Krankheit begründet Entgeltfortzahlung trotz Kündigung
Das Thüringer Landesarbeitsgericht bestätigte den Anspruch der Klägerin auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für den Zeitraum vom 05. bis 31.07.2017, da überzeugend nachgewiesen wurde, dass die Klägerin krankheitsbedingt arbeitsunfähig war. Die Klägerin erlitt unter anderem an Bronchial-Asthma, was durch medizinische Unterlagen und Zeugenaussagen belegt wurde. Die Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen und die Kosten des Berufungsverfahrens wurden ihr auferlegt.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Die zentralen Punkte aus dem Urteil:
- Bestätigung der Entgeltfortzahlung: Die Klägerin hat Anspruch auf Entgeltfortzahlung für den Zeitraum vom 05. bis 31.07.2017.
- Arbeitsunfähigkeit durch Krankheit: Es wurde festgestellt, dass die Klägerin aufgrund von Bronchial-Asthma und anderen Symptomen arbeitsunfähig war.
- Medizinische Beweise: Die Diagnose wurde durch ärztliche Unterlagen und Zeugenaussagen, insbesondere der behandelnden Ärztin, untermauert.
- Glaubwürdigkeit der Zeugin: Trotz familiärer Beziehung zur Klägerin wurde die Aussage der Ärztin als glaubwürdig erachtet.
- Ablehnung der Berufung der Beklagten: Das Gericht wies die Berufung der Beklagten zurück und bestätigte das vorherige Urteil.
- Keine Zulassung der Revision: Eine Revision des Urteils wurde nicht zugelassen.
- Kosten des Verfahrens: Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
- Unabhängigkeit des Urteils von Arbeitswechsel: Der Arbeitswechsel der Klägerin nach der Krankheitsperiode hatte keinen Einfluss auf die Entscheidung des Gerichts.
Übersicht:
- Krankheit begründet Entgeltfortzahlung trotz Kündigung
- Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit und ihre rechtlichen Folgen
- Streit um Entgeltfortzahlung bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit
- Die rechtliche Herausforderung: Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
- Medizinische Befunde und ihre Auswirkungen auf die Entscheidung
- Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts und seine Begründung
- ✔ Wichtige Begriffe kurz erklärt
- Das vorliegende Urteil
Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit und ihre rechtlichen Folgen
Im Arbeitsrecht spielt die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit eine zentrale Rolle, insbesondere wenn es um den Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und die daraus resultierenden Ansprüche auf Entgeltfortzahlung geht. Dieses Thema berührt grundlegende Fragen des Verhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, wie die Verpflichtungen des Arbeitnehmers bei Erkrankung und die Rechte des Arbeitgebers, die Echtheit einer Krankmeldung zu überprüfen. Es stellt sich oft die Frage, unter welchen Umständen eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als ausreichender Beweis für die Nichterbringung der Arbeitsleistung aufgrund von Krankheit anerkannt wird. Dies betrifft auch die Relevanz von Kündigungsschreiben und die Interpretation der darin enthaltenen Informationen.
Diejuristische Auseinandersetzung in diesem Bereich bewegt sich häufig um die Auslegung des Gesundheitszustands des Arbeitnehmers und dessen Auswirkungen auf den körperlichen Zustand sowie die Arbeitsfähigkeit. Gerichtsurteile, wie das des Thüringer Landesarbeitsgerichts, bieten dabei interessante Einblicke in die Anwendung und Interpretation der relevanten Rechtsnormen.
Im Folgenden wird ein konkretes Urteil beleuchtet, das diese Aspekte aufgreift und wichtige Entscheidungen in Bezug auf die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit und den Beweiswert von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen trifft. Tauchen Sie mit uns in die Details dieses spannenden und richtungsweisenden Falls ein.
Streit um Entgeltfortzahlung bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit
Im Mittelpunkt des Rechtsstreits vor dem Thüringer Landesarbeitsgericht stand die Frage der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Eine Mitarbeiterin im Einkauf, die bei der Beklagten bis zum 31. Juli 2017 beschäftigt war, hatte ihr Arbeitsverhältnis gekündigt, wurde jedoch von der Beklagten aufgefordert, die Kündigungsfrist einzuhalten, wodurch das Arbeitsverhältnis erst am 30. September 2017 enden sollte. Die Klägerin meldete sich jedoch ab dem 5. Juli 2017 krank und trat ab dem 1. August 2017 eine neue Stelle an. Der Kern des Disputs lag in der Glaubwürdigkeit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Klägerin, die von der Beklagten angezweifelt wurde.
Die rechtliche Herausforderung: Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Die Beklagte argumentierte, dass kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung bestehe, da die Klägerin ihre Arbeitsunfähigkeit nicht beweisen konnte. Sie stellte den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung infrage, da aus ihrer Sicht die Klägerin bereits im Kündigungsschreiben auf eine Krankheit hingewiesen hatte, was wie eine vorab angekündigte Krankschreibung wirkte. Die Klägerin hingegen behauptete, unter starkem Arbeitsdruck und Bronchial-Asthma gelitten zu haben, was durch eine ärztliche Untersuchung bestätigt wurde.
Medizinische Befunde und ihre Auswirkungen auf die Entscheidung
Das Gericht führte eine umfassende Beweisaufnahme durch, inklusive der Vernehmung der behandelnden Ärztin der Klägerin. Diese bezeugte, dass die Klägerin unter akuten Atemproblemen und einem emotionalen Ausnahmezustand litt. Laborwerte bestätigten zudem erhöhte Entzündungswerte, was die Diagnose stützte. Interessanterweise spielte auch der familiäre Hintergrund der Zeugin eine Rolle, da sie mit der Klägerin verschwägert war. Das Gericht befand jedoch ihre Aussagen als glaubwürdig und sachlich.
Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts und seine Begründung
Das Thüringer Landesarbeitsgericht wies die Berufung der Beklagten zurück und bestätigte den Anspruch der Klägerin auf Entgeltfortzahlung für den Zeitraum vom 5. bis 31. Juli 2017 in Höhe von 1.742,04 € brutto. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass es keinen vernünftigen Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin gab. Die ärztlichen Zeugenaussagen und medizinischen Befunde waren ausschlaggebend für das Urteil. Die Beklagte wurde zudem zur Übernahme der Kosten des Berufungsverfahrens verpflichtet, und eine Revision wurde nicht zugelassen.
Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung medizinischer Befunde und ärztlicher Zeugnisse im Arbeitsrecht, insbesondere wenn es um die Glaubwürdigkeit von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen geht. Sie zeigt auch, wie entscheidend die individuelle Betrachtung jedes Falles ist. Dieses Urteil dient als wegweisendes Beispiel für ähnliche Fälle und wird sicherlich die Rechtsprechung in ähnlichen arbeitsrechtlichen Streitigkeiten beeinflussen.
✔ Wichtige Begriffe kurz erklärt
Was ist der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung?
Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) ist ein gesetzlich vorgesehenes Beweismittel, das den Beweiswert hat, dass ein Arbeitnehmer für den in der Bescheinigung angegebenen Zeitraum arbeitsunfähig ist. Dieser Beweiswert ist hoch und kann in einem Gerichtsverfahren vorgelegt werden, wenn beispielsweise ein Arbeitgeber die Lohnfortzahlung während der Krankheit verweigert.
Allerdings kann der Beweiswert einer AU unter bestimmten Umständen erschüttert werden. Wenn ein Arbeitgeber berechtigte Zweifel an der Richtigkeit der AU hat, muss er konkrete Gründe ermitteln und darlegen, die diese infrage stellen. Beispielsweise können Zweifel bestehen, wenn die Krankschreibung für einen länger zurückliegenden Zeitraum erfolgt ist, ohne vorherige ärztliche Untersuchung erfolgt ist, oder wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit „angekündigt“ hat. Auch wenn der Arbeitnehmer während der Arbeitsunfähigkeit einer anderen Tätigkeit nachgeht oder sich sonst genesungswidrig verhält, kann dies den Beweiswert der AU erschüttern.
Ein weiterer Fall, in dem der Beweiswert der AU erschüttert werden kann, ist, wenn ein Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis kündigt und am Tag der Kündigung arbeitsunfähig krankgeschrieben wird, insbesondere wenn die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit genau die Dauer der Kündigungsfrist umfasst. Ebenso kann der Beweiswert der AU erschüttert werden, wenn der Arbeitnehmer sich im Falle des Erhalts einer arbeitgeberseitigen Kündigung unmittelbar zeitlich nachfolgend – „postwendend“ – krankmeldet bzw. eine AU einreicht, insbesondere wenn lückenlos der gesamte Zeitraum der Kündigungsfrist – auch durch mehrere AUs – abgedeckt wird.
Trotz dieser möglichen Zweifel hat die AU grundsätzlich einen hohen Beweiswert und der Arbeitgeber muss konkrete Anhaltspunkte darlegen, um diesen zu erschüttern. Es ist auch zu erwähnen, dass seit dem 1. Januar 2023 die Vorlagepflicht einer physischen AU an den Arbeitgeber für bestimmte gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer entfallen ist. Stattdessen soll die elektronische Übermittlung der AU-Daten an den Arbeitgeber diese Pflicht ersetzen.
Das vorliegende Urteil
Thüringer Landesarbeitsgericht – Az.: 4 Sa 131/19 – Urteil vom 31.05.2023
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gera vom 13.2.2019 – 7 Ca 349/17 – wird auch insoweit zurückgewiesen, als sie sich gegen die Verurteilung zur Zahlung von Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 05. – 31.07.2017 in Höhe von 1.742,04 € brutto nebst Zinsen wendet.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten, soweit von diesem Schlussurteil erfasst, noch über einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Zeit vom 05. – 31.07.2017.
Die Klägerin war bei der Beklagten als Mitarbeiterin Einkauf seit dem 04.01.2016 zuletzt zu einer monatlichen Bruttovergütung in Höhe von 2.000,00 € beschäftigt. Mit Schreiben vom 27.06.2017 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis zum 31.07.2017. Wegen der Einzelheiten des Inhaltes des Kündigungsschreibens wird auf die hiervon zu den Akten gereichte Kopie (Bl. 53 der Akte) Bezug genommen.
Die Beklagte teilte der Klägerin daraufhin unmittelbar mit, dass Sie aus betriebsbedingten Gründen auf die Einhaltung der Kündigungsfrist bestehen müsse und das Arbeitsverhältnis erst zum 30.09.2017 ende. Am 05.07.2017 meldete sich die Klägerin arbeitsunfähig und erschien bis zum 31.07.2017 nicht mehr zur Arbeit. Ab dem 01.08.2017 begann sie ein neues Arbeitsverhältnis.
Wegen des weiteren unstreitigen und streitigen Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug sowie der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (S. 2 – 4 des Urteilsabdrucks – Bl. 87 – 89 der Akte) Bezug genommen.
Mit Urteil vom 13.02.2019 hat das Arbeitsgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 5 – 7 des Entscheidungsabdrucks – Bl. 90 – 92 der Akte) Bezug genommen.
Gegen dieses ihr am 26.03.2019 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 18.04.2019 beim Thüringer Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 26.06.2019 eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem das Gericht auf den am 06.05.2019 hin eingegangenen Antrag mit Beschluss vom 08.05.2019 die Berufungsbegründungsfrist bis zu diesem Tag verlängert hatte.
Hinsichtlich des Vorbringens in der Berufung in Bezug auf die vom Teilurteil der Kammer vom 05.10.2022 erfassten Ansprüche wird auf S. 2 – 4 des Teilurteils (242 Rückseite bis 243 Rückseite der Akte) Bezug genommen.
Die Beklagte ist der Rechtsansicht, die Klägerin habe keine Ansprüche auf Vergütung für den Monat Juli 2017, weil kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle bestehe. Die Klägerin habe ihre Arbeitsunfähigkeit nicht bewiesen. Der Beweiswert der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei hinreichend erschüttert. Das ergebe sich daraus, dass der Klägerin ausweislich ihres Kündigungsschreibens klar gewesen sei, dass Sie mit der Kündigung die Kündigungsfrist nicht einhalte. Sie habe deshalb auch um Aufhebung des Arbeitsvertrages bis zum 31.07.2017 gebeten. Schon in diesem Schreiben habe sie schließlich auf eine Krankheit hingewiesen und damit klargemacht, dass im Falle der Nichterfüllung ihrer Bitte um Aufhebung des Arbeitsverhältnisses sie krank werde. Das sei wie eine angekündigte Krankschreibung. Sodann habe sie sich, nachdem sie, die Beklagte, die Bitte um Aufhebung des Arbeitsvertrages bis zum 31.07.2017 abgelehnt habe, passgenau bis zu diesem Tag Arbeitsunfähigkeit bescheinigen lassen, um sodann einen Tag später bei einem neuen Arbeitgeber anzufangen.
Die Beklagte beantragt sinngemäß, das Urteil des Arbeitsgerichts Gera vom 13.2.2019 – 7 Ca 349/17 – auch insoweit abzuändern, als sie zur Zahlung von Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 05. – 31.07.2017 in Höhe von 1.742,04 € brutto nebst Zinsen verurteilt worden ist und die Klage insoweit abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung auch insoweit zurückzuweisen.
Die Klägerin behauptet, im Juni 2017 seien nur noch drei von ehemals sechs Mitarbeiter in der Abteilung Einkauf beschäftigt gewesen. Sie habe sich aufgrund der hohen Arbeitsbelastung immer stärker überfordert gefühlt. Sie habe Bronchial-Asthma. Ihre Hausärztin habe am 05.07.2017 festgestellt, dass sie schon längere Zeit unter den Folgen der Erkrankung gelitten haben müsse. Sie habe in dem Kündigungsschreiben deshalb auf die bestehende Krankheit hingewiesen und diese nicht angedroht. Ab dem 5.7.2017 habe die Arbeitsüberlastung sich negativ auf ihren Gesundheitszustand und ihr Asthma ausgewirkt, weshalb sie bis zum 31.7.2017 arbeitsunfähig gewesen sei.
Das Gericht hat Beweis erhoben über die Behauptung der Klägerin, sie sei wegen Bronchial-Asthma, welches sich unter Stress verstärkt habe, in der Zeit vom 5.7.2017 bis 31.7.2017 arbeitsunfähig krank gewesen durch zunächst schriftliche Beantwortung der Beweisfrage gemäß Beschluss vom 29.07.2022, wegen dessen Einzelheiten auf den Beschluss selbst (Bl. 228 und 228 Rückseite der Akte) Bezug genommen wird, und ergänzender Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugin K…………… gemäß Beweisbeschluss vom 05.10.2022 wegen dessen Inhaltes im Einzelnen auf den Beschluss selbst (Bl. 241 Rückseite der Akte) Bezug genommen wird.
Die Zeugin hat, zusammengefasst im Wesentlichen bekundet, dass sich die Klägerin zunächst am 04.07.2017 telefonisch bei ihr gemeldet habe. Sie sei psychisch am Ende gewesen, habe geweint und die ganze Zeit gehustet. Sie habe außerdem kaum reden können und sie, die Zeugin, habe auffällige Atemgeräusche feststellen können. Aus diesem Grunde habe sie zunächst dafür gesorgt, dass die Klägerin aus dem Arbeitsprozess herausgenommen werde. Das sei üblich in solchen Situationen. Sie habe dann darauf bestanden, dass die Klägerin sich auch persönlich vorstelle. Das sei am 11.07.2017 der Fall gewesen. An dem Tag seien auch in einem Labor die Blutwerte kontrolliert worden. Daraus hatten sich deutliche Hinweise auf das Vorliegen einer Entzündung ergeben.
Wegen des weiteren Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftliche Beantwortung der Beweisfragen vom 23.08.2022 (Bl. 229 – 231 der Akte) nebst beigefügten Unterlagen (Bl. 233 – 237 der Akte) sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.03.2023 (Blatt 254 – 256 der Akte) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist auch unbegründet, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Zahlung von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für den Zeitraum 05. – 31.07.2017 in Höhe von 1.742,04 € brutto wendet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für den Zeitraum 05. – 31.07.2017 in Höhe von 1.742,04 € brutto. Anspruchsgrundlage ist § 3 Abs. 1 EntgFG; die Höhe ergibt sich aus § 4 Abs. 1 EntgFG i. V. m. § 611a Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag.
Die Kammer ist ohne jeglichen vernünftigen Zweifel aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Klägerin im Zeitraum vom 05. – 31.07.2017 erstens krank war und zweitens ausschließlich aus diesem Grunde nicht in der Lage, ihre arbeitsvertragsgemäß geschuldete Leistung zu erbringen.
Krankheit i. S. d. Gesetzes ist jeder regelwidrige Körper- oder Geisteszustand. Die Kammer ist aufgrund der Bekundungen der Zeugin K…………….. davon überzeugt, dass die Klägerin im Zeitraum 05. – 31.07.2017 krank in diesem Sinne war.
Die Zeugin hat bekundet, dass die Klägerin sie zunächst am 04.07.2017 angerufen hat und dabei kaum sprechen konnte, ständig weinte, nach Luft schnappte und Atemprobleme hatte und zwar genau eine exspiratorische Spastik und einen inspiratorischen Stridor.
Das reicht aus um festzustellen, dass es sich hierbei um einen regelwidrigen Körperzustand handelte, denn regelmäßig können Menschen sprechen, atmen nahezu geräuschlos, weinen nicht ständig und schnappen nicht hörbar nach Luft.
Nicht erforderlich ist, dass eine bestimmte Diagnose gestellt wird. Die Kammer hat nicht zu überprüfen, ob hier irgendeine asthmatische Erkrankung vorlag, ob ein Burnout vorlag oder sonst eine Erkrankung. Die Kammer muss nur feststellen, dass der Zustand der Klägerin vom regelgerechten körperlichen Zustand abgewichen ist. Das ist hier ganz offensichtlich der Fall.
Hinzu kommt, dass dieser Befund auch durch Laborwerte gestützt wird. Wie sich aus der Beweisaufnahme unter Zuhilfenahme von schriftlichen Unterlagen zwanglos ergeben hat waren bei der Klägerin in dem hier in Rede stehenden Zeitraum die sogenannten Entzündungswerte erhöht. Die Leukozyten und die Erythrozyten waren erhöht sowie auch die Harnsäure- und Ferritinwerte. Es besteht kein Anlass, der sachverständigen Zeugin als Ärztin nicht zu glauben, dass bei den festgestellten Blutwerten Hinweise auf das Vorliegen einer Entzündung vorhanden sind. Gestützt wird dies auch noch durch den Bericht vom 21.07.2017 eines anderen Arztes, bei dem auch ein infektbedingtes Asthma bronchiale, Überempfindlichkeit und arterielle Hypertonie festgestellt worden sind.
Der Befund wird ferner gestützt durch den Vergleich mit den Blutlaborwerten vom Dezember 2016. Bei den Werten waren die meisten Werte, außer die Erythrozyten, im Normalbereich.
Alles in allem ergibt sich daraus, dass die Klägerin sowohl am 04.07., während des Telefonates, als auch am 11.07., als die Blutwerte überprüft wurden, als auch später am 21.07.2017 die geschilderten körperlichen Symptome aufwies, die eine Krankheit im oben genannten Sinne darstellen.
Die Kammer glaubt der Zeugin K……………. Es bestehen weder Zweifel an der Glaubhaftigkeit ihrer Bekundungen noch an der Glaubwürdigkeit der Zeugen selbst.
Der Umstand, dass die Zeugin mit der Klägerin verschwägert ist, spricht für sich allein nicht gegen ihre Glaubwürdigkeit. Die Zeugin ist nach dem Eindruck der Kammer hier auch nicht als verschwägerte oder gute Bekannte aufgetreten, sondern in erster Linie als Ärztin. Das Auftreten der Zeugin war insoweit recht resolut und ohne erkennbare Anzeichen, ihrer Aussage einen bestimmten Inhalt geben zu wollen. Insbesondere die mehrfachen Hinweise der Zeugin, dass sie, um effektiv zu arbeiten, doch recht resolut mit den Patienten umgeht und auch schlicht am Telefon Diagnosen stellt und aufgrund dessen Medikamente verschreibt, zeigen, dass sie die Klägerin wie jede andere Patienten behandelt hat. Für die Glaubwürdigkeit der Zeugin spricht ferner, dass sie nicht versucht hat, sich selbst in ein besonders gutes Licht zu rücken oder Aussagen zu vermeiden, die durchaus Anlass zu kritischen Nachfragen hätten sein können. Sie hatte mehrfach darauf hingewiesen, dass Ihre Vorgehensweise als Ärztin schlichtweg praktikabel sei unabhängig davon, ob sich das aus irgendwelchen Richtlinien oder Vorschriften ergebe. Sie müsse halt als Hausärztin effektiv arbeiten und habe deshalb diese Wege gewählt. Eine Zeugin, die bemüht wäre, in irgendeiner Form sich zu verkünsteln oder besonders guten Eindruck zu machen, sagt nicht so aus.
Schließlich ist es der Zeugin auch nicht vollkommen gelungen zu verbergen, dass ihr die Situation, Anreise aus der Nähe von Stuttgart nach Erfurt, längere Wartezeiten, Vernehmung durch das Gericht, durchaus alles andere als angenehm war, zumal sie schon zuvor darauf hingewiesen hatte, dass für einen ganzen Tag die Praxis zu schließen sei, wenn Sie anreisen müsse.
Das alles signalisiert eine große Offenheit der Zeugin, die einen schlicht sachverständigen, offenen, ehrlichen Eindruck machte.
Die Bekundungen sind auch in sich schlüssig und widerspruchsfrei. Alle Einzelheiten, welche die Zeugin festgestellt hat, sind entweder durch externe Berichte (Arztbericht vom 21.07.2017 – Blatt 236/237 der Akte)oder die Laborberichte doppelt belegt. Die Erklärungen, welche die Zeugin gegeben hatte, sind auch alle für Laien plausibel erläutert worden; die Zeugin war auf Bitten des Gerichts bereit und in der Lage, die Atemgeräusche nachzumachen, welche sie am Telefon festgestellt hat. Das belegt für die Kammer auch, dass diese diesbezüglichen Feststellungen auch am Telefon getroffen werden können.
Alles in allem ergibt sich daraus die Überzeugung der Kammer, dass die Klägerin in dem streitgegenständlichen Zeitraum einerseits in einem emotionalen Ausnahmezustand gewesen ist und andererseits ein entzündungsbedingtes akutes Asthmaproblem hatte, welches sich durch Atemprobleme äußerte.
Die Kammer ist davon überzeugt, dass die Klägerin aufgrund dieser Krankheit nicht in der Lage gewesen ist, ihrer Arbeitsverpflichtung nachzukommen. Das ergibt sich zum einen aus der sachverständigen Einschätzung der Zeugin, die das schließlich nicht nur durch ihre Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, sondern auch durch ihre Bekundungen in der Beweisaufnahme noch einmal bestätigt hat. Dem entspricht, dass auch der medizinischen Dienst der Krankenkasse nicht zu einem anderen Ergebnis gekommen ist (Bl. 230 d.A.).
Das ergibt sich ferner aus folgenden Überlegungen.
Ausweislich des Arbeitsvertrages war die Klägerin als Mitarbeiterin im Einkauf beschäftigt. Das sind im Wesentlichen Büroaufgaben. Die Anlage zum Arbeitsvertrag lässt erkennen, welche Anforderungen an Konzentration, Anforderungsumfang und Qualität ihrer Arbeitsleistung gestellt wurden (Bl. 9 der Akte). Daraus ergibt sich, dass die Arbeitsleistung nur zu erbringen ist, wenn man keine starken psychischen Beeinträchtigungen hat, die dazu führen, dass man durch Weinen unterbrochen wird, Atemprobleme bekommt. Allein schon das Vorhandensein der Entzündung im Körper und der damit im Zusammenhang stehenden starken Atemprobleme hindert einen auch daran, Büroarbeiten so zu verrichten, dass die Arbeitszeit effektiv ausgeschöpft wird, keine Fehler passieren. Außerdem stünde eine Weiterarbeit der notwendigen Genesung entgegen.
Die Kammer ist ebenso überzeugt davon, dass es keine andere Ursache für diese Arbeitsunfähigkeit gegeben hat, als die festgestellten körperlichen Symptome, weil andere Ursachen nicht hinreichend erkennbar in den Prozess eingebracht sind. Die Mutmaßungen der Beklagten, es sei der Klägerin lediglich darum gegangen, eher aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden zu können, beziehen sich einerseits nicht auf den Ursachenzusammenhang zwischen Krankheit und Arbeitsunfähigkeit, sondern leugnen das Vorhandensein der Krankheit. Andererseits steht der Wunsch, aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden, den obigen Feststellungen auch nicht entgegen, sondern korrespondiert mit diesen, weil nach Behauptungen der Klägerin die Umstände der Arbeit (personelle Unterbesetzung) gerade zur Verschlimmerung der Krankheit geführt haben.
Deshalb spricht auch der Umstand, dass die Klägerin ab dem 1.8.201bei einem anderen Arbeitgeber die Arbeit aufnehmen konnte nicht gegen die obigen Feststellungen. Die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit der Klägerin hing eng mit der beruflichen Situation bei der Beklagten zusammen.
Die Beklagte trägt insgesamt die Kosten ihrer erfolglosen Berufung.
Anlass für die Zulassung der Revision bestand nicht.