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Heimliche Arbeitnehmerüberwachung – Schadensersatzanspruch

ArbG Gelsenkirchen, Az.: 5 Ca 1708/16, Urteil vom 21.02.2017

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine Geldentschädigung von 2.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.10.2016 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 3/5 und die Beklagte zu 2/5.

3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Heimliche Arbeitnehmerüberwachung - Schadensersatzanspruch
Symbolfoto: Pixabay

Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Entschädigung wegen Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Überwachung der Klägerin in der Zeit vom 10. bis zum 13.05.2016 durch die von der Beklagten beauftragte Privatdetektei Top-Protect Security Services.

Die Klägerin ist bei der Beklagten aufgrund des Anstellungsvertrages vom 16.03.2007 seit dem 01.04.2017 zunächst als Personalleiterin und später als Regionalleitung mit Home-Office zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsentgelt von 3.000,00 € beschäftigt. Die Klägerin ist Mutter einer Tochter im Kindergartenalter, mit der sie in häuslicher Gemeinschaft lebt.

Die Beklagte betreibt Spielhallen. Sie wurde im Sommer 2014 von der Casino-Royal-Gruppe übernommen. Bei der Beklagten besteht ein Betriebsrat.

Mit der Übernahme wuchs die von der Klägerin zu betreuende Zahl der Filialen von 11 auf 25.

Ihre Arbeitsleistung erbringt die Klägerin überwiegend von zu Hause aus und durch Besuche der Spielstätten.

Die Beklagte beauftragte die Privatdetektei Top-Protect Security Services mit der Überwachung der Klägerin in dem Zeitraum vom 10.05. – 13.05.2016 jeweils in der Zeit von morgens 7.00 Uhr bis abends um 19.00 Uhr, am 11.05.2016 bis 20.00 Uhr.

Die Beklagte stützt die Veranlassung des Observationsberichtes auf den Vorwurf, dass die Klägerin ihre Arbeitsleistung nicht ordnungsgemäß erbracht habe.

Am 23.03.2016 konnte die Betriebsratsvorsitzende, Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates und Vorsitzende des Konzernbetriebsrates und Zeugin Böhler die Klägerin telefonisch nicht erreichen. Der Anschluss der Klägerin war besetzt.

Am 25. und 26.04.2016 war die Klägerin wegen eines aus der Tourenplanung ersichtlichen Urlaubs zu Ostern nicht erreichbar. Die Tourenplanung lag der Beklagten vor.

Bei einem Treffen am 02.05.2016 zwischen der Klägerin und der Zeugin Böhler wurde erörtert, warum die Klägerin an einem Sonntag für die Filiale Krefeld nicht erreichbar gewesen sei. Die Klägerin verwies dazu gegenüber der Zeugin Böhler darauf, dass sie sonntags nicht erreichbar sein müsse und sich ihre Tochter an diesem Tag auf dem Spielplatz verletzt habe, so dass sie ein Krankenhaus habe aufsuchen müssen. Den Rückruf habe sie danach vergessen.

Die Ermittler fotografierten während ihrer Beobachtungen das Einfamilienhaus der Klägerin, ihr Auto und die Klägerin selbst mit ihrem Kind auf dem Weg zum Kindergarten unter Angabe der Anschrift des Kindergartens. Die Detektei fügte diese Fotos in den Ermittlungsbericht ein, den sie der Beklagten zur Verfügung stellte. Auf dem Foto vom 10.05.2016, 8.40 Uhr, als die Klägerin ihre Tochter in den Kindergarten brachte, wurde die Klägerin mit dem Rücken zum Fotografen abgelichtet und trug ihre Tochter auf dem Arm.

Im Rahmen des Ausspruchs einer außerordentlichen Kündigung vom 06.06.2016, hilfsweise ordentlichen Kündigung vom 13.06.2016, gestützt auf den Vorwurf des Arbeitszeitbetruges, der Nichteinhaltung der geschuldeten Arbeitszeit von wöchentlich 40 Stunden, machte die Beklagte von dem Observationsbericht der Detektei Top-Protect Security Services Gebrauch.

Im Rahmen der Betriebsratsanhörung vom 31.05.2016 überreichte die Beklagte den Observationsbericht der Detektei Top-Protect Security Services an den Betriebsrat.

Ebenso stützte die Beklagte die Vorwürfe gegenüber der Klägerin in dem Anhörungsschreiben vom 25.05.2016 auf die Beobachtungen der Klägerin vom 10.05. bis zum 13.05.2016.

In dem Verfahren 5 Ca 949/16 vor dem Arbeitsgericht Gelsenkirchen stellte das Gericht unter dem 29.09.2016 durch Beschluss das Zustandekommen eines Vergleichs mit dem Inhalt des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses fest.

Unter dem 20.09.2016 forderte der Klägervertreter die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung und eines Schmerzensgeldes in Höhe von 5.000,00 € bis zum 30.09.2016 auf.

Unter dem 23.09.2016 lehnte die Beklagte die Zahlung ab.

Mit der bei Gericht am 06.10.2016 eingegangenen, der Beklagten am 24.10.2016 zugestellten Klageschrift verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Zahlung eines Schadensersatzbetrages in Höhe von 5.000,00 € netto weiter.

Dazu ist die Klägerin der Ansicht, dass die Beklagte keinen hinreichenden Anlass für eine Observation nach §§ 32 Abs. 1, Abs. 2 BDSG dargelegt habe.

Die allgemein Kontroll- und Überwachungsmaßnahme sei nicht gerechtfertigt gewesen.

Zum 23.03.2016, dem besetzten Diensthandy, behauptet die Klägerin, dass sie wegen der Nichtbesetzung der Filiale Oberhausen an diesem Tag 25 Filialen nach einer Vertretung abtelefoniert habe.

Die fortlaufende Überwachung durch die Detektei in der Zeit vom 10.05. bis zum 13.05.2016 sei unverhältnismäßig. Der Beklagten hätten mildernde Mittel zur Kontrolle der Einhaltung der Arbeitszeit der Klägerin zur Verfügung gestanden. Beispielsweise hätte die Beklagte durch Stichprobenbesuche, die Arbeitsleistung der Klägerin kontrollieren können.

Ebenso hätte die Beklagte die Klägerin oder andere Arbeitnehmer ihrer Filialen befragen können.

Die Beklagte habe den Observationsbericht zur Vorbereitung der außerordentlichen Kündigung wegen Arbeitszeitbetruges genutzt. Die an die Klägerin gerichteten Vorwürfe bzgl. des Arbeitszeitbetruges seien nicht hinreichend substantiiert. Die Klägerin habe nach dem Inhalt ihres Arbeitsvertrages keine festen Arbeitszeiten einzuhalten. Die Erreichbarkeit hätte die Beklagte über den Verbindungsnachweis des Diensthandys der Klägerin einfach substantiieren können.

Auch bzgl. des nunmehr erhobenen Vorwurfs arbeitsvertraglicher Pflichtverletzung hätte die Beklagte zunächst auf mildere Mittel, wie die Erteilung einer Ermahnung oder Abmahnung, zurückgreifen müssen. Auch die Vorwürfe, nicht ordnungsgemäßer Erbringung der Arbeitsleistung habe die Beklagte nicht nachvollziehbar substantiiert begründet.

Erst Recht habe die Beklagte keine Tatsachen dafür vorgetragen, dass eine geheime Beobachtung der Klägerin nach § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG rechtmäßig sei.

Mit der Beobachtung vom 10. bis zum 13.05.2016 sei die Beklagte in den privaten und sogar in den intimen Bereich der Privatsphäre der Klägerin eingedrungen. Dieser Eingriff ergebe sich insbesondere aus den von der Klägerin und ihrem Kind aufgenommenen Fotos.

Der Eingriff sei als besonders intensiv und schwer zu bewerten. Die Beklagte habe weder einen hinreichend konkreten Anlass zur Beobachtung dargelegt, noch habe sie mit der heimlichen Beobachtung ein verhältnismäßiges Mittel gewählt.

Die Beklagte habe die Privatsphäre der Klägerin grob schuldhaft verletzt.

Die Pflichtverletzung werde durch die fehlende vertrauliche Behandlung der Daten verstärkt. Die Beklagte habe die aus der Observation vom 10. bis zum 13.05.2016 gewonnenen Daten nicht vertraulich behandelt, sondern ohne Anlass in das Gerichtsfahren 5 Ca 949/16 eingeführt.

Die Interessenabwägung sei deutlich zu Gunsten der Klägerin aufgrund der groben Pflichtverletzung der Beklagten zu treffen.

Aufgrund der groben Pflichtverletzung und des besonders schweren Eingriffs in die Privatsphäre der Klägerin sei die geltend gemachte Entschädigungsleistung auch ihrer Höhe nach gerechtfertigt. Dazu verweist die Klägerin auf die Rechtsprechung bei Verletzung von Persönlichkeitsrechten, insbesondere Veröffentlichungen von heimlich aufgenommenen Fotografien.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Schadensersatzbetrag in Höhe von 5.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Anspruchsvoraussetzungen des von der Klägerin geltend gemachten Entschädigungsanspruchs nicht vorlägen. Der Anspruch sei der Höhe nach auch unverhältnismäßig.

Die Beschwerden der Zeugin Böhler über die fehlende Erreichbarkeit der Klägerin hätten hinreichenden Anlass geboten, die Klägerin zu observieren.

Dazu behauptet die Beklagte, dass die Klägerin die Filialen, insbesondere die Filialen Oberhausen und Krefeld nicht in dem erforderlichen Umfang besuche. Im Fall der Filiale Krefeld sei eine Reaktion der Klägerin auf eine Vertretungsanfrage der Filiale unterblieben. Ebenso habe die Klägerin sich auf die Nachricht eines Strom- und Wasserausfalls auf ihrem Anrufbeantworter nicht in der Filiale gemeldet.

Auch die Checklisten zur Filialbegehung gäben Anlass, dass die Klägerin Filialbesuche vorgetäuscht habe. Diese Checklisten habe die Filialleitung zusammen mit der Regionalleitung auszufüllen. Im Fall der Filiale Krefeld I liege eine solche Checkliste vor, ohne dass die Filialleitung R. an deren Erstellung beteiligt gewesen sei. In anderen Fällen habe die Klägerin diese Checkliste an die jeweilige Filialleitung weiter geleitet und die Filialleiter aufgefordert, diese Checkliste alleine auszufüllen. Die Filiale Dinslaken habe eine solche Checkliste überhaupt nicht erhalten.

Nach den Schilderungen der Zeugin Böhler gegenüber der Geschäftsleitung sei der Eindruck entstanden, dass die Klägerin ihre Arbeitsleitung nur unzureichend erbringe.

Zu dem Gespräch am 02.05.2016 zwischen der Zeugin Böhler und der Klägerin behauptet die Beklagte, dass die Zeugin Böhler dieses Gespräch veranlasst habe. Die Zeugin Böhler habe die Klägerin mit den Vorwürfen arbeitsvertraglicher Pflichtverletzungen, insbesondere auch bzgl. der Checklisten konfrontiert.

Diese Vorwürfe habe die Beklagte nach ihrer Ansicht auch hinreichend substantiiert geschildert, da der Klägerin die zeitliche Einordnung dieser Vorfälle möglich sei.

Nach Ansicht der Beklagten hätten die Schilderungen hinreichenden Anlass zur Aufklärung des Sachverhaltes geboten.

Die ausgewählte Beobachtung durch die Beklagte sei auch verhältnismäßig. Die Befragung der Klägerin sei als Kontrollmöglichkeit ungeeignet. Es sei anzunehmen, dass die Vorwürfe von der Klägerin pauschal bestritten würden. Die Befragung der Filialleiter scheide als Kontrollmaßnahme aus, die Beklagte habe den Ruf der Klägerin im Fall der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht gefährden wollen.

Die kurzzeitige Überwachung sei im Hinblick auf den knappen Überwachungszeitraum aufgrund der massiven Vorwürfe der unzureichenden Arbeitsleistung das verhältnismäßige Mittel gewesen. Insoweit sei die Maßnahme der Beklagten nicht mit dem in der Rechtsprechung entschiedenen Fall der Überwachung bei vermuteter vorgetäuschter Arbeitsunfähigkeit vergleichbar.

Die Beklagte habe berechtigter Weise die Klägerin beobachten dürfen. Der Verdacht der schwerwiegenden Pflichtverletzung durch die Klägerin sei nicht anders aufklärbar gewesen.

Der Observationsbericht sei auch nicht öffentlich gemacht worden.

Dazu behauptet die Beklagte, dass der Observationsbericht ausschließlich der Geschäftsleitung, der Personalabteilung und dem Betriebsrat aufgrund der Mitbestimmungsrechte zugänglich gemacht worden sei.

Die informierten Personen seien zur Verschwiegenheit verpflichtet, insbesondere auch der Betriebsrat aufgrund seiner Pflicht zur Amtsverschwiegenheit.

Damit sei der Eingriff in die Privatsphäre nicht gravierend. Die Fotografien seien ausschließlich im öffentlichen Verkehrsraum erfolgt. Die Daten seien einer breiten Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht worden.

Bzgl. der Anspruchshöhe ist die Beklagte der Ansicht, dass eine Entschädigung in Höhe von max. 1.000,00 € angemessen sei.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und in Höhe von 2.000,00 € begründet.

I.

Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung wegen rechtswidriger heimlicher Überwachung in der Zeit vom 10. bis zum 13.05.2016 aus einer schwerwiegenden Verletzung des Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.10.2016 zu. In Höhe von weiteren 3.000,00 € ist der Anspruch nicht begründet.

I.1.

Der Anspruch ist dem Grunde nach wegen einer schweren Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin durch die heimliche Beobachtung und das Aufnehmen von Fotografien durch die Privatdetektei Top-Protect Security Services, von der Beklagten beauftragt, entstanden.

I.1.a.

Der Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen schwerer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK steht auch Arbeitnehmern zu, die in einem Arbeitsverhältnis unzulässiger Weise beobachtet, fotografiert oder aufgenommen werden. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst neben dem Recht am gesprochenen Wort auch das Recht am eigenen Bild. Es gehört zum Selbstbestimmungsrecht eines jeden Menschen, darüber zu entscheiden, ob Film- oder Bildaufnahmen von ihm gemacht und möglicherweise verwendet werden dürfen. Die Verwertung personenbezogener Daten greift in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein, das die Befugnis garantiert, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden. Die Bestimmungen des BDSG über die Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung konkretisieren und aktualisieren, den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild (Urteil des BAG vom 19.02.2015, 8 AZR 1007/13, juris Rn. 14, 17, NZA 2015 S. 994; des LAG Hamm vom 11.07.2013, 11 Sa 312/13, juris Rn. 67).

Ob eine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Hierbei sind in gebotener Gesamtwürdigung insbesondere die Bedeutung und die Tragweite des Eingriffs, Anlass und Beweggrund des Handelns sowie der Grad des Verschuldens zu berücksichtigen (Urteil des BAG vom 19.02.2015, 8 AZR 1007/13, juris Rn. 16).

Nach § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für die Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist.

Nach § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG dürfen zu Aufdeckung einer Straftat personenbezogene Daten eines Beschäftigten nur dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten an dem Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind.

Personenbezogene Daten sind nach § 3 Abs. 1 BDSG Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse an einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener).

Nach § 3 Abs. 3 BDSG ist das Erheben von Daten, das Beschaffen von Daten über den Betroffenen.

Nach § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG können zur Durchführung des Arbeitsverhältnisses Daten erhoben werden, die der Arbeitgeber zur Erfüllung seiner Pflichten aber auch zur Wahrnehmung seiner Rechte gegenüber dem Arbeitnehmer vernünftigerweise benötigt. Gestatten sind danach auch Maßnahmen zur Kontrolle, ob der Arbeitnehmer den geschuldeten Pflichten nachkommt. Unter § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG fallen aber nur solche Maßnahmen, die nicht auf die Entdeckung konkreter Verdächtiger gerichtet sind. Soll einem konkreten Verdacht zielgerichtet nachgegangen werden, muss diese Maßnahme den Anforderungen des § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG genügen (Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 20.07.2016, 4 Sa 61/15, juris Rn. 85).

Voraussetzung für die Erhebung nach § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG ist, dass tatsächliche Anhaltspunkte für eine Pflichtverletzung existieren. Diese Anhaltspunkte müssen dokumentiert sein. Dokumentiert sind tatsächliche Anhaltspunkte, wenn ein konkreter Tatverdacht aktenkundig gemacht worden ist. Allein das Vorliegen eines konkreten Tatverdachtes bzgl. einer Pflichtverletzung genügt insoweit nicht (ErfK-Franzen, BDSG, § 32 Rn. 32).

1.1.b.

Die Überwachung der Klägerin vom 10. bis zum 13.05.2016 durch die Top-Protect Security Services ist weder nach § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG noch § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG gerechtfertigt.

Durch Privatdetektive erhobene Daten, die bestimmte oder bestimmbare natürliche Personen betreffen, sind personenbezogene Daten im Sinne des § 32 Abs. 1 BDSG. Ihre Erhebung, Aufbewahrung und Übermittlung durch einen Auftraggeber oder durch Privatdetektive, die auf eigene Rechnung handeln, ist eine Verarbeitung personenbezogener Daten. Auch das von einer Kamera aufgezeichnete Bild einer Person fällt unter den Begriff der personenbezogenen Daten, sofern es die Identifikation der betroffenen Person ermöglicht (vgl. Urteil des BAG vom 19.02.2015, 8 AZR 1007/13, juris Rn. 23).

Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass die Erhebung der personenbezogenen Daten im Sinne der aufgenommenen Fotografien und der Beobachtung der Klägerin als allgemeine Instrumente der Leistungsüberwachung in ihrem Betrieb eingeführt sind.

Die Beklagte hat auch nicht nach § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG dargelegt, dass sie konkrete tatsächliche Anhaltspunkte aktenkundig in der Personalakte der Klägerin dokumentiert hat, die einen Verdacht bzgl. einer Pflichtverletzung im Sinne eines berechtigten Interesses der Beklagten an der Observation der Klägerin begründen können.

Die Darlegung der Beklagten bzgl. einer arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund fehlender Erreichbarkeit der Klägerin in den Monaten März und April 2016 sind weder nach Datum, Uhrzeit und beteiligten Personen hinreichend konkretisiert, noch hat die Beklagte dargelegt, inwieweit sie diese ihrer Ansicht nach ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte hinreichend dokumentiert hat.

I.2.

Die Beklagte ist als Veranlasserin der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der Daten auch Anspruchsgegnerin. Die Beklagte hat die Top-Protekt Security Services mit der Überwachung der Klägerin beauftragt und deren erhobene Daten zum einen innerhalb des Betriebes, zumindest an den Betriebsrat, weiterverbreitet und die Daten zum Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung genutzt und im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens zu dem Aktenzeichen 5 Ca 994/16 eingeführt.

I.3.

Die Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin durch die Beklagte stellt auch eine schwere Verletzung dar.

Ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG liegt bereits in der nicht gerechtfertigten Observation eines Arbeitsnehmers. Die Verletzung wird durch das Aufnehmen der Zielperson erheblich verstärkt. Eine weitere Verstärkung stellt die Heimlichkeit der Aufzeichnungen dar (Urteil des BAG vom 19.02.2015, 8 AZR 1007/13, juris Rn. 29).

Insoweit stellt die heimliche Beobachtung der Klägerin in der Zeit vom 10. bis zum 13.05.2016 einschließlich des Aufnehmens von Fotografien eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin dar.

I.4.

Die zuzumessende Geldentschädigung ist mit 2.000,00 € angemessen. Ein darüber hinaus gehender Anspruch der Klägerin besteht der Höhe nach nicht.

I.4.a.

Bei der Zumessung einer Entschädigung wegen der Verletzung des Persönlichkeitsrechts kommt es auf alle maßgeblichen Umstände des Falles an. Dabei kommt es auf die Bedeutung und die Tragweite des Eingriffs, den Anlass, den Beweggrund und den Grad des Verschuldens an. Ebenso ist zu berücksichtigen, ob die Überwachung verdeckt oder offen im öffentlichen Raum oder im privaten Lebensbereich oder in dem Intimbereich des Arbeitsnehmers erfolgt. Geschehnisse in der Öffentlichkeitsphäre, wie beispielsweise auf der Straße, stellen keinen so weit reichenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht dar, wie Beobachtungen der Privatsphäre oder Intimsphäre. Ebenso sind bei der Zumessung der Entschädigungshöhe Faktoren wie der Prävention oder der Genugtuung des Betroffenen zu berücksichtigen (Urteile des BAG vom 19.02.2015, 8 AZR 1007/13, juris Rn. 29, 33; des LAG Hamm vom 11.07.2013, 11 Sa 312/13, juris Rn. 69; Venetis-Oberwetter, NJW 2016, S. 1051 (1054, 1056); Friebe, VersR 2010 S. 308 (309); Urteil des BGH vom 05.10.2004, VI ZR 205/03, juris Rn. 24).

Bei der Zumessung ist zu berücksichtigen, dass in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung Entschädigungen in Höhe von 3.500,00 € bei einer unzulässigen, permanenten Videoüberwachung (Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt/Main vom 08.11.2013, 22 Ca 9428/12) und bei einer ständigen Videoüberwachung von 7.000,00 € (Urteil des LAG Hamm vom 25.10.2010, 7 Sa 1586/09, MDR 2011, S. 346), bei einer Beobachtung wegen des Verdachts von Diebstahls von Werbematerial von 650,00 € (Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 23.05.2013, 2 Sa 540/12) und von 1.000,00 € bei einer rechtswidrigen Videoaufzeichnung im Rahmen einer Krankenkontrolle (Urteil des LAG Hamm vom 11.07.2013, 11 Sa 312/13) ausgeurteilt worden sind.

Im vorliegenden Fall ist bei der Zumessung der Entschädigung zu berücksichtigen, dass die Top-Protect Security Services die Klägerin über einen Zeitraum von 4 Tagen in der Zeit von 7.00 bis 19.00 Uhr und am 11.05.2016 bis 20.00 Uhr durchgehend heimlich aufgrund einer Observation ihres Wohnhauses und ihrer Straße und ihres Wohnumfeldes beobachtet hat. Die Detektei hat heimlich nicht nur Fotografien des Autos der Klägerin, sondern auch der Klägerin und ihrer Tochter im Kindergartenalter aufgenommen. Dem Schutz der Klägerin und insbesondere der Tochter im Kindergartenalter kommt eine besonders hohe Bedeutung in diesem Fall zu.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte für die Überwachung keinerlei hinreichenden konkrete Anhaltspunkte bzgl. des Tatverdachtes einer Pflichtverletzung vorgetragen und dokumentiert hat.

Neben der erheblichen Dauer der Beobachtung ohne Angabe der geplanten Arbeitszeit der Klägerin in diesem Zeitraum ist in die Bewertung einzustellen, dass die Beklagte die Ergebnisse der Überwachung zur Vorbereitung des Ausspruchs einer verhaltensbedingten Kündigung genutzt hat und diese dem Betriebsrat zugänglich gemacht hat.

Danach hält die Kammer einen Betrag in Höhe von 2.000,00 € als Entschädigung für angemessen.

I.5.

Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.000,00 € nach §§ 286 Abs. 1, Abs. 2, 288 Abs. 1 S. 2, 187 Abs. 2, 188 Abs. 1 BGB durch Ablauf der mit Schreiben vom 20.09.2016 gesetzten Zahlungsfrist zum 30.09.2016 zu.

II.

Die Kosten des Rechtsstreits waren zwischen den Parteien nach §§ 92 Abs. 1, 91 Abs. 1 ZPO, 46 Abs. 3 S. 1 ArbGG verhältnismäßig nach den jeweiligen Anteilen des Obsiegens und Unterliegens zu teilen.

Der im Urteil nach § 61 Abs. 1 ArbGG festzusetzende Streitwert entspricht dem bezifferten Zahlungsbetrag.

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