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Klage auf Unterlassung bestimmter Streikmaßnahmen

ArbG Hamburg, Az.: 29 Ga 9/13

Urteil vom 06.06.2013

1. Die Verfügungsklage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Verfügungsklägerin zu tragen.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf € 24.000,00 festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Unterlassung bestimmter Streikmaßnahmen und über die Pflicht zur Einwirkung auf streikende Personen.

Klage auf Unterlassung bestimmter Streikmaßnahmen
Symbolfoto: Yastremska/Bigstock

Die Verfügungsklägerin (nachfolgend Klägerin genannt) betreibt einen Filialbetrieb im W. Q. . Es handelt sich um das dortige K.-Warenhaus, in dem rund 200 Mitarbeiter beschäftigt werden. Das Betriebsgelände, bestehend aus dem Warenhaus einschließlich des Grundstücks (Bezirk W., Gemarkung W., Flurstück …) und dem Parkhaus (Flurstück …), hat die Klägerin gemietet.

In der Vergangenheit war die Klägerin Mitglied im Landesverband des Hamburger Einzelhandels. Über diese Mitgliedschaft war die Klägerin tarifgebunden. Mit Schreiben vom 06.05.2013, dem Landesverband zugegangen am 14.05.2013, kündigte die Klägerin mit sofortiger Wirkung die Mitgliedschaft.

Die Verfügungsbeklagte zu 1 (nachfolgend Beklagte zu 1 genannt) rief daraufhin ab Arbeitsbeginn des 03.06.2013 alle Beschäftigte der Klägerin in deren Hamburger Warenhäuser zum Streik auf (Pressemitteilung gemäß Anlage ASt 3, Bl. 18 d. A.). Darin heißt es u. a.:

„Mit unserem Streik wollen wir K. zurück in die Tarifbindung bringen. Heute ist der Anfang – und wir haben einen langen Atem.“

Gemäß weiterer Pressemitteilung vom 03.06.2013 (Anlage ASt 4, Bl. 19 d. A.) kündigte die Beklagte zu 1 an, den Streik mindestens bis zum Folgetag auszudehnen.

Am Morgen des 03.06.2013 gab sich der Verfügungsbeklagte zu 2 (nachfolgend Beklagter zu 2 genannt) gegenüber dem Filialgeschäftsführer des Warenhauses W., Herrn Ke., als Streikleiter zu erkennen. Vor allen vier Kundeneingängen des Warenhauses W. waren Plakate mit der Aufschrift „Streik“ auf den Fußboden geklebt worden. Im Bereich des Haupteinganges an der W.er M. klebten zwei Plakate und an den drei Nebeneingängen an den anderen Gebäudeseiten je ein Plakat. Die Plakate hatten ein Format von 60 x 80 cm (Foto gemäß Anlage ASt 5, Bl. 20 d. A.).

Auf Aufforderung des Herrn Ke. entfernte der Beklagte zu 2 die Streikplakate an den Nebeneingängen, nicht jedoch am Haupteingang mit der Begründung, es handele sich dort um einen öffentlichen Weg. Herr Ke. entgegnete, es handele sich um das Gelände der Klägerin. Da der Beklagte zu 2 die Plakate vor dem Haupteingang nach wie vor nicht entfernte, ließ Herr Ke. diese Plakate durch eine Reinigungsfirma entfernen.

Gegen 10:10 Uhr stellte Herr Ke. fest, dass sich etwa 30 streikende Mitarbeiter der Klägerin in der überdachten Passage vor dem Haupteingang aufhielten und teilweise mit Kunden diskutierten. Zwei der Mitarbeiter (Herr D. und der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Herr N.) standen, mit v.-Westen bekleidet, vor dem Haupteingang. Hierzu hat die Klägerin mit ihrer Antragsschrift zwei Fotos (Anlagen ASt 7 und 8, Bl. 22 f. d. A.) und in der mündlichen Verhandlung vom 06.06.2013 weitere zwei Fotos vorgelegt. Auf den beiden letztgenannten Fotos ist zu sehen, dass ein streikender Mitarbeiter einer Passantin einen Flyer in die Hand drückt. Dessen Inhalt hat die Klägerin in Kopie in der mündlichen Verhandlung vom 06.06.2013 vorgelegt. Darin heißt es u. a.:

„Unterstützen Sie uns heute bitte und kaufen Sie hier heute nicht ein!“

Herr Ke. forderte den Beklagten zu 2 auf, für eine Räumung der Passage vor dem Haupteingang des Warenhauses W. zu sorgen, und wies erneut darauf hin, dass es sich nicht um einen öffentlichen Grund, sondern um das Gelände der Klägerin handele. Der Beklagte zu 2 antwortete sinngemäß: „Wenn Sie die Leute dort weghaben wollen, tun Sie mir den Gefallen und rufen Sie die Polizei.“

Gegen 10:45 Uhr verließen die Streikenden die Passage und zogen weiter.

Der streitgegenständliche überdachte Eingangsbereich an der W.er M. weist im unmittelbaren Eingangsbereich einen dunklen Boden auf und in dem davor liegenden Bereich, der zugleich ein öffentlicher Durchgangsweg für den Fußgängerverkehr ist, einen hellen Boden. Auch dieser letztgenannte Bereich steht im Eigentum des Vermieters des Betriebsgeländes der Klägerin.

Die Klägerin trägt vor, sie habe bei der Untersagung von Streikmaßnahmen auf dem Betriebsgelände ihr Hausrecht wirksam ausgeübt. Sie könne daher von dem Beklagten die Unterlassung der inkriminierten Streikmaßnahmen auf dem Betriebsgelände verlangen. Herr D. und Herr N. hätten in rund 1,5 Metern Abstand vor dem Haupteingang gestanden und trotz Aufforderung durch Herrn Ke. keinen mindestens 3 Meter breiten Durchgang für die Kunden gelassen.

Die Klägerin beantragt,

1. den Beklagten im Wege der einstweiligen Verfügung zu untersagen,

a) auf dem Betriebsgelände der Klägerin in der W.er M., Hamburg, insbesondere im überdachten Eingangsbereich an der W.er M., Plakate mit der Aufschrift „Streik“ oder sonstige Plakate auf dem Fußboden, an den Wänden und/oder an den Säulen anzubringen,

b) auf dem Betriebsgelände der Klägerin in der W.er M. , Hamburg, insbesondere im überdachten Eingangsbereich an der W.er M., Kunden anzuhalten, anzusprechen und das Passieren dieser Personen in und aus dem Gebäude zu behindern,

c) auf dem Betriebsgelände der Klägerin in der W.er M. , Hamburg, insbesondere im überdachten Eingangsbereich an der W.er M., sichtbare Streikutensilien, insbesondere Westen, Jacken und Umhänge mit der Aufschrift „v.“ und/oder „Streik“ zu tragen sowie Fahnen und Banner mit der Aufschrift „v.“ und/oder „Streik“ zu zeigen,

d) vor den Eingängen des Betriebsgeländes in der W.er M. , Hamburg streikende Arbeitnehmer, den Streik unterstützende Personen und Streikposten so aufzustellen oder sich so aufstellen zu lassen, dass nicht eine mindestens drei Meter breite Gasse zum ungehinderten Zugang verbleibt,

2. die Beklagten zu verurteilen, auf die die Filiale W.er M. , Hamburg der Klägerin bestreikenden Arbeitnehmer, den dortigen Streik unterstützende Personen sowie auf die dort aufgestellten Streikposten so einzuwirken, dass diese die unter Ziffer 1 genannten Maßnahmen unterlassen,

3. die Beklagte zu 1 zu verurteilen, auf den Streikleiter so einzuwirken, dass dieser die unter Ziffer 1 genannten Maßnahmen unterlässt,

4. der Beklagten zu 1 für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe von 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an den Mitgliedern des Bundesvorstandes F. B. und F. W., anzudrohen,

5. dem Beklagten zu 2 für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe von 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten anzudrohen.

Die Beklagten beantragen: Die Verfügungsklage abzuweisen.

Die Beklagten tragen vor, der streitgegenständliche Bereich vor dem Haupteingang des Warenhauses W. sei Teil eines öffentlichen (Fußgänger-)Weges. Gemäß § 21 des Hamburgischen Wegegesetzes (HWG) hätten der Eigentümer und die Klägerin die streitgegenständlichen Einwirkungen auf ihr Grundstück zu dulden. Bei Streikaktionen in früheren Jahren habe die Klägerin die streitgegenständlichen Handlungen auch stets geduldet. Ein mögliches Hausrecht der Klägerin müsse jedenfalls vor dem Hintergrund der Artikel 9 Abs. 3 und 8 Abs. 1 GG zurücktreten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien und ihrer Mittel zur Glaubhaftmachung wird ergänzend auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die zu Protokoll gegebenen Erklärungen verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Verfügungsanträge sind zulässig, aber nicht begründet.

1. Die Verfügungsanträge sind zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt gemäß §§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG. Das gilt auch für die Einwirkungsanträge. Einer näheren Präzisierung, welche konkreten Einwirkungshandlungen gemeint sind, bedurfte es nicht, weil es maßgeblich auf das hinreichend bestimmte Ergebnis der Einwirkung ankommt, die im Verfügungsklageantrag zu 1 genannten Maßnahmen zu unterbinden.

2. Die Verfügungsanträge sind nicht begründet.

Die geltend gemachten Verfügungsansprüche im Sinne der §§ 935, 940 ZPO, 62 Abs. 2 ArbGG stehen der Klägerin nicht zu. Rechtswidrige Arbeitskampfmaßnahmen verletzen das Recht des Arbeitgebers am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und können deshalb Ansprüche gemäß § 1004 Abs. 1 BGB i. V. m. § 823 Abs. 1 BGB, Artikel 9 Abs. 3 GG begründen (BAG vom 22.09.2009 – 1 AZR 972/08, Rn. 18 bei juris m.w.N.).

Die inkriminierten Streikhandlungen sind aber nicht rechtswidrig.

Die Klägerin kann auf ihrem Betriebsgelände in Ausübung ihres Hausrechts grundsätzlich die Durchführung von Streikmaßnahmen verbieten (BAG a.a.O., Rn. 56 ff. bei juris m.w.N.). Die inkriminierten Streikhandlungen fanden aber nicht auf dem normalen Betriebsgelände der Klägerin statt, sondern in dem überdachten Eingangsbereich der W.er M. auf einer Fläche, die dem öffentlichen Fußgängerverkehr gewidmet ist. Das ist gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 HWG möglich, auch wenn die betreffende Fläche nicht im Eigentum der Freien und Hansestadt Hamburg steht.

Gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 HWG sind Einwirkungen auf Grundstücke zu dulden, wenn sie von öffentlichen Wegen ausgehen und sich aus der Ausübung des Gemeingebrauchs ergeben. Das ist hier der Fall. Der streitgegenständliche Teil des Grundstücks ist zugleich ein öffentlicher Weg. Die inkriminierten Einwirkungen auf das Grundstück ergeben sich auch aus der Ausübung des Gemeingebrauchs.

Gemäß § 16 HWG dient der Gemeingebrauch dem Verkehr, soweit andere dadurch nicht in ihrem Gemeingebrauch unzumutbar beeinträchtigt werden und Sondernutzungen nicht entgegenstehen. Zum Gemeingebrauch gehört nicht die Benutzung eines Weges zu anderen Zwecken, insbesondere zur Gewerbeausübung. Zum Gemeingebrauch gehört aber der kommunikative Verkehr (Hamburgisches Oberverwaltungsgericht vom 19.01.2012 – 4 Bf 269/10, Rn. 24 bei juris).

Um solchen kommunikativen Verkehr handelt es sich im vorliegenden Fall. Die Streikteilnehmer machen mit ihrem Verhalten auf ihren Streik aufmerksam, und versuchen mit Passanten und Kunden der Klägerin ins Gespräch zu kommen. Eine unzumutbare Beeinträchtigung anderer geht von diesen Handlungen nicht aus.

Deshalb besteht im vorliegenden Fall – jedenfalls bisher – auch kein Anlass, den Beklagten aufzugeben, für eine mindestens drei Meter breite Gasse für den ungehinderten Zugang zum Warenhaus zu sorgen. Selbst wenn zwei Streikteilnehmer am Warenhauseingang nicht mindestens drei Meter auseinander gestanden haben sollten, ergibt sich daraus im vorliegenden Fall noch keine relevante Behinderung des Zugangs zum Warenhaus. Zwar kann ein solcher Mindestabstand im Einzelfall erforderlich sein, um das Recht des Arbeitgebers am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu schützen. Hintergrund derartiger Ansprüche sind aber gravierende Eingriffe in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, insbesondere Betriebsblockaden, Menschenmauern und so genannte Streikbrechergassen (vgl. LAG Köln vom 02.07.1984 – 9 Sa 602/84, NZA 1984, 402 ff.). Derartige Fallgestaltungen sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.

II.

Als unterliegende Partei des Rechtsstreits hat die Klägerin gemäß §§ 91 ZPO, 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG dessen Kosten zu tragen.

Den Wert des Streitgegenstandes hat die Kammer gemäß §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, 3 ZPO auf insgesamt 24.000,00 € festgesetzt. Davon entfallen jeweis 4.000,00 € auf die Unteranträge zu a bis d im Rahmen des Antrages zu 1 und ebenfalls jeweils 4.000,00 € auf die Anträge zu 2 und 3. Die Ordnungsmittelanträge zu 4 und 5 haben keinen darüber hinausgehenden eigenen Wert, weil sie lediglich die gesetzliche Rechtsfolge gemäß § 890 ZPO zum Ausdruck bringen.

Eine Entscheidung über die Zulassung der Berufung gemäß § 64 Abs. 3 a ArbGG war nicht erforderlich, weil die Berufung bereits aufgrund der gesetzlichen Regelung in § 64 Abs. 2 b ArbGG zulässig ist.

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