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Gewinnbeteiligung aus stiller Mitarbeiterbeteiligung

Landesarbeitsgericht Niedersachsen – Az.: 7 Sa 337/18 – Urteil vom 26.09.2019

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen vom 7. März 2018 – 2 Ca 505/17 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine Gewinnbeteiligung aus stiller Mitarbeiterbeteiligung.

Zwischen den Parteien bestand vom 1. August 1994 bis zum 31. Dezember 2016 ein Arbeitsverhältnis. Der Kläger war zuletzt als Beton- und Stahlbauer tätig. Seit dem 15. August 2013 war der Kläger durchgehend arbeitsunfähig. Ab dem 1. März 2014 bezog er eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Bei der Beklagten, einer Kommanditgesellschaft, besteht die Möglichkeit der Mitarbeiterbeteiligung. Grundlage ist eine Betriebsvereinbarung „Vermögensbeteiligung der Mitarbeiter“ vom 22. November 1974, die unter dem 9. April 2016 mit Wirkung vom 1. Januar 2016 neu gefasst wurde. Diese Betriebsvereinbarung lautet auszugsweise wie folgt:

㤠1

Beteiligungsträger:

Die Firma O. beteiligt ihre Betriebsangehörigen über die

von diesen errichtete Beteiligungsgesellschaft der Betriebs-

angehörigen der Kommanditgesellschaft in Firma O.

  • Gesellschaft bürgerlichen Rechts –
  • im Folgenden kurz Beteiligungsgesellschaft genannt – als stille Gesellschafterin im Sinne der § 335 ff. HGB nach

Maßgabe der folgenden Grundsätze:

§ 2

Beteiligungsanspruch

Jeder noch nicht beteiligte Betriebsangehörige erhält anlässlich seines 3-, 5-, 10-, 15- und 20-jährigen Arbeitnehmerjubiläums eine Beteiligungsprämie, mit der er ab dem 1. Januar des folgenden Geschäftsjahres an der Beteiligungsgesellschaft teilhat:

  • 3-jähriges Jubiläum
  • 100 Stunden
  • 5-jähriges Jubiläum
  • 100 Stunden
  • 10-jähriges Jubiläum
  • 50 Stunden
  • 15-jähriges Jubiläum
  • 50 Stunden
  • 20-jähriges Jubiläum
  • 50 Stunden

Für Angestellte wird das von der Firma O. gezahlte Bruttogrundgehalt durch die tarifliche Arbeitsstundenzahl, zurzeit bei 173 Stunden, dividiert, um den entsprechenden Stundensatz zu ermitteln.

Die Firma O. behält sich das Recht vor, die Höhe der Beteiligungsprämie von Teilzeitbeschäftigten auf einen den geleisteten Stunden entsprechenden Betrag zu kürzen. Zeiträume der Ausbildung gelten nicht als Betriebszugehörigkeit im o. g. Sinne.

§ 4

Ruhen des Beteiligungsanspruches

Der Anspruch auf eine Gewinnbeteiligung gemäß dem individuellen Beteiligungskapital besteht nur, wenn der Arbeitnehmer mindestens 7 Monate im vorangegangenen Kalenderjahr, aus dem die Gewinnbeteiligung ermittelt wird, gearbeitet hat.

§ 5

Verpflichtung zur Gesellschaftereinlage

Die Zahlung der Beteiligungsprämie durch die Firma O. ist davon abhängig, dass der Empfänger sich jeweils verpflichtet, den erreichten Beteiligungsprämienbetrag nach Abzug der Lohnsteuer und allen weiteren Abgaben, soweit sie auf steuerpflichtige Jubiläumsgeschenke anfällt, als Gesellschaftereinlage bei der Beteiligungsgesellschaft zu leisten und die Bedingungen des Gesellschaftvertrages der Beteiligungsgesellschaft anzuerkennen.

Für die stille Beteiligung, deren Rechte durch die Beteiligungsgesellschaft wahrgenommen werden, gilt:

a) dass in die Beteiligungsgesellschaft der jeweilige Nettobetrag der Beteiligungsprämie eingebracht wird und

b) dass sich die Beteiligungsgesellschaft mit dem Gesamtbetrag der Gesellschaftereinlagen der Betriebsangehörigen als stille Gesellschafterin bei der Firma O. beteiligt.

§ 6

Gewinn- und Verlustbeteiligung

Die Beteiligungsgesellschaft nimmt im Verhältnis des Anteiles ihrer Einlage am Gesamtkapital am Gewinn und Verlust der Firma O. teil. …

Der Anteil der Beteiligungsgesellschaft am Verlust der Firma O. beschränkt sich auf den Betrag ihrer Einlage. …

§ 7

Jahresgewinn

Der aus der Gewinnverteilung zugrunde zulegende Jahresgewinn besteht aus dem in der Handelsbilanz der Firma O. entsprechend ihrem Gesellschaftsvertrag in der jeweils gültigen Fassung ausgewiesenen Gewinn, nach Abzug der jeweils vereinbarten Geschäftsführervergütung und der oben in § 6 Absatz 3 genannten Darlehenszinsen.

Maßgebend für die Gewinnverteilung ist die unter Mitwirkung eines von der Firma O. bestellten Wirtschaftsprüfers erstellte Handelsbilanz.

§ 8

Gutschrift und Auszahlung der Anteiligen Gewinne

Von den auf die Beteiligungsgesellschaft anfallenden Gewinnen wird zunächst die abzuführende Kapitalertragssteuer von derzeit 25 % sowie alle weiteren gesetzlich vorgesehenen Abzüge, z. Zt. Solidaritätszuschlag und ggfs. Kirchensteuer, einbehalten und der verbleibende Betrag grundsätzlich je zur Hälfte an die beteiligten Betriebsangehörigen ausbezahlt und den Beitragskonten der Betriebsangehörigen ausbezahlt und den Beitragskonten der Betriebsangehörigen gutgeschrieben. Die Firma O. kann von Fall zu Fall bestimmen, dass bis zu 100 % des verbleibenden Betrages an die Betriebsangehörigen ausbezahlt werden soll. Sie verpflichtet sich, der Beteiligungsgesellschaft die zur Auszahlung erforderlichen Barbeträge zur Verfügung zu stellen.

§ 9

Dauer der Beteiligungsgesellschaft und Ausscheiden einzelner Gesellschafter

Die Beteiligungsgesellschaft ist für unbestimmte Dauer eingegangen. Sie wird durch das Ausscheiden einzelner Gesellschafter, sei es durch Tod oder aus anderen Gründen, nicht aufgelöst. Die Gesellschaft endet mit der Rückzahlung sämtlicher Einlagen an ihre Gesellschafter.

Das Ausscheiden eines Betriebsangehörigen aus der Beteiligungsgesellschaft ist grundsätzlich ausgeschlossen, solange sein Dienst- bzw. Arbeitsverhältnis zur Firma O. besteht.

Ende das Dienst- bzw. Arbeitsverhältnis durch Erreichen der Altersgrenze, durch Kündigung, Tod oder aus anderen Gründen, so endet automatisch das Gesellschaftsverhältnis des betreffenden Betriebsangehörigen zum gleichen Zeitpunkt.

Am Gewinn und Verlust einschließlich der schwebenden Geschäfte des laufenden Geschäftsjahres nehmen der ausgeschiedene Gesellschafter oder seine Rechtsnachfolger nicht mehr teil. Der Teilzeitbeschäftigte, dessen Arbeitsreduzierung im Laufe eines Jahres erfolgt ist, nimmt nur mit seinem reduzierten Kapital teil.

Der ausgeschiedene Gesellschafter hat einen Anspruch auf Befreiung von etwaigen gemeinschaftlichen Schulden im Sinne des § 738 Abs. 1 BGB und zwar ganz gleich, ob diese fällig oder noch nicht fällig sind; er hat jedoch kein Anspruch auf Sicherheitsleistung.

§ 10

Auszahlung des Beteiligungsguthabens

Ausgeschiedene Gesellschafter oder ihre Rechtsnachfolgerhaben Anspruch auf Auszahlung ihres Beteiligungsguthabens nach dem Stand am Tag des Ausscheidens unter Berücksichtigung ihres anteiligen Gewinnes oder Verlustes für das dem Jahr des Ausscheidens vorangegangene Kalenderjahr.“

Das Kalenderjahr entspricht dem Geschäftsjahr der Beklagten. Gewinne aus dieser Mitarbeiterbeteiligung werden jährlich im September des Folgejahres ausgeschüttet.

Die Betriebsvereinbarung ist für die Firma O. von dem Geschäftsführer der Komplementärin Herrn O. sowie für den Betriebsrat von dem Betriebsratsvorsitzenden Herrn B. unter dem 9. April 2016 unterzeichnet. Bei dem 9. April 2016 handelt es sich um einen Samstag. Eine Einladung zu einer Betriebsratssitzung vom 19. März 2016 sieht als „TOP 6: Diskussion über die Neufassung der Betriebsvereinbarung Beteiligungsgesellschaft“ vor.

Die vorherige Fassung der Betriebsvereinbarung vom 22. November 1974 sah eine Beteiligungsprämie für Betriebsangehörige erst nach voller fünfjähriger Tätigkeit für die Beklagte vor. Eine Regelung zum Ruhen des Beteiligungsanspruchs, wie sie § 4 der Betriebsvereinbarung vom 9. April 2016 vorsieht, fehlte. Wegen der Einzelheiten der Betriebsvereinbarung vom 22. November 1974 wird auf die von der Beklagten eingereichte Kopie, Bl. 241 d. A. Bezug genommen.

Unter dem 22. November 1974 wurde eine Beteiligungsgesellschaft der Betriebsangehörigen der Kommanditgesellschaft in Firma O. – Gesellschaft bürgerlichen Rechts – gegründet. Deren Zweck war die Beteiligung als stille Gesellschafterin bei der Firma O. In § 5 des Gesellschaftsvertrags heißt es:

㤠5

Gesellschaftereinlage als stille Beteiligung

Für die Vereinbarung zwischen der Beteiligungsgesellschaft und der Firma O. über die Bedingungen, unter denen die Gesellschaftseinlage als stille Beteiligung bei der Firma O. gemacht wird, sind die Bestimmungen der Betriebsvereinbarung vom 22.11.1974 und des Vertrages über die Errichtung einer stillen Gesellschaft vom 22.11.1974 maßgebend.“

Wegen der Einzelheiten des eingereichten Gesellschaftsvertrags wird auf die von der Beklagten eingereicht Kopie, Bl. 241 d. A. Bezug genommen.

Zwischen der Kommanditgesellschaft in Firma O. und der Beteiligungsgesellschaft der Betriebsangehörigen der Kommanditgesellschaft in Firma O. – Gesellschaft bürgerlichen Rechts – wurde ein Vertrag über die Errichtung einer stillen Gesellschaft unter dem 22. November 1974 geschlossen. In diesem Vertrag heißt es ua.:

„II.

Für die Rechte und Pflichten der Beteiligten aus der stillen Gesellschaft ist die Betriebsvereinbarung vom 22.11.1974 maßgebend, auf deren Bestimmungen hiermit Bezug genommen wird.“

Wegen der Einzelheiten dieses Vertrags wird ebenfalls auf die von der Beklagten eingereicht Kopie, Bl. 241 d. A. Bezug genommen.

Der Kläger war zuletzt mit 5.970,00 € an der Beteiligungsgesellschaft beteiligt. Eine Erklärung gemäß § 5 der Betriebsvereinbarung unterzeichnete der Kläger nicht.

Mit Schreiben vom 29. September 2016 lud die Beklagte zu einer Gesellschafterversammlung der Beteiligungsgesellschaft am 21. Oktober 2016 ein. Die Einladung nannte als Tagesordnungspunkt unter anderem: „4) Vorstellung der Neufassung der „Vermögensbeteiligung der Mitarbeiter“.

Der Kläger sowie sämtliche Betriebsratsmitglieder einschließlich des Betriebsratsvorsitzenden nahmen an der Versammlung teil. In der Gesellschafterversammlung wurde die Neuregelungen der Betriebsvereinbarung „Vermögensbeteiligung der Mitarbeiter“ vorgestellt. Die Betriebsratsmitglieder widersprachen den Änderungen der Betriebsvereinbarung nicht.

Am 17. Januar 2017 wurde die Beteiligung des Klägers in Höhe von 5.970,00 € auf ein Konto des Klägers überwiesen.

Die Beklagte zahlte für das Jahr 2016 (Kalenderjahr, zugleich Geschäftsjahr der Beklagten) an die beteiligten Arbeitnehmer 192 % der Höhe der jeweiligen Beteiligung eines Mitarbeiters als Ergebnisanteil aus. Die Zahlung erfolgte im September 2017. An den Kläger zahlte die Beklagte für das Jahr 2016 keinen Gewinnanteil.

Mit Schreiben vom 18. September 2017 forderte die Prozessbevollmächtigte des Klägers die Beklagte auf, bis zum 4. Oktober 2017 den Ergebnisanteil des Klägers zu berechnen und auf das bekannte Konto des Klägers auszuzahlen.

Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 27. September 2017, dass ein Anspruch des Klägers auf den Ergebnisanteil 2016 nicht bestehe, da er im Jahr 2016 nicht an einem einzigen Tag gearbeitet habe, sondern Bezieher einer Rente wegen voller Erwerbsminderung gewesen sei. Aufgrund der Neuregelung bestehe ein Anspruch für das Geschäftsjahr nur, wenn in dem jeweiligen Geschäftsjahr mindestens sieben Monate gearbeitet worden sei, woran es beim Kläger fehle.

Mit seiner am 14. November 2017 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage, die der Beklagten am 17. November 2017 zugestellt worden ist, hat der Kläger die Zahlung einer Gewinnbeteiligung in Höhe von 200 % des Beteiligungsanteils, d. h. 11.940,00 € verlangt.

Der Kläger meint, er habe Anspruch auf die Auszahlung einer Gewinnbeteiligung für das Jahr 2016.

Er hat behauptet, nur der Betriebsratsvorsitzende sei in die Änderung der Betriebsvereinbarung „Vermögensbeteiligung der Mitarbeiter“ einbezogen gewesen. Der Kläger hat bestritten, dass der Betriebsrat ordnungsgemäß zusammengerufen worden sei, eine Betriebsratssitzung stattgefunden habe oder eine sonstige gemeinsame Willensbildung und ein Beschluss bzw. eine Willenserklärung über eine Änderung der streitgegenständlichen Betriebsvereinbarung überhaupt getroffen bzw. geäußert worden sei. Er hat gemeint, Zweifel an der korrekten Beteiligung des Betriebsrats ergäben sich aus folgenden Gründen: Bei dem 9. April 2016 habe es sich – unstreitig – um einen Samstag gehandelt. Es sei davon auszugehen, dass die Beklagte unter Nennung sämtlicher Betriebsratsangehöriger als Zeugen die Durchführung einer Betriebsratssitzung und eine entsprechende Willenserklärung zur Änderung der Betriebsvereinbarung vortragen könne, wenn es diese gegeben habe. Da ein solcher Vortrag nicht erfolgt sei, sei davon auszugehen, dass es eine solche Betriebsratssitzung nicht gegeben habe und auch die Änderung der Betriebsvereinbarung nicht unter Beteiligung des Betriebsratsgremiums erfolgt sei. Allein die Beteiligung des Betriebsratsvorsitzenden reiche nicht aus.

Er hat die Auffassung vertreten, die geänderte Betriebsvereinbarung sei auch deshalb unwirksam, weil sie rückwirkend in seine Rechte eingreife. Denn für die beteiligten Mitarbeiter sei die ungünstigere Regelung in § 4 der Betriebsvereinbarung ohne deren vorherige Kenntnis oder Information für das bereits laufende Geschäftsjahr getroffen worden. Grundsätzlich sei zwar eine rückwirkende Geltung einer Betriebsvereinbarung möglich, im Einzelfall auch zu Ungunsten der Arbeitnehmer, es müssten hierbei aber die Grundsätze des Rückwirkungsverbots, des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit beachtet werden. Der Kläger genieße Vertrauensschutz, da er trotz seiner Arbeitsunfähigkeit seit dem Jahr 2013 – unstreitig – jedes Jahr Ergebnisanteile erhalten habe. Aufgrund der Zahlungen in den Vorjahren und der Auftragslage der Beklagten habe er auf die Gewinnbeteiligung für 2016 vertraut. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei ebenfalls nicht beachtet worden. § 4 der Betriebsvereinbarung in der Fassung vom 9. April 2016 verstoße gegen das Verbot der Diskriminierung aus krankheitsbedingten Gründen. Die Regelung differenziere nicht danach, ob Mitarbeiter aus persönlichen Gründen die Arbeitsleistung nicht erbringen konnten oder ob z. B. aufgrund eines Arbeitsunfalls die Erbringung der Arbeitsleistung nicht möglich war. Damit würden Mitarbeiter diskriminiert, die gesetzlich verbriefte Rechte in Anspruch nähmen und besonderen Schutz genössen.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 11.940,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. November 2017 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat gemeint, ein Anspruch des Klägers auf eine Gewinnbeteiligung für das Jahr 2016 bestehe nicht. Die Einwendungen des Klägers zur Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung „Vermögensbeteiligung der Mitarbeiter“ in der Fassung vom 9. April 2016 seien nicht begründet.

Sie hat behauptet, die Änderungen in der Betriebsvereinbarung seien auf Initiative des Betriebsrats aufgenommen worden. Schon im Jahr 2015 seien mögliche Änderungen der Betriebsvereinbarung im Gremium des Betriebsrats diskutiert worden. In der Betriebsratssitzung am 6. Februar 2016 seien Änderungen der Betriebsvereinbarung erneut im Gremium des Betriebsrats beraten worden. In dieser Sitzung habe zwischen den Betriebsratsmitgliedern Einigkeit darüber bestanden, dass Betriebsangehörige bereits anlässlich ihres dreijährigen Arbeitnehmerjubiläums eine Beteiligungsprämie erhalten sollten. Noch nicht abschließend sei in dieser Sitzung die Frage behandelt worden, welche Mindestarbeitsleistung ein Arbeitnehmer im vorangegangenen Kalenderjahr zur Erlangung einer Gewinnbeteiligung erbringen müsse. Am 19. März 2016 habe eine weitere Betriebsratssitzung stattgefunden, in der erneut über die Änderungen der Betriebsvereinbarung beraten worden sei. In dieser Sitzung hätten sich die Betriebsratsmitglieder darauf verständigt, dass § 4 der Vereinbarung neu gefasst werde und der Anspruch auf eine Gewinnbeteiligung gemäß dem individuellen Beteiligungskapital nur bestehe, wenn der Arbeitnehmer mindestens sieben Monate im vorangegangenen Kalenderjahr, aus dem die Gewinnbeteiligung ermittelt wird, gearbeitet habe. In der Betriebsratssitzung am 19. März 2016 habe das Gremium des Betriebsrats diese Änderungen auch beschlossen. Im Anschluss an die Sitzung seien der Geschäftsleitung der Beklagten die beschlossenen Änderungen mitgeteilt worden. Von Seiten der Beklagten sei daraufhin die Betriebsvereinbarung unter Berücksichtigung der beschlossenen Änderungen neu formuliert worden. Die neu formulierte Betriebsvereinbarung sei dem Betriebsrat übergeben und in der Betriebsratssitzung am 9. April 2016 von dem Betriebsratsgremium geprüft und von dem Betriebsratsvorsitzenden unterzeichnet worden. Die Betriebsratssitzungen fänden – unstreitig – im Betrieb der Beklagten fast regelmäßig samstags satt. Denn die Beklagte betreibe ein Bauunternehmen, in dem die bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer – unstreitig – von montags bis freitags in der Regel auf auswärtigen Baustellen tätig seien. Da vor der Unterzeichnung der Betriebsvereinbarung eine Betriebsratssitzung stattgefunden habe, habe die Beklagte davon ausgehen dürfen, dass der Vereinbarung eine ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrats zugrunde gelegen habe. Mangels negativer Anhaltspunkte sei die Beklagte nicht verpflichtet, sich über die Richtigkeit der Erklärung des Betriebsratsvorsitzenden zu vergewissern. Eventuelle Mängel der Beschlussfassung des Betriebsrats hätten grundsätzlich selbst dann keine Auswirkungen auf die Erklärung des Betriebsratsvorsitzenden, wenn der Arbeitgeber wisse oder erkennen könne, dass der Betriebsrat die Angelegenheit nicht fehlerfrei behandelt habe. Solche Fehler gingen nicht zu Lasten des Arbeitgebers, weil der Arbeitgeber keine rechtliche Möglichkeit der Einflussnahme auf die Beschlussfassung des Betriebsrats habe. Etwas anderes könne nur dann gelten, wenn erkennbar keine Stellungnahme des Gremiums Betriebsrat, sondern nur eine persönliche Äußerung des Betriebsratsvorsitzenden vorliege oder der Arbeitgeber einen Fehler des Betriebsrats durch unsachgemäßes Verhalten selbst verursacht habe. Dies sei nicht der Fall. Der Kläger habe auch keine Tatsachen für eine fehlende ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrats vorgetragen.

Die Beklagte hat behauptet, nach der Unterzeichnung durch die Betriebspartner habe die Betriebsvereinbarung am 9. April 2016 allen Mitarbeitern im Betrieb zur Einsichtnahme zur Verfügung gestanden.

Sie hat die Auffassung vertreten, ein etwaiger Vertrauensschutz des Klägers in den unveränderten Fortbestand der Betriebsvereinbarung bestehe nicht. Die Beteiligung der Arbeitnehmer beruhe auf freiwilligen Zuwendungen der Beklagten. Nach § 11 der Betriebsvereinbarung bestehe zudem das Recht zur Kündigung des Beteiligungsmodels seitens der Beklagten. Die Betriebsvereinbarung könne von den Betriebsparteien jederzeit gekündigt und inhaltlich verändert werden. Bei einer Kündigung entfalle die Ergebnisbeteiligung aller Arbeitnehmer. Der Kläger habe nicht darauf vertrauen können, dass die Betriebsvereinbarung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses unverändert fortbestehe.

Die Beklagte hat ausgeführt, die Ergebnisbeteiligung stelle eine Leistung für die Anerkennung geleisteter Dienste der Arbeitnehmer dar, solle eine stärkere Verbundenheit der Mitarbeiter mit dem Unternehmen bewirken sowie das Interesse der Mitarbeiter steigern, durch die Arbeitsleistung an einem positiven Geschäftsergebnis mitzuwirken. Dieser Leistungszweck setze eine gewisse Arbeitsleistung im Geschäftsjahr voraus. Im Geschäftsjahr durchgehend erkrankte Arbeitnehmer leisteten keinen Beitrag zur Erbringung eines positiven Geschäftsergebnisses. Vor diesem Hintergrund sei es nicht diskriminierend, die Ergebnisbeteiligung von einer Mindestarbeitsleistung abhängig zu machen. Vergleichbares sei auch bei anderen, in Tarifverträgen geregelten Sonderzahlungen üblich, wie z. B. in dem Tarifvertrag zum 13. Monatseinkommen des Baugewerbes.

Mit Urteil vom 7. März 2018 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, ein Anspruch des Klägers bestehe nicht, da er die in § 4 der Betriebsvereinbarung „Vermögensbeteiligung der Mitarbeiter“ vom 9. April 2016 genannte Voraussetzung einer Arbeitsleistung von mindestens sieben Monaten im Kalenderjahr 2016 nicht erfülle. Soweit der Kläger einfach bestritten habe, dass die Neuregelung ordnungsgemäß durch Vereinbarung mit dem und unter Beteiligung des Betriebsrats zustande gekommen sei, und die erforderlichen Formen und Fristen eingehalten worden seien, reiche dies nicht. Denn die Betriebsvereinbarung sei auf Seiten des Betriebsrats von dem Betriebsratsvorsitzenden als Vertreter des Betriebsrats (§ 26 Abs. 2 BetrVG) unterzeichnet worden. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Betriebsratsvorsitzende eigenmächtig gehandelt habe und/oder im Gremium des Betriebsrats keine ordnungsgemäße Beschlussfassung über die geplanten Änderungen stattgefunden habe und dies noch dazu der Beklagten bekannt gewesen sei bzw. hätte bekannt sein müssen, habe der Kläger nicht aufgezeigt. Sein Bestreiten erfolge vielmehr „ins Blaue“ hinein. § 4 der Betriebsvereinbarung sei wirksam. Die Grundsätze des Rückwirkungsverbots, der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes seien entgegen der Ansicht des Klägers nicht verletzt. Die mit Wirkung zum 1. Januar 2016 neu gefasste Regelung vom 9. April 2016 greife nicht in ein bereits entstandenes Recht, die Gewinnbeteiligung für 2016 ein, weil diese erst im September 2017 zu ermitteln und auszuschütten gewesen sei. § 4 der Betriebsvereinbarung diskriminiere die Mitarbeiter, die aufgrund ihrer Erkrankung nicht in der Lage gewesen seien, ihre Arbeitsleistung persönlich zu erbringen, nicht. Denn bei der Ergebnisbeteiligung handele es sich um eine Leistung, die als Anerkennung der Dienste der Arbeitnehmer gezahlt werde. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger berechtigt darauf habe vertrauen können, dass die Betriebsvereinbarung vom 22. November 1974 unverändert bis zum Ende seines Arbeitsverhältnisses fortbestehen werde, seien nicht ersichtlich.

Gegen das seiner Prozessbevollmächtigten am 21. März 2018 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16. April 2018 Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 20. Juni 2018 begründet.

Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Er bestreitet weiterhin, dass die Neuregelung ordnungsgemäß durch Vereinbarung mit dem und unter Beteiligung des Betriebsrats zustande gekommen sei und dass erforderliche Formen und Fristen eingehalten worden seien. Er trägt vor, dass nach seiner Kenntnis nur der Betriebsratsvorsitzende an der Änderung der Betriebsvereinbarung beteiligt gewesen sei. Er bestreite nicht, „ins Blaue hinein“. Denn er habe den begründeten Verdacht, dass der Betriebsrat an der Willensbildung zur Änderung der Betriebsvereinbarung nicht oder nur unzureichend beteiligt gewesen sei. Daraus, dass sich die Betriebsparteien am 9. April 2016 verständigt hätten, ergebe sich kein Betriebsratsbeschluss oder eine sonst rechtlich relevante Regelung.

Er meint, die Betriebsvereinbarung vom 9. April 2016 greife in ein bestehendes Recht ein. Das Vertrauen der Mitarbeiter in die Gültigkeit der bisherigen Regelung sei zu schützen und § 4 der Betriebsvereinbarung für 2016 nicht anzuwenden. Denn die Ansprüche, die im September des Folgejahres ausgeschüttet würden, beträfen bereits das laufende Jahr 2016 in vollem Umfang. Die Ermittlungen im Jahr 2017 hätten keinen Einfluss auf das Entstehen der Ansprüche, was in vollem Umfang im Vorjahr erfolge. Die Voraussetzungen für die Gewinnausschüttung würden in vollem Umfang im Jahr 2016 geschaffen. Am 21. Oktober 2016 – bei der Information der Mitarbeiter – hätten Mitarbeiter, die bis zu diesem Zeitpunkt erkrankt gewesen seien, keinen Einfluss mehr auf die entsprechende Regelung nehmen können oder sich hierauf einrichten können. Denn zur Zeit der Bekanntgabe der Regelung seien 10 Monate bereits verstrichen gewesen. Die Regelung in § 4 der Betriebsvereinbarung habe die Mitarbeiter überrascht. § 4 enthalte eine Diskriminierung erkrankter Mitarbeiter sowie insgesamt von Mitarbeiterin, die gesetzlich verbriefte Rechte in Anspruch nähmen und besonderen Schutz genössen. Die Argumentation, dass Mitarbeiter nicht wissen könnten, ob ein Gewinn oder Verlust erwirtschaftet werde, gehe fehl. Dies sei zwar richtig, aber für die streitgegenständliche Frage irrelevant. Sofern die Beklagte einen Gewinn erwirtschafte, könnten die Mitarbeiter darauf vertrauen, dass sie hieran beteiligt würden. Da eine Kündigung der Betriebsvereinbarung nicht erfolgt sei, habe ein Vertrauen der Mitarbeiter und auch des Klägers darauf bestanden, dass für 2016 die Gewinnbeteiligung ausgeschüttet werde, sofern im Jahr 2016 ein Gewinn erzielt werde.

Er ist der Auffassung, dass die Neufassung der Betriebsvereinbarung unter dem 9. April 2016 zudem bereits deshalb rechtlich nicht möglich und daher unwirksam sei, weil die vertraglichen Grundlagen zur Gründung der Beteiligungsgesellschaft der Betriebsangehörigen der Kommanditgesellschaft in Firma O. – Gesellschaft bürgerlichen Rechts – vom 22. November 1974 sowie der Vertrag über die Errichtung der stillen Gesellschaft vom 22. November 1974 ausschließlich die Betriebsvereinbarung vom 22. November 1974 in Bezug nähmen und keine Öffnungsklausel enthielten.

Der Kläger beantragt, unter teilweiser Rücknahme der Berufung, das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen vom 7. März 2018 – 2 Ca 505/17 – teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 11.462,40 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. November 2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass nach Vortrag des Klägers keinerlei Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass der Betriebsratsvorsitzende eigenmächtig gehandelt habe und es an einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung des Gremiums gefehlt habe, die der Beklagten noch dazu bekannt gewesen sei oder hätte bekannt sein können.

Sie meint, eine Diskriminierung arbeitsunfähig erkrankter Mitarbeiter liege nicht vor. Ein schützenswertes Vertrauen des Klägers in die Gewährung einer Vermögensbeteiligung für das Jahr 2016 könne nie bestanden haben. Denn dies setze zunächst die Erwirtschaftung eines Überschusses, also eines Gewinns der Beklagten im entsprechenden Geschäftsjahr voraus. Ob die Beklagte im Jahr 2016 einen Gewinn erwirtschaften würde, sei für die Beklagte und alle Beteiligten einschließlich des Klägers ungewiss gewesen. Ebenso wenig habe der Kläger darauf vertrauen können, dass die Beklagte und der Betriebsrat keine Änderungen an der Betriebsvereinbarung vornehmen würden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts könnten Arbeitgeber und Betriebsrat grundsätzlich bestimmen, welche Bezugsbedingungen sie für die Zahlung einer Gewinnbeteiligung festlegten. Eine Gewinnbeteiligung solle den vom Arbeitnehmer geleisteten Beitrag am wirtschaftlichen Erfolg belohnen. Dieser Zweck werde verfehlt, wenn der Arbeitnehmer die Beteiligung auch ohne Arbeitsleistung beanspruchen könne. Es sei durchaus zulässig, auch in einer Betriebsvereinbarung den Anspruch auf eine Gewinnbeteiligung von der Erbringung einer Mindestarbeitsleistung abhängig zu machen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den gesamten Inhalt der Akte, die gewechselten Schriftsätze einschließlich der Anlagen sowie auf die in der mündlichen Verhandlung vom 26. September 2019 gemachten Erklärungen verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die gem. § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und begründete und deshalb zulässige Berufung (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO) ist unbegründet.

1.

Bei der beklagten Kommanditgesellschaft handelt es sich um die richtige Beklagte. Die Beteiligungsgesellschaft der Betriebsangehörigen als stille Gesellschaft hat im Verfahrensrecht keine selbständige Stellung. Sie ist nicht parteifähig (vgl. Mock in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 5. Aufl. 2019, § 230 HGB, Rn. 116).

2.

Der Kläger hat keinen Zahlungsanspruch. Nach § 4 der Betriebsvereinbarung vom 9. April 2016 besteht ein Anspruch auf eine Gewinnbeteiligung nur, wenn der Arbeitnehmer mindestens sieben Monate im vorangegangenen Kalenderjahr, aus dem die Gewinnbeteiligung ermittelt wird, gearbeitet hat. Da der Kläger im Kalenderjahr 2016 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt war und deshalb nicht mindestens sieben Monate bei der Beklagten gearbeitet hat, besteht kein Anspruch auf die Zahlung einer Gewinnbeteiligung für das Jahr 2016.

3.

Die Betriebsvereinbarung vom 9. April 2016 ist wirksam zustande gekommen.

a.

Die Regelungen zur Gewinnbeteiligung eines Arbeitnehmers, die durch die Beteiligung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts als stille Gesellschafterin der Arbeitgeberin erfolgen, können Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Es handelt sich weder um Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag noch üblicherweise durch Tarifvertrag geregelt sind, § 77 Abs. 3 BetrVG. Ein kollektiver Regelungsgegenstand – nämlich die Festlegung, wann eine Beteiligungsprämie und damit eine Gesellschaftsbeteiligung für Betriebsangehörige gewährt wird und daraus folgend ein Anspruch auf eine Gewinnbeteiligung besteht – liegt vor. Die Betriebsparteien konnten auch Regelungen treffen, die in den gesellschaftsrechtlichen Bereich hineinragen. Denn Gesellschaftsanteile können nur Betriebsangehörige der Beklagten erhalten. Die Stellung als Gesellschafter ist damit unabdingbar mit der Stellung als Betriebsangehöriger der Beklagten verknüpft. Für diese Personen besteht eine Regelungsmacht der Betriebsparteien.

b.

Formelle Unwirksamkeitsgründe bestehen nicht.

aa.

Die Betriebsvereinbarung vom 9. April 2016 ist – unstreitig – vom Betriebsratsvorsitzenden Herrn B. sowie dem Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten Herrn O. unterzeichnet, § 77 Abs. 2 BetrVG.

bb.Der Kläger hat seine Behauptung, die Betriebsvereinbarung sei ohne wirksamen Beschluss des Betriebsratsgremiums vereinbart worden, nicht durch substantiierten Tatsachenvortrag untermauert. Da eine unterschriebene Erklärung des Betriebsratsvorsitzenden vorliegt, der nach § 26 Abs. 2 BetrVG den Betriebsrat nach außen vertritt, besteht eine – allerdings jederzeit widerlegbare – Vermutung dafür, dass der Betriebsrat einen entsprechenden Beschluss gefasst hat. Die Darlegungs- und Beweispflicht liegt bei demjenigen, der ein unbefugtes Handeln des Betriebsratsvorsitzenden geltend macht (vgl. BAG 21. Februar 2002 – 2 AZR 581/00 – Rn. 51). Ein solches, unbefugtes Handeln hat der darlegungspflichtige Kläger nicht dargetan. Er hat das Zustandekommen eines wirksamen Betriebsratsbeschlusses lediglich einfach bestritten. Er hat keinen Anhaltspunkt genannt, der für einen fehlenden oder unwirksamen Betriebsratsbeschluss sprechen könnte. Vielmehr spricht die Beteiligung sämtlicher Betriebsratsmitglieder an der Gesellschafterversammlung, auf der die Neuregelung der Betriebsvereinbarung im Oktober 2016 vorgestellt wurde, und deren widerspruchslose Hinnahme der vorgestellten Änderungen dafür, dass die Änderungen der Betriebsvereinbarung vom Betriebsratsgremium mitgetragen wurden. Zudem konnte die Arbeitgeberin eine Einladung zu einer Betriebsratssitzung am 19. März 2016 vorlegen, aus der sich als Tagesordnungspunkt die Diskussion über die Neufassung der Betriebsvereinbarung zur Beteiligungsgesellschaft ergab. Soweit der Kläger vorgetragen hat, dass ein Handeln des Betriebsratsvorsitzenden sowie des Gremiums deshalb unwahrscheinlich seien, weil es sich beim 9. April 2016 wie beim 19. März 2016 um einen Samstag gehandelt habe, so hat die Beklagte unbestritten erläutert, dass es in ihrem Baubetrieb, auf dem sich zahlreiche Mitarbeiter unter der Woche auf Montage befinden, üblich sei, dass der Betriebsrat seine Sitzungen an einem Samstag abhalte. Diesem Vortrag ist der Kläger nicht entgegengetreten.

c.

Durch die Neufassung der Betriebsvereinbarung unter dem 9. April 2016 wurde die ältere Betriebsvereinbarung vom 22. November 1974 abgelöst. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts löst eine neue Betriebsvereinbarung über denselben Regelungsgegenstand die Regelungen der älteren Betriebsvereinbarung auch dann ab, wenn diese für den Arbeitnehmer günstiger waren (vgl. BAG 29. Oktober 2002 – 1 AZR 573/01 – zu I. 2. a. der Gründe).

d.

Es liegt weder eine echte noch eine unechte Rückwirkung vor. Die Betriebsvereinbarung vom 9. April 2016 greift nicht zu Lasten des Klägers in abgeschlossene Tatbestände für zurückliegende Zeiträume ein. Ebenso wenig hat sie Rahmen gegenwärtiger Leistungsbeziehungen bereits entstandene, wenn auch noch nicht abgewickelte Rechtspositionen nachträglich entwertet (vgl. BAG 23. Januar 2008 – 1 AZR 988/06 – Rn. 29). Weder bei Unterschriftsleistung unter der Betriebsvereinbarung am 9. April 2016 noch bei der Gesellschafterversammlung im Herbst 2016 war ein Anspruch auf die Gewinnbeteiligung entstanden. Dieser hing davon ab, dass die Beklagte im Geschäftsjahr 2016, das am 31. Dezember 2016 endete, einen Gewinn erwirtschaftete und das Arbeitsverhältnis bis zum Ende des Geschäftsjahres bestand. Ein fälliger Anspruch auf eine Gewinnbeteiligung war erst recht noch nicht entstanden.

e.

Ein Gewinnbeteiligungsanspruch in einer kollektivrechtlichen Regelung – wie hier der Betriebsvereinbarung – kann auch von einer Mindestarbeitsleistung von sieben Monaten im Geschäftsjahr abhängig gemacht werden. Diese Regelung ist nicht wegen Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgebot als Ausdruck der Grundsätze von Recht und Billigkeit iSd. § 75 Abs. 1 BetrVG unwirksam. Denn ein Arbeitnehmer hat nur dann zu dem Gewinn des Unternehmens beigetragen, wenn er in dem jeweiligen Geschäftsjahr eine Arbeitsleistung erbracht hat (vgl. BAG 8. September 1998 – 9 AZR 273/97 – Rn. 28). Arbeitnehmer, die keine Abwesenheitszeiten aufweisen, haben eine höhere Gegenleistung erbracht. Dies schließt die Annahme einer vergleichbaren Situation mit Personen aus, die im jeweiligen Geschäftsjahr in einem geringeren Umfang oder gar nicht gearbeitet haben (vgl. BAG 13. Oktober 2016 – 3 AZR 439/15 – Rn. 68). Es liegt im Rahmen des den Betriebsparteien zustehenden Gestaltungsspielraums die erforderliche Mindestarbeitsleistung pauschal mit sieben Monaten festzulegen. Einer Regelung, wonach eine quotale Zahlung einer Gewinnbeteiligung entsprechend der Dauer der Arbeitsleistung erfolgt, bedarf es nicht. Von der Gewinnbeteiligung unabhängig ist die Beteiligungsprämie, die dem Arbeitnehmer trotz der Nichtleistung der Arbeit erhalten bleibt und dem Kläger hier auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Januar 2017 ausgezahlt wurde.

f.

Der Voraussetzung einer Mindestarbeitsleistung von sieben Monaten im Geschäftsjahr in § 4 der Betriebsvereinbarung vom 9. April 2016 stehen gesellschaftsrechtliche Regelungen nicht entgegen. Zwar nehmen der Gesellschaftsvertrag der Beteiligungsgesellschaft der Betriebsangehörigen der Kommanditgesellschaft in Firma O. – Gesellschaft bürgerlichen Rechts – sowie der Vertrag über die Errichtung einer stillen Gesellschaft ausschließlich auf die Betriebsvereinbarung vom 22. November 1974 Bezug, ohne dass ausdrücklich bestimmt ist, dass die Betriebsvereinbarung in ihrer jeweiligen Fassung gemeint ist.

Die gesellschaftsrechtliche Regelung zur Gewinnbeteiligung ist jedoch allein zur Umsetzung der in der Betriebsvereinbarung getroffenen kollektivrechtlichen arbeitsrechtlichen Regelung erfolgt. Denn die Betriebsvereinbarung vom 22. November 1974 in der Fassung vom 9. April 2016 schafft unter bestimmten Voraussetzungen einen Beteiligungsanspruch über eine stille Gesellschaft für sämtliche Betriebsangehörige der Beklagten. Ausschließlich zur Umsetzung dieses kollektivrechtlich geregelten Beteiligungsanspruchs sowie der daraus folgenden Gewinnbeteiligung wurden die weiteren vertraglichen Regelungen geschlossen. Aus dieser Verknüpfung folgt, dass die gesellschaftsrechtlichen Regelungen den Regelungen der Betriebsvereinbarung folgen.

Die Betriebsvereinbarung vom 9. April 2016 geht zudem aufgrund der Kollisionsregelung der Betriebsvereinbarung vom 22. November 1974 vor. Damit geht sie auch den Regelungen der Betriebsvereinbarung vom 22. November 1974 vor, die zunächst Inhalt des Gesellschaftsvertrags und des Vertrags über die Errichtung der stillen Gesellschaft geworden sind. Ein Auseinanderlaufen des gesellschaftsrechtlichen Gewinnbeteiligungsanspruchs gegenüber dem in der Betriebsvereinbarung geregelten Gewinnbeteiligungsanspruchs ist aufgrund der kollektivrechtlichen Verknüpfung beider Regelungen nicht gewollt.

4.

Auch das weitere Vorbringen des Klägers, auf das in dem Urteil nicht mehr besonders eingegangen wird, weil die Entscheidungsgründe gem. § 313 Abs. 3 ZPO lediglich eine kurze Zusammenfassung der tragenden Erwägungen erhalten sollen, führt nicht zu einem abweichenden Ergebnis.

II.

Die Berufung war mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 72 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.

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