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Fristlose Verdachtskündigung – Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch

LAG Frankfurt –  Az.: 2 Sa 274/14 –  Urteil vom 15.10.2014

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 21. Januar 2014 – Aktenzeichen 23 Ca 2233/13 – wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug weiter über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung und hilfsweise, für den Fall des Obsiegens mit der Kündigungsschutzklage, über einen Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung.

Die Beklagte ist ein konzerninternes Beratungs- und IT-Dienstleistungsunternehmen, das neben für XXX A XXX -Konzerngesellschaften auch für Dritte arbeitet. Sie beschäftigt deutlich mehr als zehn Arbeitnehmer iSd. § 23 KSchG. Ein Betriebsrat am Standort XXX B XXX besteht.

Fristlose Verdachtskündigung - Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch
Symbolfoto: Von Elle Aon /Shutterstock.com

Der 57-jährige (geboren am xxxxxxxxx), verheiratete Kläger, Vater zweier unterhaltsberechtigter Kinder, wurde bei der Beklagten am Standort XXX B XXX ab dem 15. März 1999 aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages der Parteien vom 8. März 1999 (Bl. 44 – 46 d. A.) als Fachkraft Administration beschäftigt. Über Ziffer 5 des Arbeitsvertrages der Parteien vom 8. März 1999 findet Anrechnung auf die Beschäftigungszeit ein zwischen dem Kläger und der XXX C XXX AG – wie die Beklagte ein Unternehmen im XXX A XXX -Konzern – zuvor vom 1.Juni 1987 bis zum 14. März 1999 bestehendes Arbeitsarbeitsverhältnis. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft einzelvertraglicher Vereinbarung in Ziffer 2 des Arbeitsvertrages der Parteien vom 8. März 1999 unter anderem Anwendung der MTV Nr. 14 für das Bodenpersonal, in dessen § 41 (3) heißt es (Bl. 17 d. A.):

(3) Nach einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren ist eine ordentliche Kündigung einschließlich der ordentlichen Änderungskündigung durch XXX D / E / F XXX ausgeschlossen.

Das Recht von XXX D / E / F XXX , dem unkündbaren Mitarbeiter aus gerechtfertigtem Grunde andere Aufgaben zu übertragen, bleibt hiervon unberührt. XXX D / E / F XXX sind zur Übertragung anderer angemessener Aufgaben verpflichtet, wenn der bisherige Arbeitsplatz des unkündbaren Mitarbeiters wegfällt.

Die Vergütung des Klägers bei der Beklagten lag zuletzt bei € 3.466,66 brutto im Monat. Der Kläger ist Stadtverordneter in XXX G XXX .

Der Einsatz des Klägers erfolgte bei der Beklagten in der Poststelle der Firmenzentrale in XXX B XXX , wo er gemeinsam mit insgesamt zwei weiteren Arbeitskräften, einem Herr XXX H XXX und einer Frau XXX I XXX als Fahrerin, zuletzt tätig wurde.

Die Beklagte erteilte dem Kläger Abmahnungen mit Schreiben vom 10. November 2011 (Bl. 47 und 48 d. A.) wegen Nichtleerung des Briefkastens am Eingang der Firmenzentrale in XXX B XXX im Zeitraum vom 10. bis zum 21. Oktober 2011 und mit Schreiben vom 10. November 2011 (Bl. 49 und 50 d. A.) wegen nicht erfolgter Nachfüllung von Kopiererpapier.

Am 6. Februar 2013 arbeitete der Kläger in der Poststelle der Beklagten. Der Kläger entsorgte an diesem Tag auch nach eigenem Vortrag Kartonagen in einer Müllpresse. Die näheren Einzelheiten sind zwischen den Parteien streitig. Die Beklagte wirft dem Kläger vor, an diesem Tag größere Mengen von Postsendungen in den Müll geworfen zu haben.

In diesem Zusammenhang informierte der zuständige Teamleiter XXX J XXX am 7. Februar 2013 die für den Kläger zuständige Personalbetreuerin XXX K XXX über die bekannt gewordenen Umstände, die den Kläger daraufhin zu einem Personalgespräch am Donnerstag, dem 14. Februar 2013, einlud.

Ab Dienstag, dem 12. Februar 2013, erkrankte der Kläger arbeitsunfähig und legte der Beklagten eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 12. Februar 2013 (Bl. 56 d. A.) über eine voraussichtliche Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich 15. Februar 2013 vor. Der Anhörungstermin am 14. Februar 2013 fand daraufhin nicht statt.

Der Kläger war über den 15. Februar 2013 hinaus arbeitsunfähig erkrankt und legte der Beklagten eine weitere ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 15. Februar 2013 (Bl. 57 d. A.) über eine voraussichtliche Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich 3. März 2013 vor.

Mit Schreiben vom „19. Februar 2012“ – gemeint ist der 19. Februar 2013 – (Bl. 60 und 61 d. A.), dem Kläger zugestellt per Kurier am 20. Februar 2013, wandte sich die Beklagte daraufhin wie folgt an den Kläger:

Anhörungstermin/

Gelegenheit zur Stellungnahme

Sehr geehrter Herr L (Kläger),

bedauerlicherweise ist uns nachfolgender Sachverhalt, welcher im Zusammenhang mit Ihnen steht, zur Kenntnis gelangt.

Am Morgen (gegen 08.30) des 6.2.2013 wurde Ihr Teamleiter Hr. XXX J XXX darüber informiert, dass Sie in einem Gespräch an diesem Morgen angekündigt haben, ungeöffnete Post (konkrete Einzelverbindungsnachweise der Telekom) unten in den Müll werfen zu wollen.

Infolge dessen beauftragte Hr. XXX J XXX Mitarbeiter unserer Dienstleistungsfirma M , in die in der Tiefgarage befindliche Müllpresse zu schauen und dort ungeöffnete Briefe – sofern solche vorhanden sind – herauszuholen und ihn zu informieren. Gegen 09.15 Uhr wurden durch die beiden Mitarbeiter der Firma M zunächst aus dem vorderen und zugänglichen Teil der Müllpresse ungeöffnete Briefe sichergestellt. Diese wurden gesammelt in einem Karton an Herrn J übergeben.

Herr J beauftragte aufgrund des Fundes die Firma Meinhardt mit dem Abtransport der Mülltonne und Sicherstellung und vereinbarte für den darauffolgenden Montag, den 11.02.13, einen Termin zur Öffnung der Müllpresse auf dem Betriebsgelände der Firma N zur Prüfung, ob sich weitere ungeöffnete Post in der Tonne befindet. Hier wurden weitere ungeöffnete Postsendungen sowie verpackte Zeitschriften und“ O “ im Umfang von ca. 2,5 Waschkörben sichergestellt.

Ebenfalls hat Hr. XXX J XXX aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse veranlasst, dass die Daten einer Zugangskontrollkamera, welche sich aus Sicherheitsgründen zufälligerweise gegenüber der Müllpresse befindet und den Zugang zu einer Laderampe über wacht, für den Zeitraum von 06.00 Uhr bis 10.00 Uhr gesichert werden.

Weiter wurden am 12.2.2013 nach Information und Zustimmung des Betriebsrates gemeinsam mit zwei Mitgliedern des Betriebsrates die Daten der bereits erwähnten Kamera gesichtet. In dem fraglichen Zeitraum gegen 07.30 Uhr ist neben wenigen anderen Personen eine männliche Person zu erkennen, die ihrer Statur entspricht. Von dieser Person werden aus einem Rollwagen, der dem auf der Poststelle genutzten Rollwagen entspricht, mehrfach Gegenstände aus dem Rollwagen in die Müllpresse geworfen.

Schließlich fanden weitere Gespräche mit Mitarbeitern zur Sachverhaltsaufklärung statt. Aus diesen ergab sich, dass Sie am Morgen des 6.2.2013 mit dem gefüllten Rollwagen aus der Poststelle auf dem Weg zur der üblicherweise auf dem Hof befindlichen Papiermüllpresse gesehen wurden. Diese wurde an dem Morgen geleert und war nicht am Platz. Sie wurden erneut gesehen, wie Sie mit dem gefüllten Rollwagen wieder in das Gebäude xxx fuhren und dabei ankündigten: „Jetzt nach unten fahren zu wollen“. Kurz darauf wurden Sie erneut mit dem leeren Rollwagen der Poststelle gesehen.

Zu den uns bekannt gewordenen Dingen möchten wir den Sachverhalt aufklären. Hierzu ist Ihre Darstellung der Geschehnisse am 6.2.2013 vonnöten und wichtig. Zu diesem Zweck möchten wir am 4.3.2013 um 9.00 Uhr mit Ihnen ein Gespräch führen. Bitte melden Sie sich zu diesem Termin bei Ihrer Personalbetreuerin Frau K . Das Gespräch kann auf Ihren Wunsch gerne im Beisein eines Mitgliedes des Betriebsrates stattfinden.

Sofern Sie aufgrund fortdauernder Arbeitsunfähigkeit über den 3.3.2013 hinaus den Termin nicht wahrnehmen können, erhalten Sie hiermit Gelegenheit zu den Geschehnissen am 6.2.2013 schriftlich Stellung zu nehmen. In diesem Falle erwarten wir Ihre Stellungnahme, zumindest vorab per Fax oder E-Mail an Ihre Personalbetreuerin, bis zum Schluss des 4.3.2013.

Mit freundlichen Grüßen

… .

Da seine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit über den 3. März 2013 hinaus andauerte, übersandte der Kläger der Beklagten mit Anwaltsschreiben vom 4. März 2013 (Bl. 62 und 63 d. A.), der Beklagten vorab noch am 4. März 2013 per Telefax zugegangen, eine Stellungnahme zu den mit Anhörungsschreiben der Beklagten vom 19. Februar 2013 gegen ihn erhobenen Vorwürfen.

Mit Schreiben vom 7. März 2013 (Bl. 64 – 66 d. A.) hörte die Beklagte den Betriebsrat zum beabsichtigten Ausspruch einer außerordentlich fristlosen, hilfsweise mit sozialer Auslauffrist auszusprechenden Kündigung des Klägers an, gegen die der Betriebsrat mit Schreiben vom 11. März 2013 (Bl. 147 -153 d. A.) Bedenken äußerte und dieser widersprach.

Mit Schreiben vom 14. März 2013 (Bl. 4 – 6 d. A.), dem Kläger zugegangen am gleichen Tag, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich fristlos, hilfsweise mit sozialer Auslauffrist zum 31. Oktober 2013.

Am 27. März 2013, der Beklagten zugestellt am 10. April 2013 (Bl. 8 d. A.), hat der Kläger beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main Kündigungsschutzklage erhoben und hilfsweise für den Fall des Obsiegens seine Weiterbeschäftigung verlangt.

Wegen des weiteren unstreitigen Sachverhalts, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 21. Januar 2014-23 Ca 2233/13 (Bl. 157 -158 d. A.) – Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat durch vorgenanntes Urteil (Bl. 156 -161 d. A.) festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 14. März 2013 nicht aufgelöst worden ist, und die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers als Mitarbeiter der Poststelle zu den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 14. März 2013 habe das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht beendet, da die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht eingehalten worden sei. Danach könne eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen, wobei die Frist nach § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB mit dem Zeitpunkt beginne, in dem die kündigungsberechtigte Person eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis vom Kündigungssachverhalt habe. Das heiße, sobald die kündigungsberechtigte Person eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis vom Kündigungssachverhalt habe, die ihr die Entscheidung ermögliche, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar sei oder nicht. Voraussetzung sei stets positive Tatsachenkenntnis; auch (grob) fahrlässige Unkenntnis bewirke keinen Fristbeginn. Der Kündigungsberechtigte, der Anhaltspunkte für einen Sachverhalt habe, der ihn zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, könne Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist zu laufen beginne. Damit der Fristbeginn nicht unnötig hinausgezögert werde, müsse die Anhörung innerhalb einer kurzen Zeit erfolgen. Diese Frist dürfe im Allgemeinen nicht mehr als eine Woche betragen. Bei Vorliegen besonderer Umstände dürfe diese Frist auch überschritten werden, wobei die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers den Fristenlauf grundsätzlich nicht hemme. Etwas anderes könne grundsätzlich nur dann gelten, wenn infolge der Erkrankung eine Stellungnahme unmöglich gewesen wäre. Werde die Regelfrist von einer Woche zur Anhörung ohne triftige Gründe überschritten, so beginne die Ausschlussfrist mit Ende der Regelfrist. Im Streitfall sei der Kündigungssachverhalt nach Öffnung des Müllcontainers am 11. Februar 2013 und der Anhörung von Frau I am 13. Februar 2013 bereits vollständig aufgeklärt gewesen. Es habe ausschließlich die Anhörung des Klägers zu diesem Zeitpunkt gefehlt. Diese sei erst nach Schreiben der Beklagten vom 19. Februar 2013 unter Fristsetzung bis zum 4. März 2013 erfolgt, wobei der Kläger diese Frist ausgeschöpft habe. Damit sei die Regelfrist von einer Woche überschritten worden, so dass die Zweiwochenfrist am 20. Februar 2013 zu laufen begonnen habe. Fristende sei damit der 6. März 2013 gewesen, demzufolge bei Zugang der Kündigung der Beklagten beim Kläger am 14. März 2013 diese Frist bei Weitem überschritten gewesen sei. Besondere Umstände für eine Verlängerung der einwöchigen Regelfrist seien nicht ersichtlich. Die Beklagte habe nicht die Gesundung des Klägers bis zu seiner Anhörung abwarten dürfen. Dies widerspreche dem Grundsatz, dass der Arbeitgeber den Kündigungssachverhalt mit der gebotenen Eile innerhalb einer kurz zu bemessenden Frist aufzuklären habe. So sei nicht nachvollziehbar, dass die Beklagte nach dem versäumten Termin vom 14. Februar 2013 noch bis zum 19. Februar 2013 abgewartet habe, bis sie sich zu einer schriftlichen Anhörung des Klägers entschlossen habe. Das Argument der Beklagten, sie habe das Ende der Arbeitsunfähigkeit am 15. Februar 2013 abwarten wollen, trage insoweit nicht. Unter dem Druck der Zweiwochenfrist sei ein sofortiges Handeln zwingend gewesen. Der gebotenen Eile entspreche es nicht, dass dem Kläger eine fast zweiwöchige Frist zur Stellungnahme für einen überschaubaren Sachverhalt gesetzt werde. Gleichfalls entspreche es nicht der gebotenen Eile, dass die Beklagte nach Eingang der klägerischen Erklärung noch drei (Arbeits-)Tage bis zur Betriebsratsanhörung und vom Widerspruch des Betriebsrats an erneut drei weitere (Arbeits-)Tage bis zur Erklärung der Kündigung zugewartet habe. Die Kündigung sei über fünf Wochen nach dem streitigen Vorfall und über vier Wochen nach Aufklärung des gesamten Sachverhalts erfolgt. Die Anhörung des Klägers sei nicht binnen einer Woche nach Aufklärung des Sachverhaltes erfolgt, sondern es seien fast weitere drei Wochen vergangen. Mit Obsiegen habe der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung als Mitarbeiter der Poststelle bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 15. Oktober 2014 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt (Bl. 210 d. A.).

Die Beklagte vertritt die Ansicht, im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung am 14. März 2013 sei die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist noch nicht abgelaufen gewesen. Zunächst sei der Fristbeginn durch die für den 14. Februar 2013 geplante Anhörung des Klägers gehemmt gewesen, die allein wegen der Arbeitsunfähigkeit des Klägers tatsächlich nicht stattgefunden habe. Als verständiger Arbeitgeber, der nicht hektisch agiere, habe die Beklagte im Anschluss zunächst bis Montag, dem 18. Februar 2013, weiter zuwarten dürfen. An diesem Tage hätte eine schriftliche Anhörung erfolgen können und bei Abwägung der dargestellten Interessen auch erfolgen müssen. Im Hinblick auf die krankheitsbedingte Abwesenheit des Klägers habe die Beklagte im Weiteren moderat von der Regelfrist abweichen dürfen und dem Kläger eine Frist bis zum 4. März 2013 setzen dürfen, ohne dass ihr daraus Nachteile entstehen könnten. Aber selbst wenn die Frist von zwei Wochen als zu lang angesehen werde, sei der Beklagten jedenfalls eine Frist von mehr als einer Woche zu gewähren. Verständigerweise habe die Beklagte dem Kläger vom 18. Februar 2013 an jedenfalls eine Frist bis zum 28. Februar 2013 gewähren dürfen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 21. Januar 2014 (23 Ca 2233/13) aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Er ist der Ansicht, für das Ende der Regelfrist zur Anhörung sei spätestens am 25. Februar 2013 auszugehen, so dass ab diesem Zeitpunkt die Zweiwochenfrist gelaufen und damit spätestens am 11. März 2013 geendet sei.

Wegen des weiteren Parteivorbringens im Berufungsrechtszug wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen vom 7. Mai 2014 (Bl. 193 – 197 d. A.) und 4. Juli 2014 (Bl. 206 – 208 d. A.) sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15. Oktober 2014 (Bl. 210 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 21. Januar 2014 – 23 Ca 2233/13 – ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 lit. b und c ArbGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden, §§ 66 Abs. 1 ArbGG; 519, 520 Abs. 1, 3 und 5 ZPO.

II.

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg, denn sie ist unbegründet. Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat der Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung der Beklagten vom 14. März 2013 mit zutreffender Begründung zu Recht stattgegeben und folgerichtig die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers als Mitarbeiter der Poststelle zu den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens verurteilt. Diese außerordentliche Kündigung ist unwirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet. Die Beklagte hat die Kündigungserklärungsfrist von zwei Wochen nicht eingehalten, § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB. Das Berufungsgericht folgt insoweit dem angefochtenen Urteil uneingeschränkt, macht sich dessen Gründe zu Eigen und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf diese (Seiten 5 bis 7 des angefochtenen Urteils, Bl. 158-R bis 159-R d. A.). Lediglich ergänzend führt das Berufungsgericht auf das Vorbringen der Beklagten in der Berufungsinstanz aus:

Die Beklagte hat, nachdem die Nichtwahrnehmung des für Donnerstag, den 14. Februar 2013, vorgesehenen Anhörungstermins wegen der Erkrankung des Klägers feststand, nicht zeitnah und mit der gebotenen Eile reagiert. Vielmehr hat sie bis Dienstag, den 19. Februar 2013, zugewartet, um in Kenntnis der weiteren krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich 3. März 2013 den Kläger für Montag, den 4. März 2013, 9.00 Uhr, erneut zu einem Personalgespräch einzubestellen. Nur für den Fall, dass der Kläger aufgrund fortdauernder Arbeitsunfähigkeit über den 3. März 2013 hinaus diesen Termin nicht wahrnehmen könne, hat die Beklagte ihm mit ihrem Schreiben vom 19. Februar 2013 Gelegenheit gegeben, zu den Geschehnissen am 6. Februar 2013 schriftlich Stellung zu nehmen, und zwar vorab per FAX oder E-Mail an seine Personalbetreuerin bis zum Schluss des 4. März 2013. Zwar ist der Beklagten zuzugestehen, dass der zunächst für Donnerstag, den 14. Februar 2013, vorgesehene Anhörungstermin noch innerhalb einer Woche lag, da die Ermittlungen der Beklagten zu den Geschehnissen am 6. Februar 2013 erst mit Anhörung der weiteren Mitarbeiterin der Poststelle I am 13. Februar 2013 ihr Ende fanden. Das heißt, ab diesem Zeitpunkt stand der Beklagten eine kurze Frist, im Allgemeinen nicht mehr als eine Woche (BAG, Urteil vom 20. März 2014 “ 2 AZR 1037/12 “ Rn. 14, 27. Januar 2011 “ 2 AZR 825/09 “ Rn. 15, 2. März 2006 “ 2 AZR 46/05 “ Rn 24, allesamt zitiert nach […]), zur Verfügung, um den Kläger anzuhören. Der Umstand der weiteren krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit des Klägers über den 15. Februar 2013 hinaus bis voraussichtlich zum 3. März 2013 hingegen war auch nach Meinung der Berufungskammer kein „besonderer“ Umstand, der für die Anhörung das Überschreiten der Regelfrist von einer Woche rechtfertigt. Gründe hierfür sind für die Berufungskammer jedenfalls nicht ersichtlich. Die Beklagte wäre vielmehr nach Kenntnis vom Ausfall des für den 14. Februar 2013 vorgesehenen Gesprächs verpflichtet gewesen, dem Kläger Gelegenheit zu einer schriftlichen Stellungnahme innerhalb einer kurz zu bemessenden Frist zu geben, wie sie das in ihrem Schreiben vom 19. Februar 2013 auch für den Fall einer „fortdauernder Arbeitsunfähigkeit über den 3. März 2013 hinaus“ getan hat. Es widersprach der nach der angezogenen Rechtsprechung gebotenen Eile, den Kläger stattdessen erst Tage später mit Schreiben der Beklagten vom 19. Februar 2013 zunächst erneut zu einem Gespräch über die Geschehnisse am 6. Februar 2013 in rund zwei Wochen einzuladen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Umstand der krankheitsbedingten Abwesenheit auch nicht vergleichbar mit der Abwesenheit eines Arbeitnehmers wegen Urlaubs. So hat die Beklagte unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des LAG Niedersachsen (Urteil vom 6. März 2001 “ 12 Sa 1766/00, LAGE § 626 BGB Ausschlussfrist Nr. 14) ausgeführt, der Arbeitgeber dürfe für eine Anhörung des Arbeitnehmers das Ende des Urlaubs abwarten, jedenfalls, solange der Urlaub nicht länger als zwei Wochen dauere. Gleiches müsse, so die Ansicht der Beklagten, bei Krankheit des Arbeitnehmers gelten. Im Gegensatz zum Urlaub steht aber der genaue Zeitpunkt der Rückkehr eines Arbeitnehmers im Krankheitsfalle in der Regel nicht fest. Deshalb heißt es in den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen auch „voraussichtlich arbeitsunfähig bis einschließlich I „. So war auch der Kläger im fraglichen Zeitraum arbeitsunfähig erkrankt ab dem 12. Februar 2013 bis zunächst einschließlich 15. Februar 2013 (Bl. 56 d. A.), anschließend bis einschließlich 3. März 2013 (Bl. 57 d. A.) und anschließend bis einschließlich 15. März 2013 (Bl. 58 d. A.). Es bliebe demzufolge in Krankheitsfällen unklar, wie lange der Arbeitgeber zuwarten und die Regelwochenfrist zur Anhörung des Arbeitnehmers überschritten werden dürfte.

Was die Beklagte mit den Ausführungen in der Berufung, sie habe dem Kläger vom 18. Februar 2013 an jedenfalls eine Frist von etwas mehr als einer Woche bis zum 28. Februar 2013 gewähren dürfen, so dass die Zweiwochenfrist daher frühestens ab 1. März 2013 um 00.00 Uhr begonnen habe, genau meint, bleibt für die Berufungskammer unklar. Die Beklagte hat dem Kläger keine Frist bis zum 28. Februar 2013 gesetzt, sondern ihn mit ihrem Schreiben vom 19. Februar 2013 zu einem Personalgespräch am 4. März 2013, 9.00 Uhr, einbestellt. Ungeachtet dessen war die Wochenfrist zur Anhörung des Klägers bereits weit vor dem 18. Februar 2013 in Lauf gesetzt, nämlich nach der Anhörung der weiteren Mitarbeiterin der Poststelle I am 13. Februar 2013.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, da die Berufung der Beklagten erfolglos bleibt.

Für die Zulassung der Revision ist kein Grund iSd. § 72 Abs. 2 ArbGG ersichtlich.

 

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