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Herausgabe und Nutzung eines Dienstwagens

ArbG Düsseldorf – Az.: 5 Ga 11/20 – Urteil vom 18.02.2020

1. Die Anträge werden zurückgewiesen.

2. Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 30.600,00 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Herausgabe und die Nutzung eines Dienstwagens.

Die Verfügungsbeklagte (im Folgenden Beklagte) war seit dem 15. Januar 2018 bei der Verfügungsklägerin (im Folgenden Klägerin) beschäftigt. Der Anstellungsvertrag der Parteien vom 8. Januar 2018 sah unter § 10 Abs. 2 Satz 1 vor, dass die Klägerin der Beklagten einen Dienstwagen, der auch zu Privatfahrten genutzt werden darf, zur Verfügung stellt, und regelte in § 10 Abs. 4, dass das Fahrzeug bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses spätestens am letzten Arbeitstag, bei der Freistellung am Tage der Freistellung nach Abstimmung mit der Klägerin zurückzugeben ist, ohne dass der Beklagten – gleichgültig aus welchem Rechtsgrund – ein Zurückbehaltungsrecht zusteht. Wegen der Einzelheiten des Anstellungsvertrags wird auf die Anlage ASt 1 zur Antragsschrift (Bl. 9a bis 9g d.A.) Bezug genommen.

Am 19. Dezember 2018 überließ die Klägerin der Beklagten den Dienstwagen Audi A6 allroad quattro 3.0 TDI S tronic mit dem amtlichen Kennzeichen D-E..

Mit Schreiben vom 17. Juli 2019 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos und hilfsweise ordentlich zum 31. März 2020. Mit Schreiben vom selben Tag bat sie die Beklagte zudem, den Dienstwagen nebst Fahrzeugpapieren, Schlüsseln und sonstigem Zubehör an sie zurückgegeben. Dieser Bitte kam die Beklagte im Anschluss jedoch nicht nach.

Mit Urteil vom 14. Januar 2020 – 5 Ca 3965/19 – wies das Arbeitsgericht Düsseldorf ua. die Kündigungsschutzklage gegen die außerordentliche Kündigung vom 17. Juli 2019 ab. Die dagegen eingelegte Berufung der Beklagten ist vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf anhängig.

Mit Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 16. und 21. Januar 2020 forderte die Klägerin die Beklagte zur Herausgabe des Dienstwagens unter Fristsetzung bis zum 20. bzw. 24. Januar 2020 auf. Dies lehnte die Beklagte mit anwaltlicher E-Mail vom 17. Januar 2020 und mit anwaltlichen Schreiben vom 22. Januar 2020 ab. Im anwaltlichen Schreiben vom 21. Januar 2020 äußerte die Klägerin dabei ua. die Auffassung, dass eine rechtswidrige Nutzung des Dienstwagens durch die Beklagte nicht erst seit dem 14. Januar 2020 vorliege, sondern dass dieser der Dienstwagen seit Ausspruch der Kündigung vom 17. Juli 2019 nicht mehr zustehe.

Mit ihrem am 31. Januar 2020 bei Gericht eingegangenen und der Beklagten am 3. Februar 2020 zugestellten Antrag verlangt die Klägerin die Herausgabe und die Untersagung der Nutzung des Dienstwagens.

Sie ist der Ansicht, sie habe einen Anspruch auf Herausgabe des Dienstwagens nach § 10 Abs. 4 des Anstellungsvertrags, analog §§ 666, 667 BGB und aus der „Natur der Sache“. Dieser Anspruch bestehe, obwohl die Beklagte die Wirksamkeit der Kündigung bestreite. Die Kündigung gelte bis zu einer erstinstanzlichen Entscheidung über eine Kündigungsschutzklage als schwebend wirksam. Im Streitfall sei zudem auch aufgrund des Urteils vom 14. Januar 2020 von einer wirksamen Kündigung auszugehen. Überdies bestehe auch ein Verfügungsgrund. Er sei bereits aufgrund ihres Verfügungsanspruchs und des Urteils vom 14. Januar 2020 zu bejahen. Aufgrund der Verkündung dieses Urteils bestehe auch eine besondere Eilbedürftigkeit und Dringlichkeit. Jede weitere Nutzung des Fahrzeugs stelle ein unkalkulierbares Risiko bezüglich einer (erheblichen) Verschlechterung bis hin zum vollständigen Untergang des Fahrzeugs dar. Dieses Risiko sei ihr aufgrund des Urteils vom 14. Januar 2020 nicht mehr zumutbar. Im Übrigen behauptet sie, sie benötige das Fahrzeug auch für einen anderen Mitarbeiter.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie den Dienstwagen Audi A6 allroad quattro 3.0 TDI S tronic mit dem amtlichen Kennzeichen D-E. herauszugeben;

2. der Beklagten zu untersagen, den Dienstwagen Audi A6 allroad quattro 3.0 TDI S tronic mit dem amtlichen Kennzeichen D-E. zu nutzen, und ihr für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungspflicht ein Ordnungsgeld bis zu 10.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, anzudrohen.

Die Beklagte beantragt, die Anträge zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, es fehle jedenfalls an einem Verfügungsgrund. Die Klägerin habe es unterlassen, ihre Ansprüche im Wege der Hilfswiderklage in dem Verfahren – 5 Ca 3965/19 – geltend zu machen. Dadurch könne sie die Eilbedürftigkeit für den Verfügungsgrund nicht herbeiführen.

Mit Beschluss vom 3. Februar 2020 ist Termin zur Verhandlung vor der Kammer auf den 11. Februar 2020 bestimmt worden. Auf Antrag des Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin vom selben Tag ist dieser Termin auf den 18. Februar 2020 verlegt worden. Als Verlegungsgrund hat der Verfahrensbevollmächtigte der Klägerin einen Urlaub vom 11. bis zum 18. Februar 2020 angegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Ergebnis der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet. Es kann dahinstehen, ob die Klägerin einen Verfügungsanspruch glaubhaft gemacht hat. Selbst wenn man dies zu ihren Gunsten unterstellt, fehlt es jedenfalls an der nach § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 936 iVm. § 920 Abs. 2 ZPO erforderlichen Glaubhaftmachung eines Verfügungsgrundes.

1.  Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Verfügung nach § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. §§ 935, 940 ZPO ist sowohl das Bestehen eines Verfügungsanspruchs als auch das Vorliegen eines Verfügungsgrundes zur einstweiligen Sicherung dieses Anspruchs, zur Herbeiführung einer einstweiligen Regelung in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis oder im Falle der Leistungsverfügung ausnahmsweise auch zur Erfüllung des Anspruchs (LAG Düsseldorf 2. Mai 2018 – 12 TaBVGa 3/18 – zu B II 2 a der Gründe zu § 85 Abs. 2 ArbGG).

Herausgabe und Nutzung eines Dienstwagens
(Symbolfoto: Von ASDF_MEDIA/Shutterstock.com)

a)  Bei einer Leistungsverfügung – wie hier auf Herausgabe und Untersagung der Nutzung eines Dienstwagens – sind an das Vorliegen eines Verfügungsgrundes strenge Anforderungen zu stellen (vgl. nur LAG Düsseldorf 25. September 2017 – 10 SaGa 14/17 – zu 1 a der Gründe; Thüringer LAG 28. April 2016 – 6 SaGa 5/16 -; sowie speziell zur einstweiligen Verfügung auf Herausgabe eines Dienstwagens LAG Köln 12. Juni 2007 – 9 SaGa 6/07 – zu II 2 a der Gründe). Analog § 940 ZPO ist sie nur zulässig, sofern sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Allein das Bestehen eines Verfügungsanspruchs indiziert bei einer Leistungsverfügung – entgegen der Auffassung der Klägerin – nicht bereits den Verfügungsgrund (LAG Düsseldorf 9. Januar 2018 – 3 TaBVGa 6/17 – zu II 2 a cc der Gründe zu § 85 Abs. 2 ArbGG).

b)  Eine einstweilige Verfügung auf Herausgabe und Untersagung der Nutzung eines Dienstwagens kommt daher nur in Betracht, wenn der Arbeitgeber auf die sofortige Erfüllung so dringend angewiesen ist, dass er ein ordentliches Verfahren nicht abwarten kann (vgl. LAG Köln 12. Juni 2007 – 9 SaGa 6/07 – zu II 2 a der Gründe; LAG Berlin-Brandenburg 19. Februar 2007 – 10 Sa 2171/06 – zu II 2.1 der Gründe). Die begründete Gefahr, dass eine wesentliche Wertminderung eintritt, sofern der Dienstwagen bei dem Schuldner verbleibt, kann dagegen allenfalls ein Grund für eine einstweilige Verfügung auf Herausgabe eines Dienstwagens an einen Sequester sein (vgl. LAG Köln 12. Juni 2007 – 9 SaGa 6/07 – zu II 2 a der Gründe)

c)  Die Notwendigkeit und Dringlichkeit einer Leistungsverfügung ist überdies zu verneinen, wenn der Verfügungskläger in Kenntnis der maßgeblichen Umstände untätig bleibt und den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung erst nach längerer Zeit stellt. Der den einstweiligen Rechtsschutz in Anspruch nehmende Verfügungskläger widerlegt durch langes Zuwarten die nach § 940 ZPO erforderliche Dringlichkeit einer einstweiligen Verfügung. Ein „langes Zuwarten“ liegt vor, wenn der Verfügungskläger in Kenntnis der Rechtsbeeinträchtigung längere Zeit untätig bleibt und seinen Anspruch nicht gerichtlich geltend macht (vgl. nur LAG Hamm 28. Dezember 2016 – 6 SaGa 17/16 – zu II 2.5.1 der Gründe).

2.  Danach hat die Klägerin einen Verfügungsgrund weder hinreichend dargelegt noch ausreichend glaubhaft gemacht. Dabei kann dahinstehen, ob sie das Fahrzeug für einen anderen Mitarbeiter benötigt. Sie hat nämlich jedenfalls selbst widerlegt, dass sie auf die sofortige Herausgabe und Untersagung der Nutzung des Dienstwagens so dringend angewiesen ist, dass sie ein ordentliches Verfahren nicht abwarten kann.

a)  Die Beklagte war – im Grundsatz – bereits nach Ausspruch der außerordentlichen Kündigung vom 17. Juli 2019, unabhängig von deren Wirksamkeit, zur Herausgabe des Dienstwagens verpflichtet (vgl. zB LAG Nürnberg 25. Januar 2011 – 7 Sa 521/10 -; LAG Hamm 9. November 2011 – 12 Sa 1376/10 – zu II 1 a bb (2) der Gründe).

b)  Dies war der Klägerin auch bewusst. Dies belegen neben § 10 Abs. 4 des Anstellungsvertrags der Parteien vom 8. Januar 2018 und ihrem Schreiben vom 17. Juli 2019 sowohl ihr anwaltliches Schreiben vom 21. Januar 2020 als auch ihre Antragsschrift. Im Ersteren äußert die Klägerin selbst die Auffassung, der Dienstwagen stehe der Beklagten bereits seit Ausspruch der Kündigung vom 17. Juli 2019 nicht mehr zu. In Letzterer hat sie ausgeführt, ihr Anspruch auf Herausgabe des Dienstwagens bestehe, obwohl die Klägerin die Wirksamkeit der Kündigung bestreite. Eine Kündigung gelte vor einer erstinstanzlichen Entscheidung über eine Kündigungsschutzklage als schwebend wirksam.

c)  Die Klägerin hat ihre Ansprüche auf Herausgabe und Untersagung der Nutzung des Dienstwagens dennoch nicht zeitnah nach Ausspruch der außerordentlichen Kündigung vom 17. Juli 2019 und ihrem Schreiben vom selben Tag gerichtlich geltend gemacht. Insbesondere hat sie ihre Ansprüche trotz entsprechender Möglichkeit nicht für den Fall ihres Obsiegens mit ihrem Klageabweisungsantrag in dem vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf geführten (Kündigungsschutz-)Verfahren – 5 Ca 3965/19 – im Wege der Hilfswiderklage anhängig gemacht. Sie hat die Herausgabe des Dienstwagens – soweit vorgetragen und ersichtlich – vielmehr erst mit anwaltlichen Schreiben vom 16. und vom 21. Januar 2020, also rund ein halbes Jahr nach Ausspruch der außerordentlichen Kündigung vom 17. Juli 2019 und ihrem Schreiben vom selben Tag und auch erst nach Verkündung des Urteils vom 14. Januar 2020 in dem (Kündigungsschutz-)Verfahren – 5 Ca 3965/19 -, unter Fristsetzung bis zum 20. bzw. 24. Januar 2020 von der Beklagten verlangt. Die Untersagung der Nutzung des Dienstwagens hat sie – soweit vorgetragen und ersichtlich – sogar erstmals mit ihrem am 31. Januar 2020 bei Gericht eingegangenen und der Beklagten am 3. Februar 2020 zugestellten Antrag verlangt.

d)  Darüber hinaus hat die Klägerin auch nach ihrem Herausgabeverlangen vom 16. und vom 21. Januar 2020 zum 20. bzw. 24. Januar 2020 keinerlei Eile gezeigt. Nach dessen letztmaliger Ablehnung durch das anwaltliche Schreiben der Beklagten vom 22. Januar 2020 hat sie weitere neun Tage zugewartet, bis sie Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bei Gericht eingereicht hat. Nachdem sodann mit Beschluss vom 3. Februar 2020 Termin zur Verhandlung vor der Kammer auf den 11. Februar 2020 bestimmt worden ist, hat sie überdies eine weitere Verzögerung bewusst in Kauf genommen, indem sie beantragt hat, diesen Termin wegen Urlaubs ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 11. bis zum 18. Februar 2020 zu verlegen. Ein Hauptsacheverfahren hat sie bis zum heutigen Tag nicht anhängig gemacht.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

III.

Die nach § 61 Abs. 1 ArbGG erforderliche Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 Halbs. 1, § 4 Abs. 1 Halbs. 1, § 5 Halbs. 1 ZPO. Die Kammer hat für 36 Kalendermonate 1 Prozent des inländischen Listenpreises des Dienstwagens iHv. 85.000,00 Euro angesetzt.

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