Übersicht:
- Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Gehaltsunterschiede im Job: Wann darf der neue Kollege mehr verdienen als Sie? Ein wegweisendes Urteil erklärt
- Der Zankapfel: Ein Personalleiter fühlt sich ungerecht bezahlt
- Die Argumente vor Gericht: Qualifikation gegen Gleichbehandlung
- Der Weg durch die Instanzen: Vom Arbeitsgericht zum Landesarbeitsgericht
- Die juristische Lupe: Was das Landesarbeitsgericht prüfen musste
- Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts: Klare Grenzen für Gehaltsanpassungen
- Einordnung und Hintergrund: Was steckt hinter dem Urteil?
- Die „Vorher-Nachher“-Perspektive: Keine Revolution, aber eine wichtige Bestätigung
- Das Spannungsfeld: Unternehmerisches Ermessen vs. Faire Behandlung
- „Was bedeutet das für MICH?“ – Praktische Konsequenzen und Tipps
- Häufig gestellte Fragen zum Thema Gehaltsunterschiede und das aktuelle Gerichtsurteil
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Kann mein neuer Kollege jetzt einfach mehr verdienen als ich, obwohl wir dieselbe Arbeit machen?
- Was genau sind denn „sachliche Gründe“, die einen Gehaltsunterschied rechtfertigen können? Im Artikel steht, dass Qualifikation und Erfahrung zählen – gibt es da noch mehr Beispiele?
- Der Gleichbehandlungsgrundsatz wurde hier nicht verletzt. Wann würde er denn greifen, wenn es um das Gehalt geht?
- Was kann ich als Arbeitnehmer tun, wenn ich vermute, dass ich unfair bezahlt werde – besonders bevor ich an eine Klage denke?
- Das Entgelttransparenzgesetz wurde erwähnt. Hilft mir dieses Gesetz konkret, wenn ich glaube, wegen meines Geschlechts weniger zu verdienen?
- Spielt es eine Rolle, ob mein Gehalt damals individuell verhandelt wurde oder ob es im Unternehmen feste Gehaltsbänder oder -tabellen gibt?
- Gehaltskluft im Team: Qualifikation und Markt setzen oft den Rahmen

Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Wichtigstes Ergebnis: Nur weil ein neuer Kollege im gleichen Job deutlich mehr verdient, haben Sie nicht automatisch Anspruch auf das gleiche Gehalt. Das Gericht sagte: Unterschiede bei Ausbildung und Erfahrung können höhere Gehälter rechtfertigen.
- Wer ist betroffen? Arbeitnehmer, die feststellen, dass neu eingestellte Kollegen für die gleiche Tätigkeit deutlich mehr verdienen als sie selbst.
- Praktische Konsequenzen: Es ist schwierig, eine Gehaltserhöhung nur wegen des besseren Gehalts eines neuen Kollegen gerichtlich durchzusetzen, wenn dieser nachweislich besser qualifiziert oder erfahrener ist. Arbeitgeber dürfen solche Unterschiede berücksichtigen.
- Hintergrundinformation: Der Fall betraf einen langjährigen Personalleiter, der deutlich weniger verdiente als zwei neue Kollegen mit gleicher Position, aber anderer Qualifikation und Erfahrung.
- Gesetzliche Grundlage: Das Urteil stützt sich auf die gesetzlichen Regeln zur Gleichbehandlung; diese erlauben Gehaltsunterschiede, wenn es sachliche Gründe dafür gibt (wie Qualifikation und Erfahrung). Es lag auch keine Diskriminierung wegen des Geschlechts vor.
Quelle: Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (Az.: 5 SLa 159/24) vom 28. Januar 2025
Gehaltsunterschiede im Job: Wann darf der neue Kollege mehr verdienen als Sie? Ein wegweisendes Urteil erklärt
Stellen Sie sich vor, Sie arbeiten seit Jahren engagiert als Personalleiter in Ihrem Unternehmen. Ihr Gehalt: 4.200 Euro brutto. Dann stellt Ihr Arbeitgeber neue Kollegen für dieselbe Position ein – und diese verdienen plötzlich 10.000 Euro brutto, bekommen Provisionen und einen Dienstwagen. Eine Situation, die bei vielen Betroffenen für Unverständnis und Frust sorgt. Genau ein solcher Fall landete vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern und führte zu einem Urteil (Az. 5 SLa 159/24), das für viele Arbeitnehmer und Arbeitgeber wichtige Leitlinien aufzeigt.
Dieses Urteil beleuchtet, wann erhebliche Gehaltsunterschiede zwischen langjährigen und neu eingestellten Mitarbeitern für die gleiche Tätigkeit rechtens sein können – und wann nicht. Es beantwortet die drängende Frage: Muss gleicher Job immer gleiches Gehalt bedeuten?
Der Zankapfel: Ein Personalleiter fühlt sich ungerecht bezahlt
Im Zentrum des Rechtsstreits stand ein Personalleiter, nennen wir ihn Herrn K., geboren 1988. Nach zwei Berufsausbildungen im Hotelgewerbe und mehrjähriger Berufserfahrung, unter anderem als Niederlassungsleiter bei Zeitarbeitsfirmen, begann er im Oktober 2020 seine Tätigkeit als Personalleiter. Sein Vertrag sah ein Bruttomonatsgehalt von 4.200 Euro vor. Zunächst für rund 80 Mitarbeiter zuständig, wuchs sein Verantwortungsbereich nach einem Betriebsübergang im Oktober 2021 auf die Betreuung von etwa 800 Beschäftigten in verschiedenen Unternehmen einer Gruppe an. Trotz mehrfacher Bemühungen seit 2021 blieb sein Wunsch nach einer Gehaltserhöhung unerfüllt.
Die Situation spitzte sich zu, als sein Arbeitgeber im Dezember 2022 einen weiteren Personalleiter, Herrn M., einstellte. Dieser erhielt ein Gehalt von 10.000 Euro brutto, zuzüglich Provisionen und eines Dienstwagens. Herr M., Jahrgang 1976, war Diplom-Ökonom und brachte langjährige Erfahrung im Personalbereich aus diversen Großunternehmen mit. Sein Arbeitsverhältnis endete jedoch bereits nach knapp drei Monaten.
Im Juli 2023, nachdem Herr K. seit Mai längere Zeit arbeitsunfähig erkrankt war, stellte der Arbeitgeber eine weitere Personalleiterin ein, Frau W. Sie war die Zweitplatzierte im vorherigen Ausschreibungsverfahren und erhielt ebenfalls 10.000 Euro brutto plus Provisionen und Dienstwagen. Frau W., Jahrgang 1986, hatte ein Bachelor- und ein Masterstudium im Bereich Human Resources Management absolviert und war zuvor in verschiedenen mittelständischen Unternehmen im Personalbereich tätig. Auch ihr Arbeitsverhältnis war nur von kurzer Dauer und endete auf ihre Initiative hin im September 2023.
Herr K. sah sich durch diese Gehaltsunterschiede massiv benachteiligt. Er forderte mit seiner Klage vom Oktober 2023 rückwirkend ab Oktober 2020 ebenfalls ein Monatsgehalt von 10.000 Euro brutto. Er stützte seine Forderung auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG), da er die gleiche Tätigkeit wie seine neu eingestellten, aber deutlich besser bezahlten Kollegen ausübte.
Die Argumente vor Gericht: Qualifikation gegen Gleichbehandlung
Die Sicht des Klägers: Gleiche Arbeit, gleicher Lohn
Herr K. argumentierte, dass es keinen sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung gebe. Er habe sich nichts zuschulden kommen lassen und fachliche Defizite seien nicht aufgetreten. Die Tatsache, dass er die gleiche Arbeit wie Herr M. und Frau W. verrichte, müsse zu gleichem Lohn führen. Er sah hier eine klare Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und eine Entgeltbenachteiligung.
Die Verteidigung des Arbeitgebers: Unterschiede in Qualifikation und Erfahrung
Der Arbeitgeber hingegen berief sich auf die Vertragsfreiheit. Es sei zulässig, Gehälter individuell auszuhandeln. Eine Diskriminierung wegen des Geschlechts liege nicht vor, da ja sowohl ein Mann (Herr M.) als auch eine Frau (Frau W.) die höhere Vergütung erhalten hätten. Entscheidend sei vielmehr, dass Herr K. nicht mit den beiden neuen Kollegen vergleichbar sei. Diese hätten eine höhere Qualifikation und umfangreichere, einschlägigere Berufserfahrung aufgewiesen, was die höhere Vergütung rechtfertige. Der Arbeitgeber betonte zudem, dass die damaligen Marktbedingungen es erforderlich gemacht hätten, den neuen Personalleitern ein deutlich höheres Gehalt zu zahlen.
Der Weg durch die Instanzen: Vom Arbeitsgericht zum Landesarbeitsgericht
Das Arbeitsgericht Rostock wies die Klage von Herrn K. bereits in erster Instanz mit Urteil vom 15. Mai 2024 (Az. 4 Ca 1137/23) vollumfänglich ab. Die Richter dort sahen weder einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz noch eine Diskriminierung wegen des Geschlechts. Herr K. habe nicht ausreichend dargelegt, dass er sich in einer vergleichbaren Lage wie die später eingestellten Kollegen befunden habe. Für eine geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung gebe es keine Anzeichen.
Herr K. legte gegen diese Entscheidung Berufung beim Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern ein. Er hielt an seiner Auffassung fest, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz anzuwenden sei, da er die gleiche oder zumindest gleichwertige Tätigkeit ausgeübt habe und innerhalb der Gruppe der Personalleiter deutlich schlechter behandelt worden sei. Qualifikation und Erfahrung spielten seiner Meinung nach nur eine untergeordnete Rolle.
Der Fall von Herrn K. ist keineswegs ein Einzelfall. Er steht exemplarisch für eine Problematik, die viele langjährige Mitarbeiter kennen: Neue Kollegen werden zu deutlich besseren Konditionen eingestellt, oft weil der Arbeitsmarkt für bestimmte Fachkräfte angespannt ist. Dies kann zu Frustration und dem Gefühl führen, nicht wertgeschätzt zu werden. Die menschliche Dimension dieser Konflikte ist oft erheblich.
Die juristische Lupe: Was das Landesarbeitsgericht prüfen musste
Das Landesarbeitsgericht musste sich mit mehreren zentralen Rechtsfragen auseinandersetzen, um zu einer Entscheidung zu gelangen.
Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz: Ein Kernprinzip im Arbeitsrecht
Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist ein fundamentales Prinzip im deutschen Arbeitsrecht. Er leitet sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Artikels 3 des Grundgesetzes (GG) ab. Vereinfacht gesagt, verbietet er dem Arbeitgeber, einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern willkürlich oder ohne sachlichen Grund schlechter zu behandeln als andere Arbeitnehmer in einer vergleichbaren Lage.
Eine entscheidende Frage war hier: Greift dieser Grundsatz auch bei individuell ausgehandelten Gehältern, insbesondere bei der Einstellung neuer Mitarbeiter, oder ist er auf Fälle beschränkt, in denen der Arbeitgeber nach einem allgemeinen, schematischen System (z.B. einer Gehaltstabelle) vergütet? Das Gericht musste klären, ob die individuellen Einstellungsentscheidungen für Herrn M. und Frau W. ein solches „erkennbares und generalisierendes Prinzip“ begründeten, von dem Herr K. hätte profitieren können.
Das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG): Fokus auf faire Bezahlung
Herr K. berief sich auch auf das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG). Dieses Gesetz, in Kraft seit 2017, hat zum Ziel, den Grundsatz „gleichen Entgelts für gleiche oder gleichwertige Arbeit“ durchzusetzen und insbesondere geschlechtsbezogene Entgeltdiskriminierung zu bekämpfen. § 3 EntgTranspG verbietet eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts bei der Bezahlung. § 7 EntgTranspG konkretisiert dies: Für gleiche oder gleichwertige Arbeit darf nicht wegen des Geschlechts ein geringeres Entgelt vereinbart oder gezahlt werden als bei einem Beschäftigten des anderen Geschlechts.
Hier musste das Gericht prüfen, ob Anhaltspunkte für eine Diskriminierung von Herrn K. aufgrund seines Geschlechts vorlagen.
Die „sachliche Rechtfertigung“: Der Schlüssel zur erlaubten Unterscheidung
Ein Dreh- und Angelpunkt in Fällen von Ungleichbehandlung ist stets die Frage nach der sachlichen Rechtfertigung. Selbst wenn eine Ungleichbehandlung vorliegt, kann sie zulässig sein, wenn es dafür triftige, objektive Gründe gibt. Das Gericht musste also bewerten, ob die vom Arbeitgeber angeführten Unterschiede in Qualifikation (Studienabschlüsse) und Berufserfahrung (Art und Dauer der Vortätigkeiten, Erfahrung in Großunternehmen) als solche sachlichen Gründe anzuerkennen waren und ob sie die erhebliche Gehaltsdiskrepanz rechtfertigen konnten.
Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts: Klare Grenzen für Gehaltsanpassungen
Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern kam in seinem Urteil vom 28. Januar 2025 zu einem klaren Ergebnis: Die Berufung des Klägers wurde zurückgewiesen. Damit bestätigte es die erstinstanzliche Entscheidung des Arbeitsgerichts Rostock. Herrn K. stand weder aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz noch aus dem Entgelttransparenzgesetz ein Anspruch auf die geforderte höhere Vergütung zu. Die Entscheidung ist inzwischen rechtskräftig, das heißt, es wurden keine weiteren erfolgreichen Rechtsmittel eingelegt.
Die zentralen Gründe – Warum das Gericht so entschied
Die Richter begründeten ihre Entscheidung ausführlich und stützten sich dabei auf etablierte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG).
1. Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt: individuelle Verhandlungen statt System
Das Gericht stellte fest, dass der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz im vorliegenden Fall nicht verletzt wurde. Ein Arbeitnehmer hat im Allgemeinen keinen Anspruch auf das gleiche, individuell ausgehandelte Gehalt eines Kollegen, selbst wenn er die identische Arbeit verrichtet.
Der Grundsatz greift vor allem dann, wenn ein Arbeitgeber von einer selbst gesetzten allgemeinen Regel oder einem System (z.B. einer formalen Gehaltstabelle, einer einheitlichen Praxis von Bonuszahlungen) ohne sachliche Rechtfertigung abweicht. Die individuellen Einstellungsentscheidungen für Herrn M. und Frau W. mit ihren individuell ausgehandelten Gehältern begründeten laut Gericht keine solche allgemeine Regel oder ein generalisierendes Prinzip, das auf das bestehende Personal – und damit auf Herrn K. – anwendbar wäre.
Das Gericht führte aus, dass vor der Einstellung der neuen Personalleiter keine Vergleichsgruppe existierte, die eine bestimmte Vergütungshöhe etabliert hätte. Die Einstellung von Herrn M. und später Frau W. zu höheren Gehältern schuf auch keine neue betriebliche Einheitsregel oder allgemeingültige Vergütungsmaßstäbe, aus denen Herr K. einen Anspruch auf das gleiche Gehalt hätte ableiten können. Die Zusage der höheren Vergütung an die neuen Kollegen basierte nicht auf einer betrieblichen Einheitsregelung, sondern auf individuellen Vertragsverhandlungen im Rahmen der Vertragsfreiheit.
2. Sachliche Gründe für Gehaltsunterschiede lagen vor: Qualifikation und Erfahrung zählen
Selbst wenn man eine Vergleichsgruppe annehmen würde, sah das Gericht die unterschiedliche Bezahlung als sachlich gerechtfertigt an. Das LAG erkannte die vom Arbeitgeber vorgebrachten Argumente an:
- Höherwertige Berufsabschlüsse: Herr M. war Diplom-Ökonom, Frau W. hatte ein Masterstudium im Personalmanagement absolviert. Herr K. verfügte über zwei Berufsausbildungen im Hotelfach.
- Umfangreichere und einschlägigere Berufserfahrung: Herr M. und Frau W. wiesen umfangreiche Vorerfahrungen im Personalbereich auf, Herr M. insbesondere in Großunternehmen. Das Gericht sah hierin ein größeres Potenzial für die wahrzunehmenden Aufgaben.
Das Gericht betonte, dass unterschiedliche Qualifikationen und eine umfangreichere oder spezifischere Berufserfahrung valide, sachliche Gründe für eine Gehaltsdifferenzierung darstellen können. Die durch Ausbildung erworbenen Kenntnisse und das sich daraus ergebende Potenzial sowie der bisherige berufliche Werdegang seien typische Bewertungsfaktoren bei der Gehaltsbemessung. Das Gericht bewertete diese Unterschiede zwischen Herrn K. und den neu eingestellten Kollegen als substanziell genug, um die erhebliche Gehaltslücke zu rechtfertigen. Der Arbeitgeber durfte qualitativ höhere Leistungen von den neuen Kollegen erwarten.
Was bedeutet „sachlicher Grund“?
Ein „sachlicher Grund“ für eine unterschiedliche Behandlung muss nachvollziehbar, objektiv und nicht willkürlich sein. Im Arbeitsrecht können dies beispielsweise sein:
- Unterschiedliche Qualifikationen (Ausbildung, Studienabschlüsse, Zertifikate)
- Unterschiedliche Berufserfahrung (Dauer, Art der Tätigkeit, Branche, Unternehmensgröße)
- Unterschiedliche Leistung oder Verantwortung
- Besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten
- Marktübliche Gehälter für bestimmte, schwer zu findende Spezialisten
Wichtig ist, dass der Grund nicht diskriminierend sein darf (z.B. aufgrund von Geschlecht, Alter, Herkunft).
3. Keine Geschlechterdiskriminierung nach dem Entgelttransparenzgesetz
Auch eine Benachteiligung des Klägers wegen seines Geschlechts konnte das Gericht nicht erkennen. Nach § 3 Abs. 1 und § 7 EntgTranspG ist eine geringere Bezahlung wegen des Geschlechts bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit verboten. Die Beweislastregel des § 22 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) besagt: Wenn Indizien eine Benachteiligung vermuten lassen, muss der Arbeitgeber beweisen, dass kein Verstoß vorlag.
Im Fall von Herrn K. sah das Gericht jedoch keine solchen Indizien.
Entscheidend war:
- Der erste besser bezahlte Kollege, Herr M., war männlich, also gleichen Geschlechts wie der Kläger. Dies sprach bereits gegen eine geschlechtsbedingte Ursache für die unterschiedliche Behandlung.
- Die später eingestellte Frau W. erhielt zwar mehr Gehalt als Herr K., aber dasselbe Gehalt wie ihr männlicher Vorgänger, Herr M.
- Der Arbeitgeber hatte also die höhere Vergütung unabhängig vom Geschlecht gewährt. Es gab keine Anzeichen dafür, dass Herr K. nur deshalb weniger verdiente, weil er ein Mann war.
Die Klage wurde daher auch unter diesem Aspekt abgewiesen.
Einordnung und Hintergrund: Was steckt hinter dem Urteil?
Die Entscheidung des LAG Mecklenburg-Vorpommern fügt sich nahtlos in die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ein. Das BAG hat wiederholt betont, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nur begrenzt auf individuell ausgehandelte Gehälter anwendbar ist. Arbeitgeber sind grundsätzlich frei, Gehälter individuell zu vereinbaren (Vertragsfreiheit). Daraus resultierende Unterschiede sind nicht automatisch ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, solange keine willkürliche Diskriminierung oder eine sachfremde Abweichung von einem allgemeinen Entgeltschema vorliegt.
Die „Vorher-Nachher“-Perspektive: Keine Revolution, aber eine wichtige Bestätigung
Dieses Urteil revolutioniert die Rechtslage nicht, aber es bestätigt und konkretisiert die bestehende Linie der Arbeitsgerichte. Es macht deutlich, dass Gerichte bereit sind, erhebliche Gehaltsunterschiede zu akzeptieren, wenn diese auf nachvollziehbaren Unterschieden in Qualifikation und Erfahrung beruhen. Es zeigt, wie der abstrakte Begriff der „sachlichen Rechtfertigung“ im Einzelfall mit Leben gefüllt wird. Die Akzeptanz von Studienabschlüssen wie „Master in HR-Management“ oder „Diplom-Ökonom“ und „einschlägigerer Berufserfahrung in Großunternehmen“ als triftige Gründe gibt Arbeitgebern eine gewisse Sicherheit, aber auch Arbeitnehmern Hinweise darauf, welche Faktoren bei Gehaltsvergleichen eine Rolle spielen.
Das Spannungsfeld: Unternehmerisches Ermessen vs. Faire Behandlung
Das Urteil verdeutlicht das grundlegende Spannungsfeld im Arbeitsrecht: Einerseits benötigen Arbeitgeber unternehmerischen Spielraum, um im Wettbewerb um Talente bestehen zu können, individuelle Leistung und den Marktwert bestimmter Qualifikationen zu honorieren. Sie müssen auf dem Arbeitsmarkt agieren und manchmal höhere Gehälter bieten, um gefragte Fachkräfte zu gewinnen. Andererseits haben Arbeitnehmer ein berechtigtes Interesse an Schutz vor willkürlicher und unfairer Behandlung.
Das Urteil signalisiert: Solange das Ermessen des Arbeitgebers auf erkennbaren, objektiven Faktoren beruht, die sich auf das individuelle Profil des Arbeitnehmers und die Anforderungen der Stelle beziehen, ist eine erfolgreiche Anfechtung unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgrundsatzes bei der Vergütung unwahrscheinlich.
„Was bedeutet das für MICH?“ – Praktische Konsequenzen und Tipps
Die Entscheidung des LAG Mecklenburg-Vorpommern hat konkrete Auswirkungen sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber.
Für Arbeitnehmer: Gehaltsunterschiede kritisch prüfen
- Hohe Hürden für Klagen: Dieses Urteil zeigt erneut: Der bloße Umstand, dass ein Kollege in derselben oder einer ähnlichen Position mehr verdient, reicht für eine erfolgreiche Klage auf Gehaltsanpassung oft nicht aus. Der Teufel steckt im Detail der Qualifikationen und Erfahrungen.
- Beweislast liegt oft beim Arbeitnehmer: Sie müssen darlegen und gegebenenfalls beweisen können, dass der Gehaltsunterschied willkürlich ist, auf sachfremden Erwägungen beruht oder diskriminierende Gründe hat (z.B. Geschlecht, Alter).
- Fokus auf Systemfehler oder klare Diskriminierung: Bessere Erfolgsaussichten bestehen, wenn Sie nachweisen können, dass der Arbeitgeber von einem etablierten, allgemeinen betrieblichen Entgeltsystem zu Ihren Ungunsten abweicht oder wenn klare Anzeichen für eine Diskriminierung nach dem AGG (z.B. wegen des Geschlechts) vorliegen.
- Das Entgelttransparenzgesetz nutzen: Auch wenn es im Fall von Herrn K. nicht zum Erfolg führte, bietet das EntgTranspG in Betrieben mit in der Regel mehr als 200 Beschäftigten einen individuellen Auskunftsanspruch. Dieser kann helfen, die eigene Gehaltssituation im Vergleich zu Kollegen des anderen Geschlechts mit vergleichbarer Tätigkeit besser einzuschätzen und Indizien für eine mögliche geschlechtsbezogene Benachteiligung aufzudecken.
- Praktischer Tipp: Wenn Sie einen Gehaltsunterschied vermuten, versuchen Sie (auf legalem Wege, z.B. über Stellenausschreibungen oder öffentlich zugängliche Profile), Informationen über die Qualifikationen und Erfahrungen der Vergleichspersonen zu sammeln. Suchen Sie das Gespräch mit Ihrem Vorgesetzten, legen Sie Ihre eigenen Qualifikationen, Erfahrungen und Leistungen dar und argumentieren Sie für eine Gehaltsanpassung. Eine Klage sollte immer der letzte Schritt sein.
Stellen Sie sich Frau S. vor, eine langjährige Marketingmanagerin. Sie erfährt, dass ein neu eingestellter Kollege mit ähnlicher Stellenbezeichnung deutlich mehr verdient. Bevor sie überstürzt handelt, sollte sie, inspiriert durch dieses Urteil, überlegen: Hat der neue Kollege vielleicht spezielle Zertifikate, einen höheren Abschluss oder nachweisbare Erfolge in Projekten, die für die aktuelle Strategie des Unternehmens besonders wertvoll sind? Eine ehrliche Analyse kann helfen, die eigene Position realistisch einzuschätzen.
Für Arbeitgeber: Entscheidungen gut begründen und dokumentieren
- Dokumentation ist entscheidend: Die Gründe für Gehaltsentscheidungen, insbesondere wenn neue Mitarbeiter signifikant mehr verdienen als Bestandsmitarbeiter, sollten zum Zeitpunkt der Einstellung sorgfältig und nachvollziehbar dokumentiert werden. Diese Dokumentation sollte sich auf objektive Kriterien wie Qualifikationen, spezifische und relevante Berufserfahrung, besondere Fähigkeiten und gegebenenfalls die angespannte Marktlage für dieses spezielle Skillset konzentrieren.
- Transparente (interne) Kriterien schaffen: Auch wenn Gehälter individuell verhandelt werden, können klare interne Richtlinien oder zumindest nachvollziehbare Kriterien für Gehaltsbänder, die an definierte Qualifikations-, Erfahrungs- und Verantwortungsniveaus geknüpft sind, helfen, Objektivität zu demonstrieren und das Vertrauen der Belegschaft zu stärken.
- Regelmäßige Überprüfung der Gehaltsstrukturen: Auch wenn dieses Urteil keine automatischen Gehaltserhöhungen für Bestandsmitarbeiter vorschreibt, wenn neue Kollegen mehr verdienen, sollten Arbeitgeber die interne Lohngerechtigkeit und -fairness im Auge behalten. Große, andauernde und für die Mitarbeiter nicht nachvollziehbare Gehaltslücken können zu Demotivation, innerer Kündigung und potenziellen zukünftigen Klagen führen, selbst wenn ein Einzelfall wie dieser juristisch „gewonnen“ wird.
- Willkür vermeiden: Jede Differenzierung muss auf echten, für das Unternehmen relevanten Wertunterschieden beruhen und darf nicht auf Günstlingswirtschaft, Sympathie oder gar diskriminierenden Faktoren basieren.
- Kommunikation mit Bedacht: Volle Gehaltstransparenz ist in vielen Unternehmen nicht üblich oder gewünscht. Eine klare Kommunikation darüber, wie Gehälter grundsätzlich festgelegt werden (z.B. basierend auf Erfahrung, Qualifikationsniveau, Verantwortung, Marktsätzen), kann jedoch helfen, die Erwartungen der Mitarbeiter zu steuern und das Verständnis für Gehaltsunterschiede zu fördern.
- Praktischer Tipp: Bei der Einstellung neuer Mitarbeiter zu deutlich höheren Gehältern aufgrund des Marktes oder besonderer Qualifikationen sollte geprüft werden, ob und wie die Gehälter von langjährigen, verdienten Mitarbeitern mit vergleichbarer oder über die Jahre gewachsener Qualifikation und Verantwortung angepasst werden können. Dies ist zwar nicht immer rechtlich zwingend, kann aber entscheidend für das Betriebsklima, die Mitarbeitermotivation und die Bindung von Leistungsträgern sein.
Relevante Rechtsnormen auf einen Blick
Diese Gesetze und Grundsätze spielten im Urteil eine Rolle:
- Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz: Abgeleitet aus Art. 3 Grundgesetz (GG). Verbietet willkürliche oder sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung.
- § 3 Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG): Verbot der Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit.
- § 7 Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG): Konkretisiert das Verbot der Entgeltbenachteiligung.
- Art. 157 Vertrag über die Arbeitsweise der EU (AEUV): Europarechtlicher Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit.
- § 22 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG): Regelung zur Beweislast bei Diskriminierung.
Diese Normen bilden den Rahmen, innerhalb dessen Gerichte Gehaltsunterschiede bewerten.
Häufig gestellte Fragen zum Thema Gehaltsunterschiede und das aktuelle Gerichtsurteil
Nachfolgend beantworten wir die häufigsten Fragen zu unserem Artikel über das Gerichtsurteil zu Gehaltsunterschieden und dessen Auswirkungen für Sie.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Kann mein neuer Kollege jetzt einfach mehr verdienen als ich, obwohl wir dieselbe Arbeit machen?
Was genau sind denn „sachliche Gründe“, die einen Gehaltsunterschied rechtfertigen können? Im Artikel steht, dass Qualifikation und Erfahrung zählen – gibt es da noch mehr Beispiele?
- Höherwertige Berufsabschlüsse: Die neu eingestellten Kollegen hatten Studienabschlüsse (Diplom-Ökonom, Master in Human Resources Management), während der Kläger über Berufsausbildungen verfügte.
- Umfangreichere oder spezifischere Berufserfahrung: Die neuen Kollegen konnten auf langjährige Erfahrungen im Personalbereich, teils in Großunternehmen, verweisen, was der Arbeitgeber als wertvoller für die zu besetzende Stelle einstufte.
Der Artikel nennt in der Infobox darüber hinaus allgemeinere Beispiele für sachliche Gründe, wie unterschiedliche Leistung oder Verantwortung, besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten oder auch marktübliche Gehälter für bestimmte, schwer zu findende Spezialisten. Wichtig ist immer, dass diese Gründe nicht diskriminierend sein dürfen, beispielsweise aufgrund des Geschlechts oder Alters.
Der Gleichbehandlungsgrundsatz wurde hier nicht verletzt. Wann würde er denn greifen, wenn es um das Gehalt geht?
Was kann ich als Arbeitnehmer tun, wenn ich vermute, dass ich unfair bezahlt werde – besonders bevor ich an eine Klage denke?
Das Entgelttransparenzgesetz wurde erwähnt. Hilft mir dieses Gesetz konkret, wenn ich glaube, wegen meines Geschlechts weniger zu verdienen?
Spielt es eine Rolle, ob mein Gehalt damals individuell verhandelt wurde oder ob es im Unternehmen feste Gehaltsbänder oder -tabellen gibt?
Gehaltskluft im Team: Qualifikation und Markt setzen oft den Rahmen
Dieses Urteil unterstreicht: Individuelle Gehaltsunterschiede sind rechtens, wenn sie auf nachweisbar höheren Qualifikationen oder relevanterer Berufserfahrung der neu Eingestellten basieren. Es ist kein Freibrief für Willkür, sondern eine Bestätigung, dass der individuelle Wertbeitrag und die spezifischen Umstände der Einstellung, wie etwa die Marktlage, den Ausschlag geben können.
Die Entscheidung stärkt die Vertragsfreiheit der Arbeitgeber im Ringen um Fachkräfte, mahnt aber zugleich zur Sorgfalt: Unterschiede müssen objektiv und diskriminierungsfrei begründbar sein. Damit wird der Spagat zwischen Markterfordernissen und dem Gebot fairer Behandlung juristisch justiert, ohne den Gleichbehandlungsgrundsatz pauschal auf individuelle Gehaltsverhandlungen auszudehnen.
Für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen die zentrale Botschaft: Eine reine Gegenüberstellung von Gehältern reicht nicht; die Gesamtumstände und vor allem die Profile der verglichenen Personen sind entscheidend. Unternehmen sind gut beraten, ihre Entscheidungen sorgfältig zu dokumentieren, um nicht nur Rechtsstreitigkeiten, sondern auch Demotivation im Team vorzubeugen.