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Krankheitsbedingte Kündigung

ArbG Hagen – Az.: 5 Ca 2109/17 – Urteil vom 15.05.2018

1. Das Versäumnisurteil des erkennenden Gerichts vom 24.04.2018 wird aufrechterhalten.

2. Der Beklagten werden auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.488,00 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer von der Beklagten unter Berufung auf krankheitsbedingte Gründe ausgesprochenen ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger sowie über dessen Weiterbeschäftigungsanspruch.

Der 1967 geborene und verheiratete Kläger ist seit dem 21.05.1985 in dem Betrieb der Beklagten in I, wo regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer in Vollzeit beschäftigt sind, als Maschineneinrichter tätig. Bei einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 37,50 Stunden erhielt der Kläger zuletzt ein durchschnittliches Monatsentgelt in Höhe von etwa 2.622,00 Euro (vgl. auch die Kopien der Abrechnungen für August, September und Oktober 2017 auf Bl. 16 – 18 d. A.).

Mit dem am selben Tage zugegangenen (siehe die Kopie der Empfangsbestätigung vom 17.11.2017 auf Bl. 82 d. A.) Schreiben vom 17.11.2017 (Bl. 78 – 81 d. A.) unterrichtete der Personalleiter S den Betriebsrat über die Absicht der Beklagten, gegenüber dem Kläger „eine ordentliche fristgerechte Kündigung zum nächst zulässigen Termin auszusprechen“, und zwar unter Zugrundelegung der gesetzlichen Kündigungsfrist von sieben Monaten zum Monatsende. Bei der Angabe der Sozialdaten des Klägers auf der Seite 1 des Anhörungsschreibens (Bl. 78 d. A.) heißt es u. a.

„Kinder laut der uns vorliegenden Steuerfaktoren: keine“. Die Begründung für die beabsichtigte Kündigung auf den Seiten 2 bis 4 des Anhörungsschreibens (Bl. 79 – 81 d. A.) lautet wie folgt:

Die Kündigung ist als sogenannte krankheitsbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt. Bis einschließlich Oktober 2017 liegen im Zeitraum beginnend mit dem Kalenderjahr 2011 folgende Arbeitsunfähigkeitszeiten vor:

………………

Aus der obigen Aufstellung ist bezogen auf das jeweilige Kalenderjahr zu entnehmen, wie viele Arbeitstage und Arbeitsstunden Lohnfortzahlung geleistet werden musste. Die entstandenen Lohnkosten sind als Arbeitnehmer-Brutto ausgewiesen. Die uns entstandenen Entgeltfortzahlungskosten bestehen mindestens in dieser Höhe, sind jedoch noch höher anzusetzen, da für uns noch die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung hinzu zu zählen sind.

Die wirtschaftlichen Belastungen des Unternehmens aufgrund der Fehlzeiten des Herrn U sind damit für Sie nachvollziehbar belegt.

Hieraus ergibt sich bereits aufgrund der wirtschaftlichen Belastung die Betriebsstörung. Darüber hinaus muss das Fehlen des Herrn U jeweils ausgeglichen werden. Es müssen andere Arbeitnehmer eingesetzt werden, die damit entsprechend belastet sind. Es ist eine jeweilige Umplanung der Schichte etc. erforderlich, was ebenfalls zu Betriebsablaufstörungen führt.

Aus den oben dargelegten Fehlzeiten in der Vergangenheit leiten wir auch die negative Zukunftsprognose ab.

Da die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt waren, wurde Herrn U die Durchführung des sogenannten betrieblichen Eingliederungsmanagements angeboten. Mit Schreiben vom 16.10.2017, Herrn U per Einwurf-Einschreiben zugestellt, wurde das betriebliche Eingliederungsmanagement angeboten. Eine Fotokopie des Schreibens vom 16.10.2017 fügen wir anliegend für Sie bei. Ebenfalls erhalten Sie anliegend eine Fotokopie der Abfrage bei der Deutschen Post bezüglich der Zustellung der Sendung. Die Sendung wurde am 19.10.2017 zugestellt.

Herr U hat sich dann im Hinblick auf unser Anschreiben bezüglich des BEM gemeldet und es wurde ein Termin für ein BEM-Gespräch am 14.11.2017 um 14.00 Uhr vereinbart. Das Gespräch wurde auf Seiten des Unternehmens von Frau K und Herrn C geführt. Herr U erschien in Begleitung des Betriebsratsvorsitzenden Herrn I1. Herr U bestätigte Frau K, dass Herr I1 seine Vertrauensperson sei und an diesem Gespräch teilnehmen solle.

Als Frau K dann das BEM-Gespräch beginnen wollte und sich zunächst bei Herrn U nach seinem derzeitigen gesundheitlichen Befinden erkunden wollte, unterbrach Herr I1 das Gespräch. Er erklärte, es sei in unserem Unternehmen kein betriebliches Gesundheitsmanagement implementiert. Er sei nicht in der Lage, Herrn U adäquat zu vertreten, da ihm die nötigen Kenntnisse fehlten und das Gespräch sei für ihn damit beendet. Gemeinsam verließen Herrn I1 und Herr U daraufhin um 14.06 Uhr den Besprechungsraum.

Die Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements ist für den Arbeitnehmer freiwillig. Wir haben dieses Herrn U gemäß der gesetzliche Vorgaben angeboten. Nach entsprechender Beratung durch Herrn I1 hat Herr U von der Möglichkeit des BEM keinen Gebrauch mehr machen wollen, wir verweisen auf die obigen Darlegungen. Damit haben wir aber unsere gesetzlichen Verpflichtungen im Hinblick auf die Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements gegenüber dem Arbeitnehmer U erfüllt.

Herr U hat uns in 2014 darüber informiert, dass er einen Grad der Behinderung von 40 hat. Er ist damit also nicht anerkannt als Schwerbehinderter, da dieses einen Gesamt-GdB von mindestens 50 voraussetzt. Ein Gleichstellungsbescheid liegt uns nicht vor. Wir gehen daher davon aus, dass besondere Kündigungsschutzbestimmungen nicht eingreifen.“

Nachdem der Betriebsrat am 23.11.2017 eine widersprechende Stellungnahme abgegeben hatte, sprach die Beklagte mit dem dem Kläger am 27.11.2017 zugegangenen Schreiben vom 25.11.2017 (Bl. 14 d. A,) die „ordentliche fristgerechte Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum nächst zulässigen Zeitpunkt aus“, nämlich zum 30.06.2018.

Gegen diese Kündigung wendet sich der Kläger mit seiner am selben Tage vorab per Telefax (Bl. 1 bis 3 d. A.) beim Arbeitsgericht Hagen eingegangenen Klage vom 05.12.2017 (Bl. 10 bis 12 d. A.) und er verlangt außerdem für den Fall des Obsiegens seine Weiterbeschäftigung zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Maschineneinrichter.

Der Kläger beruft sich auf die Sozialwidrigkeit der Kündigung und er bestreitet das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen. Abgesehen davon, dass eine bestimmte Fehlzeitenquote für sich allein nie zur Rechtfertigung einer solchen Kündigung ausreiche, hätten im Zeitpunkt des Kündigungszugangs objektive Anhaltspunkte für erneute häufige Fehlzeiten bei ihm nicht vorgelegen. Das ergebe sich im Einzelnen aus den Darlegungen zu den krankheitsbedingten Ursachen für seine Arbeitsunfähigkeitszeiten in den Jahren 2011 bis einschließlich 2017 in seinem Schriftsatz vom 02.03.2018 auf den Seiten 2 bis 6 (Bl. 95 bis 99 d. A.) – auf den dortigen Vortrag des Klägers wird verwiesen und Bezug genommen. Darüber hinaus könne auch nicht von einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen der Beklagten die Rede sein. Die von der Beklagten vorgebrachten Entgeltfortzahlungskosten würden noch nicht in einem zu prognostizierenden Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung im Arbeitsverhältnis stehen. Es komme hinzu, dass Entgeltfortzahlungskosten für Fehlzeiten aufgrund von einmalig aufgetretenen Erkrankungen ohne Wiederholungsgefahr, wie der Bauchbruch, der Mittelfußknochenbruch, die Pilolidalzyste sowie die Verstauchung und Zerrung des Ellenbogens aufgrund des Arbeitsunfalls, ohnehin unberücksichtigt bleiben müssten. Die von der Beklagten behaupteten Betriebsablaufstörungen seien nicht nachvollziehbar, da nach seiner Kenntnis andere Mitarbeiter keine Mehrarbeit während seiner krankheitsbedingten Fehlzeiten hätten leisten müssen. Zu Verzögerungen bei Aufträgen sei es ebenfalls nicht gekommen, zumal er als Maschineneinrichter keine Schlüsselposition innehabe. Im Übrigen sei die streitgegenständliche Kündigung deshalb unverhältnismäßig, weil nicht von einem ordnungsgemäß durch geführten betrieblichen Eingliederungsmanagement ausgegangen werden könne. Die Beklagte hätte nämlich dabei den Betriebsrat zuvor informieren und beteiligen müssen. Hier sei der Betriebsratsvorsitzende nur durch ihn über das BEM-Gespräch am 14.11.2017 unterrichtet worden. Wegen der fehlenden Kenntnis von seinen Krankheitszeiten habe der Betriebsrat nicht an einer konstruktiven Lösung mitwirken können. Nur deshalb sei von ihm das BEM-Gespräch dann abgebrochen worden, weil er sich nicht in der Lage gesehen habe, diesen Termin allein und ohne den Betriebsratsvorsitzenden als seine Vertrauensperson weiterhin wahrzunehmen. Jedenfalls müsse aber die Interessenabwägung zu seinen Gunsten ausfallen. Er sei im Kündigungszeitpunkt bereits 50 Jahre alt und seit über 32 Jahren bei der Beklagten beschäftigt gewesen. Zudem habe er Unterhaltsverpflichtungen sowohl gegenüber seiner Ehefrau als auch noch einem seiner zwei Kinder.

Schließlich bestreitet der Kläger die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats mit Nichtwissen. Im Anhörungsschreiben vom 17.11.2017 (Bl. 78 bis 81 d. A.) seien dem Betriebsrat nicht alle notwendigen Informationen mitgeteilt worden. Das betreffe zunächst die falsche Angabe „Kinder laut der uns vorliegenden Steuerfaktoren: keine“. Außerdem seien unzureichende Angaben zu den Entgeltfortzahlungskosten gemacht worden, weil die Beklagte den erwähnten Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung nicht beziffert habe. Auch die behaupteten Betriebsablaufstörungen seien lediglich pauschal angegeben worden.

Nachdem der sachbearbeitende Prozessbevollmächtigte der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 24.04.2018 erklärt hatte, er trete heute nicht auf und stelle keinen Antrag (s. das Sitzungsprotokoll vom 24.04.2018 auf S. 2, Bl. 106 d. A.), ist auf Antrag des Klägers ein Versäumnisurteil (Bl. 108 bis 110 d. A.) mit der Stattgabe seines gegen die Kündigung der Beklagten vom 25.11.2017 (Bl. 14 d. A.) gerichteten Antrages, des allgemeinen Feststellungsantrages und seines Weiterbeschäftigungsantrags erlassen worden. Gegen dieses ihren Prozessbevollmächtigten noch am 24.04.2018 zugestellte (vgl. das Empfangsbekenntnis auf Bl. 111 d. A.) Versäumnisurteil hat die Beklagte mit dem am selben Tage vorab per Telefax (Bl. 112 d. A.) bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 30.04.2018 (Bl. 113 d. A.) Einspruch eingelegt und diesen mit ihrem Schriftsatz vom 02.05.2018 (Bl. 126 bis 130 d. A.) begründet.

Der Kläger beantragt nunmehr, das Versäumnisurteil des erkennenden Gerichts vom 24.04.2018 aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil vom 24.04.2018 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Sie hält die Kündigung aus personenbedingten Gründen für sozial gerechtfertigt, nämlich wegen der wiederholten Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers in der Vergangenheit, die den Schluss auf eine negative Zukunftsprognose zulassen würden. Es sei nicht starr auf den Zeitraum der letzten 3 Jahre vor Zugang der Kündigung abzustellen und zur Annahme einer Indizwirkung bisheriger Ausfallzeiten auch nicht erforderlich, dass der Arbeitnehmer in jedem Jahr des prognoserelevanten Zeitraums krankheitsbedingte Fehlzeiten von mehr als 30 Arbeitstagen aufzuweisen und Entgeltfortzahlungskosten in diesem Umfang verursacht habe. Selbst wenn die Krankheitsursachen verschieden wären, könnten sie doch auf eine allgemeine Krankheitsanfälligkeit des Klägers hindeuten, die prognostisch offensichtlich andauere. Es werde insbesondere bestritten, dass die bereits im Jahre 2012 aufgetretene Bandscheibenschädigung ausgeheilt sei und auf Dauer nicht mehr auftreten werde. Der Kläger sei nach eigenen Angaben trotz zweier operativer Eingriffe auch danach und zuletzt im Zeitraum vom 23.06. bis 21.07.2017 wegen seiner Bandscheibenschädigung arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Das zeige, dass scheinbar die Operationsmöglichkeiten und -methoden ausgeschöpft seien und eine negative Zukunftsprognose im Hinblick auf diese Erkrankung des Klägers angenommen werden müsse. Soweit es betrieblich möglich gewesen sei, habe sie auf den Hinweis der damaligen Werksärztin H den Kläger zur Entlastung von seiner Tätigkeit in der Vstraße ebenfalls im Bereich der Drahthalterfertigung eingesetzt, wo die dortigen zwei CNC-Maschinen allerdings nur im Ein-Schicht-Betrieb laufen würden und dies auch nicht arbeitstäglich. Nach der Einrichtung dieser Maschinen sei nur in gewissen Abständen eine Überprüfung notwendig, weshalb es sich hierbei nicht um vollschichtige Arbeitsplätze handele. Trotz des im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten erfolgten Einsatzes des Klägers in der Drahthalterfertigung seien jedoch weiterhin die vorgetragenen Arbeitsunfähigkeitszeiten aufgetreten. Diese Fehlzeiten hätten auch zu einer erheblichen Beeinträchtigung ihrer betrieblichen Interessen geführt. Zunächst müssten die seit 2011 in erheblichem Umfang bereits entstandenen und in Zukunft ebenfalls zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten berücksichtigt werden, welche jeweils für einen Zeitraum von mehr als 6 Wochen jährlich aufzuwenden seien. Darüber hinaus habe das Fehlen des Klägers jeweils ausgeglichen werden müssen durch den Einsatz von anderen Arbeitnehmern, die damit entsprechend belastet worden seien. Die jeweils erforderliche Umplanung der Schichten habe ebenfalls zu Betriebsablaufstörungen geführt. Außerdem handele es sich bei der Vstraße um eine Engpassanlage. Der dortige Ausfall eines Mitarbeiters wirke sich direkt aus, weil dann die erforderlichen Stückzahlen nicht produziert werden könnten. Im Übrigen habe sie auch in ordnungsgemäßer Weise den Kläger mit ihrem Schreiben vom 16.10.2017 (Bl. 75 und 76 d. A.) zu einem BEM-Erstgespräch eingeladen und am 14.11.2017 um 14.00 Uhr versucht, dieses durchzuführen. Zwingende Voraussetzung dafür sei aber das Einverständnis des Betroffenen, das der Kläger mit dem Abbruch des Gesprächs zurückgenommen habe. Wenn der Arbeitnehmer trotz regelkonformer Aufklärung nicht zustimme, sei das Unterlassen eines BEM „kündigungsneutral“. Die Interessenabwägung müsse ebenfalls zu Lasten des Klägers ausgehen, obwohl dieser langjährig bei ihr beschäftigt sei. Es würden aber auch bereits seit dem Jahr 2011 erhebliche Arbeitsunfähigkeitszeiträume vorliegen. Außerdem stelle das Lebensalter des Klägers bei der momentanen Arbeitsmarktlage kein Hindernis mehr dar. Soweit der Kläger behauptet habe, no ch einem Kind zum Unterhalt verpflichtet zu sein, decke das sich nicht mit den ihr bekannten lohnsteuerlichen Merkmalen.

Schließlich könne auch die mit dem Schreiben ihres Personalleiters S vom 17.11.2017 (Bl. 78 bis 81 d. A.) erfolgte Betriebsratsanhörung nicht beanstandet werden.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Mit dem Beschluss vom 03.05.2018 (Bl. 131 d. A.) ist die Beklagte -wie bereits im Termin zur mündlichen Verhandlung am 24.04.2018- erneut darauf hingewiesen worden, dass § 84 Abs. 2 SGB IX in der Fassung bis zum 31.12.2017 bzw. § 167 Abs. 2 SGB IX ab dem 01.01.2018 die Mitwirkung auch des Betriebsrats an der Durchführung des „BEM“ ausdrücklich vorsieht; falls der Betriebsrat überhaupt nicht beteiligt worden ist, führt dies zu einem nicht ordnungsgemäß durchgeführten „BEM“; der Arbeitgeber kann sich dann bei der von ihm darzulegenden Verhältnismäßigkeit der Kündigung nicht auf die Durchführung eines „BEM“ berufen.

Entscheidungsgründe

Das klagestattgebende Versäumnisurteil vom 24.04.2018 (Bl. 108 bis 110 d. A.) war aufrechtzuerhalten.

I.

Aufgrund des Einspruchs der Beklagten mit dem Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 30.04.2018 (Bl. 113 d. A.) gegen das Versäumnisurteil vom 24.04.2018 (Bl. 108 bis 110 d. A.) ist der Prozess in die Lage vor deren Säumnis zurückversetzt worden (§ 342 ZPO i. V. m. § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG, § 495 Abs. 1 ZPO).

Der Einspruch ist nämlich zulässig; er ist statthaft (§ 59 S. 1 ArbGG) und auch in der erforderlichen Form (§ 59 S. 2 ArbGG) sowie jedenfalls mit dem Zugang vorab bei Gericht per Telefax (Bl. 112 d. A.) noch am 30.04.2018 fristgerecht innerhalb von einer Woche nach der Zustellung des Versäumnisurteils am 24.04.2018 (s. das Empfangsbekenntnis auf Bl. 111 d. A.) eingelegt worden.

II.

Allerdings war das klagestattgebende Versäumnisurteil vom 24.04.2018 (Bl. 108 bis 110 d. A.) gemäß § 343 S. 1 ZPO i. V. m. § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG aufrechtzuerhalten, weil der Einspruch der Beklagten ohne Erfolg blieb.

1.

Das gilt zunächst im Hinblick auf den zulässigen sowie form- und fristgerecht gemäß § 4 S. 1 KSchG erhobenen Kündigungsschutzantrag aus der Klageschrift vom 05.12.2017 auf S. 2 (Bl. 11 d. A.) unter 1., der sich auch als begründet erweist.

Die dem Kläger gegenüber mit dem Schreiben der Beklagten vom 25.11.2017 (Bl. 14 d. A.) zum 30.06.2018 ausgesprochene ordentliche Kündigung führt nicht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien.

Es ist nämlich davon auszugehen, dass diese Kündigung gemäß § 1 Abs. 1 KSchG rechtsunwirksam ist, weil sie sich als sozial ungerechtfertigt i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG erweist.

Deshalb kann dahinstehen, ob die Betriebsratsanhörung nach § 102 Abs. 1 BetrVG zu beanstanden ist.

a)

Die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes sind vorliegend anzuwenden.

Der Kläger ist zum Kündigungszeitpunkt deutlich länger als 6 Monate im Betrieb der Beklagten beschäftigt gewesen (vgl. § 1 Abs. 1 KSchG).

Außerdem sind bei der Beklagten nach dem unbestrittenen Vortrag in der Klageschrift vom 05.12.2017 auf Seite 2 (Bl. 11 d. A.) regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer in Vollzeit tätig, so dass die Voraussetzungen für den betrieblichen Geltungsbereich gemäß § 23 Abs. 1 KSchG ebenfalls vorliegen.

b)

Die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 25.11.2017 (Bl 14 d. A.) erweist sich als sozial ungerechtfertigt, weil ein allein in Betracht kommender personenbedingter Kündigungsgrund i.S.v. § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG nicht gegeben ist.

Es muss nämlich davon ausgegangen werden, dass die Kündigung wegen der durch Krankheit verursachten und zu erwartenden Ausfallzeiten des Klägers im maßgeblichen Zeitpunkt ihres Zugangs am 27.11.2017 jedenfalls nicht allen Anforderungen entspricht, die das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung -von der abzuweichen die erkennende Kammer vorliegend keine Veranlassung gesehen hat- an diese Art von personenbedingter Kündigung stellt.

aa)

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG, Urt. v. 20.11.2014 -2 AZR 755/13-, NZA 2015, 612, 613 unter B. I.1. d. Gründe, Rdnr. 15 m. w. N.) ist die soziale Rechtfertigung einer wegen häufiger (Kurz-)Erkrankungen ausgesprochenen Kündigung des Arbeitgebers in drei Stufen zu überprüfen.

Zunächst ist eine negative Gesundheitsprognose erforderlich. Dabei müssen im Kündigungszeitpunkt objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang rechtfertigen. Häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit können für eine entsprechende künftige Entwicklung des Krankheitsbildes sprechen, es sei denn, dass die Krankheiten ausgeheilt sind (BAG, Urt. v. 10.11.2005 -2 AZR 44/05-, AP Nr. 42 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit = NZA 2006, 655, 656 unter B. I. 2. a) d. Gründe).

Die negative Gesundheitsprognose ist allerdings nur dann geeignet, eine krankheitsbedingte Kündigung sozial zu rechtfertigen, wenn die entstandenen und prognostizierten Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. Diese Beeinträchtigung ist Teil des Kündigungsgrundes. Neben Betriebsablaufstörungen kann Kündigungsgrund auch eine erhebliche wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers sein. In diesem Zusammenhang können außergewöhnlich hohe Lohnfortzahlungskosten den Arbeitgeber ebenfalls erheblich belasten, wenn hierdurch das Austauschverhältnis auf unbestimmte Zeit ganz erheblich gestört wird und damit eine erhebliche Äquivalenzstörung vorliegt (s. dazu ausführlich: BAG, Urt. v. 16.02.1989 -2 AZR 299/88-, AP Nr. 20 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit = NZA 1989, 923, 924 bis 927 unter B. III. d. Gründe). Davon ist auszugehen, wenn für die Zukunft mit immer neuen außergewöhnlich hohen Entgeltfortzahlungskosten zu rechnen ist, die pro Jahr jeweils für einen Zeitraum von mehr als 6 Wochen aufzuwenden sind (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 15.05.2009 -9 Sa 668/08-, juris, unter II. 3. a) d. Gründe, Rdnr. 20 m. w. N). Nicht erforderlich ist dabei, dass die Lohnfortzahlungskosten des betreffenden Arbeitsverhältnisses bezogen auf die Gesamtdauer seines Bestehens durchschnittlich den Umfang einer Vergütung von 6 Wochen jährlich übersteigen (BAG, Beschl. v. 13.08.1992 -2 AZN 231/91-, EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 36).

In der dritten Stufe ist im Rahmen der nach § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG gebotenen Interessenabwägung abschließend zu prüfen, ob die durch krankheitsbedingte Fehlzeiten verursachen Belastungen vom Arbeitgeber billigerweise noch hinzunehmen sind oder ob sie derart erheblich sind, dass eine Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitgeber nicht mehr zugemutet werden kann (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts; vgl. nur BAG, Urt. v. 20.01.2000 -2 AZR 378/99-, AP Nr. 38 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit = NZA 2000, 768, 770 unter B. III 2. d. Gründe m. w. N). Dabei ist u.a. zu berücksichtigen, ob die Erkrankungen auf betriebliche Ursachen zurückzuführen sind sowie ob und wie lange das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zunächst ungestört verlaufen ist; ferner sind das Alter, der Familienstand und die Unterhaltspflichten sowie ggf. eine Schwerbehinderung des Arbeitnehmers in die Abwägung  einzubeziehen (so BAG, Urt. v. 08.11.2007 -2 AZR 292/06-, AP Nr. 29 zu § 1 KSchG 1969 Personenbedingte Kündigung = NZA 2008, 593 f. unter B. I. 1. d. Gründe, Rdnr. 16 am Ende m. w. N.).

Darlegungs- und beweispflichtig für die Voraussetzungen der krankheitsbedingten Kündigung ist der Arbeitgeber (LAG Hamm, Urt. v. 13.06.2007 -18 Sa 85/07-, juris, unter A. I. 5. d. Gründe, Rdnr. 101 m. w. N).

bb)

Bei Anwendung dieser Grundsätze lässt sich hier die soziale Rechtfertigung der von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung vom 25.11.2017 (Bl. 14 d. A.) nicht bejahen.

Dabei kann dahinstehen, ob im maßgeblichen Zeitpunkt des Kündigungszugangs am 27.11.2017 von einer negativen Gesundheitsprognose für die Zukunft ausgegangen werden kann.

Ebenfalls offenbleiben kann, ob die krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Beklagten führen.

Jedenfalls hat sich die streitgegenständliche Kündigung im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung als unverhältnismäßig erwiesen. Die Beklagte hat nämlich nicht ausreichend dargelegt, dass ihr mildere Mittel als der Kündigungsausspruch zur Vermeidung künftiger Fehlzeiten des Klägers nicht zur Verfügung standen.

Weil davon ausgegangen werden muss, dass die Beklagte ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) nach § 84 Abs. 2 SGB IX in der Fassung bis zum 31.12.2017 bzw. nach § 167 Abs. 2 SBG IX ab dem 01.01.2018 nicht ordnungsgemäß durchgeführt bzw. dieses nicht regelkonform versucht hat, trifft sie eine erhöhte Darlegungslast m Hinblick auf das Fehlen von alternativen, leidensgerechten Beschäftigungsmöglichkeiten für den Kläger. Dieser Darlegungslast ist die Beklagte nicht nachgekommen.

(1)

§ 84 Abs. 2 SGB IX in der Fassung bis zum 31.12.2017 stellt eine Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar. Das BEM ist zwar selbst kein milderes Mittel gegenüber einer Kündigung. Mit seiner Hilfe können aber solche milderen Mittel, z.B. die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen -ggf. durch Umsetzungen „freizumachenden“- Arbeitsplatz erkannt und entwickelt werden (BAG, Urt. v. 23.04.2008 – 2 AZR 1012/06 -, NZA-RR 2008, 515, 517 unter B. II. 3. b) bb) (1) d. Gründe, Rdnr. 25). Möglich ist, dass auch ein BEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können. Sofern dies der Fall ist, kann dem Arbeitgeber aus dem Unterlassen eines BEM kein Nachteil entstehen. Wäre ein positives Ergebnis dagegen möglich gewesen, darf sich der Arbeitgeber nicht darauf beschränken, pauschal vorzutragen, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer und es gebe keine leidensgerechten Arbeitsplätze, die der erkrankte Arbeitnehmer trotz seiner Erkrankung ausfüllen könne. Er hat vielmehr von sich aus denkbare oder vom Arbeitnehmer (außergerichtlich) bereits genannte Alternativen zu würdigen und im Einzelnen dazulegen, aus welchen Gründen sowohl eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes an dem Arbeitnehmer zuträgliche Arbeitsbedingungen als auch die Beschäftigung auf einem anderen -leidensgerechten- Arbeitsplatz ausscheiden (BAG, Urt. v. 10.12.2009 -2 AZR 400/08-, AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit = NZA 2010, 398, 399 unter I. 3. b) d. Gründe, Rdnr. 19). Dies geht über die Darlegungslast des Arbeitgebers für das Nichtbestehen einer anderen Beschäftigungsmöglichkeit nach allgemeinen Grundsätzen hinaus. Erst nach einem solchen Vortrag ist es Sache des Arbeitnehmers, sich hierauf substantiiert einzulassen und darzulegen, wie er sich selbst eine leidensgerechte Beschäftigung vorstellt (so BAG, Urt. v. 30.09.2010 -2 AZR 88/09-, AP Nr. 49 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit = NZA 2011, 39, 42 unter II. 2. c) aa) d. Gründe, Rdnr. 35 am Ende).

Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein BEM deshalb entbehrlich war, weil es wegen der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Arbeitnehmers unter keinen Umständen ein positives Ergebnis hätte bringen können, trägt der Arbeitgeber.  Dazu muss er umfassend und konkret vortragen, warum weder der weitere Einsatz des Arbeitnehmers auf dem bisher innegehabten Arbeitsplatz noch dessen leidensgerechte Anpassung und Veränderung möglich war und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit hätte eingesetzt werden können, warum also ein BEM in keinem Fall dazu hätte beitragen können, erneuten Krankheitszeiten des Arbeitnehmers vorzubeugen und ihm den Arbeitsplatz zu erhalten (BAG, Urt. v. 24.03.2011 -2 AZR 170/10-, NZA 2011, 992, 994 f. unter II. 2. b) ee) d. Gründe, Rdnr. 25 am Ende m. w. N.).

(2)

Wie die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 23.01.2018 auf Seite 5 (Bl. 67 d. A.) selbst ausgeführt hat, liegen die Voraussetzungen für die Durchführung eines BEM nach § 84 Abs. 2 SGB IX in der Fassung bis zum 31.12.2017 hier vor. Der Kläger war jedenfalls seit 2015 jedes Jahr länger als 6 Wochen arbeitsunfähig erkrankt.

Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte ein regelkonformes BEM durchgeführt bzw. dieses versucht hat.

(a)

Die Durchführung eines BEM ist auf verschiedene Weise möglich. § 84 Abs. 2 SGB IX schreibt weder konkrete Maßnahmen noch ein bestimmtes Verfahren vor. Das BEM ist ein rechtlich regulierter verlaufs- und ergebnisoffener „Suchprozess“, der individuell angepasste Lösungen zur Vermeidung zukünftiger Arbeitsunfähigkeit ermitteln soll. Gleichwohl lassen sich aus dem Gesetz gewisse Mindeststandards ableiten. Zu diesen gehört es, die gesetzlich dafür vorgesehenen Stellen, Ämter und Personen zu beteiligen und zusammen mit ihnen eine an den Zielen des BEM orientierte Klärung ernsthaft zu versuchen. Ziel des BEM ist es festzustellen, aufgrund welcher gesundheitlichen Einschränkungen es zu den bisherigen Fehlzeiten gekommen ist und ob Möglichkeiten bestehen, sie durch bestimmte Veränderungen künftig zu verringern, um so eine Kündigung zu vermeiden (BAG, Urt. v. 10.12.2009 -2 AZR 400/08-, AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit = NZA 2010, 398, 399 unter I. 3. c) d. Gründe, Rdnr. 20).

Es ist Sache des Arbeitgebers, die Initiative zur Durchführung des BEM zu ergreifen. Bei der Durchführung muss er die Interessenvertretung, das Einverständnis des Arbeitnehmers vorausgesetzt, hinzuziehen (so BAG, Urt. v. 20.11.2014 -2 AZR 755/13-, NZA 2015, 612, 615 unter B. I. 5. d) bb) (2) d. Gründe, Rdnr. 31 m. w. N.). Denn § 84 Abs. 2 SGB IX in der Fassung bis zum 31.12.2017 sieht die Mitwirkung des Betriebsrats an der Durchführung des BEM ausdrücklich vor. Deshalb muss der Arbeitgeber den Betriebsrat von dem Versuch, den Arbeitnehmer zu integrieren, unterrichten und den Betriebsrat in die Lösungsversuche einbeziehen (vgl. Rose/Ghorai, BB, 2011, 949, 950 unter II. 1.).

Wenn der Betriebsrat nicht beteiligt wird, so gilt das BEM als fehlerhaft. Der Arbeitgeber kann sich dann bei der von ihm im Kündigungsschutzprozess darzulegenden Verhältnismäßigkeit der Kündigung nicht auf die Durchführung eines BEM berufen (so Fabricius, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK – SGB IX, 3. Aufl. 2018, § 167 SGB IX, Rdnr. 48 m. w. N.).

(b)

Nach diesen Vorgaben des Gesetzgebers hat die Beklagte keine ordnungsgemäße Initiative zur Durchführung des BEM mit dem Kläger ergriffen.

Das Schreiben der Beklagten vom 16.10.2017 (Bl. 75 und 76 d. A.) enthält zwar die eindeutige Aufforderung an den Kläger, mit ihr ein BEM durchzuführen. Allerdings gibt es keinen Hinweis auf eine drohende Kündigung, der ebenfalls nicht fehlen darf (vgl. Lepke, in: Lepke, Kündigung bei Krankheit, 15. Aufl. 2015, II. Fristgemäße Kündigung durch den Arbeitgeber, Rdnr. 244). Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer nämlich im Vorfeld zur Akzeptanz eines BEM ggf. unter Androhung einer Kündigung drängen (Rose//Ghorai, BB 2011, 949, 950 unter II. 1. m. w. N.).

Außerdem gehört zu dem Ersuchen des Arbeitgeber um Zustimmung des betroffenen Arbeitnehmers zur Durchführung des BEM -neben dem Hinweis auf die Ziele des BEM sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten- die Information, die Zustimmung zu einem BEM könne auch unter der Maßgabe erteilt werden, ein Einverständnis zur Beteiligung des Betriebsrats werde nicht erteilt (so BAG, Beschl. v. 22.03.2016 -1 ABR 14/14-, AP Nr. 5 zu § 84 SGB IX = NZA 2016, 1283, 1286 unter B. III. 5. b) d. Gründe, Rdnr. 30). Fehlt diese Information -wie hier im Schreiben der Beklagten vom 16.10.2015 (Bl. 75 und 76 d. A.)- ist ein entsprechendes Einladungsschreiben nicht ordnungsgemäß und den Arbeitgeber treffen die oben beschriebenen Folgen bei der Darlegungs- und Beweislast (vgl. Inhester/Schimmelpfennig, DB 2018, 124, 127 unter II. 3. b) bb) am Ende).

Darüber hinaus beschränkt sich das Schreiben der Beklagten vom 16.10.2017 (Bl. 75, 76 d. A.) offenbar ausschließlich auf einen Informationsaustausch bzw. ein Gespräch zwischen der Beklagten und dem Kläger. Das BEM hingegen zeichnet sich dadurch aus, dass in jedem Falle der Betriebsrat und soweit erforderlich der Werks- oder Betriebsarzt (§ 81 Abs. 2 S. 2 SGB IX in der Fassung bis zum 31.12.2017) oder dann, wenn Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht kommen, auch die örtlich gemeinsamen Servicestellen hinzugezogen werden (§ 84 Abs. 2 S. 4 SGB IX). § 84 Abs. 2 S. 3 SBG IX in der Fassung bis zum 31.12.2017 verlangt, dass nicht nur auf Ziele, sondern auf die Ziele des BEM hingewiesen wird. Deshalb muss, wenn schon nicht der gesetzlich definierte Begriff des BEM verwendet wird, zumindest inhaltlich auf die Beteiligung des Betriebsrats und sonstiger Stellen hingewiesen werden. Das BEM soll mehr sein als das übliche Krankengespräch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (LAG Nürnberg, Urt. v. 28.01.2015 – 2 Sa 519/14 -, juris, unter 2. d. Gründe, Rdnr. 32).

Demgegenüber hat die Beklagte die vom Gesetzgeber verlangte Beteiligung des Betriebsrats an der Durchführung des BEM mit dem Kläger nicht erkennbar vorgenommen. Das zeigen auch die unbestritten gebliebenen Ausführungen im Schriftsatz des Klägers vom 02.03.2018 auf Seite 9 (Bl. 102 d. A.) unter IV., nach denen der Betriebsratsvorsitzende über den Termin sowie das stattfindende BEM lediglich durch den Kläger informiert wurde; zum Zeitpunkt des Gesprächs am 14.11.2017 waren dem Betriebsrat die Krankheitszeiten des Klägers nicht bekannt; da der Betriebsrat im Vorfeld nicht umfangreich und umfassend informiert worden war, hatte er gar nicht die Möglichkeit, an einer konstruktiven Lösung mitzuwirken.

Dabei ist von der Beklagten aber nicht beachtet worden, dass der Betriebsrat einen Anspruch auf Mitteilung der Arbeitsunfähigkeiten der Belegschaftsangehörigen hat, wobei der Betriebsrat schon dann zu unterrichten ist, sobald die Schwelle überschritten ist, nach der der Arbeitgeber das Klärungsverfahren einzuleiten hat. Dieser Anspruch folgt für den Betriebsrat nicht nur aus § 80 Abs. 2 BetrVG, sondern direkt aus § 84 Abs. 2 S. 6 und 7 SGB IX in der Fassung bis zum 31.12.2017 bzw. aus § 167 Abs. 2 S. 6 und 7 SGB IX ab dem 01.01.2018 (vgl. Fabricius, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK – SGB IX, 3. Aufl. 2018, § 167 SGB IX, Rdnr. 35).

(3)

Ist die Beklagte nach alledem ihrer Pflicht, den Kläger ordnungsgemäß zum BEM einzuladen und insoweit ein BEM zu versuchen, nicht nachgekommen, so unterliegt sie einer erhöhten Darlegungslast im Hinblick auf die Frage, ob denkbare mildere Mittel als der Ausspruch einer Beendigungskündigung gegeben sind (vgl. dazu: LAG Hamburg, Urt. v. 08.06.2017 -7 Sa 20/17-, NZA 2018, 25, 28 unter II. 2. b) bb) ccc) d. Gründe, Rdnr. 46).

Dieser Darlegungslast ist die Beklagte allerdings nicht nachgekommen.

Dass das BEM überflüssig war, weil die Durchführung ohne Aussicht auf Erfolg gewesen wäre, ist nicht erkennbar. Die Beklagte hat sich auch selbst nicht darauf berufen, dass ein BEM objektiv nutzlos war.

Dabei muss ohnehin berücksichtigt werden, dass ein BEM bei häufigen Kurzerkrankungen des Arbeitnehmers ebenfalls nicht ausgeschlossen oder von vornherein überflüssig ist. Nach der gesetzlichen Regelung des § 84 Abs. 2 SGB IX in der Fassung bis zum 31.12.2017 kommt es allein auf den Umfang, nicht auf die Ursache der Erkrankungen an. Auch aus Krankheiten, die auf unterschiedlichen Grundleiden beruhen, kann sich -zumal wenn sie auf eine generelle Krankheitsanfälligkeit des Arbeitnehmers hindeuten- eine Gefährdung des Arbeitsverhältnisses ergeben, der das BEM entgegenwirken soll (BAG, Urt. v. 20.11.2014 -2 AZR 755/13-, NZA 2015, 612, 616 unter B. I. 5. d) cc) (4) (a) d. Gründe, Rdnr. 42 m. w. N.). Dem Vorbringen der Beklagten lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass einem künftigen Auftreten erheblicher, über 6 Wochen hinausgehender Fehlzeiten des Klägers durch innerbetriebliche Anpassungsmaßnahmen nicht hätte entgegengewirkt werden können. Dass ihr entsprechende Maßnahmen nicht möglich oder zumutbar gewesen wären, hat sie nicht aufgezeigt.

Die Kündigung wäre selbst dann unverhältnismäßig, wenn feststünde, dass die tatsächlichen betrieblichen Bedingungen, zu denen der Kläger im Betrieb der Beklagten arbeitet, nicht geändert werden könnten. Es ist nämlich nicht auszuschließen, dass bei Durchführung eines BEM Rehabilitationsbedarfe in der Person des Klägers hätte erkannt und durch entsprechende Maßnahmen künftige Fehlzeiten spürbar hätten reduziert werden können (vgl. dazu: BAG, Urt. v. 20.11.2014 -2 AZR 755/13-, NZA 2015, 612, 616 unter B. I. 5. d) cc) (4) (c) d. Gründe, Rdnr. 47).

Insgesamt kann somit keine Rede davon sein, dass ein BEM in keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten des Klägers entgegenzuwirken und das Arbeitsverhältnis zu erhalten. Vielmehr ist es denkbar, dass ein BEM auch ein positives Ergebnis erbracht und Maßnahmen zum Abbau von Fehlzeiten des Klägers Erfolg gehabt hätten. Infolgedessen erweist sich der Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung vom 25.11.2017 (Bl. 14 d. A.) als „vorschnell“ und damit unverhältnismäßig.

(4)

Im Übrigen fällt die Interessenabwägung der dritten Prüfungsstufe auch wegen der Abwägungsgesichtspunkte auf der Seite des Klägers zu dessen Gunsten aus.

Die erforderliche Beeinträchtigung der Beklagten beschränkt sich im Wesentlichen auf den Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Belastungen mit Entgeltfortzahlungskosten. Soweit sich die Beklagte nämlich auch auf Betriebsablaufstörungen berufen hat, fehlt es trotz des entgegenstehenden Vortrags im Schriftsatz des Klägers vom 02.03.2018 auf den Seiten 7 und 8 (Bl. 100 und 101 d. A.) unter II. an einer ausreichenden Substantiierung durch die Beklagte. Ihrem Vorbringen lässt sich nicht entnehmen, wann welche Arbeitskollegen des Klägers anlässlich seines krankheitsbedingten Ausfalls welche Aufgaben an welchen Maschinen zu übernehmen hatten und welche Belastungen damit für diese verbunden waren (vgl. dazu: LAG Hamm, Urt. v. 15.04.2011 -13 Sa 1939/10-, juris, unter I. 2. a) d. Gründe, Rdnr. 56). Es fehlen auch Darlegungen dazu, wann es in der Vstraße zu einem Rückgang der Stückzahlen in welchem Umfang gekommen sein soll. Jedenfalls nachdem der Kläger Betriebsablaufstörungen in Abrede gestellt hat, wäre ein konkreter, ggf. auf Personaleinsatzplan und Lohnunterlagen gestützter Vortrag zu den einzelnen Ausfallzeiten erforderlich, aus welchem zu entnehmen ist, welche Ersatzkraft anstelle des Klägers dessen Aufgaben erledigt hat, ob gerade hierdurch Überstunden angefallen, eigene Arbeiten liegengeblieben sind oder inwiefern sich ggf. weitere wirtschaftlich nachteilige Folgen aus dem krankheitsbedingten Fehlen des Klägers ergeben haben (LAG Hamm, Urt. v. 06.05.2004 -8 (2) Sa 1615/03-, juris, unter I. 2. b) (2) d. Gründe, Rdnr. 23). Denn im Kündigungsschutzprozess muss der Arbeitgeber derartige Betriebsablaufstörungen substantiiert darlegen und diese ggf. beweisen (so LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 15.05.2009 -9 Sa 668/08-, juris, unter II. 3. a) d. Gründe, Rdnr. 21 m. w. N.).

Angesichts des langjährigen Bestands des Arbeitsverhältnisses seit 1985 und damit seit mehr als 32 Jahren im Kündigungszeitpunkt, angesichts des vorgerückten Lebensalters des Klägers von über 50 Jahren und seiner Unterhaltspflicht jedenfalls gegenüber seiner Ehefrau genügen die bisherigen und zu erwartenden Belastungen nicht den Anforderungen der Rechtsprechung. Denn auf der dritten Prüfungsstufe müssen die Entgeltfortzahlungskosten außergewöhnlich bzw. extrem hoch sein, um die weitere Beschäftigung wegen der Belastung mit Entgeltfortzahlungskosten nicht hinnehmbar und damit das Auflösungsinteresse des Arbeitgebers überwiegend erscheinen zu lassen (LAG Hamm, Urt. v. 20.08.2015 -11 Sa 553/15-, juris, unter II. 2. a) bb) d. Gründe, Rdnr. 42 m. w. N.).

Hier lag der Kläger lediglich in den Jahren 2017, 2015 und 2013 jeweils über dem Betrag für eine 6-wöchige Entgeltfortzahlung, während 2016 und 2014 von vornherein sowie 2012 und 2011 unter Außerachtlassung der jeweils unfallbedingten Entgeltfortzahlungskosten der Kostenrahmen von 6 Wochen nicht einmal überschritten wurde. Dies rechtfertigt aber nicht die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit durch Krankheitszeiten ganz erheblich beeinträchtigt werden wird, zumal mangels anderer Anhaltspunkte davon auszugehen ist, dass es in den mehr als 25 Jahren vor dem Jahr 2011 offensichtlich ungestört verlaufen ist (vgl. dazu: LAG Hamm, Urt. v. 15.04.2011 -13 Sa 1939/10-, juris, unter I. 2. d. Gründe, Rdnr. 68).

Nach alledem war es bei der gebotenen Abwägung der wechselseitigen Interessen nicht gerechtfertigt, den 1967 geborenen und zumindest gegenüber seiner Ehefrau zum Unterhalt verpflichteten Kläger das im November 2017 bereits seit über 32 Jahren bestandene Arbeitsverhältnis krankheitsbedingt zu kündigen.

Dies muss umso mehr gelten, wenn man die Angabe in dem Anhörungsschreiben der Beklagten vom 17.11.2017 auf Seite 4 (Bl. 81 d. A.) im letzten Absatz gegenüber dem Betriebsrat berücksichtigt, dass der Kläger darüber hinaus einen Grad der Behinderung von 40 hat. Denn im Rahmen der Interessenabwägung bei einer personenbedingten Kündigung kommt zu Gunsten des Arbeitnehmer eine bestehende Schwerbehinderung gerade dann zum Tragen, wenn der Sonderkündigungsschutz nach dem SGB IX nicht eingreift, weil der erforderliche Grad der Behinderung nicht vorliegt (Krause, in: von Hoyningen-Huene/Linck, Kündigungsschutzgesetz, Komm., 15. Aufl. 2013, § 1, Rdnr. 309).

2.

Dem Einspruch der Beklagten vom 30.04.2018 (Bl. 113 d. A.) gegen das Versäumnisurteil vom 24.04.2018 (Bl. 108 bis 110 d. A.) war ebenfalls der Erfolg zu versagen, soweit damit unter Ziffer 2. festgestellt worden ist, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht.

Es ist nämlich in der Judikatur der Gerichte für Arbeitssachen anerkannt, dass ein Arbeitnehmer mit seiner Klage gegen eine Kündigung vorsorglich auch den sog. allgemeinen Feststellungsantrag nach § 256 Abs. 1 ZPO stellen kann, um zu verhindern, dass der Arbeitgeber sich während des Rechtsstreits überraschend auf andere -zuweilen schlicht untergeschobene- Beendigungstatbestände beruft (vgl. BAG, Urt. v. 12.05.2005 -2 AZR 426/04-, NZA 2005, 1259, 1260 unter B. I. 2. d. Gründe m. w. N.). Ein solcher allgemeiner Feststellungsantrag soll, soweit er neben der Klage gemäß § 4 S. 1 KSchG erhoben wird, klären, ob das Arbeitsverhältnis aufgrund von Beendigungstatbeständen aufgelöst worden ist, die vom Streitgegenstand der Kündigungsschutzklage nicht erfasst sind (BAG, Urt. v. 20.03.2014 -2 AZR 1071/12-, NZA 2014, 1131, 1132 unter I. 3. b) d. Gründe, Rdnr. 18 m. w. N.). Dieses Klagebegehren wird daher im Fachschrifttum pointiert als „Schleppnetzantrag“ bezeichnet (s. Linck, in: von Hoyningen-Huene/Linck, Kündigungsschutzgesetz, Komm., 15. Aufl. 2013, § 4, Rdnr. 123 m. w. N.). Das ihm zugrundeliegende Schutzbedürfnis ist auch dem Kläger in diesem Rechtsstreit -ohne gegen die Akteure der Beklagten persönlichen Argwohn zu hegen- objektiv nicht abzusprechen (vgl. dazu: Arbeitsgericht Berlin, Urt. v. 20.12.2013 -28 Ca 13574/13-, juris, unter B. II. d. Gründe, Rdnr. 74 am Ende).

Dabei war ebenfalls zu berücksichtigen, dass die Beklagte der Aufforderung aus der Klageschrift vom 05.12.2017 auf Seite 2 (Bl. 11 d. A.), sich dazu zu erklären, ob sie sich für die Dauer des Rechtsstreits über die angegriffene Kündigung hinaus auf weitere Beendigungstatbestände berufen will, nicht nachgekommen ist.

3.

Schließlich war das klagestattgebende Versäumnisurteil vom 24.04.2018 (Bl. 108 bis 110 d. A.) auch im Hinblick auf den in zulässiger Weise in Form eines sog. uneigentlichen Hilfsantrages gestellten Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers aufrechtzuerhalten.

a)

Nach dem Beschluss des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 27.02.1985 -GS 1/84- (AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht = DB 1985, 2197 bis 2204) -dem sich die erkennende Kammer anschließt- ist die Beklagte entsprechend dem Verlangen des Klägers auch verpflichtet, diesen zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Maschineneinrichter bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Kündigungsrechtsstreits weiter zu beschäftigen.

Danach hat der gekündigte Arbeitnehmer auch außerhalb der Regelung des § 102 Abs. 5 BetrVG einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung über den Ablauf der Kündigungsfrist oder bei fristloser Kündigung über deren Zugang hinaus bis zu einer rechtskräftigen Beendigung des Kündigungsrechtsstreits, wenn die Kündigung unwirksam ist und überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers einer solchen Beschäftigung nicht entgegenstehen. Rechtsgrundlage dieses allgemeinen Beschäftigungsanspruchs des Arbeitnehmers (vgl. grundlegend: BAG, Urt. v. 10.11.1955 -2 AZR 591/54-, AP Nr. 2 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht = DB 1956, 114 m. w. N.) ist eine ergänzende Rechtsfortbildung des Dienstvertragsrechts der §§ 611 ff. BGB aufgrund von § 242 BGB i. V. m. Art. 1, 2 GG, die notwendig ist, da die verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen der Art. 1, 2 GG über den Persönlichkeitsschutz hinaus ganz allgemein auch den Schutz des individuellen Beschäftigungsinteresses des Arbeitnehmers durch die Anerkennung des grundsätzlich gegebenen Beschäftigungsanspruchs gebieten, sofern der Arbeitnehmer die Beschäftigung verlangt (BAG, GS, Beschl. v. 27.02.1985 -GS 1/84-, AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht = DB 1985, 2197, 2199 unter C. I. 2. b) d. Gründe).

b)

Vorliegend überwiegt aufgrund der die erste Instanz abschließenden Feststellung der Unwirksamkeit der streitbefangenen Kündigung das Interesse des Klägers an der Weiterbeschäftigung das der Beklagten an der Nichtbeschäftigung. Denn nach einem der Kündigungsschutzklage stattgebenden Urteil kann die verbleibende Ungewissheit bis zum endgültigen Prozessausgang für sich allein ein überwiegendes Interesses des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers nicht mehr begründen; vielmehr müssen hier zu der Ungewissheit des Prozessausgangs Elemente hinzutreten, aus denen sich im Einzelfall ein überwiegendes Interesses des Arbeitgebers ergibt, den Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen (BAG, GS, Beschluss vom 27.02.1985 – GS 1/84 -, AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht = DB 1985, 2197, 2204 unter C. II. 3. c) der Gründe).

Solche besonderen Umstände, die nach den allgemeinen Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislastverteilung der Arbeitgeber darlegen und beweisen muss (LAG München, Beschluss vom 19.08.1992 – 5 Ta 185/92 -, LAGE § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 32 auf Seite 4 m. w. N.), hat die Beklagte jedoch nicht vorgebracht. Sie hat insbesondere nicht dargelegt, dass sie eine Weiterbeschäftigung des Klägers zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Maschineneinrichter rechtlich oder tatsächlich unmöglich ist.

Im Übrigen ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Art der ausgeurteilten Beschäftigung des Arbeitnehmers aus dem Titel ersichtlich ist. Einzelheiten hinsichtlich der Art der Beschäftigung oder sonstige Arbeitsbedingungen muss der Titel demgegenüber nicht enthalten (so LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 06.09.2012 – 1 Ta 142/12 -, NZA-RR 2013, 101, 102 unter II. 3. der Gründe). Deshalb genügt die im Tenor des Versäumnisurteils vom 24.04.2018 (Bl. 108 – 110 d. A.) unter der Ziffer 3. vorgenommene Verurteilung der Beklagten zur Weiterbeschäftigung des Klägers zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Maschineneinrichter. Dies entspricht nicht nur der Angabe in der Klageschrift vom 05.12.2017 auf Seite 2 (Bl. 11 d. A.), sondern im Wesentlichen auch der Tätigkeitsbezeichnung im Anhörungsschreiben der Beklagten vom 17.11.2017 auf Seite 1 (Bl. 78 d. A.).

III.

1.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1, § 344 ZPO in Verbindung mit § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, § 495 Abs. 1 ZPO.

Als unterlegene Partei hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Dies gilt auch für die Kosten, die durch die Säumnis der Beklagten im Termin am 24.04.2018 entstanden sind und der Beklagten bereits gemäß § 344 ZPO aufzuerlegen waren. Das Versäumnisurteil vom 24.04.2018 (Bl. 108 – 110 d. A.) ist nämlich in gesetzlicher Weise erlassen worden, weil die Voraussetzungen nach § 331 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 333 ZPO vorlagen.

2.

Die im Urteil gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG zu treffende Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes ist nach § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG, § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit den §§ 3 ff. ZPO vorgenommen worden.

Die Höhe des festgesetzten Streitwertes ergibt sich zunächst für den Kündigungsschutzantrag aus dem Betrag des für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden Bruttoverdienstes des Klägers. Dabei hat die erkennende Kammer die korrigierte Angabe in dem Schriftsatz des Klägers vom 12.12.2017 (Bl. 31 d. A.), dass sein monatlicher Bruttoverdienst bei durchschnittlich 2.622,00 Euro liegt, zugrunde gelegt. Das kann auch den Kopien der Abrechnungen für August, September und Oktober 2017 auf Bl. 16 – 18 d. A. entnommen werden.

Dazu kam nach dem Additionsgebot des § 5 ZPO für den ebenfalls abgeurteilten Weiterbeschäftigungsantrag ein weiterer Bruttomonatsverdienst (siehe den Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit, NZA 2018, 498, 500 unter I. 26.).

Dagegen ist der allgemeine Feststellungsantrag aus der Klageschrift vom 05.12.2017 auf Seite 2 (Bl. 11 d. A.) unter 2., der neben dem punktuellen Kündigungsschutzantrag als „Schleppnetzantrag“ gemeint war, nicht zusätzlich zu bewerten (so der Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit, NZA 2018, 498, 499 unter 17.2).

 

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