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Individualvertragliche vorformulierte Kurzarbeitsklauseln müssen angemessen und transparent sein

Ein Metallfacharbeiter klagte erfolgreich gegen seinen Arbeitgeber, weil dieser ihn während der Kurzarbeit komplett freistellte, obwohl noch Arbeit vorhanden war. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz entschied, dass die sogenannte „Kurzarbeit Null“ in diesem Fall unzulässig war und der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Differenz zum vollen Gehalt nachzahlen muss. Der Fall zeigt, dass Arbeitgeber die Anordnung von Kurzarbeit sorgfältig prüfen und nicht leichtfertig zu „Kurzarbeit Null“ greifen dürfen.

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Im Streit steht, ob dem Kläger für bestimmte Monate der Differenzbetrag zwischen Kurzarbeitergeld und vollem Gehalt zusteht.
  • Der Kläger sieht die Anordnung von Kurzarbeit „Null“ als rechtswidrig an, da in seinem Arbeitsbereich weiterhin Arbeiten angefallen sind.
  • Der Arbeitgeber begründet die Kurzarbeit mit saisonalen Rückgängen und sieht keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den Kläger aufgrund seiner Qualifikationen und gesundheitlichen Einschränkungen.
  • Das Gericht entschied zugunsten des Klägers, da die Anordnung der Kurzarbeit „Null“ die Grenzen billigen Ermessens nicht wahrt.
  • Die Einführung von Kurzarbeit bedarf einer klaren rechtlichen Grundlage, die transparente Regelungen zu deren Umfang und Anordnung enthält.
  • Eine Anordnung von Kurzarbeit „Null“ benötigt starke Begründungen, insbesondere wenn in einzelnen Arbeitsbereichen noch Arbeit vorhanden ist.
  • Die Entscheidung des Gerichts verdeutlicht, dass Arbeitgeber bei der Einführung von Kurzarbeit die Interessen aller Betroffenen sorgfältig abwägen müssen.
  • Arbeitnehmer, die von Kurzarbeit betroffen sind, behalten grundsätzlich Anspruch auf ihre vertraglich vereinbarte Vergütung, wenn die Anordnung unbillig ist.
  • Das Urteil könnte zu strengeren Anforderungen an vertragliche Vereinbarungen zur Einführung von Kurzarbeit führen und stärkt die Rechte der Arbeitnehmer.

Gerichtsurteil präzisiert Anforderungen an Kurzarbeitsklauseln im Arbeitsrecht

Im deutschen Arbeitsrecht sind Kurzarbeitsregelungen ein wichtiges Instrument, um Unternehmen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zu entlasten. Sie ermöglichen es Arbeitgebern, die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter flexibel anzupassen, ohne das Arbeitsverhältnis vollständig zu beenden. Dieser Mechanismus birgt jedoch auch Herausforderungen, insbesondere wenn es um die Gestaltung von Individualverträgen mit vorformulierten Kurzarbeitsklauseln geht. Solche Klauseln müssen nicht nur den rechtlichen Vorgaben für Kurzarbeit entsprechen, sondern auch klar und nachvollziehbar für die Arbeitnehmer sein.

Die Angemessenheit und Transparenz dieser Vertragsklauseln sind entscheidend. Unverständliche oder benachteiligende Formulierungen können nicht nur das Vertrauen der Mitarbeiter in ihre Arbeitgeber beeinträchtigen, sondern auch rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Arbeitnehmerrechte müssen gewahrt bleiben, und es ist von großer Bedeutung, dass die Information des Arbeitnehmers über die Voraussetzung und den Ablauf von Kurzarbeit klar und umfassend erfolgt. Bei der Vertragsgestaltung ist es daher unerlässlich, auf den Vertrauensschutz im Arbeitsrecht zu achten und Abstand von Regelungen zu halten, die die Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen.

In diesem Kontext ist ein aktuelles Gerichtsurteil von besonderem Interesse, da es die oben genannten Aspekte beleuchtet und die Standards für die Gestaltung von Kurzarbeitsklauseln konkretisiert.

Der Fall vor Gericht


Kurzarbeit „Null“ für Metallfacharbeiter teilweise unwirksam

Rechtmäßigkeit von Kurzarbeit "Null"
Kurzarbeit „Null“ für Metallfacharbeiter teilweise unwirksam. Gericht urteilt: Arbeitgeber muss Beschäftigungsmöglichkeiten prüfen und transparent handeln. (Symbolfoto: Flux gen.)

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat in einem Urteil vom 7. Februar 2023 entschieden, dass die Anordnung von Kurzarbeit „Null“ für einen Metallfacharbeiter teilweise unwirksam war. Der Kläger, seit 2013 als Metallfacharbeiter bei einem Hersteller von Gerüsten, Brücken und Dockanlagen aus Aluminium beschäftigt, klagte gegen die von November 2020 bis Januar 2021 angeordnete Kurzarbeit „Null“.

Hintergrund des Rechtsstreits

Die Beklagte hatte im März 2020 mit ihren Mitarbeitern eine Vereinbarung zur Kurzarbeit getroffen. Im Oktober 2020 kündigte sie Kurzarbeit ab November an, wobei der Kläger in Kurzarbeit „Null“ gesetzt wurde. Der Kläger argumentierte, dass noch Arbeit im Belagbau vorhanden gewesen sei und die Anordnung daher ungerechtfertigt war.

Entscheidung des Gerichts

Das Gericht gab dem Kläger überwiegend Recht. Es urteilte, dass die Anordnung von Kurzarbeit „Null“ für den gesamten Zeitraum die Grenzen des billigen Ermessens überschritt. Die Beklagte hatte nicht ausreichend dargelegt, warum der Kläger nicht zumindest teilweise hätte eingesetzt werden können, obwohl nachweislich noch Arbeit im Belagbau vorhanden war.

Begründung des Urteils

Das Gericht betonte, dass bei der Anordnung von Kurzarbeit die wechselseitigen Interessen abgewogen werden müssen. Die Beklagte konnte nicht rechtfertigen, warum der Kläger vollständig von der Arbeit ausgeschlossen wurde, während andere Mitarbeiter die im Belagbau anfallenden Arbeiten übernahmen.

Das Gericht stellte klar, dass Kurzarbeit nicht zwingend eine vollständige Suspendierung der Arbeitspflicht bedeuten muss. Auch Zwischenlösungen, bei denen Arbeitnehmer teilweise beschäftigt werden, sind möglich und müssen in Betracht gezogen werden.

Folgen des Urteils

Die Beklagte wurde verurteilt, dem Kläger für die Monate November und Dezember 2020 sowie Januar 2021 die Differenz zwischen dem vollen Bruttogehalt und dem gezahlten Kurzarbeitergeld nachzuzahlen. Allerdings wurde der Anspruch für die ersten fünf Tage im November abgewiesen, da der Kläger seine Arbeitsleistung erst am 6. November angeboten hatte.

Bedeutung für Arbeitnehmer und Arbeitgeber

Das Urteil verdeutlicht, dass Arbeitgeber bei der Anordnung von Kurzarbeit sorgfältig prüfen müssen, ob eine vollständige Freistellung gerechtfertigt ist. Sie müssen nachvollziehbar darlegen, warum Arbeitnehmer nicht zumindest teilweise beschäftigt werden können. Arbeitnehmer hingegen sollten bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit von Kurzarbeit zeitnah ihre Arbeitsleistung anbieten und gegebenenfalls rechtlichen Rat einholen.


Die Schlüsselerkenntnisse


Das Urteil unterstreicht, dass Arbeitgeber bei der Anordnung von Kurzarbeit „Null“ die Grenzen des billigen Ermessens wahren und eine sorgfältige Interessenabwägung vornehmen müssen. Eine vollständige Freistellung ist nur gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber nachvollziehbar darlegen kann, warum eine teilweise Beschäftigung nicht möglich ist. Dies stärkt die Position der Arbeitnehmer und verpflichtet Arbeitgeber zu einer differenzierten Betrachtung bei der Umsetzung von Kurzarbeit.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Als Arbeitnehmer stärkt dieses Urteil Ihre Rechte bei der Anordnung von Kurzarbeit „Null“. Ihr Arbeitgeber muss sorgfältig prüfen und begründen, warum eine vollständige Freistellung notwendig ist, wenn noch Arbeit in Ihrem Tätigkeitsbereich anfällt. Sie haben Anspruch auf teilweise Beschäftigung, wenn dies möglich ist. Wichtig ist, dass Sie Ihre Arbeitsleistung aktiv anbieten, sobald Sie Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Kurzarbeit haben. Im Streitfall können Sie rückwirkend die Differenz zwischen Kurzarbeitergeld und regulärem Gehalt einfordern. Lassen Sie sich bei Unsicherheiten rechtlich beraten, um Ihre Ansprüche zu wahren.


Weiterführende Informationen

Im Kontext der aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen rücken arbeitsrechtliche Fragestellungen zunehmend in den Fokus. Besonders die Rechtmäßigkeit von Kurzarbeit „Null“ wirft viele Fragen auf, die sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer von Bedeutung sind. In diesem Abschnitt finden Sie die häufigsten Fragen zu diesem Thema, ein Glossar, das relevante Fachbegriffe verständlich erklärt, sowie die wichtigsten Rechtsgrundlagen, die dieses Urteil stützen. Nutzen Sie diese Informationen, um sich fundiert mit den rechtlichen Rahmenbedingungen auseinanderzusetzen.

Häufig gestellte Fragen zum Thema


Häufig gestellte Fragen (FAQ)


 

Was versteht man unter Kurzarbeit „Null“ und unter welchen Bedingungen ist sie rechtmäßig?

Kurzarbeit „Null“ bezeichnet eine Situation, in der die Arbeitszeit der betroffenen Arbeitnehmer vorübergehend auf null Stunden reduziert wird. Bei dieser extremen Form der Kurzarbeit erbringen die Beschäftigten also vorübergehend keinerlei Arbeitsleistung mehr.

Voraussetzungen für Kurzarbeit „Null“

Damit Kurzarbeit „Null“ rechtmäßig ist, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:

  1. Erheblicher Arbeitsausfall: Es muss ein vorübergehender, erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegen. Dieser kann auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruhen.
  2. Rechtliche Grundlage: Die Einführung von Kurzarbeit „Null“ bedarf einer rechtlichen Grundlage. Dies kann ein Tarifvertrag, eine Betriebsvereinbarung oder eine Klausel im Arbeitsvertrag sein. Fehlt eine solche Grundlage, ist die Zustimmung der betroffenen Arbeitnehmer erforderlich.
  3. Mitbestimmung des Betriebsrats: In Betrieben mit Betriebsrat hat dieser ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung von Kurzarbeit.
  4. Anzeige bei der Agentur für Arbeit: Der Arbeitgeber muss die Kurzarbeit bei der zuständigen Agentur für Arbeit anzeigen und den erheblichen Arbeitsausfall glaubhaft machen.

Besonderheiten bei Kurzarbeit „Null“

Bei Kurzarbeit „Null“ gelten einige Besonderheiten, die Sie als Arbeitnehmer kennen sollten:

  • Urlaubsanspruch: Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass bei Kurzarbeit „Null“ der Urlaubsanspruch anteilig gekürzt werden darf. Für jeden vollen Monat der Kurzarbeit „Null“ kann der Arbeitgeber den Jahresurlaub um 1/12 kürzen.
  • Kündigungsschutz: Kurzarbeit „Null“ schließt betriebsbedingte Kündigungen nicht grundsätzlich aus. Allerdings kann eine Kündigung während der Kurzarbeit ein Indiz dafür sein, dass sie nicht erforderlich und damit unwirksam ist.
  • Nebentätigkeit: Während der Kurzarbeit „Null“ dürfen Sie grundsätzlich einer Nebentätigkeit nachgehen. Es gelten jedoch bestimmte Anrechnungsregeln auf das Kurzarbeitergeld.

Wenn Sie von Kurzarbeit „Null“ betroffen sind, ist es wichtig, dass Sie die genauen Bedingungen in Ihrem Unternehmen kennen. Prüfen Sie, ob die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind und ob die Maßnahme angemessen und verhältnismäßig ist. Beachten Sie auch, dass individualvertragliche vorformulierte Kurzarbeitsklauseln angemessen und transparent sein müssen, um wirksam zu sein.


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Welche Rechte habe ich als Arbeitnehmer, wenn ich in Kurzarbeit „Null“ bin, und welche Reaktionsmöglichkeiten gibt es?

Als Arbeitnehmer in Kurzarbeit „Null“ haben Sie weiterhin wichtige Rechte und Reaktionsmöglichkeiten:

Anspruch auf Kurzarbeitergeld

Bei Kurzarbeit „Null“ haben Sie Anspruch auf Kurzarbeitergeld in Höhe von 60% (mit Kind 67%) Ihres Nettoentgeltausfalls. Dieser Anspruch besteht für maximal 12 Monate, in Ausnahmefällen bis zu 24 Monate.

Recht auf Nebentätigkeit

Während der Kurzarbeit „Null“ dürfen Sie grundsätzlich einer Nebentätigkeit nachgehen. Das dadurch erzielte Einkommen wird jedoch auf das Kurzarbeitergeld angerechnet, sofern es zusammen mit dem verbliebenen Ist-Entgelt das Soll-Entgelt übersteigt.

Urlaubsanspruch

Bei Kurzarbeit „Null“ kann Ihr Urlaubsanspruch anteilig gekürzt werden. Für jeden vollen Monat der Kurzarbeit „Null“ darf der Arbeitgeber den Jahresurlaub um 1/12 kürzen.

Kündigungsschutz

Kurzarbeit schützt nicht vor Kündigungen. Allerdings muss der Arbeitgeber bei einer Kündigung die üblichen Kündigungsfristen einhalten und die Kündigung sozial rechtfertigen.

Reaktionsmöglichkeiten bei unrechtmäßiger Kurzarbeit

Wenn Sie die Anordnung der Kurzarbeit für unrechtmäßig halten, haben Sie folgende Möglichkeiten:

  1. Arbeit anbieten: Bieten Sie Ihre volle Arbeitsleistung schriftlich an. Wenn der Arbeitgeber diese nicht annimmt, gerät er in Annahmeverzug und muss die volle Vergütung zahlen.
  2. Klage erheben: Sie können vor dem Arbeitsgericht auf Feststellung klagen, dass die Kurzarbeit unwirksam ist und Ihnen die volle Vergütung zusteht.
  3. Außerordentliche Kündigung: Bei schwerwiegenden Verstößen des Arbeitgebers gegen seine Pflichten können Sie unter Umständen außerordentlich kündigen.
  4. Betriebsrat einschalten: Wenn es einen Betriebsrat gibt, können Sie diesen über Ihre Bedenken informieren. Der Betriebsrat hat Mitbestimmungsrechte bei der Einführung von Kurzarbeit.

Wenn Sie eine dieser Möglichkeiten in Betracht ziehen, sollten Sie die konkreten Umstände Ihres Falls genau prüfen. Jede Situation ist individuell und erfordert eine sorgfältige Abwägung der möglichen Konsequenzen.


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Welche Argumente kann ein Arbeitgeber vorbringen, um eine vollständige Anordnung von Kurzarbeit „Null“ zu rechtfertigen?

Um eine vollständige Anordnung von Kurzarbeit „Null“ zu rechtfertigen, kann ein Arbeitgeber folgende Argumente vorbringen:

Erheblicher Arbeitsausfall

Der Arbeitgeber muss nachweisen, dass ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegt. Dies bedeutet, dass mindestens ein Drittel der Beschäftigten von einem Entgeltausfall von mehr als 10% betroffen sein muss. Bei Kurzarbeit „Null“ liegt ein vollständiger Arbeitsausfall vor, was dieses Kriterium in der Regel erfüllt.

Wirtschaftliche Gründe oder unabwendbares Ereignis

Der Arbeitsausfall muss auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruhen. Wirtschaftliche Gründe können beispielsweise ein plötzlicher Auftragseinbruch, Rohstoffmangel oder eine allgemeine Wirtschaftskrise sein. Unabwendbare Ereignisse umfassen etwa Naturkatastrophen, behördliche Anordnungen oder Pandemien.

Vorübergehender Charakter

Der Arbeitgeber muss darlegen, dass der Arbeitsausfall vorübergehender Natur ist. Es muss eine begründete Aussicht bestehen, dass in absehbarer Zeit zur normalen Arbeitszeit zurückgekehrt werden kann. Die maximale Bezugsdauer von Kurzarbeitergeld (in der Regel 12 Monate) kann hierbei als Orientierung dienen.

Unvermeidbarkeit

Der Arbeitgeber muss nachweisen, dass der Arbeitsausfall nicht vermeidbar ist. Dies bedeutet, dass alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen wurden, um den Arbeitsausfall zu verhindern oder zu minimieren. Hierzu können gehören:

  • Abbau von Überstunden und Arbeitszeitguthaben
  • Nutzung von betrieblichen Arbeitszeitschwankungen
  • Umsetzung von Arbeitnehmern in andere Abteilungen
  • Durchführung von Qualifizierungsmaßnahmen

Betriebliche Notwendigkeit

Der Arbeitgeber muss die betriebliche Notwendigkeit für die Kurzarbeit „Null“ darlegen. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn die Produktion vollständig eingestellt werden muss oder wenn aufgrund behördlicher Anordnungen der Betrieb geschlossen wird.

Wenn Sie mit einer Anordnung von Kurzarbeit „Null“ konfrontiert sind, sollten Sie prüfen, ob Ihr Arbeitgeber diese Argumente stichhaltig vorbringen kann. Eine transparente Kommunikation seitens des Arbeitgebers über die Gründe und die voraussichtliche Dauer der Kurzarbeit ist dabei von großer Bedeutung für das Verständnis und die Akzeptanz der Maßnahme.


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Was kann ich tun, wenn ich den Eindruck habe, dass bei der Einführung von Kurzarbeit nicht alle Alternativen ausgeschöpft wurden?

Wenn Sie den Eindruck haben, dass Ihr Arbeitgeber bei der Einführung von Kurzarbeit nicht alle Alternativen ausgeschöpft hat, können Sie mehrere Schritte unternehmen:

Ihre Arbeitsleistung anbieten

Bieten Sie Ihrem Arbeitgeber aktiv Ihre volle Arbeitsleistung an. Wenn keine rechtmäßige Grundlage für die Kurzarbeit besteht, haben Sie Anspruch auf Ihren vollen Lohn, sofern Sie Ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen. Dies gilt auch, wenn Sie der Kurzarbeit nicht zugestimmt haben oder keine wirksame Betriebsvereinbarung vorliegt.

Prüfung der Rechtsgrundlage

Überprüfen Sie, ob eine gültige Rechtsgrundlage für die Kurzarbeit existiert. Diese kann in Form einer Betriebsvereinbarung, einer Klausel im Arbeitsvertrag oder im Tarifvertrag vorliegen. Ohne eine solche Grundlage darf der Arbeitgeber nicht einseitig Kurzarbeit anordnen.

Betriebsrat einschalten

Falls in Ihrem Unternehmen ein Betriebsrat existiert, wenden Sie sich an diesen. Der Betriebsrat hat bei der Einführung von Kurzarbeit ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG und kann prüfen, ob alle Alternativen ausgeschöpft wurden.

Dokumentation und Kommunikation

Dokumentieren Sie alle relevanten Informationen und Ihre Beobachtungen. Sprechen Sie mit Ihrem Vorgesetzten oder der Personalabteilung über Ihre Bedenken. Oft können Missverständnisse durch offene Kommunikation geklärt werden.

Widerspruch einlegen

Wenn Sie der Meinung sind, dass die Kurzarbeit unrechtmäßig ist, können Sie schriftlich Widerspruch einlegen. Erklären Sie dabei, dass Sie Ihre volle Arbeitsleistung anbieten und Anspruch auf das volle Gehalt erheben.

Bedenken Sie, dass die Einführung von Kurzarbeit oft eine komplexe Entscheidung ist, die von vielen Faktoren abhängt. Ihr Arbeitgeber muss dabei wirtschaftliche Notwendigkeiten gegen die Interessen der Belegschaft abwägen. Eine offene und konstruktive Kommunikation kann in vielen Fällen zur Klärung beitragen und möglicherweise alternative Lösungen aufzeigen.


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Inwiefern beeinflusst ein Urteil wie das des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz zukünftige Fälle von Kurzarbeit „Null“?

Ein Urteil wie das des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz hat weitreichende Auswirkungen auf zukünftige Fälle von Kurzarbeit „Null“. Es schafft einen Präzedenzfall, an dem sich andere Gerichte orientieren können. Arbeitgeber müssen nun bei der Anordnung von Kurzarbeit „Null“ besonders sorgfältig vorgehen und die Rechtmäßigkeit ihrer Entscheidung genau prüfen.

Stärkung der Arbeitnehmerrechte

Das Urteil stärkt die Position der Arbeitnehmer, indem es klarstellt, dass individualvertragliche vorformulierte Kurzarbeitsklauseln angemessen und transparent sein müssen. Wenn Sie als Arbeitnehmer mit Kurzarbeit konfrontiert werden, können Sie sich auf dieses Urteil berufen und die Rechtmäßigkeit der Anordnung hinterfragen.

Erhöhte Anforderungen an Arbeitgeber

Für Arbeitgeber bedeutet das Urteil, dass sie bei der Gestaltung von Arbeitsverträgen und der Anordnung von Kurzarbeit genauer prüfen müssen, ob ihre Klauseln den rechtlichen Anforderungen entsprechen. Sie müssen sicherstellen, dass die Kurzarbeitsklauseln klar formuliert und für den Arbeitnehmer verständlich sind.

Auswirkungen auf Verhandlungen

Das Urteil kann als Argumentationsgrundlage in Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern dienen. Wenn Sie sich in einer solchen Situation befinden, können Sie auf die vom Gericht festgelegten Kriterien verweisen und eine faire Gestaltung der Kurzarbeitsregelungen einfordern.

Mögliche Überprüfung bestehender Verträge

Bestehende Arbeitsverträge mit Kurzarbeitsklauseln könnten nun einer kritischen Überprüfung unterzogen werden. Arbeitgeber könnten gezwungen sein, ihre Vertragsklauseln zu überarbeiten, um sie an die neuen rechtlichen Standards anzupassen.


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Glossar - Fachbegriffe aus dem Arbeitsrecht

Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Kurzarbeit „Null“

Kurzarbeit „Null“ meint eine Form der Kurzarbeit, bei der der Arbeitnehmer vollständig von der Arbeitspflicht freigestellt wird und daher keine regulären Arbeitsstunden leistet. Dies bedeutet, dass der Arbeitnehmer während dieser Zeit nur Kurzarbeitergeld und nicht das volle Gehalt erhält. Diese Maßnahme kann eingesetzt werden, wenn ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegt. Beispiel: Ein Unternehmen schließt temporär eine Abteilung und setzt betroffene Mitarbeiter in Kurzarbeit „Null“, obwohl vorübergehende Aufgaben im Unternehmen möglich wären.


Billiges Ermessen

Billiges Ermessen bezeichnet die Pflicht des Arbeitgebers, bei der Anordnung von Maßnahmen wie Kurzarbeit die Interessen des Arbeitnehmers angemessen zu berücksichtigen. Es verlangt eine sorgfältige Abwägung zwischen den betrieblichen Erfordernissen und den persönlichen Belangen des Arbeitnehmers (§ 315 BGB). Beispiel: Setzt ein Arbeitgeber einen Mitarbeiter in Kurzarbeit „Null“, obwohl Arbeit vorhanden ist, entspricht dies möglicherweise nicht dem billigen Ermessen.


Kurzarbeitergeld

Kurzarbeitergeld ist eine Leistung der Arbeitsagentur, die Arbeitnehmern den Verdienstausfall während der Kurzarbeit teilweise kompensiert (§ 95 ff. SGB III). Es beträgt in der Regel einen bestimmten Prozentsatz des ausgefallenen Netto-Arbeitsentgelts. Beispiel: Ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitszeit um 50 % reduziert wird, erhält Kurzarbeitergeld für die Hälfte seines Gehalts, die sonst entfallen wäre.


Nachvollziehbare Darlegung

Nachvollziehbare Darlegung bedeutet, dass ein Arbeitgeber klar und verständlich darlegen muss, warum bestimmte Maßnahmen, wie z.B. Kurzarbeit „Null“, notwendig sind. Dies betrifft die Begründung, warum keine anderweitige Beschäftigung möglich ist. Beispiel: Der Arbeitgeber muss begründen, warum alle Abteilungen voll ausgelastet sind, um eine vollständige Freistellung eines Mitarbeiters zu rechtfertigen.


Interessenabwägung

Interessenabwägung ist der Prozess, bei dem die verschiedenen Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer sorgfältig gegeneinander abgewogen werden, insbesondere bei der Einführung von Maßnahmen wie Kurzarbeit. Es geht darum, einen Kompromiss zu finden, der beide Seiten berücksichtigt. Beispiel: Der Arbeitgeber prüft, ob ein Mitarbeiter für andere Aufgaben genutzt werden kann, bevor er Kurzarbeit „Null“ anordnet.


Vertragsklauseln zur Kurzarbeit

Vertragsklauseln zur Kurzarbeit sind vorformulierte Bestimmungen in Arbeitsverträgen, die regeln, unter welchen Bedingungen Kurzarbeit angeordnet werden kann. Diese Klauseln müssen den rechtlichen Anforderungen entsprechen und klar sowie verständlich formuliert sein. Beispiel: Eine Klausel, die dem Arbeitgeber pauschal das Recht einräumt, jederzeit Kurzarbeit anzuordnen, könnte als unzulässig gelten, wenn sie nicht präzise Bedingungen für eine solche Maßnahme festlegt.


Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 95 SGB III (Sozialgesetzbuch): Dieser Paragraph regelt die Anspruchsvoraussetzungen für Kurzarbeitergeld. Kurzarbeitergeld kann nur gezahlt werden, wenn ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegt, der durch wirtschaftliche Gründe oder unabwendbare Ereignisse verursacht ist. Die Beklagte beantragte Kurzarbeitergeld, was auf die Erfüllung der Voraussetzungen hinweist, die jedoch aufgrund der Arbeitsleistung des Klägers während der Kurzarbeit in Frage gestellt werden.
  • § 615 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Nach dieser Vorschrift kann ein Arbeitnehmer Entgelt verlangen, wenn er aufgrund eines Umstandes, der von seinem Arbeitgeber zu vertreten ist, an der Arbeitsleistung gehindert ist. Im vorliegenden Fall behauptet der Kläger, dass die Anordnung von Kurzarbeit „Null“ rechtswidrig war, da er während dieser Zeit arbeite, was seine Forderung nach Nachzahlungen für die Differenz zwischen Kurzarbeit und regulärem Gehalt stützt.
  • § 1 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz): Dieser Paragraph behandelt die Mitbestimmung der Arbeitnehmer, insbesondere durch Betriebsräte. Da in der Beklagtenfirma kein Betriebsrat existiert, könnte dies die Regelungen zur Kurzarbeit beeinflussen, da in Unternehmen ohne Betriebsrat oft kein formales Mitspracherecht der Arbeitnehmer gegeben ist. Dies führt jedoch auch zu Fragen der Transparenz und der Fairness in den Entscheidungen der Beklagten.
  • § 2 AEntG (Arbeitnehmerentsendegesetz): Dieses Gesetz regelt die Arbeitsbedingungen, insbesondere hinsichtlich der Tarifbindung. Falls für die Branche, in der die Beklagte tätig ist, ein anwendbarer Tarifvertrag existiert, könnte dieser vorschreiben, dass bei Kurzarbeit Neuregelungen zur Vergütung und Arbeitszeit einzuhalten sind. Der Kläger könnte auf tarifliche Regelungen pochen, um seine Ansprüche zu untermauern.
  • § 10 TzBfG (Teilzeit– und Befristungsgesetz): Dieser Paragraph behandelt die Regelungen zu Teilzeitarbeit und deren Vergütung. Obwohl es in diesem Fall nicht um eine dauerhafte Teilzeitkräften geht, könnte die Anordnung von Kurzarbeit als vorübergehende Teilzeitregelung interpretiert werden. Der Kläger könnte argumentieren, dass die Verminderung des Entgelts auf der Grundlage der tatsächlichen Arbeitsaufnahme unzulässig ist, wenn keine angemessene vertragliche Grundlage für die Kurzarbeit gegeben ist.

Das vorliegende Urteil

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 8 Sa 392/21 – Urteil vom 07.02.2023


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

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