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Krankheitsbedingte Kündigung bei häufigen Kurzerkrankungen

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 3 Sa 363/20 – Urteil vom 12.04.2021

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 28.10.2020, Az.: 4 Ca 580/20, wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher krankheitsbedingter Arbeitgeberkündigung vom 30.03.2020 am 31.03.2021 sein Ende gefunden hat, oder aber nicht.

Der 1960 geborene Kläger war bei den Beklagten seit 1993 als Angestellter im Außendienst beschäftigt. Zuletzt war er als Bezirksbeauftragter tätig, zumeist vom Homeoffice aus, teilweise auch von der Geschäftsstelle in B-Stadt. In den Jahren 2004 bis 2009 verdiente er jährlich im Durchschnitt 51.907,00 € brutto.

Mit Schreiben vom 24.03.2020 hat die Beklagte den bei ihr bestehenden Betriebsrat zur beabsichtigten ordentlichen krankheitsbedingten Kündigung des Klägers angehört. Das Anhörungsschreiben, hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Bl. 94 ff. d. A. Bezug genommen wird, hat u. a. folgenden Wortlaut:

„Der ordentlichen Kündigungsabsicht liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Arbeitgeber beabsichtigen, Herrn A. wegen hoher krankheitsbedingter Ausfallzeiten zu kündigen. Wie unten dargestellt, war Herr A. immer wieder arbeitsunfähig. Im Jahr 2012 fehlte er an 226 Kalendertagen. Im Jahr 2013 gingen die krankheitsbedingten Ausfallzeiten auf 43 Kalendertage zurück, bevor sie in den Folgejahren 2014 bis 2016 wieder exponentiell anstiegen. Im Jahr 2017 reduzierten sich die Ausfallzeiten minimal auf 340 Kalendertage. In 2018 fehlte Herr A. an 134 Kalendertagen. Seit dem 12 März 2019 fehlt Herr A. erneut ununterbrochen krankheitsbedingt. Ein Antrag auf Erwerbsminderungsrente wurde bisher nach unserem Kenntnisstand nicht gestellt.

Nachstehend listen wir Ihnen die krankheitsbedingten Fehlzeiten des Herrn A. aus den vergangenen Jahren auf.

……………………

In den Jahren 2014 bis 2020 (Stand 29. Februar 2020) mussten für Herrn A. Entgeltsfortzahlungskosten inklusive der Arbeitgebersozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 44.340,30 Euro Lohnanteil während Entgeltfortzahlung. Über die Lohnfortzahlung hinaus leisteten wir noch Zahlungen in Höhe von 24.892,98 Euro brutto (Urlaubszuwendungen, Weihnachtszuwendungen, Zuschuss zum Krankengeld und vermögenswirksame Leistungen). Hinzu kommen noch die darauf entfallenden Arbeitgebersozialversicherungsbeiträge.

Mit Schreiben vom 27. Mai 2019 haben wir Herrn A. zuletzt ein Erstgespräch im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) angeboten. Auch nach den Erinnerungen vom 30. August 2019, 23. September 2019 und 20. November 2019 erhielten wir keine Rückmeldung von Herrn A., sodass wir davon ausgehen, dass kein Interesse an der Durchführung eines BEM-Gespräches seitens Herrn A. besteht.

Nachdem Herr A. den Dienst nach ca. eineinhalbjähriger Abwesenheit im April 2018 wiederaufgenommen hat, fehlte er in der Zeit von Juni bis Oktober 2018 erneut wieder an insgesamt 29 Kalendertagen, bevor er in der Zeit von Ende Januar 2019 bis Februar 2019 erneut an 20 Kalendertagen fehlte. Seit dem 12. März 2019 ist Herr A. fortlaufend arbeitsunfähig. Wir müssen aufgrund der bisherigen Entwicklung davon ausgehen, dass eine dauerhafte Dienstaufnahme nicht möglich sein wird. Auch die durchgeführten Wiedereingliederungsmaßnahmen brachten nur kurzfristige Erfolge. Eine konstante Arbeitsphase ohne erneute Ausfallzeiten kurz nach Abschluss der Wiedereingliederung war in allen vier Fällen nicht möglich.

Aus diesem Grund beabsichtigten wir die Beschäftigungsverhältnisse des Herrn A. krankheitsbedingt, unter Einhalten der ordentlichen Kündigungsfrist, zum 31. März 2021 zu kündigen, vorausgesetzt, die Zustellung der Kündigung erfolgt bis spätestens 31. März 2020, andernfalls zum nächstmöglichen Zeitpunkt (30. Juni 2021).“

Mit Schreiben vom 25.03.2020 hat der Betriebsrat den Beklagten mitgeteilt, gegen die beabsichtigte Kündigung keine Bedenken zu haben und ihr zuzustimmen. Die Beklagte hat daraufhin das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 30.03.2020 zum 31.03.2021 gekündigt. Dagegen wendet sich der Kläger mit der ursprünglich gegen eine nicht bestehende Debeka AG erhobenen Klage, die sodann durch Beschluss vom 03.06.2020 im Gütetermin im erstinstanzlichen Rechtszug durch Rubrumsberichtigung auf die nunmehrigen Beklagten zu 1 und 2 umgestellt wurde.

Der Kläger hat vorgetragen, wegen des fortgesetzten „Bossing“ durch den Geschäftsstellenleiter E. H. in B-Stadt habe er erhebliche psychische Belastungen und damit einhergehend auch erhebliche körperliche Probleme erleiden müssen. Trotz verschiedener Krankenhausaufenthalte sei er auch grundsätzlich leistungsfähig und habe sich dementsprechend am 24.08.2020 entsprechend zum Dienst zurückgemeldet. Vor Ausspruch der Kündigung sei kein einziges ordnungsgemäßes betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt worden. Man habe ihm in den durchgeführten Gesprächen keine Möglichkeit der Äußerung gegeben oder zumindest die wenigen Äußerungen, die er habe tätigen konnte, ignoriert und sodann unbeachtet gelassen. Die Beklagte sei auch ihrer – unstreitig grundsätzlich bestehenden – Pflicht zur Weiterbeschäftigung auf einem anderen geeigneten und zumutbaren Arbeitsplatz nicht nachgekommen, obwohl sie darüber auch spätestens im Rahmen der Anhörung des Betriebsrates mit diesem habe beraten müssen. Die Hintergründe seiner Fehlzeiten seien alleine durch die Beklagten verschuldet.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Parteien durch die Kündigung vom 30.03.2020 nicht beendet wurde,

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 31.03.2021 hinaus fortbesteht.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben vorgetragen, aus den dem Betriebsrat mitgeteilten erheblichen Fehlzeiten des Klägers folgten auch die erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen. Zu den erheblichen Entgeltfortzahlungskosten komme hinzu, dass der Einsatz des Klägers in dem ihm dienstvertraglich allein zugewiesenen Arbeitsgebiet nicht planbar sei. Die Beklagten hätten die in diesem Arbeitsgebiet anfallenden Aufgaben an einen Vertreter vergeben müssen, der zusätzlich zu seinem eigenen Aufgabengebiet ein weiteres zu betreuen habe. Hinzukomme, dass die Beklagten das ihnen zustehende Direktionsrecht nunmehr über mehr als fünf Jahre nicht ansatzweise hätten ausüben können.

Das Vorbringen des Klägers betreffend BEM treffe nicht zu. Am 19.05.2015 sei ein BEM -Erstgespräch geführt worden; insoweit seien organisatorische Maßnahmen vereinbart worden, damit der Kläger zurück in den Arbeitsalltag habe finden können. Am 20.07.2015 habe ein Folgegespräch stattgefunden, indem festgestellt wurde, dass die zwischenzeitlich getroffenen Vereinbarungen Wirkung gezeigt hätten. Ein Abschlussgespräch wurde vereinbart für den 13.01.2016, unabhängig davon habe ein Personalgespräch am 24.11.2015 stattgefunden, indem es auch um das weitere Vorgehen gegangen sei, mit der Maßgabe, dass vereinbart worden sei, dass sich der Kläger um eine Versetzung in einen anderen Bereich bemühen wollte und daher ein entsprechendes Schreiben einreichen werde. Das für den 13.01.2016 terminierte Gespräch sollte entgegen der ursprünglichen Absicht danach erst dann stattfinden, wenn eine Beratung mit der Deutschen Rentenversicherung stattgefunden habe. Ab dem 14.12.2015 sei der Kläger freilich bis zum 30.10.2016 wiederum arbeitsunfähig gewesen. Nach weiterer Arbeitsunfähigkeit sei dem Kläger sodann am 28.01.2016 erneut die Durchführung eines BEM angeboten worden; eine schriftliche Äußerung dazu sei nicht erfolgt. Gleichwohl habe am 02.05.2016 ein Personalgespräch zwischen dem Kläger, der Verwaltungsleiterin und der Betriebsratsvorsitzenden stattgefunden, bei dem der Kläger erklärt habe, in Erwägung zu ziehen, eine Erwerbsminderungsrente zu beantragen. Eine weitere Gesprächsführung sei verschoben worden, weil sich der Kläger in einen stationären Aufenthalt habe begeben müssen. Vom 05.09. bis zum 31.10.2016 sei aufgrund eines von dem Kläger vorgelegten Plans eine stufenweise Wiedereingliederung durchgeführt worden; danach habe der Kläger seinen Dienst wiederaufgenommen, sei sodann aber ab dem 04.11.2016 erneut arbeitsunfähig bis zum 01.04.2017 gewesen. Vom 20.02.2017 bis zum 31.03.2017 habe der Kläger erneut eine stufenweise Wiedereingliederung absolviert, danach, am 03.04.2017, den Dienst wiederaufgenommen, sei jedoch am 24.04.2014 erneut bis zum 01.12.2017 arbeitsunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 11.05.2017 sei dem Kläger erneut ein BEM angeboten worden. Eine schriftliche Reaktion des Klägers sei nicht erfolgt; es habe lediglich telefonischen Kontakt gegeben. Am 18.10.2017 sei dem Kläger im persönlichen Gespräch erneut ein BEM angeboten und ihm ein Wiedereingliederungsplan für die Zeit vom 13.11.2017 bis zum 31.12.2017 vorgelegt worden. Zu dieser Maßnahme sei es aufgrund der gesundheitlichen Situation des Klägers jedoch nicht gekommen. Am 02.12.2017 habe der Kläger den Dienst wiederaufgenommen, Urlaub geltend gemacht und sei sodann ab dem 05.12.2017 erneut bis zum 15.04.2018 arbeitsunfähig gewesen. Für die Zeit vom 05.02. bis zum 16.03.2018 habe der Kläger sodann einen erneuten Wiedereingliederungsplan vorgelegt bekommen, dem die Beklagten zugestimmt hätten. Nach planmäßigem Beginn habe die Wiedereingliederung jedoch ab dem 28.02.2018 unterbrochen werden müssen. Eine einvernehmlich vereinbarte Wiedereingliederung bis zum 13.04.2018 sei sodann durchgeführt worden, sodass der Kläger am 15.04.2018 seinen Dienst wieder habe aufnehmen können. Allerdings sei er sodann ab dem 11.06.2018 bis zum 16.06.2018, am 03.09.2018 bis zum 15.09.2018, am 26.09.2018, sowie vom 16.10.2018 bis zum 24.10.2018 arbeitsunfähig gewesen. Auch vom 21.01.2019 bis zum 09.02.2019 sei der Kläger arbeitsunfähig gewesen. Ab dem 12. März 2019 schließlich sei er bis zum Ausspruch der Kündigung und darüber hinaus dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 27.05.2019 sei dem Kläger ein weiteres BEM angeboten worden. Nachdem der Kläger darauf nicht reagiert habe, ebenso wenig auf Erinnerungsschreiben vom 30.08.2019, 23.09.2019 und 20.11.2019, sei die streitgegenständliche Kündigung erklärt worden.

Eine Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung des Klägers bestehe nicht; der Betriebsrat sei ausweislich des Anhörungsschreibens ordnungsgemäß angehört worden.

Hinsichtlich der von der Beklagten als Beleg für ihr Vorbringen vorgelegten Unterlagen, insbesondere betreffend BEM wird auf Bl. 196 ff. d. A. Bezug genommen.

Zwar habe der Kläger am 24.08.2020 ohne vorherige Kontaktaufnahme zu dem Beklagten den Dienst wiederaufgenommen. Dies habe sich allerdings so gestaltet, dass er sich morgens um 8:27 Uhr beim Büroleiter in der Geschäftsstelle B-Stadt telefonisch gemeldet habe. Dieser habe den Kläger darauf hingewiesen, dass er sich bitte unverzüglich bei seinem Geschäftsstellenleiter zu melden habe, da er nach einer so langen Ausfallzeit zunächst ein Dienstaufnahmegespräch mit seinen Vorgesetzten führen müsse. Daraufhin habe sich der Kläger nicht rückgemeldet. Ein für den 25.08.2020 anberaumtes Personalgespräch sei von ihm nicht wahrgenommen worden. Am 26.08.2020 habe der Kläger per E-Mail erklärt, dass er die E-Mail mit der Einladung zum Personalgespräch nicht erhalten habe und damit auf eine E-Mail geantwortet, von der er behaupte, sie nicht erhalten zu haben. Dem Grunde nach sei dem Vorbringen des Klägers zu entnehmen, dass er keine Gespräche mit seinem Vorgesetzten führen möchte. Im Anschluss habe der Kläger auf die Kontaktversuche der Beklagten hin erklärt, aufgrund der Corona-Situation wünsche er kein persönliches Gespräch in der Geschäftsstelle B-Stadt. Seine geregelte Dienstaufnahme, so habe der Kläger auf Frage der Verwaltungsleiterin erklärt, stelle er sich so vor, dass er zunächst Rundschreiben lese, E-Mails abarbeiten und sich in die Neuigkeiten einarbeiten werde. Die Kündigung werde er nicht hinnehmen und nun Material für seinen Anwalt sammeln. Dies wolle er nicht in seiner Freizeit tun müssen, sondern während des bezahlten Dienstes erledigen.

Der Kläger hat insoweit repliziert, bis 2009 habe er ohne nennenswerte Krankheitszeiten seine Tätigkeit ausgeübt. Geändert habe sich dies erst durch die Versetzung des Klägers zur Geschäftsstelle B-Stadt mit deren Geschäftsleiter Herrn T. H. Ohne Begründung habe Herr H. in einem Personalgespräch Ende 2009 geäußert: „Ich bin enttäuscht!“ Dafür habe er keine weitere Begründung genannt. Hintergrund sei wohl die Berufung von Herrn A. zum Landesdirektor, der sich im Sommer 2009 nebst seinen Ideen und Grundsätzen vorgestellt habe. Dabei habe er geäußert (sinngemäß): „Ich mag keine Leute, die 60.000 Euro oder 70.000 Euro verdienen mit nur 85 Anträgen pro Jahr.“ Zuvor, 2007 oder 2008, als Herr A. noch Geschäftsstellenleiter im Bad Kreuznach gewesen sei, habe er dem Kläger gegenüber bei einem Gespräch betreffend die Situation des Klägers in Mainz, mit der er, der Kläger, nicht so richtig zufrieden gewesen sie, zu einer Äußerung von Herrn A. betreffend das Thema, wie Herr A. seine Aufgabe als Geschäftsstellenleiter auffasse, zu folgender Äußerung gekommen (sinngemäß): „Ich muss halt zusehen, dass meine Leute machen, was ich will. Denn wer nicht mitzieht, muss halt gehen. Wenn einer nicht freiwillig geht, gibt es ganztägige Zusammenarbeit. Das hält keiner lange aus.“ Zeitgleich im Bereich des Jahreswechsels 2009/2010 habe Herr A. geäußert: „Sehen sie zu, dass Sie den A. loswerden“. Der Geschäftsstellenleiter T. H. versuche seitdem, diese Aussage des Landesdirektors umzusetzen und zu verhindern, dass es bei dem Kläger zu einer beruflichen Fortentwicklung komme. Der Kläger sehe sich massivem Bossing ausgesetzt. So habe Herr H. geäußert: „Wenn ich Sie loswerden will, ist das ganz leicht. Alles nur eine Frage der Dokumentation!“. Als der Kläger im Oktober 2016 mit Herrn H. im Büro des Geschäftsstellenleiters gesessen habe, sei Herr H. aufgestanden, habe sich über den Tisch, Richtung des Klägers gebeugt, eine bedrohliche Haltung angenommen und gezischt: „Ich kann mit Dir machen, was ich will. Ich bin Geschäftsstellenleiter, mir kann keiner was, außer vielleicht der Herr A.“. Dieses massive Bossing führe seit nunmehr elf Jahren zu einer erheblichen psychischen Belastung des Klägers und damit auch zu erheblichen körperlichen Problemen bei ihm. Er habe sich eine Behandlung der Nasennebenhöhlen unterziehen müssen, weitere Klinikaufenthalte seien erforderlich gewesen wegen psychosomatischer Beschwerden, beides wiederholt. Er habe sich einer umfassenden Herzoperation unterziehen müssen, wegen eines Herzinfarkts nebst anschließender Rehabilitation. Er habe einen Tumor im Kopf / Aneurysma gehabt, einen Schlaganfall, einen dauerhaften Hörverlust rechts sowie bleibende Gleichgewichtsstörungen. Ihm sein ein Tumor mit einer Größe von ca. 750 Gramm im Bereich der linken Taille entfernt worden, weitere Klinikaufenthalte, u. a. wegen akuter psychosomatischer Beschwerden seien hinzugekommen. Ferner habe er sich einer Schilddrüsenoperation wegen eines Tumors unterziehen müssen. Hinzugekommen seien Klinikaufenthalte wegen der Nasennebenhöhlen, der Kiefernhöhle und akuter psychosomatischer Beschwerden. Seit etwa Mitte 2009 sehe sich der Kläger fortgesetzt der Abwertung, Entwertung, Kommunikationsbehinderung und Kommunikationsverweigerung, Unaufrichtigkeit, Führungsversagen, destruktiven Machtspielen und dergleichen ausgesetzt.

Es sei kein einziges ordnungsgemäßes BEM von der Beklagten durchgeführt worden. Gemäß § 23 Nr. 3 Abs. 1 MTV für das Private Versicherungsgewerbe sei die Beklagte zudem verpflichtet gewesen, dem Kläger einen anderen geeigneten und zumutbaren Arbeitsplatz im Unternehmen anzubieten. Dieser Pflicht sei sie nicht nachgekommen. Schließlich sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. Insoweit habe sie gemäß § 23 Nr. 3 Abs. 2 MTV für das Private Versicherungsgewerbe spätestens im Rahmen der Anhörung des Betriebsrats mit dem Betriebsrat beraten müssen, die Kündigung durch die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses vermieden werden kann. Dem sei die Beklagte nicht nachgekommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens des Klägers im erstinstanzlichen Rechtszug insoweit wird auf Bl. 114-119 d. A. und Bl. 141-144 d. A. nebst Anlagen (Bl. 120-124 d. A., Bl. 145 d. A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Mainz hat die Klage daraufhin durch Urteil vom 28.10.2020 – 4 Ca 580/20 – abgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 150-157 d. A. Bezug genommen.

Gegen das ihm am 10.11.2020 zugestellte Urteil hat der Kläger durch am 03.12.2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Er hat die Berufung durch am 09.02.2021 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem zuvor auf seinen begründeten Antrag hin durch Beschluss vom 12.01.2021 die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 09.02.2021 einschließlich verlängert worden war.

Der Kläger wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, er, der Kläger, habe sich verschiedenen Eingriffen unterziehen müssen, die letztendlich zumindest Großteils auch auf das Bossing zurückzuführen seien. Das Vorgehen des Geschäftsstellenleiters H. gegen den Kläger habe zu erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten geführt. Die durch das Bossing bedingten psychischen Belastungen und damit bedingten Arbeitsunfähigkeiten dürften nicht ausgeklammert werden. Deshalb sei die negative Zukunftsprognose nicht zu bejahen. Nichts anderes gelte für die psychosomatischen Beschwerden; insoweit müsse ebenfalls das fortgesetzte Bossing des Geschäftsstellenleiters berücksichtigt werden. Es sei des Weiteren medizinisch nicht ausgeschlossen, wenn auch nicht unbedingt typisch, dass eine Nasennebenhöhlenerkrankung auf psychosomatische Belastungen als Ursache zurückzuführen sei. Ferner müssten die bei derartigen psychischen Belastungen viel häufiger auftretenden und beim Kläger tatsächlich aufgetretenen Erkrankungen, wie Herzinfarkt und psychosomatische Beschwerden berücksichtigt werden. Das vorliegend gegebene Mitverschulden der Beklagten an den Erkrankungen des Klägers sei im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen. Ferner habe die Beklagte kein einziges ordnungsgemäßes BEM durchgeführt.

Er, der Kläger, könne in anderen Geschäftsstellen oder unter einer anderen Geschäftsstellenleitung erfolgreich seinen beruflichen Weg fortführen. Er sei ausreichend qualifiziert, zudem für eine Tätigkeit im Innendienst, wobei dies gar nicht erforderlich sei. Auch dies führe zur Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung.

Schließlich sei § 23 Nr. 3 Abs. 2 MTV für das private Versicherungsgewerbe nicht hinreichend beachtet worden. Wenn es letztlich derartige Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten gebe, wie vorliegend, müsse der Kläger nicht zwingend eine einzelne herausgreifen und diese ganz konkret benennen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 09.02.2021 (Bl. 182-185 d. A.) sowie seinen Schriftsatz vom 01.04.2021 (BL. 201, 202 d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 28.10.2020, Az. 4 Ca 580/20, wird abgeändert und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die seitens der Beklagten und Berufungsbeklagten erklärte Kündigung vom 30.03.2020 nicht beendet wird und über den 31.03.2021 hinaus fortbesteht.

Die Beklagten beantragen, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 28.10.2020 – 4 Ca 580/20 – zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und heben insbesondere hervor, die Berufungsschrift entspreche bereits nicht den Anforderungen des § 522 Abs. 3 ZPO. Zudem seien die Angriffe des Klägers auf das erstinstanzliche Urteil, soweit überhaupt nachvollziehbar, nicht substantiiert und könnten kein anderes Ergebnis rechtfertigen, als das im erstinstanzlichen Urteil niedergelegte. Den von der Beklagten im Einzelnen im erstinstanzlichen Rechtszug dargelegten Krankheitstagen sei der Kläger nicht entgegengetreten. Angaben, die einer konkreten Würdigung zugänglich seien, fehlten. Folglich sei eine negative Gesundheitsprognose gegeben. Das Vorbringen des Klägers betreffend Mobbing/Bossing sei pauschal und folglich unbeachtlich. Auf die Arbeitsaufnahme des Klägers am 25.08.2020, komme es vorliegend schon deshalb nicht an, weil der vorliegend maßgebliche Prognosezeitpunkt der des Ausspruchs der Kündigung sei. Substantiiertes Vorbringen betreffend BEM fehle. Gleiches gelte für die vermeintlich bestehende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit. Schließlich sei § 23 Ziffer 3 Nr. 2 MTV genüge getan. Denn ausweislich des Anhörungsschreibens an den Betriebsrat vom 24.03.2020 (S. 5, Ziff. 3) hätten die Beklagten ausdrücklich auf die Beratungspflicht hingewiesen. Es sei dargelegt worden, dass aus der Sicht der Beklagten keine der in § 23 Ziffer 3 Abs. 2 MTV genannten Möglichkeiten bestehe, gleichzeitig jedoch für den Fall, dass der Betriebsrat eine solche sehe, um entsprechende Rückmeldung gebeten worden. Hätte der Betriebsrat insoweit anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten gesehen, hätte er auf derartige hingewiesen und nicht ausdrücklich der Kündigung zugestimmt.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 04.03.2021 (Bl. 191-195 d. A.) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 12.04.2021.

Entscheidungsgründe

I.

Das Rechtsmittel der Berufung ist zwar form- und fristgerecht eingelegt worden; allerdings genügt die Berufungsbegründung nicht den gesetzlichen Anforderungen, so dass die Berufung bereits unzulässig ist.

Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG sind die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Begründung der Berufung auch im Urteilsverfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen anwendbar.

Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die Regelung des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Deshalb hat der die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und aus welchen Gründen er das angefochtene Urteil für unrichtig hält. Dadurch soll bloß formelhaften Berufungsbegründungen entgegengewirkt werden. Die Berufungsbegründung muss deshalb auf den Streitfall zugeschnitten sein. Eine schlüssige Begründung kann zwar nicht verlangt werden. Jedoch muss sich die Berufungsbegründung mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (BAG 23.11.2017 – 8 AZR 458/16; 26.04.2017- 10 AZR 275/16; 27.12.2016 – 2 AZR 613/14; 19.02.2013 – 9 AZR 543/11; 16.05.2012 – 4 AZR 245/10 -; 18.05.2011 – 4 AZR 552/09 -; BAG 15.03.2011 – 9 AZR 813/09 – Rn. 11, m. w. N., AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 44; BGH 22.01.2019 – XI ZB 9/18; LAG Rheinl.-Pfalz 25.09.2017 – 3 Sa 249/17, Beck RS 2017, 144194; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Arbeitsrechts, 15. Auflage 2019, Kap. 15, Rn. 720 ff.). Erforderlich ist die aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der weshalb bekämpft (BGH 22.01.2019 – XI ZB 9/18; 07.06.2018/I ZB 57/17, NJW 2018, 2894; 11.10.2016/XI ZB 32/15 NJW-RR 2017, 365).

Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründungsschrift des Klägers nicht. Denn die Berufungsbegründung besteht lediglich aus einer zusammenfassenden Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens. Eine Auseinandersetzung mit der Begründung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung findet nicht statt, außer dass deutlich wird, dass der Kläger mit dieser nicht einverstanden ist. Statt einer erforderlichen Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung wird die tatsächliche und rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen gerügt, nicht einmal das erstinstanzliche Vorbringen vollumfänglich wiederholt, erläutert oder ergänzt, sondern behauptet, freilich ohne nähere Erläuterung in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht, weil, und insoweit das Arbeitsgericht der Auffassung des Klägers nicht folge, die angefochtene Entscheidung unrichtig sei. Dies genügt den vorliegend maßgeblichen Anforderungen ersichtlich nicht.

II.

Unbeschadet dessen erweist sich die Berufung auch als unbegründet.

Das Arbeitsgericht ist insoweit im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die streitgegenständliche ordentliche krankheitsbedingte Kündigung der Beklagten vom 30.03.2020 das Arbeitsverhältnis, das vormals zwischen den Parteien bestanden hat, zum 31.03.2021 beendet hat.

Denn entgegen der Auffassung des Klägers sind die gesetzlichen Voraussetzungen des § 1 KSchG für die soziale Rechtfertigung einer ordentlichen krankheitsbedingten Kündigung vorliegend gegeben.

Insoweit gilt:

Nach der Rechtsprechung des BAG (7.11.2002 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 50; 19. 4. 2007 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 53; 8.11.2007 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 54; s. LAG Rheinland-Pfalz 17.6.2019, 3 Sa 32/19; 10.7.2017, 3 Sa 153/17) ist eine krankheitsbedingte Kündigung im Rahmen einer dreistufigen Überprüfung nur dann sozial gerechtfertigt, wenn aufgrund

-objektiver Umstände (insbes. bisheriger Fehlzeilen) bei einer lang anhaltenden Erkrankung mit einer weiteren Arbeitsunfähigkeit auf nicht absehbare Zeit bzw. bei häufigeren Kurzerkrankungen auch weiterhin (»Wiederholungsgefahr«) mit erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten gerechnet werden muss (negative Gesundheitsprognose):

-die entstandenen und prognostizierten Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen des Arbeitgebers führen (erhebliche betriebliche Auswirkungen haben) und

-sich im Rahmen der umfassenden Interessenabwägung im Einzelfall eine unzumutbare betriebliche oder wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers ergibt (s. DLW/Dörner, a.a.O., Rdrn. 2121 ff.).

Zu beachten ist des Weiteren das das gesamte Kündigungsrecht beherrschende Verhältnismäßigkeitsprinzip: Auch eine aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers ausgesprochene Kündigung ist unverhältnismäßig und damit rechtsunwirksam, wenn sie durch mildere Mittel vermieden werden kann (z. B. durch Qualifikation des Arbeitnehmers zur Bedienung neu angeschaffter Maschinen: LAG Hamburg 3. 4. 2009 – 6 Sa 47/08. AuR 2009. 319). d. h. wenn die Kündigung zur Beseitigung der eingetretenen Vertragsstörung nicht geeignet oder nicht erforderlich ist (BAG 10. 6. 2010 EzA § 1 KSchG Personenbedingte Kündigung Nr. 25).

Auch bei personenbedingten Kündigungen ist also unter Anwendung des Ultima-Ratio-Prinzips nach milderen Mitteln zur Erreichung künftiger Vertragstreue zu suchen; hierfür kommen sowohl eine Abmahnung bei steuerbarem Verhalten als auch eine Versetzungsmöglichkeit in Betracht (LAG Berlin-Brandenburg 12.8.2014 LAGE § 1 KSchG Personenbedingte Kündigung Nr. 28).

Voraussetzung für die soziale Rechtfertigung einer krankheitsbedingten Kündigung ist zunächst eine begründete negative Gesundheitsprognose. Denn eine Kündigung stellt keine Sanktion für vergangenheitsbezogenes Fehlverhalten dar, sondern ist nur ein Instrument, um betriebswirtschaftlich unvertretbaren Besetzungen von Arbeitsplätzen für die Zukunft zu begegnen.

Dafür muss der Arbeitnehmer Fehlzeiten infolge Krankheit in voraussichtlich so großem Umfang aufweisen, dass diese zu erheblichen und deshalb dem Arbeitgeber letztlich nicht mehr zumutbaren betrieblichen und/oder wirtschaftlichen Störungen führen würden. Beide Komponenten (Prognose krankheitsbedingter Pohlzeiten und die Prognose erheblicher betrieblicher und/oder wirtschaftlicher Belastungen) bilden den Kündigungsgrund (BAG 25. 11.1982 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 10).

Eine negative Gesundheilsprognose liegt dann vor. wenn zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung (BAG 25. 11.1982 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 10) aufgrund objektiver Tatsachen damit zu rechnen ist. dass der Arbeitnehmer auch in Zukunft seinem Arbeitsplatz krankheitsbedingt in erheblichem Umfang (aufgrund häufiger Kurzerkrankungen oder aufgrund einer lang anhaltenden Erkrankung) fernbleiben wird (s. BAG 20.11. 2014 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 60 = NZA 2015. 931). Trotz §§ 3 ff. EFZG kommt es nicht auf eine Überschreitung von 30 Arbeitstagen pro Jahr an; eine Prognose von 12 Arbeitstagen jährlich kann folglich genügen: a.A. unzutr. ArbG Stuttgart Kammer Ludwigsburg 2.3 2004 AuR 2004. 356 LS); ob die Grenze von 30 Arbeitstagen (§§ 3 ff. EFZG) überschritten wird, ist erst in der zweiten Stufe von Belang. Die negative Gesundheitsprognose muss in diesem Sinne eine objektive sein (zutr. LAG München 29.11. 2007 LAGE § 1 KSchG Krankheit Nr. 41).

Für diese Prognose spielen die bisherigen, objektiv feststellbaren Krankheitszeiten keine unmittelbare, allerdings eine mittelbare Rolle. Insoweit können auch vergangenheitsbezogene Fehlzeiten eine negative Gesundheitsprognose begründen.

Insoweit ist es nicht stets erforderlich, die Sechs-Wochenfrist des EFZG vor dem Ausspruch einer Kündigung abzuwarten. Die negative Gesundheitsprognose ist auch dann begründet, wenn der Arbeitnehmer erst kurze Zeit erkrankt ist und die konkreten Umstände (etwa unfallbedingte schwere Verletzungen) die Prognose einer lang andauernden Erkrankung dennoch rechtfertigen.

Eine danach begründete negative Gesundheitsprognose des Arbeitgebers kann der Arbeitnehmer dadurch entkräften, dass er darlegt, aufgrund welcher Umstände (etwa eine bevorstehende Operation, der fortgeschrittene Heilungsprozess, ggf. die Entdeckung eines neuartigen Heilmittels) mit seiner alsbaldigen Genesung und der Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit zu rechnen ist (BAG 6.9.1989 NZA § 1 KSchG Krankheit Nr. 26: LAG Schleswig-Holstein 11.3. 2008 NZA-RR 2008. 518 oder inwieweit eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit besteht, die keine Fehlzeiten erwarten lässt (s. BAG 19.4.2007 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 53). Dem wird er allerdings kaum nachkommen können, wenn er selbst seinen Gesundheitszustand und die weitere gesundheitliche Entwicklung negativ einschätzt (unklar LAG München 29.11.2007 LAGE § 1 KSchG Krankheit Nr. 41).

Nach der Rechtsprechung des BAG (10.11.2005 – 2 AZR 44/05. NZA 2006. 655: 8.11.2007 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 54; 20.11.2014 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 60 = NZA 2015. 931) ist die krankheitsbedingte Kündigung wie auch die personenbedingte Kündigung im Übrigen nur dann sozial gerechtfertigt, wenn sich im Einzelfall nach Maßgabe einer umfassenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls aufgrund der prognostizierten Belastung eine unzumutbare betriebliche oder wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers ergibt, so dass die prognostizierten betrieblichen Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber billigerweise nicht (mehr) hinzunehmen sind (s. Betz-Rehm/Schiepel/Kanne ZTR 2016. 239 ff.).

Diese Interessenabwägung muss also insbes. alle wesentlichen Umstände des Einzelfalles berücksichtigen. Sie muss vollständig sein, sie darf keine Widersprüche aufweisen.

Welche Umstände gegeneinander jeweils abzuwägen sind, richtet sich u. a. nach der Art des Kündigungsgrundes. Es ist daher nicht möglich, einen Katalog von wesentlichen Umständen aufzustellen, der in jedem Einzelfall der Interessenabwägung zugrunde zu legen ist (BAG 15.1.1970 AP Nr. 7 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung. 4.11.1981 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 9; 8.11.2007 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 54; 20. 11. 2014 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 60 = NZA 2015. 931).

Von maßgeblicher Bedeutung sind allerdings auch bei der personenbedingten Kündigung jedenfalls die Kriterien Alter, Betriebszugehörigkeit, das Ausmaß der Unterhaltsverpflichtungen sowie die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers (BAG 20. 1. 2000 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 47: 8.11.2007 EzA § I KSchG Krankheit Nr. 54: 20. 11. 2014 EzA §1 KSchG Krankheit Nr. 60: vgl. dazu Lingemann BB 2000. 1835 ff.: Lepke Kündigung bei Krankheit Rn. 144 ff.).

Im Rahmen einer krankheitsbedingten Kündigung können bei der Interessenabwägung die Krankheitsursachen von Bedeutung sein. In aller Regel ist dem Arbeitgeber die Hinnahme einer Beeinträchtigung seiner betrieblichen Interessen eher zuzumuten, wenn die Gründe für die Arbeitsunfähigkeit im betrieblichen Bereich liegen. Das schließt es in Fällen dauerhafter Leistungsunfähigkeit oder völliger Ungewissheit über die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers nicht aus, im Einzelfall das Beendigungsinteresse des Arbeitgebers gegenüber dem Interesse des Arbeitnehmers an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses höher zu bewerten, auch wenn die Leistungsunfähigkeit z. B. im Zusammenhang mit einem Arbeitsunfall steht (BAG 20.11.2014 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 60 = NZA 2015. 931).

Zugunsten des Arbeitgebers sind insbes. die betrieblichen Beeinträchtigungen, die Höhe der Entgeltfortzahlungskosten und die Kosten für eine Personalreserve zu berücksichtigen (BAG 16.2.1989 – 2 AZR 299/88. NZA 1989. 923; 29 7.1993 – 2 AZR 155/93, NZA 1994. 67; s. Betz- Rehm/Schiepel Kanne ZTR 2016. 239 ff.).

Ob die finanzielle Belastung des Arbeitgebers – insbes. durch die nach der negativen Gesundheitsprognose in Zukunft aufzuwendenden Entgeltfortzahlungskosten – dem Arbeitgeber noch zumutbar sind, hängt insbes. von der Dauer des ungestörten Bestandes des Arbeitsverhältnisses ab.

Je länger das Arbeitsverhältnis ungestört i. S. d. Nichtvorliegens krankheitsbedingter Fehlzeiten bestanden hat. desto mehr Rücksichtnahme ist vom Arbeitgeber zu erwarten (BAG 15. 2. 1984 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 15; 8.11.2007 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 54) und desto eher sind dem Arbeitgeber die nunmehr durch Fehlzeiten entstehenden betrieblichen Belastungen zuzumuten.

Besonderheiten gelten dann, wenn feststeht, dass der Arbeitnehmer dauernd unfähig ist, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen (s. BAG 19.04.2007 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 53; 20.11.2014 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 60 = NZA 2015, 93; DLW/Dörner, a.a.O., Kap. 4 Rz. 2294 ff.).

Eine lang andauernde krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit in der unmittelbaren Vergangenheit stellt dann jedenfalls ein gewisses Indiz für die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit in der Zukunft dar. Der Arbeitgeber genügt deshalb seiner Darlegungslast für eine negative Prognose insoweit zunächst, wenn er die bisherige Dauer der Erkrankung und die ihm bekannten Krankheitsursachen vorträgt (BAG 13.05.2015 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 61 = NZA 2015, 1249).

Nach Auffassung des BAG (29.04.1999 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 46; s. Gitter SAE 2000, 18 ff.) muss der Arbeitgeber in diesen Fällen nicht noch eine über die nachgewiesene dauernde Arbeitsunfähigkeit hinausgehende erhebliche Betriebsbeeinträchtigung darlegen; von ihrem Vorliegen ist vielmehr i. d. R. ohne Weiteres auszugehen (BAG 19.04.2007 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 53; 13.05.2015 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 61 = NZA 2015, 1249).

Denn wenn feststeht, dass der Arbeitnehmer in Zukunft die geschuldete Arbeitsleistung nicht mehr erbringen kann, dann handelt es sich nicht um eine Kündigung wegen Leistungsminderung infolge Krankheit, sondern um eine Kündigung wegen dauernder Unmöglichkeit.

Ein derartiges Arbeitsverhältnis ist schon aus diesem Grund auf Dauer ganz erheblich gestört (BAG 12.04.2002 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 49).

Die auf das jeweilige Arbeitsverhältnis bezogene unzumutbare betriebliche Beeinträchtigung besteht darin, dass der Arbeitgeber damit rechnen muss, dass der Arbeitnehmer auf Dauer außerstande ist, die von ihm geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.

Die dauerhafte Unfähigkeit des Arbeitnehmers, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen indiziert also eine negative Prognose hinsichtlich der künftigen Entwicklung des Gesundheitszustands. Sie führt des Weiteren – sofern es an alternativen, leidensgerechteren Beschäftigungsmöglichkeiten fehlt – regelmäßig zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen und ist damit geeignet, eine ordentliche krankheitsbedingte Kündigung zu rechtfertigen (BAG 20.11.2014 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 60 = NZA 2015, 931).

Die sich aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergebende Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer nach Möglichkeit zur Vermeidung einer Kündigung auf einem anderen – leidensgerechten – Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen, schließt in Krankheitsfällen die Pflicht des Arbeitgebers ein, eine entsprechend geeignete Stelle – falls möglich – durch Ausübung des Direktionsrechts (§ 106 GewO) „freizumachen“ und sich ggf. um die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats zu bemühen. Demgegenüber ist der Arbeitsgeber allein aufgrund des allgemeinen Kündigungsschutzes nicht verpflichtet, für den erkrankten Arbeitnehmer einen besetzten leidensgerechten Arbeitsplatz im Wege einer Kündigung „freizumachen“ Auch eine Schwerbehinderung des erkrankten Arbeitnehmers vermag eine solche Verpflichtung jedenfalls dann nicht zu begründen, wenn der Inhaber der infrage kommenden Stelle seinerseits allgemeinen Kündigungsschutz nach dem KSchG genießt. Fehlt es daran, kommt eine Pflicht zur „Freikündigung“ – soweit überhaupt – allenfalls dann in Betracht, wenn der schwerbehinderte Arbeitnehmer darlegt und ggf. beweist, dass der betroffene Stelleninhaber seinerseits nicht behindert ist und eine Kündigung für diesen keine besondere Härte darstellt. An dieser Darlegungslast ändert sich auch dadurch nichts, dass der Arbeitgeber – obwohl erforderlich – ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) nicht durchgeführt hat (BAG 20.11.2014 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 60 = NZA 2015, 931; s. DLW/Dörner, a.a.O. Kap. 4 Rz. 2303).

Ist der Arbeitnehmer bereits längere Zeit arbeitsunfähig krank (z B. 21 Monate) und ist im Zeitpunkt der Kündigung die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit noch völlig ungewiss, so kann diese Ungewissheit wie eine feststehende dauernde Arbeitsunfähigkeit zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen führen (BAG 20.11.2014 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 60; 13.05.2015 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 61 = NZA 2015, 1249). Die Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit steht einer krankheitsbedingten dauernden Leistungsfähigkeit aber nur dann gleich, wenn – ausgehend vom Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung – in den nächsten 24 Monaten mit einer anderen Prognose nicht gerechnet werden kann (BAG 29.04.1999 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 46; 13.05.2015 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 61 = NZA 2015, 1249; s. DLW/Dörner, a.a.O. Kap. 4 Rz. 2307 ff.).

Für die Prognose kommt es auf den Zeitpunkt der Kündigung an. Vor der Kündigung liegende Krankheitszeiten können in den Prognosezeitraum (24 Monate) nicht eingerechnet werden (BAG 12.04.2002 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 49). Diese Voraussetzungen sind dann erfüllt, wenn der Arbeitnehmer mehr als elf Monate wegen Krankheit fehlte und dem Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung die Nachricht der Bewilligung einer Erwerbsunfähigkeitsrente für drei Jahre zuging, sodass er von einer noch über zwei Jahre hinaus andauernden Arbeitsunfähigkeit ausgehen musste (Hessisches LAG 13.03.2001 NZA-RR 2002, 21).

Auch die Möglichkeit, bei einer lang andauernden Erkrankung eines Arbeitnehmers gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG eine Ersatzkraft auch für einen längeren Zeitraum als zwei Jahre befristet einzustellen, führt nach LAG Nürnberg (21.06.2006 NZA-RR 2007, 75) nicht dazu, bei der Prüfung der negativen Gesundheitsprognose und der betrieblichen Störungen auf einen längeren als zweijährigen Zeitraum ab Ausspruch der Kündigung abzustellen, innerhalb dessen nicht mit einer Rückkehr des erkrankten Mitarbeiters gerechnet werden kann.

Hinsichtlich der notwendigen Interessenabwägung ist dann zu berücksichtigen, dass sie zwar als letzte Prüfungsstufe systematisch auch bei einer Kündigung wegen dauernder oder diesem Tatbestand gleichstehender Arbeitsunfähigkeit auf unabsehbare Zeit erforderlich ist.

Sie kann aber nur bei Vorliegen einer besonderen Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers ausnahmsweise zu dem Ergebnis führen, dass der Arbeitgeber trotz der erheblichen Störung des Arbeitsverhältnisses auf nicht absehbare Zeit dessen Fortsetzung billigerweise weiter hinnehmen muss.

Maßgeblich zu berücksichtigen ist neben betrieblichen Ursachen für die Fehlzeiten (BAG 20.11.2014 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 60 = NZA 2015, 931; vgl. Pflüger DB 1995, 1766 f.) das Alter des Klägers sowie die Dauer des ungestörten Bestandes des Arbeitsverhältnisses (BAG 21.05.1992 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 35). In aller Regel ist dem Arbeitgeber zwar die Hinnahme einer Beeinträchtigung seiner betrieblichen Interessen eher zuzumuten, wenn die Gründe für die Arbeitsunfähigkeit im betrieblichen Bereich liegen. Das schließt es in Fällen dauerhafter Leistungsfähigkeit oder völliger Ungewissheit über die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses höher zu bewerten, auch wenn die Leistungsfähigkeit im Zusammenhang mit einem Arbeitsunfall steht (BAG 20.11.2014 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 60 = NZA 2015, 931).

Vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls ist für die Erstellung der Gesundheitsprognose ein Referenzzeitraum von drei Jahren maßgeblich (BAG 25.04.2018 – 2 AZR 6/18, EzA § 626 BGB 2002 Krankheit Nr. 5 = NZA 2018, 1056).

Der Kündigende ist darlegungs- und beweispflichtig für die Umstände, die für die ausgesprochene ordentliche Kündigung sozial zu rechtfertigen geeignet sein können.

Im Rahmen der ihr obliegenden Darlegungslast trifft jede Prozesspartei eine vollständige Substantiierungspflicht; sie hat sich eingehend und im Einzelnen nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiiert zu äußern. Andererseits darf von keiner Prozesspartei von Verfassung wegen etwas Unmögliches verlangt werden. Der Konflikt zwischen diesen beiden Positionen wird gelöst durch das Prinzip der Sachnähe, d. h., je näher eine Prozesspartei an dem fraglichen tatsächlichen Geschehen selbst unmittelbar und persönlich beteiligt ist, desto eingehender hat sie substantiiert vorzutragen. Das kann so weit gehen, dass sie auch verpflichtet sein kann, durch tatsächliches Vorbringen oder Vorlage von Unterlagen die Gegenpartei überhaupt erst in die Lage zu versetzen, der ihr obliegenden Darlegungslast nachzukommen. Schließlich muss das tatsächliche Vorbringen wahrheitsgemäß sein (vgl. BAG 26.06.2008, 23.10.2008 EzA § 23 KSchG Nr. 32, Nr. 33).

Der Umfang der Darlegungs- und Beweislast richtet sich danach, wie substantiiert der Gekündigte sich auf die Kündigungsgründe einlässt. Der Kündigende muss daher nicht von vornherein alle nur denkbare Rechtfertigungsgründe widerlegen.

Für das tatsächliche Vorbringen sowohl der darlegungsbelasteten Partei als auch des Prozessgegners gelten gemäß § 138 ZPO folgende Anforderungen:

Gemäß § 138 Abs. 1 ZPO haben die Parteien ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben. Gemäß § 138 Abs. 2 ZPO hat sich jede Partei über die von dem Gegner behauptete Tatsachen zu erklären. Gemäß § 138 Abs. 3 ZPO sind Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht. Gemäß § 138 Abs. 4 ZPO ist eine Erklärung mit Nichtwissen nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.

Insoweit hat jede Partei ihre allgemeine Darlegungslast zu beachten, die sie für die tatsächlichen Behauptungen trägt, für die sie die objektive Beweislast hat. Sie genügt den insoweit maßgeblichen Anforderungen dann, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen (BGH 31.07.2013 – VII ZR 59/12 – NJW 2013, 3180; 09.02.2009 – II ZR 77/08 – NJW 2009, 2137). Der Grad der Wahrscheinlichkeit der Behauptungen ist für den Umfang der Darlegungslast ohne Bedeutung (BGH 11.11.2014 – VIII ZR 302/13 – NJW 2015, 409). Im Interesse der Wahrung von Art. 103 Abs. 1 GG darf das Gericht keine überspannten Anforderungen an die Darlegung stellen (BGH 06.12.2012 – III ZR 66/12 – NJW – RR 2013, 296). Gemäß § 138 Abs. 2 ZPO hat sich sodann jede Partei über die vom Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. Die Anforderungen an die Substantiierungspflicht des Bestreitenden – vorliegend des Klägers – hängen davon ab, wie substantiiert der darlegungspflichtige Gegner – hier die Beklagte – vorgetragen hat (BGH 03.02.1999 – VIII ZR 14/98 – NJW 1999, 1404; 11.06.1990 – II ZR 159/89 – NJW 1990, 3151). In der Regel genügt gegenüber einer Tatsachenbehauptung des Darlegungspflichtigen das einfache Bestreiten des Gegners. Ob und inwieweit die nicht darlegungsbelastete Partei ihren Sachvortrag substantiieren muss, lässt sich nur aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag bestimmen, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrags bei hinreichendem Gegenvortrag immer zunächst Sache der darlegungs- und beweispflichtigen Partei ist (LAG Rheinland-Pfalz 10.07.2019 – 7 Sa 433/18 – NZA – RR 2019, 578). Eine darüber hinausgehende Substantiierungspflicht trifft die nicht beweisbelastete Partei nur ausnahmsweise dann, wenn der darlegungspflichtige Gegner außerhalb des von ihm darzulegenden Geschehensablaufs steht und die maßgebenden Tatsachen nicht näher kennt, wenn sie der anderen Partei bekannt und ihr ergänzende Angaben zuzumuten sind (BGH 03.02.1999, a.a.O.). Eine über diese anerkannten Fälle der Pflicht zum substantiierten Bestreiten hinausgehende allgemeine Aufklärungspflicht der nicht darlegungs- und beweispflichtigen Partei kennt die Zivilprozessordnung nicht (BAG 20.11.2003 – 8 AZR 580/02 – NJW 2004 2848; BGH 11.06.1990 a.a.O.). Keine Partei ist – über die genannten Fälle hinaus – gehalten, dem Kläger für seinen Prozesssieg das Material zu verschaffen, über das er nicht schon von sich aus verfügt (BGH 11.06.1999, a.a.O.). Eine allgemeine, nicht aus besonderen Rechtsgründen abgeleitete Pflicht zur Auskunftserteilung besteht (auch) im Arbeitsverhältnis nicht (BAG 14.11.2012 – 10 AZR 783/11 – Beck RS 2013, 65960). Zu berücksichtigen ist auch, dass für den Zivilprozess ebenso wie für strafrechtliche oder vergleichbare Verfahren anerkannt ist, dass die Wahrheitspflicht der Partei dort ihre Grenze findet, wo sie gezwungen wäre, eine ihr zur Unehre gereichende Tatsache oder eine von ihr begangene strafbare Handlung zu offenbaren (BVerfG 13.01.1981 – 1 BVR 116/77 – NJW 1981, 1431).

Gemäß § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist.

Auf der Basis der abgeschlossenen Beweisaufnahme stellt die richterliche Würdigung einen internen Vorgang in der Person der Richter zur Prüfung der Frage dar, ob ein Beweis gelungen ist. Im Rahmen dieses internen Vorgangs verweist § 286 ZPO ganz bewusst auf das subjektive Kriterium der freien Überzeugung des Richters und schließt damit objektive Kriterien – insbesondere die naturwissenschaftliche Wahrheit – als Zielpunkt aus. Die gesetzliche Regelung befreit den Richter bzw. das richterliche Kollegium von jedem Zwang bei seiner Würdigung und schließt es damit auch aus, dass das Gesetz dem Richter vorschreibt, wie er Beweise einzuschätzen und zu bewerten hat. Dabei ist Bezugspunkt der richterlichen Würdigung nicht nur das Ergebnis der Beweisaufnahme, sondern der gesamte Inhalt der mündlichen Verhandlung (vgl. Münchner Kommentar zur ZPO – Prütting, 4. Auflage 2013, § 286 Rn. 1 ff.).

Hinsichtlich der Anforderungen an die richterliche Überzeugung ist von Folgendem auszugehen: Die richterliche Überzeugung ist nicht gleichzusetzen mit persönlicher Gewissheit. Der Begriff der Gewissheit stellt nämlich absolute Anforderungen an eine Person. Er lässt für – auch nur geringe – Zweifel keinen Raum. Dies wird gesetzlich aber nicht verlangt; die gesetzliche Regelung geht vielmehr davon aus, das Gericht müsse etwas für wahr „erachten“. Bei dem Begriff der richterlichen Überzeugung geht es also nicht um ein rein personales Element der subjektiven Gewissheit eines Menschen, sondern darum, dass der Richter in seiner prozessordnungsgemäßen Stellung bzw. das Gericht in seiner Funktion als Streit entscheidendes Kollegialorgan eine prozessual ausreichende Überzeugung durch Würdigung und Abstimmung erzielt. Daraus folgt, dass es der richterlichen Überzeugung keinesfalls im Weg steht, wenn dem Gericht aufgrund gewisser Umstände Unsicherheiten in der Tatsachengrundlage bewusst sind. Unerheblich für die Beweiswürdigung und die Überzeugungsbildung ist auch die Frage der Beweislast. Richterliche Überzeugung ist vielmehr die prozessordnungsgemäß gewonnene Erkenntnis des einzelnen Richters oder der Mehrheit des Kollegiums, dass die vorhandenen Eigen- und Fremdwahrnehmungen sowie Schlüsse ausreichen, die Erfüllung des vom Gesetz vorgesehenen Beweismaßes zu bejahen. Es darf also weder der besonders leichtgläubige Richter noch der generelle Skeptiker ein rein subjektives Empfinden als Maß der Überzeugung setzen, sondern jeder Richter muss sich bemühen, unter Beachtung der Prozessgesetze, Ausschöpfung der gegebenen Erkenntnisquellen und Würdigung aller Verfahrensergebnisse in gewissenhafter und vernünftigerweise eine Entscheidung nach seiner Lebenserfahrung darüber zu treffen, ob im Urteil von der Wahrheit einer Tatsachenbehauptung auszugehen ist. Dabei muss sich das Gericht allerdings der Gefahren für jede Wahrheitsfindung bewusst sein.

Dabei ist letzten Endes ausschlaggebend, dass das Gesetz eine von allen Zweifeln freie Überzeugung nicht voraussetzt. Vielmehr kommt es auf die eigene Überzeugung des entscheidenden Richters an, auch wenn andere zweifeln oder eine andere Auffassung erlangt haben würden. Der Richter darf und muss sich aber in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGHZ 53, 245 = NJW 1970, 946; vgl. Münchner Kommentar zur ZPO – Prütting a. a. O., Rn. 28 ff). Vom Richter wird letztlich verlangt, dass er die volle Überzeugung erlangt, dass er eine streitige Tatsachenbehauptung für wahr erachtet. Diese Überzeugung kann und darf er nicht gewinnen, wenn für die streitige Behauptung nur die überwiegende Wahrscheinlichkeit spricht, vielmehr muss für die behauptete Tatsache eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit sprechen, damit der Richter die Tatsache für wahr erachtet.

Die Tatsachengerichte haben nach § 286 Abs. 1 S. 2 ZPO die wesentlichen Grundlagen ihrer Überzeugungsbildung nachvollziehbar darzulegen (BAG 21.09.2017 – 2 AZR 57/17, EzA § 4 KSchG n.F. Nr. 101 = NZA 2017, 1524). Für die volle richterliche Überzeugungsbildung nach § 286 Abs. 1 ZPO ist dabei, wie dargelegt, ausreichend, dass ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit erreicht ist, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig ausschließen zu müssen (BAG 25.04.2018 – 2 AZR 611/17, EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 17 = NZA 2018, 1405).

Soll ein Vortrag mittels Indizien bewiesen werden, hat das Gericht zu prüfen, ob es die vorgetragenen Hilfstatsachen – deren Richtigkeit unterstellt – von der Wahrheit der Haupttatsache überzeugen. Es hat die insoweit maßgebenden Umstände vollständig und verfahrensrechtlich einwandfrei zu ermitteln und alle Beweisanzeichen erschöpfend zu würdigen. Die wesentlichen Grundlagen der Überzeugungsbildung sind nach § 286 Abs. 1 S. 2 ZPO nachvollziehbar darzulegen. Dies erfordert keine ausdrückliche Auseinandersetzung mit allen denkbaren Gesichtspunkten. Die Urteilsgründe müssen aber erkennen lassen, dass überhaupt eine sachentsprechende Beurteilung stattgefunden hat. Es genügt nicht, allein durch formelhafte Wendungen ohne Bezug zu den konkreten Fallumständen zum Ausdruck zu bringen, das Gericht sei von der Wahrheit einer Tatsache überzeugt oder nicht überzeugt (BAG 25.04.2018 – 2 AZR 611/17, EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 17 = NZA 2018, 1405).

Dem Tatrichter ist es nach § 286 ZPO grundsätzlich auch erlaubt, allein aufgrund des Vortrags der Parteien und ohne Beweiserhebung festzustellen, was für wahr und was für nicht wahr zu erachten ist. Er kann im Rahmen der freien Würdigung des Verhandlungsergebnisses den Behauptungen und Angaben (vgl. § 141 ZPO) einer Partei unter Umständen auch dann glauben, wenn diese ihre Richtigkeit sonst nicht – auch nicht mittels Parteivernehmung, weil es an der erforderlichen Anfangswahrscheinlichkeit fehlt – beweisen kann. Hat die erste Instanz ihre freie Überzeugung nach § 286 ZPO auf eine Parteianhörung gestützt, muss das Berufungsgericht sich im Rahmen seiner Überzeugungsbildung mit dem Ergebnis dieser Parteianhörung auseinandersetzen und die informatorische Anhörung nach § 141 ZPO ggf. selbst durchführen (BGH 27.09.2017 – XII ZR 48/17, NJW-RR 2018, 249).

Das Arbeitsgericht hat insoweit in der streitgegenständlichen Entscheidung ausgeführt:

„Der Kläger hat die im Tatbestand zitierten Krankheitstage nicht bestritten, ist jedoch der Auflage im Gütetermin, die Gründe bisheriger Arbeitsunfähigkeitszeiten sowie ggf. weitere Tatsachen darzulegen, die für eine positive Gesundheitsprognose sprechen nur unzureichend nachgekommen. In seinem Schriftsatz vom 10.09.2020 macht er konkret lediglich folgende Angaben: März 2010 Klinikum Ludwigshafen zur Behandlung der Nasennebenhöhlen, Frühjahr und Herbst 2012 jeweils einige Wochen wegen psychosomatischer Beschwerden in einer Klinik im Odenwald, im Augst 2014 eine erneute Behandlung im Klinikum Ludwigshafen bezüglich der Nasennebenhöhlen, im Februar 2015 eine umfassende Herzoperation im Klinikum Ludwigshafen nach einem Herzinfarkt, wobei ihm fünf Bypässe gelegt wurden und er sich anschließend in der Rehabilitation befand. Mai bis Juli 2016 sieben Wochen wegen akuter psychosomatischer Beschwerden im Odenwald, November bis Dezember 2016 Aufenthalt im Klinikum Ludwigshafen wegen eines Tumors im Kopf mit Schlaganfall, Juli 2017 eine operative Tumorentfernung, danach wieder zehn Wochen in einer Klinik wegen akuter psychosomatischer Beschwerden und im Dezember 2017 eine tumorbedingte Schilddrüsenoperation im Klinikum sowie im selben Monat „ebenfalls wieder einen Klinikaufenthalt in dem Klinikum Ludwigshafen wegen der Nasennebenhöhlen“. Gleiches sei auch im April 2019 gewesen, nämlich ein Klinikaufenthalt wegen der Nasennebenhöhle und der Kiefernhöhle sowie im Zeitraum Mai bis Juli 2019 wieder acht Wochen wegen psychosomatischer Beschwerden in der Klinik im Odenwald.

Das erklärt nur einen Teil der Arbeitsunfähigkeitszeiten ab 2012, so ist insbesondere nichts dazu vorgetragen, weshalb der Kläger im Jahre 2018 an insgesamt 134 Arbeitstagen arbeitsunfähig erkrankt war.

Ähnliches gilt für die Jahre zuvor, so war der Kläger etwa im Jahre 2017 an 340 Kalendertagen arbeitsunfähig erkrankt, d. h. fast das ganze Jahr, gibt aber lediglich für die zweite Hälfte verschiedene Klinikaufenthalte an.

Im Jahr 2016 war der Kläger sogar an 362 Kalendertagen arbeitsunfähig erkrankt, gibt jedoch lediglich einen siebenwöchigen Klinikaufenthalt wegen akuter psychosomatischer Beschwerden an.

Nach alledem muss es weitere Ursachen für die bisherigen Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers geben und auch soweit er Ursachen für Fehlzeiten benennt, zeigt sich, dass er neben den unspezifisch sogenannten psychosomatischen Beschwerden sowie der Nasennebenhöhlen immer wieder erkrankte.

Insgesamt ergibt sich dadurch im kündigungsschutzrechtlichen Sinne das Krankheitsbild häufiger Kurzerkrankungen in Abgrenzung zu einer langanhaltenden Dauererkrankung.

Bei derartigen Sachverhalten geht die Rechtsprechung von einem dreistufigen Prüfungsschema aus: Es müssen objektive Tatsachen vorliegen, die die ernste Besorgnis weiterer Erkrankungen rechtfertigen, diese prognostizierten Kurzerkrankungen müssen zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher oder wirtschaftlicher Interessen des Arbeitgebers führen und eine abschließende Interessenabwägung zu Lasten des Arbeitnehmers ausfallen.

Die negative Gesundheitsprognose ergibt sich bei häufigen Erkrankungen verschiedener Art in der Vergangenheit aus der Indizwirkung der bisherigen Fehlzeiten. Ist ein Arbeitnehmer über viele Jahre häufig krank, ist schon allein aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Menschen mit zunehmendem Alter nicht gesünder werden, davon auszugehen, dass sich die bisherigen Fehlzeiten in der Zukunft entsprechend fortsetzen.

Diese Indizwirkung kann der Arbeitnehmer widerlegen, indem er im Einzelnen vorträgt, welche früheren Fehlzeiten beispielsweise auf Unfällen berufen, hinsichtlich derer keine Wiederholungsgefahr anzunehmen ist, oder auf Krankheiten zurückgehen, die beispielsweise durch eine Operation vollständig ausgeheilt sind.

Der Vortrag des Klägers, dem im Gütetermin entsprechender Vortrag aufgegeben worden war, ist nicht ausreichend, die Indizwirkung der bisherigen Fehlzeiten zu widerlegen. Zwar ist sicherlich bei einem Herzinfarkt, Schlaganfall oder der Entfernung eines Tumors keine Wiederholungsgefahr anzunehmen, der Kläger war jedoch in jedem Jahr in erheblichem Umfang auch wegen anderer Erkrankungen arbeitsunfähig krankgeschrieben, die er zum Teil nicht benennt oder hinsichtlich derer nicht ersichtlich ist, inwiefern sie ausgeheilt wären. Das betrifft zum einen die nicht näher dargelegten psychosomatischen Beschwerden ebenso wie die rezidivierenden Nasennebenhöhlenerkrankungen.

Auf der zweiten Stufe des Prüfungsschemas hat der Arbeitgeber betriebliche Beeinträchtigungen darzulegen, wobei es zum einen Betriebsablaufstörungen oder zum anderen auch rein wirtschaftliche Folgen sein können, die sich aus der zu entrichtenden Entgeltfortzahlung ergeben können.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes kann es dabei bereits ausreichen, wenn zu erwarten ist, dass der Arbeitgeber künftig jährlich mehr als sechs Wochen Entgeltfortzahlung zu leisten hat. Hiervon ist vorliegend ohne weiteres auszugehen.

Bei der schließlich noch vorzunehmenden Interessenabwägung ist im Einzelfall zu prüfen, ob die betrieblichen oder wirtschaftlichen Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber noch hinzunehmen sind oder ein solches Ausmaß erreicht haben, dass diese für ihn nicht mehr tragbar sind. Sind betriebliche Verhältnisse nicht die alleinige oder primäre Ursache für krankheitsbedingte Fehlzeiten, sondern wirken sich diese nur bei einer bestimmten Veranlagung des Arbeitnehmers aus (z. B. erhöhte Reizbarkeit des Bronchialsystems), ist das für die Abwägung der Vertragsinteressen zwar erheblich, ohne dass es aber zu beanstanden ist, wenn dem kein ausschlagendes Gewicht zuerkannt wird (ErfK – Oetker, § 1 KSchG, Rdz. 146 m. w. N.).

Insoweit macht der Kläger zwar geltend, dass die „Hintergründe seiner Fehlzeiten alleine durch die Beklagtenseite verschuldet“ seien, weil er fortgesetztem „Mobbing und Bossing“ ausgesetzt sei.

Eine derartige pauschale Behauptung, kann die Kammer jedoch ihrer Wertung nicht zu Grunde legen. Es ist auch schwer vorstellbar, wie sog. „Mobbing und Bossing“, was immer im Einzelnen darunter zu verstehen sein mag, zu einer Nebenhöhlenerkrankung führen können.

Unabhängig davon wäre ein Mitverschulden der Beklagten an den Erkrankungen des Klägers – wie im Kammertermin unter Verweis auf den Arbeitsunfall dargestellt – auch kein hinreichendes Argument, um im Rahmen der Interessenabwägung die Kündigung für unwirksam zu halten.

Was den Einwand des Klägers anbelangt, ein richtiges betriebliches Eingliederungsmanagement habe nicht stattgefunden, ist darauf hinzuweisen, dass selbst das Unterlassen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nicht zur Unverhältnismäßigkeit einer ordentlichen Kündigung führt, sondern lediglich zu einer verschärften Darlegungslast des Arbeitgebers.

Was die in diesem Zusammenhang zuletzt aufgeworfene Frage einer Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz anbelangt, wäre es Sache des Klägers gewesen, einen derartigen konkret aufzuzeigen.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagte in ihrer Betriebsratsanhörung auch auf die Frage eines möglichen anderweitigen Einsatzes des Klägers zu sprechen kam und den Betriebsrat auf die tarifliche Beratungspflicht hinwies.

Mangels weiterer Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass der Betriebsrat auf eine derartige Beschäftigungsmöglichkeit hingewiesen hätte, so sie denn bestehen würde. Stattdessen stimmte er der Kündigung jedoch ausdrücklich zu.

Im Rahmen der Interessenabwägung spricht zu Gunsten der Beklagten auch, dass sie viele Jahre mit außerordentlich hohen Fehlzeiten zuwartete, ehe sie die Kündigung des Arbeitsverhältnisses aussprach.

Dass der 1960 geborene Kläger eine vergleichbare Stelle kaum mehr finden wird, ist zwar anzunehmen, andererseits ist er auch rentennah und hat keinerlei Unterhaltspflichten.

Nach alledem waren für die Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung maßgeblichen Zeitpunkt ihres Zugangs sämtliche Voraussetzungen für eine wirksame krankheitsbedingte Kündigung gegeben, weshalb die Klage insgesamt mit der Kostenfolge des § 91 Abs. 1 ZPO abzuweisen war.“

Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer voll inhaltlich an, nimmt darauf ausdrücklich Bezug und stellt dies hiermit gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest.

Das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des insoweit maßgeblichen Lebenssachverhalts. Denn es enthält keinerlei neue, nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierte Tatsachenbehauptungen, die zu einem anderen Ergebnis führen könnten. Gleiches gilt für etwaige Rechtsbehauptungen. Es macht vielmehr lediglich – wenn auch aus der Sicht des Klägers heraus verständlich – deutlich, dass der Kläger mit der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung des tatsächlichen und rechtlichen Vorbringens des Klägers im erstinstanzlichen Rechtszug, der die Kammer folgt, nicht einverstanden ist.

Vorliegend ist entgegen der Auffassung des Klägers davon auszugehen, dass eine negative Gesundheitsprognose gegeben ist. Diese bezieht sich nicht nur darauf, dass zukünftig mit mehr als 30 Arbeitstagen pro Jahr an Fehlzeiten zu rechnen ist; vielmehr ist aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Parteien und insbesondere auch des Klägers vom Vorliegen einer dauerhaften Leistungsunfähigkeit des Klägers auszugehen. Insoweit ist die negative Gesundheitsprognose der dauerhaften Arbeits- bzw. Leistungsunfähigkeit nicht nur dann zu bejahen, wenn ein Arbeitnehmer die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung überhaupt nicht mehr erbringen kann, sondern vor dem Hintergrund der schutzberechtigten Arbeitgeberposition bereits dann, wenn die Wiederherstellung der Arbeitskraft des Arbeitnehmers völlig ungewiss ist (BAG 18.01.2007 – 2AZR 759/05). Insoweit genügt es, dass die Leistungsfähigkeit des Klägers deutlich eingeschränkt ist. Eine zudem auf noch gewisse „Restleistungsfähigkeit“ hinauslaufende Prognose hindert die Gesamteinschätzung „negativ“ insoweit nicht (BAG 20.03.2014 – 2 AZR 288/13).

Die negative Gesundheitsprognose ergibt sich zum einen aus dem tatsächlichen Vorbringen des Klägers in beiden Rechtszügen selbst. Denn der Kläger behauptet, dass das Verhalten seines unmittelbaren Vorgesetzten und schließlich auch dessen Vorgesetzten, dessen Vollzug das Verhalten des unmittelbaren Vorgesetzten des Klägers vor Ort, so der Kläger, „dient“, ursächlich für die ganz erheblichen Fehlzeiten des Klägers seit 2012 (s. die Aufstellung der konkreten Angaben 2012 – 2020 im Anhörungsschreiben für den Betriebsrat = Bl. 95 d.A.) ist mit der Folge, dass es das Verhalten und die Anwesenheit des unmittelbaren Vorgesetzten ist, das die Ursache für die vom Kläger rudimentär, pauschal, ohne Angaben konkreter Krankheitszeiträume, ohne Angabe etwaiger Behandlungsmethoden, Therapien, Therapieergebnisse, Genesung und dergleichen) bestrittenen Fehlzeiten ist. Im hier maßgeblichen Zusammenhang der negativen Gesundheitsprognose bedeutet das aber nichts anderes, als dass der Kläger damit ausdrücklich ausführt, dass dann, wenn sein unmittelbarer Vorgesetzter weiterhin in seiner Funktion tätig ist, er auch weiterhin in dem zuvor gegebenen Ausmaß erkranken und der Arbeit – mit Ausnahme möglicherweise befristeter Wiedereingliederungsmaßnahmen – fernbleiben wird. Die negative Gesundheitsprognose wird im Übrigen durch die krankheitsbedingten Fehlzeiten in den Jahren seit 2012 ausdrücklich bestätigt. Der Kläger war in diesem Zeitraum durchweg und weit über den maßgeblichen Zeitraum von drei Jahren hinweg jährlich jeweils weit mehr als 30 Krankheitstage arbeitsunfähig erkrankt. Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung als dem insoweit maßgeblichen für die rechtliche Beurteilung fehlte er ununterbrochen. Insoweit ist nach dem Vorbringen der Parteien davon auszugehen, dass die Tage der letzten Jahre, an denen der Kläger nicht arbeitsunfähig erkrankt war, ausschließlich Tage seiner Urlaubsnahme bzw. Arbeitsversuche im Rahmen von Wiedereingliederungsmaßnahmen darstellten, die als bloße ungewisse „Restleistungsfähigkeit“ einzustufen waren. Die Arbeitsversuche des Klägers mussten teilweise abgebrochen, verschoben werden und mündeten danach jeweils wieder in Arbeitsunfähigkeit. Diese wenigen Tage der Arbeitsleistung hindern die Gesamteinschätzung „negativ“ folglich nicht (BAG 20.03.2014 – 2 AZR 288/13).

Damit ist der Einsatz des Klägers für die Beklagten nicht mehr sinnvoll und verlässlich planbar. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger ist nicht zumutbar, weil das Austauschverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung in einem solchen Maße gestört ist, dass es mit Rücksicht auf die Rechtsposition der Beklagten nicht aufrechterhalten werden muss (BAG 27.11.2003 – 2 AZR 601/12). Die unternehmerische Zielerreichung der Beklagten in der Form eines ausgewogenen Austauschverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung im Arbeitsverhältnis ist zwischen den Parteien nicht mehr erreichbar. Abgesehen davon kann sich der Grund für die soziale Rechtfertigung der streitgegenständlichen ordentlichen Kündigung im Sinne des § 1 KSchG, sollte man anderer Auffassung sein, auch aus der vorliegenden Gemengelage von dauerhafter Arbeitsunfähigkeit seit mehreren Jahren und zuvor wiederholten kurzfristigen Kurzerkrankungen einschließlich der Arbeitsversuche ergeben. Auch eine derartige Gemengelage kann unter dem Gesichtspunkt einer Gesamtbetrachtung einen die ordentliche Kündigung sozial rechtfertigenden Grund im Sinne des § 1 KSchG darstellen (BAG 20.03.2014 – 2 AZR 288/13).

Diese Gesamtumstände führen auch unter Berücksichtigung des Lebensalters des Klägers und seiner Betriebszugehörigkeit, wobei freilich lediglich die Zeit bis 2011 zu Gunsten des Klägers zu berücksichtigen ist, weil aufgrund des Vorbringens der Parteien lediglich bis zu diesem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis sich in durch erhebliche krankheitsbedingter Fehlzeiten unbeeinträchtigtem Vollzug befunden hat, letztlich zur Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Erreichen des Renteneintrittsalters des Klägers, ohne dass insoweit überhaupt ein Vollzug im Sinne des Austauschs von Leistung und Gegenleistung stattfinden würde. Das Arbeitsverhältnis ist vielmehr aufgrund des fehlenden Leistungsaustausches vollumfänglich sinnentleert.

Die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz besteht vorliegend nicht, auch nicht unter Berücksichtigung möglicher Umorganisation. Insoweit hat der Kläger sich ausdrücklich darauf berufen, dass die Ursache für die Störung der Vertragsqualität zwischen den Parteien in der Person seines unmittelbaren Vorgesetzten zu sehen ist; dies würde den Einsatz des Klägers in einer anderen Dienststelle mit anderen Vorgesetzten nahelegen. Allerdings hat der Kläger dies nicht näher substantiiert dargelegt, sondern vielmehr derart pauschal behauptet, dass sein Vorbringen einem substantiierten Bestreiten der Gegenseite nicht zugänglich ist. Sein Vorbringen ist zudem widersprüchlich, denn er hat zudem ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Verhalten seines unmittelbaren Vorgesetzten lediglich der Umsetzung der Vorstellungen von dessen Vorgesetzten, Herrn A., diene, so dass ein Einsatz des Klägers in anderen Dienststellen an sich nur in Betracht zu ziehen sein könnte, die außerhalb des Einflussbereichs von Herrn A. liegen. Dazu verhält sich das Vorbringen des Klägers freilich in beiden Rechtszügen nicht. Hinzukommt, dass nach dem Vorbringen des Klägers für die Beklagte keinerlei rechtliche Handhabe besteht, davon auszugehen, dass die zuvor benannten Mitarbeiter unter Verletzung ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten (§§ 162, 241 Abs. 2 BGB) die durch sie wahrgenommenen Arbeitgeberpflichten gegenüber dem Kläger derart verletzt haben könnten, dass dieses vertragswidrige Verhalten ursächlich für die vom Kläger rudimentär dargelegten sehr unterschiedlichen und ganz massiven Krankheitsbilder gewesen sein könnte. Die Darstellung des Klägers im erstinstanzlichen Rechtszug gibt aus der Sicht des Klägers sinngemäß Äußerungen wieder, die jeweils für sich genommen für ein umsatzorientiertes Unternehmen schlicht nicht nachvollziehbar sind; die konkreten Gesprächssituationen werden nicht substantiiert dargestellt, um Motivation, Veranlassung oder auch nur Ursachen zumindest ansatzweise nachvollziehen zu können, denn es erscheint im besonderen Maße widersinnig, dass Vorgesetzte ein Interesse daran haben könnten, einen Mitarbeiter in einer Weise zu behandeln, die ihnen selbst sodann aufgrund der erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten und der damit verbundenen Kosten und weiteren Unzuträglichkeiten ausschließlich Umsatzausfälle und weitere praktische Probleme bereiten könnte, die sich in erheblichem Umfang negativ auf das jeweils von ihnen zu verantwortende Betriebsergebnis führen würden. Hinzukommt, dass sich, worauf das Arbeitsgericht bereits hingewiesen hat, für die Kammer nicht erschließt, wie aus derartigen, zu Gunsten des Klägers als zutreffend unterstellten, Äußerungen die ganz unterschiedlichen und massiven Krankheitsbilder des Klägers ursächlich ergeben könnten. Dies ist derart fernliegend, dass es substantiierten tatsächlichen dahingehenden Vorbringens des Klägers bedurft hätte, an dem es in beiden Rechtszügen vollumfänglich fehlt. Anhaltspunkte dafür, dass Mobbing vorliegen könnte als systematische und zielgerichtete Anfeindungen gegen den Arbeitnehmer (s. BAG 28.10.2010 EzA § 611 BGB 2002 Persönlichkeitsrecht Nr. 10) lassen sich nach dem unsubstantiierten Vorbringen des Klägers folglich nicht feststellen. Denn um überhaupt feststellen zu können, ob ein Fall von Mobbing vorliegt, bedarf es näherer Darlegung der Umstände des Einzelfalles. Denn es ist eine Abgrenzung zu dem im gesellschaftlichen Umgang im allgemeinen üblichen oder rechtlich erlaubten und deshalb hinzunehmenden Verhalten erforderlich. Denn nicht jede Meinungsverschiedenheit oder Auseinandersetzung zwischen Kollegen und/oder Vorgesetzten und Untergebenen kann ebenso wenig wie jede Antipathie den Begriff „Mobbing“ erfüllen, weil es dem Zusammenarbeiten mit anderen Menschen immanent ist, dass sich Reibungen und Konflikte ergeben, ohne dass diese Ausdruck des Ziels sind, den anderen systematisch in seiner Wertigkeit gegenüber Dritten oder sich selbst zu verletzen (s. LAG Schleswig-Holstein 19.03.2002 NZA-RR 2002, 457; s. DLW Dörner, a.a.O. Kapitel 3 Rn. 2997). Tatsächlich erfasst der Begriff Mobbing insoweit nur fortgesetzte, aufeinander aufbauende oder ineinander übergreifende, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienende Verhaltensweisen, die nach Art und Ablauf im Regelfall einer übergeordneten, von der Rechtsordnung nicht gedeckten Zielsetzung förderlich sind und jedenfalls in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder andere ebenso geschützte Rechte, wie die Ehre oder die Gesundheit des Betroffenen verletzen. Ein vorgefasster Plan ist allerdings nicht erforderlich (s. BAG 28.10.2010 EzA § 611 BGB 2002 Persönlichkeitsrecht Nr. 10). Anhaltspunkte dafür, dass diese Voraussetzungen vorliegend erfüllt sein könnten, bestehen ersichtlich nicht. Festzustellen ist in diesem Zusammenhang zudem, dass eine Zielrichtung des Verhaltens ihm gegenüber, wie vom Kläger behauptet, vorliegend schon deshalb keine Bestätigung findet, weil die Beklagten zum einen im Hinblick auf die ganz erheblichen Fehlzeiten seit 2012 mit dem Ausspruch einer ordentlichen krankheitsbedingten Kündigung deutlich länger zugewartet haben, als zu fordern gewesen wäre, was aus der Sicht des Vorbringens des Klägers sinnwidrig erscheint, weil dann es den von ihm benannten Vorgesetzten gerade daran hätte gelegen sein müssen, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger möglichst schnell zu beenden. Zudem hat der Kläger, der nach seiner Darstellung seit 2009, wie von ihm behauptet, in einer arbeitsvertragswidrigen Weise behandelt worden sein soll, sich ersichtlich zu keinem Zeitpunkt mit einer Darstellung dieser Umstände an übergeordnete Vorgesetzte einerseits bzw. den zuständigen Betriebsrat andererseits gewandt, was angesichts der vom Kläger behaupteten massiven nachteiligen Auswirkungen des von ihm behaupteten Verhaltens auf ihn vollends unverständlich ist. Vor diesem Hintergrund bestehen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, es der Beklagten zu verwehren, sich auf die damit gegebenen Kündigungsgründe zu berufen, weil diese von ihr letztlich selbst zu verantworten sind, also auf betrieblichen Ursachen, d.h. dem Verhalten von Vorgesetzten, beruhen. Folglich liegt auch kein Verstoß der Beklagten gegen das Verbot des venire contra factum proprium vor. Im Gegenteil zeigen gerade die mehrjährigen Bemühungen der Beklagten durch dauerhafte Begleitungen des Arbeitsverhältnisses durch BEM, Einladungen zum BEM, Durchführung von BEM, Durchführung mehrerer Wiedereingliederungsmaßnahmen, dass es den Beklagten nach ihrem nach außen in Erscheinung getretenen Verhalten keinesfalls um eine schnellstmögliche Beendigung des mit dem Kläger bestehenden Arbeitsverhältnisses gegangen ist.

Soweit der Kläger unter Beweisantritt behauptet hat, dass die psychisch bedingten Krankheitszeiten ihrerseits wiederum aufgrund des Bossings durch den Geschäftsstellenleiter H. basierten (Bl. 183 d.A.), ist dieses Vorbringen angesichts der völlig unterschiedlichen Krankheitsbilder völlig unsubstantiiert und damit unzureichend, so unsubstantiiert, dass es nicht einmal einem substantiierten Bestreiten der Beklagten zugänglich ist. Abgesehen davon bleibt offen, wie es dem behandelnden Arzt des Klägers möglich sein soll, auf welcher Grundlage dies überhaupt zu beurteilen; gleiches gilt für die geltend gemachte Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens. Eine Beweisaufnahme kommt lediglich in Betracht, um substantiiertes tatsächliches Vorbringen, das der jeweiligen Darlegungs- und Beweislast genügt, zu bestätigen, nicht aber um auf der Grundlage pauschaler unsubstantiierter Behauptungen die Beweismittel letztlich zur Ausforschung zu benutzen. Das gilt erst recht (Bl. 184 d.A.) für die unter Beweis gestellte Behauptung, es sei medizinisch nicht ausgeschlossen, dass eine Nasennebenhöhlenerkrankung auf psychosomatischen Belastungen als Ursache beruhe. Vorliegend geht es nicht um die Beurteilung abstrakter medizinischer Einzelfragen, sondern um die langjährigen erheblichen Fehlzeiten des Klägers und deren Ursachen, zu denen sich das Vorbringen des Klägers in beiden Rechtszügen nur rudimentär verhält. Noch weniger nachvollziehbar ist das Vorbringen zu dem vom Kläger behaupteten Mitverschulden der Beklagten an den Erkrankungen; derartiges mag, wenn es denn feststeht, im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigten sein; auch andere Begründungsansätze, dem Arbeitgeber in derartigen Fällen die Berufung auf erhebliche Fehlzeiten und deren nachteilige Auswirkungen zu verwehren, sind vorstellbar, wie dargelegt. Das setzt dann allerdings substantiiertes tatsächliches Vorbringen voraus, dass diese Voraussetzungen und insbesondere woraus sich dies im Einzelnen ergeben soll, im konkret zu beurteilenden Einzelfall auch tatsächlich gegeben sind. Daran fehlt es freilich in beiden Rechtszügen.

Etwas Anderes folgt vorliegend auch nicht daraus, dass, wie vom Kläger behauptet, kein einziges ordnungsgemäßes BEM durch die Beklagte durchgeführt worden sei.

Die Verpflichtung des Arbeitgebers nach § 84 Abs. 2 SGB IX gegenüber Beschäftigten, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig erkranken, ein BEM durchzuführen, besteht unabhängig von der Art und den Ursachen der Erkrankung. Auch wenn krankheitsbedingte Fehlzeiten auf unterschiedlichen Grundleiden beruhen, kann sich aus ihnen zumal wenn sie auf eine generelle Krankheitsanfälligkeit des Arbeitnehmers hindeuten – eine Gefährdung des Arbeitsverhältnisses ergeben, der das BEM entgegenwirken soll (BAG 20.11.2014 EZA § 1 KSchG Krankheit Nr. 59; DLW/Dörner, a.a.O. Rn. 835 ff.).

Damit sieht das Gesetz einen frühen Beginn der Präventionspflicht des Arbeitgebers bei Krankheit vor. Sind Beschäftigte länger als sechs Wochen oder wiederholt arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung, insbes. dem Betriebsrat, bei schwer behinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, ggf. unter Hinzuziehung von Betriebs- oder Werksarzt, den örtlichen gemeinsamen Servicestellen und des Integrationsamtes mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Personen die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (betriebliches Eingliederungsmanagement: s. Kempter/Steinat NZA 2015, 840 ff.; Hoffmann-Remy NZA 2016. 267 ff.). Dafür genügt es. dass die krankheitsbedingten Fehlzeiten insgesamt, ggf. in mehreren Abschnitten, mehr als sechs Wochen betragen haben. Nicht erforderlich ist. dass es eine einzelne Krankheitsperiode von durchgängig mehr als sechs Wochen gab (BAG 24.3.2011 EZA § 84 SGB IX Nr. 8 = NZA 2011, 992).

Nach Auffassung des BAG (12. 7. 2007 EzA § 84 SGB IX Nr. 3: 23.4.2008 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 55; 24.3.2011 EzA § 84 SGB IX Nr. 8 = NZA 2011, 992; BAG 20.11.2014 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 59) gilt allerdings Folgendes:

Kündigt der Arbeitgeber, ohne zuvor dieses Präventionsverfahren durchzuführen. so führt dies für sich genommen nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung: die Einhaltung des Verfahrens gem. § 167 Abs. 2 SGB IX ist keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für Kündigungen gegenüber Schwerbehinderten (ebenso LAG Nürnberg 21.6.2006 NZA-RR 2007. 75 = ZTR 2007, 108; a. A. LAG Nürnberg 29. 3. 2005 NZA-RR 2005, 523) und begründet auch keine Vermutung einer Benachteiligung wegen einer Behinderung (BAG 28. 4. 2011 EzA § 22 AGG Nr. 4). Die Vorschrift stellt lediglich eine Konkretisierung des dem gesamten Kündigungsschutzrecht innewohnenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar (BAG 20.11.2014 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 59: s. LAG Hamm 19.7.2016 LAGE § 84 SGB IX Nr. 9): danach ist eine Kündigung unverhältnismäßig und damit rechtsunwirksam, wenn sie durch andere mildere Mittel vermieden werden kann. d. h. wenn die Kündigung nicht zur Beseitigung der betrieblichen Beeinträchtigungen bzw. der eingetretenen Vertragsstörung geeignet oder nicht erforderlich ist (BAG 23. 4.2008 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 55). Es handelt sich damit also keineswegs nur um eine bloße Ordnungsvorschrift mit Appellativcharakter, deren Missachtung in jedem Fall folgenlos bliebe (a. A. SPV-Preis Rn. 1230a; LAG Nürnberg. 31.5.2006 – 4 |9| Sa 933/05, ZTR 2007, 108). Das betriebliche Eingliederungsmanagement ist zwar für sich gesehen kein milderes Mittel i. S. d. Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Durch es können aber solche milderen Mittel, z. B. die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder eine Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen -ggf. durch Umsetzungen »freizumachenden« – Arbeitsplatz erkannt und entwickelt werden (BAG 23.4.2008 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 55 = NZA-RR 2008, 515; 24.3.2011 EzA § 84 SGB IX Nr. 8 = N/Z 2011, 992; LAG Düsseldorf 30.1.2009 LAGE § 1 KSchG Krankheit Nr. 1).

Führt der Arbeitgeber kein BEM durch, so hat dies Folgen für die Darlegungs- und Beweislast im Rahmen der Prüfung der betrieblichen Auswirkungen von erheblichen Fehlzeiten (s. Betz/Rehm/Schiepel/Kanne ZTR 2016, 239 ff.: Rupp NZA 2017, 361 ff.). Der Arbeitgeber hat dann von sich aus darzulegen, weshalb denkbare oder vom Arbeitnehmer aufgezeigte Alternativen zu den bestehenden Beschäftigungsbedingungen mit der Aussicht auf eine Reduzierung der Ausfallzeiten nicht in Betracht kommen, Er muss deshalb dann umfassend darlegen und beweisen, warum es in keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten vorzubeugen und das Arbeitsverhältnis zu erhalten (BAG 20.11.2014 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 59; 13.5.2015 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 61 = NZA 2015, 1249: LAG BB 11.1.2017, 4 Sa 900/16 – NZA-RR 2017, 297). Dabei obliegt es ihm nicht nur. die objektive Nutzlosigkeit arbeitsplatzbezogener Maßnahmen i.S.v. § 1 Abs. 2 S. 2 KSchG aufzuzeigen. Vielmehr hat er schon nach § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG auf im Kündigungszeitpunkt bestehende außerbetriebliche Therapiemöglichkeiten Bedacht zu nehmen. Dem Ziel, solche Möglichkeiten zu erkennen, dient wiederum das BEM (BAG 20.11.2014 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 59: LAG Hamm 19.7.2016 LAGE § 84 SGB IX Nr. 9; LAG Schleswig-Holstein 22.9.2015 NZA-RR 2016, 250; s.a. BAG 22.10.2015 EzA Art. 30 EGBGB Nr. 12 = NZA 2016, 473; das KSchG muss anwendbar sein; s. Joussen RdA 2017, 57).

Der Arbeitgeber kann sich ohne BEM nicht pauschal darauf berufen, ihm seien keine alternativen, der Erkrankung angemessenen Einsatzmöglichkeiten bekannt. Denn der Arbeitgeber darf aus seiner dem Gesetz widersprechenden Untätigkeit keine darlegungs- und beweisrechtlichen Vorteile ziehen, Es bedarf vielmehr eines umfassenden konkreten Sachvortrags des Arbeitgebers zu einem nicht mehr möglichen Einsatz des Arbeitnehmers auf dem bisher innegehabten Arbeitsplatz und einer nicht durchführbaren leidensgerechten Anpassung und Veränderung des Arbeitsplatzes bzw. eines alternativen Einsatzes auf einem anderen Arbeitsplatz (BAG 12. 7. 2007 EzA § 84.SGB IX Nr. 3; LAG Hamburg 22. 9. 2011 – 1 Sa 34/11, AuR 2012, 137 LS: LAG Köln 13.4.2012 LAGE §81 SGB IX Nr. 10a).

Allerdings kann eine Kündigung nicht allein deshalb wegen Verstoßes gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip als sozial ungerechtfertigt qualifiziert werden, weil das betriebliche Eingliederungsmanagement nicht durchgeführt wurde. Es müssen vielmehr auch bei gehöriger Durchführung des BEM überhaupt Möglichkeiten einer alternativen (Weiter-)Beschäftigung bestanden haben, die eine Kündigung vermieden hätten. Folglich steht ein unterlassenes BEM einer Kündigung dann nicht entgegen, wenn sie auch durch das BEM nicht hätte verhindert werden können (BAG 23.4.2008 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 55; 24.3.2011 EzA § 84 SGB IX Nr. 8 = NZA 2011, 992).

In Anwendung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass § 84 Abs. 2 SGB IX lediglich eine Konkretisierung des das gesamte Kündigungsschutzrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes darstellt (BAG 20.11.2014 EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 59). Danach ist eine Kündigung zwar unverhältnismäßig und folglich rechtsunwirksam, wenn sie durch mildere Mittel vermieden werden kann; das BEM ist aber für sich gesehen kein milderes Mittel im Sinne des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Durchaus können aber solche milderen Mittel, z.B. die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder eine Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen Arbeitsplatz erkannt und entwickelt werden.

Anhaltspunkte dafür, dass ein Verstoß gegen die Arbeitgeberpflichten insoweit gegeben sein könnte, lassen sich dem Vorbringen der Parteien in beiden Rechtszügen nicht nur nicht entnehmen, sondern vielmehr steht das Gegenteil fest. Der Kläger hat insoweit zwar im Berufungsverfahren wie bereits im erstinstanzlichen Rechtszug behauptet, die Beklagte habe kein einziges ordnungsgemäßes BEM durchgeführt, dies freilich nicht näher begründet. Demgegenüber hat die Beklagte unter Vorlage des umfänglichen Schriftverkehrs seit 2015 (Bl. 196 ff. d.A.) im Einzelnen die mehrjährigen Bemühungen und Anstrengungen betreffend BEM nebst mehreren Wiedereingliederungsmaßnahmen dargelegt (s. Bl. 60 ff. d.A.). Im erstinstanzlichen Rechtszug hat der Kläger auf das Vorbringen der Beklagten hin lediglich unsubstantiiert behauptet, die von der Beklagten behaupteten Maßnahmen seien keine betrieblichen Eingliederungsmaßnahmen gewesen, wobei freilich unklar bleibt, um was es sich denn sonst wohl gehandelt haben könnte. Soweit der Kläger behauptet, ihm sei in den durchgeführten Gesprächen keine Möglichkeit der Äußerung gegeben worden bzw. die wenigen Äußerungen, die er habe tätigen können, seien ignoriert und unbeachtet gelassen worden, wird dieses Vorbringen durch den umfänglichen und substantiierten gegenteiligen Sachvortrag der Beklagten widerlegt. Insoweit ist das Vorbringen des Klägers in besonderem Maße fernliegend, weil nicht erläutert wird, wie Wiedereingliederungsmaßnahmen dann unter Nichtbeachtung seiner Äußerungen überhaupt zustande kommen konnten. Soweit sich der Kläger in diesem Zusammenhang (Bl. 117 d.A.) dazu verhält, dass der Geschäftsstellenleiter H. regelmäßig zu von ihm selbst angesetzten Treffen mehr als eine Stunde zu spät komme, erschließt sich der Zusammenhang zu dem vorliegend zu beurteilenden konkreten Lebenssachverhalt nicht.

Vor diesem Hintergrund stellt sich das Berufen des Klägers auf vermeintlich generell nicht ordnungsgemäß durchgeführte BEM letztlich auch als treuwidrig dar (Verbot des venire contra factum proprium, § 242 BGB). Vor dem Hintergrund der substantiierten Darstellung der Beklagten unter Vorlage des dazugehörigen Schriftverkehrs zu behaupten, die Beklagten hätten zu keinem Zeitpunkt ernsthaft ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchführen wollen, ist nicht mehr nachvollziehbar. Wenn der Kläger, wie von ihm selbst (Bl. 118 d.A.) dargestellt, ab 2019 nicht mehr auf entsprechende Anfragen reagiert hat, er aber für ein ernsthaftes BEM, was immer er sich darunter vorstellen mag, selbstverständlich bereit gewesen wäre, zeigt dies, dass eine wie auch immer geartete Verletzung der aus § 84 Abs. 2 SGB IX zu Gunsten des Klägers sich ergebenden Rechte durch die Beklagten ersichtlich nicht gegeben ist. Vielmehr stellt es ein widersprüchliches Verhalten dar, sich nunmehr im Zusammenhang mit der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlicher Kündigung wohl auf die Durchführung eines weiteren BEM, bzw. überhaupt auf die Durchführung „ordnungsgemäßer“ BEM im Zusammenhang mit der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Kündigung vor Ausspruch der Kündigung zu berufen, nach dem der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen seit 2019 auf das entsprechende Ansinnen der Beklagten nicht mehr reagiert hat. Ein weiteres Zuwarten war dem Arbeitgeber folglich nicht zuzumuten (LAG Rheinland-Pfalz 29.06.2020 – 3 Sa 127/19; 10.07.2017 – 3 Sa 153/17, Beck RS 2017, 134433).

Die Rechtsunwirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung folgt entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht aus der nicht ordnungsgemäßen Beteiligung des Betriebsrats gemäß § 102 BetrVG.

Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat die Gründe für die Kündigung mitteilen (§ 102 Abs. 1 BetrVG). Dabei ist zu beachten, dass die Substantiierungspflicht im Kündigungsschutzprozess nicht das Maß für die Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers nach § 102 BetrVG ist (LAG Hamm 20.10.2005 – 8 Sa 205/05, FA 2006, 189 LS). Der Umfang der Unterrichtungspflicht orientiert sich an dem vom Zweck des Kündigungsschutzprozesses zu unterscheidenden Zweck des Anhörungsverfahrens. Es zielt nicht darauf ab, die selbstständige Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung zu gewähren. Der Betriebsrat ist kein „Gericht“, dass über Anträge des Arbeitgebers entscheidet, sondern er soll Partner des Arbeitgebers in einem zwar institutionalisierten, aber vertrauensvoll zu führenden betrieblichen Gespräch sein (BAG 28.08.2003 EzA § 102 BetrVG 2001 Nr. 4).

Mit Kündigungsgründen sind folglich nicht nur die wichtigsten Kündigungsgründe gemeint, vielmehr hat der Arbeitgeber den Betriebsrat über alle Tatsachen und subjektiven Vorstellungen zu unterrichten, die ihn zu der Kündigung veranlassen (BAG 24.11.1983, EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 54). Bei einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung gegenüber einem angestellten Arzt wegen sexuellen Missbrauchs von Patientinnen gehören zur notwendigen ausreichenden Information über die Tatvorwürfe z. B. Angaben über die äußeren Umstände der Untersuchungen, über die konkreten Beschwerden der Patientinnen sowie über die Art und Weise der dem Arbeitnehmer vorgeworfenen Untersuchungshandlungen (LAG Köln 29.11.2005 NZA-RR 2006, 443).

Denn § 102 BetrVG soll dem Betriebsrat die Möglichkeit geben, durch seine Stellungnahme auf den Willen des Arbeitgebers einzuwirken und ihn durch Darlegung von Gegengründen u.U. von seiner Planung, den Arbeitnehmer zu entlassen, abzubringen (vgl. BAG 28.02.1974 EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 8). Andererseits muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat nur diejenigen Gründe mitteilen, die nach seiner subjektiven Sicht die Kündigung rechtfertigen und für seinen Kündigungsentschluss maßgebend sind (BAG 13.05.2004 EzA § 102 BetrVG 2001 Nr. 7; 5.07.2004 EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 54; 26.09.2004 EzA § 102 BetrVG 201 Nr. 10). Das ist auch dann der Fall, wenn er kündigungsrechtlich objektiv erhebliche Tatsachen nicht mitteilt, weil er darauf die Kündigung zunächst nicht stützen will, denn eine nur bei objektiver Würdigung unvollständige Mitteilung führt nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung nach § 102 BetrVG (BAG 11.12.2003 EzA § 102 BetrVG 2001 Nr. 5). Demgegenüber genügt die Mitteilung von Scheingründen oder die unvollständige Mitteilung von Kündigungsgründen – insbes. unter bewusster Verschweigung der wahren Kündigungsgründe – nicht (BAG 13.05.2004 EzA § 102 BetrVG 2001 Nr. 7; LAG Köln 27.01.2010 LAGE § 102 BetrVG 2001 Nr. 9). Kommen andererseits aus der Sicht des Arbeitgebers mehrere Kündigungssachverhalte und Kündigungsgründe in Betracht, so führt ein bewusstes Verschweigen eines – von mehreren – Sachverhalten nicht zur Unwirksamkeit der Anhörung (BAG 16.09.2004 EzA § 102 BetrVG 2001 Nr. 10; LAG Baden-Württemberg 11.08.2006 LAGE § 102 BetrVG 2001 Nr. 5; s.a. LAG Hamm 20.10.2005 – 8 Sa 205/05, FA 2006, 189 LS).

Wenn dem Betriebsrat insoweit Gelegenheit gegeben werden soll, sich zu der beabsichtigten Kündigung zu äußern, dann muss er die Wirksamkeit dieser Kündigung auch beurteilen können. Das ist aber nur möglich, wenn er alle Tatsachen kennt, auf die der Arbeitgeber seine Kündigung stützt. Dazu gehören auch dem Arbeitgeber bekannte, seinen Kündigungsgründen widerstreitende Umstände (LAG Sachsen-Anhalt 05.11.1996 NZA-RR 1997, 325; vgl. ausf. KR/Etzel § 102 BetrVG Rn. 62), z. B. Entlastungszeugen für Fehlverhalten des Arbeitnehmers (LAG Köln 30.09.1993 LAGE § 102 BetrVG 1972 Nr. 36), allgemein entlastende, bekannte Umstände (LAG Nürnberg 22.06.2010 – 5 Sa 820/08, AuR 2010, 443; Verdachtskündigung; ArbG Düsseldorf 06.04.2011 – 14 Ca 8029/10, AuR 2011, 314 LS; MAVO Kath. Kirche) oder eine Gegendarstellung des Arbeitnehmers (BAG 31.08.1989 EzA § 102 BetrVG 1972 NR. 75; vgl. dazu LAG Köln 05.06.2000 NZA-RR 2001, 168 LS zu § 72 a NWPersVG).

Die maßgeblichen Tatsachen muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat substantiiert mitteilen. Die pauschale Angabe von Kündigungsgründen oder die Angabe eines Werturteils allein genügen nicht (vgl. BAG 27.06.1985 EzA § 102 BetrVG 1972 NR. 60). Angaben wie „Arbeitsverweigerung“, „hohe Krankheitszeiten“, „ungenügende Arbeitsleistung“, „fehlende Führungsqualitäten“ sind folglich nicht ausreichend (LAG Schleswig-Holstein 30.10.2002 NZA-RR 2003, 310).

Folglich muss der Arbeitgeber die aus seiner Sicht die Kündigung begründenden Umstände (BAG 15.07.2004 EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 54; 16.09.2004 EzA § 102 BetrVG 2001 Nr. 10) so genau und umfassend darlegen, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in der Lage ist, selbst die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich über seine Stellungnahme schlüssig zu werden (vgl. BAG 13.07.1978 EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 35; LAG Hamm 11.01.2006 – 3 Sa 9/05 – FA 2006, 189 LS).

Zu berücksichtigen ist aber, dass der Arbeitgeber im Rahmen des § 102 BetrVG nur die aus seiner Sicht tragenden Umstände mitteilen muss (BAG 15.07.2004 EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 54; 16.09.2004 EzA § 102 2001 Nr. 10; 03.11.2011 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 79 = NZA 2012, 607). Erst eine bewusst unrichtige oder unvollständige und damit irreführende Darstellung führt zu einer fehlerhaften Anhörung. Zu einer vollständigen und wahrheitsgemäßen Information des Betriebsrats gehört auch die Unterrichtung über dem Arbeitgeber bekannte und für eine Stellungnahme des Betriebsrats möglicherweise bedeutsame Tatsachen, die den Arbeitnehmer entlasten und deshalb gegen den Ausspruch einer Kündigung sprechen können (BAG 03.11.2011 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 79 = NZA 2012, 607).

Eine Verletzung der Mitteilungspflicht liegt insgesamt nur dann vor, wenn er dem Betriebsrat bewusst ihm bekannte und seinen Kündigungsentschluss (mit)bestimmende Tatsachen vorenthält, die nicht nur eine Ergänzung oder Konkretisierung des mitgeteilten Sachverhalts darstellen, sondern diesem erst das Gewicht eines Kündigungsgrundes geben oder weitere eigenständige Kündigungsgründe beinhalten (APS/Koch § 102 BetrVG Rn. 88ff.). Das ist nicht der Fall, wenn er kündigungsrechtlich objektiv erhebliche Tatsachen nicht mitteilt, weil er darauf die Kündigung zunächst nicht stützen will, denn eine nur bei objektiver Würdigung unvollständige Mitteilung führt nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung nach § 102 BetrVG (BAG 11.12.2003 EzA § 102 BetrVG 2001 Nr. 5). Demgegenüber genügt die Mitteilung von Scheingründen oder die unvollständige Mitteilung von Kündigungsgründen – insbes. unter bewusster Verschweigung der wahren Kündigungsgründe – nicht. Kommen andererseits aus der Sicht des Arbeitgebers mehrere Kündigungssachverhalte und Kündigungsgründe in Betracht, so führt ein bewusstes Verschweigen einer – von mehreren – Sachverhalten nicht zur Unwirksamkeit der Anhörung (BAG 16.09.2004 EzA § 102 BetrVG 2001 Nr. 10). Allerdings führt die subjektive Determination nicht dazu, dass der Arbeitgeber auf eine Mitteilung persönlicher Gründe ganz verzichten darf, auch wenn er sie nicht berücksichtigt. Der Arbeitgeber muss deshalb im Allgemeinen das Lebensalter und die Dauer der Betriebszugehörigkeit sowie einen eventuellen Sonderkündigungsschutz als unverzichtbare Daten für die Beurteilung der Kündigung dem Betriebsrat mitteilen. Das gilt auch für einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund, da dem Betriebsrat keine persönlichen Umstände vorenthalten werden dürfen, die sich im Rahmen der Interessenabwägung zu Gunsten des Arbeitnehmers auswirken können (BAG 06.10.2005 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 66).

Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber aus seiner Sicht unrichtige oder unvollständige Sachdarstellungen unterbreitet (BAG 18.05.1994, 22.09.1994 EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 85, 86). Damit wird es dem Arbeitgeber insbes. verwehrt, dem Betriebsrat den Sachverhalt irreführend zu schildern, damit sich die Kündigungsgründe als möglichst überzeugend darstellen (ArbG Berlin 25.01.2002 NZA-RR 2003, 85). Beabsichtigt ein Arbeitgeber, ein Arbeitsverhältnis wegen Diebstahls oder des Verdachts auf Diebstahl zu kündigen, hat er nach z. T. vertretener Auffassung den in seinem Betrieb gebildeten Betriebsrat auch über den Verlauf des Arbeitsverhältnisses und die von ihm vorgenommene Interessenabwägung zu unterrichten (LAG Schleswig-Holstein 10.01.2012 LAGE § 102 BetrVG 2001 Nr. 15).

Dies führt mittelbar zur Unwirksamkeit der Kündigung, wenn der verwertbare Sachverhalt die Kündigung nicht trägt, d. h. wenn es der sachlichen Rechtfertigung der Kündigung nach § 1 KSchG oder § 626 BGB bedarf und dazu der (zuvor dem Betriebsrat) mitgeteilten Kündigungssachverhalt nicht ausreicht (sog. subjektive Determinierung der Mitteilungspflicht des Arbeitgebers; vgl. BAG 22.09.1994 EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 86; 11.12.2003 EzA § 102 BetrVG 2001 Nr. 5; 22.04.2010 – 6 AZR 828/08, EzA-SD 12/2010 S. 3; LAG Schleswig-Holstein 30.10.2002 NZA-RR 203, 310). Der Arbeitgeber kann sich auch nicht auf den Kündigungsgrund der dauernden Unmöglichkeit der Erbringung der Arbeitsleistung berufen, wenn er der MAV nur Gründe aus dem Bereich häufiger Kurzerkrankungen mitgeteilt hat (LAG Berlin-Brandenburg 03.11.2010 – 15 Sa 1738/10; ZTR 2011, 181 LS).

Unterrichtet der Arbeitgeber deshalb z.B. den Betriebsrat von einer beabsichtigten betriebsbedingten Änderungskündigung mit dem Ziel, eine unselbstständige Betriebsabteilung wegen hoher Kostenbelastung zu sanieren, nur über die wirtschaftlichen Verhältnisse des unselbstständigen Betriebsteils, nicht aber zugleich über die Ertragslage des gesamten Betriebes, dann kann er sich im Kündigungsschutzprozess jedenfalls nicht auf ein dringendes Sanierungsbedürfnis des Betriebes berufen (BAG 11.10.1989 EzA § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 64).

Informiert der Arbeitgeber gem. § 102 BetrVG nicht auch über Begleitumstände, die dem an sich eine Kündigung tragenden Sachverhalt ein besonderes Gewicht verleihen und für die Interessenabwägung erhebliche Bedeutung haben (können), so sind diese Begleitumstände bei der Prüfung der Berechtigung der Kündigung nicht verwertbar. Ohne wenigstens einen Hinweis auf das Vorliegen solcher Begleitumstände ist der Betriebsrat mit diesen nicht befasst und braucht insbes. nicht von sich aus solche Umstände zu ermitteln, in dem er die ihm übergebenen Unterlagen auf solche Umstände hin prüft und auswertet (LAG Hessen 15.09.1998 NZA 1999, 269 LS).

Darüber hinaus ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass es für die Wirksamkeit der Anhörung insbesondere unerheblich ist, ob der Betriebsrat der beabsichtigten Kündigung widerspricht, ob ein derartiger Widerspruch erheblich ist oder nicht und ob der Betriebsrat, wenn er die gegebenen Informationen nicht für ausreichend gehalten hat, keine weitere Angaben ausdrücklich angefordert hat. Denn der Arbeitgeber ist verpflichtet, den maßgeblichen Sachverhalt näher so zu umschreiben, dass der Betriebsrat ohne eigene Nachforschungen oder Rückfragen die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe überprüfen kann. Unterlässt es der Arbeitgeber aber, den Betriebsrat über die Gründe der Kündigung zu unterrichten, z. B. in der irrigen oder vermeintlichen Annahme, dass dieser bereits über den erforderlichen und aktuellen Kenntnisstand verfügt, so liegt keine ordnungsgemäße Einleitung des Anhörungsverfahrens vor (BAG 25.06.1985, EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 60).

Mängel des Anhörungsverfahrens lassen sich nach dem tatsächlichen Vorbringen der Parteien in beiden Rechtszügen ersichtlich nicht feststellen; der Kläger hat die ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrats zwar bestritten, dieses Bestreiten letztlich mit Nichtwissen erweist sich aber als rechtsunwirksam, weil die Beklagte bereits im erstinstanzlichen Rechtszug die Beteiligung des Betriebsrats schriftsätzlich dargestellt und das ausführlich begründete Anhörungsschreiben vorgelegt hat. Insoweit wäre es Sache des Klägers gewesen, Mängel des Anhörungsverfahrens konkret darzustellen; daran fehlt es vollumfänglich.

Nichts Anderes gilt für den Hinweis des Klägers auf § 23 Nr. 3 Abs. 2 MTV für das private Versicherungsgewerbe; darauf hat der Kläger zwar hingewiesen, auf das Vorbringen der Beklagten, wonach die insoweit zu stellenden Anforderungen ausdrücklich eingehalten worden sind, geht er freilich nicht ein. Das Vorbringen der Beklagten gilt folglich als zugestanden; ausweislich des Anhörungsschreibens vom 24.03.2020, das die Beklagten an den Betriebsrat gerichtet haben, folgt, dass die Beklagten ausdrücklich auf die Beratungspflicht hingewiesen haben (dort S. 5 Ziffer 3). Im Anhörungsschreiben wird des Weiteren dargelegt, dass aus Sicht der Beklagten keine der in § 23 Ziffer 3 Abs. 2 MTV genannten Möglichkeiten besteht, gleichzeitig jedoch für den Fall, dass der Betriebsrat eine solche sieht, um entsprechende Rückmeldung gebeten. Folglich ist mit den Beklagten davon auszugehen, dass der Betriebsrat, hätten anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten bestanden, auf derartige hingewiesen und nicht ausdrücklich der Kündigung zugestimmt hätte.

Nach alledem erweist sich die streitgegenständliche ordentliche Arbeitgeberkündigung als sozial gerechtfertigt im Sinne des § 1 KSchG.

Die Berufung des Klägers war folglich zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

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