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Geschlechtsdiskriminierung – bei Zahlung von unterschiedlichem Lohn

ArbG Koblenz, Az.: 9 Ca 381/13

Urteil vom 27.08.2013

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin

1. 10.278,14 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit 12.12.2012 zu zahlen,

2. eine Entschädigung in Höhe von 5.233,29 Euro zu zahlen.

3. der Klägerin umfassend Auskunft darüber zu erteilen, ob die Klägerin auch bereits vor dem 01.09.2009 aufgrund ihres Geschlechts hinsichtlich des Lohnes und der übrigen Vergütungsbestandteile, insbesondere des Weihnachtsgeldes, des Urlaubsgeldes und der Anwesenheitsprämie ungleich behandelt worden ist und wenn ja, in welcher Höhe eine geringere Bezahlung als bei den männlichen Kollegen stattfand.

Geschlechtsdiskriminierung – bei Zahlung von unterschiedlichem Lohn
Symbolfoto: sangriana/Bigstock

II. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin eine von der Geschäftsführung der Beklagten unterzeichnete Niederschrift über die zwischen den Parteien geltenden Arbeitsvertragsbedingungen zu erteilen, die folgenden Inhalt hat:

a) Die Beklagte zahlt der Klägerin verbindlich und unwiderruflich ein Weihnachtsgeld i.H.v. 40 % des Bruttolohns, welches gemeinsam mit dem Gehalt für den Monat November gezahlt wird.

b) Die Beklagte zahlt der Klägerin verbindlich und unwiderruflich ein Urlaubsgeld i.H.v. 46,5 % des Bruttolohns. Das Urlaubsgeld wird in zwei Teilbeträgen à 23,25 % des Bruttogehalts gemeinsam mit den Gehältern für die Monate Juni und Oktober des Kalenderjahres gezahlt.

c) Die Beklagte zahlt der Klägerin eine Anwesenheitsprämie i.H.v. 5 Prozent des monatlichen Bruttolohns, die gemeinsam mit dem Gehalt für den jeweils abgelaufenen Monat ausgezahlt wird.

d) Die Beklagte zahlt der Klägerin verbindlich und unwiderruflich eine stückzahlabhängige Leistungsprämie.

e) Die Beklagte zahlt der Klägerin bei Bestehen eines gültigen Vertrages über vermögenswirksame Leistungen einen Arbeitgeberanteil an den vermögenswirksamen Leistungen i.H.v. 19,94 Euro brutto monatlich.

III. Die Beklagte wird weiter verurteilt, gegenüber der Klägerin die Zusammensetzung und Höhe der mit der Klägerin vereinbarten stückzahlabhängigen Leistungsprämien sowie deren Fälligkeit schriftlich niederzulegen und die Niederschrift zu unterzeichnen.

IV. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

V. Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 39/100 der Klägerin und zu 61/100 der Beklagten auferlegt.

VI. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 30.025,48 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die am 10.12.1962 geborene, bei der Beklagten seit dem 04.10.1964 als Produktionsmitarbeiterin in der Schuhproduktion gegen einen Bruttostundenlohn von vormals 8,61 und zuletzt 8,79 EUR ab Januar 2013 9,86 EUR beschäftigte Klägerin beansprucht mit der vorliegend am 29.01.2013 erhobenen Klage nach vorprozessualer Geltendmachung mit Schreiben vom 09.11.2012

1. wegen – beklagtenseits für die Vergangenheit eingeräumter – Geschlechtsdiskriminierung hinsichtlich der Lohnzahlung vergleichbar beschäftigter männlicher Produktionsmitarbeiter der Beklagten für den Anspruchszeitraum vom 01.01.2009 bis 31.12.2012 auf Basis – nach den Behauptungen der Klägerin laut Klageschrift – sich bei Ansatz einer durchschnittlich zu leistenden Arbeitszeit von 185 Monatsarbeitsstunden sich berechnender Lohndifferenzen

an Grundlohn von 10.212,00 EUR

5 % Anwesenheitsprämie/Zulage von 510,72 EUR

Weihnachtsgeld von 340,40 EUR

Urlaubsgeld von 395,72 EUR

mit – trotz Korrekturberechnung Bl. 250 – 251 als Anlage des klägerseitigen. Schriftsatzes vom 16.07.2013 auch auf Nachfrage des Gerichts im Kammertermin vom 27.08.2013 ausdrücklich nicht berichtigtem Klageantrag –

die Zahlung von in der Summe 11.458,84 EUR brutto,

2. die Zahlung immateriellen Schadensersatzes – nach den Behauptungen der Klägerin laut Klageschrift – zur Berechnung hierfür anzusetzender 185 Monatsarbeitsstunden (- statt sich tatsächlich nach den klägerseits vorgelegten Berechnungsunterlagen ergebenden durchschnittlich 176,92 Monatsarbeitsstunden -) à 9,94 EUR (statt richtigerweise 9,86 EUR, vgl. die Feststellung zur Sitzungsniederschrift vom 27.08.2013) in Höhe von 5 Monatsbezügen mit einem Gesamtbetrag von 9.194,50 EUR,

3. die Vornahme entsprechender „ordnungsgemäßer Abrechnungen“ für den Anspruchszeitraum,

4. Auskunftserteilung dahingehend, ob die Klägerin auch bereits vor dem 01.01.2009 aufgrund ihres Geschlechtes hinsichtlich des Lohnes und der übrigen Vergütungsbestandteile, insbesondere des Weihnachtsgeldes, des Urlaubsgeldes und der Anwesenheitsprämie ungleich behandelt worden ist und wenn ja, in welcher Höhe eine geringere Bezahlung als bei den männlichen Kollegen stattfand,

– ferner -,

5. wegen behaupteter Altersdiskriminierung hinsichtlich unterschiedlicher Urlaubsgewährung – die Beklagte gewährt ihren Mitarbeitern bis zum Erreichen des 58. Lebensjahres 34 Urlaubstage pro Kalenderjahr und erst ab dem 58. Lebensjahr 36 Urlaubstage – die Gewährung von 36 (statt 34) Urlaubstagen pro Kalenderjahr,

6. hieran anknüpfend – eine angemessene Entschädigung wegen des von ihr so verstandenen Verstoßes der Beklagten gegen das Benachteiligungsverbot des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, mindestens jedoch von 2.000,00 EUR,

– und weitergehend –

7. mit Klageanträgen 7 a bis f schriftlichen Nachweis wesentlicher Vertragsbedingungen im Sinnen der Anforderungen des Nachweisgesetzes hinsichtlich unstreitig gezahlten Weihnachtsgeldes, unstreitig gezahlten Urlaubsgeldes, unstreitig gezahlter Anwesenheitsprämie und unstreitig geschuldeter vermögenswirksamer Leistungen sowie Nachweis des Urlaubsanspruches mit 36 Urlaubstagen einschließlich fehlenden Verfalles des Urlaubsanspruches im Folgejahr, weiterhin, den Nachweis unstreitig gewährter Stückzahl abhängiger Leistungsprämie,

8. deren Erläuterung und schließlich mit Klageantrag Ziffer 9 –

9. die Verpflichtung der Beklagten, die Klägerin zukünftig auf der Grundlage eines Stundenlohnes von 9,94 EUR zu vergüten und dabei insbesondere auch das Weihnachtsgeld und das Urlaubsgeld, die Anwesenheitsprämie sowie den Urlaubslohn und die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall auf der Grundlage dieses Stundenlohnes abzurechnen und auszuzahlen.

Die Klägerin trägt vor, dass sie erstmals unter dem 25.09.2012 anlässlich einer Betriebsversammlung/Teambesprechung von der insgesamt unterschiedlichen Entlohnung sämtlicher weiblichen Produktionsmitarbeiterinnen im Vergleich zu den bei der Beklagten beschäftigten männlichen Produktionsmitarbeitern erfahren habe, weshalb entsprechende Ansprüche mit klägerseitigem Schreiben vom 09.11.2012 insbesondere fristgerecht im Sinne des § 15 Abs. 4 AGG für den vollen Anspruchszeitraum – und durch gleichzeitige Aufforderung zur weitergehenden Auskunftserteilung auch davor – geltend gemacht worden seien. Soweit die Beklagte sich auf Verjährung, Verwirkung bzw. Nichteinhaltung der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG berufe, lasse der insoweit nicht hinreichend substantiierte Vortrag der Beklagten jedwede Angabe einer konkreten Begebenheit vermissen, an der die Klägerin von einer Ungleichbehandlung – worauf es entscheidend ankomme – sämtlicher weiblicher Produktionsmitarbeiterinnen im Vergleich zu den beschäftigten männlichen Produktionsmitarbeitern der Beklagten Kenntnis erlangt habe. Keineswegs sei beklagtenseits die unterschiedliche Entlohnung innerbetrieblich stets „offen und eindeutig“ kommuniziert worden, weder durch angebliche Gespräche mit der Belegschaft, noch Einzelgespräche mit der Klägerin, noch Gespräche der Klägerin mit der Personalabteilung oder im Einstellungsgespräch und auch nicht „aus sonstigen Quellen. Nach allem habe die Beklagte Lohnnachzahlung und unter Berücksichtigung der Reichweite und Dauer der Diskriminierung immateriellen Schadensersatz in geltend gemachter Höhe zu leisten, im übrigen Auskunft zu erteilen hinsichtlich unstreitig eingeräumter Diskriminierung in der Zeit vor dem 01.01.2009.

Die Klägerin trägt weiter vor, dass über den nach den Anforderungen des Nachweisgesetzes zu erteilenden Nachweises der wesentlichen Vertragsbedingungen die Beklagte auch verpflichtet sei, ihr gegenüber die Gewährung von 36 Tagen Erholungsurlaub pro Kalenderjahr sowie als weitere Vertragsbedingung fehlenden Verfalls des Urlaubsanspruches im Folgejahr schriftlich niederzulegen. Tatsächlich stünden den Arbeitnehmern des Betriebes zur Beseitigung der bei der Beklagten praktizierten Altersdiskriminierung jeweils 36 Urlaubstage pro Kalenderjahr zu. Das sicherlich legitime Ziel des Gesundheitsschutzes älterer Arbeitnehmer könne mit der Gewährung zweier zusätzlicher Urlaubstage nicht erreicht werden. Zudem sei die von der Beklagten an dieser Stelle praktizierte Altersgruppenbildung willkürlich; es fehle insbesondere an Erkenntnissen einer ab dem 58. Lebensjahr bestehenden besonderen Schutzwürdigkeit der Arbeitnehmer. Vor dem Hintergrund eines deshalb festzuhaltenden besonderen schweren Verstoßes der Beklagten gegen das Verbot der Altersdiskriminierung sei die Beklagte auch zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung in Höhe von mindestens 2.000,00 EUR verpflichtet.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen,

1. an die Klägerpartei wegen Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz rückständigen Lohn in Höhe von 11.458,84 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit 12.12.2012 zuzahlen,

2. an die Klägerpartei wegen Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz eine angemessene Entschädigung, die sich jedoch auf mindestens 9.194,50 EUR belaufen soll, zu zahlen,

3. die nachzuzahlenden Löhne für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2012 ordnungsgemäß abzurechnen und der Klägerpartei entsprechende Gehaltsabrechnungen zu erteilen,

4. der Klägerpartei umfassend Auskunft darüber zu erteilen, ob die Klägerpartei auch bereits vor dem 01.01.2009 aufgrund ihres Geschlechts hinsichtlich des Lohnes und der übrigen Vergütungsbestandteile, insbesondere des Weihnachtsgeldes, des Urlaubsgeldes und der Anwesenheitsprämie ungleich behandelt worden ist und wenn ja, in welcher Höhe eine geringere Bezahlung als bei den männlichen Kollegen stattfand,

5. der Klägerpartei 36 Arbeitstage Erholungsurlaub pro Kalenderjahr zu gewähren,

6. an die Klägerpartei wegen Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz eine angemessene Entschädigung, die sich jedoch auf mindestens 2.000,00 EUR belaufen soll, zu zahlen,

7. der Klägerpartei eine von der Geschäftsführung der Beklagten unterzeichnete Niederschrift über die zwischen den Parteien geltenden. Arbeitsvertragsbedingungen zu erteilen, die folgenden Inhalt hat:

a) Die Beklagte zahlt der Klägerpartei verbindlich und unwiderruflich ein Weihnachtsgeld in Höhe von 40 % des Bruttolohns, welches gemeinsam mit dem Gehalt für den Monat November gezahlt wird.

b) Die Beklagte zahlt der Klägerpartei verbindlich und unwiderruflich ein Urlaubsgeld in Höhe von 46,5 % des Bruttolohns. Das Urlaubsgeld wird in zwei Teilbeträgen à 23,25 % des Bruttogehalts gemeinsam mit den Gehältern für die Monate Juni und Oktober des Kalenderjahres gezahlt.

c) Die Beklagte zahlt der Klägerpartei verbindlich und unwiderruflich eine Anwesenheitsprämie in Höhe von 5 % des monatlichen Bruttolohns, die gemeinsam mit dem Gehalt für den jeweils abgelaufenen Monat ausgezahlt wird.

Die Gewährung von Erholungsurlaub im fraglichen Kalendermonat führt nicht zu einer Reduzierung der Anwesenheitsprämie.

d) Die Beklagte zahlt der Klägerpartei verbindlich und unwiderruflich eine stückzahlabhängige Leistungsprämie.

e) Die Beklagte zahlt der Klägerpartei bei Bestehen eines gültigen Vertrages über vermögenswirksame Leistungen verbindlich und unwiderruflich einen Arbeitgeberanteil an den vermögenswirksamen Leistungen in Höhe von 19,94 EUR brutto monatlich.

f) Die Beklagte gewährt der Klägerpartei 36 Arbeitstage Erholungsurlaub pro Kalenderjahr.

Im laufenden Kalenderjahr nicht in Anspruch genommener Erholungsurlaub kann in folgende Kalenderjahre übertragen werden. Der Anspruch auf Gewährung des übertragenen Erholungsurlaubs verfällt nicht, insbesondere nicht zum 31. März des Folgejahres.

8. gegenüber der Klägerpartei die Zusammensetzung und Höhe der mit der Klägerpartei vereinbarten stückzahlabhängigen Leistungsprämien sowie deren Fälligkeit schriftlich niederzulegen und die Niederschrift zu unterzeichnen.

9. die Klägerpartei zukünftig auf der Grundlage eines Stundenlohnes von 9,94 EUR zu vergüten und dabei insbesondere auch das Weihnachtsgeld, das Urlaubsgeld, die Anwesenheitsprämie sowie den Urlaubslohn und die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall auf der Grundlage dieses Stundenlohns abzurechnen und auszuzahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, dass zu bestreiten sei, dass die Klägerin erstmals unter dem 25.09.2012 anlässlich einer Betriebsversammlung/Teambesprechung von der insgesamt unterschiedlichen Entlohnung sämtlicher weiblichen Produktionsmitarbeiterinnen im Vergleich zu den bei der Beklagten beschäftigten männlichen Produktionsmitarbeitern erfahren habe, so dass entsprechende Ansprüche auch nicht fristgerecht im Sinne des § 15 Abs. 4 AGG geltend gemacht worden seien. Vielmehr habe die Klägerin seit langem positive Kenntnis von der unterschiedlichen Bezahlung männlicher und weiblicher Produktionsmitarbeiter. Dies sei Gegenstand fortwährender Diskussionen, stetiger Konflikte und Nachfragen im Betrieb und in der Belegschaft der Beklagten gewesen, an denen auch die Klägerin beteiligt gewesen sei (Beweis: Zeugnis O., Prokurist sowie H., vormaliger Geschäftsführer). Innerbetrieblich habe man die unterschiedlichen Lohnstrukturen „stets offen und unverhohlen kommuniziert“; dies sei auch allen Arbeitnehmer bekannt gewesen (Beweis: Zeugnis der im Klageerwiderungsschriftsatz vom 16.05.2013 und mit Schriftsatz vom 22.08.2013 aufgeführten Zeugen). Entsprechend hätten seit März 2013 mehrfach Gespräche über die Anpassung der seit Jahren beanstandeten Lohnstrukturen stattgefunden unter Einbindung sowohl der Teamleiter als auch sämtlicher Arbeitnehmer (Beweis: wie vor). Die unterschiedlichen Löhne seien auch Gegenstand zahlreicher Einzelgespräche mit Teamleitern und der Geschäftsführung der Beklagten gewesen, zum Teil auch unter Einbindung der zuständigen Abteilungsleitung Personal/Personalmanagement der für die Beklagten als Personaldienstleiter tätigen … GmbH. Zum Teil seien Mitarbeiter auch „bei ihrer Einstellung“ darauf hingewiesen worden, dass die weiblichen Mitarbeiterinnen einen niedrigeren Lohn erhielten als männliche Produktionsmitarbeiter. Im übrigen habe Kenntnis der Produktionsmitarbeiterinnen von der Ungleichbehandlung auch „aus sonstigen Quellen“ bestanden (wird ausgeführt). Auch Betriebsräten und aufgrund von Presseartikeln der Öffentlichkeit seien die strukturellen Lohnunterschiede zwischen männlichen und weiblichen Produktionsmitarbeitern der Unternehmen der Firmengruppe bekannt gewesen. Der gesamte Vortrag der Klägerin sei insoweit unwahr und unglaubwürdig. Nach allem seien jedoch etwaige Ansprüche der Klägerin wegen Geschlechtsdiskriminierung im Sinne des § 15 Abs. 4 AGG verfristet. Im übrigen seien alle diesbezüglich geltend gemachten Ansprüche der Klägerin nach Maßgabe der einschlägigen Verjährungsvorschriften verjährt.

Weiterhin seien die Angaben der Klägerin zur angegebenen durchschnittlichen Arbeitszeit zu bestreiten. Es treffe insbesondere nicht zu, dass die Klägerin seit dem 01.01.2009 durchschnittlich 185 Stunden/Monat gearbeitet habe. Seit 01.01.2013 sei im übrigen der Lohn der Klägerin auf 9,86 EUR brutto angehoben worden. Die gegenteilige Behauptung der Klägerin, die Vergütung der männlichen Produktionsmitarbeiter beliefe sich auf durchweg 9,94 EUR brutto/Stunde sei unzutreffend. Soweit die Klägerin daher die Nachzahlung rückständigen Lohnes in beanspruchter Höhe geltend mache, sei der Vortrag der Klägerin unsubstantiiert, da die Klägerin hier eine fiktive monatliche Arbeitszeit von pauschal 185 Stunden zugrunde lege. Hinsichtlich der geltend gemachten Entschädigung wegen geschlechtsbezogener Diskriminierung sei im übrigen darauf hinzuweisen, dass der in Ansatz gebrachte Entschädigungsbetrag in keiner Weise angemessen sei. Es habe weder eine Geringschätzung der Person der Klägerin stattgefunden, noch sei diese erniedrigend oder demütigend behandelt worden. Infolgedessen bestehe auch kein Anspruch auf Erteilung entsprechender Abrechnungen und mangels Bestehens eines entsprechenden Hauptanspruches auf Zahlung auch kein entsprechender Auskunftsanspruch.

Die Beklagte trägt weiter vor, dass der Klägerin ein Anspruch auf 36 Tage Erholungsurlaub jährlich nicht zustehe. Die Gewährung von mehr Urlaub im Umfange von zwei Urlaubstagen/Jahr an Arbeitnehmer ab der Vollendung des 58. Lebensjahres sei legitim und als geeignetes Mittel angemessen, dem Schutz der Gesundheit und der Beschäftigung dieser älteren Arbeitnehmer zu dienen. Hinsichtlich des geltend gemachten Nachweises sei, ausgenommen die Urlaubsregelung, beabsichtigt die beanspruchten Arbeitsbedingungen gegenüber der Klägerin in Gestalt zu erteilenden schriftlichen Nachweises zu erteilen.

Zur Darstellung des Sach- und Streitstandes im weiteren wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften vom 01.03. und 27.08.2013 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist weitestgehend zulässig, unzulässig dagegen mit den Klageanträgen Ziffer 3 „ordnungsgemäße Abrechnung“ und Erteilung entsprechender Gehaltsabrechnungen für den Anspruchszeitraum vom 01.01.2009 bis 31.12.2012 mangels hinreichender Bestimmtheit des Klageantrages, §§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, 46 Abs. 2 ArbGG sowie hinsichtlich des Klageantrages Ziffer 9, gerichtet auf zukünftige Vergütungszahlung mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 259 ZPO, 246 Abs. 2 ArbGG.

Zur Klageabweisung des Klageantrages Ziffer 3 als unzulässig ist auszuführen, dass es nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BAG vom 25.04.2001 – 5 AZR 395/99 -) und einschlägigem Schrifttum (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Komm. z. ZPO, 71. Aufl., § 253 Rdnr. 46) dem Antrag, das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abzurechnen, an der hinreichenden Bestimmtheit im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO fehlt. Ein Urteil mit einem dem Antrag entsprechenden Tenor wäre letztlich nicht vollstreckbar. Die Frage, was eine „ordnungsgemäße“ Abrechnung meint, wäre vielmehr in einem weiteren Erkenntnisverfahren zu klären, zumal die Klägerin für den Anspruchszeitraum bereits Abrechnungen in Textform erhalten hat, die lediglich hinsichtlich nachzuzahlender Bruttobezüge – monatsweise in unterschiedlicher nicht konkret im Antrag angegebener Höhe – differieren.

Hinsichtlich des Antrages Ziffer 9 fehlt es an dem vorauszusetzenden Erfordernis der Besorgnis, dass sich der Schuldner, die Beklagte, künftig der rechtzeitigen Leistung entziehen wird. Diese Voraussetzung ist deshalb nicht gegeben, weil die Beklagte jedenfalls ab dem 01.01.2013 ihren Zahlungsverpflichtungen an die Klägerin entsprechend der Entlohnung vergleichbar beschäftigter männlicher Produktionsmitarbeiter nachkommt und diese insoweit auch für den Zeitraum ab 01.01.2013 weder nach Grund noch Höhe bestreitet. Eine Besorgnis der Nichterfüllung liegt damit jedoch nicht vor (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, aaO, § 259 Rdnr. 5, 8).

Im übrigen ist dagegen die Klage zulässig und begründet, soweit der Klägerin gemäß Klageantrag Ziffer 1 bei allerdings (lediglich) anzusetzenden durchschnittlich geleisteten 176,92 Arbeitsstunden/Monat und einem (lediglich) anzusetzenden Stundenlohn von 9,86 EUR auf der Grundlage des § 15 Abs. 1 AGG i.V.m. §§ 611 ff BGB i.V.m den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen ein Nachzahlungsanspruch für den Anspruchszeitraum vom 01.01.2009 bis 31.12.2012 wegen erfolgter Geschlechtsdiskriminierung durch die Beklagte an Vergütung (Grundlohn, Anwesenheitszulage von 5 %, Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld) von in der Summe 10.278,14 EUR brutto, gemäß Klageantrag Ziffer 2 bei wiederum anzusetzenden durchschnittlich geleisteten Monatsarbeitsstunden und des Stundenlohnes wie vor zur Auffassung der Kammer auf der Grundlage des § 15 Abs. 2 AGG eine Entschädigung in Höhe von sich hiernach errechnenden drei Bruttomonatsbezügen mit 5.233,29 EUR, weiterhin der Klägerin ein Auskunftsanspruch auf der Grundlage des § 242 BGB hinsichtlich einer gegebenenfalls vor dem 01.01.2009 vorgenommenen Geschlechtsdiskriminierung und schließlich im Umfange erfolgter Urteilstenorierung nach Maßgabe der Klageanträge Ziffer 7 a bis e (nicht Antrag Ziffer 7 f), 8 – mit Auslassungen – ein Anspruch auf Erteilung einer Niederschrift der Arbeitsvertragsbedingungen auf der Grundlage des § 2 NachwG zuzusprechen war, im übrigen dagegen unbegründet.

Die Entscheidung des Gerichts beruht auf den nachfolgend gemäß den §§ 313 Abs. III ZPO, 46 Abs. II ArbGG zusammengefassten wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen:

I.

In vorgenannter Höhe war der Klägerin auf der Grundlage des § 15 Abs. 1, Abs. 2 AGG ein Anspruch auf Ersatz des durch die geschlechtliche Benachteiligung entstandenen Schadens nach § 15 Abs. 1 AGG und ebenso eine angemessene Entschädigung in Geld gemäß § 15 Abs. 2 AGG zuzuerkennen. Im einzelnen:

1. Dass eine Geschlechtsdiskriminierung der Klägerin im Sinne des § 7 AGG für die Dauer des Anspruchszeitraumes vorgelegen hat, ist zwischen den Parteien nicht weiter streitig, vielmehr unstreitig, dass die weiblichen Produktionsmitarbeiterinnen der Beklagten im Vergleich zu den männlichen Produktionsmitarbeitern durchgängig einen niedrigeren Stundenlohn erhielten, als die in vergleichbarer Tätigkeit beschäftigten männlichen Produktionsmitarbeiter. Die Beklagte selbst räumt dies eingangs ihres Klageerwiderungsschriftsatzes vom 16.05.2013 ein, dass verbunden mit einem Gesellschafterwechsel bei der Beklagten „grundlegende Änderungen in der Geschäftspolitik“ vorgenommen worden seien und in diesem Zusammenhang nunmehr ab Jahresanfang 2013 Frauen und Männer in der Produktion denselben Lohn gezahlt erhielten. Bis zu diesem Gesellschafterwechsel sei Frauen in der Produktion ein niedrigerer Lohn als Männern gezahlt worden.

Der Klägerin stand somit auf der Grundlage des § 15 Abs. 1 AGG ein Schadensersatzanspruch und auf der Grundlage des § 15 Abs. 2 AGG ein Entschädigungsanspruch wegen erfolgter Geschlechtsdiskriminierung zu (zur Höhe vgl. die Ausführungen unter I. 3.).

2. Die der Klägerin auf der Grundlage des § 15 Abs. 1, Abs. 2 AGG zuerkannten Zahlungsansprüche (ebenso der auf der Grundlage des § 242 BGB zuerkannte Auskunftsanspruch, vgl. hierzu die Ausführungen unter II.) sind, was im Hinblick auf die im Prozess beklagtenseits erhobene Verjährungseinrede, § 214 BGB, zu prüfen war, weder im Sinne des § 199 Abs. 1, Abs. 3, Abs. 4 BGB verjährt, noch im Sinne des § 15 Abs. 4 AGG verfristet.

2.1 Nach Maßgabe des § 199 Abs. 2, Abs. 4 BGB verjähren „sonstige Schadensersatzansprüche“, d.h. nicht solche des § 199 Abs. 2 BGB, und „andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3 a ohne Rücksicht auf die Kenntnis des Anspruchsstellers oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahre von ihrer Entstehung an.

Die diesbezüglich klägerseits geltend gemachten Ansprüche liegen, sämtlich innerhalb nicht verjährter Fristen, so dass insoweit die beklagtenseits im Prozess erhobene Einrede der Verjährung gemäß § 214 BGB nicht greift.

2.2 Dagegen bestimmt § 15 Abs. 4 AGG, dass Ansprüche nach § 15 Abs.1, Abs. 2 AGG, um solche handelt es sich hier, innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden müssen, wobei die Frist beginnt „… in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt“.

Nach allgemeinen Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast war vorliegend die Beklagte für entsprechende Kenntniserlangung der Klägerin von der Benachteiligung, nämlich der erfolgten Geschlechtsdiskriminierung der weiblichen gegenüber den männlichen Produktionsmitarbeitern der Beklagten hinsichtlich der Vergütungszahlung darlegungs- und beweisbelastet, da hiernach bei Eingreifen der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG die Ansprüche der Klägerin verfallen wären. Die insoweit notwendige „Kenntnis“ hätte das Wissen der Klägerin umfasst, dass generell sämtliche Arbeitnehmerinnen der Beklagten in der Produktion einen geringeren Lohn in der Vergangenheit erhielten als die in gleicher Tätigkeit beschäftigten männlichen Produktionsmitarbeiter, so dass diese auf eine allgemeine und umfassende Geschlechtsdiskriminierung hinsichtlich der Vergütungszahlungen hätte schließen können. Genügend ist es daher nicht, dass die Klägerin im Einzelfall Kenntnis von einer unterschiedlichen Lohnzahlung zwischen weiblichen und männlichen Produktionsmitarbeitern der Beklagten hatte. Soweit die Beklagte sich hiernach darauf beruft, die unterschiedliche. Entlohnung sei beklagtenseits stets offen und eindeutig kommuniziert worden, in Form von Gesprächen mit der Belegschaft, in Form von Einzelgesprächen, in Form von Gesprächen mit der Personalabteilung oder sogar im Einstellungsgespräch und „aus sonstigen Quellen“ lässt der Vortrag der Beklagten, wie die Klägerin, zur Recht rügt, eine hinreichende Substantiierung nach jeweiligem Zeitpunkt des Geschehens und jeweils gewechselten Erklärungen im Sinne der Bekanntgabe einer generellen unterschiedlichen Entlohnung vermissen. Die diesbezüglichen Beweisanerbieten sind damit insgesamt auf die Erhebung eines prozessual unzulässigen Ausforschungsbeweises gerichtet, da durch eine entsprechende Beweisaufnahme erst der notwendige Tatsachenvortrag hätte ermittelt werden müssen.

Die Erhebung eines Ausforschungsbeweises ist jedoch grundsätzlich unzulässig, soweit dieser dazu dient, Beweis zur Beschaffung einer nach § 286 ZPO beweiserheblichen Tatsache anzutreten (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Komm. ZPO, 71. Aufl. Einführung § 284 ZPO, Rdnr. 27 ff). Die Kammer war somit in keiner Weise gehalten, diesbezüglichen Ausforschungsbeweisanerbieten der Beklagten nachzukommen. Soweit insoweit in Ergänzung ihres Vorbringens die Beklagte mit Schriftsatz vom 22.08.2013 unmittelbar vor dem Kammertermin eine Reihe von Erklärungen von Mitarbeitern der „A.“, einem Unternehmen der Firmengruppe B., vorgelegt hat, ist der diesbezügliche Inhalt entsprechender Erklärungen ebenfalls sowohl nach Zeitpunkt behaupteter Kenntniserlangung als auch nach dem Inhalt diesbezüglicher Erklärungen, die auf eine entsprechende Kenntniserlangung der Klägerin im notwendigen Umfange schließen lassen, unzureichend. Im übrigen beziehen sich entsprechende Erklärung auf einige „gegen die A. anhängige Gerichtsverfahren“; sie betreffen somit nicht das Prozessrechtsverhältnis der Klägerin, die in einem anderen Unternehmern der B.-Gruppe beschäftigt ist.

Unstreitig kommuniziert wurde die Geschlechtsdiskriminierung hinsichtlich der Vergütungszahlung weiblicher und männlicher Produktionsmitarbeiter erst in der Betriebsversammlung vom 25.09.2012. Insoweit ist daher mit Geltendmachung vom 09.11.2012, wie diese zwischen den Parteien unstreitig ist, die Frist des § 15 Abs. 4 AGG gewahrt. Im übrigen hat die Klägerin auch gemäß § 61 b Abs. 1 ArbGG innerhalb einer Frist von drei Monaten nach schriftlicher Geltendmachung des Anspruches auf Entschädigung nach § 15 AGG Klage erhoben.

3. Die der Klägerin zuerkannte Schadensersatzforderung gemäß § 15 Abs. 1 AGG war auf der Grundlage des im Kammertermin vom 22.08.2013 berichtigten Stundensatzes auf 9,86 EUR brutto und einer nach klägerseitiger Berechnung gemäß Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 16.07.2013, bezeichnet als „Schadenskalkulation über den Minderlohn in der Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2012“ (- bei allerdings unverändertem Klageantrag im Kammertermin vom 22.08.2013 -) sich errechnender Lohndifferenzen zwischen dem der Klägerin jeweils gezahlten Stundenlohn und dem vergleichbar beschäftigten männlichen Produktionsmitarbeitern gezahlten Löhnen zu ermitteln.

Bei sich nach der bezeichneten Anlage ergebenden durchschnittlich von der Klägerin abgeleisteten 176,92 Monatsarbeitsstunden statt behaupteter 185 Monatsarbeitsstunden und auf den Anspruchszeitraum insgesamt entfallender 8.491,75 Monatsarbeitsstunden ergibt sich als Schadensersatzanspruch zu Gunsten der Klägerin eine Differenzvergütung von in der Summe 10.278,14 EUR brutto.

Hierbei waren die nach klägerseitiger Aufstellung ermittelten Beträge, errechnet auf Basis eines Stundenlohnes von 9,94 EUR und 185 Monatsarbeitsstunden, von beanspruchten 9.756,51 EUR Grundlohn und 488,28 EUR Anwesenheitsprämie zuzüglich Weihnachtsgeldes von 340,40 EUR und Urlaubsgeldes von 395,72 EUR

a) unter Berücksichtigung des richtigerweise anzusetzenden Stundenlohnes von 9,86 EUR d.h. abzüglich 0,08 EUR/Stunde auf einen Betrag von zunächst 10.310,30 EUR und weitergehend

b) unter Ansatz der richtigerweise durchschnittlich geleisteten Stundenzahl (statt 185 Monatsarbeitsstunden) hinsichtlich des Weihnachts- und Urlaubsgeldes (736,12 EUR: 185 Stunden x 176,92 Stunden = 703,96 EUR) auf 10.278,14 EUR zu berichtigten.

Entsprechender Betrag war daher der Klägerin zuzusprechen; im übrigen ist die Klageforderung hinsichtlich des klägerseits gestellten Zahlungsantrages übersetzt und unterlag insoweit der Abweisung.

4. Zur Auffassung der Kammer hat die Klägerin Anspruch auf eine Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG, die ausgehend von der durchschnittlich von der Klägerin geleisteten Monatsstundenzahl mit drei Bruttomonatsbezügen à 9,86 EUR auf einen der Klägerin zuzusprechenden Entschädigungsbetrag von 5.233,29 EUR zu bemessen war. Hierbei hat die Kammer einerseits berücksichtigt, dass die Beklagte seit geraumer Zeit, jedenfalls für die Dauer des Anspruchszeitraumes, der Klägerin bewusst eine gleiche Entlohnung, wie diese die männlichen Produktionsarbeiter in vergleichbarer Beschäftigung erhielten, vorsätzlich vorenthalten hat, somit eine wiederholte, lang dauernde Geschlechtsdiskriminierung vorlag, andererseits eine tiefgreifende Demütigung und Verletzung des Persönlichkeitsrechtes der Klägerin insoweit nicht anzunehmen ist. Insoweit hält die Kammer daher die Anerkennung eines Entschädigungsbetrages von drei Monatsbezügen für angemessen, aber auch ausreichend, einen angemessenen Ausgleich für die erlittene Geschlechtsdiskriminierung darzustellen.

Die weitergehende Klageforderung unterlag daher der Abweisung.

II.

Der mit Klageantrag Ziffer 4 geltend gemachte Auskunftsanspruch wegen etwaiger Benachteiligung aufgrund des Geschlechtes hinsichtlich einer gegebenenfalls zu zahlenden Vergütung für den Anspruchszeitraum vor dem 01.01.2009, der nach Maßgabe der Ausführungen unter I. weder verjährt noch im Sinne des § 15 Abs. 4 AGG verfristet ist, folgt aus § 242 BGB. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts besteht außerhalb einer gesetzlich oder vertraglich besonders geregelten Rechnungslegung ein Auskunftsanspruch zu Gunsten des Anspruchstellers dann, wenn der Berechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen und den Umfang seines Rechtes im Ungewissen ist und andererseits der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderlichen tatsächlichen Angaben unschwer machen kann (vgl. BAG Urteil vom 21.11.2000 – 9 AZR 665/99 -, NZA 2001, 1093 m.w.Nw.).

So liegt es hier. Die Klägerin hat keine realistische Zugriffsmöglichkeit auf die jeweiligen Lohndaten der vergleichbar beschäftigten männlichen Produktionsmitarbeiter der Beklagten für die Zeit vor dem 01.01.2009. Vorstellbar wäre allenfalls, dass die Klägerin hier Einzelergebnisse durch Befragung ihr bekannter Arbeitnehmer in Erfahrung bringen könnte, was ihr jedoch nicht zumutbar ist. Die Beklagte andererseits ist in der Lage, die begehrte Auskunft unschwer zu erteilen.

Etwaige insoweit gegebene Schadensersatzansprüche der Klägerin für die Zeit vor dem 01.01.2009 sind in gegebenenfalls zu beachtendem Rahmen des § 199 Abs. 3 BGB weder verjährt, noch im Sinne des § 15 Abs. 4 AGG verfristet.

Grundsätzlich sind Hilfsansprüche, gerichtet zum Beispiel auf Auskunftslegung oder Rechenschaft, in ihrer Verjährung an die Verjährung des Hauptanspruches angelehnt. Die Verjährung des Hauptanspruches wirkt sich auf den Hilfsanspruch aus, da mit der Verjährung des Hauptanspruches im Regelfalle das Auskunftsinteresse wegfällt. Sein Fortfall ist mit der Verjährung des Hauptanspruches zu vermuten, der Auskunftsberechtigte muss gegebenenfalls den Fortbestand darlegen und beweisen (vgl. Peters/Jacoby in Staudinger BGB Neubearbeitung 2009, § 195 BGB Rdnr. 26; Grothe in Münchner Komm. z. BGB, 6. Aufl., 2012, § 195 BGB Rdnr. 42).

Dies gilt entsprechend für den Fall, dass der Hauptanspruch aufgrund sonstiger Vorschriften verfallen ist. Auch insoweit gerät mit dem Verfall des Hauptanspruches das Auskunftsinteresse in Wegfall.

Aus Sicht der Kammer ist indes weder Verjährung noch Verfristung im Sinne des § 15 Abs. 4 AGG eingetreten. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Ausführungen unter I der Entscheidungsgründe Bezug genommen.

III.

Die Klage unterlag der Abweisung, soweit die Klägerin mit Klageantrag Ziffer 5 die Gewährung von zwei weiteren jährlichen Erholungsurlaubstagen aus dem Gesichtspunkte der Altersdiskriminierung beansprucht. Ein solcher Anspruch der Klägerin besteht auch in ergänzender Auslegung des Arbeitsvertrages der Parteien in Verbindung mit §§ 1, 7 Abs. 1 Abs. 2 AGG nicht. Mit Rücksicht auf die damit zugleich ausbleibende unzulässige Altersdiskriminierung zwischen den Arbeitnehmern, die das 58. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und denen, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, fehlt es damit weiter an einer Entschädigungspflicht der Beklagten auf der Grundlage des § 15 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 S. 1 AGG. Zugleich resultiert hieraus die Unbegründetheit des von der Klägerin verfolgten Klageantrages zu Ziffer 7 f. Die Beklagte ist hiernach nicht verpflichtet, einen Anspruch der Klägerin auf 36 Arbeitstage Erholungsurlaub pro Kalenderjahr als wesentliche Vertragsbedingung im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 2 Ziff. 8 NachwG schriftlich niederzulegen, um so ihrer Nachweispflicht nach § 2 Abs. 1 S. 1 NachwG zu genügen.

Die Klägerseite hat zwar hinreichende Anhaltspunkte für eine altersbezogene Ungleichbehandlung im Sinne der §§ 3, 1, 27 und 22 AGG vorgetragen. Ein zweitägiger Mehrurlaub für über 58-jährige Mitarbeiter der Beklagten dient jedoch auch zur Auffassung der erkennenden Kammer des Arbeitsgerichts der Sicherstellung und des Schutzes der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer in objektiv, angemessen legitimer Weise im Sinne des § 10 S. 1 und § 3 Nr. 1 AGG. Generell gilt der Erfahrungssatz, dass die Belastbarkeit eines Menschen mit zunehmendem Alter abnimmt. Die verlängerte Urlaubsgewährung wiederum verhilft älteren Beschäftigten bei genereller Betrachtung zur Absicherung ihrer Erwerbsfähigkeit. Möglicher Überforderung kann mit einer verringerten Dauer der Arbeitszeit entgegen gewirkt werden und eine elementare Entlastung von der Arbeitszeit geschieht dabei in Gestalt des bezahlten Urlaubs.

Diese Erwägungen gelten auch für die Begünstigung von Arbeitnehmern im Betrieb der Beklagten. Produzierende Tätigkeit erfolgt dort unter körperlicher Anstrengung und Ermüdung, an mit zunehmenden Alter besonders wirksam werdenden Belastungsfaktoren besteht deshalb zur Überzeugung der Kammer kein vernünftiger Zweifel. Die sonach legitimierte Zielverfolgung des Schutzes der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer geschieht auch mit zwei Mehrurlaubstagen im Kalenderjahr in angemessenem sowie erforderlichem Umfang. Die Altersgrenze von 58 Jahren ist nicht willkürlich, sondern in normativer Betrachtung unter Anknüpfung an die Annahme besonderer Gefährdungslagen älterer Beschäftigter auf dem Arbeitsmarkt geboten und angemessen. Auch eine Mehrurlaubsdauer von zwei Tagen verhält sich im angemessenen und nicht unverhältnismäßigen Umfange, um dem erstrebten Zweck zu dienen. Der Wert liegt in der Mitte zwischen der bei verminderter Erwerbsfähigkeit in teilweise gesetzlichen wie tariflichen Urlaubsregelungen verordneten Mehrurlaubsdauer von drei zusätzlichen Tagen jährlich sowie dem generell schon aus puren Sachgrunderwägungen für gerechtfertigt erachteten einen Tag (zum Ganzen vgl. mit zahlreichen weiteren Nachweisen, auch mit Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 13.10.2009 – 9 AZR 722/08 -, NZA 2010, 327, Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 07.09.2012 – 6 Sa 741/11 – nicht rechtskräftig).

Insoweit verweist die Kammer auch auf den Umstand, dass die hier dargelegte Rechtsauffassung der Tarifrealität über fast sechzig Jahre Dauer entsprach und ebenso allgemeinem Rechtsempfinden der am Arbeitsrecht Beteiligten.

Fehlt es nach allem im Verhältnis zur Klägerin an einem Verstoß der Beklagten gegen das Benachteiligungsverbot, besteht auch kein Anspruch der Klägerin auf weitergehenden Erholungsurlaub und auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Der Klägerin geht es im Übrigen ausweislich der Klagebegründung zu ihrem Antrag zu 7 f) ausdrücklich um den Erhalt eines schriftlichen Nachweises des von 34 Arbeitstagen kalenderjährlich nach oben auf 36 Arbeitstage angepassten Anspruchs auf Erholungsurlaub. Auf den insoweit unbegründeten Klageantrag sah sich das an die Parteianträge gebundene Gericht auch gehindert daran, eine andere, von der Klägerin gar nicht nachgesuchte Entscheidung zu treffen.

IV.

Hinsichtlich der klägerseitigen Anträge Ziffer 7 a – e, Ziffer 8 ist die Klage im Umfange erfolgter Tenorierung nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 NachwG begründet.

Trotz entsprechender Ankündigung gegenüber der Klägerin hat die Beklagte ihre diesbezüglichen Verpflichtungen bis dato nicht erfüllt.

Hinsichtlich des klägerseits geforderten Nachweises zu zahlenden Weihnachts- und Urlaubsgeldes ist die Beklagte den Ansprüchen der Klägerin inhaltlich nicht entgegengetreten. Angesichts häufiger Verknüpfung derartiger Zahlungen mit einem Freiwilligkeits- bzw. Widerrufsvorbehalt erfolgte die Tenorierung ausdrücklich mit den Zusätzen „verbindlich und unwiderruflich“, was die Beklagte im Rahmen der Klageerwiderung als nachzuweisende Textfassung auch anerkannt hat.

Soweit andererseits die Beklagte hinsichtlich beanspruchten Nachweises der Anwesenheitsprämie, der Stückzahl abhängigen Leistungsprämie und vermögenswirksamer Leistungen nicht ausdrücklich die Unwiderruflichkeit der schriftlich niederzulegenden Vertragsbedingungen bestätigt hat und bestätigen will – der erneuten ausdrücklichen Niederlegung eines „verbindlichen“ Anspruches bedarf es schon, deshalb nicht, weil die von der Beklagten bestätigten Ansprüche nicht mit Hinweis auf irgendeine „Unverbindlichkeit“ versehen sind und aus dem Fehlen ausdrücklich schriftlich niedergelegter „Verbindlichkeit“ keine bloße Unverbindlichkeit resultiert -, entsteht aus dem schriftlichen Nachweis nicht ausdrücklich als unwiderruflich bezeichneter Vertragsbedingungen keineswegs die Möglichkeit des Widerrufes selbigen Anspruches. Wird nämlich im Arbeitsvertragsnachweis nicht verdeutlicht, ob und inwieweit es sich um freiwillige oder widerrufliche Entgeltbestandteile handelt, kann dem Arbeitgeber es wegen der Beweiskraft des Nachweises nicht gelingen, die etwa mündliche Vereinbarung eines entsprechenden Vorbehaltes nachzuweisen (Erf. Komm./Preis, 13. Aufl., § 2 NachwG Rdnr. 18). Entsprechend war daher zu tenorieren.

Soweit mit Klageantrag Ziffer 7 f Abs. 2 (vgl. insoweit auch die Ausführungen unter III. am Ende zur Anspruchshöhe) die Klägerin über § 7 Abs. 3 BUrlG hinaus den Nachweis der (regelmäßigen) Übertragung nicht gewährten Erholungsurlaubes sogar noch über das Gebot zeitnaher Gewährung des gesetzlichen Urlaubsanspruches hinaus in „die folgenden Kalenderjahre“ und weitergehend fehlenden Verfall des Urlaubsanspruches am 31.03. des Folgejahres beansprucht, unterlag die Klage im Hinblick auf § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 NachwG der Abweisung. Die gesetzliche Regelung verlangt insoweit nämlich lediglich die Angabe der Dauer des jährlichen Erholungsurlaubes, nicht jedoch die Angabe weiterer Modalitäten der Urlaubsgewährung (Erf. Komm./Preis, aaO, Rdnr. 21).

V.

Nach allem war, wie geschehen zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung folgt unter Berücksichtigung des Umfanges des beiderseitigen Obsiegens bzw. Unterliegens im Prozess aus §§ 92 Abs. 1 ZPI, 46 Abs. 2 ArbGG.

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 3, 5 ZPO, 42 Abs. 2 GKG.

Hierbei waren die Klageanträge Ziffer 1 und 2 mit den jeweiligen Nennbeträgen zu bewerten. Antrag Ziffer 3 war zu bewerten für die Dauer beanspruchter Abrechnungen für 48 Monate mit jeweils 5 % der sich monatlich errechnenden Bruttobezüge (hier: 9,86 EUR x durchschnittlich 176,92 Monatsarbeitsstunden, somit: 1.744,43 EUR). Antrag Ziffer 4 war wiederum in Höhe eines Bruttomonatsbezuges nach Maßgabe vorstehender Berechnung zu bewerten, Antrag Ziffer 5 in Höhe des Urlaubsentgeltes für insgesamt 6 Urlaubstage (Bruttomonatsbezüge: 22 Arbeitstage x 6), Antrag Ziffer 6 mit weiteren 2.000,00 EUR. Schließlich waren Klageanträge Ziffer 7 a – f und 8 mit insgesamt sieben geltend gemachten Teilansprüchen in Höhe von jeweils 10 % der sich errechnenden Bruttomonatsbezüge und Antrag Ziffer 9 mit einem weiteren Bruttomonatsbezug zu bewerten.

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