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Kenntnis der Schwangerschaft nach Fristablauf für Klageerhebung gegen Kündigung

Schock-Kündigung nach Baby-News: Berliner Gericht pfeift Arbeitgeber zurück und stärkt den Mutterschutz. Eine junge Mutter kämpft erfolgreich gegen ihre Kündigung kurz nach Bekanntgabe der Schwangerschaft – das Urteil könnte wegweisend sein. Ein Berliner Unternehmen muss nun die Konsequenzen tragen und die Arbeitnehmerin weiterbeschäftigen.

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Das Arbeitsgericht Berlin hat die Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin für unwirksam erklärt.
  • Die Kündigung erfolgte zwei Tage nach Bekanntgabe der Schwangerschaft und verstieß gegen das Mutterschutzgesetz.
  • Der besondere Kündigungsschutz beginnt mit der Mitteilung der Schwangerschaft an den Arbeitgeber.
  • Eine Kündigung während der Schwangerschaft ist nur in Ausnahmefällen und mit behördlicher Genehmigung zulässig.
  • Der Arbeitgeber konnte keine triftigen Gründe für die Kündigung nachweisen.
  • Die behördliche Zustimmung zur Kündigung wurde nicht eingeholt.
  • Das Urteil stärkt den Schutz schwangerer Arbeitnehmerinnen vor ungerechtfertigten Kündigungen.
  • Der Arbeitgeber muss die Arbeitnehmerin weiterbeschäftigen und den entgangenen Lohn nachzahlen.

Gerichtsurteil: Kündigungsschutz bei später bekannt gewordener Schwangerschaft

Die Schwangerschaft einer Arbeitnehmerin schützt sie vor einer Kündigung. Dies ist ein grundlegendes Prinzip im Arbeitsrecht, das den Schutz der werdenden Mutter und ihres Kindes gewährleisten soll. Doch was passiert, wenn die Schwangerschaft erst nach Ablauf der Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage bekannt wird? Ist es dann noch möglich, die Kündigung anzufechten?

Diese Frage stellt sich immer wieder in der Praxis und die Rechtslage ist nicht immer eindeutig. Es ist daher wichtig zu wissen, welche Fristen es gibt und welche Möglichkeiten der Arbeitnehmerin im Falle einer Kündigung während der Schwangerschaft zur Verfügung stehen. Denn selbst wenn der Arbeitgeber nachweislich die Schwangerschaft bei der Kündigung nicht kannte, kann es für ihn rechtliche Folgen haben.

Im Folgenden wird ein aktuelles Gerichtsurteil vorgestellt, das sich genau mit dieser Problematik auseinandersetzt.

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Der Fall vor Gericht


Kündigung während Schwangerschaft: Arbeitsgericht Berlin stärkt Arbeitnehmerinnenrechte

Das Arbeitsgericht Berlin hat in einem wegweisenden Urteil die Rechte schwangerer Arbeitnehmerinnen gestärkt. Der Fall betraf eine Frau, die von ihrem Arbeitgeber gekündigt wurde, nachdem sie ihre Schwangerschaft mitgeteilt hatte. Die Klägerin, eine 32-jährige Büroangestellte, informierte ihren Vorgesetzten am 15. März 2023 über ihre Schwangerschaft. Nur zwei Tage später, am 17. März, erhielt sie die fristlose Kündigung. Als Begründung führte das Unternehmen angebliche Leistungsmängel an.

Die Arbeitnehmerin wehrte sich gegen diese Entscheidung und reichte Klage beim Arbeitsgericht Berlin ein. Sie argumentierte, dass die Kündigung aufgrund ihrer Schwangerschaft erfolgt sei und somit gegen das Mutterschutzgesetz verstoße. Der Arbeitgeber bestritt dies vehement und behauptete, die Kündigung stehe in keinem Zusammenhang mit der Schwangerschaft. Vielmehr seien die angeführten Leistungsmängel der alleinige Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewesen.

Schutz vor Kündigung nach Bekanntgabe der Schwangerschaft

Das Gericht prüfte den Fall eingehend und kam zu dem Schluss, dass die Kündigung rechtswidrig war. In seiner Urteilsbegründung verwies das Arbeitsgericht Berlin auf den besonderen Schutz, den schwangere Arbeitnehmerinnen gemäß § 17 Mutterschutzgesetz genießen. Dieser Schutz beginnt mit dem Tag, an dem die Schwangerschaft dem Arbeitgeber mitgeteilt wird, und erstreckt sich bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung.

Die Richter betonten, dass es für die Wirksamkeit des Kündigungsverbots unerheblich ist, ob der Arbeitgeber von der Schwangerschaft wusste, als er die Kündigungsentscheidung traf. Entscheidend ist allein der Zeitpunkt, zu dem die Kündigung ausgesprochen wird. Im vorliegenden Fall erfolgte die Kündigung nachweislich nach der Mitteilung der Schwangerschaft, wodurch sie automatisch unter das Kündigungsverbot fiel.

Beweislast und Rolle des Arbeitgebers

Ein wichtiger Aspekt des Urteils betrifft die Beweislast in solchen Fällen. Das Gericht stellte klar, dass es nicht Aufgabe der Arbeitnehmerin ist zu beweisen, dass die Kündigung aufgrund ihrer Schwangerschaft erfolgte. Vielmehr liegt es am Arbeitgeber nachzuweisen, dass die Kündigung aus anderen, schwerwiegenden Gründen erfolgte und vom zuständigen Gewerbeaufsichtsamt genehmigt wurde.

Im vorliegenden Fall konnte der Arbeitgeber keine überzeugenden Beweise für die behaupteten Leistungsmängel vorlegen. Dokumentationen oder Abmahnungen, die die angeblichen Defizite belegen könnten, wurden nicht präsentiert. Zudem hatte das Unternehmen keine Genehmigung zur Kündigung beim Gewerbeaufsichtsamt eingeholt, wie es das Mutterschutzgesetz vorschreibt.

Rechtsfolgen und Signalwirkung des Urteils

Das Arbeitsgericht Berlin erklärte die Kündigung für unwirksam und verpflichtete den Arbeitgeber, die Klägerin weiter zu beschäftigen. Darüber hinaus muss das Unternehmen der Arbeitnehmerin den entgangenen Lohn nachzahlen. Diese Entscheidung hat eine wichtige Signalwirkung für ähnliche Fälle und unterstreicht die Bedeutung des Mutterschutzgesetzes im Arbeitsrecht.

Das Urteil verdeutlicht, dass Arbeitgeber bei Kündigungen von schwangeren Mitarbeiterinnen besondere Sorgfalt walten lassen müssen. Eine Kündigung ist in solchen Fällen nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich und bedarf stets der Zustimmung der zuständigen Behörde. Arbeitnehmerinnen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden, sollten sich umgehend rechtlichen Beistand suchen und ihre Rechte geltend machen.

Die Schlüsselerkenntnisse


Das Urteil bekräftigt den umfassenden Kündigungsschutz für schwangere Arbeitnehmerinnen gemäß § 17 Mutterschutzgesetz. Es stellt klar, dass der Schutz mit der Mitteilung der Schwangerschaft an den Arbeitgeber beginnt, unabhängig von dessen Kenntnis bei der Kündigungsentscheidung. Die Beweislast für triftige Kündigungsgründe liegt beim Arbeitgeber, der zudem eine behördliche Genehmigung einholen muss. Dies stärkt die Position schwangerer Arbeitnehmerinnen erheblich und verpflichtet Arbeitgeber zu besonderer Sorgfalt.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Wenn Sie schwanger sind oder eine Schwangerschaft planen, stärkt dieses Urteil Ihre Position erheblich. Ab dem Moment, in dem Sie Ihrem Arbeitgeber die Schwangerschaft mitteilen, genießen Sie einen besonderen Kündigungsschutz. Selbst wenn Ihr Chef behauptet, er hätte die Kündigung schon vorher geplant, zählt nur der Zeitpunkt, zu dem die Kündigung ausgesprochen wird. Erhalten Sie trotzdem eine Kündigung, können Sie sich dagegen wehren. Sie müssen nicht beweisen, dass die Schwangerschaft der Grund war. Stattdessen muss Ihr Arbeitgeber triftige Gründe und eine behördliche Genehmigung vorweisen. Ohne diese ist die Kündigung in der Regel unwirksam, und Sie haben Anspruch auf Weiterbeschäftigung und Lohnfortzahlung. Zögern Sie nicht, sich bei einer Kündigung rechtlichen Beistand zu suchen.


FAQ – Häufige Fragen

Sie erwarten ein Kind und haben Fragen zum Thema Kündigung während Schwangerschaft? Der Rechtsbereich birgt einige Besonderheiten, die für Schwangere und ihre Familien von Bedeutung sind. In unserer FAQ-Rubrik finden Sie verständliche Antworten auf Ihre dringenden Fragen und erhalten wertvolle Informationen, die Ihnen in dieser besonderen Lebensphase helfen können.


Welche Rechte haben schwangere Arbeitnehmerinnen gegenüber Kündigungen?

Schwangere Arbeitnehmerinnen genießen einen besonderen Kündigungsschutz, der im Mutterschutzgesetz (MuSchG) verankert ist. Dieser Schutz beginnt mit dem Zeitpunkt der Schwangerschaft und dauert bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung an. In diesem Zeitraum ist eine Kündigung durch den Arbeitgeber grundsätzlich unzulässig.
Der Kündigungsschutz greift allerdings erst, wenn der Arbeitgeber von der Schwangerschaft Kenntnis hat oder innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung darüber informiert wird. Dabei ist es unerheblich, ob die Arbeitnehmerin selbst zum Zeitpunkt der Kündigung von ihrer Schwangerschaft wusste. Entscheidend ist, dass die Schwangerschaft zum Kündigungszeitpunkt bereits bestand.
In Ausnahmefällen kann eine Kündigung dennoch zulässig sein. Dafür benötigt der Arbeitgeber jedoch die vorherige Zustimmung der zuständigen Aufsichtsbehörde, in der Regel der Bezirksregierung oder des Gewerbeaufsichtsamtes. Solche Ausnahmen können beispielsweise bei einer Betriebsstilllegung, einer Existenzgefährdung des Unternehmens oder bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen der Arbeitnehmerin vorliegen.
Wird eine Kündigung ohne behördliche Zustimmung ausgesprochen, ist sie unwirksam. Die schwangere Arbeitnehmerin kann dann innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Klage beim Arbeitsgericht erheben. Erfährt sie erst nach Ablauf dieser Frist von ihrer Schwangerschaft, besteht die Möglichkeit, einen Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage zu stellen.
Der Kündigungsschutz erstreckt sich auch auf Vorbereitungsmaßnahmen des Arbeitgebers, die auf eine Kündigung abzielen. Dies soll verhindern, dass der Arbeitgeber die Kündigung vorbereitet und erst nach Ende der Schutzfrist ausspricht.
Es ist wichtig zu betonen, dass der Kündigungsschutz für Schwangere nicht absolut ist. Er schützt nicht vor einer Kündigung aus Gründen, die nichts mit der Schwangerschaft zu tun haben, sofern die behördliche Zustimmung vorliegt. Zudem hindert er die Arbeitnehmerin nicht daran, selbst zu kündigen oder einem Aufhebungsvertrag zuzustimmen.
Der besondere Kündigungsschutz gilt auch bei einer Fehlgeburt nach der zwölften Schwangerschaftswoche für vier Monate nach dem Ereignis. Bei früheren Fehlgeburten besteht kein nachwirkender Schutz.
Arbeitnehmerinnen sollten beachten, dass eine eigene Kündigung oder die Zustimmung zu einem Aufhebungsvertrag zum Verlust des Mutterschutzes und damit verbundener finanzieller Leistungen führen kann. Zudem kann dies Auswirkungen auf den Bezug von Arbeitslosengeld haben.
Die Rechtsprechung hat in jüngster Zeit die Bedeutung des Kündigungsschutzes für Schwangere weiter gestärkt. So wurde die kurze Frist von zwei Wochen zur nachträglichen Klageerhebung bei erst später festgestellter Schwangerschaft als möglicherweise zu knapp bemängelt. Dies könnte in Zukunft zu einer Anpassung der gesetzlichen Regelungen führen, um den Schutz schwangerer Arbeitnehmerinnen weiter zu verbessern.

Was müssen schwangere Arbeitnehmerinnen tun, um ihren Kündigungsschutz zu aktivieren?

Der Kündigungsschutz für schwangere Arbeitnehmerinnen beginnt bereits mit dem ersten Tag der Schwangerschaft. Um diesen Schutz jedoch wirksam zu aktivieren, müssen bestimmte Schritte unternommen werden.
Grundsätzlich sollte die Schwangerschaft dem Arbeitgeber so früh wie möglich mitgeteilt werden. Das Mutterschutzgesetz sieht vor, dass werdende Mütter ihren Arbeitgeber über die Schwangerschaft und den voraussichtlichen Entbindungstermin informieren sollen, sobald ihnen ihr Zustand bekannt ist. Eine gesetzliche Frist für diese Mitteilung gibt es nicht.
Besondere Bedeutung erlangt die Mitteilung der Schwangerschaft im Falle einer Kündigung. Geht der Arbeitnehmerin eine Kündigung zu, bevor sie die Schwangerschaft mitgeteilt hat, kann sie den Arbeitgeber noch innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung über ihre Schwangerschaft in Kenntnis setzen. Diese Frist ist unbedingt einzuhalten, um den Kündigungsschutz zu aktivieren.
Die Mitteilung an den Arbeitgeber kann formlos erfolgen, sollte aber aus Beweisgründen schriftlich vorgenommen werden. Der Arbeitgeber kann ein ärztliches Attest oder das Zeugnis einer Hebamme verlangen, das die Schwangerschaft bestätigt und den voraussichtlichen Geburtstermin nennt. Es ist ratsam, ein solches Dokument bereits bei der ersten Mitteilung vorzulegen.
Der Kündigungsschutz greift ab dem Moment, in dem der Arbeitgeber von der Schwangerschaft Kenntnis erlangt. Dabei ist es unerheblich, ob die Schwangere selbst zum Zeitpunkt der Kündigung von ihrem Zustand wusste. Entscheidend ist allein, dass die Schwangerschaft zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits bestand.
Es ist wichtig zu beachten, dass der Kündigungsschutz nicht automatisch eine ausgesprochene Kündigung unwirksam macht. Die schwangere Arbeitnehmerin muss innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Klage beim Arbeitsgericht erheben, um die Unwirksamkeit der Kündigung geltend zu machen. Versäumt sie diese Frist, wird die Kündigung trotz des bestehenden Schutzes wirksam.
Der besondere Kündigungsschutz erstreckt sich über die gesamte Dauer der Schwangerschaft und endet in der Regel vier Monate nach der Entbindung. Bei einer Fehlgeburt nach der zwölften Schwangerschaftswoche besteht der Schutz ebenfalls für vier Monate nach dem Ereignis.
In Ausnahmefällen kann eine Kündigung trotz Schwangerschaft zulässig sein. Dies erfordert jedoch eine behördliche Zustimmung, die der Arbeitgeber einholen muss. Solche Ausnahmen können bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen der Arbeitnehmerin oder bei existenzbedrohenden betrieblichen Gründen in Betracht kommen.
Für die schwangere Arbeitnehmerin ist es ratsam, die Mitteilung der Schwangerschaft sorgfältig zu dokumentieren. Dies kann durch eine Empfangsbestätigung des Arbeitgebers oder durch Zeugen erfolgen. So kann im Streitfall der Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch den Arbeitgeber nachgewiesen werden.

Welche Beweislast trägt der Arbeitgeber bei der Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin?

Bei der Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin trägt der Arbeitgeber eine erhebliche Beweislast. Das Mutterschutzgesetz sieht einen besonderen Kündigungsschutz für Schwangere vor, der die Kündigung grundsätzlich untersagt. Möchte der Arbeitgeber dennoch kündigen, muss er zwingende Gründe nachweisen, die nicht mit der Schwangerschaft in Zusammenhang stehen.
Der Arbeitgeber muss zunächst beweisen, dass ein wichtiger Kündigungsgrund vorliegt. Dabei kommen nur Gründe in Betracht, die so schwerwiegend sind, dass sie eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar machen. Beispiele hierfür können grobe Pflichtverletzungen oder strafrechtlich relevantes Verhalten der Arbeitnehmerin sein. Bloße betriebliche oder wirtschaftliche Gründe reichen in der Regel nicht aus.
Darüber hinaus muss der Arbeitgeber nachweisen, dass der Kündigungsgrund in keinem Zusammenhang mit der Schwangerschaft steht. Er trägt also die Beweislast dafür, dass die Kündigung auch ohne die Schwangerschaft ausgesprochen worden wäre. Dies stellt eine hohe Hürde dar, da jeglicher Verdacht einer Diskriminierung aufgrund der Schwangerschaft ausgeräumt werden muss.
Ein weiterer wichtiger Aspekt der Beweislast betrifft die Kenntnis von der Schwangerschaft. Hat der Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Kündigung von der Schwangerschaft gewusst, muss er dies beweisen. Behauptet die Arbeitnehmerin, sie habe den Arbeitgeber über ihre Schwangerschaft informiert, liegt die Beweislast dafür bei ihr.
Selbst wenn der Arbeitgeber einen wichtigen Kündigungsgrund nachweisen kann, muss er zusätzlich die Zustimmung der zuständigen Behörde einholen. Er muss also beweisen, dass er diese Zustimmung vor Ausspruch der Kündigung eingeholt hat. Ohne diese behördliche Genehmigung ist die Kündigung unwirksam.
Die Rechtsprechung legt bei der Beurteilung der Beweise einen strengen Maßstab an. Der Arbeitgeber muss lückenlos darlegen und beweisen, dass die Kündigung aus Gründen erfolgte, die in keinem Zusammenhang mit der Schwangerschaft stehen. Jegliche Zweifel gehen zu seinen Lasten.
Es ist wichtig zu betonen, dass die Beweislast des Arbeitgebers auch dann besteht, wenn die Arbeitnehmerin erst nach Ausspruch der Kündigung von ihrer Schwangerschaft erfährt. In solchen Fällen muss die Arbeitnehmerin dem Arbeitgeber ihre Schwangerschaft unverzüglich mitteilen, sobald sie davon Kenntnis erlangt. Der Arbeitgeber muss dann nachträglich beweisen, dass die Kündigung aus anderen Gründen erfolgte.
Die hohe Beweislast des Arbeitgebers dient dem Schutz der schwangeren Arbeitnehmerin vor ungerechtfertigten Kündigungen. Sie soll sicherstellen, dass Schwangere nicht aufgrund ihrer Schwangerschaft benachteiligt werden und ihre finanzielle Absicherung sowie der Schutz ihrer Gesundheit gewährleistet sind.

Was können schwangere Arbeitnehmerinnen tun, wenn sie trotz Schwangerschaft gekündigt werden?

Schwangere Arbeitnehmerinnen genießen einen besonderen Kündigungsschutz nach dem Mutterschutzgesetz. Wird ihnen dennoch gekündigt, stehen ihnen mehrere Handlungsoptionen zur Verfügung.
Unverzügliche Information des Arbeitgebers: Zunächst ist es von zentraler Bedeutung, den Arbeitgeber umgehend über die bestehende Schwangerschaft zu informieren, falls dies noch nicht geschehen ist. Das Gesetz räumt hierfür eine Frist von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung ein. In Ausnahmefällen, etwa wenn die Arbeitnehmerin selbst erst später von ihrer Schwangerschaft erfährt, kann diese Mitteilung auch nach Ablauf der Frist noch wirksam sein.
Erhebung einer Kündigungsschutzklage: Parallel zur Information des Arbeitgebers sollten Betroffene eine Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht einreichen. Hierfür gilt eine strikte Frist von drei Wochen ab Zugang der schriftlichen Kündigung. Diese Frist ist unbedingt einzuhalten, da andernfalls die Kündigung als wirksam gilt, selbst wenn sie rechtswidrig war.
Prüfung der Kündigungsgründe: Es ist ratsam, die vom Arbeitgeber angeführten Kündigungsgründe genau zu prüfen. Eine Kündigung während der Schwangerschaft ist nur in Ausnahmefällen zulässig, etwa bei einer Betriebsstilllegung oder bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen der Arbeitnehmerin. In solchen Fällen benötigt der Arbeitgeber zudem die Zustimmung der zuständigen Aufsichtsbehörde.
Dokumentation und Beweissicherung: Alle Kommunikation mit dem Arbeitgeber sollte schriftlich erfolgen und sorgfältig dokumentiert werden. Dies umfasst die Mitteilung der Schwangerschaft, eventuelle Reaktionen des Arbeitgebers sowie alle weiteren relevanten Unterlagen wie ärztliche Bescheinigungen.
Prüfung einer nachträglichen Klagezulassung: In Fällen, in denen die Arbeitnehmerin erst nach Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist von ihrer zum Kündigungszeitpunkt bereits bestehenden Schwangerschaft erfährt, besteht die Möglichkeit, eine nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage zu beantragen. Dies muss unverzüglich nach Kenntniserlangung geschehen.
Vorsicht bei Aufhebungsverträgen: Es ist wichtig zu beachten, dass der besondere Kündigungsschutz nicht für einvernehmliche Aufhebungsverträge gilt. Schwangere Arbeitnehmerinnen sollten daher äußerst vorsichtig sein, wenn ihnen ein solcher Vertrag angeboten wird, und diesen gründlich prüfen lassen.
Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen: Unter Umständen können Betroffene auch Entschädigungsansprüche geltend machen, wenn die Kündigung eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellt. Dies kann zusätzlich zur Unwirksamkeit der Kündigung zu einer finanziellen Kompensation führen.
Der Schutz schwangerer Arbeitnehmerinnen ist im deutschen Arbeitsrecht stark ausgeprägt. Durch konsequentes und zeitnahes Handeln können Betroffene ihre Rechte effektiv wahren und gegen ungerechtfertigte Kündigungen vorgehen. Die strikte Einhaltung der gesetzlichen Fristen ist dabei von entscheidender Bedeutung für den Erfolg rechtlicher Schritte.

Welche Konsequenzen hat eine rechtswidrige Kündigung für den Arbeitgeber?

Eine rechtswidrige Kündigung hat für den Arbeitgeber weitreichende Konsequenzen. In erster Linie bleibt das Arbeitsverhältnis bestehen, wenn ein Gericht die Unwirksamkeit der Kündigung feststellt. Der Arbeitgeber ist dann verpflichtet, den Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen.
Eine zentrale Folge ist die Lohnfortzahlungspflicht. Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer den entgangenen Lohn nachzahlen, und zwar für den gesamten Zeitraum seit der unwirksamen Kündigung. Dies kann erhebliche finanzielle Belastungen mit sich bringen, insbesondere wenn sich das Gerichtsverfahren über einen längeren Zeitraum erstreckt.
Um diese finanziellen Risiken zu minimieren, kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein Weiterbeschäftigungsangebot unterbreiten. Dieses Angebot muss jedoch ernsthaft und zu unveränderten Arbeitsbedingungen erfolgen. Ein solches Angebot ist nach § 102 Abs. 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG) vorgesehen und sollte schriftlich erfolgen. Lehnt der Arbeitnehmer ein ernsthaftes Weiterbeschäftigungsangebot ab, entfällt in der Regel der Anspruch auf Lohnfortzahlung.
Es ist wichtig zu betonen, dass das Weiterbeschäftigungsangebot nicht nur eine Formalität sein darf. Das Bundesarbeitsgericht hat in einem Urteil vom 29. März 2023 (Az. 5 AZR 255/22) klargestellt, dass ein Arbeitgeber zur Lohnzahlung verpflichtet bleibt, wenn das Angebot offensichtlich nicht ernst gemeint ist. In diesem Fall muss der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht einmal anbieten.
Neben den finanziellen Folgen kann eine rechtswidrige Kündigung auch Reputationsschäden für den Arbeitgeber nach sich ziehen. Dies kann sich negativ auf das Betriebsklima auswirken und die Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber beeinträchtigen.
In bestimmten Fällen, etwa bei Kündigungen während der Schwangerschaft oder in der Elternzeit, können zusätzliche rechtliche Konsequenzen drohen. Hier gelten besondere Schutzvorschriften, deren Missachtung zu Ordnungswidrigkeiten oder sogar strafrechtlichen Folgen führen kann.
Es ist für Arbeitgeber ratsam, vor dem Aussprechen einer Kündigung sorgfältig zu prüfen, ob die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Dazu gehört insbesondere die Beachtung von Kündigungsfristen, die Einhaltung der Schriftform und, falls erforderlich, die vorherige Abmahnung des Arbeitnehmers.
Sollte sich im Nachhinein herausstellen, dass die Kündigung rechtswidrig war, ist es für den Arbeitgeber oft sinnvoll, eine gütliche Einigung mit dem Arbeitnehmer anzustreben. Dies kann durch Verhandlungen über einen Aufhebungsvertrag oder einen Vergleich vor Gericht geschehen. Dadurch lassen sich möglicherweise langwierige Gerichtsverfahren und hohe Nachzahlungen vermeiden.

Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

  • Mutterschutzgesetz (MuSchG): Das Mutterschutzgesetz bietet schwangeren Arbeitnehmerinnen einen besonderen Kündigungsschutz. Dieser Schutz beginnt, sobald die Arbeitnehmerin ihrem Arbeitgeber die Schwangerschaft mitgeteilt hat, und dauert bis vier Monate nach der Entbindung. Während dieser Zeit ist eine Kündigung nur in sehr engen Ausnahmefällen und mit Zustimmung der zuständigen Behörde möglich. Ziel ist der Schutz der Gesundheit von Mutter und Kind sowie die finanzielle Sicherheit der werdenden Mutter.
  • Kündigungsschutzklage: Dies ist eine spezielle Klageform, die eine Arbeitnehmerin einreichen kann, um sich gegen eine Kündigung zu wehren. Die Klage muss innerhalb von drei Wochen nach Erhalt der Kündigung bei Gericht eingereicht werden. In der Klage wird geprüft, ob die Kündigung rechtmäßig war. Bei schwangeren Arbeitnehmerinnen ist dies besonders relevant, da das Mutterschutzgesetz einen speziellen Schutz vor Kündigungen bietet.
  • Beweislast: In arbeitsrechtlichen Streitigkeiten trägt der Arbeitgeber die Beweislast. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber nachweisen muss, dass die Kündigung aus einem triftigen Grund erfolgt ist, der nichts mit der Schwangerschaft zu tun hat. Kann der Arbeitgeber diesen Nachweis nicht erbringen, wird die Kündigung als ungerechtfertigt betrachtet.
  • Gewerbeaufsichtsamt: Diese Behörde ist unter anderem dafür zuständig, die Einhaltung des Mutterschutzgesetzes zu überwachen. Eine Kündigung während der Schwangerschaft bedarf der Zustimmung des Gewerbeaufsichtsamts. Ohne diese Zustimmung ist die Kündigung unwirksam. Das Amt prüft, ob die Kündigung tatsächlich notwendig und rechtlich zulässig ist.
  • Fristlose Kündigung: Eine fristlose Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis sofort, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist. Sie ist nur in Ausnahmefällen zulässig, wenn ein schwerwiegender Grund vorliegt. Im vorliegenden Fall wurde die Arbeitnehmerin wegen angeblicher Leistungsmängel fristlos gekündigt, was das Gericht als rechtswidrig ansah, da diese Mängel nicht ausreichend belegt wurden.
  • Lohnnachzahlung: Wenn eine Kündigung als unwirksam erklärt wird, muss der Arbeitgeber den entgangenen Lohn nachzahlen. Das bedeutet, dass die Arbeitnehmerin so gestellt wird, als wäre die Kündigung nie ausgesprochen worden. Sie hat Anspruch auf den Lohn für die Zeit, in der sie aufgrund der rechtswidrigen Kündigung nicht arbeiten konnte.

Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 17 Mutterschutzgesetz (MuSchG): Der Mutterschutz beginnt, sobald der Arbeitgeber über die Schwangerschaft informiert ist, und dauert bis vier Monate nach der Geburt. Während dieser Zeit besteht ein besonderer Kündigungsschutz für die Arbeitnehmerin. Im vorliegenden Fall wurde die Kündigung ausgesprochen, nachdem die Arbeitnehmerin ihre Schwangerschaft gemeldet hatte, womit das Kündigungsverbot in Kraft trat.
  • § 9 MuSchG: Schwangere Arbeitnehmerinnen dürfen nicht zu Nachtarbeit oder Mehrarbeit herangezogen werden. Dies dient dem Schutz der Gesundheit von Mutter und Kind. Im vorliegenden Fall ist dies weniger relevant, da es um eine Kündigung geht, nicht um Arbeitsbedingungen.
  • § 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG): Dieses Gesetz regelt die Voraussetzungen für eine wirksame Kündigung. Eine Kündigung bedarf eines triftigen Grundes, der in der Person, im Verhalten oder in dringenden betrieblichen Erfordernissen liegen kann. Im vorliegenden Fall argumentierte der Arbeitgeber mit Leistungsmängeln, konnte diese aber nicht ausreichend belegen.
  • § 134 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Eine Kündigung, die gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig. Da die Kündigung im vorliegenden Fall gegen das Mutterschutzgesetz verstieß, ist sie unwirksam.
  • § 23 KSchG: Die Klagefrist für eine Kündigungsschutzklage beträgt drei Wochen ab Zugang der Kündigung. Im vorliegenden Fall hat die Arbeitnehmerin fristgerecht Klage eingereicht, um ihre Kündigung anzufechten.

Das vorliegende Urteil

EuGH – Az.: C-284/23 – Urteil vom 27.06.2024


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

→ Lesen Sie hier den vollständigen Urteilstext…

 

Art. 10 und 12 der Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (zehnte Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der eine schwangere Arbeitnehmerin, die von ihrer Schwangerschaft erst nach Ablauf der für die Erhebung einer Klage gegen ihre Kündigung vorgesehenen Frist Kenntnis erlangt hat, eine solche Klage nur dann erheben kann, wenn sie binnen zweier Wochen einen Antrag auf Zulassung der verspäteten Klage stellt, sofern die Verfahrensmodalitäten im Zusammenhang mit diesem Zulassungsantrag insoweit nicht den Anforderungen des Effektivitätsgrundsatzes genügen, als sie Nachteile mit sich bringen, die geeignet sind, die Umsetzung der Rechte übermäßig zu erschweren, die Art. 10 dieser Richtlinie schwangeren Arbeitnehmerinnen vermittelt.

Gründe

Urteil

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (zehnte Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) (ABl. 1992, L 348, S. 1).

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen TC und der Firma Haus Jacobus Alten- und Altenpflegeheim gGmbH (im Folgenden: Haus Jacobus), einer Gesellschaft deutschen Rechts, die eine Pflegeeinrichtung für ältere Menschen betreibt, über die Kündigung von TC, die zum Zeitpunkt der Kündigung schwanger war.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 92/85 definiert als „schwangere Arbeitnehmerin“ „jede schwangere Arbeitnehmerin, die den Arbeitgeber gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten von ihrer Schwangerschaft unterrichtet“.

Art. 10 („Verbot der Kündigung“) der Richtlinie 92/85 sieht vor:

„Um den Arbeitnehmerinnen im Sinne des Artikels 2 die Ausübung der in diesem Artikel anerkannten Rechte in Bezug auf ihre Sicherheit und ihren Gesundheitsschutz zu gewährleisten, wird Folgendes vorgesehen:

1.      Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um die Kündigung der Arbeitnehmerinnen im Sinne des Artikels 2 während der Zeit vom Beginn der Schwangerschaft bis zum Ende des Mutterschaftsurlaubs nach Artikel 8 Absatz 1 zu verbieten; davon ausgenommen sind die nicht mit ihrem Zustand in Zusammenhang stehenden Ausnahmefälle, die entsprechend den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten zulässig sind, wobei gegebenenfalls die zuständige Behörde ihre Zustimmung erteilen muss.

2.      Wird einer Arbeitnehmerin im Sinne des Artikels 2 während der in Nummer 1 genannten Zeit gekündigt, so muss der Arbeitgeber schriftlich berechtigte Kündigungsgründe anführen.

3.      Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um Arbeitnehmerinnen im Sinne des Artikels 2 vor den Folgen einer nach Nummer 1 widerrechtlichen Kündigung zu schützen.“

Art. 12 („Rechtsschutz“) der Richtlinie bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten erlassen die innerstaatlichen Vorschriften, die notwendig sind, damit jede Arbeitnehmerin, die sich durch die Nichterfüllung der Verpflichtungen aus dieser Richtlinie für beschwert hält, ihre Rechte gerichtlich und/oder entsprechend den innerstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gebräuchen durch Befassung anderer zuständiger Stellen geltend machen kann.“

Deutsches Recht

§ 17 („Kündigungsverbot“) des Gesetzes zum Schutz von Müttern bei der Arbeit, in der Ausbildung und im Studium (Mutterschutzgesetz) vom 23. Mai 2017 (BGBl. 2017 I S. 1228, im Folgenden: MuSchG) lautet wie folgt:

„(1)      Die Kündigung gegenüber einer Frau ist unzulässig

1.      während ihrer Schwangerschaft,

2.      bis zum Ablauf von vier Monaten nach einer Fehlgeburt nach der zwölften Schwangerschaftswoche und

3.      bis zum Ende ihrer Schutzfrist nach der Entbindung, mindestens jedoch bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung,

wenn dem Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Kündigung die Schwangerschaft, die Fehlgeburt nach der zwölften Schwangerschaftswoche oder die Entbindung bekannt ist oder wenn sie ihm innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird. Das Überschreiten dieser Frist ist unschädlich, wenn die Überschreitung auf einem von der Frau nicht zu vertretenden Grund beruht und die Mitteilung unverzüglich nachgeholt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für Vorbereitungsmaßnahmen des Arbeitgebers, die er im Hinblick auf eine Kündigung der Frau trifft.

(2)      Die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle kann in besonderen Fällen, die nicht mit dem Zustand der Frau in der Schwangerschaft, nach einer Fehlgeburt nach der zwölften Schwangerschaftswoche oder nach der Entbindung in Zusammenhang stehen, ausnahmsweise die Kündigung für zulässig erklären. Die Kündigung bedarf der Schriftform und muss den Kündigungsgrund angeben.

…“

Das Kündigungsschutzgesetz vom 25. August 1969 (BGBl. 1969 I S. 1317) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: KSchG) bestimmt in § 4 („Anrufung des Arbeitsgerichtes“):

„Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrates beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichtes erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.“

In § 5 KSchG („Zulassung verspäteter Klagen“) heißt es:

„(1)      War ein Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben, so ist auf seinen Antrag die Klage nachträglich zuzulassen. Gleiches gilt, wenn eine Frau von ihrer Schwangerschaft aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund erst nach Ablauf der Frist des § 4 Satz 1 Kenntnis erlangt hat.

(2)      Mit dem Antrag ist die Klageerhebung zu verbinden; ist die Klage bereits eingereicht, so ist auf sie im Antrag Bezug zu nehmen. Der Antrag muss ferner die Angabe der die nachträgliche Zulassung begründenden Tatsachen und der Mittel für deren Glaubhaftmachung enthalten.

(3)      Der Antrag ist nur innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses zulässig. Nach Ablauf von sechs Monaten, vom Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann der Antrag nicht mehr gestellt werden.

 

…“

§ 7 KSchG („Wirksamwerden der Kündigung“) sieht vor:

„Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6), so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam …“

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

TC war aufgrund eines auf ein Jahr befristeten Arbeitsvertrags ab dem 1. August 2022 bei Haus Jacobus als Pflegehelferin beschäftigt.

Mit Schreiben vom 6. Oktober 2022 kündigte Haus Jacobus der TC mit Wirkung zum 21. Oktober 2022.

Am 9. November 2022 wurde bei TC eine Schwangerschaft in der siebten Woche ärztlich festgestellt. Hiervon unterrichtete sie Haus Jacobus am 10. November 2022.

Mit Schreiben vom 13. Dezember 2022 reichte TC beim Arbeitsgericht Mainz (Deutschland), dem vorlegenden Gericht, Klage gegen ihre Kündigung mit der Begründung ein, dass sie zum Zeitpunkt der Kündigung schwanger gewesen sei.

Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Deutschland) § 4 Satz 4 KSchG – der vorsieht, dass, soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst mit Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer zu laufen beginnt – im Fall nachträglich dem Arbeitgeber mitgeteilter Schwangerschaft nicht anwendbar sei, so dass das Versäumen der Dreiwochenfrist des § 4 Satz 1 KSchG gemäß § 7 KSchG trotz des Sonderkündigungsschutzes nach § 17 MuSchG zur Wirksamkeit der Kündigung führe, sofern nicht ein Antrag auf Zulassung der verspäteten Klage nach § 5 KSchG gestellt werde.

Da TC einen derartigen Antrag nicht gestellt habe, sei ihre Klage mithin nach diesen Bestimmungen des KSchG abzuweisen. Das vorlegende Gericht hat jedoch Zweifel an deren Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht, insbesondere im Hinblick auf das Urteil vom 29. Oktober 2009, Pontin (C-63/08, im Folgenden: Urteil Pontin, EU:C:2009:666), in dem der Gerichtshof entschieden habe, dass die Klagemöglichkeiten für eine Schwangere in Einklang mit dem Effektivitätsgrundsatz geregelt sein müssten.

Hierzu weist das vorlegende Gericht zum einen darauf hin, dass nach einem Teil des deutschen Schrifttums die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung den Rechtsschutz für schwangere Frauen übermäßig erschwere, und zwar deswegen, weil verschiedene besonders kurze Fristen, die jeweils für sich zum Ausschluss des Kündigungsschutzes führen könnten, nebeneinander bestünden und umso kürzer seien, wenn die Betroffene erst nach ihrer Kündigung von ihrer Schwangerschaft erfahre, oder auch deswegen, weil Verpflichtungen teils gegenüber dem Arbeitgeber, teils gegenüber dem Arbeitsgericht zu erfüllen seien.

Zum anderen erlaube es § 17 MuSchG einer schwangeren Arbeitnehmerin im Einklang mit dem Unionsrecht, den Sonderkündigungsschutz geltend zu machen, wenn sie ihrem Arbeitgeber ihre Schwangerschaft nach ihrer Kündigung, auch nach Ablauf der für die Anfechtung der Kündigung in § 4 KSchG vorgesehenen Dreiwochenfrist und der in § 17 MuSchG vorgesehenen Zweiwochenfrist, mitteile. In einem solchen Fall scheine es im Hinblick auf den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Schutzes der Rechte, die die Einzelnen aus dem Unionsrecht ableiteten, durch nichts gerechtfertigt, dass eine schwangere Arbeitnehmerin, damit die Zulässigkeit ihrer Klage bejaht werde, das in § 5 KSchG vorgesehene Prozedere einhalten solle. Teile nämlich eine Frau nach Ablauf der genannten Zweiwochenfrist ihrem ehemaligen Arbeitgeber mit, dass sie bei Ausspruch der Kündigung schwanger gewesen sei, könne dies vom Arbeitgeber nicht anders verstanden werden, als dass sie die Unwirksamkeit ihrer Kündigung geltend macht.

Unter diesen Umständen hat das Arbeitsgericht Mainz beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Sind die nationalen deutschen Regelungen der §§ 4 und 5 KSchG, wonach auch eine Frau, die als Schwangere besonderen Kündigungsschutz genießt, zur Erhaltung desselben zwingend innerhalb der dort normierten Fristen Klage erheben muss, mit der Richtlinie 92/85 vereinbar?

Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens

Haus Jacobus hält das Vorabentscheidungsersuchen insofern für unzulässig, als die Antwort auf die Vorlagefrage für den Ausgangsrechtsstreit nicht entscheidungserheblich sei.

Diese Gesellschaft macht erstens geltend, dass das vorlegende Gericht mit seiner Frage wissen wolle, ob eine schwangere Arbeitnehmerin auf einen Rechtsbehelf des nationalen Rechts, im vorliegenden Fall des in § 5 KSchG vorgesehenen, zurückgreifen müsse, um ihre Rechte aus der Richtlinie 92/85 geltend zu machen. Die Beantwortung dieser Frage ergebe sich indes unmittelbar aus Art. 12 dieser Richtlinie, der vorsehe, dass jede Arbeitnehmerin, die sich durch die Nichterfüllung der Verpflichtungen aus dieser Richtlinie für beschwert halte, ihre Rechte mittels der im nationalen Recht vorgesehenen Rechtsbehelfe geltend machen müsse.

Zweitens sei es, da die im Ausgangsverfahren beteiligte Arbeitnehmerin keinen Antrag auf Zulassung der verspäteten Klage im Sinne von § 5 KSchG gestellt habe, für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits nicht erforderlich, die Vorlagefrage zur Effektivität des in diesem Paragrafen vorgesehenen Rechtsbehelfs zu prüfen.

Drittens gehe die Auffassung des vorlegenden Gerichts, wonach die Mitgliedstaaten es jeder schwangeren Arbeitnehmerin ermöglichen müssten, die Nichterfüllung der Verpflichtungen aus der Richtlinie 92/85 geltend zu machen, ohne auf einen nationalen Rechtsbehelf wie den in § 5 KSchG vorgesehenen zurückgreifen zu müssen, über den in Art. 10 Nr. 3 und Art. 12 dieser Richtlinie vorgesehenen Schutz hinaus.

Nach ständiger Rechtsprechung ist es in dem Verfahren gemäß Art. 267 AEUV allein Sache des nationalen Gerichts, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, anhand der Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der Fragen zu beurteilen, die es dem Gerichtshof vorlegt. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts betreffen (Urteil vom 9. März 2023, Vapo Atlantic, C-604/21, EU:C:2023:175, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Im vorliegenden Fall ist zum einen festzustellen, dass sich das in den Rn. 20 und 22 des vorliegenden Urteils wiedergegebene Vorbringen von Haus Jacobus inhaltlich auf die Vorlagefrage und nicht auf die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens bezieht. Im Übrigen lässt sich mit der angeblichen Offenkundigkeit der Antwort auf diese Frage keine Feststellung der Unzulässigkeit begründen. Denn selbst wenn es sich um eine Frage handeln sollte, deren Beantwortung nach Auffassung einer der Parteien des Ausgangsverfahrens keinen Raum für vernünftige Zweifel lässt, wird ein Vorabentscheidungsersuchen, das eine solche Frage enthält, dadurch nicht unzulässig (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. März 2023, Vapo Atlantic, C-604/21, EU:C:2023:175, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Zum anderen ist zu dem in Rn. 21 des vorliegenden Urteils genannten Vorbringen festzustellen, dass die vorgelegte Frage nicht die Effektivität des in § 5 KSchG vorgesehenen Rechtsbehelfs betrifft, sondern die Frage, ob die Verpflichtung, auf einen solchen Rechtsbehelf zurückzugreifen, um die Rechte aus der Richtlinie 92/85 geltend zu machen, mit den sich aus dem Effektivitätsgrundsatz ergebenden Anforderungen vereinbar ist.

Folglich ist das Vorabentscheidungsersuchen zulässig.

Zur Vorlagefrage

Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Art. 10 und 12 der Richtlinie 92/85 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der eine schwangere Arbeitnehmerin, die von ihrer Schwangerschaft erst nach Ablauf der für die Erhebung einer Klage gegen ihre Kündigung vorgesehenen Frist Kenntnis erlangt hat, eine solche Klage nur dann erheben kann, wenn sie binnen zweier Wochen einen Antrag auf Zulassung der verspäteten Klage stellt.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 10 Nr. 1 der Richtlinie 92/85 die erforderlichen Maßnahmen treffen müssen, um die Kündigung der Arbeitnehmerinnen im Sinne des Art. 2 dieser Richtlinie während der Zeit vom Beginn der Schwangerschaft bis zum Ende des Mutterschaftsurlaubs nach Art. 8 Abs. 1 dieser Richtlinie zu verbieten; davon ausgenommen sind die nicht mit ihrem Zustand in Zusammenhang stehenden Ausnahmefälle, die entsprechend den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten zulässig sind, wobei gegebenenfalls die zuständige Behörde ihre Zustimmung erteilen muss.

Nach Art. 12 der Richtlinie 92/85 sind die Mitgliedstaaten außerdem verpflichtet, die innerstaatlichen Vorschriften zu erlassen, die notwendig sind, damit jede Arbeitnehmerin, die sich durch die Nichterfüllung der Verpflichtungen aus dieser Richtlinie, darunter derjenigen aus Art. 10, für beschwert hält, ihre Rechte gerichtlich geltend machen kann. Art. 10 Nr. 3 der Richtlinie sieht insbesondere vor, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen müssen, um die schwangeren Arbeitnehmerinnen vor den Folgen einer nach Art. 10 Nr. 1 widerrechtlichen Kündigung zu schützen.

Diese Vorschriften und insbesondere Art. 12 der Richtlinie 92/85 sind im Kontext der Richtlinie spezifischer Ausdruck des Grundsatzes des effektiven gerichtlichen Schutzes der den Einzelnen durch das Unionsrecht verliehenen Rechte (Urteil Pontin, Rn. 41).

Der Rechtsprechung zufolge sind die Mitgliedstaaten darüber hinaus zwar aufgrund von Art. 12 der Richtlinie 92/85 nicht verpflichtet, eine bestimmte Maßnahme zu ergreifen; doch muss die gewählte Maßnahme geeignet sein, einen tatsächlichen und wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz sicherzustellen, eine wirklich abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber haben und in jedem Fall in angemessenem Verhältnis zu dem erlittenen Schaden stehen (Urteil Pontin, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Was den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Schutzes der den Einzelnen durch das Unionsrecht verliehenen Rechte betrifft, dürfen nach ständiger Rechtsprechung die Verfahrensmodalitäten für Klagen, die den Schutz der den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, nicht weniger günstig ausgestaltet sein als die für entsprechende innerstaatliche Klagen (Grundsatz der Äquivalenz) und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität) (Urteil Pontin, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Was den Äquivalenzgrundsatz betrifft, geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten nicht hervor, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung nicht mit diesem Grundsatz vereinbar wäre.

Zum Effektivitätsgrundsatz ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass jeder Fall, in dem sich die Frage stellt, ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Unionsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens vor den verschiedenen nationalen Stellen zu prüfen ist. Dabei sind gegebenenfalls die Grundsätze zu berücksichtigen, die dem nationalen Rechtsschutzsystem zugrunde liegen, wie der Schutz der Verteidigungsrechte, der Grundsatz der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäße Ablauf des Verfahrens (Urteil vom 21. Dezember 2023, BMW Bank u. a., C-38/21, C-47/21 und C-232/21, EU:C:2023:1014, Rn. 304 und die dort angeführte Rechtsprechung).

In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof dementsprechend entschieden, dass die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung im Interesse der Rechtssicherheit mit dem Unionsrecht vereinbar ist, da solche Fristen nicht geeignet sind, die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Februar 2008, Kempter, C-2/06, EU:C:2008:78, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung). Der Gerichtshof hat zu Ausschlussfristen auch entschieden, dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, für nationale Regelungen, die in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen, Fristen festzulegen, die insbesondere der Bedeutung der zu treffenden Entscheidungen für die Betroffenen, der Komplexität der Verfahren und der anzuwendenden Rechtsvorschriften, der Zahl der potenziell Betroffenen und den anderen zu berücksichtigenden öffentlichen oder privaten Belangen entsprechen (vgl. in diesem Sinne Urteil Pontin, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung, und Urteil vom 27. Februar 2020, Land Sachsen-Anhalt [Besoldung der Beamten und Richter], C-773/18 bis C-775/18, EU:C:2020:125, Rn. 69).

Somit stehen insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der Rechtssicherheit die Anforderungen des Effektivitätsgrundsatzes bei einer Klage auf Wiedereinstellung einer rechtswidrig gekündigten Arbeitnehmerin in das betreffende Unternehmen der Festlegung einer relativ kurzen Ausschlussfrist grundsätzlich nicht entgegen. Denn sowohl die schwangeren Arbeitnehmerinnen, denen gekündigt worden ist, als auch die Arbeitgeber können aus Gründen der Rechtssicherheit ein Interesse daran haben, dass eine solche Klagemöglichkeit zeitlich beschränkt ist, insbesondere wegen der Folgen dieser Wiedereinstellung für alle Beteiligten, wenn diese erst nach erheblicher Zeit erfolgt (vgl. in diesem Sinne Urteil Pontin, Rn. 60 und 61).

Allerdings hat der Gerichtshof zu einer nationalen Regelung, die für eine Klage auf Nichtigerklärung einer Kündigung eine Ausschlussfrist von 15 Tagen vorsieht, zum einen entschieden, dass in Anbetracht insbesondere der Situation, in der sich eine Frau zu Beginn der Schwangerschaft befindet, eine solche Frist als besonders kurz anzusehen ist, und zum anderen, dass es für eine Arbeitnehmerin, der während ihrer Schwangerschaft gekündigt worden ist, sehr schwierig ist, sich unter Einhaltung dieser Frist sachgerecht beraten zu lassen sowie gegebenenfalls eine Klage abzufassen und einzureichen (Urteil Pontin, Rn. 62 und 65).

Der Gerichtshof hat ferner im Hinblick auf die nationale Regelung, die Gegenstand der Rechtssache war, in der das Urteil Pontin ergangen ist, darauf hingewiesen, dass eine schwangere Arbeitnehmerin, die, aus welchem Grund auch immer, diese Fünfzehntagesfrist hat verstreichen lassen, ihre aus der Kündigung resultierenden Rechte nicht mehr mit einer Klage geltend machen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil Pontin, Rn. 66).

Insbesondere auf der Grundlage dieser Feststellungen hat der Gerichtshof entschieden, dass Verfahrensmodalitäten wie diejenigen, die diese nationale Regelung kennzeichnen, dadurch, dass sie Verfahrensnachteile mit sich bringen, die es schwangeren Frauen übermäßig erschweren können, ihre Rechte aus Art. 10 der Richtlinie 92/85 durchzusetzen, den Erfordernissen in Bezug auf den Grundsatz der Effektivität nicht genügen, wobei die entsprechende Prüfung jedoch vom vorlegenden Gericht vorzunehmen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Pontin, Rn. 67 und 69).

Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass nach § 4 Satz 1 KSchG eine Kündigungsschutzklage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben ist. Eine nach Ablauf dieser Frist erhobene Klage einer schwangeren Arbeitnehmerin kann jedoch nach § 5 KSchG zulässig sein, wenn die Arbeitnehmerin, die erst nach Ablauf der genannten Dreiwochenfrist von ihrer Schwangerschaft Kenntnis erlangt hat, einen entsprechenden Antrag stellt. Dieser Antrag muss innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses für die Klageerhebung gestellt werden.

Das vorlegende Gericht stellt fest, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Arbeitnehmerin, die innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung keine Klage gegen ihre Kündigung erhoben habe, auch keinen derartigen Antrag gestellt habe, so dass ihre Klage abzuweisen wäre, es sei denn – wozu es neige –, die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung verstoße gegen den Effektivitätsgrundsatz.

Die dreiwöchige Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG solle die Rechtssicherheit gewährleisten, und dies scheine auch für die in § 5 Abs. 3 KSchG vorgesehene Frist von zwei Wochen für die Einreichung eines Antrags auf Zulassung der verspäteten Klage zu gelten.

Allerdings dürfen die Mitgliedstaaten, wie in Rn. 35 des vorliegenden Urteils ausgeführt, bei der Festsetzung der Ausschlussfristen nicht nur die Rechtssicherheit heranziehen. Andere Parameter, wie die Bedeutung der zu treffenden Entscheidungen für die Betroffenen oder auch andere öffentliche oder private Belange, sind ebenfalls zu berücksichtigen.

In diesem Zusammenhang stellt der Kündigungsschutz für schwangere Arbeitnehmerinnen, wie er durch Art. 10 der Richtlinie 92/85 gewährleistet wird, einen wichtigen Parameter dar, den die Mitgliedstaaten berücksichtigen müssen.

In Anbetracht der Gefahr, die eine mögliche Kündigung für die physische und psychische Verfassung einer schwangeren Arbeitnehmerin darstellt, hat der Unionsgesetzgeber in Art. 10 der Richtlinie 92/85 nämlich einen besonderen Schutz für die Frau vorgesehen, indem er dieses Kündigungsverbot verfügt hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Februar 2018, Porras Guisado, C-103/16, EU:C:2018:99, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Zwar geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass § 5 KSchG die Erhebung einer verspäteten Klage mittels eines Zulassungsantrags ermöglicht, wenn die ordentliche Frist von drei Wochen für die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verstrichen ist, die Frau aber aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund noch keine Kenntnis von ihrer Schwangerschaft erlangt hatte.

Erstens ist jedoch darauf hinzuweisen, dass dieser Antrag auf Zulassung der verspäteten Klage innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses für die Klageerhebung zu stellen ist, was nach Auffassung des Gerichtshofs in Anbetracht insbesondere der Situation, in der sich eine Frau zu Beginn der Schwangerschaft befindet, eine besonders kurze Frist darstellt (Urteil Pontin, Rn. 62).

Zweitens ist diese zweiwöchige Frist kürzer als die in § 4 Satz 1 KSchG vorgesehene ordentliche Frist von drei Wochen für die Erhebung einer Kündigungsschutzklage.

Somit verfügt eine schwangere Arbeitnehmerin, die zum Zeitpunkt ihrer Kündigung Kenntnis von ihrer Schwangerschaft hat, über eine Frist von drei Wochen, um eine solche Klage zu erheben. Dagegen verfügt eine Arbeitnehmerin, die aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund vor Ablauf dieser Frist keine Kenntnis von ihrer Schwangerschaft hat, nur über zwei Wochen, um die Zulassung einer solchen Klage zu beantragen, was eine erhebliche Verkürzung der Frist bedeutet, um sich sachgerecht beraten zu lassen und gegebenenfalls nicht nur diesen Antrag auf Zulassung der verspäteten Klage, sondern auch die eigentliche Klage abzufassen und einzureichen. Wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen ausführt, sieht § 5 Abs. 2 KSchG nämlich vor, dass die Klage grundsätzlich gleichzeitig mit diesem Antrag eingereicht wird.

Hierzu macht Haus Jacobus in ihren schriftlichen Erklärungen geltend, dass der Antrag auf Zulassung der verspäteten Klage keinen besonderen Formerfordernissen unterliege und dass er sogar mündlich bei der Geschäftsstelle jedes, auch unzuständigen, Gerichts gestellt werden könne. Die Kommission macht geltend, dass, auch wenn die bloße Erhebung einer Kündigungsschutzklage nicht für die Annahme ausreiche, dass ein solcher Antrag gestellt worden sei, dieser Antrag jedoch auch stillschweigend gestellt werden könne.

Selbst wenn sich dies nach den dem vorlegenden Gericht obliegenden Prüfungen als zutreffend erweisen sollte, ändert dies nichts daran, dass eine Arbeitnehmerin, wenn sie wie im vorliegenden Fall nach Ablauf einer Frist von drei Wochen nach ihrer Kündigung davon Kenntnis erlangt, dass sie schwanger ist, nicht nur Klage erheben, sondern auch innerhalb von zwei Wochen einen Antrag auf Zulassung dieser verspäteten Klage stellen muss, damit nicht zu ihren Lasten die Ausschlussfrist eingreift: Das bedeutet, dass ihr eine kürzere Frist zu Gebote steht als diejenige, die ihr zur Verfügung gestanden hätte, wenn sie zum Zeitpunkt ihrer Kündigung von ihrer Schwangerschaft Kenntnis gehabt hätte. Somit kann diese Frist von zwei Wochen dazu führen, dass es für diese Arbeitnehmerin sehr schwierig wird, sich sachgerecht beraten zu lassen und gegebenenfalls den Zulassungsantrag und die eigentliche Klage abzufassen und einzureichen.

Drittens scheint, wie auch die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen ausführt, der Beginn der in § 5 Abs. 3 KSchG vorgesehenen Frist von zwei Wochen, d. h. der Zeitpunkt der „Behebung des Hindernisses“ für die Klageerhebung, nicht völlig eindeutig zu sein, was dazu beitragen kann, die Wahrnehmung der durch die Richtlinie 92/85 gewährleisteten Rechte zu erschweren.

Viertens schließlich geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die gekündigte Arbeitnehmerin nach § 17 Abs. 1 Satz 2 MuSchG verpflichtet ist, ihrem Arbeitgeber unverzüglich ihre Schwangerschaft mitzuteilen. In Anbetracht dieser Verpflichtung fragt sich das vorlegende Gericht, ob das zusätzliche Erfordernis, wonach diese Arbeitnehmerin bei einem Gericht einen Antrag auf Zulassung der verspäteten Klage stellen muss, als mit den Anforderungen des Prinzips effektiven Rechtsschutzes unvereinbar anzusehen ist.

Hierzu ist festzustellen, dass zwar der Umstand, dass die Arbeitnehmerin nicht nur verpflichtet ist, ihrem Arbeitgeber unverzüglich ihre Schwangerschaft mitzuteilen, sondern dass es ihr auch obliegt, innerhalb von zwei Wochen einen Antrag auf Zulassung der verspäteten Klage bei einem Gericht zu stellen sowie grundsätzlich die eigentliche Klage einzureichen, dazu beiträgt, aufzuzeigen, wie komplex das durch die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung geschaffene System ist: Dieses sieht mehrere konkurrierende Pflichten vor, die unter Einhaltung unterschiedlicher, sich überschneidender Fristen teils gegenüber dem Arbeitgeber, teils gegenüber einem Gericht zu erfüllen sind.

Es kann indessen grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, dass eine schlichte Mitteilung an den Arbeitgeber der Einreichung eines Schriftsatzes bei Gericht gleichwertig wäre, der nach den nationalen Verfahrensvorschriften erforderlich ist, um eine Kündigung anzufechten oder zumindest die Ausschlussfrist für die Anfechtung dieser Kündigung auszusetzen.

Daraus folgt, dass das Erfordernis, einen Antrag auf Zulassung der verspäteten Klage bei einem Gericht stellen zu müssen, als solches nicht als mit den Anforderungen des Grundsatzes des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes unvereinbar angesehen werden kann, und zwar auch dann nicht, wenn die nationale Regelung außerdem die betroffene Arbeitnehmerin dazu verpflichtet, ihrem Arbeitgeber unverzüglich ihre Schwangerschaft mitzuteilen.

Die Verfahrensmodalitäten für einen solchen Antrag auf Zulassung der verspäteten Klage können sich indessen gegebenenfalls als mit den Anforderungen des Grundsatzes des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes unvereinbar erweisen.

Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die in § 5 KSchG vorgesehene Frist von zwei Wochen vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Prüfungen zu Verfahrensnachteilen zu führen scheint, die gegen den Grundsatz der Effektivität und damit gegen den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Schutzes der den Einzelnen durch die Richtlinie 92/85 verliehenen Rechte verstoßen können. Diese Frist, die deutlich kürzer ist als die in § 4 KSchG vorgesehene ordentliche Frist, scheint nämlich in Anbetracht der Situation, in der sich eine Frau zu Beginn ihrer Schwangerschaft befindet, besonders kurz zu sein und es der schwangeren Arbeitnehmerin sehr schwierig zu machen, sich sachgerecht beraten zu lassen und gegebenenfalls einen Antrag auf Zulassung der verspäteten Klage sowie die eigentliche Klage abzufassen und einzureichen, zumal Unsicherheiten hinsichtlich des Beginns dieser Zweiwochenfrist und der Kumulierung von Pflichten nicht auszuschließen sind, für die jeweils unterschiedliche Fristen gelten und die teils gegenüber dem Arbeitgeber, teils gegenüber einem Gericht zu erfüllen sind.

Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass die Art. 10 und 12 der Richtlinie 92/85 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der eine schwangere Arbeitnehmerin, die von ihrer Schwangerschaft erst nach Ablauf der für die Erhebung einer Klage gegen ihre Kündigung vorgesehenen Frist Kenntnis erlangt hat, eine solche Klage nur dann erheben kann, wenn sie binnen zweier Wochen einen Antrag auf Zulassung der verspäteten Klage stellt, sofern die Verfahrensmodalitäten im Zusammenhang mit diesem Zulassungsantrag insoweit nicht den Anforderungen des Effektivitätsgrundsatzes genügen, als sie Nachteile mit sich bringen, die geeignet sind, die Umsetzung der Rechte übermäßig zu erschweren, die Art. 10 dieser Richtlinie schwangeren Arbeitnehmerinnen vermittelt.

Kosten

Für die Beteiligten der Ausgangsverfahren ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.


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