Nach einer Änderungskündigung sicherte sich ein Arbeitnehmer in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich einen deutlichen Vergleichsmehrwert für Arbeitszeugnis im Kündigungsstreit. Trotz der klaren Zusage eines „sehr guten“ Schlussprädikats lehnte das Gericht die Erhöhung des Gegenstandswertes überraschend ab.
Übersicht:
- Der Fall vor Gericht
- Erhöht ein „sehr gutes“ Arbeitszeugnis den Wert eines Rechtsstreits?
- Warum wurde aus einer Einigung über das Zeugnis ein Streit um Geld?
- Was genau bedeutet „Vergleichsmehrwert“?
- Wieso war die Zeugnisklausel für die eine Seite Gold wert und für die andere nicht?
- Welcher Logik folgte das Landesarbeitsgericht am Ende?
- Die Urteilslogik
- Benötigen Sie Hilfe?
- Experten Kommentar
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Ist die Regelung zum Arbeitszeugnis ein Mehrwert im gerichtlichen Vergleich?
- Wann erhöht die Zeugnisregelung den Gegenstandswert im Kündigungsschutzprozess?
- Wie verhandle ich das Zeugnis, damit es einen eigenen Wert im Vergleich bekommt?
- Was passiert, wenn der Arbeitgeber ein Zeugnis bereits zugesagt hat?
- Zählt die Absicherung gegen zukünftige Zeugnisstreitigkeiten als Vergleichsmehrwert?
- Glossar
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 1 Ta 36/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landesarbeitsgericht Sachsen‑Anhalt
- Datum: 30.07.2025
- Aktenzeichen: 1 Ta 36/25
- Verfahren: Streitwertbeschwerde
- Rechtsbereiche: Arbeitsrecht, Gebührenrecht
- Das Problem: Ein Arbeitnehmer schloss im Rahmen einer Kündigung einen Vergleich mit dem Arbeitgeber. Der Vergleich sah ein „sehr gutes“ Arbeitszeugnis vor, dessen Inhalt der Arbeitgeber nicht ändern durfte. Die Bezirksrevisorin warf die Frage auf, ob diese detaillierte Zeugnisregelung einen zusätzlichen Gebührenwert für die Anwälte auslöst.
- Die Rechtsfrage: Erhöht eine sehr vorteilhafte und feste Regelung zum Inhalt eines Arbeitszeugnisses in einem Vergleich automatisch den sogenannten Vergleichsmehrwert und damit die Anwaltsgebühren?
- Die Antwort: Nein. Das Gericht lehnte den zusätzlichen Vergleichsmehrwert ab. Ein Mehrwert entsteht nur, wenn der Vergleich einen bereits bestehenden Streit oder eine Ungewissheit über den Zeugnisanspruch beseitigt. Im ursprünglichen Kündigungsstreit gab es keinen Streit über das Zeugnis.
- Die Bedeutung: Die bloße Aufnahme einer inhaltlich über den Standard hinausgehenden Regelung im Vergleich führt nicht automatisch zu einer Erhöhung des Gegenstandswertes. Es muss bereits zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses ein echter Streit über den Anspruch oder Inhalt bestanden haben.
Der Fall vor Gericht
Erhöht ein „sehr gutes“ Arbeitszeugnis den Wert eines Rechtsstreits?
Nach einem zermürbenden Kündigungsstreit schien eine Arbeitnehmerin einen doppelten Sieg errungen zu haben. Sie beendete den Konflikt mit ihrem Arbeitgeber durch einen Vergleich und sicherte sich darin eine brillante Klausel: Ihr wurde ein „sehr gutes“ Qualifiziertes Arbeitszeugnis zugesichert. Der Arbeitgeber musste sogar ihren eigenen Entwurf übernehmen und durfte nur aus wichtigem Grund davon abweichen. Ein cleverer Zug, der jeden zukünftigen Streit über das Zeugnis im Keim ersticken sollte. Doch dann legte eine Beamtin ihr Veto ein. Nicht gegen das Zeugnis, sondern gegen die Anwaltsrechnung. Sie argumentierte: Dieser vermeintliche Extra-Sieg sei für die Berechnung der Anwaltsgebühren wertlos. Ein neuer Streit begann – diesmal über den wahren Wert eines Versprechens.
Warum wurde aus einer Einigung über das Zeugnis ein Streit um Geld?
Der ursprüngliche Fall vor dem Arbeitsgericht Halle war ein klassischer Kündigungsschutzprozess. Eine Arbeitnehmerin wehrte sich gegen eine Betriebsbedingte Änderungskündigung. Die Parteien einigten sich schließlich auf einen Vergleich, der das Arbeitsverhältnis beendete. Teil dieses Vergleichs war die Zusage des Arbeitgebers, ein exzellentes Zeugnis auszustellen.

Der Anwalt der Frau sah darin mehr als nur eine nette Geste. Er argumentierte, diese Zeugnisregelung habe einen eigenen wirtschaftlichen Wert. Sie löse einen sogenannten Vergleichsmehrwert aus. Das Arbeitsgericht folgte dieser Sichtweise. Es setzte den Gegenstandswert – die Bemessungsgrundlage für die Anwaltsgebühren – höher an. Für den Prozess selbst lag der Wert bei 9.465 Euro. Durch den Vergleich stieg er auf 12.620 Euro. Die Folge: höhere Gebühren für den Anwalt.
An dieser Stelle trat die Bezirksrevisorin auf den Plan. Als Kontrollinstanz für Gerichtskosten legte sie Beschwerde ein. Ihr Standpunkt war klar: Die Regelung zum Arbeitszeugnis rechtfertigt keine höheren Anwaltskosten. Das Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt musste nun die knifflige Frage klären, ob die Klausel zum „sehr guten“ Zeugnis tatsächlich den Wert des Vergleichs erhöht hatte.
Was genau bedeutet „Vergleichsmehrwert“?
Ein Vergleichsmehrwert entsteht, wenn ein gerichtlicher Vergleich mehr regelt als nur den ursprünglichen Streitgegenstand. Stellt man sich einen Nachbarschaftsstreit vor, bei dem es um einen kaputten Gartenzaun geht. Der Kläger will 500 Euro Schadensersatz. Im Gerichtssaal einigen sich die Nachbarn nicht nur auf die Zahlung. Sie legen auch den genauen Grenzverlauf ihres Grundstücks fest, über den sie seit Jahren murren. Mit dieser zusätzlichen Einigung beseitigen sie eine weitere Ungewissheit und beenden einen zweiten, bisher nicht eingeklagten Konflikt. Diese zusätzliche Regelung hat einen Wert – den Vergleichsmehrwert.
Im Arbeitsrecht orientieren sich die Gerichte an einem Streitwertkatalog. Dieser Katalog sieht vor, dass ein Mehrwert nur dann entsteht, wenn der Vergleich einen weiteren Rechtsstreit beendet oder eine tatsächliche Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt. Die bloße Aufnahme zusätzlicher Punkte in einen Vergleich reicht nicht aus. Es muss um etwas gehen, worüber die Parteien potenziell hätten streiten können.
Wieso war die Zeugnisklausel für die eine Seite Gold wert und für die andere nicht?
Die Argumentation der Anwaltsseite war aus ihrer Sicht schlüssig. Die Zeugnis-Klausel war mehr als eine Formsache. Sie zementierte nicht nur die Note „sehr gut“. Sie zwang den Arbeitgeber, den Entwurf der Klägerin zu akzeptieren. Das verhinderte effektiv jeden zukünftigen Streit über Formulierungen oder Nuancen im Zeugnistext. Diese vertragliche Absicherung, so die Klägerseite, sei eine eigenständige, werthaltige Leistung, die über den Kündigungsstreit hinausging.
Die Bezirksrevisorin attackierte genau diesen Punkt. Ihre Gegenargumentation war einfach und präzise: Ein Vergleichsmehrwert kann nur etwas bereinigen, das vorher strittig oder ungewiss war. Hier gab es aber gar keinen Streit um das Zeugnis. Der Arbeitgeber hatte der Frau bereits im Kündigungsschreiben signalisiert, ihr „selbstverständlich“ ein qualifiziertes Zeugnis auszustellen. Es gab keinerlei Anzeichen für eine Auseinandersetzung über dessen Inhalt oder die Note. Die Klausel im Vergleich regelte also kein bestehendes Problem. Sie verhinderte lediglich ein zukünftiges, hypothetisches Problem. Das sei zwar klug verhandelt, erhöhe aber nicht den Gegenstandswert des aktuellen Verfahrens. Die anwaltliche Tätigkeit, solche Punkte in einem Vergleich auszuhandeln, sei bereits durch die reguläre Einigungsgebühr abgegolten.
Welcher Logik folgte das Landesarbeitsgericht am Ende?
Das Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt schloss sich der Sichtweise der Bezirksrevisorin an und hob die Entscheidung des Arbeitsgerichts auf. Die Richter stellten klar, dass die Voraussetzungen für einen Vergleichsmehrwert hier nicht erfüllt waren.
Ihre Begründung stützte sich auf einen entscheidenden Punkt: Es fehlte an einem bereits existierenden Streit oder einer Ungewissheit über das Zeugnis zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses. Der Kern des Prozesses war eine betriebsbedingte Kündigung. Das bedeutet, es ging um die wirtschaftliche Situation des Unternehmens, nicht um die Leistung oder das Verhalten der Arbeitnehmerin. Ihre Qualifikation stand nie infrage. Da der Arbeitgeber die Erteilung eines Zeugnisses von sich aus angeboten hatte, gab es schlichtweg keine offene Rechtsfrage, die der Vergleich hätte klären müssen.
Die Tatsache, dass die Klausel künftige Streitigkeiten „nahezu ausschließe“, war für das Gericht irrelevant. Ein Vergleich wird nicht dafür belohnt, dass er Probleme löst, die noch gar nicht existieren. Seine Funktion ist es, bestehende Konflikte zu beenden. Die ausgehandelte Regelung war eine vertragliche Gestaltung für die Zukunft, aber keine Bereinigung der Vergangenheit oder Gegenwart.
Das Gericht setzte den Gegenstandswert für das Verfahren und den Vergleich daher einheitlich auf 9.465,00 Euro fest. Die Anwaltsgebühren berechnen sich allein aus diesem Wert. Der vermeintliche Extra-Sieg der Arbeitnehmerin hatte für die Kostenrechnung am Ende keinen Wert.
Die Urteilslogik
Die Berechnung des Gegenstandswerts eines Vergleichs beurteilt sich allein danach, ob die Einigung einen tatsächlich bestehenden oder ungewissen Rechtskonflikt beseitigt.
- Mehrwert setzt bestehende Ungewissheit voraus: Ein gerichtlicher Vergleich generiert nur dann einen zusätzlichen Gegenstandswert, wenn er über den ursprünglichen Streitgegenstand hinaus eine weitere, zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses ungewisse Rechtsfrage klärt. Die bloße Verhinderung zukünftiger, hypothetischer Streitigkeiten genügt für die Wertsteigerung nicht.
- Zeugnisnote allein steigert den Gegenstandswert nicht: Die Zusage eines qualifizierten Arbeitszeugnisses mit Bestnote erhöht den Streitwert nicht, wenn die fachliche Qualifikation des Arbeitnehmers im Ausgangsverfahren (z.B. bei einer betriebsbedingten Kündigung) zu keinem Zeitpunkt strittig war.
- Zukunftssicherung zahlt sich nicht doppelt aus: Regelungen, die künftige Auseinandersetzungen nahezu ausschließen – wie die Bindung an einen detaillierten Zeugnisentwurf – stellen zwar eine kluge vertragliche Gestaltung dar, sind aber bereits mit der regulären Einigungsgebühr des Anwalts abgegolten.
Gerichte bewerten die ökonomische Relevanz eines Vergleichs nach der Bereinigung aktueller Rechtskonflikte, nicht nach der Verhinderung rein hypothetischer Streitigkeiten.
Benötigen Sie Hilfe?
Steht der Gegenstandswert Ihrer Zeugnisregelung im arbeitsrechtlichen Vergleich zur Debatte? Kontaktieren Sie uns für eine unverbindliche rechtliche Ersteinschätzung Ihres Falles.
Experten Kommentar
Das Versprechen eines „sehr guten“ Zeugnisses fühlt sich nach einem echten Verhandlungserfolg an, doch dieses Urteil macht klar: Nicht jeder geschickt eingebaute Zusatzpunkt erhöht automatisch den Gegenstandswert des Vergleichs. Für die Berechnung höherer Anwaltsgebühren zählt nicht die Verhinderung eines zukünftigen Problems, sondern die Lösung eines bereits bestehenden Streits. Ein Mehrwert entsteht demnach nur, wenn konkret nachgewiesen werden kann, dass der Arbeitgeber das Zeugnis oder dessen Inhalt vor dem Vergleichsschluss aktiv bestritten oder verweigert hatte. Das ist eine wichtige rote Linie für alle, die glauben, durch vertragliche Perfektionierung automatisch höhere Kosten abrechnen zu können.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Ist die Regelung zum Arbeitszeugnis ein Mehrwert im gerichtlichen Vergleich?
Die bloße Aufnahme einer Klausel über ein „sehr gutes“ Arbeitszeugnis in einem gerichtlichen Vergleich erhöht den Gegenstandswert in der Regel nicht automatisch. Gerichte belohnen die Beilegung von bestehenden Rechtskonflikten. Wurde die Zeugnisregelung nur zur Vermeidung hypothetischer Zukunftsstreitigkeiten aufgenommen, entsteht kein juristisch relevanter Vergleichsmehrwert. Dies bedeutet, dass ein gut verhandelter Text nicht automatisch zu höheren Anwaltsgebühren führt, wenn kein vorheriger Streit über das Arbeitszeugnis dokumentiert war.
Der Gegenstandswert steigt nur, wenn der Vergleich einen Streitpunkt beilegt, der über das Hauptverfahren hinausgeht. Dieser zusätzliche Konflikt muss bereits existieren oder seine Ungewissheit muss nachweisbar sein. War die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses, wie im Fall einer betriebsbedingten Kündigung, bereits vor der Verhandlung zugesagt, fehlt die notwendige strittige Basis. Die spätere Aufnahme der Klausel gilt dann lediglich als vertragliche Absicherung für die Zukunft.
Die anwaltliche Tätigkeit, solche zukünftigen Absicherungen auszuhandeln, ist bereits durch die reguläre Einigungsgebühr des Hauptverfahrens abgedeckt. Nehmen wir an, der Kündigungsgrund war betriebsbedingt und die Leistung des Arbeitnehmers stand nie zur Debatte. In solchen Fällen argumentiert das Landesarbeitsgericht, dass kein Mehrwert geschaffen wurde, da die Verhandlung keinen neuen oder bestehenden Konflikt löste. Diese vertragliche Gestaltung für die Zukunft ist zwar clever, aber nicht kostensteigernd.
Überprüfen Sie sofort alle vorbereitenden Schriftstücke (E-Mails, Kündigungsschreiben), ob der Arbeitgeber die Zeugniserteilung oder deren Inhalt bereits vor dem Vergleich explizit zugesagt hatte.
Wann erhöht die Zeugnisregelung den Gegenstandswert im Kündigungsschutzprozess?
Die Regelung zum Arbeitszeugnis erhöht den Gegenstandswert nur, wenn sie einen Vergleichsmehrwert schafft. Dies setzt voraus, dass die Zeugnisfrage bereits vor dem Vergleich ein unabhängiger, aktenkundiger Konfliktpunkt war. Der Vergleich muss eine tatsächliche Ungewissheit beseitigen, die nicht durch bloße Zusage des Arbeitgebers abgedeckt war. Der Gegenstandswert steigt somit nicht automatisch durch die Aushandlung einer Note wie „sehr gut“ im Kündigungsschutzprozess.
Gerichte erkennen den Mehrwert nur an, wenn der Vergleich einen potenziellen zweiten Rechtsstreit beendet. Ein solcher Konfliktpunkt entsteht, wenn der Arbeitgeber vor oder während des Kündigungsschutzprozesses signalisiert hat, nur ein einfaches Zeugnis ausstellen oder die Leistung negativ bewerten zu wollen. Ein Zeugnisstreit muss also objektiv begründbar und dokumentiert sein, beispielsweise durch einen Angriff auf die Qualifikation bei einer verhaltensbedingten Kündigung. Die allgemeine Formulierung der Note im Vergleich reicht nicht aus, wenn nicht aktenkundig ist, dass der Arbeitgeber zuvor weniger als das Vereinbarte gewollt hat.
Der sicherste Weg, um den Gegenstandswert zu erhöhen, ist die formelle Etablierung des Streitpunkts in den Prozessakten. Nehmen wir an, Sie möchten die maximale Absicherung für Ihren Anwalt und den Prozess. Bitten Sie ihn, die Klage um eine konkrete Nebenforderung auf Zeugniserteilung oder Zeugnisberichtigung zu erweitern. Nur wenn diese Forderung bereits vorliegt und somit die Beseitigung einer echten Ungewissheit verhandelt wird, löst deren Beilegung im Vergleich einen Gebühren erhöhenden Mehrwert aus.
Bitten Sie Ihren Anwalt, den Antrag auf Zeugniserteilung explizit als Nebenforderung in die Klageschrift aufzunehmen, um den Streitpunkt formell zu etablieren.
Wie verhandle ich das Zeugnis, damit es einen eigenen Wert im Vergleich bekommt?
Um den Gegenstandswert eines Vergleichs zu erhöhen, müssen Sie einen dokumentierten Streit über das Zeugnis kreieren, bevor Sie den Vergleich schließen. Nur die Beilegung eines tatsächlich bestehenden Konflikts über den Inhalt oder die Art des Zeugnisses rechtfertigt einen sogenannten Vergleichsmehrwert. Eine bloße Absicherung für die Zukunft oder die Garantie einer guten Note genügt hierfür nicht. Ihr Anwalt muss eine Ungewissheit belegen, die durch den Vergleich beseitigt wird.
Der entscheidende Unterschied liegt darin, ob die Zeugnisfrage bereits vor dem Vergleich strittig war. Fordern Sie den Arbeitgeber aktiv und nachweisbar auf, vorab einen detaillierten Entwurf zu liefern. Weigert sich der Arbeitgeber oder bietet er lediglich ein einfaches Zeugnis an, dokumentieren Sie diese Verweigerung der Details schriftlich. Ein solcher Vorgang etabliert formal eine offene Rechtsfrage, die nur durch die Aufnahme einer detaillierten Zeugnisklausel in den Vergleich gelöst werden kann.
Der größte Hebel liegt in der Verhandlung der Zeugnisklausel selbst, die über die bloße Notenzusage hinausgeht. Verlangen Sie die Aufnahme unüblicher Details, wie spezifische Leistungsbeschreibungen, oder vereinbaren Sie eine Vertragsstrafe für den Fall, dass der Arbeitgeber vom vereinbarten Entwurf abweicht. Sichert der Arbeitgeber während der Güteverhandlung ein gutes Zeugnis zu, muss Ihr Anwalt darauf bestehen, dass im Protokoll der Vermerk festgehalten wird, dass die detaillierte Ausformulierung weiterhin strittig bleibt.
Ohne die Schaffung eines dokumentierbaren Zeugnis-Konflikts gilt die vertragliche Absicherung lediglich als durch die reguläre Einigungsgebühr abgegolten.
Was passiert, wenn der Arbeitgeber ein Zeugnis bereits zugesagt hat?
Hat Ihr Arbeitgeber die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses (zum Beispiel mit dem Zusatz „selbstverständlich“) bereits im Kündigungsschreiben zugesagt, wird die spätere Zeugnisregelung im Vergleich kaum einen Vergleichsmehrwert auslösen. Gerichte gehen davon aus, dass zum Zeitpunkt des Vergleichs kein streitiger Punkt über die Zeugniserteilung mehr existierte. Fehlt diese Ungewissheit, handelt es sich lediglich um eine vertragliche Absicherung einer bereits bestehenden Pflicht.
Gerichte honorieren bei Vergleichsverhandlungen nur die Beilegung bestehender Konflikte, nicht die Prävention hypothetischer Zukunftsstreitigkeiten. Wenn der Arbeitgeber die grundsätzliche Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses signalisiert hat, liegt kein offener Streit über diese Pflicht vor. Die spätere Verhandlung über die Note dient juristisch nur der Absicherung und ist bereits durch die reguläre Einigungsgebühr abgegolten. Deshalb erhöht diese kluge Verhandlungstaktik den Gegenstandswert des aktuellen Verfahrens nicht.
Um trotz der Vorzusage doch einen Mehrwert zu erzielen, müssen Arbeitnehmer die Zeugnisklausel substanziell erweitern. Eine einfache Wiederholung der Zusage, beispielsweise nur die Garantie der Note „sehr gut“, wird als wertlos angesehen. Stattdessen sollten Sie werthaltige Verpflichtungen schaffen, die über die gesetzlichen oder bereits zugesagten Pflichten hinausgehen. Konkret: Vereinbaren Sie eine unübliche, spezifische Dank- und Wunschformel oder eine Vertragsstrafe für den Fall, dass der Arbeitgeber vom vereinbarten Entwurf abweicht.
Existiert eine Vorzusage, muss die Vergleichsklausel substanziell über die gesetzliche oder zugesagte Pflicht hinausgehen.
Zählt die Absicherung gegen zukünftige Zeugnisstreitigkeiten als Vergleichsmehrwert?
Die Regelung im Vergleich, die zukünftige Konflikte verhindern soll, zählt nicht als Mehrwert, der die Gebührenbasis erhöht. Gerichte honorieren die Beilegung bestehender Konflikte oder die Beseitigung einer nachweisbaren Ungewissheit. Die bloße vertragliche Vorsorge gegen hypothetische Streitigkeiten gilt juristisch als unerheblich für den Gegenstandswert. Das Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt stellte dies in einem Urteil klar, dessen Logik Gerichte häufig folgen.
Juristisch müssen Gerichte strikt zwischen der Bereinigung eines aktuellen, gerichtsanhängigen Konflikts und der vertraglichen Gestaltung für die Zukunft unterscheiden. Die Funktion eines gerichtlichen Vergleichs ist es, eine offene Rechtsfrage abzuschließen. Wenn eine Zeugnisregelung lediglich künftige Probleme lösen soll, die zum Zeitpunkt des Vergleichs noch gar nicht existieren, schafft sie keinen zusätzlichen Wert. Solche Absicherungen, die beispielsweise die Übernahme des Arbeitnehmerentwurfs regeln, werden durch die reguläre Einigungsgebühr des Anwalts bereits abgegolten.
Nehmen wir an: Ein Arbeitnehmer verhandelt eine Klausel, die den Arbeitgeber zur Übernahme seines Entwurfs für ein „sehr gutes“ Zeugnis zwingt. Obwohl dies eine starke vertragliche Absicherung darstellt, entsteht kein eigener Mehrwert, wenn der Streit über die Note bereits abgeräumt war. Die Richter betonten, dass selbst eine Klausel, die künftige Streitigkeiten „nahezu ausschließe“, irrelevant ist. Der Fokus liegt immer auf der Beseitigung einer nachweisbaren, gegenwärtigen Ungewissheit.
Konzentrieren Sie die Argumentation für den Mehrwert stets darauf, nachzuweisen, dass ohne die präzise Klausel eine sofortige Zeugnisberichtigungsklage gedroht hätte.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Betriebsbedingte Änderungskündigung
Eine Betriebsbedingte Änderungskündigung ist die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber, verbunden mit dem direkten Angebot, die Tätigkeit zu geänderten Bedingungen (oft schlechteren) fortzusetzen. Das Gesetz erlaubt diese Maßnahme, wenn dringende betriebliche Erfordernisse wie Umsatzrückgang oder Rationalisierung vorliegen, die eine Weiterbeschäftigung zu den ursprünglichen Konditionen unmöglich machen.
Beispiel: Im vorliegenden Fall wehrte sich die Arbeitnehmerin gegen eine betriebsbedingte Änderungskündigung, weil sie die ihr angebotenen neuen Vertragsbedingungen nicht akzeptieren wollte.
Bezirksrevisorin
Juristen nennen die Bezirksrevisorin eine spezielle Beamtin der Justiz, die die Rechtmäßigkeit und Höhe der vom Gericht festgesetzten Kosten und Gebühren, insbesondere Anwaltsgebühren, penibel überprüft. Diese Kontrollinstanz sorgt im staatlichen Interesse dafür, dass die Gerichtskassen nicht durch überhöhte oder falsch berechnete Gegenstandswerte geschädigt werden und die Kostenabrechnung korrekt erfolgt.
Beispiel: Die Bezirksrevisorin legte Beschwerde gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts ein, da sie den erhöhten Gegenstandswert aufgrund der Zeugnisregelung für unberechtigt hielt.
Einigungsgebühr
Diese gesonderte anwaltliche Gebühr entsteht, wenn Anwalt und Mandant erfolgreich einen Rechtsstreit durch einen Vergleich beenden und dadurch weitere Gerichtsverfahren vermeiden. Die Einigungsgebühr honoriert die spezielle Tätigkeit des Anwalts, der durch Verhandlungsgeschick eine konsensuale Lösung erzielt, wodurch Gerichte entlastet und die Parteien schnell zu einem Abschluss kommen.
Beispiel: Die anwaltliche Tätigkeit, zukünftige Absicherungen im Vergleich auszuhandeln, galt nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts bereits als durch die reguläre Einigungsgebühr abgegolten.
Gegenstandswert
Der Gegenstandswert, auch als Streitwert bezeichnet, ist der in Euro bezifferte finanzielle Wert eines gerichtlichen Verfahrens, der als Grundlage zur Berechnung der Gerichts- und Anwaltsgebühren dient. Wie hoch die Kosten für einen Prozess sind, richtet sich maßgeblich nach diesem Wert, da er das wirtschaftliche Risiko widerspiegelt, das mit dem jeweiligen Rechtsstreit verbunden ist.
Beispiel: Durch die Regelung zum Zeugnis wollte der Anwalt den Gegenstandswert für den Prozess von 9.465 Euro auf 12.620 Euro erhöhen, um höhere Anwaltsgebühren zu erzielen.
Qualifiziertes Arbeitszeugnis
Ein Qualifiziertes Arbeitszeugnis ist ein detailliertes Dokument, das nicht nur Art und Dauer der Beschäftigung, sondern auch die Leistung und das Verhalten des Arbeitnehmers während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses bewertet. Arbeitnehmer haben am Ende eines Arbeitsverhältnisses einen gesetzlichen Anspruch auf diese Form des Zeugnisses, um ihre berufliche Qualifikation bei zukünftigen Bewerbungen transparent belegen zu können.
Beispiel: Die Arbeitnehmerin im Kündigungsstreit sicherte sich in dem Vergleich die Klausel, dass der Arbeitgeber ihr ein „sehr gutes“ qualifiziertes Arbeitszeugnis ausstellen musste.
Vergleichsmehrwert
Ein Vergleichsmehrwert entsteht im juristischen Sinne immer dann, wenn ein gerichtlicher Vergleich zusätzliche Konflikte beilegt oder Ungewissheiten beseitigt, die nicht Gegenstand des ursprünglichen Hauptverfahrens waren. Der Gesetzgeber erkennt diese Erweiterung an, indem er den Gegenstandswert erhöht, weil durch die Einigung ein potenziell neuer Rechtsstreit vermieden wird und somit die Rechtssicherheit für beide Parteien steigt.
Beispiel: Das Landesarbeitsgericht entschied, dass die Regelung zum Zeugnis keinen Vergleichsmehrwert auslöste, weil zum Zeitpunkt der Einigung kein bestehender Konflikt über das Arbeitszeugnis vorlag.
Das vorliegende Urteil
Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt – Az.: 1 Ta 36/25 – Beschluss vom 30.07.2025
* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.


