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Fristlose Verdachtskündigung – Verdachts der Unterschlagung eines Geldbetrags

LAG Rheinland-Pfalz – Az.: 7 Sa 42/14 – Urteil vom 18.09.2014

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 27. November 2013 – Az. 3 Ca 1096/13 – wird mit der Maßgabe kostenpflichtig zurückgewiesen, dass Ziffer 1 des Urteils wie folgt neu gefasst wird:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die mit Schreiben der Beklagten vom 3. Juni 2013 – zugegangen am gleichen Tag – ausgesprochene außerordentliche Kündigung nicht aufgelöst worden ist.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine von der Beklagten ausgesprochene außerordentliche Tat-, hilfsweise Verdachtskündigung und die Weiterbeschäftigung der Klägerin.

Fristlose Verdachtskündigung - Verdachts der Unterschlagung eines Geldbetrags
Symbolfoto: Von Milan1983 /Shutterstock.com

Die 1960 geborene, verheiratete und gegenüber einem Kind unterhaltspflichtige Klägerin ist seit dem 1. Januar 1999 bei der Beklagten, zuletzt als Bankangestellte im Servicebereich, beschäftigt. Bei der Beklagten sind mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt. Ein Betriebsrat ist gebildet. Dem Arbeitsverhältnis liegt ein schriftlicher Arbeitsvertrag, zuletzt in der Fassung gültig ab 6. September 2010 (Anlage K 1, Bl. 6 ff. d. A.), zugrunde. Auf das Arbeitsverhältnis finden im Übrigen die jeweils gültigen Tarifverträge für Kreditgenossenschaften Anwendung, insbesondere der Manteltarifvertrag für Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie die genossenschaftlichen Zentralbanken in der Fassung vom 31. Oktober 2012. Nach dessen § 17 Ziff. 3 sind Mitarbeiter, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und dem Betrieb mindestens zehn Jahre ununterbrochen angehören, nur noch bei Vorliegen eines wichtigen Grundes und bei Betriebsänderungen im Sinne des § 111 BetrVG kündbar. Die Klägerin erzielte zuletzt bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 19,5 Stunden ein Bruttomonatseinkommen in Höhe von circa 1.600,00 €.

Die Filiale Z-Stadt der Beklagten besteht aus einem Schalterraum, direkt daneben liegt ein so genanntes Teambüro, rückwärtig befinden sich ein Wartebereich, zwei Besprechungsräume, zwei WC und ein Sozialraum (Raumplan Anlage B 2, Bl. 82 d. A.). Der Schalterraum ist kameraüberwacht. Aufnahmen werden nur gefertigt, wenn Bewegungen erfolgen. Das Teambüro, in dem sich der Tagestresor befindet, wird teilweise von der Kameraüberwachung erfasst, wenn die Tür geöffnet ist. Eine (separate) Kameraüberwachung des Bereichs des Tagestresors existiert hier nicht. Es ist möglich, beispielsweise vom Teambüro in den Sozialraum oder in den Keller zu gelangen, ohne den kameraüberwachten Bereich durchqueren zu müssen. Im Sozialraum befindet sich ein ungesichertes Fenster.

Der Tagestresor besteht aus den Fächern 1 bis 7 (Fach 1 – Münzbrett, Fach 2 – Karten, Schlüssel, Fach 3 – Münzrollen, Fach 4 – Einzahlungen, Fach 5 – 25.000,00 € als Versicherungshöchstgrenze, Fach 6 – 10.000,00 € als Versicherungshöchstgrenze, Fach 7 – 2.500,00 € als Versicherungshöchstgrenze). Bei einer Zentralöffnung müssen alle Fächer in aufsteigender Reihenfolge geöffnet werden. Handlungen bei Bedienung des Tagestresors werden in einer so genannten Log-Datei mit Uhrzeit protokolliert, wobei auch das angewählte Fach erkennbar ist. Der Tagestresor kann nur über ein Computerprogramm und zusätzlich durch biometrische Identifikation mittels Fingerabdrucks von zwei Mitarbeitern geöffnet werden. Lediglich für die Öffnung des Faches 1 (Münzbrett) ist der Fingerabdruck eines Mitarbeiters ausreichend. Die Komplettöffnung des Tagestresors erfolgt nach der Eingabe der erforderlichen zwei Fingerabdrücke mit einer Zeitverzögerung von fünf Minuten. Bei der Entriegelung der Tresortüren erfolgt ein akustisches Signal. Im Keller befindet sich zusätzlich ein „Haupttresor“, in den abends der Inhalt des Tagestresors gebracht wird.

Seit einem Umbau im Jahr 2011 befindet sich in der Filiale Z-Stadt keine anonymisierte Kasse mehr. Die Kunden haben die Möglichkeit, den so genannten „Einzahler“ zu benutzen, das heißt ihr Geld im öffentlichen Bereich in eine Geldzählmaschine einzugeben. Daneben besteht die Möglichkeit, kleine Beträge, das heißt insbesondere Scheine in eine Art Briefkasten einzuwerfen. Weiter zahlen die Kunden mit größeren Bargeldbeträgen seit 2011 Bargeld mittels eines so genannten Safebags ein. Bei den Safebags (Photos Anlage BB 3, Bl. 337 ff. d. A.) handelt es sich um eine Art durchsichtiger Plastiktüte, die man nicht öffnen und anschließend wieder unbemerkbar verschließen kann. Sie werden üblicherweise aufgeschnitten, um das in ihnen verschlossene Geld zu entnehmen. Der Betrag, der vorher allein vom Kunden und nicht von einem Bankmitarbeiter kontrolliert oder gezählt wurde, wird von dem Kunden selbst auf einen Einzahlungsbeleg geschrieben. Dieser Beleg wird mit in den Safebag gelegt, der dann mittels eines Klebestreifens so verschlossen wird, dass er von den Bankmitarbeitern nicht mehr geöffnet werden kann, ohne den Safebag zu beschädigen. Der Safebag verbleibt in der Filiale und wird mit der nächsten Kurierpost in die Niederlassung der Beklagten nach A-Stadt verbracht, wo der Inhalt dann gezählt und die Gutschrift auf das Kundenkonto erfolgt. Üblicherweise kommt der Kurier einmal am Tag gegen circa 11.00 Uhr. Einzahlungen nach dieser Zeit werden in den Haupttresor verbracht und können dem Kurier erst am nächsten Tag mitgegeben werden.

Bei der Beklagten existiert eine Arbeitsanweisung „Sicherheitsmaßnahmen gemäß BGV“ (Anlage BB 4, Bl. 342 ff. d. A.). In dieser heißt es unter „4. Bearbeitung und Verwahrung von Banknoten“ auszugsweise:

„Banknoten dürfen in Schalterhallen nur gesichert verwahrt werden (Kassenbox, BBA, zeitverschlossene Behältnisse u. a.), dies gilt auch für „Registriergeld“.

(…)

In der Schalterhalle angenommene Banknoten müssen unverzüglich entsprechend gesichert werden (z. B. Zeitverschlussbehältnis).“

Im Übrigen wird auf den Inhalt dieser Anweisung Bezug genommen. Daneben besteht eine Arbeitsanweisung, die in Ziffer 4.2 Regelungen zu „Beschäftigtenbedienten Banknotenautomaten (BBA)“ (Anlage B 11, Bl. 113 d. A.) enthält. Auf deren Inhalt wird Bezug genommen.

In der Arbeitsanweisung „Einzahlung/Auszahlung/Geldwechsel/Zahlschein“ in der Fassung seit dem 20. März 2010 heißt es unter Ziffer 5.2.3. „Hinweise zum internen Geldverkehr“ auszugsweise:

„Die Hartgeldeinreichungen von Kunden unbearbeitet im Safebag an die Hauptkasse weitergeben. Die Gutschrift erfolgt wertmäßig auf das Kundenkonto.“

Wegen des Inhalts dieser Arbeitsanweisung im Einzelnen wird auf die Anlage BB 1, Bl. 324 ff. d. A., Bezug genommen.

In der Arbeitsanweisung „Betreuung der SB-Komponenten“, gültig seit dem 16. Oktober 2010, heißt es unter Ziffer 5.2.3 „GAA-Tresorbestückung“:

„Es sind die Regelungen lt. BGV Kassen zu beachten.

(…)

Nicht benötigte Gelder über den internen Kurier zur Hauptkasse weiterleiten. Noten per Ösentasche, Hartgeldsäcke bitte lose. Für die NL X.-/Y.-Stadt besteht die Möglichkeit, hohes Bargeldaufkommen sofort dem WTU mitzugeben. (…) Ab Anlieferung der neuen Safebags (spätestens zu Jahresende 2006) sind Abgaben von Noten nur noch in den Safebags möglich. (…)“.

Wegen des Inhalts dieser Arbeitsanweisung im Einzelnen wird auf die Anlage BB 2, Bl. 331 ff. d. A., Bezug genommen.

Schließlich enthalten die „BVG Unfallverhütungsvorschriften Kassen BGV C 9“, Stand Januar 2010 (Anlage BB 5, Bl. 363 ff. d. A.) in § 29 folgende Regelung:

„Versicherte dürfen in öffentlich zugänglichen Bereichen Banknoten nur unter Verwendung der in den §§ 11 bis 21 genannten Sicherungseinrichtungen bearbeiten oder verwahren. Angenommene Banknoten sind unverzüglich vor dem Zugriff Unbefugter zu sichern.“

In der Woche vom 29. April bis zum 3. Mai 2013 waren allein die Klägerin als einzige Servicekraft und der Mitarbeiter W. V. als Berater in der Filiale Z-Stadt eingesetzt. Die übrigen Mitarbeiter besuchten eine Fortbildung. Am Freitag, 3. Mai 2013 kam es in der Filiale Z-Stadt zu folgendem Vorgang:

Um 11.40 Uhr übergab die Tankstellenpächterin und Kundin U. T. der Klägerin am so genannten „Dialogpunkt 1“ zwei Safebags in einer Stofftasche und bat noch um die Auszahlung von Münzgeld. Nach den späteren Angaben der Zeugin T. befanden sich in den Safebags ihre Tageseinnahmen in Höhe von 21.405,55 € und 800,00 €. Die Klägerin ging mit der Stofftasche zum Tagestresor ins Teambüro. Dort entnahm sie mehrere Hartgeldrollen aus „Fach 1“ des Tagestresors und füllte sie in die Stofftasche. Anschließend übergab sie die Stofftasche am „Dialogpunkt 1“ an die Kundin T. In der Folgezeit bediente die Klägerin um 11:46 Uhr sowie um 11:56 Uhr weitere Kunden. Sie bat sodann Herrn V., seinen Fingerprint zur Öffnung des Tagestresors zu tätigen. Herr V. nahm den Fingerprint um 11:57 Uhr vor und verließ die Filiale um 11:58 Uhr zur Mittagspause. Die Filiale war von 12.00 bis 13.30 Uhr geschlossen. Während dieser Zeit befand sich die Klägerin allein in der Filiale. Sie schloss die Tür des Teambüros um 12.02 Uhr von innen. Herr V. kehrte um 13.31 Uhr aus der Mittagspause zurück. Um 14.21 Uhr betrat der Kurierfahrer der Beklagten, Herr S., den Schalterbereich. Er verließ die Filiale um 14.23 Uhr wieder. Hierbei hielt er lediglich einige Belege in der Hand. Am Nachmittag zog sich die Klägerin von 15.10 bis 15.12 Uhr in das Teambüro zurück, während Herr V. einen Kunden bediente. Nach Geschäftsschluss um 16.00 Uhr ging die Klägerin in das Teambüro und schloss die Tür um 16.02 Uhr. Zwischen 16.00 und 16.17 Uhr tätigte die Klägerin den Kassenabschluss und verbrachte den Inhalt des Tagestresors in den Kellertresor. Um 16.23 Uhr betrat sie den Schalterbereich mit einer Handtasche, einem Korb und zwei Kartons. Die Kartons stellte sie zunächst am so genannten „Servicepoint“ im Schalterraum ab. Sie verließ sodann den Schalterbereich um 16.25 Uhr mit ihrer Handtasche und dem Korb. Um 16.28 Uhr kehrte sie mit der Handtasche zurück, holte ihren vergessenen Autoschlüssel sowie die beiden Kartons und verließ den Schalterbereich zum zweiten Mal. Herr V. kam um 16.46 Uhr aus dem hinteren Bürobereich und verließ die Filiale um 16.47 Uhr. Er trug sein Jackett über dem Arm und diverse Zettel in der Hand.

Am Morgen des Montags, 6. Mai 2013 suchten die Eheleute R., Mitarbeiter der Firma Q., die mit der Reinigung der Filiale beauftragt ist, die Filiale auf und putzten dort von 5.15 Uhr bis 5.45 Uhr. Herr R. hatte beim Betreten einen Staubsauger in der Hand, Frau R. einen Mülleimer. Von 5.16 bis 5.36 Uhr zeichnete die Kamera keine Bilder auf. Erst um 5.36 Uhr erfolgte eine erneute Aufnahme, als im Teambüro ein Stuhl am Schreibtisch nach hinten geschoben wurde. Beim Gehen trug Herr R. einen Staubsauger, Frau R. einen kleinen Müllbeutel.

Am Mittwoch, 8. Mai 2013 monierte die Kundin Frau T. gegen Mittag, dass die eingezahlten Beträge nicht ihren Kundenkonten gutgeschrieben worden seien. Die Klägerin fertigte eine – am 10. Mai 2013 ergänzte – Aktennotiz (Anlage B 5, Bl. 93 d. A.). An diesem Tag nachmittags beauftragte die Beklagte die Innenrevision mit der Ermittlung des Sachverhalts. Die Revision wurde durchgeführt von dem Leiter der Revision P. N. und der Sachbearbeiterin in der Abteilung Revision M. L..

Nach dem Feiertag am 9. Mai 2013 wurden am 10. Mai 2013 die Buchungen überprüft, insbesondere hinsichtlich der Frage, ob eine Fehlbuchung auf ein anderes Kundenkonto erfolgt war. Eine Fehlbuchung konnte nicht festgestellt werden. Sodann wurde die Filiale durch den Bereichsleiter Privatkunden K. J., den für die Filiale Z-Stadt zuständigen Teamleiter I. H. und den Mitarbeiter W. V. nach den Safebags respektive dem Geld durchsucht, insbesondere Räume, Schränke, Schreibtische, Tresore, Kellerräume als auch Mülleimer inclusive Schredderabfall. Die Suche endete ergebnislos. Noch am selben Tag wurden die Klägerin und Herr V. von Herrn J. und Frau L. befragt. Die Klägerin erklärte, sie könne sich nicht daran erinnern, ob sie die Safebags in Fach 4 eingelegt und abends in den Haupttresor gebracht habe. Sie könne nicht ausschließen, die Safebags am Boden oder im „Mülleimer“ vergessen zu haben. Sie teilte mit, dass sie mittags „regelmäßig“ eine Kassenaufnahme tätige, so auch am 3. Mai 2013. Herr V. gab bei einer Befragung am selben Tag an, er habe sich am 3. Mai 2013 überwiegend im Beratungszimmer 2 aufgehalten. Er habe die Safebags weder auf dem Boden noch im Mülleimer bemerkt, weder um 11.57 Uhr noch im weiteren Tagesverlauf. Da er häufiger am Tag den Papierschredder, der sich neben dem Tagestresor befände, aufsuchen müsse, gehe er jedoch davon aus, dass ihm die Safebags – angesichts deren Größe – aufgefallen wären, wenn sich diese denn dort befunden hätten. Er habe jedenfalls keine Safebags an sich genommen. Er widersprach der Behauptung der Klägerin, wonach diese regelmäßig zur Mittagszeit Kassenaufnahmen durchgeführt habe. Die Klägerin fertigte noch an diesem Tag gemeinsam mit Herrn V. ein Gedächtnisprotokoll. Wegen des Inhalts dieses Protokolls wird auf die Anlage B 5 (Bl. 92 f. d. A.) Bezug genommen.

Vom 13. bis 16. Mai 2013 wurden die von der Organisationsabteilung der Revision zur Verfügung gestellten Kameraaufnahmen (Anlage B 12, Bl. 114 ff. d. A. und BB 6, Bl. 385 ff. d. A.) ausgewertet und der Kurier Herr S. befragt. Herr S. gab an, dass in der Filiale Z-Stadt der Empfang eines Safebags vom Kurier per Unterschrift bestätigt werde. Es komme allerdings auch vor, dass Safebags ohne Empfangsbestätigung übergeben würden. Dies geschehe, wenn „viel los sei“. Herr S. teilte Herrn N. mit, dass er die Safebags nicht entwendet habe. Bei einer Kassenaufnahme in A-Stadt und in der Filiale Z-Stadt konnten keine Differenzen festgestellt werden. Am 16. Mai 2013 wurden die Log-Dateien des Tagestresors vom 3. Mai 2013 (Anlage B 4, Bl. 84 ff. d. A.) ausgedruckt, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

Am 17. Mai 2013 fand ein erneutes Gespräch zwischen Herrn N., Frau L. und der Klägerin statt. Die Klägerin gab erneut an, keine Erinnerung zu haben und verwies mehrfach auf eine mögliche Täterschaft des Reinigungspersonals.

Am 22. Mai 2013 wurde Herr V., der am 16. Mai 2013 erkrankt und in der Zeit vom 17. bis 21. Mai 2013 in Urlaub war, erneut befragt.

Am 23. Mai 2013 lag der schriftliche Prüfungsbericht der Internen Revision dem Vorstand vor. Wegen des Inhalts des Revisionsberichts wird auf die Anlage B 7 (Bl.95 ff. d. A.) Bezug genommen. Unter dem 24. Mai 2013 gab Herr V. eine schriftliche Stellungnahme (Anlage B 6, Bl. 94 d. A.) ab.

Am 27. Mai 2013 fand ein erneutes Gespräch mit der Klägerin statt, an dem die Herren G., J. und N., die Klägerin, der Betriebsratsvorsitzende Herr F. sowie die Protokollführerin Frau E. teilnahmen.

Der Betriebsrat äußerte auf seine Anhörung mit Schreiben vom 28. Mai 2013 im Schreiben vom 29. Mai 2013 (Anlage K 3, Bl. 10 d. A.) Bedenken gegen die beabsichtigte außerordentliche fristlose Kündigung. Dieses Schreiben wurde der Beklagten am Freitag, 31. Mai 2013 übermittelt.

Mit Schreiben vom 3. Juni 2013 (Anlage K 2, Bl. 9 d. A.), der Klägerin am selben Tag zugegangen, sprach die Beklagte gegenüber der Klägerin eine außerordentliche fristlose Kündigung aus. In diesem Schreiben führt die Beklagte auszugsweise aus:

„Die Kündigung erfolgt aus wichtigem Grund nach § 626 BGB. Nach unseren Feststellungen erachten wir den Tatvorwurf der Unterschlagung für erwiesen und sprechen daher eine Tatkündigung aus. Hilfsweise kündigen wir wegen des dringenden Tatverdachtes der Unterschlagung.“

Die Eheleute R. wurden am 10. Juni 2013 befragt (Gesprächsprotokoll Anlage BB 17, Bl. 501 ff. d. A.).

Gegen die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung wandte sich die Klägerin mit ihrer am 11. Juni 2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage.

Am 5. Juli 2013 lag ein weiterer Prüfbericht der inneren Revision der Beklagten vor (Anlage BB 18, Bl. 503 ff. d. A.). Nach dem Gütetermin vor dem Arbeitsgericht erstattete die Beklagte Strafanzeige gegen die Klägerin, zwischenzeitlich hat das Amtsgericht A-Stadt die Anklage der Staatsanwaltschaft gegen die Klägerin wegen Untreue zugelassen und die Hauptverhandlung eröffnet.

Die Klägerin hat vorgetragen, vor Ausspruch der Kündigung sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden.

Die Kündigung sei ohne gesetzlichen Grund ausgesprochen worden. Abmahnungen lägen nicht vor. Sie habe auch niemals etwas unterschlagen.

Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht eingehalten. Der Sachverhalt als solcher habe am 14. Mai 2013 festgestanden.

Ein ordnungsgemäßes Anhörungsverfahren sei nicht durchgeführt worden.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die mit Schreiben der Beklagten vom 3. Juni 2013 – zugegangen am gleichen Tag – ausgesprochene außerordentliche Kündigung, hilfsweise ordentliche Kündigung, nicht aufgelöst ist; die Beklagte zu verurteilen, sie bis zur rechtskräftigen Entscheidung dieses Rechtsstreits zu den bisherigen Bedingungen als Bankangestellte/Servicemitarbeiterin weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, die Klägerin habe bereits ein Jahr zuvor, am 3. April 2012, eine Kassendifferenz in Höhe von 1.290,00 € zu verantworten gehabt. Aus diesem Grund sei sie mit Schreiben vom 17. April 2012 (Anlage B 1, Bl. 81 d. A.) ermahnt worden.

Sie war der Ansicht, nur die Klägerin komme als Täterin in Betracht. Das Vorbringen der Klägerin, sie könne sich an nichts mehr erinnern („Blackout“) sei nicht nachvollziehbar. Die Klägerin könne sich daran erinnern, den Tagestresor sowie das dort für Geldeinlagen maßgebliche Fach 4 geöffnet zu haben und am 3. Mai 2013 mittags einen Kassenabschluss durchgeführt zu haben. Lediglich das Verbringen zweier Safebags sei ihr komplett entfallen. Da die Filiale in der Zeit von 12.00 bis 13.30 Uhr geschlossen gewesen und die Klägerin in der Mittagspause gewesen sei, könne keine besondere Stresssituation bestanden haben. Die Klägerin könne auch nicht erklären, mit welchen anderen Aufgaben sie angeblich so beschäftigt gewesen sei. Ihre Behauptung, sie habe gegebenenfalls beide Safebags in den Mülleimer „gelegt“, könne nur als Schutzbehauptung gewertet werden. Die Eheleute R. hätten beim Verlassen der Bank keine entsprechenden Behältnisse mit sich geführt und seien nach den Kameraaufnahmen auch nicht in der Nähe des Tagestresors gewesen. Auch der Kollege V. habe beim Verlassen der Filiale keine Tasche oder sonstige Behältnisse dabei gehabt, die das Verbringen eines größeren Geldbetrages erlaubt hätten. Jedenfalls bestehe gegen die Klägerin zumindest der dringende Verdacht, die eingezahlten Beträge selbst vereinnahmt zu haben.

Sie war der Ansicht, die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB habe erst mit der Vorlage des Revisionsberichtes am 23. Mai 2013 begonnen. Am 14. Mai 2013 habe der Sachverhalt gerade noch nicht festgestanden. Insbesondere habe Herr V. erst am 22. Mai 2013 befragt werden können. Die Anhörung der Klägerin vom 27. Mai 2013 habe zur Sachverhaltsaufklärung gedient.

Die Klägerin hat erwidert, sie habe die Safebags nicht entwendet.

Sicherungsmöglichkeiten mit Ausnahme des Tagestresors gebe es nicht. Die Revision der Beklagten habe deutlich festgestellt, dass die interne Organisation der Beklagten insoweit eklatante Mängel aufweise. Des Weiteren werde empfohlen, die Videoüberwachung auch auf den Bereich des Tagestresors zu erstrecken, damit exakt nachvollzogen werden könne, wohin eingezahlte Safebags verbracht worden seien.

Wegen der Schulungsteilnahme der übrigen Mitarbeiter in der Woche vom 29. April bis 3. Mai 2013 habe sie sich in einer Stresssituation befunden, da von ihr in dieser Woche alleine die Arbeiten ausgeführt hätten werden müssen, welche ansonsten von mehreren Kollegen wahrgenommen würden. Dies seien folgende Tätigkeiten gewesen: Bedienen der Kunden am Serviceschalter, Kunden auf mögliche Umsatz-/Verkaufsmöglichkeiten von bankinternen Produkten ansprechen, Annahme aller Telefongespräche von Kunden und Rückfragen von Bankkollegen, mehrmals täglich den Briefkasten entleeren und Weiterleitung der Überweisungen an die Buchhaltung, bei Überweisungen über 2.000,00 € telefonische Befragung des Kunden, Bearbeiten von Kundenwünschen, Bearbeiten der gesamten E-Mail-Postfächer der Niederlassung und der Kollegen, tägliche Disposition und Dokumentation bei erhöhtem Arbeitsaufwand zum Monatsultimo, Bearbeitung der monatlichen Überziehungsliste mit Dokumentation, Bearbeitung und Dokumentation der Liste großer Geldeingänge, Bearbeitung von Terminvorlagen in der Niederlassung, Bearbeitung des täglichen Posteingangs und der hausinternen, von einem Kurier gebrachten Post, Bearbeitung der nicht erledigten Kundenanliegen, Überprüfung des Geldausgabeautomats und bei Bedarf Auffüllung der Bestände, Überprüfung des Geldeinzahl- und Auszahlautomaten und Einzelzahlbox entleeren, entnommene Beträge zählen und an die Hauptkasse weiterleiten, Begleitung der Kunden an die Kundentresore sowie die eigene und die To-Do-Liste der Niederlassung bearbeiten. Die besondere stressverursachende Situation sei noch dadurch verstärkt worden, dass sie diese Tätigkeiten immer wieder für Kundengespräche habe unterbrechen müssen.

Herr V. habe die üblicherweise vorgesehene Personaldecke schriftlich gegenüber der Beklagten als zu dünn moniert. Am 3. Mai 2013 habe sogar nur mit der Hälfte der üblichen Personaldecke gearbeitet werden müssen.

Die Entgegennahme eines Safebags sei für sie ein Routinevorgang, den sie neben ihren gesamten anderen Aufgaben zu erledigen habe, weshalb sie nicht mehr in der Lage sei zu eruieren, wo sie den Safebag nach Aushändigung durch Frau T. deponiert habe. Mangels irgendeiner Ablagemöglichkeit seien die Safebags von ihr entweder direkt vor den Tagestresor gelegt oder, wenn es sich wie hier um einen ersichtlich größeren Betrag handelte, in einen Behälter verbracht worden, welcher nicht sofort einsehbar sei, wie zum Beispiel der schon häufig von ihr genutzte Mülleimer.

Am 3. Mai 2013 habe sie sich um 12.02 Uhr ins Teamzimmer zurückgezogen, um die Arbeiten zu erledigen, zu welchen sie zuvor aufgrund der Hektik nicht gekommen sei. Des Weiteren habe sie zu diesem Zeitpunkt, wie seit Jahr und Tag regelmäßig, die Kassenaufnahme gemacht.

Sie war der Ansicht, da Herr V. keine Safebags vor dem Tagestresor aufgefallen seien, sei anzunehmen, dass sie diese, wie von ihr vermutet, zunächst in einem blicksicheren Gefäß, dem Mülleimer verwahrt habe, um sie dann in den Tagestresor einzulegen. Um 12.02 Uhr habe sie sich in Richtung des Tagestresors gebückt, so dass es durchaus sein könne, dass sie die Safebags in den Tagestresor verbracht habe. In diesem Fall wären die Safebags dann von ihr im Rahmen des Kassenabschlusses ab 16.00 Uhr in den Haupttresor verbracht worden und erst am nächsten Arbeitstag, dem 6. Mai 2013 dem Kurier, Herrn S., mitgegeben worden. Der Kurier führe kein Laufbuch. In der Hektik sei es auch schon vorgekommen, dass Herrn S. Safebags mitgegeben worden seien, die nicht notiert worden seien. Seien Herrn S. am 6. Mai 2013 oder später Safebags mitgegeben worden, für welche keine Notizen bestünden, könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Safebags nach der Aushändigung an Herrn S. verschwunden seien. Es bestehe auch die Möglichkeit einer Fehlbuchung. Sofern sie die Safebags im Teamzimmer, höchstwahrscheinlich im Mülleimer, vergessen haben sollte und nicht in den Tagestresor eingelegt habe, führe dies ebenfalls nicht zu dem Schluss, dass sie die Safebags entwendet habe. Aufgrund der Räumlichkeiten sei es jederzeit möglich, außerhalb des Schalterraums in das Teamzimmer zu gelangen. Der Hof sei durch ein Rollgitter „gesichert“, das jedoch niemals verschlossen gewesen sei. Da Herr V. von 16.28 bis 16.47 Uhr allein in der Filiale gewesen sei, habe auch er die Gelegenheit und Möglichkeit gehabt, die Safebags zu entwenden. Diese hätten auch ohne weiteres unter einem über den Arm gelegten Jackett geführt werden können. Schließlich hätte eine bewusste oder unbewusste Handlung des Reinigungspersonals zum Verschwinden der Safebags führen können. Dieses habe die Filiale am 6. Mai 2013 bereits nach 30 Minuten wieder verlassen, obwohl es für 2 Stunden bezahlt würde und in 30 Minuten kaum Reinigungsarbeiten hätten durchgeführt werden könnten. Kameraaufnahmen von den Reinigungsarbeiten selbst seien nicht vorhanden, was insbesondere verwundere, da die Mülleimer geleert worden seien. Um 5.36 Uhr habe sich jemand im Teamzimmer befunden. Das Reinigungspersonal der Firma Q. sei nicht unbedingt vertrauenswürdig. Es sei am 20. Juli 2011 bereits zu einem Diebstahl eines Ledergürtels durch Mitarbeiter dieser Firma gekommen.

Sie selbst habe regelmäßig eine Handtasche oder einen Korb mitgeführt. In dem Korb habe sich am 3. Mai 2013 lediglich ihre Brotbox befunden. Die beiden Kartons seien leer gewesen. Sie habe diese für ein Projekt ihres Sohnes benötigt. Es hätte für sie nicht der geringste Grund bestanden, Gelder der Beklagten zu entwenden. Sie habe keine Schulden und ihr Mann habe zu diesem Zeitpunkt ein Guthaben in Höhe von ca. 70.000,00 € auf einem Konto der Beklagten gehabt.

Hinsichtlich der Kassendifferenz, die Gegenstand der Ermahnung vom 3. April 2012 gewesen sei, handele es sich um eine Teamdifferenz, wegen der alle Teammitglieder eine Ermahnung erhalten hätten.

Im Übrigen sei ihr bislang nicht einmal bekannt gewesen, wie die Kamera überhaupt funktioniere. Sie sei davon ausgegangen, dass diese in der Lage sei, das Teamzimmer insgesamt aufzunehmen.

Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die mit Schreiben der Beklagten vom 3. Juni 2013 – zugegangen am gleichen Tage – ausgesprochene außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung nicht aufgelöst worden ist. Weiter hat es die Beklagte verurteilt, die Klägerin bis zur rechtskräftigen Entscheidung dieses Rechtsstreits zu den bisherigen Bedingungen als Bankangestellte/Servicemitarbeiterin weiter zu beschäftigen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht – zusammengefasst – ausgeführt, die ausgesprochene außerordentliche Kündigung sei unwirksam, da sie nicht aus wichtigem Grund erfolgt sei. Die von der Beklagten dargelegten Umstände reichten nicht für eine Tatkündigung wegen Unterschlagung aus. Bei den Untersuchungen seien auch andere Möglichkeiten aufgetaucht, wie die Safebags verschwunden sein könnten. Auch für eine Verdachtskündigung seien die dargelegten Umstände nicht ausreichend. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein (Bl. 220 ff. d. A.) Bezug genommen.

Das genannte Urteil ist der Beklagten am 30. Dezember 2013 zugestellt worden. Sie hat hiergegen mit einem am 20. Januar 2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 27. Februar 2014 am gleichen Tag begründet.

Zur Begründung der Berufung macht die Beklagte nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 250 ff. d. A.), zusammengefasst geltend, nach allgemeiner Lebenserfahrung sprächen alle Umstände für eine Tatbegehung durch die Klägerin. Auffallend sei, dass die Klägerin nach Annahme des Beutels der Kundin T. zwar ins Teambüro gegangen sei, sich jedoch sofort weiter in das Teambüro hinein nach links bewegt habe, sich also gerade vom Tagestresor mit Münzfach entfernt habe. Die Klägerin habe gewusst, dass vom Teambüro selbst keine Kameraaufnahmen gefertigt würden.

Dem Kurierfahrer der Beklagten, Herrn S., hätten die Safebags bei seinem Filialbesuch am 3. Mai 2013 in der Zeit von 14.21 bis 14.23 Uhr ohne Weiteres mitgegeben werden können, was im Übrigen auch nach der Geschäftspraxis üblich gewesen wäre. Am Montag, den 6. Mai 2013 habe der Kurierfahrer S. keine Safebags entgegengenommen. Er habe sich an diesem Tag nur für knapp 1,5 Minuten in der Filiale befunden. In dieser Zeitspanne habe das Tresorfach nicht geöffnet werden können und sei auch nicht geöffnet worden. Am 7. Mai 2013 habe der Zeuge S. aus der Filiale Z-Stadt zwei (an diesem Tag dort eingereichte) Safebags mit zu ihrer Hauptfiliale genommen und deren Empfang bestätigt. Auch am Mittwoch, 8. Mai 2013 habe der Zeuge S. aus der Filiale Z-Stadt sechs an diesem Tag dort eingereichte Safebags mit zu ihrer Hauptfiliale genommen. Auch dieser Vorgang sei gleichermaßen dokumentiert.

Die Klägerin sei nach der Mittagspause mehrfach in das Teambüro gegangen, zweimal habe sie länger am neben dem Tagestresor befindlichen Aktenschredder gestanden. Die räumlichen Verhältnisse um den Tagestresor seien so eng gestaltet, dass die Safebags von ihr nicht zu übersehen gewesen wären. Der Zeuge V. habe angegeben, er habe die Safebags sehen müssen, da er mehrmals am Tag zum Schredder neben der Verschlussmöglichkeit gehe. Er habe mit diesen Angaben zunächst die Tatsache bestätigt, dass die Safebags vom Schredder aus zu sehen gewesen wären. Auf den Kameraaufnahmen sei jedoch kein einziges Mal zu sehen, dass Herr V. nach der Mittagspause zum Schredder gegangen sei. Erschwerend komme hinzu, dass die Klägerin mehrfach die Tür zum Teambüro geschlossen habe.

Der Zeuge V. habe das Geld nicht an sich genommen. Er sei nach den Kameraaufnahmen nicht in den Bereich des Tagestresors gelangt und nach den Aufnahmen gebe es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass er das Geld aus der Filiale der Beklagten verbracht habe. Auf den Kameraaufnahmen sei zu erkennen, dass das Reinigungspersonal die Safebags nicht an sich genommen habe. Wegen der Größe der Safebags hätten diese nicht im transparenten Müllbeutel oder im Staubsauger aus der Filiale transportiert werden können. Dass die Safebags in den Müll gelangt seien, sei höchst unwahrscheinlich.

Ihrem Vorstand falle kein Organisationsverschulden zur Last. Sie stelle den Mitarbeitern in der Niederlassung Z-Stadt Verschlussmöglichkeiten zur Verfügung. Zum einen gäbe es ein mit „Geheimschalter“ zu öffnendes Sicherheitsfach im Schrank neben dem Servicepoint der Klägerin (Photoaufnahmen Anlage BB 19, Bl. 507 ff. d. A.). Außerdem bestehe die Möglichkeit, den Rollschrank unter dem Schreibtisch zum Verschließen von Geld zu nutzen (Photoaufnahme Anlage BB 20, Bl. 510 d. A.). Auch der direkt neben dem Tagestresor befindliche Schrank sei abschließbar und habe der Klägerin zur Sicherung der beiden Safebags zur Verfügung gestanden (Kameraaufnahme Anlage BB 21, Bl. 511 d. A.).

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 19. Dezember 2013, Az. 3 Ca 1096/13 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 12. Mai 2014, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 557 ff. d. A.), als rechtlich zutreffend.

Die Arbeitsanweisungen „Einzahlung/Auszahlung/Geldwechsel/Zahlschein“, „Betreuung der SB-Komponenten“ und „Sicherheitsmaßnahmen gem. BGV-Kassen“ sowie die „BGV Unfallverhütungsvorschriften Kassen BGV C 9“ träfen den vorliegenden Fall nicht. Die Beklagte habe es auch versäumt, ihr Möglichkeiten zur Verfügung zu stellen, irgendwelche angenommenen Safebags zu sichern. Der Betriebsrat sei über die Arbeitsanweisungen bzw. Unfallverhütungsvorschriften nicht informiert und hierzu nicht angehört worden.

Das Sicherheitsfach neben ihrem Servicepoint, der Rollschrank unter ihrem Schreibtisch im Teamzimmer und der neben dem Tagestresor befindliche Schrank seien keine Möglichkeiten für eine sichere Verwahrung von Safebags. Das Sicherheitsfach neben dem Servicepoint öffne sich mit einem lauten „Klack“-Geräusch. Der Schalter sei in keiner Weise geschützt und befinde sich im frei zugänglichen Bereich. Im Rollschrank befänden sich üblicherweise persönliche Dinge des jeweiligen Mitarbeiters. Der neben dem Tagestresor befindliche Schrank sei mit Ordnern befüllt. Auch über diese angeblichen Sicherungsmöglichkeiten sei der Betriebsrat nicht informiert bzw. angehört worden.

Nach der Entgegennahme der Safebags habe sie sich im Teamzimmer zunächst nach links bewegen müssen, um am Computer die Öffnung des Faches 1 des Tagestresors zur Entnahme des von der Kundin benötigten Münzgeldes zu aktivieren.

Sie sei davon ausgegangen, dass das Teambüro durch die Kamera abgedeckt werde. Ihr sei nicht bekannt gewesen, dass diese lediglich Einzelbilder liefere und diese auch nur im Falle einer Bewegung bzw. dass Aufnahmen durch die geschlossene Glastür hindurch nicht möglich seien. Die Tür zum Teambüro schließe sie regelmäßig, wenn sie dort etwas zu tun habe, um ungestört ihre Arbeit machen zu können und den sensiblen Bereich des Teambüros vor dem Kundenverkehr zu schützen. Dies werde im Übrigen von sämtlichen Mitarbeitern der Beklagten so gehandhabt.

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der Sitzungen vom 6. Juni 2014 und 18. September 2014 (Bl. 589 ff., 602 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.

B.

In der Sache hatte die Berufung der Beklagten keinen Erfolg. Wie das Arbeitsgericht zu Recht erkannt hat, ist das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die außerordentliche Tatkündigung noch durch die hilfsweise erklärte außerordentliche Verdachtskündigung der Beklagten vom 3. Juni 2013 aufgelöst worden. Lediglich klarstellend war der Tenor des arbeitsgerichtlichen Urteils zu korrigieren, soweit in ihm die Unwirksamkeit einer – von der Beklagten unstreitig nicht ausgesprochenen – hilfsweisen ordentlichen Kündigung festgestellt wurde. Im Einzelnen:

Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist nicht durch die außerordentliche Tatkündigung der Beklagten vom 3. Juni 2013 aufgelöst worden. Die außerordentliche Tatkündigung ist unwirksam. Es fehlt an einem wichtigen Grund im Sinn von § 626 Abs. 1 BGB.

Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Das Gesetz kennt folglich keine „absoluten“ Kündigungsgründe. Vielmehr ist jeder Einzelfall gesondert zu beurteilen. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, das heißt typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BAG, Urteil vom 10. Juni 2010 – 2 AZR 541/09 – NZA 2010, 1227, 1229 m. w. N.).

Eine Unterschlagung eines Geldbetrages durch den Arbeitnehmer kommt auf der ersten Stufe als wichtiger Grund im Sinn des § 626 Abs. 1 BGB in Betracht. Rechtswidrige und vorsätzliche Handlungen des Arbeitnehmers, die sich unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers richten, können ein solcher wichtiger Grund sein (vgl. BAG, Urteil vom 10. Juni 2010 – 2 AZR 541/09 – NZA 2010, 1227, 1229 Rz. 25). Dies gilt insbesondere, wenn es sich um einen nicht unerheblichen Geldbetrag handelt und der Arbeitnehmer mit der Betreuung dieses Geldes betraut ist. Nicht entscheidend ist, ob das Verhalten des Arbeitnehmers Straftatbestände erfüllt. Denn entscheidend ist nicht die strafrechtliche Würdigung, sondern der mit der Vertragsverletzung, dem Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten verbundene Vertrauensbruch. Auch eine nicht strafbare, gleichwohl erhebliche Verletzung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten kann deshalb ein wichtiger Grund im Sinn von § 626 Abs. 1 BGB sein. Das gilt insbesondere in Fällen, in denen die Pflichtverletzung mit einem vorsätzlichen Verstoß gegen eine den unmittelbaren Vermögensinteressen des Arbeitgebers dienende Weisung einhergeht.

Es steht jedoch nicht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Klägerin zwei Safebags entwendet hat. Zwar hat die Klägerin die beiden Safebags von der Kundin T. entgegengenommen. Der Verbleib dieser Safebags kann jedoch nicht mehr geklärt werden. Insbesondere kann nach Auffassung der Kammer daraus, dass der Klägerin nicht mehr erinnerlich ist, ob sie die Safebags am Mittag in den Tagestresor gelegt hat, und dass sie als Einzige beim Verlassen der Bankfiliale am Freitagabend einen Korb und Kartons mit sich geführt hat, geschlussfolgert werden, dass sie die verschwundenen Safebags unberechtigt mitgenommen hat. Vielmehr kommen neben der Klägerin weitere Personen in Betracht, die auf die Safebags bis zu deren Verwahrung im Tagestresor bzw. nach einer Entnahme aus dem Tresor zum Transport in die Filiale A-Stadt unbeobachtet Zugriff hatten und die die Safebags entwendet haben könnten. Die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte hat nicht dargelegt und bewiesen, dass die Klägerin die Safebags entwendet hat.

Daraus, dass die Klägerin keine Angaben dazu machen kann, wohin sie die Safebags zu welchem Zeitpunkt verbracht hat, insbesondere ob sie diese am 3. Mai 2013 nach 12.02 Uhr in den Tagestresor eingelegt hat, ergibt sich nicht, dass die Klägerin die Safebags bewusst außerhalb des Tagestresors deponiert hat, um sie zu einem späteren Zeitpunkt zu entwenden. Der Vortrag der Klägerin, sie habe die Safebags möglicherweise beispielsweise im Papierkorb deponiert und sie dort „vergessen“, ist nach Auffassung der Kammer nicht lediglich als Schutzbehauptung anzusehen.

Auch wenn eine Aufbewahrung von Safebags in einem Papierkorb und ihr „Vergessen“ bereits nach einer Zeitspanne von weniger als einer halben Stunde ungewöhnlich erscheint, ist ein solcher Geschehensablauf unter Berücksichtigung der konkreten Umstände im vorliegenden Fall denkbar:

In der Bankfiliale in Z-Stadt befindet sich seit einem Umbau keine Kasse mehr, die Entgegennahme von Safebags ist in Filialen ohne Kasse nicht ausdrücklich vorgesehen. Da die verbliebenen Einzahlungsmöglichkeiten mittels so genanntem „Einzahler“, das heißt durch die Eingabe des Bargeldes durch die Kunden im öffentlichen Bereich in eine Geldzählmaschine, oder mittels Einwurf von kleineren Beträgen in eine Art „Briefkasten“ von den Kunden mit größeren Bargeldeinzahlungen abgelehnt wurden, wurde diesen Kunden seit dem Jahr 2011 die Einzahlung von größeren Geldbeträgen mittels Safebags ermöglicht. Bestimmungen, wie mit entgegengenommenen Safebags im Einzelnen zu verfahren ist, sind nicht gegeben. Die von der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit vorgelegten Anweisungen regeln den Fall der Entgegennahme von Safebags in Filialen ohne (anonymisierte) Kasse nicht ausdrücklich:

Die Arbeitsanweisung „Einzahlung/Auszahlung/Geldwechsel/Zahlschein“ in der Fassung seit dem 20. März 2010 regelt den Fall der Bargeldeinzahlung in der Sonderform durch Safebags nicht. Sie enthält ausweislich ihrer Überschrift in Ziffer 5.2.3. „Hinweise zum internen Geldverkehr“, also gerade keine Hinweise zu Einzahlungen durch Kunden. Nach dem Wortlaut des Abs. 3 der Ziffer 5.2.3 der Regelung selbst („Die Hartgeldeinreichungen von Kunden unbearbeitet im Safebag an die Hauptkasse weitergeben. Die Gutschrift erfolgt wertmäßig auf das Kundenkonto.“) betrifft diese lediglich „Hartgeldeinreichungen von Kunden“. Auch aus dem systematischen Zusammenhang wird deutlich, dass hiermit gerade nicht „alle Geldflüsse“ oder „Bargeld“ gemeint sind. Im vorliegenden Fall wurde jedoch kein Hartgeld, sondern Scheingeld in Safebags eingereicht. Nicht geregelt ist in der Arbeitsanweisung „Einzahlung/Auszahlung/Geldwechsel/Zahlschein“, wie bis zur Weitergabe an die Hauptkasse vorzugehen ist.

Die Arbeitsanweisung „Sicherheitsmaßnahmen gem. BGV-Kassen“ will die Maßnahmen und Anforderungen der BGV C 9 UVV Kassen umsetzen. Sie findet auf den „gesamten Kassenverkehr im Haus“ (Ziff. 3) Anwendung. Zielsetzung der BG-Vorschrift „Kassen“ ist die Verringerung des Anreizes zu Überfällen (Ziff. 5.1), nicht jedoch der Schutz vor dem sonstigen Verlust von Bargeld oder strafbaren Handlungen von Bankmitarbeitern. Da sich in der Filiale Z-Stadt seit dem Umbau im Jahr 2011 keine (anonymisierte) Kasse mehr befindet, findet diese Regelung keine unmittelbare Anwendung auf den vorliegenden Fall.

Die Arbeitsanweisung „Betreuung der SB-Komponenten“ betrifft nach ihrer Zielsetzung/ihrem Zweck die „Regelung der bei der Betreibung der SB-Geräte anfallenden Aufgaben und Verantwortlichkeiten“. Sie regelt gerade nicht die Bargeldeinreichung von Kunden mittels Safebags. Die Arbeitsanweisung verweist zum einen auf die Regelungen lt. BGV Kassen und betrifft die Weiterleitung nicht benötigter Gelder über den internen Kurier zur Hauptkasse. Aber auch insoweit ist lediglich die Weitergabe der nicht benötigten Gelder geregelt, nicht jedoch wie mit von Kunden entgegengenommenen Safebags bis zu ihrer Sicherung im Tagestresor zu verfahren ist.

Die „BGV Unfallverhütungsvorschriften Kassen BGV C 9“ enthalten in ihrem § 29 zwar die Regelung, dass angenommene Banknoten unverzüglich vor dem Zugriff Unbefugter zu sichern sind.“ Die Unfallverhütungsvorschriften richten sich jedoch in erster Linie an den „Unternehmer“, also an die Beklagte. Lediglich die Bestimmungen des Abschnittes IV (§§ 24 ff.) richten sich – soweit nichts anderes bestimmt ist – an Unternehmer und Versicherte. Dabei haben die Versicherten die Bestimmungen dieser Unfallverhütungsvorschriften „zum Abbau des Anreizes zu Überfällen und damit zu ihrem Schutze“ einzuhalten sowie die Sicherungseinrichtungen bestimmungsgemäß zu benutzen sowie die vom Unternehmer festgelegten Betriebsanweisungen nach § 25 einzuhalten (§ 26).

Wegen des Zwei-Fingerprint-Verfahrens und der zeitverzögerten Öffnung des Tagestresors ist ein sofortiges Verbringen der Safebags dort hinein nicht möglich. Dies gilt insbesondere zu Zeiten, in denen nur eine Servicemitarbeiterin und ein Berater in der Bank anwesend sind. In diesem Fall kann ein Öffnen des Safes nur – und auch dann nur mit Zeitverzögerung von fünf Minuten – erfolgen, wenn die beiden anwesenden Bankmitarbeiter gerade keinen Kundenkontakt haben. Eine konkrete Anweisung, wo und wie die Safebags bis zur Öffnung des Tagestresors deponiert werden sollen, existiert nicht. Die von der Beklagten im Rechtsstreit angeführten Verwahrungsorte, nämlich das Sicherheitsfach neben dem Servicepoint der Klägerin, der Rollschrank unter dem Schreibtisch der Klägerin im Teamzimmer und der neben dem Tagestresor befindliche Schrank eignen sich alle nicht einschränkungslos für die Aufbewahrung von Safebags:

Sowohl bei dem Geheimfach als auch bei dem Rollschrank und dem Schrank handelt es sich um keine Behältnisse, die den Anforderungen an eine Kassenbox, einen BBA (beschäftigtenbedienten Bankautomaten) oder ein zeitverschlossenes Behältnis u. a. entsprechen. Konkrete Vorgaben, welchen der genannten Aufbewahrungsorte die Klägerin konkret wählen sollte, hat die Beklagte der Klägerin nicht gegeben. Das Geheimfach befindet sich im öffentlich zugänglichen Schalterbereich. Aus Ziffer 4 Abs. 5 der „Sicherheitsmaßnahmen gem. BGV Kassen“ ergibt sich, dass das Geheimfach damit nicht als geeigneter Aufbewahrungsort für Safebags anzusehen ist. Denn „größere Ein- und Auszahlungen sollen ‚außerhalb‘ der Schalterhalle z. B. in der Diskretkasse, in einem Besprechungszimmer oder in einer gegen Einblick von außen abgeschirmten Besprechungsecke abgewickelt werden. Diese Vorgehensweise verdeutlicht, dass in der Schalterhalle lediglich kleine Bargeldmengen verfügbar sind“. Dem widerspricht eine Aufbewahrung von Safebags mit größeren Bargeldmengen in einem Geheimfach im öffentlich zugänglichen Bereich. Nach Ziffer 4.1 dürfen „griffbereite Banknotenbestände“ 10.000,00 € nicht überschreiten, wenn der Kassiererarbeitsplatz nur durchbruchhemmend abgetrennt ist und zwei bis drei Mitarbeiter ständig anwesend sind“. Das Geheimfach befindet sich jedoch weder an einem Kassiererarbeitsplatz noch ist der Arbeitsplatz der Klägerin durchbruchhemmend abgetrennt. Der Betrag, der sich in den beiden Safebags befand, lag außerdem – nach den Angaben der Kundin T. – bei 21.405,55 € und 800,00 € und damit über dem für einen durchbruchhemmend abgetrennten Kassiererarbeitsplatz zulässigen Betrag. Dass der Rollcontainer unter dem Schreibtisch der Klägerin nicht als Aufbewahrungsort für Safebags in Frage kam, wird am Vortrag der Beklagten deutlich, die Klägerin habe sich auffallend verhalten, indem sie sich zunächst mit den Safebags vom Tagestresor nach links entfernt habe. Dies wäre jedoch auch der Weg gewesen, den die Klägerin zum Verbringen der Safebags in ihren Rollcontainer hätte zurücklegen müssen. Auch wird der Klägerin gerade vorgeworfen, sie habe die Safebags zunächst „versteckt“, um sie bei Dienstschluss mit nach Hause zu nehmen.

Im Vergleich zum ungeschützten Abstellen der Safebags unmittelbar vor dem Tresor – und damit bei geöffneter Tür vom Schalterbereich aus unter Umständen sichtbar – oder vor dem – vor Blicken von außen nur durch Lamellen geschützt – Fenster kommt das Deponieren der Safebags im sichtgeschützten Papierkorb durchaus in Betracht.

Entgegen der Auffassung der Beklagten spricht nicht gegen die Klägerin, dass diese sich, nachdem sie die Safebags entgegengenommen hatte, mit diesen im Teambüro zunächst nach links bewegte. Da die Zeugin T. Bargeld mitnehmen wollte, musste die Klägerin am auf dem Schreibtisch stehenden Computer das Öffnen des Faches 1 des Tresors aktivieren. Nur so war es ihr möglich, dieses Fach zu öffnen und Bargeld für die Kundin zu entnehmen.

Nach Auffassung der Kammer widerspricht es auch nicht jeglicher Lebenserfahrung, dass zwei Safebags außerhalb des Tresors „vergessen“ werden. Das gilt auch dann, wenn ein Zeitraum von weniger als 30 Minuten zwischen der Entgegennahme der Safebags und dem Öffnen des Tagestresors liegt. Zu berücksichtigen ist im vorliegenden Fall insoweit, dass die Klägerin nicht nur zum Verwahren der Safebags in das Teambüro ging, sondern gleichzeitig auch das Fach 1 des Tresors öffnen und Münzgeld entnehmen musste. Die Klägerin hat außerdem zwischen der Entgegennahme der Safebags und dem Öffnen des Tagestresors noch zwei weitere Kunden bedient hat. Zu bedenken ist außerdem, dass die Filiale an diesem Freitag, wie auch schon an den Tagen zuvor, nur mit der Klägerin und einem weiteren Mitarbeiter besetzt war, da sich die übrigen Filialmitarbeiter/innen auf einer Schulung befanden. Hierdurch fielen für die Klägerin eine Vielzahl zusätzlicher Aufgaben an. Auch wenn es – nach der Darstellung der Beklagten – an diesem Tag keinen überdurchschnittlich hohen Kundenandrang gegeben haben sollte, hatte die Klägerin diese Kunden allein zu bedienen und daneben ihre übrigen sowie die Aufgaben der abwesenden Kollegen zu erledigen.

Die Entgegennahme von Safebags war in der Bankfiliale auch nicht so ungewöhnlich, dass ihr Verbringen in den Tresor keinesfalls vergessen werden konnte. So wurden beispielsweise an den Kurierfahrer am darauffolgenden Dienstag in der Filiale Z-Stadt zwei Safebags und am darauffolgenden Mittwoch sechs Safebags übergeben. Die Zeugin T. hat wöchentlich Safebags hereingereicht. Die Safebags hätten der Klägerin auch nicht deshalb unbedingt in Erinnerung bleiben müssen, weil in ihnen ungewöhnlich viel Geld enthalten gewesen wäre. Der Inhalt der Safebags wurde von der Klägerin gerade nicht gezählt, allein aus der Dicke der entgegengenommenen Safebags kann nicht auf den Wert ihres Inhalts geschlossen werden.

Die Klägerin oder Herr V. hätten die möglicherweise im Papierkorb „vergessenen“ Safebags dort auch nicht zwingend bemerken müssen. Zwar hat der Zeuge V. bei seiner Befragung durch Mitarbeiter der Beklagten am 10. Mai 2013 angegeben, er habe die Safebags weder auf dem Boden noch im Mülleimer bemerkt, weder um 11.57 Uhr noch im weiteren Tagesverlauf. Er gehe, da er häufiger am Tag den Papierschredder, der sich neben dem Tagestresor befände, aufsuchen müsse, davon aus, dass ihm die Safebags – angesichts deren Größe – aufgefallen wären, wenn sich diese denn dort befunden hätten. Das setzt jedoch voraus, dass der Zeuge V. wie auch die Klägerin beim Schreddern des Papiers in Richtung Boden bzw. in den blickdichten Papierkorb hätte blicken müssen. Daraus, dass der Zeuge V. die Safebags auch um 11.57 Uhr nicht gesehen haben will, kann vielmehr gefolgert werden, dass er bei der Abgabe seines Fingerprints nicht nach unten gesehen hat oder sich die Safebags zu diesem Zeitpunkt in einem blickdichten Behältnis befanden. Das kann der Papierkorb, kann aber auch ein sonstiges Behältnis gewesen sein.

Die Klägerin hätte auch nicht durch das – auch akustisch bemerkbare – Öffnen des Tresors zwingend an die Safebags erinnert werden müssen. Schließlich musste das Öffnen aller Fächer nicht ausschließlich wegen des Einlegens von Safebags, sondern konnte beispielsweise auch – wie von der Klägerin angegeben – wegen der Vornahme eines Kassenabschlusses vorgenommen werden. So waren ausweislich der Logdateien vom 3. Mai 2013 das Fach 1 zwei Minuten, das Fach 2 zwei Sekunden, das Fach 3 drei Sekunden, das Fach 4 eine Minute, das Fach 5 neunundzwanzig Sekunden, das Fach 6 eine Minute 75 Sekunden und das Fach 7 dreiundfünfzig Sekunden offen, bevor sie jeweils geschlossen wurden. Die Klägerin hat anscheinend Tätigkeiten nicht nur am Fach 4, sondern auch an den Fächern 1, 5, 6 und 7 vorgenommen, während die Fächer 2 und 3 nur zwei bzw. drei Sekunden offen waren. Dass die Klägerin während ihrer Arbeit im Teambüro die Tür am Nachmittag mehrfach schloss, ist nach Auffassung der Kammer nicht ungewöhnlich.

Verblieben die Safebags jedoch versehentlich außerhalb des Tagestresors hatten neben der Klägerin auch ihr Kollege Herr V. sowie das Reinigungspersonal Zugriff auf die Safebags.

Herr V. und die Eheleute R. scheiden auch nicht bereits deshalb als Täter aus, weil sie auf den Kameraaufzeichnungen von Freitag, den 3. Mai 2013 bzw. Montag, den 6. Mai 2013 beim Verlassen der Bankfiliale keine großen Gepäckstücke mit sich geführt haben. Da in den Bankräumlichkeiten erst am folgenden Freitag, 10. Mai 2013, nach den verschwundenen Safebags gesucht wurde, können diese auch zu einem späteren Zeitpunkt aus der Bankfiliale entfernt worden sein, nachdem sie zuvor innerhalb der Filiale verborgen wurden. Das Arbeitsgericht hat bereits darauf hingewiesen, dass es auch möglich gewesen wäre, dass das Reinigungspersonal die Safebags etwa im Staubsauger aus der Filiale entwendet habe. Soweit sich die Beklagte hiergegen unter Hinweis auf die Maße der Safebags wendet, berücksichtigt sie nicht, dass die Safebags mit einer einfachen, in jedem Büro befindlichen Schere geöffnet werden können und üblicherweise aufgeschnitten werden. Die Safebags sichern den in ihm enthaltenen Geldbetrag nur gegen teilweises Entwenden, es ist nicht möglich, sie zu öffnen und unerkennbar wieder zu verschließen. Eine Sicherung gegen die vollständige Entnahme und Entwendung des Geldes stellen die Safebags jedoch nicht dar. Das Reinigungspersonal oder der Kollege der Klägerin hätten daher einen oder beide Safebags öffnen und das Geld entnehmen und das Geld sowie den leeren Safebag anderweitig verpacken und verstauen können. Da die Teamräume nicht kameraüberwacht sind, hätte dies dort unbeobachtet geschehen können. Sowohl Herr V. als auch das Ehepaar R. befanden sich teilweise allein in den Teamräumen. Schließlich bestand die Möglichkeit, die Safebags unbeobachtet auf anderem Weg als durch den kameraüberwachten Bereich aus der Bankfiliale zu entfernen, so beispielsweise durch das nicht alarmgesicherte Fenster im Sozialraum, in den man vom Teambüro aus gelangen konnte, ohne den kameraüberwachten Bereich zu durchqueren.

Allein daraus, dass die Klägerin neben einer Handtasche einen Korb und zwei Kartons mit aus der Filiale nahm, ergibt sich nicht, dass sie in einem von diesen Behältnissen die beiden Safebags transportiert hat. Die Handtasche der Klägerin war beim Verlassen der Bank nicht ungewöhnlich ausgebeult. Der Korb der Klägerin war ausweislich der Kameraaufnahmen nicht verschlossen, die Kameraaufnahme schaut teilweise in den Korb hinein. Die beiden Kartons hielt die Klägerin locker in der Hand (vgl. Kameraaufnahme von 16:23:40 Uhr, Bl. 416 d. A., und von 16:28:15 Uhr, Bl. 424 d. A.), also nicht so als ob sich in ihnen – nach dem Vortrag der Beklagten schwere – Safebags befunden hätten. Außerdem hat die Klägerin zunächst die Kartons in den Filialräumlichkeiten zurückgelassen. Dann hat sie ihren Korb am Auto abgestellt und dort unbeaufsichtigt zurückgelassen – beides nach Auffassung der Kammer eine Verhaltensweise, die dagegen spricht, dass sich die Safebags in dem Korb oder den Kartons befanden. Schließlich war der Klägerin bekannt, dass der Schalterraum kameraüberwacht ist. Sie musste damit rechnen, dass das Verschwinden der Safebags bemerkt werden würde und dass sie sodann in Verdacht geraten würde, diese entwendet zu haben. Sie musste weiter davon ausgehen, dass die Kameraaufnahmen zur Klärung des Verlustes der Safebags ausgewertet werden würden und dass auf diesen zu sehen sein würde, dass sie große Behältnisse mit sich geführt hat, in die die Safebags hineinpassen würden. Es ist nicht nachvollziehbar, wieso die Klägerin sich diesen Verdachtsmomenten ausgesetzt haben sollte, da es für sie auch andere Möglichkeiten gegeben hätte, die Safebags auf anderem Weg oder zu einem früheren (Mittagspause) oder späteren Zeitpunkt aus der Filiale zu entfernen.

Die Eheleute R. befanden sich nur 30 Minuten statt der beauftragten zwei Stunden in der Filiale. Herr oder Frau R. hielten sich in dieser Zeit auch im Teamraum auf und lösten durch eine Erschütterung eine Kameraaufnahme aus. Da normalerweise bei geschlossener Tür zum Teambüro keine Kameraaufnahmen von diesem gemacht werden, kann aus dem Fehlen von Kameraaufnahmen nach Auffassung der Kammer nicht geschlossen werden, dass sich niemand zum Papierkorb bewegte. Vielmehr hat Frau R. beim Verlassen der Bankfiliale einen kleinen Abfallbeutel getragen, was darauf hindeutet, dass die Papierkörbe in der Niederlassung zumindest zum Teil geleert wurden.

Damit kommen bereits in der Alternative, dass die Safebags von der Klägerin nicht in den Tagestresor eingelegt wurden, weitere Täter in Betracht. Es kann daher offen bleiben, ob auch in dem Fall, dass die Klägerin die Safebags zunächst ordnungsgemäß im Tagestresor verschlossen hätte, zu einem späteren Zeitpunkt weitere Personen – etwa bei einem gegebenenfalls nicht quittierten Transport der Safebags oder bei der Entnahme und Verbuchung des in den Safebags befindlichen Geldes in der Filiale A-Stadt – die Möglichkeit hatten, die Safebags mit Inhalt zu entwenden.

Auch die Revision der Beklagten ist zu folgendem Fazit gekommen: „Eingrenzung auf die möglichen, beteiligten Personen: – S.: unwahrscheinlich, dass er die Safebags transportiert hat; – C.: Kenntnisse und Gelegenheiten vorhanden; – V.: Kenntnisse und Gelegenheiten geringer, aber vorhanden; Reinigungspersonal: Möglichkeit besteht, wenn Safebags unbemerkt vor dem TT verblieben sind; – T.: lt. Aussagen C. u. Kamera wurden Safebags abgegeben und der Tasche entnommen; – Müll: Größe u. Gewicht der Safebags machen eine versehentliche Entsorgung in der Außenmülltonne unwahrscheinlich“.

Die Entwendung der Safebags durch die Klägerin steht daher nach Auffassung der Kammer nicht fest, ein wichtiger Grund im Sinn des § 626 Abs. 1 BGB für eine Tatkündigung ist nicht gegeben. Auf die Verletzung der arbeitsvertraglichen Sorgfaltspflicht im Umgang mit den Safebags hat die Beklagte ihre Kündigung gerade nicht gestützt und zur Kündigung wegen einer solchen Pflichtverletzung auch den Betriebsrat nicht angehört. Insoweit heißt es in der schriftlichen Anhörung des Betriebsrats vom 28. Mai 2013 auf S. 3 (Bl. 107 d. A.) ausdrücklich: „Wir beabsichtigen nunmehr, Frau C. außerordentlich fristlos wegen der aus unserer Sicht erwiesenen Unterschlagung, hilfsweise wegen des dringenden Tatverdachtes der Unterschlagung fristlos zu kündigen.“

Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist auch nicht durch die von der Beklagten hilfsweise ausgesprochene Verdachtskündigung beendet worden.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 21. November 2013 – 2 AZR 797/11 – zitiert nach juris, Rz. 16 m. w. N. )sind als wichtiger Grund im Sinn des § 626 Abs. 1 BGB „an sich“ geeignet nicht nur erhebliche Pflichtverletzungen im Sinne von nachgewiesenen Taten. Auch der dringende, auf objektive Tatsachen gestützte Verdacht einer Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar, der in dem Tatvorwurf nicht enthalten ist (BAG, Urteil vom 10. Juni 2010 – 2 AZR 541/09 – NZA 2010, 1227, 1229 Rz. 23; Urteil vom 29. November 2007 – 2 AZR 724/06 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40 Rz. 28 f., jeweils m. w. N.).

Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen und die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen bei einem verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zu zerstören. Der Arbeitgeber muss alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben haben (ständige Rechtsprechung; BAG, Urteil vom 25. Oktober 2012 – 2 AZR 700/11 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 51 Rz. 13; BAG, Urteil vom 24. Mai 2012 – 2 AZR 206/11 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 50 Rz. 16; Urteil vom 29. November 2007 – 2 AZR 724/06 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40 Rz. 30; Urteil vom 28. November 2007 – 5 AZR 952/06 – NZA-RR 2008, 344, 345 f. Rz. 18, jeweils m. w. N.). Dabei sind an die Darlegung und Qualität der schwerwiegenden Verdachtsmomente besonders strenge Anforderungen zu stellen, weil bei einer Verdachtskündigung immer die Gefahr besteht, dass ein „Unschuldiger“ betroffen ist (BAG, Urteil vom 29. November 2007 – 2 AZR 724/06 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40 Rz. 30, m. w. N.). Der notwendige, schwerwiegende Verdacht muss auf konkrete – vom Kündigenden darzulegende und gegebenenfalls zu beweisende – Tatsachen gestützt sein. Der Verdacht muss ferner dringend sein. Es muss eine große, zumindest überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft (ständige Rechtsprechung, BAG, Urteil vom 25. Oktober 2012 – 2 AZR 700/11 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 51 Rz. 14; BAG, Urteil vom 24. Mai 2012 – 2 AZR 206/11 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 50 Rz. 17; Urteil vom 29. November 2007 – 2 AZR 724/06 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40 Rz. 30, jeweils m. w. N.). Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen dementsprechend zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus (ständige Rechtsprechung, BAG, Urteil vom 25. Oktober 2012 – 2 AZR 700/11 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 51 Rz. 14; Urteil vom 29. November 2007 – 2 AZR 724/06 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40 Rz. 30, jeweils m. w. N.). Umgekehrt kann allein aus dem Umstand, dass die Tat nicht nachgewiesen ist, nicht entnommen werden, dass keine hinreichenden Anhaltspunkte für den dringenden Verdacht bestehen (BAG, Urteil vom 10. Februar 2005 – 2 AZR 189/04 – NZA 2005, 1056, 1058). Schließlich muss der Arbeitgeber alles ihm Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts getan, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben haben. Möglichen Fehlerquellen muss er nachgehen. Der Umfang der Nachforschungspflichten richtet sich dabei nach den Umständen des Einzelfalls (BAG, Urteil vom 24. Mai 2012 – 2 AZR 206/11 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 50 Rz. 17; Urteil vom 29. November 2007 – 2 AZR 724/06 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40 Rz. 30, jeweils m. w. N.).

Unter Berücksichtigung dieses Maßstabes ist davon auszugehen, dass im vorliegenden Fall kein sich auf objektive Tatsachen und Verdachtsmomente gründender dringender Tatverdacht für die Annahme besteht, die Klägerin habe eine strafbare Handlung begangen.

Die Beklagte hat die ausgesprochene außerordentliche Kündigung hilfsweise ausdrücklich auf den Verdacht einer strafbaren Handlung, nämlich einer Unterschlagung durch die Klägerin gestützt. Der dringende Verdacht einer schwerwiegenden strafbaren Handlung, nämlich der Unterschlagung von Safebags mit Bargeld in der Höhe von über 20.000,00 € ist ein an sich geeigneter wichtiger Grund für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung (vgl. BAG, Urteil vom 5. 4. 2001 – 2 AZR 217/00 – NZA 2001, 837, 838).

Die Beklagte hat die Klägerin auch mehrfach vor Kündigungsausspruch angehört. Sie hatte im Zeitpunkt der Kündigungserklärung den Sachverhalt jedoch ansonsten noch nicht ausreichend aufgeklärt, andere Erkenntnismöglichkeiten ungenutzt gelassen. Zu den dem Arbeitgeber insoweit zumutbaren Anstrengungen gehört auch die Überprüfung, ob nicht andere Personen als Täter in Betracht kommen (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 25. Februar 2004 – 3 Sa 491/03 – NZA-RR 2005, 132, 134; APS/Dörner/Vossen BGB § 626 Rn. 357). Ein dringender Tatverdacht wird noch nicht allein deshalb auszuschließen sein, weil eine Täterschaft oder Tatbeteiligung anderer nicht mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Ein solcher Ausschluss ist keine Voraussetzung einer Verdachtskündigung (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 8. Februar 2012 – 24 Sa 1800/11 – zitiert nach juris, Rz. 39; Eylert, NZA-RR 2014, 393, 399). Für die ausgesprochene Verdachtskündigung genügt eine hohe Wahrscheinlichkeit der Täterschaft, die nicht dadurch ausgeschlossen ist, dass auch die Täterschaft anderer – allerdings nur mit einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit – in Betracht kommt. Die Beklagte hat aber vor Kündigungsausspruch die ebenfalls als Tatverdächtige in Betracht kommenden Eheleute R. nicht einmal angehört und damit diese Möglichkeit der Aufklärung des Sachverhalts nicht genutzt. Bei der erst nach Kündigungsausspruch erfolgten Befragung der Reinigungskräfte hat sich die Interne Revision der Beklagten (Frau L. und Herr N.) ausweislich des am 10. Juni 2013 gefertigten Protokolls (Anlage BB 17, Bl. 501 f. d. A.) darauf beschränkt, nach allgemeinen Aussagen nach Besonderheiten und Auffälligkeiten zu fragen. Nach den konkreten Verhältnissen am 6. Juni 2013, etwa dazu, wo die Reinigungskräfte geputzt haben, was sie konkret vorgefunden haben und wieso sie die Reinigungsarbeiten an diesem Tag vorzeitig beendet haben, wurde nicht gefragt. Die weitere Aufklärung des Sachverhalts durch die Befragung der Reinigungskräfte R. wäre der Beklagten auch zumutbar gewesen. Die Beklagte stand in Vertragsbeziehungen zur Arbeitgeberin der Reinigungskräfte, der Firma Q.. Die Reinigungskräfte selbst hielten sich mehrmals in der Woche in der Filiale auf. Ihrer Befragung standen daher keine erkennbaren Hindernisse entgegen. Andererseits hätten die Reinigungskräfte möglicherweise wertvolle Hinweise zur Aufklärung des Sachverhalts geben können, etwa zur Frage, ob am 6. Mai 2013 im Teambüro geputzt und der Papierkorb geleert wurde, welchen Inhalt dieser hatte, etc.

Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung bestand nach Auffassung der Kammer jedenfalls kein dringender Tatverdacht gegen die Klägerin. Eine große Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Verdacht zutrifft, besteht im zu entscheidenden Fall nicht. Zwar hat die Klägerin die Safebags von der Kundin T. entgegengenommen. Auch ist das Verschwinden der Safebags nur möglich gewesen, weil die Klägerin entweder die Safebags versehentlich nicht in den Tagestresor verbracht hat oder weil sie sich die Übergabe der Safebags an den Kurier Herr S. nicht hat quittieren lassen. Außerdem erschwert ihr „Blackout“ die Aufklärung des Sachverhalts oder macht sie im Nachhinein sogar unmöglich. Dennoch kommen insbesondere mit ihrem Kollegen Herrn V. und dem Reinigungspersonal, den Eheleuten R. weitere Personen als mögliche Täter in Betracht, die – sofern die Klägerin die Safebags versehentlich nicht in den Tresor eingelegt hat – die Safebags bzw. ihren Inhalt mit mehr als nur geringer Wahrscheinlichkeit entwendet haben könnten. Allein daraus, dass auf den Kameraaufnahmen wegen der geschlossenen Tür zum Teambüro nicht zu sehen ist, wie eine von diesen Personen die Safebags an sich nahm, und dass niemand dabei fotografiert worden ist, wie er die Safebags durch den Schalterraum aus der Filiale verbringt, ergibt sich – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht der dringende Verdacht, dass die Klägerin die beiden Safebags unterschlagen hat (siehe hierzu auch oben unter B. I.). Die Klägerin hatte auch kein erkennbares Motiv für die Unterschlagung der Safebags. So hatte sie keine Schulden und ihr Mann hatte Anfang Mai 2013 ein Guthaben in Höhe von 70.000,00 € bei der Beklagten. Auch musste sie damit rechnen, dass, da sie die Safebags entgegengenommen hatte und am 3. Mai 2013 mit ihrem Kollegen allein in der Filiale war, eine Unterschlagung durch die Kundin entdeckt und der Verdacht sofort auf sie fallen würde. Die Klägerin ist bereits seit dem 1. Januar 1999 bei der Beklagten tätig. Nach der tariflichen Regelung in § 17 Ziff. 3 des anwendbaren Manteltarifvertrages ist die Klägerin nur noch bei Vorliegen eines wichtigen Grundes und bei Betriebsänderungen im Sinn des § 111 BetrVG kündbar. Soweit die Beklagte auf die Ermahnung vom 3. April 2012 verwiesen hat, handelte es sich um eine Teamdifferenz, wegen der alle Teammitglieder abgemahnt wurden.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der zwischenzeitlich erfolgten Anklageerhebung, der Zulassung der Anklage der Staatsanwaltschaft und die Eröffnung der Hauptverhandlung durch das Amtsgericht A-Stadt. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung einer Pflichtverletzung durch die Gerichte für Arbeitssachen ist ihre strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend. Entscheidend sind der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten (§ 241 Abs. 2 BGB) und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch (BAG, Urteil vom 25. Oktober 2012 – 2 AZR 700/11 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 51 Rz. 15; Urteil vom 24. Mai 2012 – 2 AZR 206/11 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 50 Rz. 18 m. w. N.). Eine Verdachtskündigung kann deshalb nicht ausschließlich auf den Umstand gestützt werden, dass die Strafverfolgungsbehörden einen (dringenden) Tatverdacht bejaht haben. Für die Erhebung der Anklage setzt die StPO lediglich einen genügenden Anlass, für die Eröffnung des Hauptverfahrens einen hinreichenden, aber noch keinen dringenden Tatverdacht voraus (vgl. §§ 170 Abs. 1, 203 StPO, vgl. auch Urteil vom 29. November 2007 – 2 AZR 724/06 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40 Rz. 39). Im Strafverfahren gewonnene Erkenntnisse oder Handlungen der Strafverfolgungsbehörden können die Annahme, der Arbeitnehmer habe die Pflichtverletzung begangen, allenfalls verstärken. Ebenso wie bei der Kündigung wegen einer aus Sicht des Arbeitgebers erwiesenen Tat, bei der eine strafgerichtliche Verurteilung für sich genommen nicht ausreicht, die Kündigung zu rechtfertigen, sind die Gerichte für Arbeitssachen auch bei der Verdachtskündigung gehalten, den Sachverhalt im Kündigungsschutzprozess im Rahmen des Parteivorbringens selbst aufzuklären und zu bewerten. Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden, selbst wenn sie von Gesetzes wegen einen dringenden Tatverdacht voraussetzen sollten, sind nicht geeignet, Tatsachenvortrag der Parteien im Zivilprozess zu ersetzen. Der wegen eines dringenden Tatverdachts kündigende Arbeitgeber hat im Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen vielmehr bestimmte Tatsachen darzulegen, die unmittelbar als solche den Schluss zulassen, der Arbeitnehmer sei eines bestimmten, die Kündigung rechtfertigenden Verhaltens dringend verdächtig. Zu diesem Zweck ist es ihm zwar unbenommen, sich Ermittlungsergebnisse der Strafverfolgungsbehörden zu Eigen zu machen und sie im Arbeitsgerichtsprozess – zumindest durch Bezugnahme – als eigene Behauptungen vorzutragen. Es genügt aber nicht, anstelle von unmittelbar verdachtsbegründenden Tatsachen lediglich den Umstand vorzutragen, auch die Strafverfolgungsbehörden gingen von einem Tatverdacht aus (ständige Rechtsprechung, BAG, Urteil vom 25. Oktober 2012 – 2 AZR 700/11- AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 51, Rz. 16; BAG, Urteil vom 24. Mai 2012 – 2 AZR 206/11 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 50, Rz. 26 jeweils m. w. N.). Weitere Erkenntnisse der Strafverfolgungsbehörden, aus denen sich – zusammen mit den von der Beklagten ermittelten Erkenntnissen – ein dringender Tatverdacht gegen die Klägerin ergeben könnte, hat die Beklagte nicht vorgetragen.

Nach der Rechtsprechung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts (Beschluss vom 27. Februar 1985 – GS 1/84 – NJW 1985, 2968) hat die mit ihrem Kündigungsschutzantrag obsiegende Klägerin einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Verfahrens. Entgegenstehende überwiegende schutzwerte Interessen hat die Beklagte auch im Berufungsverfahren nicht geltend gemacht.

C.

Die Berufung der Beklagten war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.

 

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