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Krankheitsbedingte Kündigung – häufige Kurzerkrankungen – negative Negativprognose

BAG

Az: 2 AZR 599/01

Urteil vom 07.11.2002

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 19. Juni 2001 – 4 Sa 1623/99 – aufgehoben.

2. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

Der Kläger macht die Unwirksamkeit einer ordentlichen Kündigung geltend und verlangt hilfsweise Wiedereinstellung.

Der im Jahre 1960 geborene, verheiratete Kläger, der drei Kindern zum Unterhalt verpflichtet ist, trat 1990 in die Dienste der Beklagten, die eine Fleischwarenfabrik betreibt. Der Kläger war als Hilfsarbeiter tätig und erhielt zuletzt eine Stundenvergütung von 18,15 DM brutto bei einer regelmäßig zu erbringenden Arbeitszeit von 37,5 Stunden in der Woche.

In den Jahren von 1991 bis 1998 war der Kläger wie folgt arbeitsunfähig erkrankt (Kalendertage):

06.02. bis 08.02.1991 3 Tage

09.04. bis 12.04.1991 4 Tage

24.06. bis 17.07.1991 19 Tage

04.11. bis 19.11.1991 16 Tage

21.11.1991 1 Tag

31.12.1991 1 Tag

01.01. bis 10.01.1992 10 Tage

23.03. bis 29.03.1992 7 Tage

24.04. bis 27.04.1992 4 Tage

07.05. bis 08.05.1992 2 Tage

06.07. bis 24.07.1992 19 Tage

12.10. bis 22.10.1992 11 Tage

10.12. bis 14.12.1992 5 Tage

19.01. bis 29.01.1993 11 Tage

31.03.1993 1 Tag

12.05. bis 14.05.1993 3 Tage

21.06. bis 23.06.1993 3 Tage

22.11. bis 03.12.1993 12 Tage

18.01. bis 11.02.1994 25 Tage

11.03.1994 1 Tag

21.04. bis 13.05.1994 23 Tage

01.08. bis 05.08.1994 5 Tage

22.11. bis 09.12.1994 18 Tage

07.03. bis 10.03.1995 4 Tage

28.04. bis 03.05.1995 6 Tage

22.11. bis 01.12.1995 10 Tage

11.04. bis 10.05.1996 30 Tage

20.08. bis 07.09.1996 19 Tage

03.02. bis 21.02.1997 19 Tage

09.04. bis 18.04.1997 10 Tage

30.06. bis 04.07.1997 5 Tage

23.07.1997 1 Tag

01.10. bis 02.10.1997 2 Tage

06.10. bis 22.10.1997 17 Tage

10.12. bis 23.12.1997 14 Tage

14.04. bis 20.04.1998 7 Tage

01.09. bis 19.10.1998 49 Tage

Von den Krankheitszeiten im Jahre 1993 waren die beiden 11 bzw. 12 Tage umfassenden Perioden auf Arbeitsunfälle zurückzuführen. In der Krankheitsperiode vom 18. Januar 1994 bis zum 11. Februar 1994 wurde der Kläger am Auge operiert, in der Periode vom 20. August 1996 bis zum 7. September 1996 unterzog er sich einer Nasenoperation und in die Krankheitsperiode vom 9. April bis zum 18. April 1997 fiel eine Warzenoperation. Die übrigen Fehlzeiten ergaben sich vor allem aus Geschwüren des Zwölffingerdarms, Wirbelsäulenbeschwerden und Erkältungskrankheiten (einschließlich grippaler Infekte), daneben aus Kopfschmerzen und Nierenschmerzen.

Mit Schreiben vom 8. Oktober 1998 teilte die Beklagte dem bei ihr eingerichteten Betriebsrat mit, sie beabsichtige, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31. Januar 1999 ordentlich zu kündigen. Zur Begründung bezog sie sich auf die erwähnten Krankheitszeiten ohne Erläuterung der Krankheitsursachen und führte an, sie sei in der Vergangenheit mit Lohnfortzahlungskosten iHv. 50.740,72 DM belastet worden. Mit Schreiben vom gleichen Tage erwiderte der Betriebsrat, er könne der Kündigung nicht zustimmen. Mit Schreiben vom 9. Oktober 1998, das dem Kläger am selben Tage zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31. Januar 1999.

Der Kläger hat die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht. Der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß angehört worden, weil die Beklagte ihm die Arbeitsunfälle verschwiegen habe. Die Kündigung sei auch sozialwidrig. Zwar könne die Anzahl der Fehltage an sich für eine negative Gesundheitsprognose sprechen. Er habe aber dargelegt, daß mit einer baldigen Genesung zu rechnen gewesen sei. Die Beklagte habe den ihr obliegenden Beweis einer negativen Zukunftsprognose nicht erbracht. Erhebliche betriebliche Beeinträchtigungen bestreitet der Kläger und macht geltend, im Rahmen der Interessenabwägung müsse berücksichtigt werden, daß die Erkrankungen auf betriebliche Ursachen zurückzuführen seien.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung vom 9. Oktober 1998, zugegangen am 9. Oktober 1998, zum 31. Januar 1999 beendet wird und falls der Kläger mit dem Feststellungsantrag obsiegt, die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Bedingungen als Hilfskraft weiterzubeschäftigen.

Das Arbeitsgericht hat nach Einholung schriftlicher Aussagen der behandelnden Ärzte des Klägers vom 21. Juni 1999 und vom 29. Juni 1999 die Klage abgewiesen.

In der Berufungsinstanz hat der Kläger sich mit Schriftsatz vom 14. April 2000 auf die vom Arbeitsgericht eingeholten schriftlichen Aussagen bezogen und vorgetragen, die Aussage vom 21. Juni 1999 zeige, daß spätestens seit einer Gastroskopie am 17. Mai 1999 das Magenleiden ausgeheilt sei. Aus einem weiteren ärztlichen Schreiben vom 16. Februar 2000 ergebe sich, daß weder eine Bandscheibenvorwölbung noch ein Bandscheibenvorfall nachweisbar und auch insoweit nunmehr eine positive Prognose gerechtfertigt sei. Deshalb stehe ihm jedenfalls ein Anspruch auf Wiedereinstellung zu. Der Kläger hat dementsprechend im Berufungsverfahren klageerweiternd hilfsweise beantragt,  die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein Angebot auf Abschluß eines Arbeitsvertrages auf Fortsetzung des bis zum 31. Januar 1999 bestandenen Arbeitsverhältnisses zu unveränderten Arbeitsbedingungen und unter Wahrung des Besitzstandes zu unterbreiten.

Die Beklagte hat ihren Antrag auf Abweisung aller Klagebegehren damit begründet, die Kündigung sei wirksam. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß angehört worden. Ihm sei von jeder Unfallmeldung eine Kopie übersandt worden. Es sei damit zu rechnen, daß die Erkrankungen des Klägers auch in Zukunft mit derselben Häufigkeit aufträten und zu Arbeitsunfähigkeiten führen würden. Aus den im ersten Rechtszug eingeholten Aussagen der Ärzte ergebe sich nicht, daß die Krankheiten ausgeheilt seien. Im Zeitpunkt der Kündigung habe sie auch mit Betriebsablaufstörungen und erheblichen wirtschaftlichen Belastungen rechnen müssen. Den Ausfall des Klägers habe sie durch Überstunden anderer Mitarbeiter und durch Aushilfskräfte auffangen müssen, da sie keine weitere Personalreserve vorhalte. Die zusätzlichen Kosten hätten eine unzumutbare Höhe erreicht (ca. 33.000,00 DM seit Mitte 1995). Die Krankheiten seien nicht auf betriebliche Ursachen zurückzuführen. Ein Anspruch auf Wiedereinstellung stehe dem Kläger nicht zu und sei außerdem zu spät geltend gemacht worden. Daran ändere der – unstreitige – Umstand nichts, daß sie den Kläger zur Begrenzung von Annahmeverzugsrisiken bis zum Abschluß des Berufungsverfahrens beschäftigt habe (Prozeßbeschäftigung).

Das Landesarbeitsgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Behauptung des Klägers, seine Wirbelsäulen- und Magenleiden seien vollständig ausgeheilt, die Berufung einschließlich der Klageerweiterung zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Die Anhörung des Betriebsrats sei im Hinblick auf die subjektive Determinierung der Anhörungspflicht nicht zu beanstanden. Die Beklagte habe dem Betriebsrat alle aus ihrer Sicht maßgeblichen Umstände mitgeteilt. Ob in den dem Betriebsrat mitgeteilten Lohnfortzahlungskosten unfallbedingte Zahlungen für noch nicht einmal einen Monat enthalten seien, könne keine Rolle spielen. Die negative Gesundheitsprognose der Beklagten sei durch das eingeholte Sachverständigengutachten bestätigt worden, da der Gutachter festgestellt habe, bei Kündigung sei das Magenleiden noch nicht ausgeheilt gewesen und bei unveränderter Arbeitssituation sei auch wiederholt mit Schmerzbildern der Lendenwirbelsäule zu rechnen gewesen. Auch die weitere Prognose der Beklagten, für die Zukunft seien überobligationsmäßige Lohnfortzahlungskosten zu erwarten, sei nach dem Sachverständigengutachten gerechtfertigt. Angesichts des noch geringen Lebensalters des Klägers und der hohen wirtschaftlichen Belastung schließe sich das Berufungsgericht der Interessenbewertung durch das Arbeitsgericht an. Wiedereinstellung könne der Kläger nicht verlangen, denn ein etwaiger, hierauf gerichteter Anspruch sei allenfalls nach Ablauf der Kündigungsfrist entstanden und vom Kläger bei weitem zu spät, nämlich erst 9 Monate nach Einleitung der positiven Entwicklung seines Magenleidens durch die Gastroskopie, geltend gemacht worden.

B. Dem folgt der Senat nur zum Teil. Ob die Klage begründet ist, kann nach dem bisherigen Sachstand nicht beurteilt werden.

I. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung nicht abgewiesen werden.

1. Zutreffend ist allerdings die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Kündigung sei nicht schon wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam.

a) Nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG muß der Arbeitgeber dem Betriebsrat nur diejenigen Gründe mitteilen, die nach seiner subjektiven Sicht die Kündigung rechtfertigen und für seinen Kündigungsentschluß maßgebend sind. Diesen Kündigungssachverhalt muß er in der Regel unter Angabe von Tatsachen, aus denen der Kündigungsentschluß hergeleitet wird, so beschreiben, daß der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe prüfen kann. Teilt der Arbeitgeber objektiv kündigungsrechtlich erhebliche Tatsachen dem Betriebsrat deshalb nicht mit, weil er darauf die Kündigung nicht oder zunächst nicht stützen will, dann ist die Anhörung ordnungsgemäß, weil eine nur bei objektiver Würdigung unvollständige Mitteilung der Kündigungsgründe nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung nach § 102 BetrVG führt. Eine in diesem Sinne objektiv unvollständige Anhörung verwehrt es dem Arbeitgeber allerdings, im Kündigungsschutzprozeß Gründe nachzuschieben, die über die Erläuterung des mitgeteilten Sachverhalts hinausgehen. Der Arbeitgeber kommt dagegen seiner Unterrichtungspflicht nicht nach, wenn er aus seiner Sicht dem Betriebsrat bewußt unrichtige oder unvollständige Sachdarstellungen unterbreitet (BAG 8. September 1988 – 2 AZR 103/88 – BAGE 59, 295; 2. November 1989 – 2 AZR 366/89 – RzK III 1b 13; KR-Etzel 6. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 63 a).

b) In Anwendung dieser Grundsätze ist die Kündigung entgegen der Auffassung der Revision nicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam. Zwar hat die Beklagte dem Betriebsrat nicht mitgeteilt, daß die beiden 11 bzw. 12 Tage umfassenden Krankheitsperioden im Jahre 1993 auf Betriebsunfällen beruhten. Das war auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil der Betriebsrat seinerzeit Unfallmeldungen erhalten haben mag. Die Beklagte konnte nicht erwarten, der Betriebsrat werde nach so langer Zeit noch Kenntnis von den Unfallmeldungen haben oder sie sich ohne erkennbaren Anlaß wieder verschaffen. Jedoch hat die Beklagte sich zur Begründung der Kündigung ersichtlich auf das Gesamtbild häufiger krankheitsbedingter Fehlzeiten seit dem Jahre 1992 stützen wollen, und zwar ohne Rücksicht darauf, welche Krankheitsursachen im einzelnen zu Grunde lagen. Der Umstand, daß in einem weiter zurückliegenden Jahr zwei Krankheitsperioden auf Betriebsunfälle zurückgehen, ändert hier das Gesamtbild der Fehlzeiten nicht. Die Krankheitsperioden fielen schwerpunktmäßig in die Jahre 1992, 1994 und 1996 bis 1998. Ebenfalls nicht zu beanstanden ist, daß die Beklagte dem Betriebsrat die jeweilige Krankheitsdauer in Kalendertagen mitgeteilt hat. Denn aus der Anzahl der Kalendertage ist die Anzahl der ausgefallenen Arbeitstage ersichtlich. Schließlich führt es auch nicht zu einer Unwirksamkeit der Kündigung nach § 102 Abs. 1 BetrVG, daß die Beklagte dem Betriebsrat die Entgeltfortzahlungskosten für sämtliche Arbeitsunfähigkeitszeiten ohne Aufschlüsselung in einem Betrag mitgeteilt hat. Aus dem Anhörungsschreiben ist erkennbar, daß sie eben diese Belastung für unzumutbar hält und unter anderem hierauf die Kündigung stützen will. Außerdem lassen sich aus der Zusammenschau der Krankheitstage und der Fortzahlungskosten in ausreichendem Maße Rückschlüsse ziehen. Dann noch verbleibende Unklarheiten hätten durch Nachfrage des Betriebsrats beim Arbeitgeber beseitigt werden können.

2. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Kündigung sei aus Gründen in der Person des Klägers iSd. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, ist rechtsfehlerhaft. Sie beruht auf einer fehlerhaften Anwendung der Rechtsprechung des Senats zur Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen, auf einer damit zusammenhängenden Verkennung der Beweislastverteilung und auf einer fehlerhaften Beweiswürdigung.

a) Bei der Frage, ob die Kündigung des Klägers auf Grund krankheitsbedingter Fehlzeiten aus Gründen in der Person bedingt und deshalb sozial gerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG), handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs. Diese kann vom Revisionsgericht nur dahin überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatsachenrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob die Entscheidung in sich widerspruchsfrei ist (BAG 28. Februar 1990 – 2 AZR 401/89 – AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 25 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 5; 11. August 1994 – 2 AZR 9/94 – AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 31 = EzA BGB § 622 nF Nr. 51). Auch diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab halten die Würdigungen des Landesarbeitsgerichts nicht stand.

b) Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Landesarbeitsgericht von den Grundsätzen ausgegangen, die der Senat zur Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen aufgestellt hat (vgl. BAG 12. Dezember 1996 – 2 AZR 7/96 – EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 41 mwN). Danach ist zunächst – erste Stufe – eine negative Gesundheitsprognose erforderlich; es müssen, und zwar abgestellt auf den Kündigungszeitpunkt, objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang rechtfertigen. Häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit können indiziell für eine entsprechende künftige Entwicklung des Krankheitsbildes sprechen. Dies gilt allerdings nicht, wenn die Krankheiten ausgeheilt sind. Bei einer negativen Indizwirkung hat der Arbeitnehmer gem. § 138 Abs. 2 ZPO darzutun, weshalb mit einer baldigen Genesung zu rechnen ist, wobei er dieser prozessualen Mitwirkungspflicht schon dann genügt, wenn er die Behauptungen des Arbeitgebers nicht nur bestreitet, sondern seinerseits vorträgt, die ihn behandelnden Ärzte hätten die gesundheitliche Entwicklung positiv beurteilt, und wenn er die ihn behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbindet. Alsdann ist es Sache des Arbeitgebers, den Beweis für das Vorliegen einer negativen Gesundheitsprognose zu führen. Die prognostizierten Fehlzeiten sind nur dann geeignet, eine krankheitsbedingte Kündigung sozial zu rechtfertigen, wenn sie auch zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen, was als Teil des Kündigungsgrundes – zweite Stufe – festzustellen ist. Dabei können neben Betriebsablaufstörungen auch erhebliche wirtschaftliche Belastungen des Arbeitgebers, etwa durch zu erwartende, einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen pro Jahr übersteigende Lohnfortzahlungskosten, zu einer derartigen erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen führen.

Liegt eine solche erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen vor, so ist in einem dritten Prüfungsschritt im Rahmen der nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG gebotenen Interessenabwägung zu prüfen, ob diese Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden müssen, wobei ua. zu berücksichtigen ist, ob die Erkrankungen auf betriebliche Ursachen zurückzuführen sind, ob und wie lange das Arbeitsverhältnis zunächst ungestört verlaufen ist, ob der Arbeitgeber eine Personalreserve vorhält und etwa neben Betriebsablaufstörungen auch noch hohe Lohnfortzahlungskosten aufzuwenden hatte; ferner sind das Alter, der Familienstand und die Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen.

c) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist noch nicht erkennbar, ob diese Voraussetzungen vorliegen.

aa) Soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, bereits die unstreitigen Fehlzeiten des Klägers indizierten eine negative Gesundheitsprognose, hat es die richtig wiedergegebenen Grundsätze des Senats unzutreffend angewandt. Es hat nämlich einen im Rahmen des § 1 Abs. 2 KSchG erheblichen rechtlichen Gesichtspunkt und wesentlichen Tatsachenstoff unberücksichtigt gelassen. Der Annahme des Landesarbeitsgerichts ist nur insoweit zu folgen, als die Beklagte – mangels Kenntnis der Krankheitsursachen – sich zunächst darauf beschränken durfte, die in den Jahren 1992, 1994 und 1996 bis 1998 einen Zeitraum von sechs Wochen pro Jahr überschreitenden Krankheitszeiten vorzutragen. Indes hat der Kläger hierauf schon im ersten Rechtszug die jeweiligen Krankheitsursachen dargetan. Da, wie die Revision zu Recht ausführt, für eine aus der Vergangenheit abgeleitete Prognose solche Krankheiten ausscheiden, bei denen keine Wiederholungsgefahr besteht (BAG 12. Dezember 1996 – 2 AZR 7/96 – aaO; KR-Etzel 6. Aufl. § 1 KSchG Rn. 328), durfte das Landesarbeitsgericht eine Indizwirkung der Krankheitszeiten in der Vergangenheit nur dann annehmen, wenn festgestellt war, in welchem Umfang bei ihnen eine Wiederholungsgefahr bestand. Dies hat das Landesarbeitsgericht übersehen. Eine Wiederholungsgefahr lag zwar für das Magenleiden und für die Rückenbeschwerden des Klägers nahe, nicht jedoch für die Arbeitsunfälle und die durchgeführten Operationen, möglicherweise auch nicht für die Nierenleiden und die Erkrankungen der Atemwege, die nach der Nasenoperation nicht mehr auftraten.

bb) Das Landesarbeitsgericht hat außerdem § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG nicht richtig angewandt. Es hat nicht berücksichtigt, daß eine etwaige Indizwirkung der vergangenen Krankheitszeiten jedenfalls durch die schon vom Arbeitsgericht eingeholten Auskünfte der behandelnden Ärzte des Klägers erschüttert war. Aus diesen Aussagen ergeben sich nämlich Zweifel an der negativen Zukunftsprognose. Zu den orthopädischen Leiden des Klägers hat der ihn insoweit behandelnde Arzt ua. ausgeführt:

„7.

Am 09.10.1998 hielt ich keine Zukunftsprognose für gerechtfertigt.

8.

Bei einem Bandscheibenvorfall ist die Wiedergenesung nie sicher oder sehr wahrscheinlich.

b) auch nicht bezogen auf einen Zeitraum, wahrscheinlich oder unwahrscheinlich.

c) genauso nicht völlig ungewiß.“

Zu den Magen/Darm-Erkrankungen hat der den Kläger insoweit behandelnde Arzt ausgeführt:

„Am 09.10.98 hielt ich die Zukunftsprognose insgesamt für relativ gut – mit der Ausnahme der Möglichkeit von zukünftig weiter rezidivierenden Magenbeschwerden durch die bekannten Ulcera duodeni. Allerdings war schon seit (zumindest) 1997 geplant, eine Magenspiegelung durchzuführen, um damit die hier ursächlich in Frage kommenden histologischen und bakteriologischen Befunde bestätigt zu bekommen. Diese ermöglichen heutzutage im Falle von rezidivierenden Magen- oder Zwölf-Finger-Darm-Geschwüren eine Therapie mit weitgehender Ausheilung und sehr häufig auch mit einer völligen Rezidivfreiheit. Da aber bis zum 09.10.98 diese endoskopische Untersuchung noch nicht realisiert war, mußte ich am 09.10.98 die Prognose (s.o.) noch mit einer Einschränkung versehen. Die Wiedergenesung des Klägers war zum 09.10.98 also keineswegs sicher oder sehr wahrscheinlich, wenngleich aber möglich.

Bei dem Kläger muß man m. E. heute davon ausgehen, daß in Zukunft wesentlich seltener Arbeitsunfähigkeiten notwendig sind. Herr C ließ sich nämlich endlich am 27.05.99 gastroskopieren. Dabei wurden die typischen histologischen und bakteriologischen Befunde erhoben, die heutzutage eine Therapie erfordern, welche Therapie zu einer weitgehenden Beschwerdefreiheit und vor allem auch zu einer weitgehenden Rezidivfreiheit führen kann. Diese Behandlung wurde dann übrigens am 08.06.99 begonnen. Über ihren Effekt läßt sich jetzt (21.06.99) natürlich noch nichts aussagen.“

Damit war die negative Prognose der Beklagten weder widerlegt noch bestätigt. Dem entspricht es, daß der die orthopädischen Leiden behandelnde Arzt die Frage des Arbeitsgerichts nach der Negativprognose wie folgt beantwortet hat:

„9.

Diese Frage medizinisch zu beantworten ist unmöglich, weil nicht von mir beeinflußbare Variablen auf Krankheitsprozesse, die auch unabhängig mit der Bandscheibenerkrankung stehen, Einfluß haben können.“

Da der Arbeitnehmer im Falle der Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen nicht den Beweis führen muß, daß die Negativprognose nicht gerechtfertigt ist (BAG 6. September 1989 – 2 AZR 19/89 – AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 21 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 26; KR-Etzel 6. Aufl. § 1 KSchG Rn. 335, 336), muß die Indizwirkung der Krankheitszeiten in der Vergangenheit dann als ausreichend erschüttert angesehen werden, wenn sich aus den Auskünften der behandelnden Ärzte jedenfalls Zweifel an der Negativprognose ergeben. So liegt es hier. Das Landesarbeitsgericht hätte dementsprechend nicht über die Behauptung des Klägers, seine Leiden seien ausgeheilt gewesen, Beweis erheben dürfen, sondern es hätte – umgekehrt – den von der Beklagten angebotenen Beweis der Negativprognose erheben müssen.

cc) Gleichwohl wäre die Wertung des Landesarbeitsgerichts, die Negativprognose der Beklagten sei gerechtfertigt gewesen, nicht zu beanstanden, wenn sie auf einer dem Gesetz entsprechenden Würdigung iSd. § 286 Abs. 1 ZPO beruhen würde. Die Regeln der Beweislastverteilung sind nur für die Beweiserhebung, nicht für die Beweiswürdigung maßgeblich (Zöller/Greger ZPO 23. Aufl. § 286 Rn. 3). Indes verstößt die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Würdigung gegen § 286 Abs. 1 ZPO.

 (a) Eine vom Berufungsgericht gem. § 286 Abs. 1 ZPO vorgenommene Würdigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme ist durch das Revisionsgericht nur beschränkt nachprüfbar. Dieses kann lediglich überprüfen, ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen und die Grenzen des § 286 Abs. 1 ZPO gewahrt und eingehalten hat. Revisionsrechtlich von Bedeutung ist deshalb nur, ob das Berufungsgericht tatsächlich den gesamten Inhalt der Verhandlungen berücksichtigt und alle erhobenen Beweise gewürdigt hat, ob die Beweiswürdigung in sich widerspruchsfrei sowie frei von Verstößen gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze ist und ob sie rechtlich möglich ist (BAG 1. Oktober 1997 – 5 AZR 685/96 – BAGE 86, 347 mwN). Dabei verlangt die Berücksichtigung des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nicht eine Würdigung jeder Einzelausführung eines Zeugen oder Sachverständigen. Es reicht aus, daß insgesamt widerspruchsfrei und umfassend zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung genommen wird (BAG 25. Februar 1998 – 2 AZR 327/97 – nv., zu II 1 der Gründe mwN). Zu verlangen ist jedoch, daß alle wesentlichen Aspekte in den Aussagen eines Zeugen oder Sachverständigen in der Begründung des Gerichts erwähnt und gewürdigt werden. Diesem Prüfungsmaßstab wird die Würdigung des Landesarbeitsgerichts nicht gerecht.

 (b) Das Sachverständigengutachten enthält zu der vom Landesarbeitsgericht zu Unrecht als bewiesen angesehenen Behauptung einer Negativprognose keine – ausdrückliche – Aussage. Dies schon deshalb nicht, weil die vom Landesarbeitsgericht formulierte Beweisfrage nicht auf die Negativprognose, sondern auf die damit nicht identische Frage zielte, ob das Magenleiden und das Wirbelsäulenleiden des Klägers ausgeheilt seien. Eine Beweiswürdigung, mit der eine Behauptung als – durch ein Sachverständigengutachten – bewiesen angesehen wird, nach deren Richtigkeit der Sachverständige nicht gefragt worden ist und zu der er sich auch nicht geäußert hat, ist in der Regel rechtsfehlerhaft.

 (c) Außerdem beruht die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Beweiswürdigung auf einer Verletzung von Denkgesetzen. Die zu beweisende Haupttatsache besteht in der Negativprognose. Das Landesarbeitsgericht hat indes über die Behauptung des Gegenteils – nämlich die vollständige Ausheilung der Krankheiten – Beweis erhoben. Sodann hat es daraus, daß dem Kläger dieser Beweis des Gegenteils nicht gelungen ist, geschlossen, der Hauptbeweis sei erbracht. Dieser Schluß ist unzulässig. Der Umstand, daß der Beweis des Gegenteils nicht geführt ist, ist zwar notwendige, nicht aber hinreichende Bedingung dafür, daß der Hauptbeweis als geführt angesehen werden kann. Möglich ist nämlich, daß weder der Hauptbeweis noch der Beweis des Gegenteils geführt wird und es bei einem non liquet bleibt.

 (d) Schließlich rügt die Revision zu Recht, daß das Landesarbeitsgericht in seiner Würdigung die vom Sachverständigen angeführte überlange Schichtdauer des Klägers unberücksichtigt gelassen hat. Der Sachverständige hatte ausgeführt, das Magenleiden sei nicht ausgeheilt. Bei dem Wirbelsäulenleiden sei die Lage differenzierter zu betrachten. Der Beweis einer Bandscheibenvorwölbung oder eines Bandscheibenvorfalles sei nicht zu führen. Mit Schmerzbildern der Lendenwirbelsäule sei – vom Zeitpunkt der Kündigung aus betrachtet – dann zu rechnen gewesen, wenn die bisherige Arbeitssituation beibehalten werde. Damit sprach der Sachverständige den Umstand an, daß der Kläger freiwillig 230 bis 240 Stunden monatlich statt 37,5 Stunden wöchentlich arbeite. Die Wertung des Landesarbeitsgerichts, der Sachverständige habe mit seiner diesbezüglichen Erklärung die Negativprognose bestätigt, läßt außer Acht, daß die Erklärung des Sachverständigen auf den Fall fortgesetzter, überobligationsmäßiger Arbeitsleistung durch den Kläger beschränkt war. Für die Negativprognose kommt es jedoch nicht darauf an, ob beim Arbeitnehmer mit Fehlzeiten wie in der Vergangenheit unter der Voraussetzung gerechnet werden muß, daß er überobligationsmäßige Leistungen erbringt. Maßgeblich ist die voraussichtliche Entwicklung für den Fall vertragsgemäßer Weiterbeschäftigung. Hierzu enthält das Sachverständigengutachten keine Stellungnahme.

dd) Auch die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung ist rechtsfehlerhaft. Sie läßt wesentliche Umstände außer Betracht.

 (a) Nach der Rechtsprechung des Senats (6. September 1989 – 2 AZR 118/89 – AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 22 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 27) ist bei der Interessenabwägung insbesondere zu berücksichtigen, ob die Erkrankungen des Arbeitnehmers auf betriebliche Ursachen zurückzuführen sind (vgl. KR-Etzel 6. Aufl. § 1 KSchG Rn. 348; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 13. Aufl. § 1 Rn. 183; Stahlhacke/Preis/Vossen Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 8. Aufl. Rn. 1232; Kittner/Däubler/Zwanziger KSchR 5. Aufl. § 1 KSchG Rn. 83). Der Arbeitgeber trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß ein solcher vom Arbeitnehmer behaupteter ursächlicher Zusammenhang nicht besteht. Die Feststellung der Ursächlichkeit oder Nichtursächlichkeit ist eine Beweisfrage, die in der Regel nur durch den behandelnden Arzt oder durch einen medizinischen Sachverständigen beantwortet werden kann. Bleibt sie auch danach ungeklärt, so geht dies zu Lasten des Arbeitgebers (BAG 5. Juli 1990 – 2 AZR 154/90 – AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 26 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 32).

 (b) Diese Grundsätze hat das Landesarbeitsgericht außer Acht gelassen, indem es – dem Arbeitsgericht folgend – ohne nähere Prüfung angenommen hat, der Kläger sei gesundheitlich „zu labil“ und die hohen wirtschaftlichen Belastungen überwögen das Interesse des Klägers angesichts seines „noch geringen Lebensalters“. Demgegenüber hat der Kläger schon erstinstanzlich behauptet, die überdurchschnittlichen Arbeitsunfähigkeitszeiten seien durch den Wechsel zwischen warmer und kalter Arbeitsumgebung (Spüle, Kühlhaus) sowie durch Dämpfe und Säuren hervorgerufen worden. Zwischen den Parteien ist außerdem unstreitig, daß der Kläger monatlich zwischen 230 und 240 Stunden arbeitete, ohne daß hierzu eine vertragliche Verpflichtung bestand. Insbesondere nach dem im Berufungsrechtszug eingeholten Sachverständigengutachten bestand Anlaß, einen Zusammenhang zwischen der hohen Arbeitsbelastung und den Fehlzeiten anzunehmen. Es ist nicht auszuschließen, daß eine Interessenabwägung, die diese Umstände einbezieht, anders ausgehen müßte als die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Bewertung.

II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den Feststellungsantrag muß aufgehoben werden. Sie erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 563 ZPO aF).

Die bisher getroffenen Feststellungen rechtfertigen nicht die Annahme, eine negative Gesundheitsprognose sei gerechtfertigt. Daß die in der Vergangenheit aufgetretenen Krankheitszeiten indizielle Wirkung hätten, läßt sich bisher nicht feststellen. Es ist nicht aufgeklärt, in welchem Umfang eine Wiederholungsgefahr bestand. Weder die Aussagen der den Kläger behandelnden Ärzte noch das vom Berufungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten rechtfertigen die Annahme einer negativen Gesundheitsprognose.

III. Der Rechtsstreit muß an das Landesarbeitsgericht zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen werden. Er ist nicht zur Entscheidung reif (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO aF).

1. Ob die Kündigung sozialwidrig iSd. § 1 Abs. 2 KSchG ist, kann noch nicht beurteilt werden.

a) Die Beklagte hat behauptet, die Erwartung erheblicher Fehlzeiten in der Zukunft sei gerechtfertigt. Sie hat hierfür Beweis durch Sachverständigengutachten angetreten. Dem wird das Landesarbeitsgericht nachzugehen haben. Dabei wird zu beachten sein, daß es für die Frage der Negativprognose auf den objektiven Gesundheitszustand des Arbeitnehmers im Zeitpunkt der Kündigung ankommt. Später einsetzende neue Kausalverläufe, die zu einer Besserung führen, müssen unberücksichtigt bleiben (BAG 29. April 1999 – 2 AZR 431/98 – BAGE 91, 271). Sprechen aber schon im Zeitpunkt der Kündigung objektive Umstände für eine Besserung des Gesundheitszustandes, so fehlt es an einer negativen Gesundheitsprognose (BAG 21. Februar 2001 – 2 AZR 558/99 – EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 48). Besteht also im Zeitpunkt der Kündigung eine anerkannte und erfolgversprechende Therapiemethode, mit deren Anwendung zu rechnen war, so ist diese Möglichkeit in die prognostische Beurteilung einzubeziehen. Anders liegt es dann, wenn der Arbeitnehmer erst nach der Kündigung in eine erfolgversprechende Therapie einwilligt (BAG 5. Juli 1990 – 2 AZR 154/90 – AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 26 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 32). Bei der prognostischen Beurteilung der Fehlzeiten kann demnach von Bedeutung sein, aus welchen Gründen die nach Aussage seines Arztes bereits seit 1997 geplante Magenspiegelung – nach deren Durchführung im Mai 1999 eine Besserung des Magenleidens eingetreten zu sein scheint – bis zur Kündigung unterblieb.

b) Ob eine Beeinträchtigung betrieblicher Interessen – zweite Stufe – im Sinne der Rechtsprechung des Senats vorliegt, kann noch nicht beurteilt werden. Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß die Beklagte in den Jahren ab 1995 rund 33.000,00 DM an Entgeltfortzahlungskosten aufgewandt hat. Indem die Beklagte behauptet hat, beim Kläger würden die in der Vergangenheit beobachteten Krankheitszeiten auch in der Zukunft auftreten, hat sie zugleich auch eine erhebliche wirtschaftliche Belastung durch Entgeltfortzahlungskosten behauptet. Nach der ständigen Senatsrechtsprechung stellen allein die entstandenen und künftig zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten, die jeweils für einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen aufzuwenden sind, eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen dar (29. Juli 1993 – 2 AZR 155/93 – AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 27 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 40; 20. Januar 2000 – 2 AZR 378/99 – BAGE 93, 255). Ob für die Zukunft tatsächlich Entgeltfortzahlungskosten in der von der Beklagten befürchteten Höhe zu erwarten sind, hängt davon ab, ob die von der Beklagten behauptete Negativprognose bewiesen wird.

c) Das Landesarbeitsgericht wird – dritte Stufe – eine fallbezogene Interessenabwägung vorzunehmen haben. Fehlende Feststellungen zu der Frage, ob die häufigen Arbeitsunfähigkeitszeiten auf betriebliche Umstände zurückzuführen sind, werden nachzuholen sein. Die Parteien haben streitig vorgetragen und Beweis angeboten. Dem wird das Landesarbeitsgericht nachgehen müssen.

IV. Mit der Aufhebung der Entscheidung über den Hauptantrag war die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den Hilfsantrag ebenfalls aufzuheben und der Rechtsstreit auch insoweit an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (BAG 15. August 2001 – 7 AZR 144/00 – EzA BGB § 620 Nr. 182).

1. Über den Hilfsantrag wird allerdings nur zu entscheiden sein, wenn unter Beachtung der Senatsrechtsprechung und der vorstehenden Hinweise der Hauptantrag erneut geprüft und abzuweisen ist.

2. Das Landesarbeitsgericht wird zu beachten haben, daß zwar fortbestehende nachvertragliche Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis ausnahmsweise einen Wiedereinstellungsanspruch auch nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses begründen können (vgl. zuletzt BAG 21. Februar 2002 – 2 AZR 749/00 – BB 2002, 343; 28. Juni 2000 – 7 AZR 904/98 – BAGE 95, 171), daß jedoch die Frage, ob ein Wiedereinstellungsanspruch im Fall einer auf Krankheitsgründe gestützten Kündigung bejaht werden kann, bisher vom Bundesarbeitsgericht offengelassen wurde (BAG 27. Juni 2001 – 7 AZR 662/99 – AP KSchG 1969 § 1 Wiedereinstellung Nr. 10 = EzA KSchG § 1 Wiedereinstellungsanspruch Nr. 6; 17. Juni 1999 – 2 AZR 639/98 – BAGE 92, 96). Jedenfalls ist für einen Wiedereinstellungsanspruch nach Krankheitskündigung nur dann Raum, wenn eine veränderte, positive Prognose gerechtfertigt ist (BAG 17. Juni 1999 – 2 AZR 639/98 – aaO; ebenso: Kittner/Däubler/Zwanziger aaO Einleitung Rn. 390 d). Außerdem scheidet ein Wiedereinstellungsanspruch dann aus, wenn die neu eintretenden Umstände auf einem neuen Kausalverlauf beruhen (BAG 4. Dezember 1997 – 2 AZR 140/97 – BAGE 87, 221). Im vorliegenden Fall hat der Kläger vorgetragen, die Änderung der Prognose beruhe auf der im Mai 1999 – also nach Ablauf der Kündigungsfrist – durchgeführten Magenspiegelung und der sich daran anschließenden weiteren Therapie. War diese neue Therapie bereits im Jahre 1997 – vor der Kündigung – angelegt, so dürfte sie eine Negativprognose ausschließen, so daß ein Wiedereinstellungsanspruch schon deshalb ausscheidet. Kam sie – nach vorheriger Therapieverweigerung durch den Kläger – erst auf Grund eines Entschlusses des Klägers im Mai 1999 zur Anwendung, so beruhte sie auf einem neuen Kausalverlauf, der erst nach Ablauf der Kündigungsfrist in Gang kam und deshalb jedenfalls außer Betracht zu bleiben hat (vgl. Stahlhacke/Preis/Vossen aaO Rn. 1198). Daran könnte nach den bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts auch der Umstand nichts ändern, daß die Beklagte den Kläger während des Prozesses weiterbeschäftigte. Denn insoweit handelte es sich um eine Prozeßbeschäftigung zur Vermeidung etwaiger Annahmeverzugsansprüche, mit der die Beklagte keinen zu Gunsten des Klägers wirkenden Vertrauenstatbestand schuf (vgl. BAG 27. Juni 2001 – 7 AZR 662/99 – aaO).

3. Auf die weiteren vom Landesarbeitsgericht aufgeworfenen Fragen dürfte es danach nicht mehr ankommen.

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