassung gleichwohl ein schuldhaftes Fehlverhalten des Klägers festzustellen gewesen sein sollen, vorrangig der Ausspruch einer Ermahnung bzw. gegebenenfalls einer Abmahnung, keinesfalls aber der Ausspruch einer ordentlichen oder gar einer außerordentlichen Kündigung. Die von der Beklagten im tatsächlichen Vorbringen in beiden Rechtszügen zugrunde gelegte Vorstellung, der Kläger habe bewusst Tätigkeiten entfaltet zum Nachteil der Beklagten, erscheint im Hinblick auf die langjährige beanstandungsfreie Betriebszugehörigkeit des Klägers mangels konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte fernliegend.

Folglich sind die gesetzlichen Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB für eine Tatkündigung nicht gegeben.

Die außerordentliche Kündigung der Beklagten ist auch nach Maßgabe der Kriterien der sogenannten außerordentlichen Verdachtskündigung als nicht die gesetzlichen Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB erfüllend anzusehen.

Zwar kann auch der Verdacht, der Vertragspartner könne eine strafbare Handlung oder eine schwerwiegende Pflichtverletzung begangen haben, ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB bilden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG z. B. (04.06.1964 AP Nr. 13 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung; 10.02.2005 EzA § 1 KSchG Verdachtskündigung Nr. 3; 29.11.2007 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 5; 05.06.2008 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7; 25.11.2010 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 21.06.2012 EzA § 9 KSchG n.F. Nr. 63 = NZA 2013, 199; 25.10.2012 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 13) kann auch der auf objektive – unstreitige oder bewiesene – Tatsachen gründende dringende Verdacht einer Straftat mit Bezug zum Arbeitsverhältnis oder eines sonstigen erheblichen Fehlverhaltens, einer schwerwiegenden Verletzung von erheblichen arbeitsvertraglichen Pflichten (BAG 24.05.2012 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 11 = NZA 2013, 137) ein an sich zur außerordentlichen Kündigung berechtigender Umstand sein (s. Lunck NJW 2010, 2753 ff.). Auch insoweit ist für die kündigungsrechtliche Beurteilung einer Pflichtverletzung ihre strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend. Entscheidend sind der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten (§ 241 Abs. 2 BGB; Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers und der mit ihr verbundene Vertrauensbruch: (BAG 25.11.2010 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 21.06.2012 EzA § 9 KSchG n.F. Nr. 63 = NZA 2013, 199).

Eine Verdachtskündigung setzt danach voraus (s. BAG 25.11.2010 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; LAG RhPf 08.07.2009 – 8 Sa 203/09, AuR 2010, 176 LS; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, a. a. O., Kap. 4, Rn. 1551 ff. = S. 1712 ff.), dass

-die Kündigung gerade auf den Verdacht der strafbaren Handlung bzw. eines vertragswidrigen Verhaltens gestützt wird;

-eine Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch der Kündigung erfolgt ist.

-zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung ein dringender Tatverdacht gegen den Arbeitnehmer besteht und

-eine umfassende Interessenabwägung der widerstreitenden Interessen des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses einerseits und dem des Arbeitnehmers an der (einstweiligen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses) andererseits überwiegt.

Der Verdacht einer Straftat ist nur dann ein an sich zur außerordentlichen Kündigung berechtigender Umstand, wenn er zum einen objektiv durch bestimmte Tatsachen begründet ist – subjektive Wertungen des Arbeitgebers reichen nicht aus – und sich zum anderen aus Umständen ergibt, die so beschaffen sind, dass sie einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zum Ausspruch der Kündigung veranlassen können; er muss also dringend sein; es muss bei kritischer Prüfung eine auf Indizien gestützte große Wahrscheinlichkeit für eine erhebliche Pflichtverletzung gerade des gekündigten Arbeitnehmers bestehen (BAG 21.06.2012 EzA § 9 KSchG n.F. Nr. 63 = NZA 2013, 199; 12.05.2010 EzA § 15 KSchG n.F. Nr. 67; 13.03.2008 EzA § 626 BGBN 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6; 29.11.2007 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 5; 10.02.2005 EzA § 1 KSchG Verdachtskündigung Nr. 3; LAG SchlH 25.02.2004 NZA-RR 2005, 132; LAG Köln 14.05.2008 – 7 TaBV 6/08, AuR 2009,104 LS). Aus der Darlegung des Arbeitgebers muss sich ein dringender Verdacht auf eine in ihren Einzelheiten gekennzeichnete Straftat oder vergleichbare Pflichtwidrigkeit i.S. eines konkreten Handlungsablaufs schlüssig ergeben; sind die insoweit vorgetragenen Tatsachen nicht unstreitig, muss Beweis erhoben werden (LAG Bln-Bra. 16.12.2010 LAGE § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10).

Der Verdacht muss zudem dringend sein, d. h. es muss eine große, zumindest überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass der Arbeitnehmer eine Straftat begangen hat, obwohl der Arbeitgeber alle ihm zumutbaren Anstrengungen zur Sachverhaltsaufklärung unternommen hat (BAG 30.04.1987 EzA § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3; 06.09.2007 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 29: stark oder dringend; 13.03.2008 EZA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6: starke Verdachtsmomente; LAG Hamm 22.09.2004 LAGE § 1 KSchG Verdachtskündigung Nr. 1; a. A. LAG Köln 10.08.1999 ARST 2000, 161: so knapp unter der Schwelle der Gewissheit, dass nachhaltigen Zweifeln Schweigen geboten ist; LAG Köln 14.05.2008 – 7 TaBV 6/08, AuR 2009, 104 LS u. 13.08.2009 – 7 Sa 1256/07, AuR 2009, 369 LS: nur geringfügiges Zurückbleiben hinter der Gewissheit der Tatbegehrung; LAG SchlH 25.02.2003 – 3 Sa 491/03, NZA-RR 2005, 132: große Wahrscheinlichkeit, schwerwiegende Verdachtsmomente; LAG Nds. 08.06.2004 NZA-RR 2005, 24: starke Verdachtsmomente).

Aus den im Einzelnen zur Tatkündigung dargelegten Gründen sind die Voraussetzungen auch für einen dringenden Tatverdacht vorliegend nicht gegeben. es kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine große, zumindest überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Kläger die ihm vorgeworfenen Pflichtverletzungen begangen hat, obwohl die Beklagte alle ihr zumutbaren Anstrengungen zur Sachverhaltsaufklärung unternommen hat. Ob die Anhörung des Klägers zudem, die bei der Verdachtskündigung als Wirksamkeitsvoraussetzung anzusehen ist, den insoweit zu stellenden Anforderungen genügt hat, lässt sich nach dem nicht näher substantiierten Vorbringen der Beklagten nicht feststellen, bedarf aber mangels dringenden Tatverdachts keiner Entscheidung.

Schließlich erweist sich auch die von der Beklagten hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung vom 08.03.2019 zum 31.10.2019 als rechtsunwirksam, weil sozial nicht gerechtfertigt im Sinne des § 1 KSchG.

Die Beklagte hat insoweit eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung erklärt. Was als verhaltensbedingter Kündigungsgrund zu verstehen ist, wird im KSchG zwar nicht definiert. Allerdings kommen verhaltensbedingte Umstände, die grundsätzlich dazu geeignet sind, einen wichtigen Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen, ebenso als verhaltensbedingte Gründe i. S. d. § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG in Betracht. Im Übrigen ist eine Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen des Arbeitnehmers gem. § 1 Abs. 2 S 1 Alt. 2 KSchG dann sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und i. d. R. schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile angemessen erscheint. Ein nachhaltiger Verstoß des Arbeitnehmers gegen berechtigte Weisungen des Arbeitgebers stellt eine Vertragspflichtverletzung dar, die eine Kündigung zu rechtfertigen vermag. Ebenso kann eine erhebliche Verletzung der den Arbeitnehmer gemäß § 241 Abs. 2 BGB treffenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers eine Kündigung rechtfertigen (BAG 24.06.2004 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 65; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 37; 03.11.2011 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 79 = NZA 2012, 607; s. a. BAG 12.05.2011 EzA § 123 BGB 2002 Nr. 10).

Eine ordentliche verhaltensbedingte Arbeitgeberkündigung ist grundsätzlich nur dann sozial gerechtfertigt (vgl. BAG 24.06.2004 EzA § 1 KSchG, Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 65, 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 37; 03.11.2011 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 79 = NZA 2012, 607; s. a. BAG 12.05.2011 EzA § 123 BGB 2002 Nr. 1; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Arbeitsrechts, 15. Aufl. 2020, Kap. 4, Rn. 2282 ff.) wenn

-ein (i. d. R. schuldhaftes) Fehlverhalten des Arbeitnehmers als Abweichung des tatsächlichen Verhaltens oder der tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung vom vertraglich geschuldeten Verhalten bzw. der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung gegeben ist, der Arbeitnehmer also seine vertraglichen haupt- oder Nebenpflichten erheblich und i. d. R. schuldhaft verletzt hat;

-dieses Fehlverhalten auch betriebliche Auswirkungen hat;

-(i. d. R. zumindest) eine einschlägige vorherige Abmahnung gegeben ist;

-danach weiteres einschlägiges schuldhaftes Fehlverhalten mit betrieblichen Auswirkungen vorliegt und

-eine umfassende Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung der betrieblichen Auswirkungen des Fehlverhaltens oder der Schlechtleistung und des Verhältnismäßigkeitsprinzips das Überwiegen des Interesses des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse des Arbeitnehmers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ergibt.

Es gilt das Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht die Sanktion für eine Vertragspflichtverletzung, sondern eine Vermeidung von weiteren Vertragspflichtverletzungen. Die eingetretene Pflichtverletzung muss sich auch zukünftig noch belastend auswirken. Eine negative Prognose liegt vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag auch nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen (BAG 19.04.2007 NZA-RR 2007, 571; LAG RhPf 26.02.2010 NZA-RR 2010, 297).

Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung, wie bereits dargelegt, regelmäßig eine Abmahnung voraus; sie dient der Objektivierung der Prognose (BAG 12.01.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67: 12.01.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Sie ist nur dann entbehrlich, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorgelegen haben, aufgrund derer eine Abmahnung als nicht Erfolg versprechend angesehen werden kann. Das ist insbes. dann anzunehmen, wenn erkennbar ist, dass der Arbeitnehmer nicht gewillt ist, sich vertragsgerecht zu verhalten. Nur besonders schwere Vorwürfe bedürfen keiner Abmahnung, wenn und weil der Arbeitnehmer dann von vornherein nicht mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen kann (LAG RhPf 26.02.2010 – 6 Sa 682/09, NZA-RR 2010, 297; LAG Nds. 12.02.2010 – 10 Sa 1977/08, EzA-SD 8/2010 S. 6 LS).

Einer Abmahnung bedarf es danach bei einem steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes also nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG 24.03.2011 – 2 AZR 282/10, EzA-SD 16/2011 S. 3 LS = NZA 2011, 1029; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 36; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 39 = NZA-RR 2012, 567;25.10.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 41 = NZA 2013, 319; LAG Hessen 27.02.2012 NZA-RR 2012, 471), denn dann ist grds. davon auszugehen, dass das künftige Verhalten des Arbeitnehmers schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann; die Abmahnung dient insoweit der Objektivierung der negativen Prognose: Ist der Arbeitnehmer ordnungsgemäß abgemahnt worden und verletzt er dennoch seine arbeitsvertraglichen Pflichten erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen.

Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast gelten die zu § 626 Abs. 1 BGB dargestellten Grundsätze entsprechend.

Das Arbeitsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung (S. 34 – 42 = Bl. 414 – 422 d. A.) das Vorliegen dieser Voraussetzungen mit zutreffender Begründung verneint. Insoweit wird vorliegend auf die Ausführungen der Kammer zu § 626 Abs. 1 BGB Bezug genommen. Lediglich ergänzend ist mit dem Arbeitsgericht darauf hinzuweisen, dass selbst dann, wenn man entgegen der Auffassung der Kammer von einem Fehlverhalten des Klägers ausgehen würde, dieses zuvor abzumahnen gewesen; diese zutreffend begründete Auffassung des Arbeitsgerichts (Urteil vom 11.04.2019 – 6 Ca 603/18 – S. 41, 42 = Bl. 421, 422 d.A.) teilt die Kammer. Auch insoweit wird zusätzlich auf die Ausführungen zu § 626 Abs. 1 BGB ausdrücklich zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen; diese Überlegungen gelten auch im hier maßgeblichen Zusammenhang im Rahmen des § 1 KSchG.

Die soziale Rechtfertigung der hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung folgt auch nicht aus der Anwendung der Grundsätze zur Verdachtskündigung.

Zwar kann auch der Verdacht einer Straftat oder einer erheblichen Pflichtverletzung eine ordentliche Kündigung im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG sozial rechtfertigen (BAG 31.01.2019 – 2 AZR 426/18 – EzA § 1 KSchG Verdachtskündigung Nr. 7; s. DLW/Dörner, a. a. O., Kap. 4 Rn. 1811 f.). Allerdings kommt eine Verdachtskündigung im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes – schon wegen der im besonderen Maße bestehenden Gefahr, dass ein Unschuldiger getroffen wird – auch als ordentliche Kündigung nur in Betracht, wenn das Arbeitsverhältnis dadurch so gravierend beeinträchtigt wird, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann, also wenn Tatsachen vorliegen, die auch eine außerordentliche, fristlose Kündigung gerechtfertigt hätten (BAG 21.11.2013 EzA § 1 KSchG Verdachtskündigung Nr. 5; 31.01.2019, a.a.O.). Dies setzt voraus, dass nicht nur der Verdacht als solcher schwerwiegend ist. Vielmehr muss ihm ein erhebliches Fehlverhalten des Arbeitnehmers zugrunde liegen. Die Verdachtsmomente müssen auch im Fall einer ordentlichen Kündigung regelmäßig ein solches Gewicht erreichen, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses überhaupt nicht mehr zugemutet werden kann, und darauf grundsätzlich eine außerordentliche Kündigung gestützt werden könnte (BAG 27.11.2008 EzA § 1 KSchG Verdachtskündigung Nr. 4; 21.11.2013 EzA § 1 KSchG Verdachtskündigung Nr. 5). Das gilt sowohl für die Anforderungen an die Dringlichkeit des Verdachts als auch für die Bewertung des Verhaltens, dessen der Arbeitnehmer verdächtig ist.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend schon deshalb nicht gegeben, weil es, wie im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB zur außerordentlichen Verdachtskündigung im Einzelnen ausgeführt, an der erforderlichen Dringlichkeit des Verdachts fehlt. Ob im Übrigen die weiteren Voraussetzungen für eine ordentliche Verdachtskündigung gegeben wären, bedarf folglich keiner Entscheidung.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist vorliegend das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht nach Maßgabe der §§ 9, 10 KSchG durch das Gericht gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen. Denn die gesetzlichen Voraussetzungen dieser Normen sind vorliegend nicht erfüllt.

Gemäß § 9 Abs. 1, Satz 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 KSchG hat das Gericht dann, wenn es festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst worden ist, was vorliegend zutrifft, auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Diesen Antrag kann der Arbeitgeber bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung der Berufungsinstanz stellen.

Vorliegend kann entgegen der Auffassung der Beklagten zunächst nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger als leitender Angestellter anzusehen ist, sodass der Auflösungsantrag der im Gesetz an sich vorgegebenen Begründung nicht bedurft hätte.

Gemäß § 14 Abs. 2 KSchG bedarf zwar der Antrag des Arbeitgebers auf Auflösung eines Arbeitsverhältnisses mit einem Leitenden Angestellten keiner Begründung. Das Arbeitsgericht hat dann dem Auflösungsantrag stattzugeben, auch wenn keinerlei Auflösungsgründe vorliegen (vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, a. a. O., 15. Aufl. 2020, Kap. 4, Rn. 3339 ff.).

Ein Arbeitnehmer ist aber dann kein „ähnlicher leitender Angestellter“ i. S. v. § 14 Abs. 2 S. 1 KSchG, wenn ihn nur intern, nicht aber auch im Außenverhältnis eine selbständige Entlassungsbefugnis zusteht (BAG 18.11.1999 EzA § 14 KSchG Nr. 4; vgl. auch Thür. LAG 06.07.2000 LAGE § 5 BetrVG 1972 Nr. 22 zu § 5 Abs. 3 BetrVG). Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer nicht zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt ist oder wenn die Ausübung einer derartigen Befugnis keinen wesentlichen Teil seiner Tätigkeit ausmacht und somit seine Stellung nicht prägt (BAG 18.10.2000 EzA § 14 KSchG Nr. 5; LAG Nbg. 13.10.1998 NZA-RR 1999, 238; vgl. auch Diringer NZA 2003, 890 ff). Umgekehrt formuliert: Die Befugnis zur selbständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern i. S. d. § 14 Abs. 2 KSchG muss entweder eine bedeutende Anzahl von Arbeitnehmern oder eine gewisse Anzahl bedeutender Arbeitnehmer erfassen. Sie muss einen wesentlichen Teil der Tätigkeit des Angestellten ausmachen und tatsächlich ausgeübt werden. Es kann ausreichend sein, dass sich die personellen Entscheidungskompetenzen des Angestellten auf eine begrenzte Gruppe von Mitarbeitern beziehen, die für das Unternehmen, insbesondere für dessen unternehmerischen Erfolg, von Bedeutung ist (BAG 19.04.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 40). Die entsprechende Befugnis muss zudem nicht nur im Innenverhältnis, sondern auch im Außenverhältnis bestehen; der Angestellte muss die Rechtsmacht haben, den Arbeitgeber selbständig zu verpflichten. Das ist dann nicht der Fall, wenn der Angestellte zwar informellen Einfluss ausüben kann, letztlich aber auf die Befugnis beschränkt ist, Vorschläge zu unterbreiten. Das Gebot der Rechtssicherheit verbietet auch ein über den Wortlaut hinausgehendes Verständnis des § 14 Abs. 2 KSchG, denn die formelle Berechtigung zum Abschluss von Arbeitsverträgen und zum Ausspruch von Kündigungen ist regelmäßig leicht festzustellen, während eine zuverlässige rechtliche Gewichtung informeller Einflüsse auf Personalentscheidungen schwierig sein wird (BAG 14.04.2011 EzA § 14 KSchG Nr. 9; s. Horn NZA 2012, 186 ff.) erstreckt sich die Personalhoheit eines Arbeitnehmers über sechs oder sieben Mitarbeiter, handelt es sich nicht um eine „bedeutende“ Zahl von Mitarbeitern in einem Betrieb, in dem insgesamt über 100 Mitarbeiter beschäftigt sind (LAG Köln 03.06.2003 NZA-RR 2004, 578). Das gilt erst recht für einen als Personalleiter bezeichneten Angestellten. Insgesamt muss die Befugnis zur selbständigen Einstellung und Entlassung eine bedeutende Zahl von Arbeitnehmern erfassen; ein nur eng begrenzter Personenkreis genügt nicht (BAG 24.03.2011 EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 62 = NZA-RR 2012, 243). Von einer Berechtigung zur „selbständigen“ Einstellung und Entlassung kann auch dann generell nicht gesprochen werden, wenn die personelle Maßnahme von der Zustimmung einer anderen Person abhängig ist. Andererseits liegt keine Beschränkung der selbständigen Einstellungs- und Entlassungsbefugnis dann vor, wenn der Angestellte lediglich interne Richtlinien bzw. interne Beratungspflichten beachten oder Zweitunterschriften lediglich zur Kontrolle einholen muss (LAG Nds. 08.01.2004 NZA-RR 2004, 524). Die Befugnis darf sich nicht darauf beschränken, intern Vorschläge zu unterbreiten. Der Selbständigkeit der Personalkompetenz steht andererseits nicht entgegen, dass der Angestellte unternehmensinterne Vorgaben wie etwa einen Stellenplan zu beachten hat (BAG 19.04.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 40).

Vorliegend ist davon auszugehen, dass diese Voraussetzungen offensichtlich nicht erfüllt sind. Nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiiertes tatsächliches Vorbringen der Beklagten insoweit fehlt in beiden Rechtszügen vollständig. Die Beklagte hat insoweit lediglich allgemein auf die besondere Bedeutung, insbesondere der Beachtung der QKPI für weitreichende unternehmerische Entscheidungen der Beklagten hingewiesen; sie hat, wie dargelegt, andererseits die streitgegenständlichen Kündigungen gerade damit begründet, dass der Kläger ihm im Einzelnen gemachte Vorgaben schuldhaft nicht beachtet habe; angesichts der Funktion des Klägers als Leiter Qualitätskontrolle einerseits, deren Bedeutung die Beklagte stets hervorgehoben hat, und der von der Beklagten zwar behaupteten, sich, wie dargelegt, im schriftsätzlichen Vorbringen aber nicht entnehmen lassende strikte Bindung an inhaltliche Vorgaben, deren arbeitsvertragliche Berechtigung zudem nicht substantiiert dargelegt wird, andererseits ist das Vorbringen der Beklagten insgesamt in besonderem Maße widersprüchlich und zudem unsubstantiiert. In der Berufungsbegründungsschrift vom 29.08.2019 (Bl. 1091 ff. d. A.) finden sich Ausführungen dazu nicht mehr, ohne dass die Beklagte eindeutig zum Ausdruck gebracht hätte, von ihrer Behauptung, der Kläger sei leitender Angestellter i. S. d. § 14 KSchG gewesen, nunmehr ausdrücklich Abstand zu nehmen. Im Schriftsatz vom 22.11.2019 (Bl. 1178 ff. d. A.) finden sich dazu keine Ausführungen.

Folglich ist davon auszugehen, dass der Kläger nicht als leitender Angestellter nach Maßgabe des § 14 Abs. 2, Satz 1 KSchG anzusehen ist, sodass § 9 Abs. 1, Satz 2 KSchG vorliegend ohne die Maßgabe anzuwenden ist, dass der Antrag des Arbeitgebers auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses keiner Begründung bedarf.

Nach alledem kommt es für die rechtliche Beurteilung des Auflösungsantrags der Beklagten gemäß § 9 Abs. 1, Satz 2 i. V. m. Satz 1 KSchG darauf an, ob zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Dies ist zu verneinen.

Vorliegend kommt also eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses aufgrund Antrags des Arbeitgebers lediglich gemäß § 9 Abs. 1, Satz 2 KSchG in Betracht, bedarf also einer Begründung.

Gem. § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG hat das Arbeitsgericht, wenn es festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Arbeitgeberkündigung nicht aufgelöst worden ist, auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen (s. dazu Holthausen/Holthausen NZA-RR 2007, 449 ff.); für die Gewichtung des Interesses des Arbeitgebers an der Auflösung kommt es insbes. auch auf den Umfang der bei Unterlassen der Beendigung zu befürchtenden schweren Störungen an (Prognoseprinzip; BAG 08.10.2009 EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 57).

Die Frage der Auflösung des Arbeitsverhältnisses ist zukunftsbezogen zu beantworten. Das schließt es aus, der Dauer der Betriebszugehörigkeit als solcher ohne nähere Betrachtung der mit ihr verbundenen Einschätzungen des künftigen betriebsdienlichen Zusammenwirkens Bedeutung beizumessen. Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Arbeitgebers setzt die Prognose einer schweren Beeinträchtigung des Austauschverhältnisses voraus (BAG 09.09.2010 EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 60). Auflösungsgründe können insbes. solche Umstände sein, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. In diesem Sinne als Auflösungsgrund geeignet sind etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen (BAG 24.03.2011 EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 62 = NZA-RR 2012, 243).

Die Gründe, die eine dem Betriebszweck dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien nicht erwarten lassen, können, müssen aber insgesamt nicht unbedingt im Verhalten, insbes. nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Vielmehr kommt es darauf an, ob die objektive Lage beim Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz beim Arbeitgeber die Besorgnis aufkommen lassen kann, die weitere Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer sei gefährdet (BAG 23.06.2005 EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 52; 10.07.2008 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163; s. a. BAG 23.02.2010 EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 58). Die danach erforderliche Gesamtabwägung aller Umstände, die für oder gegen die Prognose sprechen, muss zu dem Ergebnis führen, eine weitere, den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit zwischen den Parteien sei nicht mehr zu erwarten (vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 15. Aufl. 2020, Kap. 4., Rn. 3326).

Als Auflösungsgrund kommen, wie dargelegt, insbes. Beleidigungen, sonstige verletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzten oder Kollegen in Betracht (BAG 24.03.2011 EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 62 = NZA-RR 2012, 243; LAG Köln 12.12.2008 – 11 Sa 777/08, AuR 2009, 224 LS; Gravenhorst NZA-RR 2007, 57 ff.). Ehrverletzende Äußerungen anlässlich einer prozessualen Auseinandersetzung der Arbeitsvertragsparteien können durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen gedeckt sein. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass Prozessparteien schon im Hinblick auf das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) alles vortragen dürfen, was als rechts-, einwendungs- oder einrede begründender Umstand prozesserheblich sein kann. Das gilt aber nur in den Grenzen der Wahrheitspflicht. Insbesondere dürfen nicht leichtfertig Tatsachenbehauptungen aufgestellt werden, deren Unhaltbarkeit ohne weiteres auf der Hand liegt (BAG 24.03.2011 EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 62 = NZA-RR 2012, 243).

Als Auflösungsgründe können zwar auch – entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts – auch solche Tatsachen herangezogen werden, die die Kündigung selbst nicht rechtfertigen. Durch eine bloße Bezugnahme auf nicht ausreichende Kündigungsgründe genügt der Arbeitgeber allerdings noch nicht seiner Darlegungslast. Er muss dann vielmehr im Einzelnen vortragen und zusätzlich greifbare Tatsachen dafür vortragen, dass die nicht ausreichenden Kündigungsgründe einer den Betriebszwecken dienlichen weiteren Zusammenarbeit entgegenstehen sollen, dass der Kündigungssachverhalt so beschaffen ist, dass eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit nicht erwarten lässt (BVerfG 22.10.2004, EzA § 9 KSchG n.F. Nr. 49). Zwar ist es nicht notwendig, dass es sich um neue, erst nach Ausspruch der Kündigung eingetretene Tatsachen handelt; der Arbeitgeber muss aber darlegen, welche der zur Begründung der Kündigung vorgetragenen Tatsachen auch für den Auflösungsantrag herangezogen werden sollen. Denn nach dem Verhandlungsgrundsatz darf das Gericht seine Entscheidung nur solche Auflösungstatsachen zugrunde legen, die der darlegungspflichtige Arbeitgeber vorgebracht hat. Selbst offenkundige Tatsachen darf das Gericht nicht verwerten, wenn es sich nicht auf sie zur Begründung seines Auflösungsantrags berufen hat (BAG 16.05.1984 EzA § 9 KSchG n.F. Nr. 16).

Entgegen der Auffassung der Beklagten führt die danach erforderliche Gesamtabwägung aller Umstände nicht zu dem Ergebnis, eine weitere, den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit zwischen den Parteien sei nicht mehr zu erwarten. Denn maßgeblich kommt es insoweit nicht auf die subjektive Befindlichkeit einer Prozesspartei, sondern auf die objektive Lage beim Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz an. Bei einem verständigen Arbeitgeber kann vorliegend aber nicht die Besorgnis aufkommen, die weitere Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer sei gefährdet.

In Anwendung dieser Grundsätze hat das Arbeitsgericht ausgeführt:

“ 2.

Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen.

Das Kündigungsschutzgesetz ist seiner Konzeption nach ein Bestandsschutz- und kein Abfindungsgesetz. An den Auflösungsgrund sind deshalb strenge Anforderungen zu stellen. Ein Auflösungsantrag kommt vor allem dann in Betracht, wenn während eines Kündigungsschutzprozesses zusätzliche Spannungen zwischen den Parteien auftreten, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sinnlos erscheinen lassen.

Daraus, dass an den Auflösungsantrag des Arbeitgebers strengere Anforderungen zu stellen sind als an den des Arbeitnehmers, folgt andererseits nicht, dass für ihn nur solche Umstände als Auflösungsgründe in Betracht kommen, die dazu geeignet sind, eine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB zu rechtfertigen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu erwarten ist, ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz. Der Auflösungsantrag ist trotz seiner nach § 9 Abs. 2 KSchG gesetzlich angeordneten Rückwirkung auf den Kündigungszeitpunkt in die Zukunft gerichtet. Das Gericht hat eine Vorausschau anzustellen. Im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag ist zu fragen, ob aufgrund des Verhaltens des Arbeitnehmers in der Vergangenheit in Zukunft noch mit einer den Betriebszwecken dienenden weiteren Zusammenarbeit der Parteien zu rechnen ist.

Die Frage der Auflösung des Arbeitsverhältnisses ist also zukunftsbezogen zu beantworten. Das schließt es aus, der Dauer der Betriebszugehörigkeit als solcher ohne nähere Betrachtung der mit ihr verbundenen Einschätzungen des künftigen betriebsdienlichen Zusammenwirkens Bedeutung beizumessen. Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Arbeitgebers setzt die Prognose einer schweren Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses voraus. Auflösungsgründe können insbesondere solche Umstände sein, die das persönliche Verhalten zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. In diesem Sinne als Auflösungsgrund geeignet sind etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzenden Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen (DLW, 14. Aufl., 4. Kap., Rz 3169).

Im vorliegenden Fall sind keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass in Zukunft nicht mit einer den Betriebszwecken dienenden weiteren Zusammenarbeit der Parteien zu rechnen ist.

Insbesondere können die Kündigungsgründe hierzu nicht herangezogen werden. Aber auch die in den letzten beiden Schriftsätzen getätigten Aussagen des Klägers können einen solchen Auflösungsantrag nicht begründen. Die Beklagte bezog den Auflösungsantrag in der mündlichen Verhandlung vom 11.04.2019 auf die von dem Kläger in den letzten beiden Schriftsätzen getätigten Aussagen.

Als Tatsachen, die eine Auflösung tragen, kommen vor allem bewusst wahrheitswidrige, insbesondere verleumderische Tatsachenbehauptungen, Beleidigungen, üble Nachrede oder sonstige ehrverletzende Angriffe gegenüber dem Arbeitgeber in Betracht. Falsche Tatsachenbehauptungen sind nicht vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG umfasst, anders als Äußerungen, die durch ein Werturteil in Form einer Stellungnahme, eines Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind.

Insbesondere hat der Kläger keine rufschädigenden Diffamierungen gegenüber der Beklagten begangen. Er hat vielmehr nur vorgetragen, dass aufgrund eines Cost-Down-Programms zugekaufte, zu verbauende Teile minderer Qualität seien und es deshalb zu einer Fehlerhäufung käme. Dies hat der Kläger auch nicht in der Öffentlichkeit vorgetragen um die Beklagte oder deren Vorgesetzte bloßzustellen, sondern im Rahmen seiner Verteidigung im Kündigungsschutzverfahren. Hierin kann keine Diffamierung des Arbeitgebers gesehen werden. Es obliegt allein dem Arbeitgeber betriebswirtschaftliche Entscheidungen zu treffen, welche Teile er zukauft, auch wenn bei diesen Teilen eine Fehlerhäufigkeit vorkommt.

Soweit der Kläger die Anrechnung von bestimmten Fehlern als unfair bezeichnet, ist dies von der Meinungsfreiheit gedeckt und kann allein keinen Auflösungsantrag begründen.

Auch ist für das Gericht nicht ersichtlich, warum in Zukunft keine gedeihliche Zusammenarbeit möglich sein sollte. Insoweit wäre dem Kläger lediglich im Einzelnen darzulegen auf was er Fehlerlisten seitens der Außendienstmitarbeiter zu überprüfen hat oder ob er diese 1:1 zu übernehmen hat. Dies hätte bereits durch einschlägige Abmahnungen erfolgen können. Insbesondere liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger sich an entsprechende Weisungen nicht halten würde. Soweit die Beklagte pauschal vorträgt, Mitarbeiter wollten mit dem Kläger nicht zusammenarbeiten, fehlt es hier an einem substantiierten Vortrag. Insoweit handelt es sich um einen pauschalen Vortrag, der einer Überprüfung nicht zugänglich ist.

Auch sind weitere Umstände nicht ersichtlich, die eine Zusammenarbeit in Zukunft als nicht dienlich erscheinen lassen.“

Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer voll inhaltlich an und stellt dies hiermit ausdrücklich gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest.

Das Berufungsvorbringen der Beklagten rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts.

Soweit die Beklagte sich insoweit (s. Bl. 1091 ff. d. A.) insbesondere auf voraussichtliche Eigenkündigungen der Kollegen des Klägers sowie ehrverletzende Angriffe gegenüber Kollegen beruft, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass bis zum Zeitpunkt des Zugangs der streitbefindlichen Kündigung die Beklagte offensichtlich keinerlei Veranlassung gesehen hat, durch Kritikgespräche, Ermahnungen, Abmahnungen, vermeintliches Fehlverhalten des Klägers insoweit aufzugreifen und ergebnisoffen im Sinne einer weiteren gedeihlichen Zusammenarbeit mahnend zu sanktionieren. Ebenso wenig lässt sich den Stellungnahmen des Betriebsrats der Beklagten dafür irgendeinen Anhaltspunkt entnehmen. Dass im Übrigen beim vom Arbeitgeber betriebenen Weggang eines Mitarbeiters, der im Rahmen der betrieblichen Hierarchie eine deutlich hervorgehobene Position begleitet, Arbeitnehmer perspektivisch Überlegungen anstellen, wie sich dies vorteilhaft auf ihre betriebliche Situation auswirken könnte, ist nicht ungewöhnlich, sondern liegt nahe. Dass Mitarbeiter mit einem Vorgesetzten sehr gut, gut, zufriedenstellend, schlecht oder gefühlt am liebsten überhaupt nicht zusammenarbeiten, ebenso. Vor diesem Hintergrund stellt die Beklagte ein Szenario dar, wonach ein erheblicher Anteil dringend benötigter Mitarbeiter für den Fall der Rückkehr des Klägers in den Betrieb der Beklagten das Unternehmen verlassen würden, was zu einer nicht nur vorübergehendenden Funktionsunfähigkeit der Qualitätskontrolle führen würde. Insoweit ist allerdings zunächst und in erster Linie zu berücksichtigen, dass die Konsequenzen der Rechtsunwirksamkeit vom Arbeitgeber erklärter Kündigungen hinzunehmen sind; das Kündigungsschutzgesetz ist ein Bestandsschutz-, nicht aber ein Abfindungsgesetz. Zudem hat sowohl der Betriebsrat, wie auch die Schwerbehindertenvertretung der Beklagten auf Befragen der Mitarbeiterin des Integrationsamtes am 02.10.2019 (Integrationsamt Landau) im Verfahren betreffend den Antrag auf Zustimmung zu einer weiteren beabsichtigten ordentlichen Tat- und Druckkündigung ausdrücklich erklärt, dass dem Betriebsrat vor der Anhörung des Betriebsrats zu der außerordentlichen Druckkündigung vom 18.07.2019 keinerlei Beschwerden durch die Mitarbeiter bekannt waren. Dabei, darauf hat der Kläger hingewiesen, ist das Betriebsratsmitglied, Herr He., selbst in der Abteilung Qualitätssicherung beschäftigt und arbeitet von einem Schreibtisch, dem von der Beklagten benannten Zeugen W., gegenüber. Auch hat die Beklagte keine konkrete Kündigungsabsicht von Mitarbeitern substantiiert dargelegt. Dass im Hinblick auf die dargelegten tatsächlichen Verhältnisse die Mitarbeiterin F., so, wie von der Beklagten behauptet, auf Veranlassung des Klägers bzw. vom Kläger selbst behandelt worden sei, dies aber für keinen der Arbeitskollegen bzw. den Betriebsrat bzw. Vorgesetzten des Klägers Veranlassung geboten hätte, einzuschreiten, spricht zudem eher dafür, dass die Darstellung des Klägers (Bl. 1141 f. d. A.) zutrifft, wonach die Zeugin in die Abteilung des Klägers versetzt wurde, obwohl er keinerlei Personalbedarf hatte und er die Zeugin räumlich unterbringen musste, mit der Maßgabe, dass diese sich für die sogenannte „Küche“ entschied, die komplett renoviert wurde mit der Maßgabe, dass auf Wunsch der Zeugin eine neue Küche eingebaut wurde. Hinsichtlich der ehrverletzenden Angriffe gegenüber Kollegen hat der Kläger auch im Übrigen die ihm zur Last gelegten Verhaltensweisen ausdrücklich und substantiiert bestritten; nach seinem Vorbringen trifft lediglich zu, dass er mit dem Mitarbeiter W. eine sachlich-fachliche Auseinandersetzung hatte, hinsichtlich derer sein Verhalten nicht zu beanstanden ist (Bl. 1142 d. A.). Dass es aber im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses zu Konflikten kommt, ist natürlicher Bestandteil des betrieblichen Alltags und rechtfertigt keine Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Soweit die Beklagte behauptet hat, die Mitarbeiter Ke. und Br. hätten das Unternehmen wegen eines Konflikts mit dem Kläger verlassen, fehlt es an jeglichem substantiierten tatsächlichen Vorbringen der Beklagten dazu, inwieweit insoweit ein prognostisch für eine weitere Zusammenarbeit zwischen den Arbeitsvertragsparteien relevantes Fehlverhalten des Klägers gegeben sein könnte. Zu berücksichtigen ist zudem, dass Konflikte zwischen Arbeitnehmern und zwischen Arbeitnehmern und Vorgesetzen nicht ungewöhnlich sind, ebenso, dass unzufriedene Arbeitnehmer in diesem Rahmen durch einen Arbeitsplatz- und Arbeitgeberwechsel sich um eine Verbesserung der persönlichen Situation bemühen.

Hinsichtlich der von der Beklagten behaupteten Kündigungsdrohung zahlreicher nicht ohne Weiteres und kurzfristig zu ersetzender Mitarbeiter ist zudem zu berücksichtigen, dass sich dies so, wie von der Beklagten stringent behauptet, ihrem eigenen Vorbringen nicht uneingeschränkt entnehmen lässt. Dass der Mitarbeiter T., dem die Tätigkeit des Klägers nach dessen erzwungenem Weggang übertragen worden ist, keine Rückkehr des Klägers, sondern die dauerhafte Übertragung der Position wünscht, liegt nahe. Selbst dieser Mitarbeiter hat lediglich erklärt, er werde „überlegen“, seinen Arbeitsplatz zu verlassen. Das ist ohne Weiteres nachvollziehbar, aber im hier maßgeblichen Zusammenhang der perspektivischen Beurteilung einer Zusammenarbeit zwischen den Arbeitsvertragsparteien unbeachtlich. Gleiches gilt für die von der Beklagten zum Ausdruck gebrachte, danach von Herrn T. und seinen Mitarbeitern erklärte Hoffnung „auf eine zukunftsweisende Lösung der Situation, ohne A.“. Der Mitarbeiter Be. hat danach geäußert, „entweder ich wechsele die Abteilung oder das Unternehmen“, sodass von einer unmittelbaren Kündigungsandrohung nicht ausgegangen werden kann; die Mitarbeiterin F. wünscht sich Herrn T. weiterhin als Vorgesetzten, und bitten für den Fall der Rückkehr des Klägers die Personalabteilung entweder um ein Gespräch, wie sie mit der Situation umgehen soll oder um eine Versetzung in einen anderen Bereich; von einer Kündigungsabsicht kann nicht ausgegangen werden. Gleiches gilt für den Mitarbeiter Bu., der lediglich gegen die Wiedereinsetzung des Klägers als QS-Direktor „aus ethischen Gründen“ protestiert. Der Mitarbeiter W. bittet im Fall der Rückkehr des Klägers um ein persönliches Gespräch, bei HR, wie er mit der Situation umgehen soll und um eine evtl. Versetzung.

Vor diesem Hintergrund bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte für einen unwiederbringlichen Know-How-Abfluss für den Fall der Rückkehr des Klägers, ebenso wenig dafür, dass die Beklagte geeignete Ersatzkräfte in angemessener Zeit beschaffen müsste. Gleiches gilt für den behaupteten Stillstand der Qualitätsabteilung.

Unbeschadet dessen ist auch im Rahmen der §§ 9, 10 KSchG dann, wenn der Arbeitgeber den Auflösungsantrag auf den Druck von Arbeitnehmern stützt, das Unternehmen zu verlassen, wenn der zuvor rechtsunwirksam gekündigte Mitarbeiter seine Tätigkeit fortsetze, zu beachten, dass, nicht anders wie bei der sog. Druckkündigung, der Arbeitgeber verpflichtet ist, sich schützend vor den betroffenen Arbeitnehmer zu stellen. Selbst wenn also dem Arbeitgeber erhebliche Nachteile angedroht werden für den Fall, dass ein bestimmter Arbeitnehmer nicht entlassen wird, ist der Arbeitgeber nicht befugt, dem ohne Weiteres nachzugeben (s. BAG 18.07.2013, EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 175; 19.07.2016 EzA § KSchG Druckkündigung Nr. 1; 28.03.2017 EzA § 104 BetrVG 2001 Nr. 1; DLW/Dörner, a. a. O., Kap. 4, Rn. 1828 ff.). Der Arbeitgeber muss dann vielmehr versuchen, die Belegschaft oder diejenige Seite, von der Druck ausgeübt wird, von ihrer Drohung abzubringen. Diese Obliegenheit des Arbeitgebers, sich schützend vor den betroffenen Arbeitnehmer zu stellen, verlangt von ihm ein aktives Handeln, dass darauf gerichtet ist, den Druck abzuwehren. Dieser Vorgabe genügt er, wovon die Beklagte offenbar ausgeht, nicht allein dadurch, dass er Gespräche zwischen dem Arbeitnehmer und den druckausübenden Dritten vermittelt. Diese Verpflichtung geht vielmehr soweit, dass dann, wenn Arbeitnehmer die Arbeit verweigern, weil der Arbeitgeber einem – unberechtigten – Kündigungsverlangen nicht nachkommt, der Arbeitgeber den Druck und die dadurch drohenden wirtschaftlichen Nachteile zumindest dadurch abzuwehren versuchen muss, dass er die Beschäftigten auf die Rechtswidrigkeit der Arbeitsniederlegung hinweist und für weitere Zuwiderhandlungen arbeitsrechtliche Maßnahmen in Aussicht stellt (BAG 15.12.2016, EzA § 1 KSchG Druckkündigung Nr. 2). Besondere Anforderungen an das dem Arbeitgeber zumutbare Verhalten, die Belegschaft, anders als durch die Kündigung des betroffenen Arbeitnehmers, von ihrer Kündigung abzubringen, bestehen zudem dann, wenn der Arbeitgeber bereits, wie vorliegend, unwirksam gekündigt hat und der Arbeitnehmer nach erfolgreichem Kündigungsschutzprozess wieder beschäftigt werden soll. Der Arbeitgeber ist in diesem Fall gehalten, dem aufgrund des vorausgegangenen möglichen subjektiven Eindrucks, der weiter einer Entlassung fordernden Mitarbeiter entgegenzuwirken, eine Druckausübung komme ihm „gerade recht“, um doch noch eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu erreichen. Andernfalls könnten sich die Mitarbeiter in ihrem Entlassungsverlangen und in ihrer Bereitschaft, diesem durch den Einsatz von Druck zum Erfolg zu verhelfen, noch bestärkt fühlen. Der Arbeitgeber muss deshalb auch dem Kündigungsverlangen als solchem entgegentreten. Er muss deutlich machen, dass es für eine Entlassung keinen Grund gibt und dass aus seiner Sicht eine Entlassung ohne das Vorliegen objektiv geeigneter Kündigungsgründe ausgeschlossen ist (BAG 15.12.2016 EzA § 1 KSchG Druckkündigung Nr. 2; 19.07.2016 – 2 AZR 637/15 -, NZA 2017, 116). Auch daran fehlt es vorliegend.

Vor diesem Hintergrund kommt eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach Maßgabe der §§ 9, 10 KSchG vorliegend nicht in Betracht.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den von der Beklagten behaupteten unzutreffenden Tatsachenbehauptungen des Klägers gegenüber Dritten. Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang (Bl. 1096 f. d. A.) darauf abgestellt hat, der Kläger solle gegenüber dem Geschäftsführer der Ta. Fa. GmbH, Herrn S., geäußert haben, die Beklagte habe Mitarbeiter motiviert, im Rahmen des laufenden Gerichtsverfahrens gegen ihn auszusagen und zwar unserer Auslobung diverser Prämien, was falsch sei, so können zwar bewusst wahrheitswidrig aufgestellte Tatsachenbehauptungen, insbesondere wenn sie den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllen, die Rechte eines Arbeitgebers in gravierender Weise verletzen und eine gedeihliche künftige Zusammenarbeit in Frage stellen (BAG 29.08.2013, EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 65. Allerdings dürfen Arbeitnehmer auch Kritik am Arbeitgeber und den betrieblichen Verhältnissen üben und sich ggfls. auch überspitzt und polemisch äußern. Die Meinungsfreiheit muss allerdings dann zurücktreten, wenn sich das in der Äußerung enthaltene Werturteil als Formalbeleidigung oder Schmähkritik erweist (BAG 29.08.2013 a. a. O.; s. DLW/Dörner, a. a. O., Kap. 4, Rn. 3669 ff.). Ehrverletzende Äußerungen anlässlich einer prozessualen Auseinandersetzung der Arbeitsvertragsparteien können zudem durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen gedeckt sein.

Dem Vorbringen der Beklagten ist insoweit entgegenzuhalten, dass weder von dem Vorliegen von Formalbeleidigungen oder Schmähkritik, noch von bewusst wahrheitswidrig aufgestellten Tatsachenbehauptungen des Klägers insoweit ausgegangen werden kann. Der Kläger hat – nachvollziehbar – ausdrücklich nach seinem Vorbringen gegenüber Herrn S. bekundet, dass verschiedene Personen finanzielle Vorteile nach seiner Freistellung hatten. Dieses, vom Kläger näher erläuterte Vorbringen (Bl. 1151 d. A.), trifft zu; insofern sind, aus der Sicht des Klägers, Mitarbeiter, die angeblich mit einer Druckkündigung drohen, nach seiner Freistellung in der Betriebshierarchie aufgestiegen, was üblicherweise mit finanziellen Vorteilen verbunden ist. Soweit die Beklagte (Bl. 1097 d. A.) weiterhin dem Kläger vorhält, er habe gegenüber dem Geschäftsführer eines Unternehmens, das zu diesem Zeitpunkt rechtlich noch ein Konkurrenzunternehmen gewesen sei, und nur künftig eine Konzerngesellschaft habe sein können, seinem Arbeitgeber unprofessionelle und verwerfliche Geschäftspraktiken vorgeworfen, wird dieses Vorbringen nicht näher substantiiert, sodass nicht im Einzelnen festgestellt werden kann, inwieweit berechtigte Belange der Beklagten in einem derartigen Ausmaß berührt sein könnten, dass eine Zusammenarbeit zwischen den Arbeitsvertragsparteien zukünftig ausgeschlossen wäre.

Schließlich kommen als Auflösungsgründe, entgegen der insoweit missverständlichen Ausführungen des Arbeitsgerichts in der erstinstanzlichen streitbefangenen Entscheidung, auch solche Tatsachen in Betracht, die die Kündigung selbst nicht rechtfertigen. Durch die bloße Bezugnahme auf nicht ausreichende Kündigungsgründe genügt der Arbeitgeber allerdings nicht seiner Darlegungslast. Er muss dann vielmehr im Einzelnen greifbar Tatsachen dafür vortragen, dass die nicht ausreichenden Kündigungsgründe einer den Betriebszwecken dienlichen weiteren Zusammenarbeit entgegenstehen sollen, dass der Kündigungssachverhalt so beschaffen ist, dass er eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit nicht erwarten lässt (BVerfG 22.10.2004, EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 49). Zwar ist es insoweit nicht notwendig, dass es sich um neue, erst nach Auskunft der Kündigung eingetretene Tatsachen handelt, der Arbeitgeber muss aber darlegen, welche der zur Begründung der Kündigung vorgetragenen Tatsachen auch für den Auflösungsantrag herangezogen werden sollen.

Unabhängig davon, ob das Vorbringen der Beklagten in beiden Rechtszügen insgesamt so verstanden werden kann, soll, muss, dass sie sich zur Begründung des Auflösungsantrags auch auf die zur Begründung der Kündigung vorgetragenen Tatsachen berufen will, genügen diese den hier zu stellenden Anforderungen schon deshalb nicht, weil, wie im Einzelnen dargelegt, bereits das Vorliegen arbeitsvertraglicher Pflichtverletzungen zu verneinen ist, sodass nicht ersichtlich ist, wie die insoweit von der Beklagten dargelegten Tatsachen geeignet sein könnten, einer den Betriebszwecken dienlichen weiteren Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer entgegenzustehen.

Etwas anderes folgt abschließend auch nicht daraus, dass, wie von der Beklagten schlussendlich geltend gemacht (Schriftsatz v. 22.11.2019, S. 12 = Bl. 1184 d. A.), der Kläger als Leiter der Qualitätsabteilung eine Schlüsselstellung im Betrieb der Beklagten innehat. Dass sich seine herausgehobene Stellung bei der Beklagten u. a. auch in seiner hohen monatlichen Vergütung manifestiert, vermag nichts daran zu ändern, dass die erforderliche Prognose aus den im Einzelnen dargelegten Gründen, entgegen der Auffassung der Beklagten keine schwere Beeinträchtigung des Austauschverhältnisses im Ergebnis zum Gegenstand hat (s. BAG 09.09.2010, EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 60).

Nach alledem war der Auflösungsantrag der Beklagten zurückzuweisen.

Hinsichtlich des Weiterbeschäftigungsanspruchs des Klägers ist für den erstinstanzlichen Rechtszug auf Seite 46 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 426 d. A.) Bezug zu nehmen; für das Berufungsverfahren sind weitere Ausführungen nicht veranlasst, weil sich die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 19.08.2019 (Bl. 1030 d. A.) umfassend durch Teil-Vergleich für die Zeit bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Rechtstreits geeinigt haben.

Nach alledem war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

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