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Jahressonderzahlung – Anspruch auf Zahlung

ArbG Düsseldorf – Az.: 12 Ca 974/17 – Urteil vom 12.04.2017

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.420,57 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2016 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Streitwert: 2.420,57 EUR.

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine Jahressonderzahlung.

Der Kläger ist bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin seit dem 17.07.2000 beschäftigt.

Bei der Beklagten handelt es sich um eine Service- und Vertriebsgesellschaft für Bürokommunikationssysteme und -lösungen.

Nach dem mit Wirkung zum 01.11.2008 zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrag gelten für das Arbeitsverhältnis die Tarifverträge für den Groß- und Außenhandel Niedersachsen. Im Übrigen lautet der Anstellungsvertrag auszugsweise wie folgt:

„6. Jahresleistung/Sonderzahlung

Die Gewährung einer Jahresleistung/Sonderzahlung erfolgt auf der Basis eines Tarifgrundentgeltes (z. Zt. EUR 2.182,00 brutto) zzgl. der tariflichen Ausgleichszulage.

Als Auszahlungszeitpunkt gilt nach dem Tarifvertrag der November des Jahres.

Der tarifliche Anspruch in Höhe von z. Zt. EUR 268,43 wird auf der Basis des jeweils gültigen Tarifvertrages gewährt. Die Zahlung des Differenzbetrages erfolgt auf freiwilliger Basis. Auch aus einer mehrfach erfolgenden zusätzlichen freiwilligen Zahlung der Jahresleistung können keine Rechtsansprüche für die Zukunft abgeleitet werden.

Es besteht kein Anspruch auf die freiwillige Sonderzahlung, wenn das Arbeitsverhältnis in der Zeit vom 01.11 bis 31.03. des Folgejahres beendet oder gekündigt wird oder die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber fristlos erfolgt.

Bei einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach Auszahlung der Jahresleistung besteht eine Rückzahlungsverpflichtung, d. h. der Arbeitgeber ist berechtigt, Rückzahlungsansprüche mit der Gehaltsabrechnung zu verrechnen.“.

Seit Beginn des Arbeitsverhältnisses zahlte die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin jährlich mit dem Novembergehalt an alle Mitarbeiter ein Tarifgehalt als Jahressonderzahlung aus.

Für das Jahr 2016 zahlte sie hingegen lediglich die tariflich vorgesehene Sonderzahlung i. H. v. 268,43 EUR brutto aus.

Der Kläger ist der Auffassung, dass er einen vertraglichen Anspruch auf Zahlung der vollen Jahressonderzahlung habe. Der Freiwilligkeitsvorbehalt sei unwirksam.

Er beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.420,57 EUR brutto nebst Zinsen i. H. v. 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie geht von einem wirksamen Freiwilligkeitsvorbehalt aus.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Jahressonderzahlung - Anspruch auf Zahlung
(Symbolfoto: Von fizkes/Shutterstock.com)

Die Klage ist zulässig und begründet.

1. Der Kläger hat einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf die von ihm begehrte Sonderzahlung in unstreitiger Höhe. Dem steht der Freiwilligkeitsvorbehalt im Arbeitsvertrag nicht entgegen. Dieser ist unwirksam.

a) Bei den von Beklagtenseite vorformulierten Vertragsbedingungen handelt es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen i. S. v. § 305 Abs. 1 BGB. Diese sind nach ihrem objektivem Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern dies des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag erfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (ständige Rechtsprechung, BAG v. 14.09.2011 – 10 AZR 526/10 – Rn. 19). Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gemäß § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders. Die Auslegung der Unklarheitenregel des § 305 c Abs. 2 BGB setzt allerdings voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (ständige Rechtsprechung, BAG v. 25.08.2010 – 10 AZR 275/09 -, Rn. 20).

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Kläger einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf die volle Jahressonderzahlung.

Nach der Regelung in Ziffer 6 des Anstellungsvertrages erfolgt die „Gewährung einer Jahresleistung/Sonderzahlung“ auf der Basis eines Tarifgrundentgeltes zzgl. der tariflichen Ausgleichszulage. Eine Formulierung, nach der vom Arbeitgeber ein Bonus oder eine Gratifikation gezahlt wird oder der Arbeitnehmer einen Bonus oder eine Gratifikation erhält, ist typisch für die Begründung eines Entgeltanspruchs (BAG vom 30.07.2008 – 10 AZR 606/07 – Rn. 45). Für den Begriff „gewährt“ gilt nichts anderes (so ausdrücklich BAG vom 20.02.2013 – 10 AZR 177/12 – Rn. 17). Darüber hinaus ist die Höhe der Leistung präzise festgelegt. Gestützt wird dieses Auslegungsergebnis auch von § 4 Satz 1. Danach besteht kein Anspruch auf die freiwillige Sonderzahlung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen November des betreffenden Jahres und dem 31.03. des Folgejahres oder einer fristlosen Beendigung. Wenn in diesen Konstellationen kein Anspruch bestehen soll, setzt dies aber gedanklich voraus, dass zuvor ein Anspruch bestanden hat. Zwar erscheint auch die von der Beklagten vertretene Auslegung möglich, wonach sich nicht unmittelbar ein Rechtsanspruch ergibt. Der allgemeine Geschäftsbedingungen verwendende Arbeitgeber muss aber bei Unklarheiten nach § 305 c Abs. 2 BGB die ihm ungünstigste Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen.

Einem Anspruch steht nicht entgegen, dass die Zahlung des Differenzbetrages zwischen dem tariflichen Anspruch und der gewährten Jahressonderzahlung auf freiwilliger Basis erfolgt und auch aus einer mehrfach erfolgenden zusätzlichen freiwilligen Zahlung der Jahresleistung keine Rechtsansprüche für die Zukunft abgeleitet werden können. Die Bezeichnung als freiwillig kann auch zum Ausdruck bringen, dass der Arbeitgeber nicht durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz zu dieser Leistung verpflichtet ist (BAG vom 23.10.2002 – 10 AZR 48/02). Sie genügt für sich genommen nicht, um einen Rechtsanspruch auf die Leistung auszuschließen.

Der enthaltene Freiwilligkeitsvorbehalt, wonach aus einer mehrfach erfolgenden zusätzlichen freiwilligen Zahlung der Jahresleistung keine Rechtsansprüche für die Zukunft abgeleitet werden können, verstößt hier aber gegen das Transparenzgebot in § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB und ist deshalb unwirksam.

Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Sinn des Transparenzgebotes ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt deshalb nicht schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung i. S. v. § 307 Abs. 1 BGB (ständige Rechtsprechung, z. B. BAG vom 14.09.2011 – 10 AZR 526/10 – Rn. 22).

Der Vorbehalt in Ziffer 6 Abs. 3 Satz 2 des Arbeitsvertrages bezeichnet die Zahlung der Jahresleistung/Sonderzahlung nicht nur als freiwillig, sondern will ausschließen, dass deren Zahlung ein Rechtsanspruch für die Zukunft begründet. Der Wortlaut dieser Abrede ist zwar eindeutig, sie schließt einen Rechtsanspruch auf eine Sonderzahlung aus. Die Bestimmung steht damit im Widerspruch zu den nach Ziffer 6 Abs. 1 gewährten Anspruch. Sie ist deshalb nicht klar und verständlich i. S. v. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und unwirksam.

Gemäß § 306 Abs. 1 BGB fällt die unwirksame Regelung ersatzlos weg, der Vertrag im Übrigen bleibt bestehen.

2. Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 286, 288 BGB.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 91 ZPO. Danach trägt die Beklagte als unterlegene Partei die Kosten.

Der Streitwert nach den §§ 3 ff. ZPO ist gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festgesetzt. Er entspricht der Höhe nach dem bezifferten Zahlungsantrag und auch dem Wert nach § 63 Abs. 2 GKG für die Gerichtsgebühr.

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