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Fristlose Verdachtskündigung – Konfrontation mit den einzelnen Verdachtsmomenten

Kündigung eines Heilerziehungspflegers aufgrund von Verdachtsmomenten teilweise abgewiesen

Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat in einem Urteil vom 18.01.2022 entschieden, dass eine außerordentliche Kündigung aufgrund von Verdachtsmomenten teilweise abgewiesen wird. Die Parteien stritten über die Wirksamkeit von zwei außerordentlichen Kündigungen, die hilfsweise als ordentliche Kündigungen ausgesprochen wurden, sowie um Weiterbeschäftigung. Der Kläger, ein Heilerziehungspfleger, wurde beschuldigt, sich unangemessen gegenüber Schutzbefohlenen verhalten zu haben.

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Hintergrund des Falls

Der Kläger, geboren im Januar 1990, absolvierte zunächst eine Ausbildung zum Holzbearbeitungsmechaniker und anschließend eine Ausbildung zum Heilerziehungspfleger. Seit dem 18.08.2014 war er bei dem beklagten Land als Personal mit sonderpädagogischer Aufgabenstellung an einer Schule für geistig Behinderte beschäftigt. Im Schuljahr 2017/2018 war der Kläger in einer Klasse der Mittelstufe eingesetzt, in welcher auch der Schüler E betreut wurde. Im Schuljahr 2018/2019 erfolgte sein Einsatz in der Oberstufe, wo er für die schwerstmehrfachbehinderte Schülerin J zuständig war.

Verdachtsmomente und fristlose Kündigung

Am 26.02.2019 kam es zu einem Vorfall, bei dem der Kläger ohne Erklärung den Klassenraum der Mittelstufe betrat und die Aufforderung der Betreuungskraft M. ignorierte, den Raum zu verlassen. Kurze Zeit später begleitete der Schulbegleiter K. den Schüler E zur Toilette und beobachtete den Kläger mit dem Schüler E. Daraufhin wurde der Kläger am 27.02.2019 von seiner Arbeitsleistung widerruflich freigestellt. Mit Schreiben vom 06.03.2019 wurde gegen den Kläger Strafanzeige erstattet.

Teilweise Abweisung der Kündigung

Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern entschied, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des beklagten Landes vom 12.03.2019 nicht beendet wurde. Die außerordentliche Kündigung wurde teilweise abgewiesen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Der Kläger trägt 57% und das beklagte Land 43% der Kosten des Rechtsstreits.

Keine Zulassung der Revision

Das Gericht ließ die Revision gegen das Urteil nicht zu, womit die Entscheidung rechtskräftig ist.

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Das vorliegende Urteil

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern – Az.: 2 Sa 85/21 – Urteil vom 18.01.2022

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund, Kammern Neubrandenburg, vom 12.03.2021 zum Az.: 11 Ca 107/2019 unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert. Es wird zur Klarstellung wie folgt neugefasst:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des beklagten Landes vom 12.03.2019 nicht beendet wurde.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Der Kläger trägt 57%, das beklagte Land trägt 43% der Kosten des Rechtsstreits.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit zweier außerordentlicher Kündigungen, die hilfsweise als ordentliche Kündigungen ausgesprochen sind, sowie um Weiterbeschäftigung.

Der im Januar 1990 geborene, ledige Kläger hat zunächst von 2006 bis 2009 eine Ausbildung zum Holzbearbeitungsmechaniker absolviert, sodann von 2011 bis 2014 eine Ausbildung zum Heilerziehungspfleger mit der Spezialisierung Pflege und Betreuung von Menschen mit Schwerstbehinderungen. Seit dem 18.08.2014 war er auf Grund schriftlichen Arbeitsvertrages (Anlage B 6, Bl. 70 Rs ff d. A.) bei dem L. als Personal mit sonderpädagogischer Aufgabenstellung an der Schule mit Förderschwerpunkt geistige Entwicklung in D. beschäftigt. Dort werden max. acht Schüler in einer Klasse von einem Klassenlehrer und zwei Heilerziehungspflegern betreut. Im Schuljahr 2017/2018 war der Kläger in einer Klasse der Mittelstufe eingesetzt, in welcher auch der Schüler E, geboren im August 2003, zu betreuen war. Im Schuljahr 2018/2019 erfolgte sein Einsatz in der Oberstufe, wo er für die geistig und körperlich schwerstmehrfachbehinderte Schülerin J zuständig war. Den Schüler E hat in diesem Schuljahr der Schulbegleiter K. betreut; als Klassenlehrer fungierte Herr W.. Zu Beginn des Schuljahres hatte es auf Grund unsachgemäßer Entsorgung von in der Behindertentoilette ausliegendem Windelmaterial usw. verstopfter Toiletten von der Schulleitung die dienstliche Anweisung gegeben, Schüler zu den Toilettengängen zu begleiten.

Am 26.02.2019 kam der Kläger in den Klassenraum der Mittelstufe, in welchem die Betreuungskraft M. unter anderem den Schüler E unterrichtete, setzte sich ohne Erklärung an einen Tisch und ignorierte die Aufforderung der Frau M., den Raum zu verlassen. Kurze Zeit später am gleichen Tage begleitete Herr K. den Schüler E zur Toilette. Herr K. nutzte die Zeit selbst zum Toilettengang und suchte die Mitarbeitertoilette auf. Er unterrichtete den Klassenlehrer anschließend über seine, den Kläger und den Schüler E betreffende Beobachtung und beide, der Klassenlehrer W. und der Betreuer K., führten am 27.02.2019 ein Gespräch mit dem Schüler E. Über dieses wurde ein Gesprächsprotokoll gefertigt (Anlage B 3, Bl. 55 d. A.). Der Klassenlehrer wandte sich an die amtierende Schulleiterin Frau B., die wiederum das Staatliche Schulamt N. über Auffälligkeiten im Verhältnis des Klägers zum Schüler E informierte. Der Kläger wurde am 27.02.2019 von seiner Arbeitsleistung widerruflich freigestellt. Es liegt ein Protokoll über eine zwischen dem Kläger, der stellvertretenden Schulleiterin Frau B., der Juristin des Staatlichen Schulamts N. Frau W., der Schulrätin Frau D., der Sachbearbeiterin (Protokollantin) Frau J. sowie als Vertreterin des Lehrerbezirkspersonalrates Frau B. (Anlage B 5, Bl. 61 ff d. A.) geführte Unterredung vor. Wegen der Einzelheiten des Gesprächsinhalts wird ausdrücklich auf die Anlage B 5, Bl. 61 bis 65 d. A. Bezug genommen. Dem Kläger wurde u. a. erklärt, dass die Einladung erfolgt sei, um zu erfahren, wie sein Verhalten im Umgang mit Schutzbefohlenen sei. Es wurde ihm die Möglichkeit eröffnet, sich bis zum 05.03.2019 schriftlich zu äußern. Eine Stellungnahme des Klägers erfolgte nicht.

Mit Schreiben vom 06.03.2019 wurde gegen den Kläger Strafanzeige erstattet. Ebenfalls mit Schreiben vom 06.03.2019 (Anlage B 6, Bl. 66 ff d. A.) informierte das Staatliche Schulamt N. die Schwerbehindertenvertretung sowie den Bezirkspersonalrat über die Absicht, das Arbeitsverhältnis des Klägers durch außerordentliche, fristlose Verdachtskündigung, hilfsweise ordentliche Verdachtskündigung zum 30.06.2019 zu beenden. Wegen der Einzelheiten der Information wird ausdrücklich auf die Anlage B 6, Bl. 66 bis 79 d. A. verwiesen. Der Bezirkspersonalrat hat am 07.03.2019 seine Zustimmung zur außerordentlichen und hilfsweise ordentlichen Kündigung erteilt.

Mit Schreiben vom 12.03.2019 (Anlage K 4, Bl. 12 d. A.), dem Kläger am 15.03.2019 zugestellt, hat das L. das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 30.06.2019 gekündigt mit der Begründung, es bestehe der dringende Verdacht, dass der Kläger eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung begangen habe.

Die vorab per Fax gegen diese Kündigung an das Arbeitsgericht gerichtete Kündigungsschutzklage ist am 27.03.2019 eingegangen. Mit dieser hat der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung vom 12.03.2019 geltend gemacht und Weiterbeschäftigung begehrt.

Am 22.10.2019 informierte die Schulleiterin Frau B. das L., dass sie durch Herrn K. Kenntnis von einem Foto erhalten habe, welches den Schüler E zeige, und dass auch Frau M. etwas zum Verhältnis des Klägers zu E aussagen könne. Diese Information nahm das beklagte Land zum Anlass, die Erzieherin M. am 22.10.2019 telefonisch, am darauffolgenden Tag in einem persönlichen Gespräch, zu kontaktieren. Über die Gesprächsinhalte liegen Protokolle (Anlage B 10, Bl. 143 d. A., Anlage B 11, Bl. 144 d. A.) vor. Danach hat Frau M. darüber berichtet, dass Frau C. sie darauf aufmerksam gemacht habe, dass sie gesehen habe, wie der Schüler E in die Behindertentoilette gegangen sei. Sie, Frau M., habe daraufhin die Behindertentoilette aufgesucht, nach Öffnen der Tür den Schüler E mit heruntergelassener Hose und einer angelegten Windel seitlich mit dem Rücken zur ihr stehend gesehen. Ebenfalls seitlich habe der Kläger mit einem Handy in der Hand gestanden. Sie sei schockiert gewesen, habe den Schüler E aufgefordert, die Windel abzulegen, sich anzuziehen und in die Klasse zurückzukehren. Sie habe sich auch an den Kläger gewandt, wisse jedoch nicht mehr genau, was sie zu ihm gesagt habe. Dies habe sich kurz nach den Winterferien 2019 ereignet. Frau M. hat weiter ausgeführt, dass ihr Herr K. nach den Winterferien ein Foto auf seinem Handy gezeigt habe, auf welchem der Schüler E mit heruntergelassener Hose und Windel zu sehen gewesen sei. Sie habe hierüber Herrn W. informiert, der ihr mitgeteilt habe, sich an die Schulleitung wenden zu wollen.

Am 23.10.2019 wurde Herr K. angehört. Er hat den Anwesenden auf seinem Smartphone ein ihm über WhatsApp vom Kläger als Absender am 26.12.2018 übersandtes Foto (Anlage B 13, Bl. 209 d. A.) gezeigt, unter welchem geschrieben steht: „Frohe Weihnachten!“. Auf dem Foto ist der Schüler E abgebildet, wie er sich in der Behindertentoilette der Schule aufhält und über seiner Jeans eine Windel trägt.

Herr K. hat außerdem berichtet, dass wohl im Februar 2019 der Schüler E wieder einmal auf die Toilette musste, er mitgegangen sei und den Schüler vor der Toilette allein gelassen habe mit der Bemerkung, er solle nach dem Toilettenbesuch vor der Tür auf ihn warten, er ginge selbst während dieser Zeit auch auf die Toilette. Als er zurückgekommen sei, sei der Schüler nicht da gewesen. Er habe sich auch nicht in der Toilette oder im Klassenraum aufgehalten. Daraufhin habe er, Herr K., sich zur Behindertentoilette begeben und nach Öffnen der Tür gesehen, wie der Schüler E halb entkleidet auf der Liege liegend, die Hose bis zu den Knien heruntergezogen, versucht habe, sich eine Windel anzulegen. Der Kläger habe mit dem Handy in der Hand danebengestanden.

Während des Verlaufes dieses Kündigungsschutzverfahrens gingen am 24.10.2019 beim staatlichen Schulamt N Kopien aus der staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakte ein (Anlage B 8, Bl. 118 ff d. A.), unter anderem war danach der Aussage des Schülers E zu entnehmen, dass der Kläger ihn animiert hätte, ein Praktikum zu absolvieren, um später selbst an der Schule als Erzieher tätig sein zu können. Auf der Behindertentoilette habe er dem Kläger zeigen müssen, dass er dafür in der Lage sei, Windeln anzulegen. Dabei seien sie von Herrn K. und Frau M. „erwischt“ worden.

Mit Schreiben vom 24.10.2019 (Anlage B 13, Bl. 205 ff d. A.) hat das beklagte Land die Schwerbehindertenvertretung und den Bezirkspersonalrat über die Absicht informiert, das Arbeitsverhältnis der Parteien vorsorglich für den Fall der Unwirksamkeit der Kündigung vom 12.03.2019 erneut außerordentlich, hilfsweise ordentlich zu kündigen. Zur Begründung hat es unter anderem angeführt, dass die Schulleiterin am 22.10.2019 Kenntnis von einem Foto erhalten habe, auf welchem der Schüler E mit Jeans und darüber gezogener Windel in der Behindertentoilette der Schule zu sehen sei und dieses Foto am selben Tag an das Staatliche Schulamt weitergegeben habe. Herr K. habe berichtet, dieses Foto über WhatsApp vom Kläger geschickt erhalten zu haben. Zudem wurde der Personalrat über den Inhalt der Berichte der Frau M. und des Herren K. in Kenntnis gesetzt. Wegen der Einzelheiten der Anhörung wird ausdrücklich auf die Anlage B 13, Bl. 205 bis 213 d. A. verwiesen. Sowohl Schwerbehindertenvertretung wie auch Bezirkspersonalrat stimmten der außerordentlichen sowie der ordentlichen Kündigung unter dem 24.10.2019 zu.

Mit Schreiben vom 25.10.2019 (Anlage K 5, Bl. 97 d. A.) hat das beklagte Land das Arbeitsverhältnis für den Fall seines Fortbestehens außerordentlich gekündigt, hilfsweise ordentlich zum 31.03.2020. Dieses Kündigungsschreiben ist dem Kläger am 29.10.2019 zugegangen.

Gegen diese Kündigung hat sich der Kläger mit am 30.10.2019 vorab per Fax beim Arbeitsgericht eingegangener Klageerweiterung gewandt.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, sowohl die Kündigung vom 12.03.2019 als auch die Kündigung von 25.10.2019 seien unwirksam und ihm stehe daher ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung zu.

Die Kündigung vom 12.03.2019 sei unwirksam, da die Voraussetzungen einer Verdachtskündigung nicht gegeben seien. Es fehle an einem auf konkrete Tatsachen stützbaren dringenden Verdacht, sowie einer zum Ausspruch einer Verdachtskündigung erforderlichen ordnungsgemäßen Anhörung. Es sei ihm kein konkreter, einlassungsfähiger Sachverhalt vorgehalten worden. Zudem sei die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten.

Der Kündigung vom 25.10.2019 fehle es ebenfalls an der Wirksamkeit. Unterstellt, der im Kündigungsschreiben dargestellte Sachverhalt wäre zutreffend, würde es sich um ein insbesondere zur Ermittlung der Verursachung der Problematik der Toilettenverstopfung gerechtfertigtes Verhalten handeln. Aufgrund der dienstlichen Anweisung zur Begleitung bei Toilettengängen sei es seine Dienstverpflichtung gewesen, auch den Schüler E bei den Toilettengängen zu begleiten. Soweit die Anlage B 9 (Bl. 142 d. A.) ein Foto ausweise, welches eine vollends bekleidete Person mit einer Windel über der Hose zeige und welches er an einen Mitarbeiter und Kollegen weitergereicht habe, sei dieses Foto als Beweisfoto zu werten. Es bilde einen Beweisantritt für die Verursachung der Toilettenverstopfung durch den Schüler E einerseits, des nachgewiesenen und berechtigten Verbrauches und der Inanspruchnahme von Hygienematerial auf der Toilette andererseits. Im Rahmen seiner Obhuts- und Überwachungspflicht sowie seiner Dienstpflicht gegenüber dem Arbeitgeber wäre er gehalten gewesen, diese Verstöße gegen Anweisungen und die Schulordnung notfalls zu Beweiszwecken zu dokumentieren.

Der Kläger hat bestritten, dass E die Behindertentoilette auf seine Veranlassung hin aufgesucht und sich dort eine Windel angelegt oder die Hose heruntergezogen habe. Er behauptet, er habe dem Schüler E auch nicht eingeredet, bei ihm ein Praktikum zu machen, um später an der Schule als Erzieher arbeiten zu können. Er habe sich zudem nicht mit E verabredet und zu ihm gesagt: „So müssen wir jetzt nochmal auf die Toilette, ist die Gurke nun schon gewachsen?“. Der Kläger hat bestritten, dass Herr K. ihn im Beisein des halb entkleideten Schülers E auf der Behindertentoilette beim Versuch sich eine Windel anzulegen angetroffen habe sowie, dass eine derartige Beobachtung durch Frau M. geschehen sei.

Der Kläger meint, es fehle ein Nachweis für ein vertragswidriges Verhalten. Es sei gerade keine sexualisierte Handlung bewiesen. Es sei eine vom Dienstherrn geforderte Aufklärung eines Sachverhalts, hier Verstopfung der Toiletten und erhöhter Verbraucht von Hygienematerial wie Windeln, unter anderem von ihm geklärt worden. Es sei ein Beweisfoto gefertigt, welches einem Mitarbeiter bekannt gegeben wurde.

Schließlich hat der Kläger die Auffassung vertreten, die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB sei für die Kündigung nicht eingehalten. Insbesondere sei das zur Begründung angeführte Foto früher bekannt gewesen.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des beklagten Landes vom 12.03.2019 und 25.10.2019 nicht beendet wurde,

2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Heilerziehungspfleger in der Schule S. in D. und in der H.-Z.-Schule in D. zu einem monatlichen Bruttoverdienst von 2.400,00 € bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das beklagte Land hat die Auffassung vertreten, die Kündigung vom 12.03.2019 sei als Verdachtskündigung, die hilfsweise Kündigung vom 25.10.2019 als Tatkündigung wirksam.

Das Land hat vorgetragen, aus den ihm bekannt gewordenen Sachverhalt sei der Schluss zu ziehen, dass sich der Kläger besonders zu dem Schüler E hingezogen gefühlt und dessen Nähe gesucht habe. Der Kläger habe zu dem Schüler E bewusst ein besonderes Vertrauensverhältnis aufgebaut, welches es ihm ermöglicht habe, Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu begehen. Es sei davon auszugehen, dass der Schüler durch den Kläger animiert, er mache ein Praktikum, mindestens einmal in Anwesenheit des Klägers sich auf der Toilette entblößt eine Windel angelegt habe, obgleich er kein Windelträger sei. Es habe zum Kündigungszeitpunkt der dringende Verdacht bestanden, dass der Kläger an einer Störung der Persönlichkeit im Sinne einer pädophilen Neigung leide. Die Anhörung des Klägers zu dieser Verdachtskündigung sei ordnungsgemäß verlaufen. Der Kläger habe in dem Gespräch am 04.03.2019 zunächst die Möglichkeit erhalten, zu seinem Verhältnis zu E Stellung zu nehmen. Es sei ihm vorgehalten worden, dass es um gemeinsame Toilettengänge mit E ginge, dass bei den Toilettengängen etwas gegen dessen Willen passierte, dass er gesehen worden sei, wie er zusammen mit E aus der Toiletten gekommen sei, E von einem Geheimnis gesprochen habe und davon, dass man sowas unter Kumpels mache. Es sei dem Kläger auch vorgehalten worden, dass er E aufgefordert habe, sich Windeln zu wechseln, bei ihm ein Praktikum zu machen. Eine Abmahnung sei angesichts der Schwere des Verdachtes entbehrlich. Die wahrscheinlichen Pflichtverletzungen schmälerten das Ansehen der Schule und des gesamten Bildungssystems in der Öffentlichkeit und schwörten die Gefahr von Verallgemeinerungen herauf. Der Kläger habe höchstwahrscheinlich gegen grundlegende Regeln verstoßen, die für das Betreuer-Schülerverhältnis in der Schule gelten und zu deren Beachtung er im Rahmen seiner Tätigkeit verpflichtet gewesen sei. Es sei davon auszugehen, dass er das Vertrauen des Schülers ausgenutzt habe. Die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses sei daher unausweichlich. Schließlich hätten sich die Verdachtsmomente aufgrund der Tatsachen, von denen später Kenntnis erlangt worden sei, bestärkt.

Hilfsweise habe die Kündigung vom 25.10.2019 das Arbeitsverhältnis außerordentlich beendet. Mit Übersendung des Vernehmungsprotokolls der Staatsanwaltschaft am 24.10.2019 sowie weiterer Aussagen, stehe fest, dass sich der Schüler E in Gegenwart des ein Handy in der Hand haltenden Klägers eine Windel angezogen habe, der Kläger das Foto, welches E mit über der Jeans angezogener Windel zeige, an den Mitarbeiter K. gesandt habe. Dieses unberechtigte und herabwürdigende Fotografieren eines Schutzbefohlenen und das Verbreiten des Fotos über WhatsApp stelle bereits einen Kündigungssachverhalt dar. Soweit der Kläger behaupte, dass er ein Beweisfoto habe fertigen wollen, um die Toilettenverstopfung in der Schule nachzuweisen, sei dies eine reine Schutzbehauptung. Der Kläger sei nicht beauftragt gewesen, Ermittlungen in der Schule zu führen und Beweisfotos zu fertigen. Zudem sei der Zeuge K. in keiner Weise legitimiert, Schadensmeldungen oder Beweismittel entgegen zu nehmen. Auch müsse darauf hingewiesen werden, dass nicht der Kläger, sondern Herr K. als Betreuer des E dafür zuständig gewesen sei, diesen bei Toilettengängen zu begleiten. Es habe keinerlei Veranlassung für den Kläger bestanden, gemeinsam mit E die Behindertentoilette aufzusuchen. Mit Frau M. und Herrn K. stünden nunmehr zwei glaubwürdige Zeugen zur Verfügung, welche glaubhaft bekunden könnten, den Schüler E im Beisein des Klägers mit angezogener Windel angetroffen zu haben. Außerdem stehe fest, dass der Kläger sinngemäß mehrfach zu E gesagt habe: „Lass uns auf der Toilette mal schauen, ob deine Gurke schon gewachsen ist“.

Eine Abmahnung sei angesichts der Erkennbarkeit der Vertragsverletzung durch den Kläger und deren Unvereinbarkeit mit dem staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag sowie des Erschleichens des Vertrauens des Schülers, um dieses auszunutzen, entbehrlich. Angesichts der schwerwiegenden Pflichtverletzung des Klägers sei das Vertrauen in eine künftig ordnungsgemäße Vertragserfüllung durch ihn nachhaltig gestört. Auch sei die Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen der Folgen für das Ansehen der Schule und des Schulträgers erforderlich. Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist sei nach der Interessenabwägung insbesondere wegen der in der klägerischen Stellung begangenen Pflichtverletzung, der damit verbundenen Außenwirkung, der Unkontrollierbarkeit der klägerischen Tätigkeit angesichts der relativen kurzen Beschäftigungszeit zu Lasten des Klägers ausgeschlossen. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei unausweichlich gewesen.

Schließlich sei auch die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten, weil die Schulleiterin die maßgeblichen Tatsachen dem beklagten Land am 22.10.2019 mitgeteilt habe, die Zustellung der Kündigung am 29.10.2019 danach die Zweiwochenfrist wahre.

Das Arbeitsgericht hat Beweis durch Zeugenvernahme erhoben. Wegen des Themas und des Inhalts der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 14.10.2020 Bezug genommen.

Durch Urteil vom 12.03.2021 hat das Arbeitsgericht der Klage vollumfänglich stattgegeben und zur Begründung angeführt, die Kündigung vom 12.03.2019 sei als Verdachtskündigung mangels ordnungsgemäßer Anhörung des Klägers unwirksam. Es sei dem Kläger kein konkreter, räumlich oder zeitlich eingrenzbarer Sachverhalt vorgehalten worden.

Auch die Tatkündigung vom 25.10.2019 sei unwirksam. Dabei könne als wahr unterstellt werden, dass der Kläger zweimal auf der Toilette gesehen worden sei, als gleichzeitig der Schüler E in der Toilette zu gegen gewesen sei und sich eine Windel angelegt habe, jedenfalls einmal auch über das entblößte Gesäß und Geschlechtsteil. Auch sei unbestritten geblieben, dass der Kläger dem Zeugen K. das Foto in der Anlage B 9 mit dem Kommentar „Frohe Weihnachten“ übersandte. Hierin ließe sich womöglich der Verdacht einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung herleiten, keinesfalls jedoch stehe für die Kammer die Tat fest.

Aufgrund Unwirksamkeit der streitbefangenen Kündigungen sei dem Weiterbeschäftigungsantrag stattzugeben.

Gegen dieses dem beklagten Land am 21.04.2021 zugestellte Urteil hat das beklagte Land mit am 03.05.2021 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 21.07.2021 mit am 21.07.2021 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

Hierzu führt das beklagte Land an, die klägerische Anhörung zur ausgesprochenen Verdachtskündigung sei ausreichend erfolgt. Die an den Kläger gerichteten Fragen hätten dazu gedient, die Vorgänge und Interaktionen zwischen ihm und dem Schüler E in der Toilette zu klären. Genau hierzu habe sich der Kläger im Rahmen der Anhörung trotz konkreter Fragen jedoch nicht geäußert. Eine Konkretisierung nach Zeit bzw. Datum sei nicht erforderlich gewesen. Der Kläger habe aus den gestellten Fragen genau erkennen können, um welche Sachverhalte es gehe.

Bereits der Umstand, dass der Kläger mehrfach im Kontext mit dem Schüler E bei Toilettenbesuchen aufgefallen sei, sei grenzwertig. Die darüber hinaus ermittelten Verdachtsmomente und Umstände überschritten jedwede Grenze des Akzeptablen und Hinnehmbaren und machten die vorliegend ausgesprochene Kündigung unter dem Aspekt des Schutzes der geistig behinderten Schüler zur einzigen Handlungsalternative. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei gewahrt, der Bezirkspersonalrat ordnungsgemäß angehört.

Die Kündigung vom 25.10.2019 sei als Tatkündigung wirksam. Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass die Inhalte des Vernehmungsprotokolls des Schülers E im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gar nicht als Grundlage für die Kündigung vom 25.10.2019 herangezogen worden seien. Insoweit seien die gerichtlichen Ausführungen zu einer möglichen Vernehmung des Schülers E nicht nachvollziehbar. Relevant gewesen seien vor allem Beobachtungen anderer Personen. Das Gericht habe den von ihm als zutreffend unterstellten Sachverhalt fehlerhaft bewertet. Auch wenn derartige Sachverhalte möglicherweise nicht eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung begründen könnten, seien sie als arbeitsvertragliche Pflichtverletzung zur Begründung einer Kündigung geeignet. Dafür sei ausreichend, dass ein deutlich übergriffiges Verhalten, welches den Intimbereich des Schülers verletze, nachgewiesen sei. Ein solches sei durch die Zeugenaussagen belegt. Es sei weder ihm noch den Eltern der Schüler zumutbar, künftig mit Mitarbeitern konfrontiert zu werden, die nicht erkennen würden, welche klaren Grenzen im Umgang mit ihnen anvertrauten Schülern zu beachten seien. Dies umso mehr, als es vorliegend um Schüler mit geistiger Behinderung und den damit einhergehenden Beeinträchtigungen zur Einschätzung von Situationen gehe. Selbst wenn der Schüler E die Initiative zu den Handlungen im Kontext mit den Windeln ergriffen haben sollte, wäre es klägerische Aufgabe gewesen, sofort einzuschreiten, Hilfe zu holen und die Intimität des abgeschlossenen Raums der Behindertentoilette zu verlassen. Dies habe der Kläger jedoch zumindest nachweislich zweimal bewusst nicht getan. Es sei zu berücksichtigen, dass der Kläger Anfang des Jahres 2019 nicht als Betreuer des Schülers E eingesetzt gewesen sei und es mithin keinerlei Notwendigkeit gegeben habe, dass der Kläger den Schüler bei Toilettengängen begleitete oder kontrollierte.

Soweit der Kläger auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz abstelle und den Umstand, dass die Zeugen K., M. und K. den Schüler E ebenfalls in der geschilderten Position erblickt haben, könne der Kläger offensichtlich nicht zwischen aktivem Handeln und dem Tätigen von Beobachtungen unterscheiden.

Die Kündigung sei innerhalb der Frist des § 626 Abs.2 BGB rechtzeitig erfolgt.

Der Bezirkspersonalrat sei auch zu dieser Kündigung ordnungsgemäß gehört worden.

Das beklagte Land beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund (Neubrandenburg) vom 12.03.2021 (11 Ca 107/2019) wird abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Kläger beantragt:

1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Der Kläger ist der Ansicht, es sei klarzustellen, dass Hintergrund der streitgegenständlichen Kündigungen entgegen der Ausführungen in der Berufungsschrift niemals „übergriffiges Verhalten gegenüber dem Schüler E“ gewesen sei, weder im Verdacht, noch im Hinblick auf behauptete Ermittlungen. Die Kündigung vom 12.03.2019 enthalte lediglich den pauschalen Hinweis, es bestünde der dringende Verdacht einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Es sei zwingend erforderlich gewesen, zwischen dienstlich veranlasstem und von der Beklagtenseite geforderten Verhalten – Aufsichtsführung und Begleitung zur Toilette zu Kontrollzwecken – und sonstigen Anlässen zu unterscheiden. Dies sei jedoch nicht geschehen. Ebenso seien keine Fragen oder Ermittlungen in Bezug auf Umstände, die eben einen Verdacht ausräumen könnten, erfolgt. Es bestünden keine konkreten Anhaltspunkte, die den Eindruck einer übergriffigen, insbesondere sexuellen Motivation rechtfertigen könnten.

Auch der Kündigung vom 25.10.2019 fehle es an einem konkreten Sachverhalt, der ihm vorgeworfen werden und eine Kündigung rechtfertigen könne.

Die erste Instanz habe nicht übersehen, dass weitere an der Schule tätige Personen Beobachtungen gemacht hätten. Vielmehr ergebe sich hieraus, dass auch die Zeugen K., M. und K. den Schüler E in entsprechend belastender Position erblickt hätten, ohne dass sie dienstrechtliche Konsequenzen hätten hinnehmen müssen. Eine unterschiedliche Behandlung bei gleichgelagertem Sachverhalt stelle sich als Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zur Gleichbehandlung dar.

Der Kläger weist insbesondere auf seinen erstinstanzlichen Vortrag hin, wonach der Schüler E mehrfach mit der problematischen Tatsache, er lege sich Windeln an, obgleich er nicht windelpflichtig sei, vom Personal angetroffen worden sei. Auch sei Personal von dem Schüler aufgefordert worden, ihn zur Toilette zu begleiten. Es könne zeugenschaftlich bestätigt werden, dass der Schüler E sich selbst nach seiner – des Klägers – Suspendierung Windeln angelegt habe und es diesbezüglich Probleme mit ihm gegeben habe. Die Ermittlungen des beklagten Landes, insbesondere der Schulleitung seien tendenziös, einseitig belastend und zielgerichtet auf seine Entfernung aus dem Schuldienst bezogen gewesen.

Der zur Begründung der Kündigung vom 25.10.2019 angeführte Sachverhalt habe sich nicht nachweisen lassen. Es sei nicht bestätigt, dass sich der Schüler E in seiner Gegenwart mit heruntergelassener Hose eine Windel angezogen habe. Es sei unklar geblieben, wann sich der Schüler die Windel angezogen hatte. Unklar geblieben sei weiterhin, wer das Foto von dem Schüler gemacht habe. Es sei unbewiesen und werde bestritten, dass er das Foto gefertigt und versandt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften, das erstinstanzliche Urteil verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des beklagten Landes ist teilweise begründet, im Übrigen unbegründet.

I.

Die Berufung ist statthaft (§ 64 Abs. 2 c ArbGG) und zulässig, insbesondere frist- und formgemäß begründet worden (§§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO).

II.

Die Berufung hat teilweise Erfolg. Zwar hat die außerordentliche Kündigung vom 12.03.2019 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet. Dieses ist jedoch aufgrund der außerordentlichen Kündigung vom 25.10.2019 mit ihrem Zugang am 29.10.2019 aufgelöst worden, denn diese Kündigung ist wirksam. Infolge Beendigung des Arbeitsverhältnisses steht dem Kläger kein Anspruch auf Weiterbeschäftigung zu.

1.

Die Kündigung vom 12.03.2019 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet, denn sie ist unwirksam, weil es ihr an der für eine Verdachtskündigung erforderlichen Anhörung des Arbeitnehmers fehlt.

a)

Die Kündigung stellt sich nicht als von Anfang an rechtswirksam nach § 13 Abs. 1 S. 2, § 7, § 4 S. 1 KSchG dar, weil der Kläger die maßgebliche dreiwöchige Klagefrist versäumt hätte. Der Kläger hat sich mit der vorab per Fax am 27.03.2019 beim Arbeitsgericht eingegangener Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung vom 12.03.2019 gewendet. Damit hat er die dreiwöchige Klagefrist gewahrt.

b)

Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht (BAG, Urteil vom 01.06.2017 – 6 AZR 720/15 – Rn. 45, juris; BAG, Urteil vom 17.11.2016 – 2 AZR 730/15 – Rn. 20, juris; BAG, Urteil vom 20.10.2016 – 6 AZR 471/15 – Rn. 14, juris).

Dabei kann nicht nur eine erwiesene Vertragsverletzung, sondern bereits der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen arbeitsvertraglichen Verfehlung einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen. Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn starke, auf objektive Tatsachen gründende Verdachtsmomente vorliegen, die geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Der Verdacht muss auf konkrete, vom Kündigenden darzulegende und ggf. zu beweisende Tatsachen gestützt sein. Er muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen nicht aus (BAG, Urteil vom 02.03.2017 – 2 AZR 698/15 – Rn. 22, juris).

c)

Die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist – anders als bei der sog. Tatkündigung – Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung. Dies folgt aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Annahme, das für eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unabdingbare Vertrauen sei bereits aufgrund des Verdachts eines erheblichen Fehlverhaltens des Arbeitnehmers zerstört, ist zumindest solange nicht gerechtfertigt, wie der Arbeitgeber die zumutbaren Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts nicht ergriffen hat. Dazu gehört es insbesondere, dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Verdachtsmomenten zu geben, um dessen Einlassungen bei der Entscheidungsfindung berücksichtigen zu können. Versäumt der Arbeitgeber dies, kann er sich im Prozess nicht auf den Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers berufen; die hierauf gestützte Kündigung ist unwirksam (BAG, Urteil vom 20.03.2014 – 2 AZR 1037/12 – Rn. 23, juris).

Der erforderliche Umfang der Anhörung und damit auch ihre Ausgestaltung richten sich nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei ist ein objektiver Maßstab aus Sicht eines verständigen Arbeitnehmers zugrunde zu legen. Die Anhörung muss einerseits nicht in jeder Hinsicht den Anforderungen genügen, die an eine Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG gestellt werden. Andererseits reicht es nicht aus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer lediglich mit einer allgemein gehaltenen Wertung konfrontiert. Der Arbeitnehmer muss vielmehr erkennen können, zur Aufklärung welchen Sachverhalts ihm Gelegenheit gegeben werden soll. Er muss die Möglichkeit haben, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen ggf. zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen aufzuzeigen und so zur Aufhellung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden Geschehnisse beizutragen. Wegen dieser Aufklärung wird dem Arbeitgeber die Anhörung abverlangt. Erforderlich ist, dass der Arbeitnehmer erkennen kann, welchen Sachverhalt der Arbeitgeber für aufklärungsbedürftig hält, dass er jedenfalls auch seine, des Arbeitnehmers, Verantwortung dafür in Betracht zieht und dass ihm, dem Arbeitnehmer, Gelegenheit gegeben werden soll, zu den aufklärungsbedürftigen Geschehnissen und Verdachtsmomenten Stellung zu nehmen (BAG, Urteil vom 25.04.2018 – 2 AZR 611/17 – Rn. 32, 33, juris). Nur wenn sich die Anhörung auf einen konkretisierten Sachverhalt bezieht, hat der Arbeitnehmer überhaupt die Möglichkeit, sich zum Verdachtsvorwurf und den ihn tragenden Verdachtsmomenten substantiiert zu äußern. Der Arbeitgeber darf deshalb dem Betroffenen keine wesentlichen Erkenntnisse vorenthalten, die er im Anhörungszeitpunkt bereits besitzt. Er muss alle relevanten Umstände angeben, aus denen er den Verdacht ableitet. Anderenfalls würden die Einlassungs- und Verteidigungsmöglichkeiten des Arbeitnehmers unzulässig beschränkt (BAG, Urteil vom 26.09.2002 – 2 AZR 424/01 – Rn. 34, juris).

Diesen Anforderungen genügt die am 04.03.2019 erfolgte Anhörung des Klägers nicht. In dieser wurde der Kläger nicht mit einem konkreten Verdacht konfrontiert. Es wurde ihm mitgeteilt, dass die Einladung erfolgt sei, um zu erfahren, wie sein Verhalten im Umgang mit Schutzbefohlenen sei. Der Kläger wurde gefragt, ob er etwas dazu sagen möchte. Obgleich der Kläger gebeten hat, ihm einen konkreten Vorwurf zu erläutern, ist dies unterlassen worden. Auch der klägerischen Bitte, die Angelegenheit mit seinem Anwalt zu klären und schriftlich Vorhalte zu formulieren, ist nicht nachgekommen worden. Auf sein wiederholtes Verlangen, ihm die Vorwürfe zu geben, wurde nicht eingegangen. Es erfolgte eine in kurzer Form gehaltene Fragestellung zu verschiedenen Themenkomplexen. Es unterblieb jedoch eine Schilderung zeitlich und räumlich zumindest umrissener Tatsachen, welche in Erfahrung gebracht worden seien. Dem Kläger wurde kein aufklärungsbedürftiges Geschehen aufgezeigt, nicht mitgeteilt, in welche Richtung aufgrund welcher Tatsachen welche Verdachtsmomente entstanden sind. Entgegen der Auffassung des beklagten Landes konnte der Kläger auch nicht aus der Fragestellung erkennen, um welche Sachverhalte es ging. Dazu war die Fragestellung viel zu offen gehalten und umfasste zu viele unterschiedliche Themenbereiche. Das beklagte Land hat dem Kläger nicht mitgeteilt, über welche konkreten Erkenntnisse es zum Zeitpunkt der Anhörung verfügte und aus welchen Gründen sich welcher Verdacht hieraus ergeben sollte.

Schließlich ist dem Kläger zwar die Möglichkeit zur schriftlichen Stellungnahme bis zum nächsten Tag eingeräumt worden, unabhängig von der Frage, ob damit eine ausreichende Frist gewährt war, war dem Kläger mangels konkreter Vorhaltungen jedoch eine Stellungnahme überhaupt nicht möglich.

Unter diesen Umständen liegt eine ordnungsgemäße Anhörung, welche dem Kläger die Möglichkeit eingeräumt hätte, sich überhaupt substantiiert zu einem Verdacht einzulassen, nicht vor.

Es ist dem beklagten Land daher nicht möglich, sich zum Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB auf einen dringenden Verdacht einer arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung berufen zu können. Die auf diesen Verdacht gestützte Kündigung vom 12.03.2019 ist folglich als außerordentliche Kündigung unwirksam.

2.

Die Kündigung vom 12.03.2019 hat das Arbeitsverhältnis auch nicht hilfsweise ordentlich mit Ablauf der maßgeblichen Kündigungsfrist zum 30.06.2019 beendet, denn die Kündigung ist auch als ordentliche rechtsunwirksam, weil ihr die soziale Rechtfertigung fehlt.

Gemäß § 1 Abs. 2 KSchG ist eine Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch Gründe, die in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist. Das ist vorliegend der Fall, weil die streitbefangene Kündigung vom 12.03.2019 mangels ordnungsgemäßer Anhörung zu einer Verdachtskündigung nicht auf verhaltensbedingte Gründe gestützt werden kann. Auch für die ordentliche verhaltensbedingte Kündigung ist, sofern sie sich nicht auf eine begangene Pflichtverletzung bezieht, sondern auf den dringenden Verdacht einer arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung, die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers zu konkret bestehenden Verdachtsmomenten erforderlich. Eine den nach höchstrichterlichen Grundsätzen aufgestellten Voraussetzungen genügende Anhörung des Klägers ist jedoch – wie dargestellt – nicht erfolgt.

Es ist dem beklagten Land daher verwehrt, sich zur Begründung der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung auf das Vorliegen eines dringenden Verdachts einer Pflichtverletzung zu stützen.

3.

Die Berufung ist jedoch erfolgreich, soweit sich das beklagte Land mit ihr auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der Kündigung vom 25.10.2019 mit ihrem Zugang am 29.10.2021 bezieht. Diese Kündigung ist als außerordentliche wirksam, weil die dazu erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind.

a)

Es liegt ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB vor, weil der Kläger gegen seine ihm arbeitsvertraglich obliegenden Obhuts- und Betreuungspflichten derart verstoßen hat, dass das Arbeitsverhältnis ohne vorhergehende Abmahnung und Einhaltung einer maßgeblichen Kündigungsfrist beendet werden durfte. Es ist dem beklagten Land mit der Beweisaufnahme der Nachweis gelungen, dass der Kläger den ihm gegenüber dem Schüler E obliegenden Schutz- und Betreuungspflichten nicht nachgekommen ist, so dass ein wichtiger Grund „an sich“ gegeben ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob als „Tat“ die Erfüllung eines Straftatbestandes eingetreten ist, denn als „Tat“ zur Begründung einer Kündigung vermag auch der Verstoß gegen arbeitsvertragliche Verpflichtungen zu genügen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass das beklagte Land bereits im Kündigungsschreiben vom 25.10.2019 nicht Bezug auf eine Straftat genommen hat, sondern auf eine schwerwiegende arbeitsvertragliche Pflichtverletzung durch Verstoß gegen Schutz- und Obhutspflichten. Auch die dem Personalrat zur Kündigung erteilte Information stellt auf eine Bestätigung eines grenzüberschreitenden, gegebenenfalls strafbaren Verhaltens des Klägers ab. Das beklagte Land hat damit keine Tatkündigung wegen der Verwirklichung eines Straftatbestandes ausgesprochen und es war dementsprechend kein solcher Nachweis erforderlich.

Der Verstoß gegen die dem Kläger als Betreuer ausdrücklich übertragene Verpflichtung, für die ordnungsgemäße Betreuung und das Wohlergehen der ihm anvertrauten Schutzbefohlenen zu sorgen, stellt eine Verletzung der dem Kläger obliegenden Hauptleistungspflichten dar. Der Kläger hat sich herabwürdigend und respektlos gegenüber dem ihm anvertrauten Schüler E verhalten, indem er zumindest in drei Fällen nicht eingeschritten ist, als sich der Schüler, obgleich er kein Windelträger ist, eine Windel anlegte bzw. versuchte, sich eine Windel anzulegen, sich grundlos in der Behindertentoilette aufhielt, er den Schüler mit über der Jeans angelegter Windel fotografiert und dieses Foto an einen Kollegen versandt hat. Dabei ist es unerheblich, ob der Kläger insoweit einen Straftatbestand verwirklicht hat, denn für die Begründung einer Kündigung ist allein maßgebend, ob eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung vorliegt. Dies ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und dem unstreitigen Vorbringen der Parteien zu bejahen.

Der Kläger hat am 26.12.2018 dem Zeugen K. per WhatsApp ein Foto (Anlage B 13, Bl. 209 d. A.) übersandt, welches den Schüler E mit über der Jeans angezogener Windel zeigt unter welchem geschrieben steht: „Frohe Weihnachten!“. Soweit der Kläger dieses im Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht bestritten hat, ist sein ausdrückliches Bestreiten erstmalig erfolgt und damit verspätet.

Das beklagte Land hat erstinstanzlich zur Begründung der Kündigung vom 25.10.2019 die Fertigung und Übersendung dieses Fotos angeführt. Ein Bestreiten des Klägers ist erstinstanzlich nicht erfolgt. Der Kläger hat sich vielmehr darauf zurückgezogen, sein Verhalten sei insbesondere zur Ermittlung der Verursachung der Problematik der Toilettenverstopfung gerechtfertigt. Das Foto sei als Beweisfoto zu werten, ein Beweisantritt für die Verursachung der Toilettenverstopfung durch den Schüler E einerseits sowie des nachgewiesenen unberechtigten Verbrauches und der Inanspruchnahme von Hygienematerial auf der Toilette andererseits. Hierin liegt kein Bestreiten des Vorhalts der Fertigung und Übersendung des Fotos. Im Termin der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 14.10.2020 vor dem Arbeitsgericht hat der Kläger ausdrücklich erklärt, dass er zu dem Foto in der Anlage B 9 nichts sagen wolle. Gemäß § 138 ZPO bedeutet dieses Zustimmung und nicht ein Bestreiten. Dementsprechend ist diese Tatsache im erstinstanzlichen Urteil auch im unstreitigen Tatbestand aufgeführt. Der Kläger hat erstinstanzlich keinen Urteilsberichtigungsantrag gestellt, um eine diesbezügliche Korrektur zu erreichen. Das erstmalig im Termin der mündlichen Verhandlung am 26.10.2021 erfolgte Bestreiten ist gemäß § 67 Abs. 4 ArbGG verspätet. Danach sind neue Angriffs- und Verteidigungsmittel, deren Vorbringen nach § 67 Abs. 2, 3 ArbGG zulässig ist, vom Berufungsbeklagten in der Berufungserwiderung vorzubringen. Das ist vorliegend nicht geschehen. Werden sie später vorgebracht, sind sie nur zuzulassen, wenn sie nach der Berufungserwiderung entstanden sind, was vorliegend nicht der Fall ist, oder das verspätete Vorbringen nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder nicht auf Verschulden der Parteien beruht. Die Berücksichtigung des verspäteten Vorbringens würde die Erledigung des Rechtsstreits verzögern, weil dann eine Vertagung erforderlich gewesen wäre, um dem beklagten Land Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Anhaltspunkte dafür, dass das verspätete Vorbringen nicht auf einem Verschulden der Partei beruht, bestehen nicht. Gründe, die den Kläger gehindert haben könnten, die im Zusammenhang mit dem Foto getätigten Behauptungen des beklagten Landes bereits erstinstanzlich oder zumindest rechtzeitig zweitinstanzlich schriftsätzlich mit der Berufungserwiderung vorzubringen, sind nicht vorgetragen und nicht ersichtlich.

Soweit sich der Kläger darauf zurückzieht, das Foto sei zu Beweiszwecken gefertigt, ist dies nicht nachvollziehbar. Zum einen ist bereits nicht erkennbar, aus welchen Gründen ein Beweis erforderlich geworden sein sollte und es nicht ausgereicht hätte, wenn er der Schulleitung dementsprechende Mitteilung getätigt hätte. Es sind keinerlei Gesichtspunkte erkennbar, aus denen der berechtigte Schluss gezogen werden könnte, die Schulleitung hätte einem diesbezüglichen klägerischen Bericht keinen Glauben geschenkt. Nicht nachvollziehbar ist auch, aus welchen Gründen das Foto nicht an die insoweit zuständige Schulleitung gesandt wurde und dieser gegenüber keine diesbezügliche Information durch den Kläger erfolgte, stattdessen eine Übersendung an den Kollegen K. geschah, ohne damit irgendeine Anmerkung oder ein Wort zum Verbrauch von Hygieneartikeln zu verbinden, sondern stattdessen den Ausspruch „Frohe Weihnachten“ zu verwenden.

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob der Kläger den Schüler E zum Anlegen der Windel veranlasst hat. Sollte der Kläger den Schüler E mit über der Jeans angezogener Windel angetroffen haben, wäre es Verpflichtung des Klägers gewesen, sofort dafür zu sorgen, dass die Windel abgelegt wird. Dieser Verpflichtung ist der Kläger jedoch nicht nachgekommen, sondern hat stattdessen den Schüler in diesem unwürdigen Aufzug belassen, fotografiert und dieses Foto an einen Dritten – wenn auch einen Betreuer – weitergeleitet. Damit hat er sich respektlos gegenüber der Würde und dem Ansehen des Schülers E verhalten und entgegen seiner ihm diesem Schüler gegenüber obliegenden Schutzpflicht agiert.

Dem Kläger ist zudem vorzuhalten, dass er zwei weitere Male nicht dagegen eingeschritten ist, als der Schüler E sich in seinem Beisein wiederum eine Windel anlegte bzw. anzulegen versuchte. Unerheblich dabei ist auch hier, ob der Kläger den Schüler E zum Anlegen der Windel animiert hat oder der Schüler dazu neigte, aus eigenem Antrieb heraus sich eine Windel anzuziehen. Gleichgültig worin die Ursache für das Windelanziehen liegt, wäre es Verpflichtung des Klägers gewesen, den Schüler davon abzuhalten und ihm nicht tatenlos dabei zuzusehen.

Im Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 14.10.2020 hat der Zeuge K. berichtet, dass er am 25. oder 26. Januar oder Februar 2019 zusammen mit E auf die Toilette gegangen sei, ihm gesagt habe, er solle an der Jungentoilette warten, er, der Zeuge, gehe selbst auch auf die Toilette. Als er zurückgekommen sei habe E dort nicht gewartet und sei auch nicht mehr auf der Jungentoilette gewesen. Er habe E zunächst im Klassenraum und auch in der Turnhalle gesucht, dann E im Wickelraum vermutet, dort die Tür aufgemacht und E auf der Liege mit heruntergezogener Hose und einer Windel an vorgefunden, während der Kläger danebengestanden habe. Die Zeugin M. hat eine ähnliche Situation geschildert, dass sie, von der Kollegin C. darauf aufmerksam gemacht, dass der Schüler E zur Behindertentoilette gegangen sei, diese aufgesucht habe und nach dem Öffnen der Tür wahrgenommen habe, wie der Schüler E mit dem Rücken und heruntergelassener Hose zu ihr gestanden und eine Windel umgehabt habe. Dies sei vor oder nach den Februar-Ferien 2019 gewesen.

Das Arbeitsgericht hat die Beweisaufnahme derart gewürdigt, dass es als wahr unterstellt werden könne, dass der Kläger zweimal auf der Toilette gesehen wurde, als gleichzeitig der Schüler E in der Toilette zugegen war und sich eine Windel anlegte, jedenfalls einmal auch auf das entblößte Gesäß und Geschlechtsteil.

Die seitens des Klägers vorgetragenen Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussagen und Glaubwürdigkeit der Zeugen, sind nicht berechtigt. Entgegen der klägerischen Auffassung finden sich in den Zeugenaussagen keine erheblichen Widersprüche, sondern sie sind folgerichtig. Einzelne Widersprüche hat der Kläger auch nicht detailliert aufgezeigt.

Auch wenn es den Zeugen nicht möglich war, zum Zeitpunkt ihrer Einvernahme am 14.10.2020 den genauen Zeitpunkt ihrer Beobachtungen anzugeben, ist es nach dem Zeitablauf verständlich. Waren sie jedoch in der Lage, den Zeitpunkt in etwa mit Februar 2019 zu umreißen. Die menschliche Erinnerungskraft hinsichtlich einer zeitlichen Abfolge von Ereignissen ist generell als nicht sehr zuverlässig einzuschätzen. Insbesondere da die Zeugenvernehmung mehr als anderthalb Jahre nach den Beobachtungen erfolgte, ist dies besonders zu berücksichtigen. Zur ungefähren zeitlichen Einordnung orientieren sich die Zeugen an dem Ereignis der Winterferien. Einen solchen Zusammenhang herzustellen, stellt ein probates Mittel zur zeitlichen Einordnung dar. Sie haben ihre Beobachtungen schlüssig unter Nennung von Details geschildert. Ob die klägerische Vermutung, der Zeuge K. habe seine Beobachtungen auf der Behindertentoilette erstmalig bei der polizeilichen Vernehmung geschildert, zutreffend ist, lässt sich nicht verifizieren. Der Zeuge selbst geht zwar davon aus, dass er die Beobachtungen nach dem Vorfall dem Klassenlehrer gegenüber berichtet habe, woraufhin dann die Anhörung des Schülers erfolgt sei. Tatsächlich hat diese Beobachtung jedoch in das von dem Klassenlehrer über das mit dem Zeugen K. geführte Gespräch erstellte Protokoll keinen Eingang gefunden. Aber selbst wenn der Zeuge K. die Beobachtungen erstmalig bei seiner polizeilichen Vernehmung geschildert haben sollte, spricht dies nicht gegen seine Glaubwürdigkeit. Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein Zeuge unter dem Eindruck einer amtlichen Vernehmung und in diesem Zusammenhang erfolgten Belehrungen unter größerer Anspannung seines Erinnerungsvermögens eine Aussage konkreter gestaltet, als innerhalb eines Arbeitsverhältnisses über einen Kollegen. Im Übrigen hat die Zeugin M. ausgesagt, dass sie den Klassenlehrer über ihre Beobachtungen unterrichtet hat und dieser ihr gegenüber versichert habe, sich an die Schulleitung zu wenden. Damit trifft es gerade nicht zu, dass als eindrucksvoll empfundene Beobachtungen nicht weitergegeben wurden. Schließlich ist es auch aufgrund der Schilderungen des Zeugen K. zu dem am 27.02.2019 geführten Gespräch mit ihm, dem Klassenlehrer und dem Schüler E als Teilnehmer gekommen, zu Meldungen an die Schulleitung, an das staatliche Schulamt und schließlich zum Ausspruch der Kündigung vom 12.03.2019.

Soweit der Kläger darauf verweist, es sei auf seine Entfernung aus dem Arbeitsverhältnis hingearbeitet worden und sich auf von dem Zeugen K. benannte Differenzen bezieht, ist nicht erkennbar, dass diese nicht zwischenzeitlich – wie von dem Zeugen K. ausgesagt – ausgeräumt waren. Dies vor allem auch vor dem Hintergrund, dass die Zeugen M. und K. im Schuljahr 2018/2019 in der Mittelstufe eingesetzt waren, während der Kläger in der Oberstufe tätig war. Sonstige Tatsachen, welche die klägerische Vermurung stützen könnten, sind nicht erkennbar.

Wenn die Zeugin M. bis zu dem Zeitpunkt als ihr das über WhatsApp versandte Foto gezeigt wurde, davon ausging, dieses Foto zeige den Schüler E mit heruntergelassener Hose, mag dies daran liegen, dass ihre eigene Beobachtung sich auf den Schüler in ähnlicher Situation mit herabgelassener Hose bezieht und sie daher möglicherweise einer trügerischen Assoziation unterlag. Ob der Schüler tatsächlich unter der Windel unbekleidet war oder nicht, spielt für das hier zur Entscheidung berufene Gericht lediglich insoweit eine Rolle, dass in erstem Fall die Pflichtverletzung als noch gravierender einzustufen, in zweiten Fall die Pflichtverletzung durchaus geeignet ist, die ausgesprochene Kündigung zu stützen.

Danach ist der Kläger zumindest zwei weitere Male nicht eingeschritten, als sich der Schüler E in seinem Beisein eine Windel angelegt hatte und ist damit den ihm obliegenden Verpflichtungen nicht nachgekommen. Den Schüler in dieser Situation zu belassen und nicht einzuschreiten, stellt eine Grenzüberschreitung im erforderlichen professionellen Distanzverhältnis zwischen einer Betreuungskraft und einer zu betreuenden Person dar. Der Kläger hätte es nicht zulassen dürfen, dass sich der Schüler einem derartigen lächerlichen Aufzug preisgibt. Dies insbesondere, weil es sich gerade um eine ihm zur Betreuung anvertraute Person handelt. Auch wenn der Kläger nicht ausdrücklich zur Betreuung des Schülers E abgestellt war, oblag ihm doch auch diesem gegenüber eine Schutzpflicht, die aufgrund der Beeinträchtigungen des Schülers E besonders ausgeprägt war.

b)

Die aufgrund vorgenannter Pflichtverletzungen ausgesprochene außerordentliche Kündigung erweist sich auch nicht aufgrund der gemäß § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung als unverhältnismäßig.

Bei der Prüfung im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen (BAG, Urteil vom 20.10.2016 – 6 AZR 471/15 – Rn. 30, juris).

Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, nicht abschließend feststellen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Sie scheidet aus, wenn es ein „schonenderes“ Gestaltungsmittel – etwa Abmahnung, Versetzung, ordentliche Kündigung – gibt, das ebenfalls geeignet ist, den mit einer außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck – nicht die Sanktion des pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses – zu erreichen.

Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwerwiegende Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG, Urteil vom 25.10.2012 – 2 AZR 495/11 – Rn. 15, 16, juris).

Der Kläger hat seine vertraglichen Pflichten – wie dargelegt – erheblich verletzt. Der Ausspruch einer darauf gestützten außerordentlichen Kündigung ist nicht unverhältnismäßig, weil es angesichts der Schwere der Pflichtverletzungen dem beklagten Land nicht zuzumuten war, das Verhalten hinzunehmen. Die mit einer Abmahnung als milderes Mittel verbundene Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ist dem beklagten Land auch für den Lauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar.

Die klägerische Pflichtverletzung betrifft den dem Kläger übertragenen Hauptaufgabenbereich. Dem Kläger obliegt es, für die ihm anvertrauten Schutzbefohlenen zu sorgen, sich darum zu kümmern, dass ihnen kein Leid widerfährt, gerade weil sie aufgrund ihrer Beeinträchtigungen zu eigenem Schutz nicht bzw. schwer in der Lage sind, sich nicht gut artikulieren, über Erlebtes berichten und hilfesuchend an Personen wenden können und deshalb der besonderen Fürsorge bedürfen. Indem der Kläger gegenüber dem Schüler E diese Fürsorge vermissen ließ und ihr geradezu zuwiderhandelte, liegt eine besonders verwerfliche Handlungsweise vor, hat seine Pflichtverletzung eine Qualität und Schwere erreicht, die nicht hinnehmbar ist. Das unterlassene Einschreiten beim Anlegen der Windeln durch den Schüler E, das Fotografieren mit angezogener Windel und Versenden des Fotos mit der Unterschrift „Frohe Weihnachten“ betrifft den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG) des Schülers E, verletzt dessen Ehre und Würde. Die Aufgabe des Klägers besteht aber gerade darin, derartige Verletzungen zu verhindern. Wenn er dieser Verpflichtung durch eigenes Verhalten zuwiderhandelt, muss er damit rechnen, dass dies von dem beklagten Land nicht hingenommen wird, denn dieses muss sich auf die Integrität der Betreuer gegenüber den zu betreuenden Personen jederzeit verlassen können. Der Kläger hat bewusst Ehre und Würde der ihm anvertrauten wehr- und arglosen Person verletzt. Auch wenn es nicht darauf ankommt, ob er etwa die Straftatbestände des § 185 StGB (Beleidigung) oder des § 201a StGB (Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen) erfüllt hat, so bewegt er sich doch in diesem Bereich und sein Verhalten gegenüber einer wehrlosen Person ist unter diesem Aspekt zu würdigen.

Das beklagte Land trifft gegenüber den Eltern der zu betreuenden Schüler die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass Angriffe auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Schüler durch Betreuungskräfte unterbleiben. Es kann seinem Erziehungsauftrag nur gerecht werden, wenn die Betreuungskräfte jederzeit ein einwandfreies Verhalten gegenüber den zu betreuenden Schülern an den Tag legen.

Der Kläger konnte nicht annehmen, dass sein offensichtlich schweres Fehlverhalten den Bestand des Arbeitsverhältnisses nicht unmittelbar gefährdet. Durch das von ihm an den Tag gelegte Verhalten war die für eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauensgrundlage auch nach Ausspruch einer Abmahnung oder einer anderen milderen Maßnahme nicht wiederherstellbar. Zu berücksichtigen ist, dass der Kläger als Betreuungskraft durch das beklagte Land nicht ständig kontrolliert werden kann, sondern sich in zahlreichen Situationen allein mit der zu betreuenden Person befindet. Um solche Situationen zulassen zu können und eine Wiederholungsgefahr auszuschließen, bedarf es uneingeschränkten Vertrauens in die Integrität des Klägers, welches aufgrund der Vorfälle nicht mehr gegeben ist.

Die Beschäftigungszeit des Klägers ist noch nicht derart lang, dass ihm ein hoher Bestandsschutz zukommt. Angesichts der Lage auf dem Arbeitsmarkt dürfte es ihm alsbald gelingen bzw. gelungen sein, eine neue Beschäftigung zu finden. Deshalb kommt seiner sozialen Situation eher eine untergeordnete Rolle zu. Dem beklagten Land ist es demgegenüber nicht zumutbar, durch Bekanntwerden des klägerischen Verhaltens und einer weiteren Beschäftigung einen Ansehensverlust zu erleiden.

c)

Die Kündigung vom 25.10.2019 ist nicht nach § 626 Abs. 2 BGB unwirksam. Das beklagte Land hat die gesetzliche Frist zur Erklärung der Kündigung gewahrt.

Nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist des § 626 Abs. 2 S. 2 BGB beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und hinreichend vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Zu den Kündigungsberechtigten, auf deren Kenntnis abzustellen ist, gehören neben den Mitgliedern der Organe von juristischen Personen und Körperschaften auch die Mitarbeiter, denen der Arbeitgeber das Recht zur außerordentlichen Kündigung übertragen hat. Dagegen ist die Kenntnis anderer Personen für den Lauf der Ausschlussfrist unbeachtlich. Nur ausnahmsweise muss sich der Arbeitgeber auch ihre Kenntnis nach Treu und Glauben zurechnen lassen. Dazu müssen diese Personen eine herausgehobene Position und Funktion im Betrieb oder in der Verwaltung innehaben sowie tatsächlich und rechtlich in der Lage sein, den Sachverhalt so umfassend zu klären, dass mit ihrem Bericht an den Kündigungsberechtigten dieser ohne weitere Nachforschungen seine Kündigungsentscheidung abgewogen treffen kann. Voraussetzung dafür, dem Arbeitgeber solche Kenntnisse zuzurechnen, ist ferner, dass die Verspätung, mit der er in eigener Person Kenntnis erlangt hat, auf einer unsachgemäßen Organisation des Betriebs oder der Verwaltung beruht (BAG, Urteil vom 16.07.2015 – 2 AZR 85/15 – Rn. 55, juris).

Vorliegend ist die Leitung des staatlichen Schulamtes N. kündigungsberechtigt. Dass diese von den maßgeblichen Tatsachen, welche sie zur Begründung der Kündigung vom 25.10.2019, zugegangen am 29.10.2019, herangezogen hat, vor dem 15.10.2019 Kenntnis erlangt hat, ist nicht erkennbar. Der Kläger behauptet zwar pauschal, es habe insbesondere über das Foto bereits vorher Kenntnis bestanden, der Kläger trägt jedoch nicht vor, wer auf welche Art und Weise welcher Person des staatlichen Schulamtes N. über das Foto Informationen erteilt haben soll. Soweit sich der Kläger auf eine mögliche Kenntnisnahme durch Kollegen, den Klassenlehrer oder den Schulleiter beziehen sollte, ist dies unerheblich, denn bei diesen handelt es sich nicht um kündigungsberechtigte Personen. Es ist vielmehr schlüssig dargetan, dass das staatliche Schulamt erst nach Kontaktierung der Schulleiterin Berndt zur Besprechung eines Schriftsatzes über weitere Sachverhalte am 22.10.2019 unterrichtet wurde, danach Veranlassung bestand, Ermittlungen durchzuführen und die Beschäftigten K. und M. anzuhören. Dem hat der Kläger nichts gegenteiliges Erhebliches entgegengesetzt. Dass das staatliche Schulamt von den sodann durch diese Ermittlungen erfahrenen Sachverhalten bereits zuvor Kenntnis erlangt hatte, ist nicht erkennbar.

d)

Schließlich hat das beklagte Land den Bezirkspersonalrat ordnungsgemäß an der außerordentlichen Kündigung beteiligt.

Gemäß § 62 PersVG M-V bedarf die nach § 68 Abs. 1 Nr. 2 PersVG M-V mitbestimmungspflichtige außerordentliche Kündigung der Zustimmung des Personalrats. Nach § 68 Abs. 7 PersVG M-V ist eine Kündigung unwirksam, wenn der Personalrat nicht beteiligt worden ist. Dem steht eine nicht ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats gleich. Der Leiter der Dienststelle unterrichtet den Personalrat und beantragt dessen Zustimmung. Dies ist vorliegend mit an den Bezirkspersonalrat gerichteten Antrag vom 24.10.2019 geschehen. Mit diesem ist der Personalrat über den zur Begründung der Kündigung herangezogenen Sachverhalt informiert worden. Der Bezirkspersonalrat hat seine Zustimmung noch am selben Tag erteilt. Eine Fehlerhaftigkeit ist nicht erkennbar. Der Kläger hat auch keine sich auf den konkreten Vortrag des beklagten Landes beziehende Rügen erhoben. Hat ein Arbeitgeber im Prozess jedoch im Einzelnen zur Beteiligung des Personalrats vorgetragen, darf sich der Arbeitnehmer nicht weiter darauf beschränken, die ordnungsgemäße Beteiligung pauschal zu bestreiten. Er hat vielmehr nach § 138 Abs. 1 und 2 ZPO vollständig und im Einzelnen darzulegen, ob eine Anhörung überhaupt nicht erfolgt sei oder in welchen Punkten er die tatsächlichen Erklärungen des Arbeitgebers über die Beteiligung für falsch oder unvollständig hält (vgl. BAG, Urteil vom 24.04.2008 – 8 AZR 520/07 – Rn. 25, juris). Ein derartiger Vortrag des Klägers ist unterblieben. Deshalb ist von einem ordnungsgemäßen Beteiligungsverfahren auszugehen.

4.

Weil die Kündigung vom 25.10.2019 das Arbeitsverhältnis mit ihrem Zugang am 29.10.2019 beendet hat, steht dem Kläger kein Anspruch gegen das beklagte Land auf Weiterbeschäftigung zu.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG bestehen nicht.

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