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Führung eines Arbeitszeitkontos

ArbG Brandenburg – Az.: 4 Ca 713/20 – Urteil vom 03.02.2021

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 8.300,00 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, wie das Arbeitszeitkonto des Klägers zu führen ist.

Die Beklagte wurde mit Vertrag vom 22.06.2011 durch den Landkreis H. mit der Durchführung des bodengebundenen Rettungsdienstes im Landkreis . beauftragt. Bei der Beklagten existiert ein Betriebsrat mit neun Mitgliedern. Die Beklagte ist nicht tarifgebunden.

Der Kläger ist bei der Beklagten als Rettungssanitäter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft individualvertraglicher Bezugnahme der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst im Bereich der Kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-V

VKA) in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Die Parteien haben einen Vorrechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Brandenburg an der Havel mit dem Aktenzeichen 2 Ca 992/16 geführt. In dem Urteil vom 21.03.2017 ist rechtskräftig festgestellt worden, dass auf das Arbeitsverhältnis des Klägers der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst für den Bereich Verwaltung im Bereich der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände in der jeweils geltenden Fassung Anwendung findet.

Die Planung des Soll-Arbeitszeitvolumens des Klägers erfolgt nach Maßgabe der Berechnung von fünf Arbeitstagen mit einem arbeitstäglichen Arbeitszeitvolumen von 9,6 Stunden; rechnerisch 48 Wochenstunden. Der Kläger leistet bei seiner Tätigkeit auf dem RTW 12-Stunden-Dienste arbeitstäglich, wovon ihm 9,6 Stunden im Arbeitszeitkonto – im Soll und Ist – angerechnet werden.

Der Kläger ist mit einem GdB von 30 und durch Bescheid des zuständigen Integrationsamtes im Besitz der Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen.

Der Kläger ist Mitglied des Betriebsrates.

Unter dem 20.01.2021 schlossen die Betriebsparteien eine Betriebsvereinbarung über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage nebst Grundsätze der Dienst- und Schichtplangestaltung für die Dienstpläne in den Monaten Januar 2021 bis Dezember 2021. Wegen der Einzelheiten dieser Betriebsvereinbarung wird auf Blatt 77, 78 der Akte verwiesen und in vollem Umfang Bezug genommen.

Unter dem 22. März 2006 unterzeichnete der Kläger die Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag gemäß § 7 Abs. 2 a Arbeitszeitgesetz. Auf Blatt 80 der Akte wird verwiesen und in vollem Umfang Bezug genommen. Der Kläger willigte gemäß § 7 Abs. 7 Arbeitszeitgesetz bis auf Weiteres in eine Dienstplanung durch seinen Vorgesetzten ein, der für ihn wöchentliche Arbeitszeiten bei Teilnahme an Bereitschaftsdiensten bis zu 54 Stunden anordnen kann (vgl. Blatt 79 der Akte).

Die Beklagte bot ihm ab Januar 2021 an, als Rettungssanitäter auf den KTW in der Rettungswache Rathenow im 8-Stunden-Regeldienst von Montag bis Freitag tätig zu werden. Der Kläger nahm das Angebot nicht an.

Mit seiner am 23.10.2020 beim Arbeitsgericht Brandenburg an der Havel eingegangen Klage begehrt er rechtlich einwandfreie und konsistente Führung seines Arbeitszeitkontos im Soll und im Ist sowie die Gleichbehandlung mit den Arbeitnehmern A. und R.

Er ist der Ansicht, dass er eine regelmäßige Arbeitszeit von durchschnittlich 40 Stunden wöchentlich nach § 6 TVöD Bereich Verwaltung schulde. Dies stünde seiner tatsächlichen Arbeitsleistung entgegen. Der Umfang seiner Arbeitszeit auf dem RTW betrage 12 Stunden arbeitstäglich, wovon ihm 9,6 Stunden im Arbeitszeitkonto im Soll und Ist angerechnet würden. Er habe mehrfach gegenüber der Beklagten auf § 207 SGB IX aufmerksam gemacht, was die Beklagte nicht davon abhalte, ihn über das Arbeitszeitvolumen von zehn Stunden hinaus zu beschäftigen. Abgesehen davon, dass bereits das acht Stunden übersteigende Arbeitszeitvolumen den Tatbestand der Mehrarbeit erfülle. Dabei beschäftige die Beklagte andere schwerbehinderte Arbeitnehmer auch im Rettungsdienst, bei denen jedoch die Führung des Arbeitszeitkontos in anderer Art und Weise erfolge, als bei ihm es der Fall sei. Insoweit begehre er die Gleichbehandlung mit den Arbeitnehmern A. und R. Es sei ferner zu beachten, dass er als schwerbehinderter Arbeitnehmer gemäß § 207 SGB IX zur Leistung von Mehrarbeit, also von mehr als acht Stunden täglicher Arbeitszeit, nicht verpflichtet sei. Die von der Beklagten vorgenommene Zugrundelegung eines täglichen Arbeitszeitsolls von 9,6 Stunden stehe dazu im Widerspruch. Darüber hinaus sei für die Rettungswache, in der er tätig sei (Wachbereich F. und dort die Rettungswache B.), nicht dokumentiert und nachgewiesen, dass Bereitschaftszeiten in einem regelmäßigen und nicht unerheblichen Umfang anfallen würden. Deshalb könne er von der Beklagten verlangen, dass bei der Planung das Arbeitszeitkonto im Soll nach den tatsächlichen Gegebenheiten geführt werde. Entsprechendes gelte auch für die Führung des Arbeitszeitkontos im Ist. Dementsprechend habe er sich mit Schreiben vom 15.06.2020 (Anlage K3/ Blatt 10, 11 der Akte) an die Beklagte gewandt – jedoch vergeblich. Soweit die Beklagte sich auf die Betriebsvereinbarung Arbeitszeitwirtschaft berufe, vermag diese Betriebsvereinbarung nicht das individualvertraglich vereinbarte Arbeitszeitvolumen zu gestalten. Der Kläger möchte zum einen den Einsatz als Rettungssanitäter auf dem RTW und zum anderen begehre er die „richtige“ Führung seines Arbeitszeitkontos. Das kollektive Recht regele die Lage und Verteilung der individualvertraglich vereinbarten Arbeitszeit.

Soweit die Beklagte vortrage, der Arbeitnehmer Z. sei nicht schwerbehindert, sei dies so nicht richtig. Richtig wäre, so wie bereits in der Klageschrift vorgetragen, dass der Arbeitnehmer Z. während der Dauer einer zeitlich befristet bestehenden Schwerbehinderung (die am 31.12.2020 geendet habe) auf dem RTW in einem stundenmäßigen Umfang von 40 Wochenstunden beschäftigt worden. Im Übrigen verkenne die Beklagte, dass er nach Maßgabe der Antragsstellung allein auf das Arbeitszeitvolumen für Vollzeitbeschäftigte nach Maßgabe des § 6 TVöD abgestellt habe. Von 12-Stunden- oder 8-Stunden-Diensten sei dort nicht die Rede. Die 20 Minuten Umkleide-und Übergabezeiten würden aus der Regelungsabrede der Parteien vom 15.05.2019 (Anlage K 4/ Blatt 62, 63 der Akte) resultieren.

Der Kläger beantragt zuletzt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, das Arbeitszeitkonto des Klägers im Soll mit einem wöchentlichen Arbeitszeitvolumen von 40 Stunden im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche zu planen;

hilfsweise, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, das Arbeitszeitkonto des Klägers im Soll mit einem wöchentlichen Arbeitszeitvolumen von 40 Stunden im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche zu führen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, das Arbeitszeitkonto des Klägers im Ist mit der klägerseits tatsächlich geleisteten Arbeitszeit zzgl. eines Zeitanteils von 20 Minuten für Umkleide- und Übergabezeiten zu erfassen und zu buchen, hilfsweise, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, das Arbeitszeitkonto des Klägers im Ist mit der klägerseits tatsächlich geleisteten Arbeitszeit zzgl. eines Zeitanteils von 20 Minuten für Umkleide- und Übergabezeiten buchungsmäßig zu führen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die Mitarbeiter der Beklagten und auch der Kläger hätten eine bedarfsgerechte und flächendeckende Notfallrettung von Personen im bodengebundenen Rettungsdienst sicherzustellen und somit regelmäßig 12-Stundendienste (48 Wochenstunden) abzuleisten. Grundlage hierfür sei die Betriebsvereinbarung Arbeitszeitwirtschaft 3006. Nach geraumer Zeit über die Schaffung einer Nachfolgeregelung, die die 12-Stunden-Dienste abbilden solle, sei die Betriebsvereinbarung vom 20.01.2021 fixiert worden. Diese solle übergangsweise die Bedingungen für die 12-Stunden-Dienste im Rahmen einer 48-Stunden-Woche sicherstellen. Die Anwendung des Anhangs zu § 9 b TVöD-V (VKA) sei ausdrücklich vereinbart worden. Diese Betriebsvereinbarung ergänze die Betriebsvereinbarung 3006 und gelte bis zum Abschluss einer neuen Betriebsvereinbarung 3006 und sei auf die Dienstplanmonate Januar 2021 bis Dezember 2021 begrenzt. Danach habe der Kläger keinen Anspruch auf die Planung eines wöchentlichen Arbeitszeitvolumens von 40 Stunden, wenn er im 12-Stunden-Dienst eingeteilt sei. Der Einsatz von 12 Stunden setze sich aus Vollarbeitszeiten- und Bereitschaftszeiten zusammen nach § 2 Nr. 3 b der BV. Einen Anspruch auf ein Arbeitszeitvolumen von 40 Stunden pro Woche hätte er nur, wenn der Einsatz auf einer Stelle in Vollzeit nach § 2 Nr. 3 a BV erfolge. Eine solche Stelle gäbe es für ihn nur auf dem KTW in der Rettungswache Rathenow. Das Angebot zum Einsatz hierzu habe die Beklagte bereits abgegeben.

Die Beklagte führe das Arbeitszeitkonto des Klägers bei einem Einsatz im 12-Stunden-Dienst korrekt. Aufgrund seiner Erklärungen aus dem Jahr 2006 habe er auch in die Erhöhung der durchschnittlichen Wochenstunden eingewilligt. Die arbeitsschutzrechtlichen Voraussetzungen zur Abweichung von § 3 Arbeitszeitgesetz sei durch die vorliegende Betriebsvereinbarung vom 20.01.2021 nach § 7 Abs. 3 Arbeitszeitgesetz gegeben. Einen Hinweis auf eine Schwerbehinderung des Mitarbeiters Z. bis 31.12.2020 liege der Beklagten nicht vor. Dieser sei wie andere Mitarbeiter in 12-Stunden-Schichten mit einer Zeitabrechnung nach der BV vom 20.01.2021 eingesetzt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 20.11.2020, 03.02.2021 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Es gilt Folgendes:

Der Arbeitszeitbegriff ist in verschiedenen Vorschriften geregelt. Grundsätzlich gibt es keinen feststehenden Arbeitszeitbegriff. Vielmehr kommt es darauf an, in welchem Zusammenhang der Arbeitszeitbegriff verwendet wird. In einer groben Struktur können drei verschiedene Bereiche/Säulen unterschieden werden:

a) vergütungsrechtliche Arbeitszeit,

b) arbeitsschutzrechtliche Arbeitszeit,

c) mitbestimmungspflichtige Arbeitszeit.

Zum einen gibt es die Arbeitszeit im Sinne der arbeitsvertraglichen Arbeitszeit. In diesem Zusammenhang geht es immer darum, welche Arbeitszeit vergütet wird. Regelungen hierzu finden sich im Arbeitsvertrag oder in einem Tarifvertrag bzw. ggf. ergänzend auch in einer Betriebsvereinbarung. Es geht jedoch immer nur darum, welche Zeit dem Arbeitnehmer bezahlt wird.

Bei der arbeitsschutzrechtlichen Arbeitszeit liegt der Fokus darauf, dass der Arbeitnehmer vor Überlastung, Überarbeitung geschützt wird. Der Arbeitszeitschutz wird durch die Regelungen u. a. im Arbeitszeitgesetz gewährleistet. Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen diesen Rahmen, den die Gesetze vorgeben, einhalten.

Bei mitbestimmungspflichtiger Arbeitszeit geht es darum, zu bestimmen, bei welchen Regelungen zur Arbeitszeit der Betriebsrat nach dem BetrVG ein Mitbestimmungsrecht hat und somit berechtigt ist, eine Betriebsvereinbarung abzuschließen.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet unstreitig kraft individualvertraglicher Bezugnahme der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst im Bereich der Kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-V VKA) in der jeweils geltenden Fassung Anwendung.

Danach gilt nach § 6 TVöD-V VKA, dass die regelmäßige Arbeitszeit ausschließlich der Pausen im Tarifgebiet Ost durchschnittlich 40 Stunden wöchentlich beträgt.

Gemäß § 6 Abs. 7 TVöD-V kann in der Zeit von 6:00 bis 20:00 Uhr eine tägliche Rahmenzeit von bis zu 12 Stunden eingeführt werden, und zwar durch Betriebs-/Dienstvereinbarung.

Im Anhang zu § 9 TVöD-V VKA heißt es im Abschnitt B:

„B. Bereitschaftszeiten im Rettungsdienst und in Leitstellen

(1) Für Beschäftigte im Rettungsdienst und in den Leitstellen, in deren Tätigkeit regelmäßig und in nicht unerheblichem Umfang Bereitschaftszeiten fallen, gelten folgende besondere Regelungen zu § 6 Abs. 1 Satz 1 TVöD:

Die Summe aus den faktorisierten Bereitschaftszeiten und der Vollarbeitszeit darf die Arbeitszeit nach § 6 Abs. 1 nicht überschreiten. Die Summe aus Vollarbeits- und Bereitschaftszeiten darf durchschnittlich 48 Stunden wöchentlich nicht überschreiten. Bereitschaftszeiten sind die Zeiten, in denen sich die/der Beschäftigte am Arbeitsplatz oder einer anderen vom Arbeitgeber bestimmten Stelle zur Verfügung halten muss, um im Bedarfsfall die Arbeit selbständig, ggf. auch auf Anordnung, aufzunehmen und in denen die Zeiten ohne Arbeitsleistung überwiegen. Bereitschaftszeiten werden zur Hälfte als tarifliche Arbeitszeit gewertet (faktorisiert). Bereitschaftszeiten werden innerhalb von Beginn und Ende der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit nicht gesondert ausgewiesen.

(2) Die zulässige tägliche Höchstarbeitszeit beträgt zwölf Stunden zuzüglich der gesetzlichen Pausen.

(3) Die allgemeinen Regelungen des TVöD zur Arbeitszeit bleiben im Übrigen unberührt.

…“

In § 9 TVöD-V heißt es:

„(1) Bereitschaftszeiten sind die Zeiten, in denen sich die/der Beschäftigte am Arbeitsplatz oder einer anderen vom Arbeitgeber bestimmten Stelle zur Verfügung halten muss, um im Bedarfsfall die Arbeit selbständig, ggf auf Anordnung, aufzunehmen und in denen die Zeiten der Arbeitsleistung überwiegen. …

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 bedarf im Geltungsbereich eines Personalvertretungsgesetzes einer einvernehmlichen Betriebsvereinbarung. § 6 Abs. 9 gilt entsprechend. Im Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes unterliegt die Anwendung dieser Vorschrift der Mitbestimmung im Sinne § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. …“

Nach § 10 Abs. 1 TVöD-V kann ein Arbeitszeitkonto eingerichtet werden und nach § 10 Abs. 2 kann festgelegt werden, ob das Arbeitszeitkonto im ganzen Betrieb eingerichtet wird.

Unter dem 20.01.2021 haben die Betriebsparteien nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG eine Betriebsvereinbarung für die Dienstplanmonate Januar 2021 bis Dezember 2021 abgeschlossen. Diese Betriebsvereinbarung findet auf das Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung. Sie regelt übergangsweise die arbeitsschutzrechtlichen Rahmenbedingungen für die 12-Stunden-Dienste im Rahmen einer 48-Stunden-Woche. Nach § 1 Abs. 1 gilt diese Betriebsvereinbarung für die im Rettungsdienst tätigen Arbeitnehmer und Auszubildenden des Betriebes, ausgenommen die leitenden Angestellten nach § 5 Abs. 3 und 4 BetrVG.

Gemäß § 2 dieser Betriebsvereinbarung haben die Betriebsparteien nach § 7 Abs. 3 Satz 1 Arbeitszeitgesetz vereinbart, dass im Betrieb die tariflichen Regelungen des § 9 TVöD-V (VKA) allgemeiner Teil und des Anhangs zu § 9 B. TVöD-V (VKA) allgemeiner Teil in der jeweils gültigen Fassung Anwendung finden.

Nach § 2 Nr. 4 dieser Betriebsvereinbarung sind Bereitschaftszeiten im Sinne von Nr. 3 b Zeiten, in denen sich der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz oder einer anderen von der Arbeitgeberin bestimmten Stelle zur Verfügung halten muss, um im Bedarfsfall die Arbeit selbständig oder ggf. auf Anordnung aufzunehmen und in denen die Zeiten ohne Arbeitsleistung überwiegen. Bereitschaftszeiten werden zur Hälfte als Arbeitszeit gewertet (faktorisiert). Bereitschaftszeiten werden innerhalb der täglichen Arbeitszeit nicht gesondert ausgewiesen. Die Betriebsparteien waren sich darüber hinaus einig, dass die möglichen 12-Stunden-Schichten, bestehend aus Vollarbeit und Bereitschaftszeit, als arbeitsschutzrechtliche Arbeitszeit gemäß den Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes gewertet werden.

Soweit der Kläger sich auf eine Gleichbehandlung mit den Arbeitnehmern A. und R. beruft, hat er Tatsachen nicht vorgetragen, aus denen sich eine Gruppenbildung mit ihnen ergibt. Sollte die Übereinstimmung in der Schwerbehinderung liegen, ist eine solche bei dem Arbeitnehmer R. nach seinem Vortrag ab dem 01.01.2021 nicht mehr zu bejahen. Damit wären u. U. lediglich der Kläger und A. eine Gruppe. Diese Anzahl ist allerdings so gering im Verhältnis zu den übrigen Arbeitnehmern, dass kein Anspruch hergeleitet werden kann (vgl. BAG 13.02.2002, NZA 2003, 215).

Im Übrigen gilt: Der Gleichbehandlungsgrundsatz gilt nur für Leistungen, auf die auch ein rechtlicher Anspruch besteht. Hierzu wird auf die obigen Ausführungen verwiesen und in vollem Umfang Bezug genommen.

Unter Berücksichtigung dieser Regelungen ist festzustellen, dass die Beklagte das Arbeitszeitkonto des Klägers ordnungsgemäß plant und auch führt. Die Beklagte kann erfolgreich auf die Betriebsvereinbarung vom 19.01.2021 verweisen – unabhängig davon, dass der Kläger mit der individualrechtlich vereinbarten Anwendung des TVöD-V aufgrund seiner Tätigkeit als Rettungssanitäter sich nicht ausschließlich auf eine 40-Stundenwoche – tatsächliche Arbeitszeit – berufen kann. Zwar ist die Beklagte nicht tarifgebunden. Jedoch findet aufgrund der individualrechtlich vereinbarten Anwendung des TVöD-V dieser in vollem Umfang auf sein Arbeitsverhältnis Anwendung. Damit kann der Kläger die Planung seines Arbeitszeitkontos im Soll mit einem wöchentlichen Arbeitszeitvolumen von ausschließlich 40 Stunden im Rahmen einer 5-Tage-Woche und auch hilfsweise entsprechend zu führen, von der Beklagten nicht verlangen.

Ebenso wenig steht dem Kläger ein materiell-rechtlicher Anspruch im Erfassen und Buchen von 20 Minuten für Umkleide- und Übergabezeiten auf seinem Arbeitszeitkonto zu. Dem steht die Regelung vom 15.05.2019 nach der Anlage K 4 entgegen. Dort heißt es „insgesamt 20 Minuten statt bisher 6 Minuten pro Schicht für Umkleide- und Übergabezeiten beim Schichtwechsel (die Gutschrift erfolgt wie bisher bei der 6-Minuten-Regelung). Das bedeutet, dass dem Kläger 20 Minuten pro Schicht für Umkleide- und Übergabezeiten beim Schichtwechsel als Arbeitszeit zustehen, jedoch im Ergebnis lediglich 6 Minuten Gutschrift als tatsächlich geleistete Arbeitszeit erfasst und gebucht (faktorisiert) werden.

Ebenso wenig kann der Kläger hilfsweise von der Beklagten verlangen, dass 20 Minuten für Umkleide- und Übergabezeiten buchungsmäßig in seinem Arbeitszeitkonto geführt werden. Dem steht die Übergangsregelung vom 15.05.2019 entgegen.

Die Arbeitgeberin ist berechtigt, das Arbeitszeitkonto in entsprechender Weise zu führen, da ihr auf der Grundlage des Arbeitsvertrages, des Tarifvertrages und der Betriebsvereinbarung vom 19.01.2021 die Möglichkeit hierzu eröffnet worden ist.

Nach alledem war zu entscheiden wie geschehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, wonach die unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.

Der Streitwert wurde gemäß der §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 3 ff. ZPO festgesetzt. In die Gegenstandsberechnung sind jeweils 2.600,00 Euro für die Anträge Nr. 1 und Nr. 2 der Klageschrift sowie ein Bruttomonatsverdienst für den ersten Hilfsantrag und 500,00 Euro für den zweiten Hilfsantrag eingeflossen.

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