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Krankheitsbedingte Kündigung: fehlerhaftes BEM und Verhältnismäßigkeit

ArbG Ulm, Az.: 5 Ca 346/16, Urteil vom 20.01.2017

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Wert des Streitgegenstands wird auf EUR 11.700,00 festgesetzt.

4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Krankheitsbedingte Kündigung: fehlerhaftes BEM und Verhältnismäßigkeit
Symbolfoto: fizkes / Bigstock

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der ordentlichen personenbedingten Kündigung des Beklagten vom 25.07.2016.

Der Beklagte ist als Landkreis eine öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaft. Handelnde Behörde ist gemäß § 1 Abs. 3 LKrO BW das Landratsamt. Vertreter ist der Landrat (§ 37 Abs. 1 LKrO BW). Der Beklagte beschäftigt mehr als zehn Arbeitnehmer in Vollzeit (ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten). Bei dem Beklagten ist ein Personalrat gebildet.

Der 1968 geborene Kläger ist seit dem 01.12.2001 bei dem Beklagten als Sozialpädagoge beschäftigt. Er war zunächst bis zum 31.12.2006 als Sozialarbeiter im Bereich Asylbewerberbetreuung tätig. Mit Wirkung ab 01.01.2007 erfolgte eine Umsetzung in den Fachdienst Soziale Sicherung und ab dem 16.04.2010 ein Einsatz in der Schuldnerberatung. In den Jahren 2014, 2015 und 2016 wurde der Kläger – auch im Rahmen von Wiedereingliederungsversuchen – in der Bereichssozialarbeit im Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) eingesetzt. Er bezog zuletzt ein regelmäßiges Entgelt von monatlich EUR 3.900,00 brutto. Der geschiedene Kläger ist alleinerziehend und seinen beiden Kindern (geboren 2009 und 2010) zum Unterhalt verpflichtet. Der Kläger ist zu 30 % behindert und seit 2012 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt.

Der Kläger weist seit dem Jahr 2005 zusammengefasst folgende krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeitszeiten mit folgenden Entgeltfortzahlungskosten für den Beklagten auf:

Kalenderjahr

Kalendertage

Entgeltfortzahlungskosten

2005

133

EUR 16.445,60

2006

25

EUR 3.115,70

2007

8

EUR 893,54

2008

59

EUR 7.856,27

2009

157

EUR 6.003,17

2010

33

EUR 4.636,75

2011

8

EUR 1.147,81

2012

82

EUR 11.785,01

2013

260

EUR 13.154,45

2014

284

EUR 13.642,10

2015

282

EUR 6.810,92

2016 (bis zur Kdgg.)

194

EUR 1.583,55

 

Zu den Krankheitszeiten im Einzelnen siehe die Aufstellungen des Beklagten in Anlage B 1 (Abl. 74–81) und als Teil von Anlage B 20 (Abl. 176–183). In dem Zeitraum seit dem 01.01.2013 hat der Kläger bei dem Beklagten insgesamt 23 Erstbescheinigungen eingereicht (s. die Aufstellung zur Personalratsanhörung, Teil von Anl. B 20, Abl. 173 ff.).

Die Phasen von Arbeitsunfähigkeit und Arbeitstätigkeit seit Ende 2012 stellen sich zusammengefasst wie folgt dar:

15.10.2012 – 17.05.2013:

durchgehende Arbeitsunfähigkeit

18.05.2013 – 30.08.2013:

Arbeitsleistung

31.08.2013 – 06.07.2014:

durchgehende Arbeitsunfähigkeit

07.07.2014– 02.08.2014:

Wiedereingliederungsversuch

03.08.2014 – 03.09.2014:

Arbeitstätigkeit

September 2014:

überwiegend Arbeitstätigkeit, 9 Kalendertage Arbeitsunfähigkeit

Oktober 2014:

23 Kalendertage Arbeitsunfähigkeit

November 2014:

überwiegend Arbeitstätigkeit, 8 Kalendertage Arbeitsunfähigkeit

01.12.2014 – 24.04.2015:

durchgehende Arbeitsunfähigkeit

25.04.2015 – 16.07.2015:

Arbeitsleistung

17.07.2015 – 02.02.2016:

durchgehende Arbeitsunfähigkeit

03.02.2016 – 03.03.2016:

Wiedereingliederungsversuch

ab 04.03.2016 bis zuletzt:

durchgehende Arbeitsunfähigkeit.

Der Beklagte hat dem Kläger über seine Personalleiterin mit Schreiben vom 17.01.2014 (Anl. B 3, Abl. 127) die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (nachfolgend: bEM) angeboten. Das Schreiben lautet auszugsweise wörtlich wie folgt:

„Gleichzeitig möchte ich Sie mit diesem Schreiben über unser Betriebliches Eingliederungsmanagement informieren. Zum 1. Januar 2014 ist unsere Dienstvereinbarung über das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) in Kraft getreten. Das BEM ist ein wichtiger Teil unseres betrieblichen Gesundheitsmanagements, das betriebliche und individuelle Maßnahmen der Prävention und die Gesundheitsförderung umfasst. Es ist ein gemeinsames Ziel, die Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit, d. h. die Gesundheit der Mitarbeiter/innen (wieder-)herzustellen, zu verbessern bzw. zu fördern und die Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern. Die berufliche Wiedereingliederung nach einer Erkrankung wird als ganzheitlicher Prozess verstanden, bei dem medizinische, berufliche und soziale Aspekte ineinander greifen. Ziel ist die volle Integration der/des einzugliedernden Mitarbeiterin/Mitarbeiters.

Wir möchten Ihnen im Rahmen des BEM ein Erstgespräch anbieten, das erste Möglichkeiten einer Wiedereingliederung aufzeigen und eine Vertrauensbasis schaffen soll.

[…]

Das Erstgespräch und die daraus resultierenden Informationen werden streng vertraulich behandelt.“

Die bei dem Beklagten geltende „Dienstvereinbarung über das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) nach § 84 (2) SGB IX“ enthält unter „§ 4 Datenschutz“ wörtlich folgende Regelung:

„Bei der Erhebung, Speicherung und Verarbeitung der persönlichen Daten werden die jeweils gültigen datenschutzrechtlichen Bestimmungen beachtet. Daten, die im Rahmen des BEM bekannt werden, dürfen nur für diesen Zweck verwendet werden. Die Daten werden erhoben, um Maßnahmen zu Beschäftigungssicherung bzw. -förderung einzuleiten. Die Weitergabe an Dritte erfolgt nur mit schriftlicher Zustimmung der betroffenen Mitarbeiterin oder Mitarbeiters.“

Auf die Einladung zur Durchführung eines BEM führten die Parteien Gespräche. In einem Gespräch am 17.04.2014 konnte der Kläger sich einen Einsatz im Asylbewerberbereich gut vorstellen. Ein Einsatz im ASD wurde von der Vertrauensperson des Klägers, Herrn R., abgelehnt. Nachdem aus Sicht des Beklagten sonstige Einsatzmöglichkeiten des Klägers nicht bestanden, wurde schließlich ein Wiedereingliederungsversuch im ASD entsprechend dem Wiedereingliederungsplan (Anl. B 16, Abl. 151) der Hausärztin des Klägers, Dr. F., unternommen. Frau Dr. F. attestierte dem Kläger zudem, ab dem 04.08.2014 wieder voll arbeitsfähig zu sein (Anl. B 17, Abl. 152).

Nachdem der Wiedereingliederungsversuch aus Sicht des Beklagten gescheitert war, beantragte er mit Schreiben vom 09.02.2015 beim zuständigen Integrationsamt die Zustimmung zur ordentlichen personenbedingten Kündigung des Klägers. Der Antrag erfolgte auf einem Briefbogen des Landratsamts. Mit Bescheid vom 13.07.2016 (Anl. B 19, Abl. 154 ff.), dem Beklagten über seine Prozessbevollmächtigten zugegangen am 19.07.2016, erteilt das Integrationsamt die Zustimmung zur ordentlichen personenbedingten Kündigung des Klägers. Der Kläger hat gegen die Zustimmung Widerspruch eingelegt.

Das Integrationsamt führt in seinem Bescheid vom 13.07.2016 u. a. aus, der Kläger habe in der mündlichen Verhandlung vom 21.04.2015 ausdrücklich darum gebeten, weiterhin als Bezirkssozialarbeiter im ASD beschäftigt zu werden. Er habe angegeben, dass eine stufenweise Eingliederung nicht erforderlich sei; ab dem 25.04.2015 sei er wieder voll arbeitsfähig. Das Integrationsamt gibt auch an, es habe dreimal im Laufe des Verfahrens Fehlzeitenübersichten der Krankenkasse des Klägers unter Nennung der jeweiligen Diagnosen eingeholt; die letzte Übersicht stamme vom 23.06.2016. Überdies holte das Integrationsamt Stellungnahmen der den Kläger behandelnden Ärzte ein (vgl. Anl. K 20 und K 21) und beteiligte auch den bei dem Beklagten bestehenden Personalrat und die dort bestehende Schwerbehindertenvertretung. Schließlich verwies es noch darauf, dass der Kläger seit Mai 2015 vom Integrationsfachdienst betreut worden sei. Seit einem Erstgespräch am 08.05.2014 hätten über 50 persönliche und telefonische Beratungsgespräche mit dem Kläger stattgefunden. Außerdem habe sich der Integrationsfachdienst auch mit den verschiedenen Bevollmächtigten des Klägers sowie der Schwerbehindertenvertretung und dem Personalrat bei dem Beklagten ausgetauscht. Einer abschließenden psychiatrischen Untersuchung hatte der Kläger sich verweigert.

In der ärztlichen Stellungnahme von Frau Dr. F., der Hausärztin des Klägers, vom 17.05.2015 (Anl. K 20, Abl. 284 f.) führt sie aus, die krankheitsbedingten Fehltage würden zum großen Teil auf Kiefer-Zahn-Problemen beruhen, „die aber jetzt wohl weitgehend im Griff“ seien. Insofern sei beim Zahnarzt nachzufragen. Im Übrigen werde der Kläger wieder voll arbeitsfähig sein, wenn das Mobbing beim Landratsamt aufhöre. Durch das Mobbing am Arbeitsplatz leide der Kläger an einer starken Belastungsreaktion mit teilweise depressiven Verstimmungen. Als „berufliche/medizinische Rehabilitationsmaßnahme“ empfahl sie insofern die Arbeitsplatzumsetzung des Klägers.

Herr Prof. Dr. W., Neurologe und Psychiater, schreibt in seiner ärztlichen Stellungnahme vom 11.12.2015 (Anl. K 21, ABl. 286 f.), der Kläger sei „durch seinen Unfall eingeschränkt belastbar“. Jedoch sei er motiviert weiter zu arbeiten und es bestünden derzeit (08.10.2015) keine gesundheitlichen Einschränkungen, die gegen eine Tätigkeit des Klägers sprächen. Er habe den Kläger auch nur bis zum 11.09.2015 krank geschrieben. Als „berufliche/medizinische Rehabilitationsmaßnahme“ empfahl er: „ambulante Psychotherapie, ansonsten derzeit keine“.

Nachdem dem Beklagten vom Integrationsamt die Erteilung der Zustimmung mündlich in Aussicht gestellt worden war, hörte der Beklagte den bei ihm bestehenden Personalrat mit Schreiben vom 08.07.2016 (Anl. B 20, Abl. 164 ff.) zu der beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Klägers an. Die Personalratsanhörung weist den Familienstand des Klägers nicht aus. Dieser war dem Personalrat, namentlich in Person von Herrn R., allerdings bekannt. Die Anhörung enthält zudem die Angabe, für den Kläger bestünden „Unterhaltspflichten nach Lohnsteuerklasse: Lohnsteuerklasse I, 1 Kind“. Insofern wird noch ergänzt, dass im Haushalt des Klägers zwei Kinder leben (geboren 2009 und 2010). Die Personalratsanhörung erfolgte auf einem Briefbogen des Landratsamts. Der Personalrat erteilte seine Zustimmung am 13.07.2016.

Mit Schreiben vom 25.07.2016 auf einem Briefbogen des Landratsamts, unterschrieben vom Landrat, wurde gegenüber dem Kläger die ordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zum 31.03.2017 erklärt. Der Kläger erhob daraufhin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 13.08.2016, bei Gericht eingegangen per Telefax am gleichen Tag, Kündigungsschutzklage und einen allgemeinen Feststellungsantrag (sog. Schleppnetzantrag) sowohl gegen den Landkreis als auch gegen das Landratsamt. In der Güteverhandlung vom 01.09.2016 nahm die Klägervertreterin die Klage gegen das Landratsamt zurück. Nachdem der Beklagte in der Kammerverhandlung vom 10.01.2017 erklärte, dass es außer der streitgegenständlichen Kündigung keine weiteren Beendigungstatbestände gebe, auf die sich der Beklagte berufe, nahm die Klägervertreterin auch den Schleppnetzantrag zurück. Zum Schluss der Kammerverhandlung beantragte der Beklagtenvertreter Schriftsatznachlass auf den klägerischen Schriftsatz vom 01.01.2017 und stellte hilfsweise einen Auflösungsantrag.

Der Kläger ist der Ansicht, die Kündigung sei unwirksam. Das ergebe sich bereits daraus, dass aus der Kündigung die Vertretungsverhältnisse nicht ausreichend hervorgingen. Es sei nicht ersichtlich, ob sie vom Landratsamt selbst und für dieses oder im Namen des Beklagten ausgesprochen werde. Aus dem gleichen Grund seien auch der Antrag beim Integrationsamt und die Personalratsanhörung formal unwirksam. Die Personalratsanhörung sei auch deswegen fehlerhaft, weil lediglich eine Unterhaltspflicht laut „Lohnsteuerklasse“ aufgeführt werde, er aber das alleinige Sorgerecht für seine zwei Kinder habe.

Der Kläger trägt insbesondere weiter vor, 90 % seiner Fehlzeiten würden auf dem gleichen Grund beruhen, nämlich einer starken Belastungsreaktion mit teilweise depressiven Verstimmungen aufgrund des Mobbings am Arbeitsplatz. Sobald das Mobbing aufhöre, sei er wieder voll arbeitsfähig. Daher gebe es bereits keine negative Gesundheitsprognose. Seine Einsatzfähigkeit habe er auch bei den Wiedereingliederungsversuchen bewiesen, wobei der letzte Versuch im Februar 2016 nur deswegen nicht erfolgreich gewesen sei, weil er von seinem Vorgesetzten, Herrn K., wieder gemobbt worden sei. Dieser habe u. a. damals in einem Personalgespräch zu ihm gesagt, dass er nicht mehr fähig sei, eine Aufgabe im Bereich der Sozialen Arbeit auszuüben. Er sei nicht mehr fähig, auch nur fünf Kilo in der Sozialbetreuung zu heben. Er könne jetzt noch einen Schnupperkurs von sieben Tagen in einer Verwaltungstätigkeit machen. Wenn das nicht klappe, könne er ggf. noch als Hausmeister eingesetzt werden.

Der Kläger trägt weiterhin vor, das beklagtenseits angebotene bEM sei fehlerhaft. Es seien bereits nicht alle erforderlichen Personen beteiligt worden. Vor diesem Hintergrund treffe den Beklagten eine erhöhte Darlegungs- und Beweislast, insbesondere für das Fehlen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit. Diese bestünden aber zahlreich. Insgesamt habe man ihm von vornherein keine Chance gegeben, eine seiner bisherigen Eingruppierung entsprechende Tätigkeit bei dem Beklagten aufzunehmen. Er habe im Rahmen des bEM geäußert, dass er nicht im Bereich des ASD arbeiten wolle, weil das sehr belastend sei. Gleichwohl habe man ihm immer nur Tätigkeiten im ASD angeboten, obwohl zahlreiche andere Stellen verfügbar gewesen seien (s. nur Anl. K 12–K18), die eine geringere zeitliche und psychische Belastung mit sich brächten. Der Kläger ist der Meinung, er könne auch nach wie vor im Bereich der Flüchtlingsbetreuung eingesetzt werden, wo derzeit großer Bedarf bestehe. Einen Einsatz dort habe der Beklagte aber stets abgelehnt.

Der Kläger bestreitet schließlich noch die durch seine Fehlzeiten beklagtenseits vorgetragenen finanziellen Belastungen und trägt vor, dass die Kündigung jedenfalls unverhältnismäßig sei, weil die Fehlzeiten durch das Mobbing beklagtenseits mit verursacht worden seien. Auch die Probleme im Rahmen seiner Tätigkeit als Schuldnerberater habe die Beklagte durch eine totale Überlastung mit verursacht. Diese Überlastung ergebe sich ohne weiteres aus der vorgelegten Stellungnahme von Herrn S. (Anl. K 23, Abl. 290 ff.), seinem Vorgänger in der Schuldnerberatung.

Soweit der Beklagte im Übrigen hilfsweise die Auflösung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der gegenüber Herrn K. erhobenen Vorwürfe beantragt habe, sei der Antrag zurückzuweisen. Alle erhobenen Vorwürfe entsprächen den Tatsachen.

Der Kläger beantragt zuletzt:

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen dem Beklagten und dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 25.07.2017 nicht beendet wird.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem vorstehenden Antrag beantragt der Beklagte weiter:

Das Arbeitsverhältnis wird gegen Zahlung einer Abfindung von maximal EUR 13.000,00 aufgelöst.

Der Kläger beantragt insofern: Der Auflösungsantrag wird zurückgewiesen.

Der Beklagte ist der Ansicht, die Kündigung sei wirksam. Insbesondere ergebe sich aus der Kündigung ohne Weiteres, dass sie dem Beklagten als dem Arbeitgeber des Klägers zuzurechnen sei. Insgesamt sei die Fortsetzung des mit dem Kläger bestehenden Arbeitsverhältnisses nicht weiter zumutbar. Aus den bisherigen Fehlzeiten des Klägers ergebe sich ohne weiteres die negative Prognose für seine dauerhafte Arbeitsunfähigkeit. Diese folge im Übrigen auch daraus, dass der Kläger aus psychischen Gründen nicht in der Lage sei, die arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeiten als Sozialarbeiter/Sozialpädagoge auf Dauer auszufüllen. Selbst einfache mündliche oder schriftliche Anweisungen könne er auch nach deren Wiederholung nicht aufnehmen und umsetzen. Er vergesse sie, sei unkonzentriert und fahrig. Nur ihm günstige Sachverhalte nehme er selektiv wahr, andere Umstände blende er aus und sehe sich einer nicht zutreffenden Verfolgung ausgesetzt. Dieses psychische Grundleiden äußere sich aufgrund psychosomatischer Zusammenhänge auch in verschiedenen körperlichen Gebrechen, die in Erstbescheinigungen mündeten. Was nicht der Vorstellungswelt des Klägers entspringe, werde negiert bzw. nicht wahrgenommen. Der Kläger sei in keiner Weise belastbar und reagiere schon bei geringer Belastung mit Arbeitsunfähigkeit. Vor diesem Hintergrund sei der Kläger als Sozialarbeiter/Sozialpädagoge auf keiner Stelle einsetzbar. Im Übrigen sei er wegen der alleinigen Betreuung seiner zwei Kinder auf feste Arbeitszeiten angewiesen und daher zeitlich nicht flexibel einsetzbar, was auch einer Tätigkeit auf bestimmten Stellen entgegen stehe.

Der Beklagte trägt weiter vor, die aufgrund der negativen Prognose zu erwartenden Belastungen seien nicht hinnehmbar. Der Kläger habe erhebliche Entgeltfortzahlungskosten verursacht. Weitere seien dem Beklagten ebenso wenig zumutbar wie das Festhalten an einem sinnentleerten Arbeitsverhältnis.

Im Übrigen hätten auch die ordnungsgemäße Durchführung eines bEM und das ein Jahr und fünf Monate dauernde Verfahren vor dem Integrationsamt weder eine Besserung beim Kläger noch Besserungsmöglichkeiten ergeben. Soweit der Kläger meine, nicht alle erforderlichen Personen hätte am bEM teilgenommen, sei darauf hinzuweisen, dass er den Teilnehmerkreis selbst festgelegt habe. Insgesamt habe die Beklagte bereits vor Einleitung und Durchführung des bEM unter Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung und des Personalrats diverse Umsetzungen wegen der personenbedingten Schwierigkeiten des Klägers vorgenommen, ohne dass dies zu einer Verbesserung geführt habe. Weitere präventive Maßnahmen seien nicht mehr ersichtlich. Auch das Integrationsamt habe ja der Kündigung zugestimmt.

Die Beklagte widerspricht den Mobbingvorwürfen des Klägers und begründet den hilfsweise noch in der Kammerverhandlung gestellten Auflösungsantrag namentlich mit den aus ihrer Sicht unzutreffenden Mobbingvorwürfen durch den Kläger gegen Herrn K.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i. V. m. §§ 313 Abs. 2 Satz 2, 495 ZPO auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Protokolle der mündlichen Verhandlungen verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Der nach den Klagerücknahmen (vom 01.09.2016 und vom 10.01.2017) verbliebene Teil der Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 25.07.2016 ist wirksam und beendet daher das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum Ablauf des 31.03.2017.

1. Der beklagte Landkreis ist passivlegitimiert. Aufgrund des in Baden-Württemberg geltenden Rechtsträgerprinzips (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) ist das Landratsamt als Behörde von Landkreis oder Land (§ 1 Abs. 3 BWLKrO) nie selbst passivlegitimiert.

2. Die streitgegenständliche Kündigung vom 25.07.2016 wurde von dem Beklagten unter ordnungsgemäßer Vertretung durch den Landrat (§ 37 Abs. 1 BWLKrO) ausgesprochen. Soweit der Kläger meint, die Kündigung stamme ausschließlich von der Behörde Landratsamt und es gehe aus ihr nicht hervor, dass sie dem Beklagten zugerechnet werden könne, folgt dem die Kammer nicht. Die Kündigung ist als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärungen gemäß §§ 133, 157 BGB so auszulegen, dass die aus der Sicht des Empfängers nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte ergebende Bedeutung erkennbar wird (HK-BGB/Dörner, 9. Aufl. 2017, § 133 Rn. 8 mit zahlr. w. N.; Jauernig/Mansel, BGB, 16. Aufl. 2015, § 133 Rn. 10). Das gilt auch für die Person des Erklärenden, soweit die Willenserklärung insofern Auslegungsspielräume lässt.

Da das Landratsamt selbst als Behörde gemäß § 1 Abs. 3 BWLKrO immer nur in Vertretung für den Landkreis oder das Land handelt und der Kläger arbeitsvertraglich ausschließlich mit dem beklagten Landkreis verbunden ist, folgt aus der Erklärung einer Kündigung auf dem Briefbogen des Landratsamts ohne weiteres, dass das Landratsamt vorliegend für den Arbeitgeber, d. h. den Landkreis agiert. Der Kläger musste daher als ein mit dem Landkreis arbeitsvertraglich verbundener Arbeitnehmer ohne weiteres davon ausgehen, dass vorliegend das Landratsamt für seinen Arbeitgeber handelte.

3. Die Kündigung gilt nicht bereits nach §§ 4 Satz 1, 7 KSchG als rechtswirksam, da der Kläger – nach dem Zugang der Kündigung vom 25.07.2016 frühestens am gleichen Tag – mit seiner bei Gericht am 13.08.2016 eingegangenen Klage die Drei-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG gewahrt hat.

4. Die nach § 85 SGB IX erforderliche Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung wurde mit Bescheid vom 13.07.2016, den Prozessbevollmächtigten des Beklagten zugegangen am 19.07.2016, erteilt. Der Kläger hat die Kündigung vom 25.07.2016 jedenfalls vor dem 19.08.2016 erhalten, wie sich nicht zuletzt aus der Erhebung der Kündigungsschutzklage am 13.08.2016 ergibt, so dass ein Verstoß gegen die einmonatige Kündigungserklärungsfrist des § 88 Abs. 3 SGB IX nach Zugang der Zustimmung zur Kündigung durch das Integrationsamt nicht gegeben ist. In Bezug auf die Bedenken des Klägers, das Landratsamt und nicht der Beklagte habe die Zustimmung beim Integrationsamt beantragt, sei auf die Ausführungen unter 2. verwiesen, die sinngemäß auch gegenüber dem Integrationsamt gelten. Die Janusköpfigkeit des Landratsamts als selbst nicht rechtsfähige Behörde von Landkreis oder Land dürfte einem Mitarbeiter des maßgeblich von Städten und Landkreisen finanzierten KVJS ohne weiteres geläufig sein, so dass auch gegenüber dem Integrationsamt unmissverständlich der Landkreis als Arbeitgeber des Klägers handelte.

5. Der Beklagte hat den bei ihm bestehenden Personalrat mit Schreiben vom 08.07.2016 ordnungsgemäß angehört. In Bezug auf die auch insofern geäußerten Bedenken des Klägers, nur das Landratsamt und nicht der Beklagte habe den Personalrat angehört, sei auf die Ausführungen unter 2. und 4. verwiesen, die sinngemäß auch gegenüber dem Personalrat gelten. Die Janusköpfigkeit des Landratsamts als selbst nicht rechtsfähige Behörde von Landkreis oder Land ist dem Personalrat selbstverständlich bekannt, so dass auch gegenüber diesem unmissverständlich der Landkreis als Arbeitgeber des Klägers handelte.

Bedenken gegen die Ordnungsmäßigkeit der Personalratsanhörung im Übrigen hat die klagende Partei nicht vorgebracht. Sie sind auch im anderweitig nicht ersichtlich. Dem Personalrat waren die Fehlzeiten des Klägers im Einzelnen aus den der Anhörung beigefügten Unterlagen bekannt. Ob die im Kammertermin diskutierte Verkürzung der Stellungnahmefrist durch den Beklagten nach den weiteren Ausführungen des Beklagtenvertreters zur Einhaltung der Frist des § 88 Abs. 3 SGB IX dringlich im Sinne von § 76 Abs. 6 Satz 2 LPVG BW und damit rechtmäßig gewesen ist, erscheint zweifelhaft. Immerhin war die Zustimmung des Integrationsamts zum Zeitpunkt der Anhörung des Personalrats dem Beklagten noch gar nicht zugegangen, so dass die Einhaltung der Frist des § 88 Abs. 3 SGB IX wohl unproblematisch war. Sonstige Gründe für eine Dringlichkeit sind nicht ersichtlich. Letztlich kann dieser Punkt aber dahinstehen, da der Personalrat noch am 13.07.2016 seine uneingeschränkte Zustimmung zur Kündigung erteilt hat, so dass ein eventueller Verstoß gegen § 76 Abs. 6 Satz 2 LPVG BW nach § 76 Abs. 7 LPVG BW (analog) als geheilt anzusehen wäre.

Soweit sich im Übrigen aus der Personalratsanhörung der Familienstand des Klägers nicht ergibt, war dieser nach den unwidersprochenen Ausführungen des Beklagten im Kammertermin dem Personalrat namentlich in Person des Herrn R. wohlbekannt. Soweit der Kläger noch im Kammertermin gerügt hat, er sei gegenüber zwei Kindern unterhaltspflichtig, was die Personalratsanhörung so nicht ausweise, folgt dem die Kammer nicht. In der Personalratsanhörung wird zunächst auf die Unterhaltspflichten nach „Lohnsteuerklasse“, wobei für jeden offensichtlich gemeint ist nach „Lohnsteuerkarte“, verwiesen und anschließend klargestellt, dass mit ihm im Haushalt zwei Kinder leben. Eine falsche Angabe ist insofern nicht zu erkennen.

6. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet gemäß §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG das Kündigungsschutzgesetz Anwendung, da im maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung frühestens am 25.07.2016 das zum 01.12.2001 begründete Arbeitsverhältnis der Parteien länger als sechs Monate bestand und der Beklagte unstreitig in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer in Vollzeit (ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Angestellten) beschäftigte.

7. Die personenbedingte Kündigung vom 25.07.2016 ist gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, denn auf der Grundlage der vom Bundesarbeitsgericht zur Prüfung einer personenbedingten Kündigung entwickelten Grundsätze (s. nur BAG 01.03.2007 – 2 AZR 217/06, juris Rn. 15) besteht (a.) auf der ersten Prüfungsstufe eine negative Gesundheitsprognose für den Kläger. Zudem führen (b.) auf der zweiten Prüfungsstufe die prognostizierten Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen und (c.) folgt im Rahmen der im dritten Prüfungsschritt vorzunehmenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, dass diese Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden müssen.

a. Die bisherigen Krankheitszeiten des Klägers führen unter Berücksichtigung seiner (fehlenden) Einlassung zu den Ursachen und dem Grad der Ausheilung zu der negativen Prognose, dass zumindest mit einer für die weitere Dauer von zwei Jahren fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit zu rechnen ist, jedenfalls aber mit künftigen Arbeitsunfähigkeitszeiten im bisherigen Umfang.

aa. Der Kläger war seit dem 01.01.2013 an 1020 von 1302 möglichen Kalendertagen (nicht Werktagen!) arbeitsunfähig krank geschrieben. Das entspricht einem Anteil von 78 %. Die Zeit, in der er nicht arbeitsunfähig krank geschrieben war, hat er weit überwiegend mit Eingliederungsmaßnahmen bei der Beklagten verbracht, so dass auch insofern kein in vollem Maße gleichwertiger Austausch von Gegenleistungen stattgefunden hat. Seit dem 06.04.2016 ist der Kläger durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Eine lang andauernde krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit in der unmittelbaren Vergangenheit stellt ein gewisses Indiz für die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit in der Zukunft dar (BAG 13.05.2015 – 2 AZR 565/14, juris Rn. 14 m. w. N.). Das gilt umso mehr, wenn auch die Krankheitszeiten in den vergangenen Jahren derart umfangreich waren, dass der arbeitsvertraglich vorgesehene Leistungsaustausch nicht einmal für die überwiegende Zeit des Jahres stattgefunden hat. Der Arbeitgeber genügt deshalb seiner Darlegungslast für eine negative Prognose zunächst, wenn er die bisherige Dauer der Erkrankung und die ihm bekannten Krankheitsursachen vorträgt. Dies hat der Beklagte bezüglich der Dauer der Erkrankung des Klägers in der Vergangenheit getan. Die Krankheitszeiten sind überdies unstreitig. Die Krankheitsursachen im Einzelnen waren dem Beklagten nach seinem Vorbringen (zumindest weit überwiegend) nicht bekannt. Nach dem Vortrag des Beklagten ist also davon auszugehen, dass der Kläger für die weitere Dauer von zwei Jahren arbeitsunfähig ist, jedenfalls aber dass auch weiterhin Arbeitsunfähigkeitszeiten wie im Umfang der Zeit seit dem 01.01.2013 eintreten werden.

bb. Der durch die langen Arbeitsunfähigkeitszeiträume in der Vergangenheit begründeten Indizwirkung ist der Kläger nicht in erheblicher Weise entgegengetreten. Er hat zwar vorgetragen, 90 % der Fehlzeiten würden auf der Diagnose psychische Belastungsreaktion wegen Mobbings mit depressiven Verstimmungen beruhen und unter Verweis auf vorgelegte ärztliche Bescheinigungen darauf hingewiesen, dass er wieder voll arbeitsfähig sei, sobald das Mobbing und der psychische Druck in der Arbeit aufhören. Dieser Vortrag widerspricht allerdings den klägerseits vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen in eklatanter Weise. Denn wie sich aus einer beklagtenseits im Rahmen der Betriebsratsanhörung vorgelegten Aufstellung (Abl. 173–175) ergibt, hat der Kläger in dem Zeitraum vom 01.01.2013 bis zum Zeitpunkt der Kündigung insgesamt 23 Erstbescheinigungen vorgelegt. Bereits vor diesem Hintergrund ist es aus Sicht der Kammer ausgeschlossen, dass 90 % der Fehlzeiten auf derselben Krankheitsursache beruhen. Dem Kläger hätte es vor diesem Hintergrund – entsprechend der gerichtlichen Auflage gemäß Nr. 5 der Kammerterminsverfügung vom 06.09.2016 – oblegen, im Einzelnen darzulegen, in welchem Zeitraum er aus welchem Grund arbeitsunfähig war und warum davon auszugehen ist, dass mit entsprechenden Fehlzeiten in der Zukunft nicht mehr zu rechnen ist.

Soweit der Kläger im Übrigen auf die vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen von Dr. F. (Abl. 282–285) und Dr. W. (Abl. 286 f.) verwiesen hat, wonach eine Besserung eintrete, sobald das Mobbing aufhöre, ist dieser Vortrag unzureichend. Denn es ist bereits nicht ersichtlich, auf welche Krankheitszeiten sich die Prognose der Ärzte bezieht und inwiefern daher tatsächlich mit einer Besserung hin zu für den Beklagten zumutbare Fehlzeiten zu rechnen ist. Im Übrigen hat etwa Dr. W. in seiner Stellungnahme bereits ausgeführt, es bestünden zum damaligen Zeitpunkt (08.10.2015) keine gesundheitlichen Einschränkungen, die gegen eine Tätigkeit des Klägers sprächen. Gleichwohl war der Kläger weiterhin arbeitsunfähig erkrankt. Auch ergeben sich aus den vorgelegten Unterlagen deutliche Hinweise auf Erkrankungen aus verschiedenen Gründen. So verweist Dr. W. in seiner Stellungnahme auf eine eingeschränkte Belastbarkeit des Klägers wegen eines Unfalls. Frau Dr. F. gibt an, die Fehlzeiten des Klägers würden „zum großen Teil“ (!) auf Kiefer-Zahn-Problemen beruhen. Auch hat der Kläger selbst behauptet, die Probleme im Rahmen seiner Tätigkeit als Schuldnerberater hätten auf einer totalen Überforderung beruht, was wiederum keinen Zusammenhang mit Mobbing erkennen lässt. Auch insofern ist sein Vortrag (90 % der Fehlzeiten wegen desselben Krankheitsursache) nicht nachvollziehbar und mithin nicht geeignet, die aus dem Vortrag der Beklagten folgende negative Prognose zu widerlegen.

b. Die aufgrund dieser negativen Gesundheitsprognose zu erwartenden weiteren Fehlzeiten führen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Beklagten.

aa. Diese erheblichen Beeinträchtigungen der betrieblichen Interessen der Beklagten können sowohl in Betriebsablaufstörungen als auch in zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten liegen, sofern die Zahlungen einen Umfang von sechs Wochen übersteigen (BAG 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, juris Rn. 16 m. w. N.). Bei krankheitsbedingter dauernder Leistungsunfähigkeit ist in aller Regel ohne weiteres von einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen auszugehen (BAG 29.04.1999 – 2 AZR 431/98, juris m. w. N.).

bb. Inwiefern die Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers zu Betriebsablaufstörungen führen, kann vorliegend dahinstehen. Es kann auch dahinstehen, ob der Kläger tatsächlich nunmehr dauerhaft leistungsunfähig ist oder ob jedenfalls mit Fehlzeiten wie seit dem 01.01.2013 zu rechnen ist. In jedem Fall liegt eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen des Beklagten vor. Denn nach der negativen Prognose ist davon auszugehen, dass der Kläger für die weitere Dauer von zwei Jahren arbeitsunfähig ist, jedenfalls aber dass auch weiterhin Arbeitsunfähigkeitszeiten wie seit dem 01.01.2013 eintreten werden. Im ersten Fall ist nach der Rechtsprechung des BAG bei einer krankheitsbedingten dauernden Leistungsunfähigkeit ohne weiteres von einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen auszugehen. Im zweiten Fall ergibt sich die erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Belange aus Entgeltfortzahlungskosten in einem sechs Wochen bei weitem übersteigenden Umfang, so wie es in den Jahren 2013–2015, also in den meisten Jahren, der Fall war.

c. Die Abwägung der beiderseits zu berücksichtigenden Interessen ergibt vorliegend, dass die vorstehend angeführten Beeinträchtigungen von der Beklagten billigerweise nicht mehr hingenommen werden müssen.

aa. Nach dem das ganze Kündigungsrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist eine krankheitsbedingte Kündigung auch dann ungerechtfertigt, wenn sie zur Beseitigung der betrieblichen Beeinträchtigungen und der eingetretenen Vertragsstörung nicht erforderlich ist. Sie ist nicht erforderlich, solange der Arbeitgeber nicht alle anderen geeigneten milderen Mittel zur Vermeidung künftiger Störungen ausgeschöpft hat. Zu den die Kündigung bedingenden Tatsachen gehört deshalb auch das Fehlen alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten, die einen zukünftigen störungsfreien Verlauf des Arbeitsverhältnisses möglich erscheinen lassen. Dafür trägt der Arbeitgeber nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Darlegungs- und Beweislast. Grundsätzlich kann er diesbezüglich zunächst pauschal behaupten, es bestünden keine anderen Beschäftigungsmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer. Darin liegt regelmäßig zugleich die Behauptung, es bestehe keine Möglichkeit einer leidensgerechten Ausgestaltung des Arbeitsplatzes und der Arbeitsbedingungen. Daraufhin hat der Arbeitnehmer konkret darzulegen, wie er sich eine Änderung des bisherigen Arbeitsplatzes oder seine weitere Beschäftigung – ggf. zu geänderten Arbeitsbedingungen – unter Berücksichtigung seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen vorstellt (BAG 10.12.2009 – 2 AZR 400/08, juris Rn. 16).

In diesem Rahmen gewinnt die Erforderlichkeit des betrieblichen Eingliederungsmanagements (sog. bEM) nach § 84 Abs. 2 SGB IX Bedeutung für die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast. Einerseits ist die Durchführung des bEM nach der Rechtsprechung des BAG keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung. Andererseits enthält § 84 Abs. 2 SGB IX auch keinen bloßen Programmsatz. Die Norm konkretisiert vielmehr den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Das bEM ist nicht selbst ein milderes Mittel. Mit seiner Hilfe können aber mildere Mittel als die Kündigung, z. B. eine Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen – ggf. durch Umsetzungen freizumachenden – Arbeitsplatz, erkannt und entwickelt werden. Dabei wird das Verhältnismäßigkeitsprinzip nicht allein dadurch verletzt, dass kein bEM durchgeführt wurde. Es muss hinzukommen, dass überhaupt Möglichkeiten einer alternativen (Weiter-)Beschäftigung bestanden haben, die eine Kündigung vermieden hätten (BAG 23.04.2008 – 2 AZR 1012/06, juris Rn. 27).

Hat der Arbeitgeber entgegen seiner gesetzlichen Pflicht kein (ordnungsgemäßes) bEM durchgeführt, darf er sich dadurch keine darlegungs- und beweisrechtlichen Vorteile verschaffen können (BAG 23.04.2008 – 2 AZR 1012/06, juris Rn. 26) und sich nicht darauf beschränken vorzutragen, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer und es gebe keine leidensgerechten Arbeitsplätze, die der Arbeitnehmer trotz seiner Erkrankung noch einnehmen könne (BAG 10.12.2009 – 2 AZR 400/08, juris Rn. 19). Er hat vielmehr von sich aus die objektive Nutzlosigkeit eines bEM darzulegen und zu beweisen, mithin dass dem künftigen Auftreten erheblicher, über sechs Wochen hinausgehender Fehlzeiten des Klägers weder durch innerbetriebliche Anpassungsmaßnahmen noch durch eine Maßnahme der Rehabilitation hätte entgegengewirkt werden können. Dazu muss er einerseits umfassend und detailliert vortragen, warum weder ein weiterer Einsatz auf dem bisherigen Arbeitsplatz, noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich gewesen seien und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit habe eingesetzt werden können, warum also ein bEM im keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten vorzubeugen und das Arbeitsverhältnis zu erhalten. Andererseits hat er vorzutragen, dass bei Durchführung eines bEM Rehabilitationsbedarfe in der Person des Klägers nicht hätten erkannt oder dass durch entsprechende Maßnahmen der Rehabilitation künftige Fehlzeiten nicht spürbar hätten reduziert werden können. Sowohl in Bezug auf innerbetriebliche Anpassungsmaßnahmen als auch in Bezug auf Maßnahmen der Rehabilitation kommt dem Arbeitgeber eine Abstufung seiner Darlegungs- und Beweislast zugute, falls ihm die Krankheitsursachen unbekannt sind (vgl. BAG 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, juris Rn. 50).

In diesem Zusammenhang ist vorliegend auch zu berücksichtigen, dass schwerbehinderte Menschen gegenüber ihren Arbeitgebern nach § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX Anspruch auf eine Beschäftigung haben, bei der sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können. Ein solcher Anspruch besteht nach § 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX lediglich u. a. dann nicht, wenn seine Erfüllung für den Arbeitgeber nicht zumutbar oder mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden wäre. Bei der Prüfung, ob die Erfüllung seiner Pflicht aus § 81 Abs. 4 SGB IX dem Arbeitgeber nach § 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX zumutbar ist oder mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden wäre, ist, wenn es um die Wirksamkeit einer Kündigung geht, entscheidend mit zu berücksichtigen, dass die Rechte des schwerbehinderten Arbeitnehmers durch ein geordnetes Verfahren vor dem Integrationsamt nach §§ 85 ff. SGB IX durch einen unparteiischen Staatsbediensteten mit der Möglichkeit der Nachprüfung der Entscheidung in mehreren Instanzen zu prüfen sind (BAG 22.09.2005 – 2 AZR 519/04, AP SGB IX § 81 Nr. 10). In diesem Verfahren spielen insbesondere die Möglichkeiten, den Arbeitnehmer auf einem anderen, behindertengerechten Arbeitsplatz weiter zu beschäftigen, eine tragende Rolle. Das Integrationsamt hat im Rahmen seiner öffentlich-rechtlichen Aufgaben die Interessen des Schwerbehinderten und die betrieblichen Interessen gegeneinander abzuwägen (vgl. BAG 20.01.2000 – 2 AZR 378/99, NZA 2000, 768; BVerwG 11.11.1999 – 5 C 23/99, NZA 2000, 146) und hat sogar aufgrund der bestehenden Amtsermittlungspflicht – anders als ein Arbeitsgericht – von sich aus tätig zu werden, den Sachverhalt weiter zu ermitteln und etwa Stellungnahmen sowie Gutachten einzuholen (BVerwG 11.11.1999 – 5 C 23/99, NZA 2000, 146). Hat daher eine solche Prüfung mit der gebotenen Sorgfalt stattgefunden und ist das Integrationsamt nach eingehender Prüfung unter Hinzuziehung des Betriebsrats, der Schwerbehindertenvertretung und der sonstigen Beteiligten zu dem Ergebnis gelangt, eine solche Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bestehe nicht, so darf dies nicht unberücksichtigt bleiben (BAG 22.09.2005 – 2 AZR 519/04, AP SGB IX § 81 Nr. 10; LAG Köln 13.04.2012 – 5 Sa 551/11, juris Rn. 50).

bb. Den Beklagten trifft vorliegend eine erhöhte Darlegungs- und Beweislast, weil er das erforderliche bEM im Rahmen der ihm zukommenden Initiativlast (s. nur BAG 07.02.2012 – 1 ABR 46/10, juris Rn. 9; 24.03.2011 – 2 AZR 170/10, juris Rn. 23) nicht ordnungsgemäß durchgeführt hat. Es fehlt bereits an einer ordnungsgemäßen Einladung zum bEM. Denn es kann nur dann davon ausgegangen werden, dass der Arbeitgeber eine Initiative zum bEM ordnungsgemäß ergriffen hat, wenn er den Arbeitnehmer zuvor nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX auf die Ziele des bEM sowie Art und Umfang der dabei erhobenen Daten hingewiesen hat (BAG 24.03.2011 – 2 AZR 170/10, juris Rn. 23). Der Hinweis erfordert zum einen eine Darstellung der Ziele, die inhaltlich über eine bloße Bezugnahme auf die Vorschrift des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX hinausgeht. Zu diesen Zielen rechnet die Klärung, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und wie das Arbeitsverhältnis erhalten werden kann (vgl. BAG 07.02.2012 – 1 ABR 46/10, juris Rn. 19). Dem Arbeitnehmer muss verdeutlicht werden, dass es um die Grundlagen seiner Weiterbeschäftigung geht und dazu ein ergebnisoffenes Verfahren durchgeführt werden soll, in das auch er Vorschläge einbringen kann. Daneben ist zum anderen ein Hinweis zur Datenerhebung und Datenverwendung erforderlich, der klarstellt, dass nur solche Daten erhoben werden, deren Kenntnis erforderlich ist, um ein zielführendes, der Gesundung und Gesunderhaltung des Betroffenen dienendes bEM durchführen zu können. Dem Arbeitnehmer muss mitgeteilt werden, welche Krankheitsdaten – als sensible Daten i. S. v. § 3 Abs. 9 BDSG – erhoben und gespeichert und inwieweit und für welche Zwecke sie dem Arbeitgeber zugänglich gemacht werden. Nur bei entsprechender Unterrichtung kann vom Versuch der ordnungsgemäßen Durchführung eines bEM die Rede sein (BAG 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, juris Rn. 32).

Das von dem Beklagten in Kopie als Anlage B3 (Abl. 127) vorgelegte Einladungsschreiben vom 17.01.2014 enthält allgemeine Ausführungen zu Inhalt und Ziel des bEM. Es ist bereits zweifelhaft, ob mit diesem Schreiben dem Kläger tatsächlich hinreichend verdeutlicht wurde, dass es um die Grundlagen seiner Weiterbeschäftigung geht und dazu ein ergebnisoffenes Verfahren durchgeführt werden soll, in das auch er Vorschläge einbringen kann. Ob das Schreiben insofern den gesetzlichen Anforderungen genügt, kann indes dahinstehen. Denn das Einladungsschreiben des Beklagten vom 17.01.2014 zur Durchführung eines bEM enthält lediglich einen allgemeinen Hinweis auf die streng vertrauliche Behandlung der aus einem Erstgespräch resultierenden Informationen, mithin nicht ansatzweise einen tauglichen Datenschutzhinweis im Sinne der vorstehend zitierten Anforderungen und ist bereits deswegen fehlerhaft. Selbst unter Hinzuziehung der bei dem Beklagten geltenden Dienstvereinbarung über das Betriebliche Eingliederungsmanagement vom 01.01.2014 (Anlage B3; Abl. 129–134) würde den Anforderungen nicht genüge getan, weil auch diese Dienstvereinbarung (einschließlich der zugehörigen Anlage) keinerlei Hinweis dazu enthält, welche Krankheitsdaten – als sensible Daten i. S. v. § 3 Abs. 9 BDSG – erhoben und gespeichert werden sollen. Folglich liegt vorliegend bereits ein Ermangelung einer formell richtigen Einladung zu einem bEM durch den Beklagten insgesamt kein ordnungsgemäßes bEM vor. Auf die zwischen den Parteien umstrittene Frage, ob alle erforderlichen Personen am bEM teilgenommen haben, kommt es daher nicht weiter an.

cc. Gleichwohl führt das Unterlassen eines ordnungsgemäßen bEM vorliegend nicht dazu, dass die Kündigung unverhältnismäßig ist. Dem Vorbringen des Beklagten unter Berücksichtigung der vorliegend erhöhten Darlegungs- und Beweislast ist zu entnehmen, dass einem künftigen Auftreten von Fehlzeiten des Klägers im bisherigen Umfang weder durch Rehabilitationsmaßnahmen noch durch innerbetriebliche Anpassungsmaßnahmen hätte entgegengewirkt werden können. Der Beklagte hat – im Rahmen seiner Möglichkeiten – umfassend dazu vorgetragen, aus welchem Grund er keine Möglichkeit sieht, den sich aus der negativen Prognose ergebenden Fehlzeiten des Klägers durch Maßnahmen der Rehabilitation oder durch innerbetriebliche Anpassungsmaßnahmen entgegen zu wirken. Dabei waren einerseits eine Abstufung der Darlegungs- und Beweislast für den Beklagten zu berücksichtigen, soweit ihm die Krankheitsursachen unbekannt waren, und andererseits die Zustimmung durch das Integrationsamt aufgrund der Durchführung des Zustimmungsverfahrens mit der gebotenen Sorgfalt unter Hinzuziehung aller erforderlichen Beteiligten (s. dazu ausf. unter 7.c.aa.).

(1) Maßnahmen der Rehabilitation kommen bereits aufgrund des eigenen Vortrags des Klägers nicht in Betracht. Zum einen befindet er sich bereits seit geraumer Zeit in umfassender ärztlicher, auch fachärztlicher Behandlung, so dass bereits deswegen kaum angenommen werden kann, dass nicht alle möglichen Maßnahmen der Rehabilitation versucht worden sind. Zum anderen aber haben die den Kläger behandelnden Ärzte in ihren klägerseits vorgelegten Stellungnahmen gegenüber dem KVJS angegeben, dass als berufliche/medizinische Rehabilitationsmaßnahme empfohlen wird lediglich die „Arbeitsplatz-Umsetzung“ (Fr. Dr. F. vom 17.05.2015, Abl. 285) bzw. eine „ambulante Psychotherapie, ansonsten derzeit keine“ (Hr. Prof. Dr. med. W. vom 11.12.2015, Abl. 287). Die Umsetzung des Klägers auf einen anderen Arbeitsplatz ist nach dem Dafürhalten der Kammer keine Maßnahme der Rehabilitation im vorliegend zu prüfenden Sinne und wird ausführlich sogleich unter möglichen innerbetrieblichen Anpassungsmaßnahmen geprüft. Die Durchführung einer (ambulanten) Psychotherapie als weitere Maßnahme erscheint vorliegend von vornherein sinnlos. Zum einen ist aufgrund des (fehlenden) Vortrags des Klägers zu den einzelnen Gründen für seine Fehlzeiten bereits nicht ansatzweise nachvollziehbar, für welche Fehlzeiten seine psychischen Probleme verantwortlich waren, so dass auch nicht ersichtlich ist, inwiefern eine Besserung der Psyche die Fehlzeiten auf ein für den Beklagten zumutbares Maß reduzieren kann. Zum anderen hat der Kläger sich mehrfach darauf berufen, dass die Fehlzeiten zu 90 % auf Mobbingmaßnahmen beruhen würden und er ohne Druck von Vorgesetzten voll einsatzfähig wäre. Eine (ambulanten) Psychotherapie als weitere Maßnahme wäre nach diesem Vortrag mithin nicht erforderlich zur Verbesserung der Fehlzeiten. Der Beklagte hat diesen klägerischen Vortrag zwar bestritten und darauf hingewiesen, dass er zahlreiche Erstbescheinigungen vorgelegt habe, was einen Widerspruch zu seinem Vortrag der Krankheitsursachen bedeute. Doch kommt es vorliegend nicht darauf an, ob der – unsubstantiierte – Vortrag des Klägers zu den Ursachen für seine Fehlzeiten (90 % wegen Mobbingmaßnahmen) zutrifft. Denn trifft er zu, kommen Maßnahmen der Rehabilitation von vornherein nicht in Betracht. Trifft er jedoch nicht zu, bleibt der Vortrag des Klägers zu den Krankheitsursachen derart vage, dass es der Beklagten nicht möglich ist, hierauf substantiiert einzugehen.

(2) Auch ist nach dem Vortrag der Parteien davon auszugehen, dass innerbetriebliche Anpassungsmaßnahmen zu einer Besserung der Fehlzeiten auf ein für den Beklagten zumutbares Maß nicht beitragen können. Dabei kann dahinstehen, ob – wie von dem Beklagten behauptet – die Leistungen des Klägers in den kurzen Zeiten seiner Anwesenheit in den Jahres 2013–2016 derart unzureichend waren, dass sie einer Nichtleistung gleichzusetzen sind und der Kläger vor diesem Hintergrund tatsächlich als dauerhaft arbeitsunfähig anzusehen ist. Es kann auch dahinstehen, ob einem Einsatz des Klägers in bestimmten Bereichen eine fehlende zeitliche Flexibilität entgegen steht. Nach dem unsubstantiierten und zum Teil widersprüchlichen Vortrag des Klägers ist bereits nicht ansatzweise ersichtlich, welche Fehlzeiten in welcher Weise mit welchem Arbeitsplatz zusammenhängen und welche nicht und inwiefern daher eine innerbetriebliche Anpassungsmaßnahme Abhilfe schaffen könnte. Soweit der Kläger in der Kammerverhandlung mehrfach behauptet hat, 90 % seiner Fehlzeiten würden auf Mobbingmaßnahmen bei dem Beklagten beruhen, widersprechen dem bereits die zahlreichen bei dem Beklagten eingereichten Erstbescheinigungen. Auch hat die klagende Partei in der Kammerverhandlung vorgetragen, der Kläger sei bei einem Eingliederungsversuch mit Fragen der Kindeswohlgefährdung befasst gewesen, was ihn sehr belastet habe. Die mit einer solchen Stelle verbundene psychische und zeitliche Belastung sei für den Kläger nicht erträglich. Was aber die psychische und zeitliche Belastung mit einer Belastung wegen (vermeintlichen) Mobbingmaßnahmen zu tun hat, die immerhin für 90 % der Fehlzeiten verantwortlich sein soll, bleibt offen. Auch dieser Umstand zwingt letztlich zu dem Schluss, dass die Behauptung des Klägers, 90 % seiner Fehlzeiten würden auf Mobbingmaßnahmen bei dem Beklagten beruhen, nicht zutreffen kann. Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Kläger nach den unmissverständlichen Feststellungen des Integrationsamts selbst um einen Tätigkeit im ASD gebeten hat, also gerade in dem Bereich, in dem die Mobbingmaßnahmen insbesondere durch Herrn K. am schlimmsten sein sollen. Auch wurde er gerade für eine Eingliederung und eine anschließende Tätigkeit in diesem Bereich von seinen Ärzten „gesund geschrieben“, was ebenfalls einen gewissen Widerspruch zum klägerischen Vortrag zu den Krankheitsursachen bedeutet. Insgesamt bleibt der Vortrag des Klägers zu seinen Krankheitsursachen derart unsubstantiiert und widersprüchlich, dass der Beklagten ein substantiierte Erwiderung im Rahmen der hier geltenden abgestuften Darlegungs- und Beweislast nicht möglich ist. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass das Integrationsamt seine Zustimmung zu der Kündigung erteilt, obwohl es sich drei Mal im Rahmen seiner Amtsermittlung von der zuständigen Krankenkasse eine Fehlzeitenübersicht unter Nennung der jeweiligen Diagnose eingeholt hat. Die letzte Übersicht datierte vom 23.06.2016. Trotz (oder gerade wegen) Kenntnis der aus den Übersichten folgenden Krankheitsursachen kam das Integrationsamt zu dem Ergebnis, die Zustimmung zu erteilen. Auch dieser Umstand spricht zumindest ohne eine hinreichende Darlegung des Klägers zu den Ursachen für seine Fehlzeiten gegen eine Möglichkeit zu innerbetrieblichen Anpassungsmaßnahmen, die das Integrationsamt ja vornehmlich prüft.

dd. Auch bei einer abschließenden Abwägung der beiderseitigen Interessen überwiegt das Auflösungsinteresse des Beklagten das Bestandsschutzinteressen des Klägers. Zugunsten des Klägers sind zu berücksichtigen seine Betriebszugehörigkeit seit dem 01.12.2001, der Umstand, dass er zu 30 % behindert und einem Schwerbehinderten gleichgestellt ist, und dass er das alleinige Sorgerecht für seinen beiden minderjährigen Kinder hat und diese alleine erzieht. Soweit der Kläger der Ansicht ist, die Kündigung sei sozialwidrig, weil den Beklagten aufgrund der zahlreichen Mobbinghandlungen, deren Opfer er gewesen sei, die Schuld für seine Fehlzeiten treffe, kann dies nicht entscheidend zu seinen Gunsten in die Abwägung eingestellt werden. Wie oben ausführlich dargelegt, kann dabei dahinstehen, inwiefern der Kläger tatsächlich von Kollegen und/oder Vorgesetzten über ein möglicherweise zu ertragendes Maß hinaus angegangen wurde. Es ist nicht ansatzweise ersichtlich, in welchem Umfang seine Fehlzeiten tatsächlich mit objektiv erfolgten oder auch nur subjektiv empfundenen Schikanen zusammenhängen. Insofern ist sein Vortrag, wie oben erläutert, unsubstantiiert und widersprüchlich.

Zugunsten des Beklagten ist zu beachten, dass der Kläger mit derzeit 48 Jahren noch nicht übermäßig alt ist, so dass die in der Zukunft bis zum Renteneintritt des Klägers zu erwartenden Fehlzeiten im bisherigen Umfang den Beklagten sehr belasten. Das gilt unabhängig davon, ob diese Belastungen finanzieller Art sind, wie es in der Vergangenheit in erheblichem Maße der Fall war, oder in dem Festhalten an einem sinnentleerten Arbeitsverhältnis für eine erhebliche Zeitspanne bis zur Verrentung. Zugunsten des Beklagten ist in die Abwägung auch einzustellen, dass er über einen Zeitraum von mehreren Jahren – auch gemeinsam mit dem Integrationsamt und dem Integrationsfachdienst – erfolglos versucht hat, eine Besserung der Fehlzeiten herbeizuführen und auch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem ArbG Ulm nicht ansatzweise ersichtlich wurde, wie eine Besserung der Fehlzeiten im bestehenden Arbeitsverhältnis auf ein Maß von jährlich nicht mehr als sechs Wochen erreicht werden kann. Schließlich sind Sozialpädagogen derzeit auf dem Arbeitsmarkt sehr nachgefragt, so dass es dem Kläger möglich sein sollte, zeitnah nach Überwindung seiner Arbeitsunfähigkeit eine Anschlussbeschäftigung zu finden.

8. Nach alldem ist die Kündigungsschutzklage abzuweisen. Der beklagtenseits beantragte Schriftsatznachlass auf den klägerischen Schriftsatz vom 02.01.2017 ist vor diesem Hintergrund nicht weiter erforderlich und daher nicht zu gewähren. Da der Klage nicht stattgegeben wurde, ist die Bedingung für den hilfsweise durch den Beklagtenvertreter noch im Kammertermin gestellten Auflösungsantrag nicht eingetreten. Über diesen ist mithin nicht zu befinden.

II.

1. Die Festsetzung des Rechtsmittelstreitwerts folgt dem Grunde nach aus § 61 Abs. 1 ArbGG und entspricht in der Höhe einem Bruttoquartalsentgelt des Klägers auf Basis eines Bruttomonatsentgelts von EUR 3.900,00.

2. Die Kostentragungspflicht des Klägers ergibt sich in Bezug auf den zurückgenommenen Teil der Klage aus § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i. V. m. § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO und im Übrigen gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i. V. m. §§ 495, 91 ZPO aus seinem vollständigen Unterliegen.

3. Die Berufung war nicht gemäß § 64 Abs. 3 ArbGG gesondert zuzulassen, da sie bereits nach § 64 Abs. 2 lit. c) ArbGG eingelegt werden kann und im Übrigen kein Zulassungsgrund vorliegt.

 

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