I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 7. März 2023 – 1 Ca 507/22 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.
Die am 26. April 1986 geborene Klägerin war seit dem 1. November 2017 beim beklagten Land beschäftigt und bei der Staatsanwaltschaft E. zuletzt als Servicekraft in der Geschäftsstelle der Abteilung V mit einem Arbeitskraftanteil von 75% eingesetzt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) Anwendung. Am 2. November 2017 wurde die Klägerin gemäß § 1 des Gesetzes über die förmliche Verpflichtung nicht beamteter Personen (Verpflichtungsgesetz) auf die gewissenhafte Erfüllung ihrer Obliegenheiten, insbesondere zur Verschwiegenheit und zur Wahrung der ihr bei ihrer Tätigkeit bekannt gewordenen Privat- und Dienstgeheimnisse verpflichtet und auf die Strafbarkeit einer Zuwiderhandlung hingewiesen (Bl. 69 d.A.).
Mit Schreiben vom 17. März 2022 (Bl. 71 f. d.A.) teilte die Staatsanwaltschaft F. der Leitenden Oberstaatsanwältin in E-Stadt mit, dass sie unter dem Aktenzeichen 1002 UJs 31062/22 ein Ermittlungsverfahren gegen eine noch unbekannte weibliche Bedienstete der Staatsanwaltschaft E. wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses führe, die ihrem Bruder, der in Chats „G.“ genannt werde, Informationen aus den Ermittlungsverfahren 3500 Js 21047/18, 3300 Js 971/20 und 3300 Js 2037/21 der Staatsanwaltschaft E. offenbart haben solle. Der Bruder solle diese Informationen wiederum an eine weitere Person weitergegeben haben, gegen die die Staatsanwaltschaft E. ebenfalls ein Ermittlungsverfahren geführt habe. Die gesuchte Person werde in Chats als „von dem kleinen marok die Schwester“ bezeichnet und dass „der kleine marok diese Infos rausgeholt hat von seiner Schwester“, wonach es sich um eine weibliche Bedienstete marokkanischer Herkunft handeln dürfte. Es werde um Identifizierung dieser weiblichen Bediensteten und um Auskunft darüber gebeten, welche Personen die im Textsystem Text_RP unter den vorgenannten Aktenzeichen gespeicherten Dokumente aufgerufen hätten.
Am 18. März 2022 überprüfte die Leitende Oberstaatsanwältin in E-Stadt die Personalakten der weiblichen Bediensteten der Staatsanwaltschaft E-Stadt auf eine marokkanische Abstammung, welche sich nur bei der Klägerin aufgrund ihrer in der Personalakte befindlichen Geburtsurkunde ergab. Ob die Klägerin Geschwister, insbesondere einen Bruder mit dem Vornamen „G.“ hat, ergab sich aus der Personalakte nicht. Am selben Tag nahm die Leitende Oberstaatsanwältin Einsicht in die Zugriffsprotokolle des Textarchivs (Text_RP) der Fachanwendung web.sta. Im Verfahren 3300 Js 2037/21 ergaben sich die nachfolgend aufgeführten lesenden Zugriffe der Klägerin auf folgende Dokumente:
a. Protokoll für 22.01.2021 Antrag Durchsuchung und Haftbefehl
2021-01-22 12:29:02 H., H. hh Erstellung
2021-01-22 12:33:57 H., H. hh Ändern
2021-01-22 12:40:43 H., H. hh Ändern
2021-01-27 08:58:45 I., I., ii Lesen
2021-01-27 09:00:42 I., I. ii Lesen
2021-01-27 09:05:42 I., I. ii Lesen
2021-06-11 09:45:36 J., J. jj Lesen
2021-10-18 14:14:40 K., K. kk Lesen
b. Protokoll für 22.01.2021 Df ermittlungen
2021-01-22 12:18:08 H., H. hh Erstellung
2021-01-22 12:56:16 H., H. hh Ändern
2021-01-27 08:59:55 I., I. ii Lesen
2021-01-27 09:04:50 I., I. ii Lesen
2021-06-11 09:46:24 J., J. jj Lesen
c. Protokoll für 22.01.2021 Df ermittlungen
2021-01-22 14:08:46 H., H. hh Erstellung
2021-01-27 08:59:39 I., I., ii Lesen
2021-06-11 09:46:31 J., J. jj Lesen
Das vorgenannte Verfahren 3300 Js 2037/21, das den Tatvorwurf eines Verbrechens nach dem Betäubungsmittelgesetz zum Gegenstand hat und zum Zeitpunkt der lesenden Zugriffe der Klägerin noch nicht abgeschlossen war, wird in der Abteilung III geführt. Eine dienstliche Veranlassung für einen Zugriff auf die Textdokumente bestand für die Klägerin nicht. Abfragen in der Datenbank der web.sta-Fachanwendung werden im Gegensatz zu solchen im Textsystem nicht protokolliert.
Ihre Erkenntnisse teilte die Leitende Oberstaatsanwältin in E-Stadt mit Schreiben vom 18. März 2022 (Bl. 119 bis 127 d.A.) der Staatsanwaltschaft F. mit, die sodann seit dem 21. März 2021 unter dem Aktenzeichen 1024 Js 3721/22 die zunächst gegen unbekannt gerichteten Ermittlungen gegen die Klägerin und deren Bruder führte. Ferner bat die mit dem vorgenannten Schreiben ihrerseits im Hinblick auf zu prüfende arbeitsrechtliche Maßnahmen um zeitnahe Mitteilung, wann die betreffenden Chats mit Informationen aus Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft E. geführt worden seien, und um Unterrichtung, sobald die Person „Jimmy“ identifiziert worden sei. Daraufhin teilte die Staatsanwaltschaft F. mit Schreiben vom 22. März 2022 (Bl. 157, 158 d.A.) der Leitenden Oberstaatsanwältin in E-Stadt den Zeitpunkt der betreffenden Chat-Kommunikation vom 27. Januar 2021 sowie die Personendaten des Bruders der Klägerin mit und gewährte ihr auf ihren Antrag Akteneinsicht hinsichtlich des bei der Staatsanwaltschaft F. unter dem Aktenzeichen 1024 Js 3721/22 geführten Ermittlungsverfahrens.
In dem am 24. März 2022 geführten Personalgespräch teilte die Leitende Oberstaatsanwältin als Behördenleiterin der Klägerin in Anwesenheit der Geschäftsleiterin Frau L., des stellvertretenden Geschäftsleiters Herrn M. sowie der Protokollantin Frau N. im Beisein des auf Wunsch der Klägerin hinzugezogenen stellvertretenden Personalratsvorsitzenden Herrn O. mit, man werfe ihr vor, am 27. Januar 2021 im Textarchiv der Fachanwendung (Text_RP) Einsicht in ein fachfremdes, laufendes Ermittlungsverfahren (Az.: 3300 Js 2037/21) genommen, danach interne Informationen weitergegeben und damit das Dienstgeheimnis verletzt zu haben. Über das Personalgespräch wurde ein von der hinzugezogenen Protokollantin Frau N. unterzeichnetes Dokument „Protokoll Anhörung am 24.03.2022“ (Bl. 18 bis 21 d.A.) erstellt, auf das verwiesen wird. Die Einzelheiten des am 24. März 2022 geführten Gesprächs sind zwischen den Parteien streitig, insbesondere ob der Klägerin gemäß der protokollierten Anhörung am 24. März 2022 mit der ihr eingeräumten Frist von sieben Tagen die Gelegenheit gegeben wurde, zu den Vorwürfen bzw. dem ihr mitgeteilten Verdacht Stellung zu nehmen.
Nach dem Gespräch wurde die Klägerin von der Leitenden Oberstaatsanwältin mit Schreiben vom 24. März 2022 (Bl. 73 d.A.) mit sofortiger Wirkung widerruflich freigestellt und ihr gegenüber ein Betretungsverbot ausgesprochen. Unmittelbar danach durchsuchten bereitstehende Polizeibeamte den Arbeitsplatz der Klägerin sowie ihr privates Fahrzeug und stellten deren Mobiltelefon sicher. Sodann fuhren sie mit der Klägerin nach Hause und durchsuchten deren privaten Wohnbereich. Wegen der sichergestellten Geräte bzw. Speichermedien, die zu keinen die Klägerin belastenden Erkenntnissen führten, wird auf den Vermerk des Polizeipräsidiums E. vom 6. Mai 2022 (Anlage K6 zum Schriftsatz der Klägerin vom 18. August 2022 = Bl. 99 bis 101 d.A.) verwiesen.
Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin, die auch als deren Strafverteidigerin tätig ist, nahm am 1. April 2022 in die Ermittlungsakte 1024 Js 3721/22 Einsicht.
Mit Schreiben vom 1. April 2022 (Bl. 74 f. d.A.) unterrichtete die Leitende Oberstaatsanwältin den Personalrat unter Mitteilung der Sozialdaten darüber, dass beabsichtigt sei, der Klägerin fristlos wegen des dringenden Verdachts einer schweren Pflichtverletzung zu kündigen, hilfsweise ordentlich zum 12. August 2022. In der Anhörung vom 1. April 2022 zur außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung der Klägerin wird zum Sachverhalt auf das Anhörungsprotokoll vom 24. März 2022 (Bl. 18 bis 21 d.A.) sowie den Entwurf des Kündigungsschreibens (Bl. 389 bis 395 d.A.) verwiesen, die dem Anhörungsschreiben beigefügt waren. Mit Schreiben vom 5. April 2022 (Bl. 82, 83 d.A.) teilte der Personalrat zu dem ihm am 1. April 2022 zugegangenen Anhörungsschreiben mit, dass aus seiner Sicht die Annahme der vorgeworfenen Informationsweitergabe am 27. Januar 2021 nicht belegt und der dringende Verdacht nicht in ausreichender Weise erhärtet sei, so dass gegen die beabsichtigte Aussprache einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Verdachtskündigung entsprechende Bedenken bzw. Einwendungen bestünden.
Mit Schreiben vom 6. April 2022 (Bl. 9 bis 15 d.A.), der Klägerin am 7. April 2022 zugestellt, kündigte das beklagte Land das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich zum „12. August 2022“. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 27. April 2022 beim Arbeitsgericht Mainz eingegangenen Kündigungsschutzklage.
Wegen des wechselseitigen Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 7. März 2023 – 1 Ca 507/22 – Bezug genommen.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 6. April 2022 fristlos noch durch die gleichzeitig hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung zum 12. August 2022 oder einem anderen Zeitpunkt aufgelöst wurde.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 7. März 2023 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe seines Urteils verwiesen.
Gegen das ihr am 30. Juni 2023 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 31. Juli 2023, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag (Montag) eingegangen, Berufung eingelegt und diese – nach antragsgemäßer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 2. Oktober 2023 – mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2023, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, begründet.
Die Klägerin trägt vor, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei die Verdachtskündigung aus formalen Gründen unwirksam, weil es an einer ordnungsgemäßen Anhörung fehle. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bestimme sich der erforderliche Umfang und die Ausgestaltung der Anhörung nach den Umständen des Einzelfalls. Das Arbeitsgericht habe zu Unrecht die Möglichkeit zur Beiziehung eines Personalratsmitglieds als ausreichend angesehen. Vorliegend sei insbesondere zu berücksichtigen, dass es sich bei ihrer Arbeitgeberin um eine Staatsanwaltschaft handele, was bereits per se eine erhebliche Waffenungleichheit begründe. Denn sie habe als Arbeitnehmerin nicht allein ihrer Arbeitgeberin gegenübergestanden, sondern als Verdächtige einer Straftat gleichzeitig auch einer Behörde, deren Hauptaufgabe in der Ermittlung von Straftaten liege. Aufgrund dieser besonderen Umstände wäre es erforderlich gewesen, ihr die Möglichkeit zu geben, einen Rechtsbeistand hinzuziehen, was jedoch nicht erfolgt sei. Die überfallartige Anhörung am 24. März 2022 habe ohne vorherige Ankündigung bzw. Einladung stattgefunden. Ihr sei noch nicht einmal mitgeteilt worden, dass es sich überhaupt um eine Anhörung handele. Erst recht habe die Anhörung nicht wie eine Besprechung angemutet, wie dies kurz vorher von der Geschäftsleitung angekündigt worden sei. Vielmehr habe aus ihrer Sicht und aus Sicht des Zeugen O. alles auf eine Vernehmungssituation hingedeutet. Dementsprechend hätten weder sie selbst noch der Zeuge O. die Anhörung als eine solche begriffen. Das Arbeitsgericht habe ihren erstinstanzlichen Vortrag außer Acht gelassen und entgegen ihrem Vortrag angenommen, ihr sei eine weitere Frist zur Stellungnahme bis zum 31. März 2022 eingeräumt worden. Sie habe unter Beweisantritt vorgetragen, dass ihr lediglich eingeräumt worden sei, sich binnen Wochenfrist dazu zu äußern, ob sie zur Vermeidung einer Kündigung bereit sei, einen Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen. Die Leitende Oberstaatsanwältin habe keinen Zweifel daran gelassen, dass sie sie unter keinen Umständen weiterbeschäftigen werde. Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts sei ihr bzw. ihrer Rechtsanwältin auch nicht innerhalb der laufenden Stellungnahmefrist Gelegenheit gegeben worden, Einsicht in die gegen sie gerichtete Ermittlungsakte zu nehmen. Tatsächlich sei ihr erstmals im April 2022 Akteneinsicht gewährt worden, was auch das beklagte Land in seiner Klageerwiderung bestätigt habe. Sie habe sich am 24. März 2022 vollkommen unvorbereitet im Dienstzimmer der Leitenden Oberstaatsanwältin gleich drei Vorgesetzten gegenübergesehen, so dass schon aufgrund dieser Konstellation nicht von einer fairen Anhörungssituation gesprochen werden könne. Der Umstand, dass ihre Vorgesetzte eine versierte Juristin sei, führe erst recht dazu, dass die Anhörung nicht auf Augenhöhe stattgefunden habe und ihr vor diesem Hintergrund zwingend die Möglichkeit hätte gegeben werden müssen, einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen. Die Anhörung am 24. März 2022 habe damit weniger einer Anhörung, sondern vielmehr einer Vernehmung einer Beschuldigten durch die Leitende Oberstaatsanwältin entsprochen, die zudem noch zwei weitere Vorgesetze zu dieser Situation hinzugezogen habe. Der Eindruck der Vernehmungssituation sei unmittelbar nach Beendigung der Anhörung bestätigt worden, als sich herausgestellt habe, dass bereits ein Durchsuchungsbeschluss vorgelegen habe und die beiden Polizeibeamten gemäß vorheriger Absprache mit der Behördenleiterin vor deren Dienstzimmer gewartet hätten, um ihr Mobiltelefon an sich zu nehmen sowie im unmittelbaren Anschluss den Arbeitsplatz, das Privatfahrzeug und ihre Privatwohnung zu durchsuchen. Diese orchestrierte Abfolge sei ein eindeutiger Beleg dafür, dass die Anhörung lediglich aus formalen Gründen durchgeführt worden sei und zu keinem Zeitpunkt dazu habe dienen sollen, ihr die Möglichkeit zu geben, sich zu entlasten. Vielmehr habe die Arbeitgeberin entsprechend ihrer Kernkompetenz bereits alles in die Wege geleitet gehabt, um der verdächtigen Mitarbeiterin die Straftat nachzuweisen, von deren Bestehen sie überzeugt gewesen sei. Dass ihr im Anschluss an die Anhörung eine siebentägige Frist zur Stellungnahme gewährt worden sei, heile die formalen Verstöße der Anhörung nicht, zumal ihr nur der Abschluss eines Aufhebungsvertrages zur Vermeidung einer Kündigung eröffnet worden sei. Schließlich habe sie in der Anhörung vom 24. März 2022 bereits darauf hingewiesen, dass sie keine Informationen an Dritte weitergegeben habe, wonach ihr näherer Vortrag zu dem Verdachtsvorwurf denklogisch nicht möglich gewesen. Soweit das Arbeitsgericht ausführe, dass es grundsätzlich nicht notwendig sei, dem Arbeitnehmer vorab den Gegenstand der Anhörung mitzuteilen, verkenne es wiederum, dass sich Umfang und Ausgestaltung einer Anhörung nach den Umständen des Einzelfalls zu richten hätten. Soweit das Arbeitsgericht argumentiere, eine vorherige Mitteilung des Gegenstands der als solcher bezeichneten kurzen Besprechung wäre im vorliegenden Fall geeignet gewesen, den Erfolg des Ermittlungsverfahrens zu gefährden, sei dies unzutreffend. Wäre sie wenigstens 15 Minuten zuvor über den Gegenstand der Besprechung informiert worden, so hätte ohne Weiteres sichergestellt werden können, dass sie nicht alleine gelassen werde bis zum Beginn der Anhörung. Ihr wäre jedoch gleichwohl Gelegenheit gegeben worden, sich mit den erhobenen Vorwürfen vorab gedanklich zu beschäftigen und ggf. darauf zu bestehen, einen Rechtsbeistand zur Anhörung hinzuzuziehen. Die Leitende Oberstaatsanwältin habe ihr am 24. März 2022 lediglich eingeräumt, binnen der gesetzten Frist zum 31. März 2022 sich dahingehend zu äußern, ob sie bereit sei, einen Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen, weil anderenfalls die Kündigung des Arbeitsverhältnisses ausgesprochen werde. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts habe sie nicht lediglich eine subjektive Einschätzung des Zeugen O. unter Beweis gestellt, sondern konkret vorgetragen, dass sich das ihr eingeräumte Recht zur Stellungnahme lediglich auf die Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrags beschränkt habe. Soweit das Arbeitsgericht angenommen habe, es fehle hinsichtlich der Voreingenommenheit des beklagten Landes an einem nachvollziehbaren Tatsachenvortrag, hätte es einen gerichtlichen Hinweis erteilen und ihr Gelegenheit geben müssen, ihren Vortrag näher auszuführen. Die Leitende Oberstaatsanwältin habe keinen Zweifel daran gelassen, dass sie das Arbeitsverhältnis mit ihr nicht weiter fortführen werde. Diese Entschlossenheit habe die Leitende Oberstaatsanwältin nach außen getragen, indem sie ihr mitgeteilt habe, sie könne der Kündigung nur durch Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrages entgehen. Auch die Anhörung des Personalrats habe nicht den formalen Voraussetzungen analog § 102 BetrVG entsprochen. Nachdem das Arbeitsgericht im Verlaufe des erstinstanzlichen Verfahrens mehrfach Hinweise an das beklagte Land zur Ergänzung seines lückenhaften Vortrags habe erteilen müssen, habe es durch seine Verfahrensleitung selbst zu erkennen gegeben, dass das Kündigungsschreiben vom 6. April 2022 bzw. dessen Entwurf sowie das Protokoll vom 24. März 2022 nicht annährend dazu geeignet gewesen seien, dem Personalrat plausibel vor Augen zu führen, dass sie nicht lediglich und allein aufgrund ihre ethnischen Herkunft und ihres Geschlechts der Weitergabe von Dienstgeheimnissen verdächtigt werde. Weder aus dem im Entwurf dem Personalrat vorgelegten Kündigungsschreiben vom 6. April 2022 noch aus dem Protokoll vom 24. März 2022 lasse sich auch nur ansatzweise entnehmen, aus welchen Umständen die Ermittlungsbehörden bzw. ihre Vorgesetzten den Schluss gezogen hätten, dass es sich bei der verdächtigen Person um eine Mitarbeiterin der Staatsanwaltschaft E. handeln müsse. Auch habe das beklagte Land in keiner Weise dargelegt, aus welchen Anknüpfungstatsachen sich ein Bezug ihrer Person zu den Ermittlungsverfahren ergeben habe, welche sie angeblich durch Weitergabe von Dienstgeheimnissen gefährdet haben solle. Ebenso wenig sei an irgendeiner Stelle im Kündigungsschreiben und im Anhörungsprotokoll erwähnt, welche Informationen sie in welcher Weise an wen weitergebeben haben solle. Mithin sei der Personalrat nicht einmal ansatzweise in die Lage versetzt worden zu überprüfen, ob die gehegten Verdachtsmomente nachvollziehbar und sachgerecht gewesen seien. Aus Sicht des Personalrats hätten sich die Vorwürfe gegen sie fast allein auf dem Umstand begründet, dass sie weiblich sei und marokkanische Wurzeln habe. Entgegen den Ausführungen des Arbeitsgerichts hätte sie die von ihr erhobene Rüge der nicht ordnungsgemäß durchgeführten Anhörung auch nicht ausdrücklich aufrechterhalten bzw. wiederholen müssen, zumal das beklagte Land noch nicht einmal dargelegt habe, dass es den Personalrat ausreichend informiert habe. Der Personalrat habe die Zustimmung zur Kündigung gerade deswegen verweigert, weil das beklagte Land keine hinreichenden Gründe dargelegt habe, die die Verdachtskündigung nachvollziehbar erscheinen ließen. Weiterhin sei auch die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten worden. Wie das Arbeitsgericht richtigerweise ausgeführt habe, habe die Behördenleiterin der Staatsanwaltschaft E. als Kündigungsberechtigte am 17. März 2022 durch die Mitteilung der Staatsanwaltschaft F. davon erfahren, dass gegen eine ihrer Mitarbeiterinnen der in Rede stehende Verdacht bestehe. Nach der Identifizierung ihrer Person am 18. März 2022 durch die Behördenleiterin hätten dieser am 22. März 2022 zusätzlich unstreitig sämtliche Informationen zu den gesicherten Chats und zu den Daten des Bruders vorgelegen. Spätestens damit habe die Zweiwochenfrist zu laufen begonnen, so dass die am 7. April 2022 zugestellte Kündigung nicht mehr rechtzeitig erfolgt sei. Ihre Anhörung habe nicht mehr zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes gedient. Vielmehr sei die Behördenleiterin im Zeitpunkt der Anhörung am 24. März 2022 bereits entschlossen gewesen, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falls müsse sogar davon ausgegangen werden, dass die Ausschlussfrist bereits zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt zu laufen begonnen habe. Sie habe bereits darauf hingewiesen, dass es ungewöhnlich erscheine, dass die Staatsanwaltschaft E. erstmals am 17. März 2022 Kenntnis von den Ermittlungen erlangt haben solle. Denn nach der Abgabe des Verfahrens an die Generalstaatsanwaltschaft B-Stadt am 28. Januar 2022 sei es zu keinen relevanten Ermittlungen mehr gekommen. Es stelle sich insofern die Frage, weshalb die Behördenleiterin in E-Stadt erst viele Wochen später am 17. März 2022 von der übergeordneten Behörde in B-Stadt bzw. der gleichrangigen Behörde in F-Stadt informiert worden sei. Zwischen dem eigentlichen Abschluss der Ermittlungen Ende Januar 2022 und der nachweislichen Kenntniserlangung am 17. März 2022 seien jedenfalls mehr als sechs Wochen vergangen, ohne dass in diesem Zeitraum weitere Ermittlungen unternommen worden seien. Im Hinblick darauf, dass das beklagte Land für diesen langen Zeitraum des Stillstands auch keinen plausiblen Grund genannt habe, erscheine es willkürlich, dass die Behördenleiterin erst am 17. März 2022 und nicht schon viel früher informiert worden sei. Es spreche aus diesem Grund einiges dafür, dass sich das beklagte Land bzw. die Staatsanwaltschaft E. die Kenntnisse der Behörden in B-Stadt und F-Stadt zurechnen lassen müsse. Dies gelte umso mehr, als die Generalstaatsanwaltschaft B-Stadt der Staatsanwaltschaft in E-Stadt vorstehe. Im Übrigen habe die Kollegin P. für ein vergleichbares Verhalten gemäß ihrem erstinstanzlichen Vortrag lediglich eine mündliche Ermahnung und gleichzeitig eine Verlängerung des Arbeitsvertrages erhalten.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 7. März 2023 – 1 Ca 507/22 – aufzuheben und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 6. April 2022 fristlos noch durch die gleichzeitig hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung zum 12. August 2022 oder einem anderen Zeitpunkt aufgelöst wurde.
Das beklagte Land beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Das beklagte Land erwidert, die Klägerin sei ordnungsgemäß und ausreichend vor Ausspruch der Kündigung angehört worden. Die Anhörung der Klägerin sei in dem notwendigen Maße bereits in dem Gespräch vom 24. März 2022 erfolgt. Entgegen der pauschalen Behauptung der Klägerin habe nicht eine „überfallartige Anhörung“ vorgelegen. Vielmehr sei die Klägerin zu einem Gespräch mit der Leitenden Oberstaatsanwältin und den sonstigen im Protokoll aufgeführten Personen gebeten worden, welches ausweislich des Protokolls unangenehme und ernste Hintergründe gehabt habe, worauf die Klägerin bereits bei Eröffnung des Gespräches hingewiesen worden sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei weder eine vorherige Einladung noch die vorherige Benennung des Anhörungsthemas erforderlich. Eine Anhörung sei lediglich dann unzureichend, wenn sie in einer solchen Art und Weise erfolge, dass es dem Arbeitnehmer nicht möglich sei, zu den erhobenen Vorwürfen sachgerecht Stellung zu nehmen. Ein solcher Ausnahmefall sei hier nicht gegeben. Nach Eröffnung des Anlasses des Gespräches sei mit dem eigentlichen Beginn der Anhörung am 24. März 2022 solange abgewartet worden, bis auf Wunsch der Klägerin der stellvertretende Vorsitzende des Personalrates anwesend gewesen sei. Anschließend seien der Klägerin der gegen sie bestehende Verdacht sowie der Umstand der gegen sie laufenden strafrechtlichen Ermittlungen dargelegt und ihr bereits im Gespräch vom 24. März 2022 hinreichend und mehrfach Gelegenheit gegeben worden, sich hierzu zu äußern. Das Gespräch sei erst beendet worden, nachdem sich die Leitende Oberstaatsanwältin davon vergewissert habe, dass weder die Klägerin noch der Vertreter des Personalrats weitere Fragen gehabt hätten. Auf Rat des hinzugezogenen Vertreters des Personalrats Herrn O. habe die Klägerin erklärt, sich an diesem Tag nicht weiter zu den Vorwürfen zu äußern. Ihr sei daher zusätzlich Gelegenheit gegeben worden, innerhalb von sieben Tagen zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Die Klägerin sei auch auf die Möglichkeit des Hinzuziehens eines Rechtsanwaltes hingewiesen worden und habe von dieser Möglichkeit im sich anschließenden Verfahren Gebraucht gemacht, als sich ihre jetzige Prozessbevollmächtigte für sie bestellt und um Einsicht in die Ermittlungsakte gebeten habe. Nach ständiger Rechtsprechung reiche es aus, wenn dem Arbeitnehmer im Rahmen der Anhörung die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts zugestanden werde. Danach gehöre auch der Zeitraum, währenddessen dem Arbeitnehmer nach einem Anhörungstermin eine Frist für eine Stellungnahme durch einen Rechtsanwalt gesetzt werde, zu der Anhörung mit der Folge, dass der Lauf der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB durch diese Stellungnahmefrist gehemmt werde. Die der Klägerin unstreitig eingeräumte Frist von sieben Tagen nach dem Anhörungstermin vom 24. März 2022 sei Bestandteil dieser Anhörung, womit der Klägerin die Gelegenheit eingeräumt worden sei, sich auch anwaltlich im laufenden Verfahren vertreten zu lassen. Abgesehen davon, dass es nicht notwendig gewesen sei, der Klägerin vor dem Gespräch vom 24. März 2022 dessen Gegenstand mitzuteilen, wäre ein solcher Hinweis geeignet gewesen, den Erfolg des laufenden Ermittlungsverfahrens gegen die Klägerin zu gefährden, indem diese etwa Beweismaterial vernichte oder beiseiteschaffe. Entscheidend sei, dass der Klägerin im Rahmen des Gesprächs vom 24. März 2022 ausreichend Zeit gelassen worden sei, um sich auf den Vorwurf einzurichten. Die Klägerin habe auch weder geäußert, sie fühle sich überrascht oder brauche etwas Zeit, noch habe sie um eine Unterbrechung gebeten. Einem solchen Wunsch wäre die Leitende Oberstaatsanwältin ohne weiteres nachgekommen, wenn die Klägerin diesen denn geäußert hätte. Bei der Gesprächsführung sei auf die Klägerin kein Druck ausgeübt worden, es sei auch nicht der Eindruck einer besonderen Eile erweckt worden. Im Gegenteil sei der Klägerin am Ende des Gesprächs ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt worden, innerhalb von sieben Tagen eine Stellungnahme abzugeben. Die Klägerin habe damit die Möglichkeit gehabt, sich zu den ihr gegenüber geäußerten und ihr dargelegten Vorwürfen nach anwaltlicher Beratung umfassend zu äußern, wovon sie jedoch keinen Gebrauch gemacht habe. Das Arbeitsgericht habe zutreffend erkannt, dass die Leitende Oberstaatsanwältin nicht voreingenommen bzw. fest entschlossen gewesen sei, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zu beenden, bevor der Anhörungstermin am 24. März 2022 durchgeführt worden sei. Soweit die Klägerin behaupte, die Leitende Oberstaatsanwältin habe ihr gegenüber erklärt, sie könne sich innerhalb der zum 31. März 2022 gesetzten Frist dahingehend äußern, ob sie bereit sei, einen Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen, anderenfalls werde die Kündigung ausgesprochen, sei dieser Vortrag falsch. Das Gespräch sei ergebnisoffen geführt worden. Der Klägerin sei die Möglichkeit eingeräumt worden, sich innerhalb der nächsten sieben Tage umfassend zu äußern und zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Gegenüber der Klägerin sei nur insoweit von der Möglichkeit eines Aufhebungsvertrags die Rede gewesen, als dass unter der Voraussetzung eines derartigen Vertrages der Klägerin ein neutrales Zeugnis erstellt und von dem Vorgang so nichts bekannt werden würde. Auf die Frage, ob während des Gesprächs der Begriff „Anhörung“ gefallen sei, komme es in rechtlicher Hinsicht nicht an. Es fehle jeglicher konkreter Vortrag dazu, wie bzw. wodurch die Leitende Oberstaasanwältin – wie tatsächlich nicht – erklärt haben solle, sie sei zum Ausspruch der Kündigung bereits fest entschlossen gewesen. Möglicherweise habe der Zeuge O. den Hinweis auf einen Aufhebungsvertrag missverstanden oder missgedeutet. Daraus ergebe sich jedoch nicht, dass die Leitende Oberstaatsanwältin zum Ausspruch der Kündigung fest entschlossen gewesen sei. Eine dahingehend zu verstehende Erklärung sei während des Gesprächs vom 24. März 2022 nicht abgegeben worden. Ein Bezug der einwöchigen Frist auf eine Erklärung über einen Aufhebungsvertrag sei ebenfalls nicht erfolgt. Auch die Personalratsanhörung sei ordnungsgemäß erfolgt. An die Mitteilungspflicht seien nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht dieselben Anforderungen zu stellen, wie an die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess. Bereits in dem vier Seiten umfassenden Anhörungsprotokoll vom 24. März 2022 sei deutlich dargelegt worden, welcher Sachverhalt der Klägerin vorgeworfen und worauf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gestützt werde. In dem im Entwurf beigefügten Kündigungsschreiben sei auf sieben Seiten noch ausführlicher im Einzelnen dargelegt worden, woraus der dringende Verdacht einer schweren Pflichtverletzung der Klägerin hergeleitet werde. Durch die ausführlichen Angaben und Schilderungen im Kündigungsschreiben und Protokoll vom 24. März 2022 habe es im Sinne der subjektiven Determination den Kündigungsgrund und den von ihm angenommenen Sachverhalt ausführlich und hinreichend dargelegt. Entgegen den Ausführungen der Klägerin sei es nicht Aufgabe des Personalrats, eigene Ermittlungen vorzunehmen, ob der Kündigungsgrund tatsächlich sachlich gegeben sei. Die Leitende Oberstaatsanwältin sei entgegen der Darstellung der Klägerin nicht verpflichtet gewesen, noch ergänzende Erläuterungen abzugeben oder gar Auszüge aus Ermittlungsakten und sonstige Beweismittel dem Personalrat vorzulegen. Für die Verdachtskündigung komme es nicht darauf an, welche konkreten Dienstgeheimnisse die Klägerin wem offenbart habe, sondern allein darauf, dass der dringende Verdacht bestanden habe, dass die Klägerin aufgrund von Einsicht in das Textsystem erlangte Dienstgeheimnisse an außenstehende Personen weitergegeben habe. Schließlich sei auch die Kündigungserklärungsfrist gemäß § 626 Abs. 2 BGB eingehalten. Ausgehend von dem am 7. April 2022 erfolgten Zugang des Kündigungsschreibens würden sämtliche kündigungsrelevanten Ereignisse ab dem 24. März 2022 innerhalb der Zweiwochenfrist liegen. Die Behauptung der Klägerin, die Anhörung am 24. März 2022 habe nicht mehr zur Sachverhaltsaufklärung gedient, sei unzutreffend. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts komme es allein darauf an, wann die zur Kündigung berechtigte Person Kenntnis von dem die Kündigung begründenden Sachverhalt erlangt habe. Die Leitende Oberstaatsanwältin habe erstmals am 17. März 2022 Kenntnis von dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft F. erhalten. Die vorherige Ermittlungsführung der Staatsanwaltschaft F. und deren Überlegung, wann wer über das Ermittlungsverfahren informiert werde, liege allein in deren Verantwortungsbereich, entziehe sich der Kenntnis der Leitenden Oberstaatsanwältin in E-Stadt und sei für die Entscheidung des Rechtsstreits unerheblich. Die angeführte Kollegin der Klägerin, Frau P., habe lediglich im Verdacht gestanden, unberechtigt auf das Textsystem zugegriffen, nicht aber Angaben aus Ermittlungsverfahren gegenüber außenstehenden Personen preisgegeben zu haben. Die Klägerin könne daher nicht einwenden, dass gegenüber der Kollegin P. anders vorgegangen worden sei als ihr gegenüber.
Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Q., O., L., M. und N.. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 18. April 2024 verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 b und c ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist insbesondere form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO).
Die Berufung der Klägerin hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Die außerordentliche Verdachtskündigung vom 6. April 2022 ist wirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit ihrem Zugang am 7. April 2022 fristlos beendet.
I. Die außerordentliche Kündigung vom 6. April 2022 ist als Verdachtskündigung aus wichtigem Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt.
1. Nach § 626 Abs. 1 BGB erfordert die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung, das Tatsachen vorliegen, die an sich geeignet sind, einen wichtigen Grund zu bilden (erste Stufe), und aufgrund derer dem Arbeitgeber bei umfassender Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann (2. Stufe).
Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Der Verdacht muss auf konkrete – vom Kündigenden ggf. zu beweisende – Tatsachen gestützt sein. Der Verdacht muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen dementsprechend zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus. Schließlich muss der Arbeitgeber alles ihm Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts getan, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben haben. Der Umfang der Nachforschungspflichten richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung der Pflichtverletzung, auf die sich der Verdacht bezieht, ist ihre strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend. Entscheidend sind der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch. Auch der dringende Verdacht einer nicht strafbaren, gleichwohl erheblichen Verletzung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten kann ein wichtiger Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB sein (BAG 24. Mai 2012 – 2 AZR 206/11 – Rn. 16 – 18).
2. Danach hat das Arbeitsgericht zu Recht angenommen, dass „an sich“ ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB vorliegt.
a) Nach § 3 Abs. 2 TV-L haben die Beschäftigen des beklagten Landes über Angelegenheiten, deren Geheimhaltung durch gesetzliche Vorschriften vorgesehen oder vom Arbeitgeber angeordnet sind, Verschwiegenheit zu wahren. Die schuldhafte Verletzung dieser Pflicht kann eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen. Nach § 37 Abs. 1 BeamtStG besteht die Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit. Diese Pflicht gehört zu den Hauptpflichten eines Beamten und dient sowohl dem öffentlichen Interesse, vor allem dem Schutz der dienstlichen Belange der Behörde, als auch dem Schutz des von Amtshandlungen betroffenen Bürgers. So liegt in der Verletzung des Amtsgeheimnisses ein schwerwiegender Treuebruch, der geeignet ist, die Vertrauenswürdigkeit eines Beamten in Frage zu stellen. Auch nicht beamtete Beschäftigte des beklagten Landes unterliegen der Verschwiegenheitspflicht und werden – wie die Klägerin – bei ihrer Einstellung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses auf die gewissenhafte Erfüllung dieser Obliegenheit förmlich verpflichtet (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 2. Juni 2016 – 5 Sa 354/15 – Rn. 50).
b) Das Arbeitsgericht hat ausgehend von diesen Grundsätzen zu Recht angenommen, dass der dringende Verdacht einer in diesem Sinne schwerwiegenden Pflichtverletzung vorliegt.
Die Klägerin hat unstreitig am 27. Januar 2021 Zugriff auf ein fachfremdes Ermittlungsverfahren genommen und die vom beklagten Land im Einzelnen aufgeführten Dokumente aufgerufen sowie gelesen. Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist von der Klägerin nicht nachvollziehbar vorgetragen worden, aus welchem Grund sie gerade Textdokumente des außerhalb ihrer Zuständigkeit liegenden Ermittlungsverfahrens 3300 Js 2037/21 zu einem Zeitpunkt gezielt aufgerufen und gelesen hat, zu dem in inkriminierten Chatprotokollen über diese Inhalte und deren Weitergabe an nicht berechtigte Personen durch eine Bedienstete der Staatsanwaltschaft E. kommuniziert wird. Gemäß den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung (zu II 1 d aa der Gründe = S. 23 bis 28 des Urteils), denen das Berufungsgericht folgt (§ 69 Abs. 2 ArbGG), liegt ein dringender Tatverdacht zur Rechtfertigung einer Verdachtskündigung vor. Auch im Berufungsverfahren hat die Klägerin keinen nachvollziehbaren Grund für den – in einem inhaltlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der gesicherten Chat-Kommunikation vom 27. Januar 2021 stehenden – Zugriff auf die Textdokumente des Ermittlungsverfahrens einer anderen Abteilung vorgetragen, sondern lediglich die Unwirksamkeit der Kündigung aus „formalen Gründen“ geltend gemacht. Soweit die Klägerin im Termin vom 27. September 2022 vor dem Arbeitsgericht darauf verwiesen hat, sie habe eine Beteiligung ihres Bruders überprüfen wollen, ist diese Einlassung der Klägerin gemäß den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts (zu II 1 d aa (3) der Gründe = S. 27 f. des Urteils), denen das Berufungsgericht folgt, nicht geeignet, den sich aus den im angefochtenen Urteil dargestellten Umständen ergebenden dringenden Verdacht zu entkräften.
c) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist auch ihre Anhörung als Wirksamkeitsvoraussetzung einer Verdachtskündigung ordnungsgemäß erfolgt.
aa) Die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist – anders als bei der sog. Tatkündigung – Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung. Das folgt aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Annahme, das für eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unabdingbare Vertrauen sei bereits aufgrund des Verdachts eines erheblichen Fehlverhaltens des Arbeitsnehmers zerstört, ist zumindest solange nicht gerechtfertigt, wie der Arbeitgeber die zumutbaren Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts nicht ergriffen hat. Dazu gehört es insbesondere, dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Verdachtsmomenten zu geben, um dessen Einlassungen bei der Entscheidungsfindung berücksichtigen zu können. Versäumt der Arbeitgeber dies, kann er sich im Prozess nicht auf den Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens berufen; die hierauf gestützte Kündigung ist unwirksam. Die Anhörung des Arbeitnehmers hat im Zuge der gebotenen Aufklärung des Sachverhalts zu erfolgen. Der erforderliche Umfang und damit auch ihre Ausgestaltung richten sich nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei ist ein objektiver Maßstab aus Sicht eines verständigen Arbeitnehmers zugrunde zu legen. Die Anhörung muss einerseits nicht in jeder Hinsicht den Anforderungen genügen, die an eine Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG gestellt werden. Andererseits reicht es nicht aus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer lediglich mit einer allgemein gehaltenen Wertung konfrontiert. Der Arbeitnehmer muss vielmehr erkennen können, zur Aufklärung welchen Sachverhalts ihm Gelegenheit gegeben werden soll. Er muss die Möglichkeit haben, bestimmte räumlich und zeitlich eingegrenzte Tatsachen ggf. zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen aufzuzeigen und so zur Aufhellung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden Geschehnisse beizutragen. Um dieser Aufklärung willen wird dem Arbeitgeber die Anhörung abverlangt (BAG 25. Apr. 2018 – 2 AZR 611/17 – Rn. 31 u. 32).
bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Anhörung der Klägerin vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß erfolgt.
(1) Die Klägerin ist in dem am 24. März 2022 durchgeführten Personalgespräch von der Behördenleiterin, der Zeugin Q., unstreitig mit dem Vorwurf konfrontiert worden, sie habe am 27. Januar 2021 im Textarchiv der Fachanwendung Zugriff auf ein fachfremdes, laufendes Ermittlungsverfahren (Az.: 3300 Js 2037/21) genommen, danach interne Informationen weitergegeben und damit das Dienstgeheimnis verletzt. Unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der zweitinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Berufungsgerichts (§ 286 ZPO) fest, dass der Klägerin gemäß der protokollierten Anhörung am 24. März 2022 mit der ihr eingeräumten Frist von sieben Tagen die Gelegenheit gegeben wurde, zu den Vorwürfen bzw. dem ihr mitgeteilten Verdacht – und nicht etwa nur zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags zur Vermeidung einer Kündigung – Stellung zu nehmen.
Die Zeugin Q., die als Leitende Oberstaatsanwältin die Behördenleiterin der Staatsanwaltschaft E ist, hat ausgesagt, sie habe die Anhörung anberaumt, um der Klägerin Gelegenheit zu geben, zu dem im Raum stehenden Verdacht eines Verstoßes gegen die Verschwiegenheitsverpflichtung Stellung zu nehmen. In dem Gespräch habe sie den Anlass und die Erkenntnisse in Anwesenheit des auf Wunsch der Klägerin hinzugezogenen Zeugen O. als Personalratsmitglied dargestellt. Insbesondere habe sie darauf hingewiesen, dass sie die Mitteilung der Staatsanwaltschaft F. erhalten habe, dass eine marokkanische Beschäftigte Informationen aus einem Ermittlungsverfahren weitergegeben habe. Der Zeuge O. habe nähere Informationen zu den Beweisergebnissen hinsichtlich der bei der Staatsanwaltschaft F. geführten Ermittlungsverfahren haben wollen. Sie habe darauf verwiesen, dass es hier um die arbeitsrechtlichen Verfehlungen gehe und nicht um die Beweisführung in den strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Sie habe der Klägerin konkret vorgehalten, wann sie jeweils Zugriff auf Dokumente in einem Ermittlungsverfahren einer anderen Abteilung genommen habe. Auf den Verweis der Klägerin, dass doch alle Zugriff auch auf andere Verfahren nehmen würden, habe sie erklärt, dass es nicht nur auf den Zugriff auf die Verfahren anderer Abteilungen gehe, sondern um die Weitergabe von Informationen aus diesen Verfahren. Die Klägerin habe sinngemäß erklärt, dass sie das nicht gemacht habe. Sie habe der Klägerin erklärt, dass es ihr freistehe, ob sie sich zur Sache äußern wolle, sie ggf. auch einen Rechtsanwalt hinzuziehen und auch entlastende Umstände vorbringen könne, weil es sich um einen schwerwiegenden Vorwurf handele, der ggf. auch zu ihrer Kündigung führen könne. Sie habe auch darauf verwiesen, dass es in ihrem Sinne sei, entlastende Umstände vorzubringen. Der Zeuge O. habe der Klägerin empfohlen, nichts zur Sache zu sagen. Sie hätten der Klägerin gesagt, dass sie sich nicht sogleich zur Sache äußern müsse, sondern ihr eine Frist von sieben Tagen eingeräumt würde, um sich zu dem Vorwurf zu äußern und sich ggf. einen Rechtsanwalt zu nehmen. Sie habe auf die Möglichkeit hingewiesen, ggf. mit einem Rechtsanwalt auch die Frage eines Aufhebungsvertrages und eines neutralen Zeugnisses zu besprechen. Die Frist von sieben Tagen habe sie der Klägerin eingeräumt, um entlastende Umstände zu den Vorwürfen vorbringen zu können und sich ggf. mit einem Rechtsanwalt zu besprechen. Der Aufhebungsvertrag sei für sie ein völlig unbedeutendes Nebenelement und eher ein fürsorglicher Ratschlag im Zusammenhang mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts gewesen. Sie habe mehrfach bei der Klägerin nachgefragt, ob sie alles verstanden habe. Die Klägerin habe aber weder nachgefragt noch irgendwie zum Ausdruck gebracht, dass sie etwas nicht verstanden habe. Sie gehe deshalb davon aus, dass der Klägerin klar gewesen sei, dass sie sich binnen der ihr gesetzten Frist von sieben Tagen zu den Vorwürfen äußern könne.
Die Zeugin L., die als Geschäftsleiterin bei der Staatsanwaltschaft E. die direkte Vorgesetzte der Klägerin war, hat bekundet, dass die Zeugin Q. damals auf sie zugekommen sei und erklärt habe, dass der Verdacht bestehe, dass Daten nach außen gelangt seien. Der Verdacht habe sich auf die Klägerin konzentriert, die damit habe konfrontiert werden sollen. Da es sich nur um einen Verdacht gehandelt habe, habe der Klägerin in dem Gespräch Gelegenheit gegeben werden sollen, sich hierzu zu äußern. In dem Gespräch sei es um die eigentliche Sachaufklärung gegangen bzw. was die Klägerin zu den Vorwürfen sage. An den genauen Wortlaut der einzelnen Äußerungen könne sie sich heute nicht mehr erinnern, aber es sei ja ein Protokoll von der Zeugin N. erstellt worden, die alles mitgeschrieben habe. Die Klägerin hätte ja auch Angaben machen können, die den Verdacht entkräftet hätten. Hierzu habe ihr die Gelegenheit gegeben werden sollen. Die Klägerin habe gesagt, dass sie sich nicht zur Sache äußern wolle, Sie glaube, sich daran zu erinnern, dass die Klägerin ausgesagt habe, dass sie keine Daten weitergegeben habe. Es habe sich um einen schlimmen Verdacht und eine schwierige Situation für die Klägerin gehandelt, die sich nicht weiter habe äußern wollen. Deshalb hätten sie der Klägerin mit der Frist von sieben Tagen die Gelegenheit geben wollen, sich zur Sache zu äußern und ggf. einen Anwalt zu konsultieren. Auf die Möglichkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes habe die Zeugin Q. sie ja hingewiesen. Es sei auch auf die Möglichkeit eines Aufhebungsvertrages hingewiesen worden. Den genauen Wortlaut könne sie heute nicht mehr sagen. Sie hätten die Klägerin mit dem Verdacht konfrontiert. Da sie ja vielleicht von der Situation etwas überrollt gewesen sei, hätten sie ihr die Frist eingeräumt, um sich ggf. zu dem Verdacht zu äußern. Sie habe das nie so wahrgenommen, dass sich die Frist auf den Abschluss eines Aufhebungsvertrages habe beziehen sollen. Vielmehr habe ja erst einmal nur ein Verdacht im Raum gestanden, zu dem sie sich innerhalb der Frist hätte äußern können.
Der Zeuge M., der als stellvertretender Leiter der Geschäftsleitung der Staatsanwaltschaft E. an dem Gespräch teilgenommen hat, hat bekundet, es sei darum gegangen, dass die Klägerin in ein nicht zu ihrer Abteilung gehörendes Verfahren Einsicht genommen habe und geklärt werden sollte, warum sie das gemacht habe. Es habe der Vorwurf bestanden, dass Informationen aus diesem Verfahren an andere weitergegeben worden seien. In dem Gespräch hätten sie keine Erkenntnisse gewinnen können, warum die Klägerin Einsicht in das Verfahren aus einer anderen Abteilung genommen habe. Seine Hoffnung sei ja gewesen, dass sich der Verdacht zerschlage und die Klägerin angeben könne, warum sie denn darin Einsicht genommen habe, z.B. weil ein Staatsanwalt sie damit betraut habe. Seiner Erinnerung nach habe die Klägerin gesagt, dass sie das nicht gemacht habe. Die Antwort der Klägerin sei aber unbefriedigend gewesen. Sie hätten die Klägerin ja relativ überfahren, man könne sich ja vorstellen, dass das für die Klägerin schwierig sei, wenn ihr mehrere Leute gegenübersitzen würden. Deshalb sei ihr eine Frist von einer Woche gesetzt worden, damit sie zu den Vorwürfen Stellung nehmen könne. Die Möglichkeit des Aufhebungsvertrages sei für den Fall angesprochen worden, dass der Vorwurf zutreffe. Die Frist habe sich aber nicht auf einen Aufhebungsvertrag bezogen. Der Fairness halber habe aufgrund des Vorwurfs ihr eine Frist zur Stellungnahme eingeräumt werden sollen. Vielleicht habe sie ja auch einen Rechtsanwalt hinzuziehen wollen. Gleich zu Beginn des Gesprächs sei die Klägerin darauf hingewiesen worden, dass sie ein Personalratsmitglied hinzuziehen könne. Er sei sich relativ sicher, dass die Zeugin Q. auch die Möglichkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts angesprochen habe, was auch im Protokoll vermerkt sein müsste.
Die Zeugin N., die zur Erstellung eines Protokolls über das Gespräch vom 24. März 2022 hinzugezogen worden war, hat ausgesagt, dass sie mit am Tisch gesessen und notiert habe, was gesagt worden sei. Sie habe das Gespräch fortlaufend notiert. Es könne sein, dass auch mal angesprochen worden sei, dass etwas ins Protokoll aufgenommen werden solle. Nach ihren handschriftlichen Notizen habe sie dann am PC das Protokoll erstellt und abgetippt, was sie sich notiert habe. Sie könne heute nicht mehr sagen, ob das von ihr erstellte Protokoll nochmals Korrektur gelesen worden sei. Zu dem ihr zur Einsicht vorgelegten Protokoll vom 24. März 2022 (Bl. 18 – 21 d.A.) hat die Zeugin erklärt, sie habe dieses Protokoll erstellt und dann unterzeichnet. In das Protokoll habe sie ihre handschriftlichen Notizen übernommen. Sie könne heute nicht mehr sagen, ob sie das Protokoll vor Unterzeichnung noch jemand anderem zur Einsicht bzw. Korrektur vorgelegt habe. Ihrer Erinnerung nach habe sie das Protokoll heruntergeschrieben und auch nicht mehr geändert. Wie im Protokoll vermerkt, habe sie das Protokoll am gleichen Tag fertiggestellt. Sie habe nur das notiert, was auch tatsächlich besprochen worden sei. Sie habe Kernaussagen und auch Stichworte handschriftlich notiert, anhand derer sie dann das Protokoll gefertigt habe. Das Gespräch habe sie selbst nicht unterbrochen und auch nicht gesagt, dass zur Protokollierung noch gewartet werden solle. Sie habe sich das Gespräch in Stichworten und teilweise auch in Sätzen so notiert, dass sie den Inhalt nachher habe wiedergeben können. Bei dem Gespräch habe sie erstmals ein Personalgespräch protokolliert, ansonsten sei sie nicht zur Protokollierung von Gesprächen hinzugezogen worden.
Nach den glaubhaften Angaben der Zeugen Q., L. und M. wurde das Anhörungsgespräch am 24. März 2022 durchgeführt, um der Klägerin Gelegenheit zu dem ihr eröffneten Vorwurf zu geben, insbesondere zu erklären, aus welchem Grund sie denn Zugriff auf Dokumente in einem Ermittlungsverfahren einer anderen Abteilung genommen hat, obwohl sie hiermit dienstlich nicht befasst war. Dabei haben die Zeugen Q., L. und M. in jeder Hinsicht plausibel und glaubhaft geschildert, dass der Klägerin mit der ihr eingeräumten Frist von sieben Tagen gerade die Gelegenheit gegeben werden sollte, sich zu dem ihr eröffneten Vorwurf zu äußern und ggf. entlastende Angaben zur Entkräftung des gegen sie erhobenen Vorwurfs machen zu können.
Die Aussage des Zeugen O. begründet keine durchgreifenden Zweifel an der glaubhaften Darstellung der Zeugen Q., L. und M.. Der Zeuge O., der als Justizobersekretär in der Geschäftsstelle beschäftigt ist und zum damaligen Zeitpunkt stellvertretender Vorsitzender des Personalrats war, hat ausgesagt, dass die Klägerin seine Kollegin gewesen sei, die mit ihm zusammen auf der Geschäftsstelle gearbeitet habe. An dem fraglichen Tag, dem 24. März 2022, hätten die Zeugen L. und M. die Klägerin gebeten mitzukommen, wonach er kurze Zeit später in das Büro der Leitenden Oberstaatsanwältin, der Zeugin Q., gerufen worden sei. Ihm sei da noch nicht bekannt gewesen, um was es gehe. In dem Gespräch sei ihnen eröffnet worden, dass es um ein ernstes Thema gehe und die Klägerin die Hinzuziehung eines Personalratsmitglieds erbeten habe. Es gebe ein Verfahren bei der Staatsanwaltschaft F., nach dem die Klägerin verdächtigt werde, Daten aus einem die Abteilung III betreffenden Verfahren aufgerufen zu haben. Er habe danach gefragt, was denn der Hintergrund des Verfahrens bei der Staatsanwaltschaft F. sei. Ihnen sei gesagt worden, dass es nicht um die Bestandteile des Ermittlungsverfahrens bei der Staatsanwaltschaft F. gehe, sondern sie hier wegen arbeitsrechtlicher Sachen sitzen würden. Es bestehe der Verdacht, dass Daten abgegriffen worden seien und dass eine Verdachtskündigung im Raum stehe. Es handele sich um einen schweren Pflichtverstoß und man werde nunmehr das Kündigungsverfahren vorantreiben. Er habe darauf verwiesen, dass dies eine Vorverurteilung sei. Frau L. habe gesagt, dass eine Verdachtskündigung ausgesprochen werden solle. Es sei ausreichend, dass der Verdacht im Raum stehe. Die Zeugin Q. habe erklärt, dass man die Verdachtskündigung vermeiden könne, wenn ein Aufhebungsvertrag geschlossen werde. Dies hätte zur Folge, dass ein neutrales Zeugnis ausgestellt werden könne und man im Guten auseinandergehe. Seiner Erinnerung nach habe er der Klägerin gesagt, dass sie sich zur Sache in dem Gespräch nicht äußern solle. Er habe nämlich den Eindruck gehabt, dass die Klägerin überfordert gewesen sei. Es sei der Klägerin eine Frist von sieben Tagen eingeräumt worden, um der Verdachtskündigung zu entgehen. Sein Eindruck sei gewesen, dass für die Klägerin nur die Wahl bestanden habe, ob sie einen Aufhebungsvertrag schließe oder die Verdachtskündigung ausgesprochen werde.
Der Zeuge O. hat mit seiner Aussage lediglich einen aus seiner subjektiven Sicht gewonnenen Eindruck zu schildern vermocht, der auf objektiv unzutreffenden Annahmen beruht und keine durchgreifenden Zweifel an der glaubhaften Darstellung der Zeugen Q., L. und M. begründet. Nach der Aussage des Zeugen O. wurde der Klägerin in dem Gespräch am 24. März 2022 eröffnet, dass der Verdacht bestehe, dass Daten abgegriffen worden seien und eine Verdachtskündigung im Raum stehe. Bereits die hierzu geäußerte subjektive Bewertung des Zeugen, dass dies eine „Vorverurteilung“ sei, ist objektiv unzutreffend. Vielmehr wurde die Klägerin in dem Gespräch ausdrücklich mit dem im Raum stehenden „Verdacht“ aufgrund des ihr vorgeworfenen Zugriffs auf Daten aus einem die Abteilung III betreffenden Ermittlungsverfahren – und nicht etwa mit einem bereits feststehenden Tatvorwurf – konfrontiert, zu dem sie sich erklären sollte. Weiterhin hat der Zeuge O. bekundet, dass der Klägerin eine Frist von sieben Tagen eingeräumt worden sei, um der Verdachtskündigung zu entgehen. Auch sein hierzu geäußerter subjektiver „Eindruck“, dass für die Klägerin nur die Wahl bestanden habe, ob sie einen Aufhebungsvertrag schließe oder die Verdachtskündigung ausgesprochen werde, ist – ebenso wie sein unzutreffender Ausgangspunkt einer „Vorverurteilung“ – objektiv nicht nachvollziehbar. Nichts spricht dafür, warum der Klägerin mit der ihr ausdrücklich eingeräumten Frist nicht die Möglichkeit eröffnet werden sollte, der Verdachtskündigung dadurch zu entgehen, dass sie Umstände zu ihrer Entlastung vorbringt, insbesondere ggf. eine plausible und nachvollziehbare Erklärung für den Zugriff auf die von ihr aufgerufenen Dokumente aus einem Ermittlungsverfahren einer anderen Abteilung liefert. Auch auf Nachfrage vermochte der Zeuge O. keine objektiv nachvollziehbare und plausible Erklärung für den von ihm gewonnenen „Eindruck“ zu schildern. Allein die angesprochene Möglichkeit eines Aufhebungsvertrags zur Vermeidung einer Verdachtskündigung lässt nicht erkennen, wieso sich allein darauf die eingeräumte Frist – entgegen den übereinstimmenden Angaben der Zeugen Q., L. und M. – bezogen haben soll. Hierzu hat der Zeuge O. lediglich darauf verwiesen, dass sich die Frist von sieben Tagen seinem „Empfinden nach“ auf die Möglichkeit eines Aufhebungsvertrags und nicht auf eine mögliche Entlastung bezogen habe. Was die Fragestellung im Einzelnen gewesen sei, könne er heute nicht mehr genau sagen. Er könne nur den von ihm gewonnenen Eindruck schildern. Selbst wenn die Klägerin nicht ausdrücklich aufgefordert worden sein sollte, entlastendes Vorbringen anzuführen, hätte sie sich ohne weiteres innerhalb der ihr gesetzten Frist von sieben Tagen zu dem Vorwurf bzw. Verdacht äußern können, mit dem sie in dem Gespräch am 24. März 2022 gerade konfrontiert worden ist, zumal auch nach der Aussage des Zeugen O. ausdrücklich auf den bestehenden Verdacht und eine deswegen beabsichtigte Verdachtskündigung hingewiesen worden war. Eine plausible und nachvollziehbare Erklärung für den von ihm – lediglich – gewonnenen „Eindruck“, dass ein Schuldiger bereits ausgemacht worden sei und die Klägerin entweder innerhalb der gesetzten Frist den Aufhebungsvertrag abschließen könne oder aber die Verdachtskündigung ausgesprochen werde, hat der Zeuge O. nicht abzugeben vermocht. Auch wenn ein möglicher Aufhebungsvertrag nach der Angabe des Zeugen dadurch „schmackhaft“ gemacht wurde, dass die Klägerin dann ein neutrales Zeugnis erhalte und der Vorfall in der Behörde nicht bekannt werde, ändert dies nichts daran, dass der Klägerin nach ihrer Konfrontation mit dem Verdacht ausdrücklich eine Frist von sieben Tagen eingeräumt wurde, innerhalb derer sie sich nicht nur zu der Frage des Abschlusses eines Aufhebungsvertrages, sondern auch und gerade zu dem gegen sie erhobenen Vorwurf bzw. dem bestehenden Verdacht hätte äußern können, um diesen zu entkräften.
Schließlich ist auch in dem von der Zeugin N. erstellten Protokoll der Anhörung vom 24. März 2022 ausdrücklich festgehalten, dass die Klägerin in Form dieses Gespräches über den Verdacht informiert wurde und nun dazu Stellung nehmen kann, wobei sie sich nicht direkt dazu äußern muss, sondern innerhalb von den nächsten sieben Tagen jederzeit Stellung nehmen kann. Das Protokoll vom 24. März 2022 ist nach der Aussage der Zeugin N. am gleichen Tag nach ihren handschriftlichen Notizen, die sie sich als hinzugezogene Protokollantin während des Gesprächs gemacht hat, fertiggestellt worden. Die Klägerin hat selbst erklärt, dass sie sich nach dem Gespräch vom 24. März 2022 kurze Zeit später an ihre Rechtsanwältin gewandt und auch das Protokoll des Gesprächs vom 24. März 2022 kurze Zeit später erhalten habe. Dementsprechend hätte ihr auch aufgrund des kurze Zeit später erhaltenen Protokolls vom 24. März 2022 klar sein müssen, dass sie sich innerhalb der ihr eingeräumten Frist zu den Vorwürfen bzw. dem Verdacht äußern kann. Der Zeuge O. hat nach seiner Aussage ebenfalls das Protokoll über das Anhörungsgespräch vom 24. März 2022 zeitnah erhalten und nicht beanstandet. Soweit er gleichwohl darauf verwiesen hat, dass sich nach seinem „Eindruck“ die Frist auf die Möglichkeit eines Aufhebungsvertrags bezogen habe, ist dieser „Eindruck“ ausweislich des Protokollinhalts objektiv unzutreffend.
Auch wenn man berücksichtigt, dass der Zeuge O. über das am 24. März 2022 geführte Gespräch noch am selben Tag zuhause ein (Gedächtnis-)Protokoll angefertigt und sich dieses zur Gedächtnisstütze anlässlich seiner Zeugenladung noch einmal angeschaut hat, ändert dies nichts daran, dass er gemäß den obigen Ausführungen – ungeachtet eines von ihm selbst erstellten Protokolls – lediglich einen von ihm gewonnenen subjektiven „Eindruck“ zu schildern vermocht hat, der objektiv weder plausibel noch nachvollziehbar ist und gemäß den obigen Ausführungen keine durchgreifenden Zweifel an der glaubhaften Darstellung der Zeugen Q., L. und M. begründet.
(2) Nach der vom Berufungsgericht gewonnen Überzeugung hat die Klägerin mit der ihr eingeräumten Frist von sieben Tagen ausreichend Gelegenheit erhalten, zu dem hinreichend konkretisierten Vorwurf und dem danach bestehenden Verdacht, mit dem sie im Anhörungsgespräch vom 24. März 2022 konfrontiert gewesen ist, Stellung zu nehmen und ggf. entlastende Umstände zur Entkräftung des Verdachts vorzubringen. Unerheblich ist, dass der Klägerin vor dem Anhörungsgespräch am 24. März 2022 nicht vorab der Gegenstand der Anhörung mitgeteilt worden ist. Vielmehr war der Klägerin jedenfalls aufgrund des am 24. März 2022 durchgeführten Anhörungsgesprächs der Gegenstand ihrer Anhörung bekannt, so dass sie innerhalb der ihr gesetzten Frist von einer Woche ausreichend Gelegenheit hatte, hierzu Stellung zu nehmen und auch ggf. einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Wie die Klägerin selbst erklärt hat, hat sie sich nach dem Gespräch vom 24. März 2022 auch kurze Zeit später an ihre jetzige Prozessbevollmächtigte gewandt.
Für die Ordnungsgemäßheit der Anhörung vor Ausspruch der Verdachtskündigung ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Klägerin im Anhörungsgespräch am 24. März 2022 in einlassungsfähiger Weise mit der ihr vorgeworfenen Verhaltensweise konfrontiert wurde und jedenfalls aufgrund der ihr hierzu eingeräumten Stellungnahmefrist von einer Woche ausreichende Gelegenheit erhalten hat, dazu Stellung zu nehmen und ggf. auch einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen. Zwar fehlt es an einer ordnungsgemäßen Anhörung, wenn dem Arbeitnehmer der – ob zutreffende oder unzutreffende – Eindruck vermittelt wird, er vermöge die Kündigung durch etwaige Erklärungen ohnehin nicht mehr abzuwenden (BAG 23. August 2018 – 2 AZR 133/18 – Rn. 48). Das war aber hier nicht der Fall. Insbesondere ist der Klägerin gemäß den obigen Ausführungen nicht in Aussicht gestellt worden, dass sie der Verdachtskündigung nur noch durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages entgehen und die Kündigung durch etwaige Erklärungen zu ihrer Entlastung ohnehin nicht mehr abwenden kann. Entgegen den Ausführungen der Klägerin lässt sich aus den im Nachgang zum Anhörungsgespräch aufgrund eines bereits vorliegenden Durchsuchungsbeschlusses durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen nichts anderes herleiten. Die Ermittlungsmaßnahmen, die nicht von der Staatsanwaltschaft E., sondern von der Staatsanwaltschaft F.als Ermittlungsbehörde durchgeführt worden sind, setzen ebenfalls lediglich einen entsprechenden Tatverdacht voraus und dienen der strafrechtlichen Ermittlung, ohne dass der Klägerin als Beschuldigte damit gezeigt wird, dass sie den Ausspruch der Kündigung durch etwaiges Entlastungsvorbringen ohnehin nicht mehr abwenden kann.
3. Bei Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falls kann dem beklagten Land eine weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist (sechs Wochen zum Schluss eines Kalendervierteljahres gemäß § 34 TV-L, d. h. bis zum 30. Juni 2022) nicht zugemutet werden.
Im Rahmen der Interessenabwägung sind zwar zugunsten der Klägerin die Dauer des zuvor seit dem 1. November 2017 störungsfrei verlaufenen Arbeitsverhältnisses, ihr Alter und ihre Unterhaltsverpflichtungen zu berücksichtigen. Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, bewirkt gleichwohl die schwerwiegende Pflichtverletzung, derer die Klägerin dringend verdächtig ist, den irreparablen Vertrauensverlust des beklagten Landes, der diesem jegliche weitere Zusammenarbeit mit ihr auch unter Berücksichtigung ihrer Interessen unzumutbar macht. Einer vorherigen Abmahnung bedurfte es nicht. Vorliegend besteht der dringende Verdacht einer besonders schwerwiegenden Pflichtverletzung, deren – auch nur erstmalige – Hinnahme durch das beklagte Land ganz offensichtlich ausgeschlossen ist. Der dringende Verdacht, dass die Klägerin unter Ausnutzung ihrer dienstlichen Stellung Informationen aus den von ihr aufgerufenen Dokumenten an Außenstehende unter Verletzung der ihr obliegenden Verschwiegenheitsverpflichtung weitergegeben hat, führt dazu, dass das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen in die Zuverlässigkeit und Redlichkeit der Klägerin zerstört ist. Deswegen ist dem beklagten Land eine Weiterbeschäftigung der Klägerin nicht einmal bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar.
Soweit die Klägerin darauf verwiesen hat, dass die von ihr angeführte Kollegin P. lediglich eine mündliche Ermahnung erhalten habe und deren Vertrag um ein Jahr verlängert worden sei, obwohl sie als Mitarbeiterin der Abteilung V auf Ermittlungsverfahren wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz zugegriffen habe, die von der fachfremden Abteilung III bearbeitet würden, verfängt auch dieser Einwand nicht. Eine Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes scheidet bei einer Tat- oder Verdachtskündigung weitgehend aus (BAG 7. Mai 2020 – 2 AZR 678/19 – Rn. 32). Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, sind die Fälle auch nicht vergleichbar, weil sich bei der Justizbeschäftigten P. im Gegensatz zur Klägerin keine entsprechenden Anhaltspunkte für eine Weitergabe von Dienstgeheimnissen ergeben haben. Insbesondere ist im Falle der Klägerin gemäß den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts (zum Vorliegen eines dringenden Tatverdachts) ein zeitlicher und inhaltlicher Bezug zwischen dem von der Klägerin am 27. Januar 2021 vorgenommenen Zugriff auf die fachfremde Akte und der dargestellten Chat-Kommunikation der angeführten Beschuldigten vom gleichen Tag gegeben.
II. Die Zweiwochenfrist gemäß § 626 Abs. 2 BGB ist gewahrt.
1. Nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann die fristlose Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt gemäß § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und hinreichend vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Auch grob fahrlässige Unkenntnis setzt die Frist nicht in Gang. Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände (BAG 1. Oktober 2020 – 2 AZR 238/20 – Rn. 13). Der Kündigungsberechtigte, der bislang nur Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB zu laufen begänne. Dies gilt allerdings nur solange, wie er aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchführt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts und der Beweismittel verschaffen sollen. Soll der Kündigungsgegner angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Sie darf im Allgemeinen nicht mehr als eine Woche betragen und nur bei Vorliegen besonderer Umstände überschritten werden. Sind die Ermittlungen abgeschlossen und hat der Kündigungsberechtigte eine hinreichende Kenntnis vom Kündigungssachverhalt, beginnt der Lauf der Ausschlussfrist. Unbeachtlich ist, ob die Ermittlungsmaßnahmen tatsächlich zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen haben oder überflüssig waren (BAG 11. Juni 2020 – 2 AZR 442/19 – Rn. 40).
2. Im Streitfall hat die kündigungsberechtigte Behördenleiterin der Staatsanwaltschaft E., die Zeugin Q., erst durch das Schreiben der Staatsanwaltschaft F. vom 17. März 2022 Kenntnis davon erlangt, dass gegen eine bislang noch unbekannte weibliche Beschäftigte ihrer Behörde der in Rede stehende Verdacht bestand. Erst daraufhin war die Identifizierung der Klägerin als einzige Mitarbeiterin marokkanischer Abstammung erfolgt, deren Zugriffe auf die Dateien die angefragten Ermittlungsakten überprüft und die Ergebnisse mit Schreiben vom 18. März 2022 an die Staatsanwaltschaft F. übermittelt worden. Das Personalgespräch zur Anhörung der Klägerin hat am 24. März 2022 und damit innerhalb der Regelfrist von einer Woche stattgefunden, ohne dass die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen begonnen hat. Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB mithin bereits gerechnet ab dem Tag des Anhörungsgesprächs vom 24. März 2022 eingehalten worden, weil die streitgegenständliche Kündigung der Klägerin danach zwei Wochen später am 7. April 2022 zugegangen ist.
Soweit die Klägerin angeführt hat, dass es nach der Abgabe des Verfahrens an die Generalstaatsanwaltschaft B-Stadt am 28. Januar 2022 zu keinen relevanten Ermittlungen mehr gekommen sei, so dass sich die Frage stelle, weshalb die Behördenleiterin in E-Stadt erst viele Wochen später am 17. März 2022 und nicht schon viel früher informiert worden sei, ist dies unerheblich. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Klägerin erst nach dem Schreiben der Staatsanwaltschaft F. vom 17. März 2022 durch die Behördenleiterin der Staatsanwaltschaft E. am 18. März 2022 überhaupt als Verdächtige identifiziert worden ist. Anhaltspunkte dafür, dass ein gegen die Klägerin gerichteter dringender Verdacht bereits vor dem 17./18. März 2022 bestanden haben könnte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Da selbst grob fahrlässige Unkenntnis die Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht in Gang setzt, vermag allein die angeführte Verzögerung bei den Ermittlungen weder eine Wissenszurechnung von Kenntnissen der Behörden in B-Stadt und F-Stadt noch eine unzulässige Rechtsausübung zu begründen. Anhaltspunkte dafür, dass von Seiten der Generalstaatsanwaltschaft B-Stadt als übergeordneter Behörde der Informationsfluss zielgerichtet bzw. in einer mit Treu und Glauben nicht zu vereinbarenden Weise behindert worden ist, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
III. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist auch der Personalrat vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß angehört worden.
1. Für die Mitteilungspflicht im personalvertretungsrechtlichen Anhörungsverfahren gelten die für die Anhörung nach § 102 BetrVG entwickelten Regeln. Danach ist der Grundsatz der sog. „subjektiven Determination“ maßgeblich, demzufolge der Betriebsrat immer dann ordnungsgemäß angehört worden ist, wenn der Arbeitgeber ihm die aus seiner Sicht tragenden Umstände unterbreitet hat. Der Arbeitgeber hat die von ihm für maßgeblich erachteten Kündigungsgründe bei der Anhörung so zu umschreiben, dass der Betriebsrat ohne weiteren zusätzlichen Nachforschungen die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe prüfen und sich über seine Stellungnahme schlüssig werden kann (BAG 27. März 2003 – 2 AZR 699/01 – Rn. 49).
2. Dem wird das Anhörungsschreiben des beklagten Landes vom 1. April 2022 aufgrund der Schilderung der von ihm für maßgeblich erachteten Kündigungsgründe in dem beigefügten Entwurf der Kündigung und dem ebenfalls beigefügten Anhörungsprotokoll vom 24. März 2022 gerecht.
Das beklagte Land hat dem Personalrat mit dem Anhörungsschreiben vom 1. April 2022 zu der beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung der Klägerin unter Angabe ihrer Sozialdaten angehört und zum Kündigungssachverhalt auf das beigefügte Anhörungsprotokoll vom 24. März 2022 sowie den ebenfalls beigefügten Entwurf der Kündigung verwiesen. Das Anhörungsschreiben hat der Personalrat ausweislich der Empfangsbestätigung am 1. April 2022 erhalten. In dem beigefügten Entwurf des Kündigungsschreibens ist der vom beklagten Land als ausschlaggebend angesehene Kündigungssachverhalt, insbesondere der zur Kündigung herangezogene Tatverdacht aufgrund der dargestellten Verdachtsmomente sowie das Ergebnis der durchgeführten Anhörung der Klägerin (unter Beifügung des Protokolls vom 24. März 2022), so detailliert mitgeteilt, dass sich der Personalrat hierüber ein eigenes Bild machen konnte. Soweit die Klägerin angeführt hat, dass das Arbeitsgericht im Verlaufe des erstinstanzlichen Verfahrens mehrfach Hinweise an das beklagte Land zur Ergänzung seines Vortrags erteilt habe und danach auch der Personalrat die etwaige Begründetheit einer Verdachtskündigung nicht habe sachgerecht beurteilen können, verkennt die Klägerin, dass die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers im Rahmen der Personalratsanhörung nicht so weit reicht wie seine Darlegungslast im Prozess. Der notwendige Inhalt der Unterrichtung richtet sich vielmehr nach Sinn und Zweck des Beteiligungsrechts. Dieser besteht darin, den Personalrat durch die Unterrichtung in die Lage zu versetzen, sachgerecht, d.h. ggf. zugunsten des Arbeitnehmers auf den Arbeitgeber einzuwirken. Der Personalrat soll die Stichhaltigkeit und Gewichtigkeit der Kündigungsgründe beurteilen und sich über sie eine eigene Meinung bilden können. Diesen Anforderungen wird das Anhörungsschreiben mit den beigefügten Anlagen vorliegend gerecht. Die Anhörung soll dem Personalrat hingegen nicht die selbständige – objektive – Überprüfung der rechtlichen Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung ermöglichen (vgl. BAG 7. Mai 2020 – 2 AZR 678/19 – Rn. 15). Insbesondere erfordert die Unterrichtung des Personalrats über die maßgeblichen Kündigungsgründe nicht die Vorlage von Beweismitteln oder einschlägiger Schriftstücke aus den Ermittlungsakten (vgl. BAG 20. März 1997 – 8 AZR 169/96 – Rn. 24; BAG 27. März 2003 – 2 AZR 699/01 – Rn. 52).
3. Bei der Anhörung des Personalrats vor einer außerordentlichen Kündigung hat dieser seine Bedenken unter Angabe der Gründe der Leiterin oder dem Leiter der Dienststelle unverzüglich, spätestens innerhalb von vier Werktagen, gemäß § 83 Abs. 4 LPersVG schriftlich mitzuteilen. Der Personalrat hat mit seinem Schreiben vom 5. April 2022 seine Stellungnahme zur außerordentlichen Kündigung mit den von ihm geäußerten Bedenken abgegeben. Nach dem am Freitag, den 1. April 2022, erfolgten Zugang des Anhörungsschreibens beim Personalrat ist die Äußerungsfrist von vier Werktagen am Mittwoch, den 6. April 2022, abgelaufen. Danach ist der Klägerin ausweislich der vorgelegten Zustellungsurkunde das Kündigungsschreiben am 7. April 2022 durch einen hierzu beauftragten Justizwachtmeister zugestellt worden. Die Personalratsanhörung ist mithin ordnungsgemäß erfolgt.
Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 1 ArbG) nicht vorliegen.