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Gewährung einer betrieblichen Invalidenrente – Beendigung Arbeitsverhältnis

Streit um den Beginn der betrieblichen Invalidenrente

In einem Rechtsstreit, der bis zum Landesarbeitsgericht Hamm (Az.: 4 Sa 280/21) geführt wurde, ging es um die Frage, wann einem Arbeitnehmer eine betriebliche Invalidenrente zusteht. Der Kläger, ein langjähriger Mitarbeiter des beklagten Unternehmens, erhielt rückwirkend ab März 2019 eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung. Sein Arbeitgeber begann jedoch erst ab April 2020, ihm eine betriebliche Invalidenrente zu zahlen. Der Kläger war der Meinung, dass ihm diese Rente bereits ab März 2019 zustehen würde, und zog vor Gericht.

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Verwirrung um die Auslegung der Konzernvereinbarung

Der Konflikt zwischen den beiden Parteien entzündete sich an der Interpretation der „Konzernbetriebsvereinbarung Betriebliche Alterssicherung – KBV 03 Uniper SE“, die für die betriebliche Invalidenrente des Klägers maßgeblich war. Die Vereinbarung sieht vor, dass die Zahlung von Versorgungsleistungen unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses beginnt, sofern bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Dazu zählt unter anderem, dass die Erwerbsminderung durch einen Rentenbescheid der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung nachgewiesen wird.

Der Standpunkt des Klägers und des Arbeitgebers

Der Kläger argumentierte, dass sein Rentenbescheid, der ihm rückwirkend ab März 2019 eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung zusprach, ausreichend sei, um seinen Anspruch auf eine betriebliche Invalidenrente ab diesem Zeitpunkt zu begründen. Der Arbeitgeber hingegen berief sich auf den Passus der Konzernvereinbarung, nach dem die Versorgungsleistungen erst ab dem ersten Tag des Folgemonats nach Eintritt der Erwerbsminderung zu zahlen seien.

Der Spruch des Landesarbeitsgerichts Hamm

Das Landesarbeitsgericht Hamm wies die Berufung des Klägers zurück. Die Richter hielten die Interpretation des Arbeitgebers für korrekt: Die betriebliche Invalidenrente sei erst ab dem Monat nach Erhalt des Rentenbescheids zu zahlen. Der Kläger hatte diesen im April 2020 erhalten, daher sei die Zahlung ab diesem Zeitpunkt korrekt.


Das vorliegende Urteil

Landesarbeitsgericht Hamm – Az.: 4 Sa 280/21 – Urteil vom 17.11.2021

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen – Az 3 Ca 1623/20 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Frage, ab wann dem Kläger eine betriebliche Invalidenrente zusteht.

Der Kläger war vom 01.09.1981 bis zum 31.03.2020 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger beschäftigt. Durch Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Westfalen vom 16.03.2020 wurde ihm im Widerspruchsverfahren rückwirkend ab dem 01.03.2019 eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung zuerkannt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden die Bestimmungen eines Rahmentarifvertrags A Energie Anwendung, nach dessen § 27 Abs. 1 Satz 1 in einem solchen Fall das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats, in dem der Rentenbescheid beim Arbeitnehmer eingeht, endet.

Seit April 2020 zahlt die Beklagte an den Kläger eine betriebliche Invalidenrente in unstreitiger Höhe von 1.194,58 EUR brutto pro Monat. Nach übereinstimmendem Sachvortrag der Parteien kann der Kläger eine solche Rente auf Grundlage einer „Konzernbetriebsvereinbarung Betriebliche Alterssicherung – KBV 03 Uniper SE“ vom 26.02.2019 (nachfolgend: KBV Uniper) beanspruchen. In der Konzernvereinbarung heißt es unter anderem:

“ . . .

§ 7 Invalidenrente

1. Wird ein Mitarbeiter im Sinne der gesetzlichen Vorschriften voll oder teilweise erwerbsgemindert, beginnt die Zahlung von Versorgungsleistungen gemäß der für den Mitarbeiter individuell gültigen Versorgungszusage im unmittelbaren Anschluss nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sofern der Versorgungsfall/Versicherungsfall eingetreten ist und ein eventueller Hinzuverdienst die gesetzlichen Geringfügigkeitsgrenzen (zurzeit § 8 SGB IV oder nachfolgende Regelungen) nicht überschreitet. Dabei ergibt sich der Termin der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus den jeweils gültigen tarifvertraglichen Vorschriften, aus einzelvertraglicher Regelung (Aufhebungsvertrag) oder dem Wirksamwerden einer Kündigung. Die Zeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gilt dabei als versorgungsfähige Dienstzeit, sofern der Versorgungsfall/Versicherungsfall eingetreten ist und die jeweils gültige Versorgungsregelung dies vorsieht. Als Nachweis für den Eintritt verminderter Erwerbsfähigkeit dienst die Vorlage des Rentenbescheides der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung. Diese Regelungen gelten auch für ehemalige Betriebsangehörige, die mit einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung dieser Regelung ausgeschieden sind. Die Zahlung von Versorgungsleistungen erfolgt frühestens ab dem 1. Tag des Folgemonats nach Eintritt des Zustandes verminderter Erwerbsfähigkeit bzw. bei unverfallbaren Versorgungsanwartschaften nach Antragstellung beim Arbeitgeber. …

. . . “

Wegen der weiteren Einzelheiten der B wird auf Aktenblatt 19 bis 25 Bezug genommen.

Der Kläger vertritt die Auffassung, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm bereits ab März 2019 eine Invalidenrente zu zahlen. Nach vorgerichtlicher Geltendmachung nahm er neben der Beklagten (ursprünglich: Beklagte zu 2) zunächst auch die Fa. C GmbH (ursprünglich: Beklagte zu 1), die nach Angaben der Beklagten als Dienstleistungsunternehmen mit der Verwaltung der Ansprüche und Anwartschaften aus der betrieblichen Altersversorgung beauftragt ist, auf Zahlung einer Invalidenrente für die Zeit von März 2019 bis einschließlich März 2020 in Anspruch. Auf gerichtlichen Hinweis nahm er mit Schriftsatz vom 12.11.2021 die Berufung gegen die Fa. C GmbH zurück.

Der Kläger hat vorgetragen, der Versorgungsfall sei bereits zum 01.03.2019 eingetreten. Dennoch zahle die Beklagte ihm abweichend von der gesetzlichen Regelung Invalidenrente erst ab dem Monat nach der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses. Diese Einschränkung benachteilige ihn entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Die entsprechende Regelung sei daher unwirksam. Unstreitig habe er die Wartezeit erfüllt und das Arbeitsverhältnis habe zum Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalles bestanden. Zu Unrecht berufe sich die Beklagte auf § 7 Ziff. 1 B. Regelungen, die von den im Betriebsrentengesetz angelegten Formen der Risikoabdeckung abwichen, seien uneingeschränkt kontrollfähig. Zwar unterliege die genannte Vorschrift gemäß der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts weder einer AGB-Kontrolle nach den §§ 305 b bis 310 BGB noch einer Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Jedoch finde eine gerichtliche Ausübungskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB statt. Dabei müsse beachtet werden, dass die Regelung in der Betriebsvereinbarung eine Abweichung vom Willen des Gesetzgebers darstelle. Zum wesentlichen Merkmal einer betrieblichen Altersversorgung gehöre es, eine Versorgungsleistung an ein den Versorgungsanspruch auslösendes Ereignis anzuknüpfen, im vorliegenden Fall die Invalidität und zwar bezogen auf den Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalls. Aufgrund der gebotenen gerichtlichen Ausübungskontrolle sei die fragliche Regelung nicht anwendbar.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 15.529,54 EUR brutto als Versorgungsbezüge für den Zeitraum vom 01.03.2019 bis zum 31.03.2020 nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszins seit dem 10.07.2020 zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, der geltend gemachte Anspruch bestehe nicht. Anspruchsvoraussetzung sei nicht nur der Eintritt des Versorgungsfalles, sondern auch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dieses habe erst mit Ablauf des 31.März 2020 geendet, so dass ein Anspruch auf Zahlung einer Invalidenrente nach der B erst ab dem 01. April 2020 bestehe. Entgegen der Auffassung des Klägers seien die fraglichen Regelungen auch nicht unwirksam. Abschnitt 2 des 2. Buches des BGB finde auf Betriebsvereinbarungen keine Anwendung und auch eine Ausübungskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB finde nicht statt.

Das Arbeitsgericht Gelsenkirchen hat durch Urteil vom 24.02.2021 die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Zur Begründung führt das Arbeitsgericht, soweit für das Berufungsverfahren noch von Interesse, aus, dem Kläger stehe für den Zeitraum 01.03.2019 bis 31.03.2020 kein Anspruch auf Zahlung einer Invalidenrente in Höhe der geltend gemachten Klageforderung zu. Die in § 7 Ziff. 1 B getroffene Regelung, wonach die Zahlung von Versorgungsleistungen im unmittelbaren Anschluss nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses begännen, sei entgegen der vom Kläger vertretenen Ansicht nicht unbillig. Es handele sich um eine in Regelungen der betrieblichen Altersversorgung typische Ausscheidensklausel, die mögliche Differenzen zwischen dem Ende des Arbeitsverhältnisses und dem Eintritt des Versorgungsfalles vermeiden solle. Mit der Anspruchsvoraussetzung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses liege zwar eine Einschränkung der Invaliditätsversorgung vor. Das Interesse des Arbeitnehmers, sein Arbeitsverhältnis für die Dauer der Befristung seiner gesetzlichen Rente wegen voller Erwerbsminderung fortzusetzen, sei auch durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützt. In diese Garantien greife die Regelung des § 7 Ziff. 1 B ein, indem sie die Gewährung von Versorgungsleistungen von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abhängig mache. Der Bedienstete werde vor die Alternative gestellt, sein Arbeitsverhältnis zu beenden, um Rentenzahlungen zu beziehen oder sein Arbeitsverhältnis beizubehalten und hierauf zu verzichten. Dem Interesse des Arbeitnehmers stünden allerdings billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gegenüber. Durch die Regelung sollten Doppelbelastungen des Arbeitgebers vermieden werden. Diese seien denkbar etwa bei der Zahlung von Krankengeld, Zuschussleistungen zum Krankengeld oder bei Urlaubsansprüchen oder Ansprüchen auf Sondervergütung. Nur durch eine Beendigung d es Arbeitsverhältnisses sei sichergestellt, dass der Arbeitnehmer nicht zusätzlich Ansprüche auf Arbeitsentgelt neben der Invalidenrente geltend machen könne. Die Interessen des Arbeitgebers würden überwiegen. Er könne bei einer von ihm finanzierten betrieblichen Altersversorgung frei über deren Einführung entscheiden. Er sei deshalb auch frei in der Entscheidung, für welche der in § 1 Abs. 1 BetrAVG genannten Versorgungsfälle er Leistungen zusage und wie hoch er diese dotiere. Aus diesem Grund sei er grundsätzlich auch berechtigt, die Versorgung wegen Invalidität von bestimmten Voraussetzungen abhängig zu machen und damit Personen, die diese Voraussetzung nicht erfüllten, von der Invaliditätsversorgung auszuschließen. Die in § 7 Ziff. 1 B getroffene Regelung sei daher nicht unbillig.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Urteils wird auf Aktenblatt 50 bis 58 verwiesen.

Der Kläger hat gegen das ihm am 04.03.2021 zugestellte Urteil mit am 23.03.2021 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 04.06.2021 mit am 02.06.2021 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Der Kläger trägt vor, zwar beginne gem. § 7 Ziff. 1 B die Zahlung der Versorgungsleistung erst im unmittelbaren Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, jedoch sei diese Regelung entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts unbillig. Typischerweise würden im Betriebsrentenrecht alle Versorgungsarten mit Eintritt des in der Versorgungordnung näher geregelten Versorgungsfalls fällig. Der Versorgungsfall sei hier jedoch bereits zum 01.03.2019 eingetreten. Nach dem Willen des Gesetzgebers beginne damit auch der Versorgungsanspruch, was in § 7 Ziff. 1 B nicht berücksichtigt werde. In dem relevanten Zeitraum vom 01.03.2019 bis 31.03.2020 habe er weder Leistungen bezogen, noch habe er die Wahl gehabt, sein Arbeitsverhältnis zu beenden, um die Rente zu beziehen. Hätte er das Arbeitsverhältnis vorzeitig durch Eigenkündigung beendet, wäre er Gefahr gelaufen, einige Zeit ohne Einkommen dazustehen. Er habe im März 2019 nicht sicher davon ausgehen können, dass ihm rückwirkend eine volle Erwerbsminderungsrente bewilligt werde. Dem Arbeitsgericht sei auch darin zu widersprechen, dass nur durch eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses sichergestellt sei, dass der Arbeitnehmer nicht zusätzliche Ansprüche auf Arbeitsentgelt neben der Invalidenrente geltend machen könne. Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag könnten im Falle eines ruhenden Arbeitsverhältnisses ausgeschlossen werden, wie es in der Praxis häufig der Fall sei. So vermeide der Arbeitgeber ebenfalls, Sonderleistungen erbringen zu müssen. Es stehe auch in Frage, ob es sich tatsächlich immer um freiwillige Leistungen handele, wenn der Arbeitgeber die betriebliche Altersversorgung finanziere. Als Teil der Gegenleistung des Arbeitgebers könne nicht davon gesprochen werden, dass dieser freiwillig leiste. Vielmehr würden jene Leistungen ebenso wie der Lohn durch die Arbeitsleistung verdient. Das Arbeitsgericht setze sich a uch nicht mit seinem Argument auseinander, dass der Grundgedanke des Gesetzgebers sei, Leistungen an den Versorgungsfall zu knüpfen. Dies gelte im Betriebsrentenrecht für alle Versorgungsformen.

Der Kläger beantragt zuletzt, das am 24.02.2021 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen, Az.: 3 Ca 1623/20, aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 15.529,54 EUR brutto als Versorgungsabzüge für den Zeitraum vom 01.03.2019 bis 31.03.2020 nebst 5%-Punkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz sei dem 10.07.2020 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und trägt ergänzend vor, entgegen der Ansicht des Klägers sei die Regelung in § 7 Ziff. 1 B nicht unbillig und deshalb habe das Arbeitsgericht folgerichtig die Klage abgewiesen. Der Arbeitgeber könne bei einer von ihm finanzierten betrieblichen Altersversorgung frei über deren Einführung entscheiden und er sei auch frei darin, für welche der in § 1 Abs. 1 BetrAVG genannten Versorgungsfälle er Leistungen zusage und wie hoch er die entsprechenden Leistungen dotiere. Er könne Leistungen der Invaliditätsversorgung versprechen, eine Rechtspflicht hierzu treffe ihn aber nicht. Aus diesem Grund sei er grundsätzlich auch berechtigt, die Invaliditätsversorgung von bestimmten Voraussetzungen abhängig zu machen und damit Personen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllten, insbesondere Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis noch nicht beendet sei, von der Versorgung auszuschließen. Dafür gebe es billigenswerte Interessen des Arbeitgebers. Im bestehenden Arbeitsverhältnis entstehe etwa der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch. Außerdem müsse der Arbeitgeber bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis dafür Sorge tragen, dass er bei einem möglichen Ende der Erwerbsminderung den Arbeitnehmer wieder beschäftigen könne. Aus diesen Gründen stelle es keine unangemessene Benachteiligung dar, wenn der Arbeitgeber für den Anspruch auf Zahlung einer Invaliditätsversorgung voraussetze, dass das Arbeitsverhältnis beendet sei. Im Übrigen sei im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass der Kläger erstmals am 06.04.2020 Zahlung einer Invalidenrente bei ihr beantragt habe.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schrift-sätze nebst Anlagen sowie auf ihre zu Protokoll genommenen Erklärungen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthaft und wurde form- und fristgerecht eingelegt und begründet.

Die Berufung ist aber unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht Gelsenkirchen für den streitgegenständlichen Zeitraum einen Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Invalidenrente verneint, da dieser insoweit Versorgungsleistungen begehrt, obwohl das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis noch nicht beendet war. Im Einzelnen hat die Kammer die nachfolgenden Erwägungen angestellt:

Anspruchsgrundlage für die Zahlung einer betrieblichen Invalidenrente zu Gunsten des Klägers ist nach übereinstimmendem Vorbringen der Parteien § 3 Ziffern 1, 2 Buchst. b i. V. m. § 7 Ziff. 1 B. Zu Recht beruft sich die Beklagte darauf, dass der Kläger die diesbezüglichen Anspruchsvoraussetzungen erst ab dem 01.04.2020 erfüllt.

Nach § 7 Ziff. 1 S. 1 B beginnt die Zahlung von Versorgungsleistungen eines erwerbsgeminderten Mitarbeiters im unmittelbaren Anschluss nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sofern der Versorgungsfall eingetreten ist und ein eventueller Hinzuverdienst die gesetzlichen Geringfügigkeitsgrenzen nicht überschreitet. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist im vorliegenden Fall nicht bloße Fälligkeitsvorschrift, sondern Anspruchsvoraussetzung. Dies folgt aus § 7 Ziff. 1 S. 3 B, wonach die Zeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sofern der Versorgungsfall eingetreten ist und die jeweils gültige Versorgungsregelung dies vorsieht, als versorgungsfähige Dienstzeit gilt. Es kann nicht angenommen werden, dass die Parteien der Konzernbetriebsvereinbarung einerseits eine mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällige Nachzahlung der ab Eintritt des Versorgungsfalls aufgelaufenen Renten gewollt haben und andererseits für die Zeit zwischen Eintritt des Versorgungsfalls und Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Erhöhung der Versorgungsleistungen durch Verlängerung der versorgungsfähigen Dienstzeit, was nach § 5 Ziff. 4 B anspruchserhöhend wirkt, bewirken wollten. Hätten die Parteien der Konzernbetriebsvereinbarung ein derartiges Ergebnis gewollt, hätten sie dies eindeutig bestimmt. Maßgeblich ist die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wie sich aus § 7 Ziff. 1 S. 2 RTV Uniper eindeutig ergibt. Danach ergibt sich der Termin der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus den jeweils gültigen tarifvertraglichen Vorschriften, aus einzelvertraglichen Regelungen oder dem Wirksamwerden einer Kündigung. Es kommt demzufolge nicht auf das faktische Ausscheiden im Sinne des Ruhens der beiderseitigen Hauptleistungspflichten an (zu einem derartigen Fall BAG, Urteil vom 23.03.2021 – 3 AZR 99/20 = NZA 2021, 783 ff).

Der Kläger erfüllt das anspruchsbegründende Merkmal der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erst ab dem 01.04.2020. Zwischen den Parteien steht nicht im Streit, dass ihr Arbeitsverhältnis aufgrund § 27 Ziff. 1 S. 1 RTV A Energie zum 31.03.2020 geendet hat. Dem Kläger wurde mit Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Westfalen vom 16.03.2020 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zuerkannt. In Ermangelung eines abweichenden Sachvortrags kann angenommen werden, dass ihm dieser Bescheid auch im März 2020 zugegangen ist. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete aufgrund der vorgenannten tariflichen Vorschrift somit zum 31.03.2020.

Es ist nicht zu beanstanden, dass die Parteien der Konzernbetriebsvereinbarung die Zahlung einer Invalidenrente an die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses geknüpft haben. Der Arbeitgeber kann bei einer von ihm finanzierten betrieblichen Altersversorgung frei über deren Einführung entscheiden. Entschließt er sich hierzu, ist er auch frei in der Entscheidung, für welche der in § 1 Abs. 1 BetrAVG genannten Versorgungsfälle er Leistungen zusagt und wie hoch er die entsprechende Leistung dotiert. Er kann Leistungen der Invaliditätsversorgung versprechen, eine Rechtspflicht hierzu trifft ihn nicht. Aus diesem Grund ist der Arbeitgeber grundsätzlich auch berechtigt, die Invalidenversorgung von bestimmten Voraussetzungen abhängig zu machen und damit Personen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, von der Invaliditätsversorgung auszuschließen (BAG, Urteil vom 10.12.2013 – 3 AZR 796/11 = NZA 2015, 50 ff.). Eine betriebliche Ruhegeldordnung kann daher den Versorgungsfall der Invalidität von der doppelten Voraussetzung abhängig machen, dass einerseits Invalidität eingetreten ist und darüber hinaus das Arbeitsverhältnis geendet hat. Damit wird sichergestellt, dass für die Arbeitnehmer nicht gleichzeitig Ansprüche auf Arbeitsvergütung und Ruhegeld erwachsen können (BAG, Urteil vom 05.06.1984 – 3 AZR 376/82 = DB 1984, 2412 f.; BAG, Urteil vom 18.09.2007 – 3 AZR 391/06 = NZA-RR 2008, 156 ff.; LAG Hamm, Urteil vom 06.07.2016 – 4 Sa 1852/15 – n.v.; Borchard in Schlewing/Henssler/Schipp/Schnitker, Arbeitsrecht der Betrieblichen Altersversorgung, 39. Lieferung 11.2021, Invaliditätsversorgung Rn. 69; Blomeyer/Rolfs/Otto, Betriebsrentengesetz, 7. Auflage 2018, Anhang § 1 Rn. 182; Höfer/Höfer, Betriebsrentenrecht Band I, 26. Auflage Januar 2021, Kapitel 7 Rn. 96).

Die vom Kläger mit der Berufungsbegründung geltend gemachten Einwände gehen fehl. Wie dargelegt, begründen die Bestimmungen des BetrAVG für sich genommen keinen Rechtsanspruch auf Gewährung einer Invaliditätsversorgung, sondern setzen eine entsprechende Versorgungszusage des Arbeitgebers voraus, die an die Einschränkung geknüpft werden kann, dass das Arbeitsverhältnis beendet ist. Dies verstößt auch weder gegen irgendwelche vorrangigen betriebsrentenrechtlichen Grundsätze, noch gegen höherrangiges Recht, denn die arbeitgeberseitige Versorgungszusage ist von der verfassungsrechtlich gewährleisteten Vertragsfreiheit gedeckt. Dies kann auch nicht durch allgemeine Billigkeitserwägungen überlagert werden.

Soweit sich der Kläger erstinstanzlich auf ein Urteil des LAG Düsseldorf vom 22.12.2017 (6 Sa 983/16 – juris) berufen hat, trifft es zu, dass zuletzt einige Landesarbeitsgerichte erwogen haben, ob eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von 307 Abs. 1 S. 1 BGB darin liegen kann, dass ein Arbeitgeber in allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Zahlung einer Invaliditätsversorgung voraussetzt, dass das Arbeitsverhältnis beendet ist (neben dem LAG Düsseldorf LAG Niedersachen, Urteil vom 10.12.2019 – 3 Sa 422/19 B = NZA-RR 2020, 316 ff.; LAG München, Urteil vom 29.05.2020 – 3 Sa 10/20 = NZA-RR 2020, 596 ff.). Das Bundearbeitsgericht hat diesen Ansatz mit Urteil vom 13.07.2021 (3 AZR 298/20 = DB 2021, 2159 ff.) bestätigt und angenommen, dass ein vollständiger Ausschluss einer betrieblichen Invaliditätsrente vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB darstelle. Diese Rechtsprechung, die auf einer Inhaltskontrolle allgemeiner Geschäftsbedingungen im Sinne von § 307 BGB beruht, ist aber im vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil nach § 310 Abs. 4 S. 1 BGB der 2. Abschnitt des 2. Buchs des BGB (§§ 305 ff. BGB) u.a. auf Betriebsvereinbarungen, wie der hier in Rede stehenden Konzernbetriebsvereinbarung, keine Anwendung findet. Soweit sich der Kläger außerdem auf § 315 Abs. 3 BGB beruft, ist schon der Anwendungsbereich der Norm nicht eröffnet, denn nach § 315 Abs. 1 BGB müsste dazu einer Vertragspartei ein Leistungsbestimmungsrecht nach billigem Ermessen eingeräumt sein. Im vorliegenden Fall haben die Parteien der B der Beklagten aber nicht die Gewährung einer Betriebsrente nach billigem Ermessen eingeräumt, sondern zulässigerweise bestimmte Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung einer Invaliditätsversorgung errichtet. Demzufolge kommt es allein darauf an, ob diese Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind oder nicht.

Nach alledem steht fest, dass der Kläger wegen fehlender Beendigung seines Arbeitsverhältnisses im streitbefangenen Zeitraum die Voraussetzungen für die Zahlung einer Invalidenrente nach § 7 Ziff. 1 B nicht erfüllt hat. Das Arbeitsgericht Gelsenkirchen hat die Klage somit zu Recht abgewiesen und die Berufung des Klägers musste deshalb erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Mit Rücksicht auf das zitierte Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 13.07.2021 hält die Kammer es für geboten, nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die Revision zuzulassen. Es erscheint zweifelhaft, ob noch von einer gesicherten höchstrichterlichen Rechtsprechung ausgegangen werden kann.

 

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