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Karenzentschädigung – Verzichtserklärung – Beginn Jahresfrist § 75a HGB

LAG Berlin-Brandenburg – Az.: 5 Sa 1620/16 – Urteil vom 15.12.2016

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 31.08.2016 – 55 Ca 3431/16 – abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 41,41 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2016 zu zahlen.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen

Tatbestand

Die Klägerin, die seit dem 01.07.2016 eine Altersrente bezieht, war bei der Beklagten aufgrund des Arbeitsvertrages vom 01.09.1997 bei einer Bruttomonatsvergütung von zuletzt 2.375,00 EUR und einem zusätzlichen Urlaubsgeld von 1.315,38 EUR brutto, insgesamt 29.815,38 EUR brutto im Jahr, beschäftigt. Gem. § 7 des Arbeitsvertrages war ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot von drei Jahren vereinbart. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 21.07.2015 zum 31.01.2016 (Bl. 7 d. A.) und erklärte mit Schreiben vom 07.09.2015 (Bl. 9 d. A.) gegenüber der Klägerin, dass sie auf das Wettbewerbsverbot verzichte.

Mit Schreiben vom 11.12.2015 machte die Klägerin gegenüber der Klägerin geltend, dass ihr eine Karenzentschädigung in Höhe von 1.242,31 EUR monatlich für den Zeitraum von einem Jahr seit dem 01.02.2016 zustehe (Bl. 10 f. d. A.).

Mit Schreiben vom 22.02.2016 erklärte die Beklagte, dass der Klägerin Karenzentschädigung nur bis zum 07.09.2016 zustehe (Bl. 13 d. A.). Sie zahlte sodann Karenzentschädigung an die Klägerin für den Zeitraum vom 01.02.2016 bis zum 06.09.2016.

Mit der Klage hat die Klägerin die Feststellung begehrt, dass ihr über den 07.09.2016 hinaus bis zum 31.01.2017 Karenzentschädigung zustehe. Sie hat vorgetragen, es ergebe sich aus der Rechtsprechung des BAG, dass im Falle des Verzichtes auf das Wettbewerbsverbot die vereinbarte Karenzentschädigung für die Dauer eines Jahres ab Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu zahlen sei. Ferner hat die Klägerin die Zahlung der Karenzentschädigung für Februar und März 2016 geltend gemacht. Nach Zahlung durch die Beklagte haben die Parteien den Rechtsstreit diesbezüglich für erledigt erklärt.

Die Klägerin hat im Übrigen beantragt, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, über den 07.09.2016 hinaus bis zum Ablauf des Monats Januar 2017 an die Klägerin eine Karenzentschädigung jeweils zum Ende eines Kalendermonats zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, es bestehe kein Feststellungsinteresse für die Klage. Aus § 75 a HBG ergebe sich im Übrigen, dass Karenzentschädigung nach einem Verzicht auf das Wettbewerbsverbot nur für die eines Jahres seit der Verzichtserklärung zu zahlen sei. Widerklagend hat die Beklagte die Erteilung einer Auskunft über die monatlichen Einkünfte der Klägerin geltend gemacht. Die Klägerin hat die Widerklage anerkannt.

Das Arbeitsgericht hat mit Anerkenntnisteilurteil vom 28.04.2016 der Widerklage stattgegeben und die Klage im Übrigen mit Urteil vom 31.08.2016 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Feststellungsklage mangels einer Möglichkeit der Bezifferung zwar zulässig, jedoch unbegründet sei. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Karenzentschädigung erlösche gem. § 75 a HGB mit Ablauf eines Jahres nach der Abgabe der Erklärung des Verzichts auf das Wettbewerbsverbot vom 07.09.2015, also mit Ablauf des 06.09.2016. Etwas anderes ergebe sich nicht aus dem Urteil des BAG v. 25.10.2007 (6 AZR 662/06), welches eine vorliegend nicht einschlägige Rechtsfrage betroffen habe. Es sei nicht ersichtlich, dass das BAG den § 75 a HGB abweichend vom Gesetzeswortlaut habe auslegen wollen.

Gegen das der Klägerin am 02.09.2016 zugestellte Urteil richtet sich ihre am 28.09.2016 eingegangene und am 21.10.2016 begründete Berufung. Sie trägt vor, das Arbeitsgericht habe in der mündlichen Verhandlung erklärt, das von der Klägerin in Bezug genommene Urteil des BAG sei so zu verstehen, dass die Jahresfrist des § 75 a HGB mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses beginne. Abweichend habe es in den Urteilsgründen zu Unrecht die Auffassung vertreten, dass die BAG-Entscheidung sich lediglich mit einer Rechtsfrage zu § 12 KSchG befasst habe. Das BAG habe in der Entscheidung auf ein weiteres Urteil vom 17.02.1987 (3 AZR 59/86) Bezug genommen, in welchem ebenfalls davon ausgegangen werde, dass der Arbeitgeber auch im Falle des Verzichts auf das Wettbewerbsverbot stets für die Dauer eines Jahres zur Zahlung von Karenzentschädigung verpflichtet sei und § 75 a HGB gegen seinen klaren Wortlaut ausgelegt werden müsse. Wenn die Pflicht zur Unterlassung von Wettbewerb nach der Entscheidung des BAG vom 25.10.2007 „sofort ende“, sei damit der Zeitpunkt der Arbeitsvertragsbeendigung gemeint, von dem ab dann auch erst die Jahresfrist laufe.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 31.08.2016 zu AZ 55 Ca 3431/16 festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, über den 07.09.2016 hinaus bis zum Ablauf des Monats Januar 2017 an die Klägerin eine Karenzentschädigung jeweils zum Ende eines Kalendermonats zu zahlen.

Hilfsweise beantragt die Klägerin, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 31.08.2016 zu AZ 55 Ca 3431/16,

a) die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.242,31 EUR brutto abzüglich 278,32 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hierauf seit dem 01.10.2016 zu zahlen, sowie weiter an die Klägerin 2.484,62 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von jeweils 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf jeweils 1.242,31 EUR ab dem 01.11.2016 und dem 01.12.2016 zu zahlen.

b) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, über den 30.11.2016 hinaus bis zum Ablauf des Monats Januar 2017 an die Klägerin eine Karenzentschädigung jeweils zum Ende eines Kalendermonats zu zahlen und diesen Betrag jeweils in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.01.2017 bzw. ab dem 01.02.2017 zu verzinsen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, aus der von der Klägerin angeführten Rechtsprechung des BAG folge nicht, dass im Falle des Wettbewerbsverbots die Frist zur Zahlung einer Karenzentschädigung mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu laufen beginne. Die Auffassung der Klägerin führe zu einer übermäßigen Belastung des Arbeitgebers im Falle eines frühzeitig erklärten Verzichts auf das Wettbewerbsverbot.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vortrages der Parteien wird auf die Schriftsätze und Anlagen der Klägerin vom 20.10.2016 (Bl. 99 – 103 d. A.) und vom 08.12.2016 (Bl. 117 – 121 d. A.), auf die Schriftsätze der Beklagten vom 26.11.2016 (Bl. 112 – 116 d. A.) und vom 14.12.2016 (Bl. 122 und 123 d. A.) sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15.12.2016 (Bl. 124 und 125 d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung ist gem. §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 b) und Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, 519 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie ist auch gem. §§ 64 Abs. 6 ArbG, 520 Abs. 3 ZPO ausreichend begründet worden.

II.

Die Berufung ist jedoch ganz überwiegend unbegründet. Nur im Umfang von 41,41 EUR brutto ist ihr stattzugeben und das Urteil abzuändern.

1.

Der in der Berufungsinstanz gestellte Hauptantrag hat keinen Erfolg.

a)

Der Hauptantrag ist nur teilweise zulässig.

Er ist betreffend den Zeitraum 08.09.2016 bis 30.11.2016 mangels des nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresses, aber auch als Zwischenfeststellungsklage gem. § 256 Abs. 2 ZPO unzulässig, weil die Klägerin für diesen Zeitraum eine Leistungsklage erheben und damit den Streit über die diesen Zeitraum betreffenden Ansprüche abschließend klären kann.

Hinsichtlich des Zeitraumes vom 01.12.2016 bis 31.01.2017 ist der Hauptantrag hingegen zulässig. Ist zwischen den Parteien streitig, ob in einem bestimmten Zeitraum die Verpflichtung zur Zahlung einer Karenzentschädigung nach § 75 a HGB besteht, ist eine Feststellungsklage in der mit diesem Antrag gestellten Fassung zulässig (vgl. BGH v. 17.02.1992 – II ZR 140/91, Rz. 4).

b)

Soweit er zulässig ist, ist der Hauptantrag unbegründet. Die Beklagte ist nicht gem. § 7 des Arbeitsvertrages vom 01.09.1997 i. V.m. § 75 a HGB verpflichtet, für den Zeitraum vom 01.12.2016 bis zum 31.01.2017 an die Klägerin eine Karenzentschädigung zu zahlen.

aa)

Gem. § 75 a HGB kann der Prinzipal gegenüber dem Handlungsgehilfen vor der Beendigung des Dienstverhältnisses durch schriftliche Erklärung auf ein vertraglich vereinbartes Wettbewerbsverbot mit der Wirkung verzichten, dass er mit dem Ablauf eines Jahres seit der Erklärung von der Verpflichtung zur Zahlung der vereinbarten Karenzentschädigung frei wird. Diese Vorschrift gilt auch für Arbeitsverhältnisse. Vorliegend haben die Parteien im Arbeitsvertrag vom 01.09.1997 unstreitig ein Wettbewerbsverbot mit Entschädigung i. S. d. §§ 74 ff. HGB vereinbart. Die Beklagte hat am 07.09.2015 schriftlich auf das Wettbewerbsverbot verzichtet. Sie wurde daher mit Ablauf eines Jahres seit dieser Erklärung von der Verpflichtung zur Zahlung der Karenzentschädigung frei.

bb)

Entgegen Auffassung der Klägerin folgt aus § 75 a HGB hingegen nicht, dass die Beklagte erst mit Ablauf eines Jahres seit der mit Ablauf des 31.01.2016 eingetretenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien von der Verpflichtung zur Zahlung eine Karenzentschädigung frei wird. Das ergibt sich bereits unzweifelhaft aus dem Wortlaut von § 75 a HGB. Aus diesem folgt, dass die Jahresfrist, nach deren Ablauf die Verpflichtung zur Zahlung einer Karenzentschädigung erlischt, mit dem Zugang der schriftlichen Erklärung Prinzipals beginnt, in welcher dieser auf das Wettbewerbsverbot verzichtet (BAG v. 19.01.1978 – 3 AZR 573/77, Rz. 34; BAG v 23.11.2004 – 9 AZR 595/03 Rz. 26).

Die Klägerin nennt keine Gründe, die es gebieten, die Vorschrift entgegen ihrem Wortlaut auszulegen. Gründe, die eine entsprechende verfassungskonforme Auslegung gebieten, trägt die Klägerin nicht vor und sind auch sonst nicht ersichtlich. Insbesondere gebieten verfassungsrechtliche Gründe nicht, dem Handlungsgehilfen trotz des mit Beendigung des Dienstverhältnisses eintretenden Wegfalls der Verpflichtung zur Unterlassung von Wettbewerbshandlungen eine Karenzentschädigung für die Dauer von mindestens einem Jahr zu garantieren.

Sinn und Zweck der Vorschrift bieten ebenfalls keinerlei Anhaltspunkte für eine Auslegung entgegen ihrem Wortlaut. Der Zweck der in § 75 a HGB vorgesehenen Jahresfrist liegt nämlich darin, dem Handlungsgehilfen einen ausreichenden Zeitraum zu gewähren, in dem er sich im Hinblick auf Erwerbstätigkeiten nach Ablauf des Dienstverhältnisses auf die mit Wegfall des ursprünglich vereinbarten Wettbewerbsverbots eingetretene Änderung der Rechtslage einstellen kann (Ebenroth u.a., Handelsgesetzbuch, 3. Aufl., § 75 a HGB, Rz. 14; Boecken u.a., Gesamtes Arbeitsrecht, 1. Auflage, § 75 a HGB, Rz. 7). Für diesen Regelungszweck ist es unerheblich, ob innerhalb der Jahresfrist das Dienstverhältnis mit dem Prinzipal noch besteht. Die Karenzentschädigung stellt, wie sich aus § 74 Abs. 2 HGB entnehmen lässt, grundsätzlich eine Gegenleistung für die vom Handlungsgehilfen übernommene Verpflichtung zur Unterlassung von Wettbewerb im nachvertraglichen Zeitraum dar. Entfällt diese Verpflichtung, lässt sich die Aufrechterhaltung der Entschädigungsverpflichtung nur noch damit rechtfertigen, dass der Handlungsgehilfe bis zur Verzichtserklärung nicht mit der Zulässigkeit von Wettbewerbshandlungen im nachvertraglichen Zeitraum rechnen konnte und deshalb bei der Planung und Vorbereitung der Aufnahme einer nachvertraglichen Erwerbstätigkeit eingeschränkt war. Je länger der Zeitraum zwischen Verzichtserklärung und Ende des Dienstverhältnisses ist, desto weniger schwer wiegt dieser Nachteil. Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass nach Ablauf eines Jahres seit der Verzichtserklärung keine entschädigungswürdigen Nachwirkungen des entfallenen Wettbewerbsverbots mehr anzunehmen sind. Das gilt auch dann, wenn das Dienstverhältnis mit dem Prinzipal während dieser Frist noch bestanden hat.

Entgegen der Auffassung der Klägerin und der in ErfKomm-Oetker, § 75 a HGB, Rz. 4 vertretenen Auffassung ergibt sich Abweichendes auch nicht aus den Urteilen des BAG v. 25.10.2007 (6 AZR 662/06, Rz. 26 f.) und v. 17.02.1987 (3 AZR 59/86, Rz. 10). In beiden Entscheidungen hat das BAG nicht den Rechtsgrundsatz aufgestellt, dass die in § 75 a HGB geregelte Jahresfrist abweichend vom Wortlaut erst mit Beendigung des Dienstverhältnisses zu laufen beginnt.

Zunächst ist insoweit darauf hinzuweisen, dass das BAG in keiner der beiden Entscheidungen ausführt, dass – und aus welchen Gründen – es Anlass gebe, § 75 a HGB entgegen seinem auch nach Auffassung der Klägerin „klaren Wortlaut“ in dem von der Klägerin vertretenen Sinne auszulegen, in welchem Falle für das BAG zudem dann auch noch auszuführen gehabt hätte, warum dieser Auslegung die beiden Entscheidungen jeweils vorhergehenden Urteile vom 19.01.1978 (3 AZR 573/77, Rz. 34) und vom 23.11.2004 (9 AZR 595/03, Rz. 26) nicht entgegenstünden bzw. dass an den darin aufgestellten Grundsätzen nicht festgehalten werde.

Soweit in der Entscheidung vom 25.10.2007 darauf abgestellt wird, der Verzicht bewirke, dass die Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Unterlassung von Wettbewerb für die Zeit nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses „sofort“ ende, der Arbeitgeber aber noch für die „Dauer eines Jahres“ zur Zahlung der Karenzentschädigung verpflichtet bleibe (Rz. 26), lässt sich dem zudem nicht entnehmen, die „Dauer eines Jahres“ beginne in jedem Falle mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Da die mit Verzichtserklärung eintretende sofortige Beendigung des Wettbewerbsverbots besonders hervorgehoben wird, folgt aus dem Zusammenhang der sodann erwähnten „Dauer eines Jahres“ hierzu, dass auch diese mit dem sofortigen Ende des Wettbewerbsverbots beginnt. Dass das Wettbewerbsverbot nach § 74 HGB erst ab Vertragsbeendigung einzuhalten ist, ändert nichts daran, dass der Handlungsgehilfe bereits vor Vertragsbeendigung mit „sofortiger“ Wirkung von ihm befreit werden kann. Denn es handelt sich sowohl bei dem Wettbewerbsverbot als auch bei der Verpflichtung zur Zahlung von Karenzentschädigung um betagte Verbindlichkeiten, die bereits mit ihrer vertraglichen Vereinbarung existent sind und vor dem Eintritt ihrer Fälligkeit beendet werden können.

Soweit in der Entscheidung vom 25.10.2007 ausgeführt wird, der Entschädigungsanspruch bestehe im Falle eines Verzichts nach § 75 a HGB auch dann, wenn der Arbeitnehmer „innerhalb der Jahresfrist nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ eine Konkurrenztätigkeit ausübe (Rz. 26), bezieht sich dies erkennbar auf die Jahresfrist des §75 a HGB, die mit der Verzichtserklärung beginnt und nicht eine im Gesetz nicht vorgesehene „Jahresfrist nach Beendigung“. Wenn der Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses und innerhalb dieser Frist eine infolge des Verzichts zulässige Konkurrenztätigkeit aufnimmt, steht ihm bis zum Ablauf der Frist die Karenzentschädigung zu.

Soweit in der Entscheidung vom 25.10.2007 ausgeführt wird, im Falle des Verzichts nach § 75 a HGB verkürze sich für den Arbeitgeber lediglich die Dauer der Leistungspflicht, kann daraus nicht abgeleitet werden (Rz. 27), das BAG habe angenommen, dass ein vollständiger Wegfall nicht eintreten könne und dass in jedem Falle eine Karenzentschädigung für die Dauer von einem Jahr zu zahlen sei. Eine Verkürzung der Dauer der Leistungspflicht „auf Null“, die sich bei einem spätestens ein Jahr vor Vertragsbeendigung erklärtem Verzicht ergibt, wird mit dieser Formulierung nicht ausgeschlossen.

Schließlich ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung vom 17.02.1987 (Rz. 10) nichts anderes. Die darin enthaltenen Ausführungen geben den Wortlaut des § 75 a HGB, wonach der Prinzipal mit „Ablauf eines Jahres“ seit der Verzichtserklärung von der Verpflichtung zur Zahlung einer Karenzentschädigung frei wird, teilweise wieder, ohne auszudrücken, dass der Jahreszeitraum immer mit Vertragsbeendigung beginne. Die Fallgestaltung, dass der Prinzipal bereits vor Beendigung von der betagten Verbindlichkeit zur Zahlung einer Karenzentschädigung frei wird, so dass er bei entsprechend frühzeitiger Verzichtserklärung im Ergebnis gar keine Karenzentschädigung zu zahlen hat, wird von diesen Ausführungen mit umfasst. Sie geben gerade nicht wieder, dass der Prinzipal in jedem Falle Karenzentschädigung zu zahlen habe. Dies zeigen auch die Ausführungen, wonach mit dem Zugang des Verzichts auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbotes feststehe, dass mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Verpflichtung zur Unterlassung von Wettbewerb bestehe. Damit wird der Regelungszweck der Jahresfrist angesprochen, der, wie bereits ausgeführt worden ist, von dem Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unabhängig ist. Soweit im Leitsatz der Entscheidung abweichend von der Formulierung unter Rz. 10 der Entscheidungsgründe („… wird der Arbeitgeber erst mit Ablauf eines Jahres von der Zahlung einer Karenzentschädigung frei …“) ausgeführt wird, der Arbeitgeber sei auch im Falle des Verzichts „noch für die Dauer eines Jahres zur Zahlung der Karenzentschädigung verpflichtet“, gibt auch dies nicht wieder, der Arbeitgeber müsse für die Dauer eines Jahres nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Karenzentschädigung zahlen. Auch im Leitsatz ist die bis zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses betagte, aber bereits existente Pflicht zur Zahlung einer Karenzentschädigung in Bezug genommen worden, zum Beginn des Zeitraums der „Dauer eines Jahres“ sagt der Leitsatz nichts vom Wortlaut des § 75 a HGB Abweichendes aus.

2.

Der Hilfsantrag zu a), über den infolge der teilweisen Unzulässigkeit des Hauptantrages zu entscheiden ist, führt nur in geringem Umfang zur Abänderung des angefochtenen Urteils.

a)

Der erstmals in der Berufungsinstanz gestellte Hilfsantrag zu a) stellt keine nach §§ 263, 533 ZPO unzulässige Klageänderung dar. Es liegt ein Fall des § 264 Nr. 2 ZPO vor, wenn der Kläger, wie vorliegend betreffend den Zeitraum vom 08.09.2016 bis 30.11.2016, aufgrund desselben Lebenssachverhalts von einem Feststellungsantrag auf einen Leistungsantrag übergeht (BGH v. 08.06.1994 – VIII ZR 178/93, Rz. 19). Soweit die Klägerin über den Hauptantrag hinausgehend mit dem Hilfsantrag zu a) auch Ansprüche für den Zeitraum vom 01.09.2016 bis 07.09.2016 geltend macht, liegt eine sachdienliche Klageerweiterung vor (§§ 263, 533 ZPO), die nicht auf neuen Sachvortrag gestützt wird. Ein erneuter Rechtsstreit der Parteien über Ansprüche auf Karenzentschädigung für diesen Zeitraum wird mit ihr vermieden.

b)

Der Hilfsantrag zu a) ist aber nur betreffend den 07.09.2015 in Höhe von 41,41 EUR brutto begründet. In diesem Umfang ist das angefochtene Urteil abzuändern und der Klage stattzugeben.

aa)

Die Beklagte schuldet für den Zeitraum vom 01.09.2016 bis 06.09.2016 keine Karenzentschädigung. Nach dem von der Klägerin nicht bestrittenen Vortrag der Beklagten wurde die Karenzentschädigung für den Zeitraum bis 06.09.2016 vollumfänglich gezahlt.

bb)

Für den 07.09.2016 schuldet die Beklagte gem. § 7 des Arbeitsvertrages vom 01.09.1997 i. V. m. § 75 a HGB eine anteilige Karenzentschädigung in Höhe von 41,41 EUR brutto. Unstreitig haben die Parteien in § 7 des Arbeitsvertrages entsprechend § 74 Abs. 2 HGB eine Pflicht der Beklagten zur Zahlung einer Karenzentschädigung in Höhe der Hälfte der von der Klägerin zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen vereinbart. Nach § 74 c Abs. 1 HGB anrechenbaren Verdienst hat die Klägerin am 07.09.2016 nicht gehabt. Vor Ablauf des 07.09.2016 konnte die Beklagte auch aufgrund des schriftlichen Verzichts auf das Wettbewerbsverbot vom 07.09.2015 gem. §§ 75 a HGB, 187 Abs. 2 BGB nicht frei werden.

Unstreitig hat die Beklagte für den 07.09.2016 keine Karenzentschädigung gezahlt, die Zahlung von 278,32 EUR netto, die sie zuletzt leistete, betraf den Zeitraum bis einschließlich 06.09.2016. Es besteht daher für den 07.09.2016 ein Teilanspruch von 1/30 des der Höhe nach unstreitigen Monatsbetrages der Karenzentschädigung von 1.242,31 EUR brutto.

Die auf diesen Teilanspruch entfallenden Zinsen sind gem. §§ 74 b Abs. 1 HGB, 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB zu zahlen.

cc)

Gem. § 75 a HGB ist der Klageanspruch für den Zeitraum vom 08.09.2016 bis 30.11.2016 aufgrund des am 07.09.2015 erklärten Verzichts auf das Wettbewerbsverbot nicht gerechtfertigt.

3.

Über den Hilfsantrag zu b), war zu entscheiden, weil die Kammer entsprechend der von der Klägerin formulierten Bedingung die Feststellungsklage für einen zurückliegenden Zeitraum für unzulässig hält. Der Hilfsantrag zu b) stimmt aber betreffend den Zeitraum vom 01.12.2016 bis 31.01.2017 mit Ausnahme der Zinsen mit dem Hauptantrag überein und fällt daher nur im Übrigen zur selbständigen Entscheidung an.

Für den über den 30.11.2016 hinausgehenden Zeitraum muss die Beklagte jedoch keine Verzugszinsen zahlen, weil sie für diesen Zeitraum keine Karenzentschädigung schuldet. Soweit der Hilfsantrag zu b) zur Entscheidung anfällt, ist er wie der Hauptantrag zulässig, aber unbegründet.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 97, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

IV.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 72 Abs. 2 ArbGG). Die Entscheidung folgt höchstrichterlicher Rechtsprechung und hat keine grundsätzliche Bedeutung.

Die Parteien werden auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 72 a ArbGG) hingewiesen.

 

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