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Klage einer arbeitnehmerähnlichen Person

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 3 Ta 61/11 – Beschluss vom 06.04.2011

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 02.02.2011 – 10 Ca 1892/10 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 7867,00 EUR festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I. Unter dem 15.03.2005 haben die Parteien den aus Bl. 31 d.A. ersichtlichen „Werkvertrag“ (folgend: Vertrag vom 15.03.2005 oder Vertrag) abgeschlossen. Dort werden der Beklagte als „Auftraggeber“ und der Kläger als „Auftragnehmer“ bezeichnet.

Wegen der weiteren Regelungen des Vertrages vom 15.03.2005 wird auf Bl. 31 d.A. verwiesen. Der Vertrag vom 15.03.2005 wird in der – ebenfalls von den Parteien unter dem 15.03.2005 abgeschlossenen – „Vertraglichen Vereinbarung wegen Sozialversicherung“ erwähnt. Auch hierauf (s. Bl. 29 d.A.) wird verwiesen. Nach vorangegangener außergerichtlicher Korrespondenz (vgl. dazu u.a. das Schreiben des Beklagten vom 04.09.2010, Bl. 40 d.A.) erhob der Kläger die Klage vom 23.09.2010, die dem Beklagten am 28.09.2010 zugestellt wurde. Nach näherer Maßgabe der einzelnen Klageanträge nebst entsprechender Klagebegründung begehrt der Kläger im erstinstanzlichen Erkenntnisverfahren – 10 Ca 1892/10 –

1. festzustellen, dass zwischen den Parteien gemäß Vertrag vom 15.03.2005 ein Arbeitsverhältnis besteht,

2. festzustellen, dass dieses Arbeitsverhältnis weder durch mündliche Kündigung vom 26.07.2010 noch durch schriftliche Kündigung vom 04.09.2010 aufgelöst worden ist,

3. festzustellen, dass dieses Arbeitsverhältnis nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern unverändert fortbesteht,

4. für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 2 die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als Leiter „Ein- und Verkauf“ bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag zu 2 weiter zu beschäftigten,

5. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 21.600,00 EUR netto (nebst Zinsen) zu zahlen,

6.1. die Beklagte zur verurteilen, dem Kläger Auskunft über den Bilanzgewinn für das Jahr 2009 zu erteilen,

6.2. erforderlichenfalls: die Beklagte zu verurteilen, die Vollständigkeit und Richtigkeit ihrer Angaben an Eides statt zu versichern,

7. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen und

8. hilfsweise für den Fall, dass die Feststellungsanträge abgewiesen werden – die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein endgültiges (qualifiziertes) Zeugnis zu erteilen.

Wegen der Formulierung der Klageanträge im Einzelnen wird auf Bl. 16 f. d.A. (= S. 2 f. der Klageschrift) verwiesen. Der Kläger behauptet, als Vertriebs-, Einkaufs- und Personalleiter für den Beklagten tätig gewesen zu sein.

Mit dem Beschluss vom 15.12.2010 – 10 Ca 1892/10 – entschied das Arbeitsgericht, dass für das Erkenntnisverfahren – 10 Ca 1892/10 – der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für die Klageanträge zu 1 bis 4 sowie zu 7 und 8 eröffnet sei. Die Anträge zu 5 und 6 trennte das Arbeitsgericht im Beschluss vom 15.12.2010 ab und verwies diese an das Landgericht Mainz. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers half das Arbeitsgericht dieser mit dem Beschluss vom 02.02.2011 – 10 Ca 1892/10 – wie folgt ab:

Der Abtrennungsbeschluss im Beschluss vom 15.12.2010 – 10 Ca 1892/10 – wird aufgehoben. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist im Verfahren – 10 Ca 1892/10 – für alle Anträge eröffnet.

Gegen den am 10.02.2011 zugestellten Beschluss vom 02.02.2011 – 10 Ca 1892/10 – legte der Beklagte am 15.02.2011 mit dem Schriftsatz vom 11.02.2011 sofortige Beschwerde ein und begründete diese zugleich. Wegen aller Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf den Schriftsatz vom 11.02.2011 (Bl. 370 ff. d.A.) Bezug genommen.

Der Beklagte beantragt, den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 02.02.2011 – 10 Ca 1892/10 – aufzugeben und so zu beschließen, wie im durch den aufzuhebenden Beschluss aufgehobenen Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 15.12.2010 – 10 Ca 1892/10 -.

Der Kläger beantragt, die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 02.02.2011 – 10 Ca 1892/10 – zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 02.02.2011 nach näherer Maßgabe seiner Beschwerdeerwiderung vom 18.02.2011 (Bl. 390 ff. d.A.), worauf verwiesen wird. Der Beschwerdeerwiderung war das Schreiben der FSW F., J., Sch. & Partner Steuerberatungsgesellschaft vom 17.02.2011 (Bl. 400 f. d.A.) beigefügt.

Mit dem Beschluss vom 02.03.2011 half das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde der Beklagten nicht ab und legte diese dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vor. Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt Bezug genommen, – insbesondere auf die tatbestandlichen Teile der Beschlüsse des Arbeitsgerichts vom 15.12.2010 – 10 Ca 1892/10 – (Bl. 127 ff. d.A.), vom 02.02.2011 – 10 Ca 1892/10 – (Bl. 363 ff. d.A.) und vom 02.03.2011 – 10 Ca 1892/10 – (Bl. 403 ff. d.A.).

II. 1. Das Rechtsmittel des Beklagten ist als sofortige Beschwerde an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden. Die hiernach zulässige Beschwerde bleibt erfolglos, da sie unbegründet ist. Das Beschwerdevorbringen des Beklagten rechtfertigt es nicht, die Rechtswegfrage anders zu beurteilen als dies das Arbeitsgericht zuletzt getan hat.

2. Die Beschwerdekammer teilt die vom Arbeitsgericht in den Beschlüssen vom 02.02.2011 und vom 02.03.2011 – jeweils 10 Ca 1892/10 – zur Rechtswegfrage vertretene Auffassung. Die tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen, mit denen das Arbeitsgericht diese Auffassung begründet hat, macht sich die Berufungskammer in entsprechender Anwendung des § 69 Abs. 2 ArbGG zu eigen. In Bezug auf die im Beschwerdeverfahren – 3 Ta 61/11 – verfahrensgegenständlichen Klageanträge zu 5. und 6. des Verfahrens – 10 Ca 1892/10 – ist der Kläger als arbeitnehmerähnliche Person im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 2 ArbGG anzusehen, die die beklagte Partei als „Arbeitgeber“ in Anspruch nimmt. Das Arbeitsgericht ist von dem zutreffenden Begriff der „arbeitnehmerähnlichen Person“ ausgegangen. (Auch) bei der Subsumtion sind dem Arbeitsgericht keine Fehler unterlaufen.

a) Es ist anerkanntes Recht, dass eine arbeitnehmerähnliche Person – ohne diesen Status zu verlieren – durchaus auch für mehrere Auftraggeber tätig sein kann. Kennzeichnend für eine arbeitnehmerähnliche Person – wie den Kläger – ist, dass die Beschäftigung für einen der Auftraggeber wesentlich ist und die hieraus fließende Vergütung die entscheidende Existenzgrundlage darstellt. Insoweit ist in tatsächlicher Hinsicht mit dem Arbeitsgericht festzustellen, dass der Kläger den deutlich überwiegenden Teil seiner Gesamteinkünfte von dem Beklagten bezogen hat. Dass der Schwerpunkt seiner Tätigkeit in seiner Geschäftsbeziehung zu dem Beklagten lag, hat der Kläger in tatsächlicher Hinsicht hinreichend dargetan. Hinreichend und ebenso qualifiziert dargetan, hat der Kläger weiter, dass er auf die Einkünfte aus seiner Tätigkeit für den Beklagten zur Sicherung seiner wirtschaftlichen Existenzgrundlage angewiesen ist (vgl. BAG 11.04.1997 – 5 AZB 33/96 -). Soweit es um die Tatsachen geht, aufgrund derer der Kläger wegen seiner wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Person anzusehen ist, gelten diese gemäß § 138 ZPO als unstreitig. Nach den Absätzen 1 und 2 der Vorschrift des § 138 ZPO hat sich jede Partei zu den vom Gegner dargelegten Tatsachen einzulassen und zu erklären. Ein einfaches Bestreiten ist einer Partei hiernach nicht ohne weiteres gestattet. Unsubstantiiert bzw. mit Nichtwissen dürfen nur solche Tatsachen bestritten werden, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind. Aus diesem Grunde ist es dem Beklagten jedenfalls nicht gestattet, die Höhe der Zahlungen, die er in den letzten Jahren an Vergütung (oder unter anderer Bezeichnung) an den Kläger geleistet hat, zu bestreiten (s. dazu im Einzelnen die Angaben des T. H. im Schreiben der F. Steuerberatungsgesellschaft vom 14.01.2011, dort S. 2 f., Anl. K 9 = Bl. 284 f. d.A.; vgl. dazu auch das weitere Schreiben der F. Steuerberatungsgesellschaft vom 17.02.2011, Anl. K 41 = Bl. 400 f. d.A.). In rechtserheblicher Weise dürfen weiter die Tatsachen nicht unsubstantiiert bestritten werden, die sich auf die Gegenleistung des Klägers erstrecken, für die der Beklagte dem Kläger unstreitig Vergütung bzw. „Werklohn“ o.ä. gezahlt hat. Es kann aufgrund der Lebenserfahrung nicht angenommen werden, dass der Beklagte keine Kenntnis von Art, Inhalt und zeitlichem Umfang der Gegenleistung des Klägers hat, für die er, der Beklagte, Zahlungen an den Kläger geleistet hat. Das Vorbringen des Klägers ist so zu verstehen, dass der Schwerpunkt seiner beruflichen Tätigkeit bei dem Beklagten als Auftraggeber gelegen hat und dass die wirtschaftliche Existenz des Klägers weitgehend davon abhingen. Dem Beklagten ist erstinstanzlich und im (weiteren) Beschwerdeverfahren kein Vortrag gelungen, der als hinreichendes Bestreiten dieser Darlegungen des Klägers gewertet werden könnten.

b) Zutreffend hat das Arbeitsgericht weiter entschieden, dass der Kläger in seiner Geschäftsbeziehung zu dem Beklagten seiner gesamten sozialen Stellung nach einem Arbeitnehmer vergleichbar sozial schutzbedürftig ist. Insoweit kann mit dem Arbeitsgericht auf den vom Kläger vorgelegten E-Mail-Verkehr verwiesen werden (insbesondere auf die mit dem Schriftsatz des Klägers vom 19.01.2011 vorgelegten Anlagen K 15, K 21, K 22, K 23, K 25, K 26, K 27, K 28, K 33, K 36 und K 38). Den daraus ersichtlichen Formulierungen des Beklagten lässt sich entnehmen, dass das Maß der Abhängigkeit des Klägers von dem Beklagten nach der Verkehrsanschauung einen solchen Grad erreicht hat, wie dies im allgemeinen nur in einem Arbeitsverhältnis vorkommt. (Auch) die vom Kläger geleisteten Dienste sind nach ihrer sozialen bzw. soziologischen Typik mit denen eines Arbeitnehmers vergleichbar. In diesem Zusammenhang kann es – wie vorliegend der Fall – ausreichend sein, wenn die geschuldete Leistung persönlich und im Wesentlichen ohne Mitarbeit von Arbeitnehmern erbracht wird.

3. Damit bleibt die sofortige Beschwerde mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge erfolglos.

Der Streitwert wurde mit einem Bruchteil des entsprechenden Hauptsachestreitwertes (ausgehend von dem geschätzten Streitwert der Anträge zu 5 und 6) festgesetzt.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht veranlasst.

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