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Gutschrift von abgezogenen Guthabenstunden auf dem Arbeitszeitkonto

Landesarbeitsgericht Hamburg – Az.: 4 Sa 56/13 – Urteil vom 22.07.2014

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 27. Juni 2013 – 5 Ca 253/12 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Gutschrift von abgezogenen Guthabenstunden auf dem klägerischen Arbeitszeitkonto.

Die Klägerin ist seit dem 06. September 2007 aufgrund Arbeitsvertrages vom 5. September 2007 (Anlage K1, Bl. 8ff d.A.) bei der Beklagten, einem Leiharbeitsunternehmen, als gewerbliche Hilfskraft beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Tarifverträge der DGB-Gewerkschaften mit dem Bundesverband Zeitarbeit Personaldienstleistungen e.V. BZA Anwendung. Beide Parteien sind tarifgebunden.

Gemäß § 3 des Arbeitsvertrages beträgt die individuelle regelmäßige monatliche Arbeitszeit der Klägerin 151,67 Stunden. Das entspricht einer durchschnittlich wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden. Die Klägerin erhält einen Stundenlohn in Höhe von 7,89 € brutto (§ 7 a) des Arbeitsvertrages. Dies ergibt ein verstetigtes Bruttomonatsgehalt von € 1.196,68 (vgl. § 13.1 MTV-BZA, § 7 b) des Arbeitsvertrages). Gemäß § 10 des Arbeitsvertrages (der im Wesentlichen inhaltsgleich mit der Regelung in § 4 des MTV-BZA ist) haben die Parteien von der im Manteltarifvertrag vorgesehenen Möglichkeit der Führung eines Arbeitszeitkontos Gebrauch gemacht.

In § 10 des Arbeitsvertrages heißt es:

„a) Die tatsächliche Lage der Arbeitszeit wird an die des Kundenbetriebes angepasst. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen und die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage richten sich nach den im jeweiligen Kundenbetrieb gültigen Regelungen bzw. Anforderungen.

b) …

c) Zum Ausgleich der monatlichen Abweichungen zwischen der nach § 3 vereinbarten individuellen regelmäßigen Arbeitszeit des ANs und der tatsächlichen Arbeitszeit wird ein Arbeitszeitkonto eingerichtet. In das Arbeitszeitkonto können Plus- und Minusstunden eingestellt werden.

d) Plusstunden sind die über die individuelle regelmäßige, monatliche Arbeitszeit hinaus entstandenen Arbeitsstunden. Minusstunden sind die unter der individuellen regelmäßigen, monatlichen Arbeitszeit liegenden Arbeitsstunden.

Das Arbeitszeitkonto darf max. 200 Plusstunden umfassen.

e) Das Arbeitszeitkonto ist nach 12 Monaten in der Gestalt auszugleichen, dass AN und AG eine Vereinbarung treffen mit dem Ziel innerhalb von 3 Monaten einen vollständigen Zeitausgleich vorzunehmen.

f) Der Ausgleich der Zeitkonten erfolgt in der Regel durch Freizeitentnahme nach folgenden Maßgaben:

1. …

4. Im Falle des Ausscheidens des ANs ist der Saldo auf dem Arbeitszeitkonto wie folgt auszugleichen: Plusstunden werden abgegolten, Minusstunden werden bei Eigenkündigung des ANs bzw. außerordentlicher Kündigung bis zu 35 Stunden verrechnet, soweit eine Nacharbeit betrieblich nicht möglich ist.“

Zum 31. Dezember 2011 wies das Arbeitszeitkonto der Klägerin ein Plus von 200 Stunden aus. In der Zeit vom Januar bis Mai 2012 gab es Beschäftigungsausfälle für die Klägerin. So arbeitete sie in den fünf Monaten anstatt 785,35 Stunden (5 Monate a 151,67 Stunden) nur 175,01 Stunden. Wegen der Nichtbeschäftigung nahm die Beklagte einen Abzug von Plusstunden aus dem Arbeitszeitkonto der Klägerin vor. Zunächst zog sie insgesamt 357 Stunden ab. Nach dem Widerspruch der Klägerin gegen den Abzug schrieb die Beklagte der Klägerin 63 Stunden wieder gut. Zum 31. Mai 2012 wies das Arbeitszeitkonto der Klägerin ein Minus von 75,34 Stunden aus.

Gegen den verbleibenden Abzug von 219,76 Stunden (unter Beachtung von unstreitig zu Recht erfolgten Abzügen von Plusstunden) hat sich die Klägerin mit ihrer Klage vom 20. Juni 2012 gewehrt, mit der sie die Gutschrift von 219,76 Plusstunden auf ihrem Arbeitszeitkonto geltend gemacht hat.

Die Klägerin hat vorgetragen, das Einstellen von Minusstunden in das Arbeitszeitkonto für die Zeiten, in denen sie von der Beklagten mangels Kunden nicht eingesetzt werden kann, sei nicht rechtmäßig. Gemäß § 11 Abs. 4, S. 2 AÜG sei es dem Verleihunternehmen untersagt, jegliche Vereinbarungen zu treffen, die für sich oder im Zusammenhang mit anderen Regelungen auf eine Verkürzung des Anspruchs auf Annahmeverzugslohns gem. § 615 BGB hinauslaufen. Dieser Grundsatz werde von der Beklagten bei ihrer praktizierten Handhabung des Arbeitszeitkontos nicht entsprochen, da das so genannte „Garantielohnprinzip“ ausgehebelt werde. Dadurch, dass die von ihr erwirtschafteten Guthabenstunden durch den von der Beklagten zu vertretenden Nichteinsatz verrechnet worden sei, habe sie im Ergebnis ihre eigene einsatzfreie Zeit bezahlt und die Beklagte habe sich im gleichen Zuge den gesetzlichen Garantielohn erspart. Der Einwand, dass durch diese Handhabung des Arbeitszeitkontos eine Regelung der Beschäftigungssicherung sei, rechtfertige nicht den Verstoß gegen § 11 Abs. 4 S, 2 AÜG. Ferner sei zu berücksichtigen, dass sie an den verleihfreien Tagen dennoch nicht „frei“ gehabt habe, da sie sich laut Anweisung der Beklagten für Arbeitseinsätze habe bereithalten müssen. Dazu sei sie verpflichtet worden, sich täglich um 8:30 Uhr und 16:30 Uhr telefonisch bei der Beklagten nach Einsätzen zu informieren. Mithin habe ihre Arbeitspflicht an verleihfreien Tagen darin bestanden, sich für Arbeitseinsätze und entsprechenden Informationen zur Verfügung zu halten. Vor diesem Hintergrund sei ein Einstellen von Minusstunden nicht gerechtfertigt, da sie nicht von allen Pflichten entbunden gewesen sei.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die in dem Zeitraum 01. Januar 2012 bis 31. Mai 2012 abgezogenen 219,76 Guthabenstunden dem Arbeitszeitkonto der Klägerin wieder gutzuschreiben.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat erwidert, im streitgegenständlichen Zeitraum seien tatsächlich Beschäftigungsausfälle zu verzeichnen gewesen. Teils seien diese aber auch in Absprache mit der Klägerin zustanden gekommen. Sie hätte die Klägerin diverse Male beim Kunden B. C. beschäftigen können. Die Klägerin habe aber eine gewisse Verweigerungshaltung gegenüber diesem Kunden gezeigt, so dass sie in Absprache mit der Klägerin einen Abzug vom Arbeitszeitkonto vorgenommen habe. Die Klägerin habe die Voraussetzungen für den Annahmeverzug nicht hinreichend dargelegt. Ein tatsächliches Angebot der Arbeitsleistung durch die Klägerin habe es nicht gegeben. Darüber hinaus berufe sie sich auf die tarifliche sowie die arbeitsvertraglich in § 19 vereinbarte Ausschlussklausel.

Das Arbeitsgericht Hamburg hat durch Urteil vom 27. Juni 2013 die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine Gutschrift von 219,76 Plusstunden auf ihrem Arbeitszeitkonto. Sowohl § 10 c) des Arbeitsvertrages wie auch der inhaltsgleiche § 4.2 Satz 2 MTV-BZA über die Führung eines Arbeitszeitkontos ließen die Einstellung von Minusstunden in das Arbeitszeitkonto zu. Beide Regelungen seien auch so auszulegen, dass auch eine Einstellung von Minusstunden für Zeiten des Nichteinsatzes des Arbeitnehmers erfolgen solle. Die Einstellung von Minusstunden aufgrund von verleihfreien Zeiten in das Arbeitszeitkonto verstoße auch nicht gegen § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG. § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG verbiete schon nach seinem Wortlaut nur das Abbedingen des Vergütungsanspruchs für Zeiten des Annahmeverzuges nach § 615 Satz 1 BGB. Der Vergütungsanspruch der Klägerin sei durch die tarifvertraglichen und arbeitsvertraglichen Regelungen zur Verrechenbarkeit von Plus- und Minusstunden auf dem Arbeitszeitkonto nicht abbedungen worden. Gemäß § 13.1 MTV i. V. m. Ziffer 7b des Arbeitsvertrages erhalte die Klägerin ein Monatsentgelt auf Basis seiner vereinbarten individuellen regelmäßigen Arbeitszeit, und zwar auch für Zeiten, in denen sie nicht überlassen sei. Das sei eine regelmäßige verstetigte Vergütung auf der Basis einer monatlichen Arbeitszeit von 151,67 Stunden und einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden. Der Arbeitgeber trage das Risiko für alle im Minusbereich liegenden Stunden auf dem Arbeitszeitkonto. Damit werde das Beschäftigungsrisiko wie auch sonst bei Freischichten zum Abbau von Mehrarbeits- oder Überstunden nicht auf den Leiharbeitnehmer abgewälzt, der seine Vergütung unabhängig davon erhalte, wie viele Stunden er tatsächlich in dem jeweiligen Monat gearbeitet habe. Die Klägerin erhalte in jedem Fall die vertraglich geschuldete Vergütung, und zwar auch dann, wenn sie mangels Zuweisung eines Einsatzes nicht die vertraglich geschuldete Arbeitszeit erbringe. Soweit die Klägerin einwende, dass sie sich in den Zeiten 8:30 und 16:30 Uhr für Arbeitsätze und Informationen zur Verfügung bereitgehalten habe, stehe dies dem Ausschluss des Annahmeverzuges und damit dem Einstellen von Minusstunden ins Arbeitszeitkonto der Klägerin nicht entgegen. Nach dem Vortrag der Klägerin könne nicht darauf geschlossen werden, dass die Klägerin meine „Bereitschaftsdienste“, welche zu vergüten wären, geleistet zu haben. Sie trage nur pauschal vor, sie habe sich 2-mal am Tag telefonisch Informationen zu möglichen Einsätzen eingeholt. Die von der Klägerin vorgetragene Verpflichtung könne zeitlich – mangels weiteren konkreten Sachvortrages – nur mit maximal wenigen Minuten täglich erfasst werden. Allein diese kurzzeitige Informationspflicht des Leiharbeitnehmers an verleihfreien Tagen stelle im Vergleich zum Begehren – Bezahlung eines vollen Arbeitstages ohne Abzug von Guthabenstunden aus dem Arbeitszeitkonto – keine nennenswerte Arbeitsleistung dar. Auch habe die Klägerin nicht vorgetragen, dass sie sich habe so bereithalten müssen, dass sie nach Einholung der Information unverzüglich zu einem Arbeitseinsatz haben aufbrechen müssen. Mithin hätten der Klägerin auch die verleihfreien Tage zur freien Verfügung gestanden, was den Abzug von Guthabenstunden rechtfertige.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 09. Juli 2013 zugestellte Urteil am 24. Juli 2013 Berufung eingelegt und diese am 03. September 2013 begründet.

Die Klägerin trägt vor, das angefochtene Urteil halte einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die tarifliche Regelung in § 4 Punkt 2 Satz 2 MTV-BZA bzw. § 10 c des Arbeitsvertrages hebe den Anspruch auf Vergütung bei Annahmeverzuges des Verleihers auf. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts führe die beschriebene Handhabung dazu, dass allein sie, nicht aber die Beklagte das Risiko des Annahmeverzuges trage. Dies sei mit der zwingenden Vorschrift des § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG unvereinbar. Richtig ist zwar, dass sie eine regelmäßige verstetigte Vergütung auf Basis von 151,67 Stunden pro Monat erhalte. Falsch sei demgegenüber die Einschätzung des Arbeitsgerichts, dass die Beklagte diese Vergütung in jedem Fall trage. Die Beklagte habe ihr in dem Zeitraum Januar – Mai 2012 keine ausreichenden Stunden zuweisen können. Dementsprechend habe sich die Beklagte aus dem Arbeitszeitkonto und damit aus einem Besitzstand, den sie zuvor erarbeitet habe, bedient. Sie habe über einen längeren Zeitraum mehr als 151,67 Stunden gearbeitet und deshalb ein hohes Plus auf dem Arbeitszeitkonto aufgebaut. Das Arbeitsgericht verkenne, dass das Guthaben auf dem Arbeitszeitkonto ein geldwerter Anspruch sei, der von Seiten der Beklagten früher oder später zu erfüllen sei. Das Arbeitsgericht behandele die Zeiten des Nichteinsatzes als Freizeit, welche die Beklagte ihr gewährt habe. Dies sei gleich in doppelter Hinsicht unzutreffend: Zum einen setze die Gewährung von Freizeit ein Einvernehmen zwischen den Parteien voraus; ein solches habe im Hinblick auf die hier geltend gemachten Stunden nicht bestanden. Zum anderen sei sie während der Nichtzuweisung von Einsätzen keineswegs von ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtung freistellt gewesen; sie sei gehalten gewesen, sich für Einsätze bereit zu halten und habe darüber hinaus zweimal täglich Kontakt zur Beklagten aufnehmen müssen. Soweit die Beklagte ihr keinen Einsatz zuweisen könne, entspreche die faktische und rechtliche Situation nicht etwa einer widerruflichen Freistellung unter Anrechnung von Überstundenguthaben. Im Rahmen einer solchen widerruflichen Freistellung könne sich der Arbeitnehmer darauf verlassen, für den gesamten Tag nicht in Anspruch genommen zu werden. Auch die Besonderheiten der Leih-/Zeitarbeit rechtfertigten keine andere Beurteilung. Die Gleichstellung zwischen Einsatz und Nichteinsatz sei auch deshalb erforderlich, weil das Arbeitnehmerüberlassungsrecht eine Abweichung vom europarechtlich an sich zwingenden Grundsatz des Equal-Pay zulasse. Gewerbsmäßige Verleihunternehmen dürften ihren Arbeitnehmern eine geringere Vergütung nur dann zahlen, wenn sie diese Zahlungen auch in verleihfreien Zeiten erbringen. Setze sich die Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts Hamburg durch, so sei die Beklagte berechtigt, während der Zeiten des Einsatzes vom Equal-Pay-Grundsatz abzuweichen und die Zeiten des Nichteinsatzes nicht zu bezahlen. Ein solches Modell sei mit der EU-Richtlinie zur Leiharbeit 2008/104/EG unvereinbar.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 27. Juni 2013 zum Aktenzeichen 5 Ca 253/12 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die in dem Zeitraum 01. Januar 2012 bis 31.Mai 2012 abgezogenen 219,76 Guthabenstunden dem Arbeitszeitkonto der Klägerin wieder gutzuschreiben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Ausweislich der Einsatzliste der Klägerin habe diese sich während ihres Nichteinsatzes in keinem Falle in täglicher Einsatzbereitschaft für einen noch am selben Tag beginnenden Neueinsatz bereithalten müssen. Hier seien in der gesamten einsatzfreien Zeit vom 06. Januar bis zum 19. März 2012 sowie vom 06. April bis zum 23. Mai 2012 keinerlei Kurzeinsätze zugewiesen worden. Es sei nicht mit der Klägerin vereinbart worden, dass sie sich zweimal täglich telefonisch bei ihr habe melden müssen, zumal sie, die Beklagte, von der begrenzten Einsatzmöglichkeit der Klägerin Kenntnis gehabt und dies berücksichtigt habe.

Hinsichtlich des ergänzenden Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründung der Klägerin vom 26. August 2013 und den Schriftsatz vom 06. Mai 2014 sowie auf die Berufungserwiderung der Beklagten vom 07. Oktober 2013 und die Schriftsätze vom 09. Januar 2014 und vom 20. April 2014 verwiesen. Wegen des Sachvortrags der Parteien und der von ihnen überreichten Unterlagen, ihrer Beweisantritte und ihrer Rechtsausführungen im Übrigen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt einschließlich der Sitzungsprotokolle Bezug genommen (§ 69 Abs. 2, 3 ArbGG).

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin war gemäß § 64 Abs. 1 und 2 b ArbGG statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und somit zulässig (§§ 64 Abs. 6, 66 ArbGG, 519, 520 ZPO). Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Mit Recht hat das Arbeitsgericht Hamburg erkannt, dass die Klägerin gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf eine Gutschrift von 219,76 Plusstunden auf ihrem Arbeitszeitkonto hat.

Die Erwägungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht, werden wie folgt zusammengefasst (§ 313 Abs. 3 ZPO):

1. Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

Die angerufene Kammer folgt im Ergebnis und auch in der Begründung den Ausführungen des Arbeitsgerichts und macht sie sich zu Eigen (§ 69 Abs. 2 ArbGG), so dass auf die Entscheidungsgründe im einzelnen Bezug genommen werden kann. Auch unter Berücksichtigung des Sach- und Rechtsvorbringens der Klägerin in der Berufungsinstanz erweist sich die Berufung als unbegründet. Insgesamt und im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin in der Berufungsinstanz sind folgende Ausführungen veranlasst:

a) Das BAG hat im Urteil vom 16. April 2014 (- 5 AZR 483/12 – Juris) u.a. folgende Rechtssätze aufgestellt:

„4. Die Vereinbarung einer unterschiedlichen Dauer der Arbeitszeit während verleihfreier Zeiten und für die Dauer einer Überlassung begegnet – jedenfalls bei einer Regelung wie der im Streitfall – keinen Bedenken. Sie entspricht § 10 Abs. 4 AÜG.

Die Dauer der Arbeitszeit ist ein in Art. 3 Abs. 1 Buchst. f, i der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit (fortan: Richtlinie) genannter Regelungsgegenstand und damit eine wesentliche, dem Gebot der Gleichbehandlung unterliegende Arbeitsbedingung iSv. § 10 Abs. 4 AÜG. Für die Dauer einer Überlassung hat deshalb der Leiharbeitnehmer aus § 10 Abs. 4 AÜG Anspruch darauf, in einem dem vergleichbarer Stammarbeitnehmer entsprechenden zeitlichen Umfang beschäftigt zu werden. Damit kann die Dauer der Arbeitszeit je nach Entleiher unterschiedlich und nicht im Voraus starr fixierbar sein. Für verleihfreie Zeiten dagegen schränken weder § 10 Abs. 4 AÜG noch die Richtlinie hinsichtlich der Dauer der Arbeitszeit die Vertragsfreiheit der Arbeitsvertragsparteien ein.

Bedenklich wird die Aufspaltung der Dauer der Arbeitszeit für Überlassungen und überlassungsfreie Zeiten erst dann, wenn eine solche Vertragsgestaltung dazu dient, die Unabdingbarkeit des Anspruchs auf Vergütung bei Annahmeverzug nach § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG dadurch zu unterlaufen, dass für verleihfreie Zeiten eine ungewöhnlich kurze Arbeitszeit vereinbart wird (ähnlich – allerdings im Zusammenhang mit Arbeitszeitkonten – Thüsing/Pötters BB 2012, 317, 320). Davon kann im Streitfall aber nicht die Rede sein. Die vereinbarte Mindestarbeitszeit von 35 Wochenstunden entspricht einer vielfach erhobenen (und durchgesetzten) Forderung von DGB-Gewerkschaften.

5. Weder die arbeitsvertragliche noch die in Bezug genommene tarifliche Arbeitszeitregelung sind deshalb unwirksam, weil sie zugleich Einrichtung und Führung eines Arbeitszeitkontos zum Ausgleich der monatlichen Abweichungen zwischen der vereinbarten individuellen regelmäßigen Arbeitszeit des Arbeitnehmers und der tatsächlichen Arbeitszeit vorsehen.

a) Es gibt keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass Arbeit nicht mit bezahlter Freizeit entgolten werden dürfte und stets in der Abrechnungsperiode, in der sie geleistet wurde, zu vergüten wäre. Sowohl den Arbeitsvertrags-, als auch den Tarifvertragsparteien bleibt es unbenommen, über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistete Arbeitsstunden auf einem Arbeitszeitkonto anzusammeln und in der Folgezeit durch bezahlte Freizeit auszugleichen. Das kommt dem Flexibilisierungsinteresse des Arbeitgebers ebenso wie einem verbreiteten Bedürfnis von Arbeitnehmern entgegen.

b) Das Arbeitszeitkonto im Leihverhältnis darf allerdings nicht dazu eingesetzt werden, § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG zu umgehen und das vom Verleiher zu tragende Beschäftigungsrisiko auf den Leiharbeitnehmer abzuwälzen. Regelungen, die es dem Verleiher ermöglichen, in verleihfreien Zeiten einseitig das Arbeitszeitkonto abzubauen, sind unwirksam (wie hier: Ulber/Ulber AÜG – Basis 2. Aufl. § 11 Rn. 67f.; Urban-Crell/Germakowski/Bissels/Hurst AÜG 2. Aufl. § 11 Rn. 45; weiter – für tarifliche Systeme – Schüren in Schüren/Hamann AÜG 4. Aufl. § 11 Rn. 112f.; aA Mengel in Thüsing AÜG 3. Aufl. § 11 Rn. 43; vgl. auch die Nachweise zum Streitstand bei Thüsing/Pötters BB 2012, 317, 318f.).

Inwieweit danach die arbeitsvertraglichen bzw. in Bezug genommenen tariflichen Regelungen zum Arbeitszeitkonto Bestand haben, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Sind die Regelungen zum Arbeitszeitkonto in § 3 Arbeitsvertrag teilweise oder insgesamt unwirksam, bleibt davon die Regelung der Dauer der Arbeitszeit unberührt. Die Klausel ist im Sinne des sog. blue-pencil-Tests (vgl. dazu BAG 12. März 2008 – 10 AZR 152/07 -) teilbar. Fallen die Vereinbarungen zum Arbeitszeitkonto weg, verbleibt es bei den inhaltlich teilbaren und in sich verständlichen Regelungen zur Dauer der Arbeitszeit mit der Folge, dass über die regelmäßige Arbeitszeit hinausgehende Mehrarbeit stets zu vergüten ist.

Selbst wenn § 3 Arbeitsvertrag insgesamt unwirksam wäre und auch die in Bezug genommenen tariflichen Arbeitszeitregelungen nicht greifen würden, könnte das der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. In diesem Falle hätten die Parteien überhaupt keine bestimmte Dauer der Arbeitszeit vereinbart, so dass der Kläger nur über § 10 Abs. 4 AÜG (Dauer der Arbeitszeit vergleichbarer Stammarbeitnehmer) oder eine in der Leiharbeitsbranche „übliche“ Arbeitszeit zu einem 35 Wochenstunden übersteigenden zeitlichen Rahmen für den Annahmeverzug kommen könnte. Zu beidem fehlt jeglicher Sachvortrag des Klägers.

6. Die Auffassung der Revision, einem Arbeitszeitkonto im Leiharbeitsverhältnis stünde § 12 Abs. 1 TzBfG entgegen, ist nicht entscheidungserheblich und zudem unzutreffend. Unabhängig davon, ob im Streitfall überhaupt ein Abrufarbeitsverhältnis vorliegt, haben die Parteien in § 3 Arbeitsvertrag eine bestimmte Mindestdauer der wöchentlichen Arbeitszeit und für Überlassungszeiten eine bestimmte Dauer der täglichen Arbeitszeit – nämlich die im Betrieb des Entleihers geltende – vereinbart (§ 12 Abs. 1 Satz 2 TzBfG). Für verleihfreie Zeiten ist die Vereinbarung einer bestimmten Dauer der täglichen Arbeitszeit jedenfalls dann überflüssig, wenn der Verleiher den Leiharbeitnehmer mit der vereinbarten Tätigkeit nicht im eigenen Betrieb einsetzen kann. Zudem führt eine fehlende Vereinbarung zur Dauer der täglichen Arbeitszeit lediglich dazu, dass der Arbeitgeber die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers jeweils für mindestens drei aufeinander folgende Stunden in Anspruch zu nehmen hat, § 12 Abs. 1 Satz 4 TzBfG. Dass das nicht der Fall gewesen wäre, hat der Kläger nicht behauptet. Einen Anspruch, an jedem Tag von Montag bis Freitag abgerufen zu werden, begründet § 12 Abs. 1 TzBfG nicht.“

b) Wendet man diese Rechtssätze vorliegend an, so ergibt sich Folgendes:

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Vereinbarung von Arbeitszeitkonten auch im Leiharbeitsverhältnis zulässig und stellt keine nach § 11 Abs. 4 Satz 2 BGB unzulässige Abbedingung von § 615 BGB dar (vgl. auch LArbG Baden-Württemberg Urteil vom 06. März 2012 – 22 Sa 58/11 – Juris). Der Einsatz von Arbeitszeitkonten für gerade nicht zum Ausschluss des Annahmeverzugslohns, denn der Arbeitgeber zahlt die vertraglich versprochene Vergütung für die vertraglich geregelte Wochenarbeitszeit vollständig. Ein Abfedern von Spitzenzeiten, in denen Überstunden anfallen und eine Flexibilisierung der Arbeitszeit sind legitime Anliegen des Verleihers. Sie dienen auch nicht nur allein dem Arbeitgeberinteresse, sondern sichern zugleich die Kontinuität der Vergütung des Arbeitnehmers und führen vor allem auch zur Sicherung von (unbefristeten) Arbeitsplätzen. Es war erklärter Wille der Tarifvertragsparteien DGB und B. bei der Schaffung von Arbeitszeitkontenregelungen diesem beschäftigungssichernden Aspekt Rechnung zu tragen. Damit kann davon ausgegangen werden, dass jedenfalls im Geltungsbereich des MTV DGB-B. die nur graduelle Verlagerung des Beschäftigungsrisikos – wie Sie mit jeder Maßnahme der Arbeitszeitflexibilisierung einhergeht – durch gewichtige Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen gerechtfertigt werden kann (vgl. auch (vgl. auch LArbG Baden-Württemberg Urteil vom 06. März 2012 – 22 Sa 58/11 – Juris). Ein Abwälzen des vom Verleiher zu tragende Beschäftigungsrisikos auf den Leiharbeitnehmer war vor diesem Hintergrund nicht erkennbar. In diesem Zusammenhang war ferner darauf Bedacht zu nehmen, dass die Beklagte unter Vorlage der Einsatzliste der Klägerin (Anlage zum Schriftsatz vom 20. April 2014) unbestritten vorgetragen hat, dass der Klägerin in der gesamten einsatzfreien Zeit vom 06. Januar bis zum 19. März 2012 sowie vom 06. April bis zum 23. Mai 2012 keinerlei Kurzeinsätze zugewiesen worden sind. Auch der von der Klägerin geltend gemachte Verstoß gegen § 12 Abs. 1 TzBfG liegt nicht vor, denn die Parteien haben in § 3 des Arbeitsvertrags eine bestimmte Mindestdauer der wöchentlichen Arbeitszeit und in §§ 10 und 12 des Arbeitsvertrags für Überlassungszeiten eine bestimmte Dauer der täglichen Arbeitszeit vereinbart.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die gesetzlichen Voraussetzungen zur Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 72 Abs. 2 ArbGG. Die Berufungskammer folgt der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung. Grundsätzliche Bedeutung kommt der Rechtssache nicht zu. Auf § 72 a ArbGG (Nichtzulassungsbeschwerde) wird hingewiesen.

 

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